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6 D 60012/06 Me Aktenzeichen VERWALTUNGSGERICHT MEININGEN URTEIL IM NAMEN DES VOLKES In dem Disziplinarverfahren Freistaat Thüringen, vertreten durch das Thüringer Polizeiverwaltungsamt Abteilung 4 - Rechtsangelegenheiten, Mühlweg 18, 99091 Erfurt, - Disziplinarkläger - gegen S_____ C_____, Z_____, _____ C_____, - Disziplinarbeklagter - bevollmächtigt: Rechtsanwälte Scholz und Senff, Markt 9, 07381 Pößneck, wegen Disziplinarklage nach § 50 ThürDG hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Meiningen durch den Vorsitzenden Richter am VG Becker, den Richter am VG Läger, den Richter am VG Gith, die ehrenamtliche Richterin, den ehrenamtlichen Richter

URTEIL - thovg.thueringen.de · Zudem habe er gegen die Pflicht der Weisungsgebundenheit verstoßen, da er die geltend gemachten Vergabevorschriften nicht beachtet habe. Er …

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VERWALTUNGSGERICHT MEININGEN

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Disziplinarverfahren

Freistaat Thüringen,vertreten durch das Thüringer PolizeiverwaltungsamtAbteilung 4 - Rechtsangelegenheiten,Mühlweg 18, 99091 Erfurt,

- Disziplinarkläger -

gegen

S_____ C_____,Z_____, _____ C_____,

- Disziplinarbeklagter -bevollmächtigt: RechtsanwälteScholz und Senff,Markt 9, 07381 Pößneck,

wegen

Disziplinarklage nach § 50 ThürDG

hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Meiningen

durch

den Vorsitzenden Richter am VG Becker,den Richter am VG Läger, den Richter am VG Gith,die ehrenamtliche Richterin,den ehrenamtlichen Richter

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auf Grund mündlicher Verhandlung

vom 16. August 2007 f ü r R e c h t e r k a n n t :

I. Der Beamte wird wegen eines Dienstvergehens aus

dem Dienst entfernt.

II. Der Beamte trägt die Kosten des Verfahrens.

T a t b e s t a n d :

I.

Der am __.__.1964 in Pößneck geborene Beamte besuchte von 1970 bis 1980 die Poly-

technische Oberschule und absolvierte anschließend bis 1982 eine Ausbildung zum Bau-

facharbeiter. Nach Abschluss seiner Ausbildung begann er seinen Dienst in der Bereit-

schaftspolizei. Am 01.08.1992 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Pro-

be zum Regierungsassistenten z. A. und zum 01.05.1993 zum Regierungssekretär ernannt.

Am 01.09.1995 wurde ihm die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. Mit

Wirkung vom 01.02.1996 wurde er zum Regierungsobersekretär befördert. Seit dem

07.08.1996 war der Beamte in der Polizeidirektion S_____ tätig. Mit Wirkung vom

01.10.1998 erfolgte seine Beförderung zum Regierungshauptsekretär.

Der Beamte ist seit dem 26.07.1984 verheiratet und hat zwei 1985 und 1986 geborene Kin-

der. Die Ehefrau des Beamten arbeitet als Krankenschwester und verfügt über ein monatli-

ches Einkommen von ca. ___,- €.

Der Beamte wurde mit Regelbeurteilung zum Stichtag 01.04.2001 mit der Note „entspricht

den Anforderungen“ (3,0) beurteilt. Er befindet sich in der 9. Besoldungsdienstaltersstufe

der Besoldungsgruppe A 8 und erhält Dienstbezüge in Höhe von ca. ____,__ € Brutto mo-

natlich. Bisher war er weder vorbestraft noch disziplinarisch in Erscheinung getreten.

Am 15.05.2003 wurde gegen den Beamten ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren we-

gen des Verdachts des Betrugs eingeleitet, da es bei der Vergabe von Reinigungsleistungen

Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Mit Verfügung vom 19.09.2003 leitete der Polizeidi-

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rektor der Polizeidirektion S_____ gegen den Beamten wegen dieses Vorwurfs ein Diszip-

linarverfahren ein und setzte dieses bis zum Abschluss des Strafverfahrens aus. Dem Be-

amten wird darin zur Last gelegt, er stehe unter Verdacht, gegen Dienstpflichten verstoßen

zu haben, indem er im Zusammenhang mit der Ausschreibung von Reinigungsarbeiten

während des Submissionstermins am 22.05.2001 die Firma D_____ mit einem monatlichen

Betrag von 11.996,80 DM bei 13 Arbeitskräften mit 1.319 Mindestarbeitsstunden erfasst

habe. Auf Grund dieser Daten habe diese Firma den Zuschlag erhalten. Später habe er das

Submissionsprotokoll ohne Wissen der anderen Kommissionsteilnehmer auf einen monat-

lichen Betrag von 15.602,13 DM bei 9 Arbeitskräften mit 693,44 Mindestarbeitsstunden

abgeändert. Der Vertrag sei dann auf Grundlage des geänderten Preises mit der Firma ab-

geschlossen worden. Entsprechend dieser Auflistung hätte diese Firma niemals den Zu-

schlag erhalten dürfen, da deren Angebot weit über dem des wirtschaftlichen Bieters gele-

gen habe. Der Beamte wurde daraufhin zum Thüringer Polizeiverwaltungsamt in Erfurt

abgeordnet, wobei die Abordnung mehrfach verlängert und zum Ablauf des 31.03.2004

aufgehoben wurde. Mit Verfügung vom 29.03.2004, dem Beamten am 01.04.2004 gegen

Empfangsbekenntnis ausgehändigt, wurde er gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 ThürDG vorläufig

des Dienstes enthoben und mit Verfügung vom 17.05.2004 der Einbehalt von 15 % der

monatlichen Dienstbezüge angeordnet. Auf Grund gesundheitlicher Probleme des Beamten

hob der Leiter der PD mit Verfügung vom 22.09.2004 die vorläufige Dienstenthebung mit

Ablauf des 26.09.2004 auf und teilte dem Beamten mit, er habe ab dem 27.09.2004 seinen

Dienst beim Thüringer Polizeiverwaltungsamt anzutreten. Gleichzeitig wies er darauf hin,

dass dies ausschließlich aus fürsorgerechtlichen Aspekten erfolgt sei, ohne dass er daraus

einen entsprechenden Vertrauensschutz herleiten könne.

Mit Urteil des Amtsgerichts Rudolstadt vom 24.05.2005 (501 Js 21220/03 1 Ls) wurde der

Beamte wegen Betruges, rechtlich zusammentreffend mit Untreue sowie tateinheitlich be-

gangen mit Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung

verurteilt. Gegen das Urteil legten die Staatsanwaltschaft und der Beamte Berufung ein. In

der Verhandlung beschränkte der Beamte die Berufung auf das Strafmaß und gab ein Ge-

ständnis ab. Durch Berufungsurteil des Landgerichts Gera (501 Js 21220/03-3 Ns) vom

13.10.2005 wurde der Beamte zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung

rechtskräftig verurteilt.

Nachdem der Beamte zur beabsichtigten erneuten vorläufigen Dienstenthebung am

06.06.2005 zur Anhörung geladen und angehört wurde, erfolgte mit Verfügung vom

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13.06.2005 erneut die vorläufige Dienstenthebung und der Einbehalt von 15 % der monat-

lichen Dienstbezüge.

Mit Schreiben vom 28.11.2005 ordnete der Leiter der PD S_____ die Fortsetzung des Dis-

ziplinarverfahrens an. Gleichzeitig wies er den Beamten darauf hin, dass gemäß § 27

Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 ThürDG auf weitere Ermittlungen verzichtet werde, da der

Sachverhalt auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils im

Strafverfahren feststehe. Er habe die Verfehlungen durch Beschränkung seiner Berufung

auf die Rechtsfolge eingestanden. Gemäß § 16 Abs. 1 ThürDG seien die tatsächlichen

Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils für die Disziplinarorgane bindend. Ihm wer-

de deshalb vor Erhebung der Disziplinarklage gemäß § 26 ThürDG Gelegenheit gegeben,

sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen schriftlich oder mündlich zu äußern. Der Be-

amte wurde ferner darauf hingewiesen, dass er die Beteiligung des Personalrates beantra-

gen könne. Auf Antrag des Beamten beriet der örtliche Personalrat am 01.02.2006 über die

beantragte Maßnahme zur Erhebung der Disziplinarklage und verweigerte seine Zustim-

mung. In dem vom Thüringer Innenministerium eingeleiteten Stufenverfahren stimmte der

Hauptpersonalrat in seiner Sitzung vom 13.03.2006 der beabsichtigten Erhebung der Dis-

ziplinarklage gegen den Beamten zu.

Mit Schreiben vom 16.01.2006, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, ließ der Beamte

zur beabsichtigten Klageerhebung Stellung nehmen.

II.

Am 29.03.2006 hat der Disziplinarkläger beim Verwaltungsgericht Meiningen - Kammer

für Disziplinarsachen - Klage erhoben und beantragt,

den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen.

Dem Beamten wird zur Last gelegt, im Zusammenhang mit der Ausschreibung von Reini-

gungsleistungen im Jahr 2001 einen Betrug, rechtlich zusammentreffend mit Untreue so-

wie tateinheitlich begangen mit Urkundenfälschung, verübt zu haben. Nach den bindenden,

tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils habe der Beamte die öffentliche Ausschrei-

bung der Reinigungsleistungen in den Liegenschaften der Polizeidirektion S_____ vorzu-

bereiten und durchzuführen gehabt. Die Ausschreibung sei im Thüringer Staatsanzeiger

erfolgt, woraufhin nach Ablauf der Angebotsfrist zehn Firmen Angebote unterbreitet hät-

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ten. Zur Öffnung und Wertung dieser Angebote sei im Bereich der Polizeiinspektion

S_____ eine neunköpfige Vergabekommission gebildet worden, der auch der Beamte an-

gehört habe. Die Zeugin S_____ sei auf Grund ihres Dienstgrades zwar als Verhandlungs-

leiterin bestimmt worden, jedoch habe der Beamte auf Grund seiner Kenntnisse und Erfah-

rungen auf dem Gebiet der Ausschreibungen nicht nur das Protokoll geführt, sondern auch

die Submissionskommission geleitet. Nach Erläuterung der Kriterien und des Zieles der

Vergabesitzung seien die Angebote geöffnet und auf Vollständigkeit geprüft worden, wo-

bei jedes Submissionsmitglied ein Angebot zur Prüfung erhalten habe. Die Angebote der

Firma D_____ und K_____ seien durch den Beamten geprüft worden. Wegen der vom

Beamten gemeinsam mit dem Zeugen H_____ erarbeiteten Prüfungsvorgaben seien die

Anzahl der eingesetzten Arbeitskräfte, die im Durchschnitt pro Stunde gereinigten Qua-

dratmeter, die Mindestarbeitsstunden pro Monat, die Erreichbarkeit an Wochenenden und

Feiertagen und der monatliche Nettopreis aus dem Angebot als die für die Vergabeent-

scheidung bedeutsamen Kriterien herauszuarbeiten gewesen. Die von den Kommissions-

mitgliedern auf Grund dieser Prämissen aus den Angeboten ermittelten Werte habe der

Beamte handschriftlich in eine vorgefertigte tabellarische Übersicht eingetragen. Bei dem

von ihm ausgewerteten Angebot der Firma D_____ habe er die Eintragungen zu Gunsten

der Firma manipuliert, in dem er Werte eingetragen habe, die sich aus dem Angebot dieser

Firma so nicht ergeben hätten. Bei „eingesetzte Arbeitskräfte“ habe er die Zahl 13 einge-

tragen, obwohl sich aus den Angebotsunterlagen nur der Einsatz von 9 Arbeitskräften er-

geben habe. Bei „Mindestarbeitsstunden“ habe er die Zahl 1.319 eingetragen, obgleich die

Zahl nach den Angebotsunterlagen nur etwa halb so groß gewesen sei. Schließlich habe er

in der Spalte „monatliche Preise“ für alle Lose netto die Zahl 11.996,80 DM eingetragen,

obwohl der Angebotspreis 15.602,13 DM betragen habe. Diese Zahlen habe der Beamte

den anderen Kommissionsmitgliedern so bekannt gegeben. Die Vergabekommission sei

daraufhin zum Ergebnis gelangt, die teuerste und die billigste Firma aus der Entscheidung

herauszunehmen und hätte dann in der Gesamtbewertung entschieden, den Zuschlag der

Firma D_____ zu erteilen, weil ihnen dieses Angebot als das wirtschaftlichste erschienen

sei. Dabei sei ihnen allerdings nicht bekannt gewesen, dass die vom Beamten eingetrage-

nen Zahlen unrichtig gewesen seien. Die Zuschlagserteilung sei daher zum falschen Preis

von 11.996,80 DM erfolgt und dann nachfolgend in der Niederschrift über die Öffnung,

Prüfung und Wertung von Angeboten vermerkt und von allen Mitgliedern der Vergabe-

kommission unterschrieben worden. Im Nachhinein habe der Beamte die Zahl abgeändert,

in dem er diese durchgestrichen und die dem tatsächlichen Angebot entsprechende Zahl

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15.602,13 DM darüber geschrieben habe. Die Streichung der Zahl 11.996,80 DM sei vom

Beamten gegengezeichnet worden. Durch diese Fälschung habe er gegenüber dem Haus-

haltsbeauftragten der PD S_____, den Zeugen H_____, den Irrtum erweckt, die Vergabe-

kommission habe den Zuschlag an die Firma D_____ zu einem monatlichen Gesamtpreis

von 15.602,13 DM erteilen wollen. Wegen dieses täuschungsbedingten Irrtums habe der

Leiter der PD S_____ nach vorangegangenem Zuschlagschreiben mit der Firma D_____

für die Zeit vom 01.01.2002 bis 31.12.2003 einen Vertrag über ein jährliches Entgelt in

Höhe von 103.714,08 EUR geschlossen. Dieser Sachverhalt ergebe sich aus den bindenden

Feststellungen der Strafurteile des Amts- und Landgerichts.

Durch sein Verhalten habe der Beamte vorsätzlich ein innerdienstliches Dienstvergehen im

Sinne des § 81 Abs. 1 Satz 1 ThürDG i.V.m. § 57 Satz 2, 3 und § 58 Satz 2 ThürBG be-

gangen. Er habe gegen die ihm obliegende Pflichten, sein Amt uneigennützig nach bestem

Gewissen zu verwalten, sowie gegen seine Pflicht, innerhalb und außerhalb des Dienstes

der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordere, verstoßen.

Zudem habe er gegen die Pflicht der Weisungsgebundenheit verstoßen, da er die geltend

gemachten Vergabevorschriften nicht beachtet habe. Er habe einen Betrug in Tateinheit

mit Urkundenfälschung und Untreue in einem jeweils besonders schweren Fall begangen.

Alle drei Verfehlungen bildeten zusammen ein Dienstvergehen. Zwar gebe es für ein be-

trügerisches Verhalten keine Regelrechtssprechung, so dass für die Maßnahmebemessung

ausschlaggebend stets die besonderen Umstände des Einzelfalles seien, die bei innerdienst-

lichem Fehlverhalten die Höchstmaßnahme dann nahelegten, wenn bestimmte erschweren-

de Umstände gegeben seien, denen keine Milderungsgründe ausreichenden Gewichts ge-

genüberstünden. Werde im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe betrügerisch gehan-

delt, so wirke allein schon dieser Umstand erschwerend, weil hier - worauf das Bundes-

verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 14.06.1988 (1 D 59/87) hingewiesen habe - das

„Eingangstor zur Korruption“ liege, deren Verhinderung und Bekämpfung ein besonderes

Anliegen des Dienstrechts sei. Mit der Vergabe öffentlicher Aufträge könnten nur Beamte

betraut werden, denen uneingeschränktes Vertrauen entgegengebracht werden könne. Da

die Kontrollmöglichkeiten nur begrenzt seien und die Einhaltung der Vergaberegelungen

nur durch formale Vergabebestimmungen gesichert werde, müsse deren strikte Einhaltung

gefordert und ihre Verletzung mit einem hohen disziplinaren Risiko ausgestattet werden.

Der Beamte habe umfassende Kenntnisse über das Vergaberecht. Er sei durch zahlreiche

Lehrgänge in Fragen des Vergaberechts umfassend geschult worden und habe bereits

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mehrfach zur Zufriedenheit der PD S_____ Ausschreibungen durchgeführt. Bei seinem

Tun habe er den Umstand ausgenutzt, dass alle anderen Mitglieder der Vergabekommissi-

on einschließlich der Leiterin entweder überhaupt keine oder nur sporadische Kenntnisse

im Vergaberecht besessen hätten. Neben dem Betrug habe er die Straftatbestände der Un-

treue und Urkundenfälschung verwirklicht. Die Gefährdung der Sicherheit des Urkunden-

verkehrs sei für die öffentliche Verwaltung von besonderer Bedeutung. Sie müsste sich bei

ihren Entscheidungen weitgehend auf Urkunden stützen und sei auf deren Echtheit und

Vollständigkeit angewiesen. Ein Beamter, der sich darüber hinwegsetze, beeinträchtige die

Grundlage des Beamtenverhältnisses. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass ein hoher

finanzieller Schaden entstanden sei. Zu seinen Gunsten könne als Milderungsgrund nur

Berücksichtigung finden, dass es ihm nicht um materielle Vorteile gegangen sei. Nach der

Aktenlage seien keine Anhaltspunkte erkennbar, dass er sich selbst bereichert oder von der

bevorzugten Firma in irgendeiner Weise Zuwendungen erhalten habe. Auch sei er zuvor

weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten. Schwierige familiä-

re Verhältnisse, psychische oder physische Belastungen bzw. das Vorliegen einer besonde-

ren Ausnahmesituation seien nicht erkennbar. Auch wenn ihm seine unmittelbaren Dienst-

vorgesetzten als guten und kompetenten Beamten einschätzten und sein Engagement bei

der Weiterbildung als lobenswert erachteten, wiege in dieser Hinsicht schwer, dass er den

Vertrauensvorschuss, der ihm entgegengebracht worden sei und das erworbene Fachwissen

für seine Tat genutzt habe. Die dienstliche und außerdienstliche Führung nach der Tat kön-

ne am Gewicht des Dienstvergehens rückwirkend nichts ändern. Die vorgenannten Milde-

rungsgründe könnten gegenüber den erschwerenden Umständen nicht genügend Gewicht

erhalten, um das Dienstvergehen in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Schon ein

einzelner, ausreichend gewichtiger belastender Umstand könne genügen, um auf die

Höchstmaßnahme zu erkennen. Die Dauer des Straf- und Disziplinarverfahrens könne

nicht mildernd Berücksichtigung finden, wenn die Höchstmaßnahme, die Entfernung aus

dem Dienst im Raume stehe, weil im Falle der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses nur

diese als einzige in Betracht kommende Entscheidung keinen Raum lasse, den Umstand

der langen Verfahrensdauer noch mildernd zu berücksichtigen. Wegen der gesamten vor-

genannten Umstände sei das Vertrauensverhältnis als zerstört anzusehen. Auch die Tatsa-

che, dass er nach seiner vorläufigen Dienstenthebung vorübergehend weiter beschäftigt

worden sei, könne keinen Einfluss auf das als zerstört anzusehende Vertrauensverhältnis

haben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wirke sich die

vorübergehende Weiterbeschäftigung eines Beamten nach Aufdeckung des Dienstverge-

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hens nicht Maßnahme mildernd aus, da die Frage der weiteren Tragbarkeit eines Beamten

von den Disziplinargerichten zu beurteilen sei und die Weiterbeschäftigung auf Gründen

beruhen könne, die disziplinarrechtlich nicht von Bedeutung seien. Der eingetretene Ver-

trauensverlust werde dadurch nicht nachträglich beseitigt. Hier sei die Weiterbeschäftigung

aus Gründen der Fürsorgepflicht erfolgt, um ihn vor einem Schaden an seiner Gesundheit

zu bewahren. Er sei von Anfang an darauf hingewiesen worden, dass mit der Maßnahme

kein Vertrauensschutz begründet würde. Der Weiterbeschäftigung sei weder in der glei-

chen Dienststelle erfolgt, noch sei er weiterhin mit der Durchführung von Auftragsverga-

ben betraut worden. Er sei auch nach Ergehen des Urteils des Amtsgerichts Rudolstadt

erneut vorläufig des Dienstes enthoben worden.

Der Beamte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Da er durch Urteil des Landgerichts Gera zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf

Bewährung verurteilt worden sei, verliere er nicht kraft Gesetzes seine Eigenschaft als Be-

amter auf Lebenszeit. Im Hinblick auf das Strafverfahren vor dem Landgericht Gera sei

jedoch darauf hinzuweisen, dass die Beschränkung der Berufung aus dem Grund erfolgt

sei, weil er keine Möglichkeit gehabt hätte, seine Unschuld unter Beweis stellen zu kön-

nen. Er habe sich deswegen zwangsläufig dem Ergebnis der Beweisaufnahme beugen müs-

sen. Es komme gegen ihn jedoch nicht die Entfernung aus dem Dienst in Betracht. Dies

setze voraus, dass er sich durch sein Fehlverhalten untragbar gemacht habe und dass auch

ein Rest an Vertrauen in die künftige ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht mehr be-

stehe. Bei der Zumessung der Disziplinarmaßnahme gemäß § 11 ThürDG sei sein Persön-

lichkeitsbild angemessen zu berücksichtigen. Es sei nur der Beamte, der durch ein Dienst-

vergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren habe,

aus dem Dienst zu entfernen. Eine vollständige Zerstörung des Vertrauens in die Zuverläs-

sigkeit und Ehrlichkeit, die seine Entfernung aus dem Dienst erfordere, sei dann anzuneh-

men, wenn entweder das Eigengewicht der Tat selbst besonders hoch sei (z.B. besondere

kriminelle Tatintensität, Umfang und Dauer der betrügerischen Machenschaften, erhebli-

che eigennützige Motive) oder es sich um einen Wiederholungsfall handele und durchgrei-

fende Milderungsgründe im Einzelfall fehlten. Vorliegend sei aber keine hinreichende

Würdigung seines Persönlichkeitsbildes vorgenommen worden. Bei der Persönlichkeits-

würdigung und Prognose seien die bisherige Führung und Leistung, Kollegialität und

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dienstlicher Einsatz, freiwilliges dienstliches und gesellschaftliches Engagement, außer-

dienstliches Verhalten hinsichtlich des Dienstvergehens Einsicht- und Mahnungsempfind-

lichkeit von Bedeutung. Er sei seit Mai 1982 bei der Polizei tätig. Sein dienstliches sowie

außerdienstliches Verhalten habe während der gesamten Zeit keinen Anlass zu Beanstan-

dungen gegeben. Soweit der Kläger die disziplinare Höchstmaßnahme damit begründe, im

Bereich der Auftragsvergabe stelle betrügerisches Handeln einen erschwerenden Umstand

dar, da darin das „Eingangstor zur Korruption“ liege, sei darauf hinzuweisen, dass er ledig-

lich im mittleren Dienst beschäftigt sei und durch die Dienststelle bei der Zusammenset-

zung der Submissionskommission, also einer Gruppe verantwortungsvoller Beamter, si-

chergestellt werden sollte, dass jegliche Ansätze von Korruption bereits am Anfang unter-

bunden werden. Deswegen sei die dienstranghöchste Beamtin, Polizeihauptkommissarin

S_____, als Leiterin eingesetzt worden. Soweit darauf hingewiesen worden sei, dass die

übrigen Kommissionsmitglieder entweder überhaupt keine oder nur sporadische Kenntnis-

se vom Vergaberecht besäßen, dränge sich die Frage auf, ob nicht gegebenenfalls ein Mit-

verschulden des Dienstherrn in einem solch sensiblen Bereich vorliege. Im Hinblick auf

die als erschwerender Umstand angeführten fehlenden Kontrollmöglichkeiten sei zu be-

rücksichtigen, dass nicht er die endgültige Entscheidung über die Vergabe gehabt habe.

Hinsichtlich der Niederschrift über die Öffnung, Prüfung und Wertung der Angebote sei

darauf hinzuweisen, dass sich sein Vorgesetzter, RAR H_____, trotz der offensichtlichen

Durchstreichung des einen Betrages nicht zu einer Kontrolle oder Nachfrage veranlasst

gesehen habe. Zwar könne die nachlässige Behandlung seitens der PD, seine Dienst-

pflichtverletzung nicht in einem milderen Licht erscheinen lassen, jedoch sei es der Klä-

gerseite verwehrt, gerade diesen Umstand als erschwerend zu seinen Lasten zu verwenden.

Was die Höhe des Schadens als zu berücksichtigenden Umstand angehe, sei darauf hinzu-

weisen, dass er seine Schadensersatzverpflichtungen dem Grunde nach anerkannt habe,

jedoch hinsichtlich der tatsächlichen Schadenshöhe ein Verfahren beim Verwaltungsge-

richt Gera anhängig sei. Im Übrigen habe er um die Möglichkeit ersucht, einen Teil des

Schadens durch monatliche Ratenzahlungen wieder gut zu machen. Im Hinblick auf die

Entfernung aus dem Dienst seien die Ausführungen des Klägers hinsichtlich des endgülti-

gen Vertrauensverlustes nicht überzeugend. Er habe weder gegenüber dem Dienstherrn

noch der Allgemeinheit sein Vertrauen verwirkt. Der örtliche Personalrat sei zu dem Er-

gebnis gelangt, dass keine unbedingte Beamtenunwürdigkeit vorliege und habe deshalb

seine Zustimmung zur Erhebung der Disziplinarklage verweigert. Auch die Mitarbeiter des

Stabsbereichs 32 bei der PD S____, mit denen er jahrelang zusammengearbeitet habe, wür-

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den das Vertrauen in ihn als nicht zerstört ansehen. Sie hätten sich deshalb ausdrücklich an

den Polizeidirektor gewandt. Es sei bei ihm auch zu berücksichtigen, dass es sich um eine

einmalige, situationsbedingte und ihm wesensfremde Tat gehandelt habe, so dass von ei-

nem Augenblicksversagen auszugehen sei. Seit seiner Suspendierung arbeite er ehrenamt-

lich in der Stiftung zur Wirtschaftsförderung, Qualifizierung und Arbeitsbeschaffung

S_____ mit. Der Geschäftsführer bringe ihm - in Kenntnis der dem vorliegenden Verfah-

ren zu Grunde liegenden Umstände und der strafrechtlichen Verurteilung - sein vollstes

Vertrauen entgegen. Zusätzlich sei er auch ehrenamtlich bei der S_____ T_____ e.V. tätig

und werde auch dort vom Vorstand im Finanzbereich eingesetzt, so dass auch diesbezüg-

lich - in Kenntnis der strafrechtlichen Verurteilung - eine vertrauensvolle ehrenamtliche

Tätigkeit ausgeübt werde. Beides stelle ein erhebliches Maß an Vertrauen unter Beweis. Es

sei daher festzuhalten, dass weder der örtliche Personalrat, die Mitglieder im Stabsbereich

32, noch die Allgemeinheit dem Beamten das erforderliche Vertrauen endgültig absprä-

chen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass seit Begehung des Dienstvergehens bereits ein

längerer Zeitraum vergangen sei, innerhalb dessen er sich keinerlei weitere Pflichtverlet-

zungen habe zu Schulden kommen lassen, sondern nach Aufhebung der vorläufigen Sus-

pendierung seinen Dienst zur vollen Zufriedenheit absolviert habe. Er habe im Thüringer

Polizeiverwaltungsamt seinen Dienst versehen, wobei ihm von der dortigen Dienststelle

sowie den Vorgesetzten das für die Fortführung der Beschäftigung erforderliche Vertrauen

entgegengebracht worden sei. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass es bei dem Dienst-

vergehen keinerlei Anzeichen für eine persönliche Bereicherung oder Vorteilsnahme bei

ihm gegeben habe. Auch für eine Fremdbereicherung fehlten jegliche Anhaltspunkte. Eine

Entfernung aus dem Dienst sei daher unverhältnismäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Personalakte des Beamten und die Verwal-

tungsvorgänge des Disziplinarklägers (einschließlich der in Kopie vorliegenden Strafakte)

Bezug genommen.

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1. Die Disziplinarklage ist zulässig. Sie ist insbesondere wirksam erhoben worden. In

der Klageschrift ist das Dienstvergehen, das dem Beamten vorgeworfen wird, hinreichend

bestimmt dargelegt. Die Klageschrift entspricht den Anforderungen des § 50 Abs. 1 Satz 1

ThürDG. Danach hat die Klageschrift die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen

wird, den persönlichen und beruflichen Werdegang des Beamten und die für die Entschei-

dung bedeutsamen Tatsachen und Beweismittel zu enthalten.

Das behördliche Disziplinarverfahren ist jedoch nicht fehlerfrei durchgeführt worden. Der

Disziplinarkläger hat im behördlichen Verfahren die Regelungen des § 36 Satz 1 und

Satz 6 ThürDG nicht ausreichend beachtet. Dem Beamten wurde weder das wesentliche

Ergebnis der behördlichen Ermittlungen mitgeteilt, noch wurde ihm Gelegenheit gegeben,

innerhalb einer Frist von einer Woche weitere Ermittlungen zu beantragen. Ebenso wenig

wurde ihm die Möglichkeit eröffnet, sich zu den Vorwürfen abschließend zu äußern. Diese

Verfahrenshandlungen sind unterblieben, weil der Disziplinarkläger auf Grund der ver-

bindlichen tatsächlichen Feststellungen der Strafurteile keine weiteren Ermittlungen mehr

für erforderlich hielt. Zwar ist nach § 27 Abs. 3 ThürDG die Disziplinarklage unverzüglich

ohne weitere Ermittlungen zu erheben, wenn sich herausstellt, dass ihre Voraussetzungen

vorliegen, wobei § 36 ThürDG dann keine Anwendung findet (§ 27 Abs. 3 Satz 3

ThürDG). Die Disziplinarkammer hat jedoch bereits im Beschluss vom 30.09.2002

(6 D 60012/02.Me) ausgeführt, dass diese Regelung als Ausnahmevorschrift eng auszule-

gen ist. Ihr Zweck ist es, Doppelermittlungen zu vermeiden, wenn feststeht, dass Diszipli-

narklage zu erheben sein wird, bei der wiederum Ermittlungen durchgeführt werden (Land-

tagsdrucksache 3/1943 vom 30.10.2001, S. 54). Sie ist Folge des Beschleunigungsgebots

des § 25 Abs. 1 ThürDG.

Vorliegend kann sich der Disziplinarkläger nicht auf diese Ausnahmevorschrift stützen.

Sie dient - wie dargelegt - der Vermeidung überflüssiger Ermittlungen. Hier waren aber

nach Auffassung des Disziplinarklägers die Ermittlungen schon abgeschlossen. Die Tat-

handlungen des Beamtens standen auf Grund der rechtskräftigen Strafurteile verbindlich

fest. In diesem Stadium des behördlichen Disziplinarverfahrens, das heißt nach Abschluss

der Ermittlungen, ist für eine Anwendung des § 27 Abs. 3 ThürDG jedoch kein Raum

mehr, denn der eigentliche Zweck der (Ausnahme-) Vorschrift kann in diesem Verfahrens-

stadium nicht mehr erreicht werden. Der Disziplinarkläger hat durch die vorzeitige Klage-

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erhebung allein die nach § 36 ThürDG vorgeschriebene Unterrichtung des Beamten über

das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen und seine abschließende Anhörung vermieden.

Die Regelung des § 27 Abs. 3 ThürDG verfolgt jedoch nicht den Zweck, wesentliche Ver-

fahrensrechte des Beamten im behördlichen Disziplinarverfahren zu beeinträchtigen oder

gar zu beseitigen. § 36 ThürDG würde ansonsten, jedenfalls bei schweren Dienstvergehen,

für die nur im Wege der Disziplinarklage eine angemessene Disziplinarmaßnahme festge-

setzt werden kann, ins Leere gehen (vgl. auch VG Meinigen, U. v. 18.12.2006,

6 D 60018/03.Me sowie U. v. 11.06.2007, 6 D 600011/04.Me).

Dieser Mangel führt nicht zu einer Fristsetzung nach § 51 Abs. 2 Satz 1 ThürDG bzw. zur

Einstellung des Disziplinarverfahrens nach § 51 Abs. 2 Satz 3 ThürDG. Nach Erhebung

der Disziplinarklage ist die Bevollmächtigte des Beamten mit der Zustellverfügung unter

Hinweis auf die 2-Monatsfrist und die Folgen der Nichteinhaltung, aufgefordert worden,

wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens gegenüber dem Gericht zu

rügen und ggf. innerhalb dieser Frist auch Beweisanträge zu stellen. Eine Rüge von Ver-

fahrensfehlern hat die Bevollmächtigte des Beamten in ihrem Schriftsatz vom 06.06.2006

nicht erhoben. Sie hat auch innerhalb der 2-Monatsfrist keine Beweisanträge zur Zeugen-

vernehmung gestellt. Die Zustellverfügung ist der Bevollmächtigten des Beamten am

05.04.2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Ihr Schriftsatz ist jedoch als

Telefax erst am Mittwoch, dem 07.06.2006, bei Gericht eingegangen und damit nicht in-

nerhalb der 2-Monatsfrist. Fristablauf war hier, weil der 05.06.2006 ein gesetzlicher Feier-

tag war (Pfingstmontag), am Dienstag, dem 06.06.2006.

Selbst wenn der Beamte die Verfahrensfehler, dass ihm weder das wesentliche Ergebnis

der Ermittlungen mitgeteilt, noch ihm Gelegenheit gegeben wurde, innerhalb einer Frist

von einer Woche weitere Ermittlungen zu beantragen, gerügt hätte, stellen diese keinen

wesentlichen Verfahrensfehler mehr dar, die zur Einstellung des Disziplinarverfahrens

führen müssten. Der Leiter der PD _____ hat in seinem Schreiben vom 28.11.2005, mit

dem er dem Beamten mitgeteilt hat, das Disziplinarverfahren werde fortgesetzt und Ermitt-

lungen seien wegen der Bindungswirkung des Strafurteils nicht mehr notwendig, ihm Ge-

legenheit zur Stellungnahme - auch unter Hinweis auf die Absicht, Disziplinarklage zu

erheben - gegeben. Diese Gelegenheit hat der Beamte auch wahrgenommen. Zwar handelt

es sich um die Anhörung zu Beginn des Verfahrens nach § 26 ThürDG, wegen des Ver-

zichts auf weitere Ermittlungen erfüllte sie aber zugleich auch die Zielsetzung einer

Schlussanhörung nach § 36 Satz 6 ThürDG. Zudem ist hier zu berücksichtigen, dass der

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Beamte während des gerichtlichen Verfahrens, insbesondere auch in der mündlichen Ver-

handlung vor der Kammer nochmals Gelegenheit hatte, sich abschließend und umfänglich

zur Sache zu äußern. Die unterbliebenen Verfahrenshandlungen konnten im gerichtlichen

Verfahren nachgeholt werden. Der Mangel kann sich deshalb nicht mehr auf das Ergebnis

der Entscheidung auswirken.

Auch aus anderen Gründen ist dem Disziplinarkläger zur Behebung wesentlicher Mängel

des behördlichen Disziplinarverfahrens nach § 51 Abs. 2 Satz 1 ThürDG keine Frist zu

setzen. Das behördliche Disziplinarverfahren ist mit Verfügung des Leiters der PD vom

19.09.2003 ordnungsgemäß nach § 22 Abs. 1 ThürDG eingeleitet und zunächst wegen des

sachgleichen Strafverfahrens gemäß § 15 Abs. 2 ThürDG ausgesetzt worden. Nach rechts-

kräftigem Abschluss des Strafverfahrens durch Berufungsurteil vom 13.10.2005 ordnete

der Leiter der PD unter dem 28.11.2005 die Fortsetzung des Disziplinarverfahrens an.

Die nach § 26 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 und Abs. 2 ThürDG vorgeschriebene Belehrung und

Gewährung der Gelegenheit sich zu den Vorwürfen schriftlich oder mündlich zu äußern,

ist gegenüber dem Beamten nach der Fortsetzung des Disziplinarverfahrens erfolgt.

Der Personalrat ist auf Antrag des Beamten im behördlichen Verfahren vor der Erhebung

der Disziplinarklage im Wege des Stufenverfahrens beteiligt worden. Der Hauptpersonalrat

hat - nach Verweigerung der Zustimmung durch den örtlichen Personalrat - seine Zustim-

mung zur beabsichtigten Erhebung der Disziplinarklage am 13.03.2006 erteilt.

Das Disziplinarverfahren leidet auch ansonsten an keinem für die disziplinarrechtliche Be-

urteilung maßgeblichen Fehler, der einer Sachentscheidung entgegensteht.

2. Die Disziplinarklage ist auch begründet. Der Beamte hat ein schwerwiegendes (in-

nerdienstliches) Dienstvergehen begangen, weil er im Zusammenhang mit der Ausschrei-

bung der Reinigungsleistungen im Jahr 2001 einen Betrug, rechtlich zusammentreffend mit

Untreue sowie tateinheitlich mit Urkundenfälschung begangen hat. Dieser Sachverhalt

steht auf Grund der Bindungswirkung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 ThürDG hinsichtlich der

tatsächlichen Feststellungen des insoweit rechtskräftigen Strafurteils des Amtsgerichts Ru-

dolstadt vom 24.05.2005 fest. Eine Lösung von diesen Feststellungen gemäß § 16 Abs. 1

Satz 2 ThürDG kommt nicht in Betracht, weil das Gericht an der Richtigkeit der Feststel-

lungen auch wegen des Geständnisses des Beamten keine Zweifel hat.

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Der Beamte hat damit ein Dienstvergehen im Sinne von § 81 Abs. 1 Satz 2 ThürBG be-

gangen. Er hat vorsätzlich gegen seine Pflicht zu uneigennütziger Amtsführung (§ 57 Satz

2 ThürBG) sowie zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten und seiner Wohlverhal-

tenspflicht innerhalb des Dienstes (§ 57 Satz 3 ThürBG) verstoßen. Das einheitlich zu be-

wertende Dienstvergehen des Beamten wiegt so schwer, dass als angemessene Diszipli-

narmaßnahme gemäß § 11 ThürDG die Entfernung aus dem Dienst verwirkt war.

Nach § 11 Abs. 2 ThürDG soll ein Beamter, der durch ein Dienstvergehen das Vertrauen

des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Dienst entfernt

werden. Dazu hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht in seiner jüngsten Entscheidung

(U. v. 24.04.2007, 8 DO 813/06) u. a. ausgeführt:

„Die Entfernung aus dem Dienst ist regelmäßig auszusprechen, wenn der Beamte durch

das Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig

verloren hat (§ 11 Abs. 2 ThürDG). Die gegen den Beamten ausgesprochene Diszipli-

narmaßnahme muss dabei unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden

Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstverge-

hens und zum Verschulden des Beamten stehen. Die Verhängung der Höchstmaßnahme

ist dann gerechtfertigt, wenn die Abwägung aller Umstände der Tat und der Persönlich-

keit des Beamten ergibt, dass es dem Dienstherrn nicht mehr zuzumuten ist, mit dem

betroffenen Beamten das Beamtenverhältnis fortzusetzen. Neben der Schwere des

Dienstvergehens sind dabei auch die persönlichen Verhältnisse und das sonstige dienst-

liche Verhalten des Beamten vor, bei und nach dem Dienstvergehen zu berücksichtigen.

Die notwendige Feststellung des Vertrauensverlustes beinhaltet dabei eine Prognose, ob

sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit zukünftig so ver-

halten wird, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich

zu erwarten ist. Das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in die Person des

Beamten bezieht sich in erster Linie auf dessen allgemeinen Status als Beamter,

daneben aber auch auf dessen konkreten Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung.

Ob und ggf. inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt,

ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive

Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern die Frage, inwieweit der

Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestell-

ten belastenden und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beam-

te in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Entschei-

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dungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch

Vertrauen in die zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn

ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände be-

kannt würde. Dies unterliegt uneingeschränkt der verwaltungsgerichtlichen Überprü-

fung. Ein Beurteilungsspielraum des Dienstherrn besteht nicht (vgl. umfassend

BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005, 2 C 12.04, NVwZ 2006, 469). Die gesamte

Prognosegrundlage, also die Bewertung der Schwere des Dienstvergehens wie auch al-

ler anderen Bemessungsgesichtspunkte, die im Hinblick auf entlastende Kriterien nicht

nur auf sog. anerkannte Milderungsgründe beschränkt sind, muss ergeben, ob der

Schluss auf einen verbliebenen Rest an Vertrauen in die Person des Beamten noch mög-

lich oder der Vertrauensverlust umfassend eingetreten ist; dies ist eine Frage der Ge-

samtabwägung im Einzelfall.“

Zwar gibt es im Bereich des Betruges nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts keine

sogenannte Regelrechtsprechung, dass grundsätzlich die Entfernung des Beamten aus dem

Dienst verwirkt sei. Das Bundesverwaltungsgericht vertritt in ständiger Rechtsprechung

die Auffassung, dass ein Betrug gegenüber dem Dienstherrn grundsätzlich ein geringeres

disziplinarisches Gewicht hat als der Zugriff des Beamten auf ihm amtlich anvertrautes

oder dienstlich zugängliches Geld seiner Verwaltung. In den Fällen von Betrugshandlun-

gen, die sich auf den innerdienstlichen Bereich beschränkten, richte sich deshalb die Dis-

ziplinarmaßnahme nach den besonderen Umständen des Einzelfalls. Eine vollständige Zer-

störung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit des Beamten, die seine Ent-

fernung aus dem Dienst erforderlich mache, sei aber dann anzunehmen, wenn entweder das

Eigengewicht der Tat selbst besonders hoch sei (z. B. besondere kriminelle Tatintensität,

Umfang und Dauer der betrügerischen Machenschaften, erhebliche eigennützige Motive,

missbräuchliche Ausnutzung der dienstlichen Stellung oder dienstlich erworbener speziel-

ler Kenntnisse) oder wenn neben der Betrugshandlung eine weitere Verfehlung mit erheb-

lichem disziplinaren Eigengewicht einhergehe (z. B. Urkundenfälschung, Vorteilsannah-

me) oder wenn es sich um einen Wiederholungsfall handele und durchgreifende Milde-

rungsgründe im Einzelfall fehlten (BVerwG, U. v. 17.03.1998, 1 D 14.97; U. v.

06.08.1996, 1 D 81.95; U. v. 11.11.1997, 1 D 79.96; U. v. 01.09.1998, 1 D 71/97).

Beides liegt hier vor. Einerseits ist das Eigengewicht der Tat überaus hoch (2.1), anderer-

seits hat der Beamte eine weitere Verfehlung mit erheblichen disziplinaren Eigengewicht

begangen (2.2). Dem gegenüber fehlen durchgreifende Milderungsgründe (2.3).

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2.1 Bei der Klärung der Frage, ob das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemein-

heit in die Integrität des Beamten endgültig verloren gegangen ist, muss bei der Bewertung

des Betruges insbesondere berücksichtigt werden, dass dieser mit einem gegen den Beam-

ten erhobenen Manipulationsvorwurf bei einem Vergabeverfahren in Zusammenhang steht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat - worauf der Disziplinarkläger zutreffend hingewiesen

hat - in einem vergleichbaren Fall u. a. ausgeführt, dass mit der Vergabe öffentlicher Auf-

träge nur Beamten betraut werden könnten, denen uneingeschränktes Vertrauen entgegen-

gebracht werden kann, denn gerade in diesem Aufgabenbereich seien Pflichtverletzungen

wohl in den meisten Fällen nur schwer feststell- und nachweisbar, da die auf beiden Seiten

Beteiligten regelmäßig bei der „Aufklärung des Falles“ in negativem Sinne zusammenwir-

ken und versuchen würden, die wahren Zusammenhänge zu verbergen bzw. zu verschlei-

ern. Der Dienstherr müsse sich deshalb auf jeden beteiligten Bediensteten in höchstem

Maße verlassen können. Ferner müsse sich jeder am Verfahren beteiligte Bedienstete auf

die korrekte und gewissenhafte Dienstpflichterfüllung seiner Kollegen verlassen können,

damit das Betriebsklima nicht unerträglich belastet werde. Da die Kontrollmöglichkeiten

nur begrenzt seien und die Einhaltung der Vergaberegelungen nur durch mehr oder weni-

ger formale Verfahrensbestimmungen gesichert werden könne, müsse deren strikte Einhal-

tung notwendigerweise gefordert und ihre Verletzung mit einem hohen disziplinaren Risi-

ko ausgestattet werden. Die disziplinare Reaktion für eine Vertrauenseinbuße müsse des-

halb besonders nachdrücklich sein, weil jede Missachtung der Vergabevorschriften, auch

wenn sie auf den ersten Blick geringfügig erscheine, das Eingangstor zur Korruption be-

deute (BVerwG, U. v. 14.06.1988, 1 D 59/87 sowie U. v. 22.02.1983, 1 D 31.82, Juris).

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Aspekte gelangt die Kammer zu der Überzeu-

gung, dass der Vertrauensverlust in die Person des Beamten umfassend und endgültig ein-

getreten und somit eine Entfernung aus Dienst erforderlich ist. Dabei wirkt sich zu seinen

Lasten einerseits das hohe Eigengewicht seiner Tat selbst aus, die durch eine besondere

kriminelle Intensität gekennzeichnet ist. Zwar konnten bei ihm keine eigennützige Motive

nachgewiesen werden, jedoch kommt es gerade bei einer Tätigkeit im Vergabewesen in

besonderem Maße auf eine unparteiische, gerechte und uneigennützige Amtsführung an,

um auch schon den Anschein zu vermeiden, als wäre der Beamte in seinem dienstlichen

Verhalten durch Gefälligkeiten und ähnliches beeinflussbar. Auch ist der Umfang der be-

trügerischen Machenschaften und der dadurch beim Dienstherrn verursachte Schaden - das

Amtsgericht hat in seiner Urteilsbegründung immerhin einen Betrag von 86.527,92 DM zu

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Grunde gelegt (und hierbei die vom Dienstherrn zu zahlende Umsatzsteuer noch außer

Acht gelassen) - ganz erheblich. In einem vergleichbaren Vergabefall, der zur Entfernung

des Beamten aus dem Dienst führte, lag der Schaden des Dienstherrn bei (lediglich)

20.000,- DM (vgl. BVerwG, U. v. 14.06.1988, 1 D 59/87). Die Tatbegehung erfolgte auch

unter der missbräuchlichen Ausnutzung seiner dienstlich erworbenen speziellen Kenntnisse

im Vergabeverfahren. Ihm war seitens des Dienstherrn hohes Vertrauen entgegengebracht

worden. Innerhalb der 9-köpfigen Vergabekommission war er der einzige speziell geschul-

te und erfahrene Beamte, was sich auch darin zeigte, dass er - trotz niedrigeren Dienstran-

ges - faktisch das Verfahren der Vergabekommission leitete. Das gesamte Verfahren

spricht deutlich dafür, dass er gegenüber den anderen Kommissionsmitgliedern unter Aus-

nutzung des ihm entgegengebrachten Vertrauens seinen „Wissens- und Erfahrungsvor-

sprung“ für seine Manipulationen ausnutzte. Erschwerend kommt die zugleich begangene

Untreuehandlung des Beamten hinzu, mit der er gegen die ihm gegenüber seinem Dienst-

herrn obliegenden Vermögensbetreuungspflichten verstoßen hat. Im Rahmen des Vergabe-

verfahrens oblag es ihm dafür zu sorgen, dass nicht eines der teuersten, sondern das nach

Preis- und Leistungsverhältnis wirtschaftlichste Angebot, d. h. nicht unbedingt das billigs-

te, den Zuschlag erhielt. Durch seine Manipulation erhielt jedoch gerade der nach den vor-

liegenden Preisangeboten tatsächlich zweitteuerste Bieter den Zuschlag der Vergabekom-

mission, denn nur das Preisangebot der Fa. U_____ lag mit 16.448,- DM noch über dem

korrekten Angebotspreis der Fa. D_____ von 15.602,13 DM. Alle anderen Angebote lagen

nach ihren Preisen zumindest deutlich unter diesen beiden Angeboten, wobei dies jedoch

noch nichts zu der Frage der Wirtschaftlichkeit aussagt. Durch den Verstoß gegen die be-

stehende Vermögensbetreuungspflicht hat der Beamte seinem Dienstherrn damit einen

erheblichen finanziellen Schaden zugefügt.

2.2 Darüber hinaus fällt weiter erschwerend ins Gewicht, dass neben der Betrugshand-

lung und Untreue eine weitere Verfehlung mit erheblichem disziplinaren Eigengewicht

einhergeht. Der Beamte ist neben dem Betrug und der Untreue auch wegen Urkundenfäl-

schung verurteilt worden. Sowohl die Verfälschung durch Streichung und Abänderung des

Betrages auf der zunächst hergestellten echten Urkunde als auch die Verwendung der ver-

fälschten im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens hat ein hohes disziplinares Eigenge-

wicht, denn der Dienstherr muss sich grundsätzlich für seine Verwaltungstätigkeit auf die

Richtigkeit der in einer (dienstlich erstellten) Urkunde bezeugten Umstände verlassen kön-

nen, damit er seine Aufgaben überhaupt noch verwaltungspraktikabel erfüllen kann.

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2.3 Gegenüber diesen erheblich zu Lasten des Beamten ins Gewicht fallenden Umstän-

de fehlen durchgreifenden Milderungsgründe, die dazu führen könnten, dass eine Maß-

nahme unterhalb der Dienstentfernung noch als angemessen erachtet werden könnte.

Keiner der sogenannten klassischen Milderungsgründe ist hier einschlägig. Weder für eine

Wiedergutmachung des Schadens bzw. zumindest eine Offenbarung vor Entdeckung der

Tat, noch für eine Geringfügigkeit des verursachten Schadens liegen hier Anhaltspunkte

vor. Es ist auch nicht ansatzweise erkennbar, dass sich der Beamte im Zeitraum der Tatbe-

gehung in einer finanziell nicht anders abwendbaren Notlage befunden hätte, denn nach

den vorliegenden Erkenntnissen sind keine Anhaltpunkte dafür gegeben, dass er sich selbst

dadurch bereichern wollte oder von der bevorzugten Firma in irgendeiner Weise Zuwen-

dungen erhalten hat. Entgegen der Ansicht der Bevollmächtigten des Beamten sind bei ihm

auch keine Anhaltspunkte für ein persönlichkeitsfremdes Augenblicksversagen auf Grund

einer besonderen Versuchungssituation zu erkennen. Vielmehr hat er in einer für ihn we-

gen seines konkreten Aufgabenbereiches bestehenden und wiederkehrenden Vergabesitua-

tion versagt, die sich auch nicht mit dem - von ihm bezeichneten - „Büroversehen“ erklä-

ren lässt. Es sind auch keine Anzeichen dafür erkennbar, dass er sich damals in einer

schwierigen familiären Situation befunden hat oder psychische Belastungen bzw. eine be-

sonderen Ausnahmesituation vorgelegen haben könnte.

Der Umstand, dass der Beamte zuvor noch nicht strafrechtlich und/oder disziplinarrecht-

lich in Erscheinung getreten ist, vermag keinen durchgreifenden Milderungsgrund darzu-

stellen. Vielmehr stellt eine straf- und disziplinarrechtliche Unbescholtenheit von Beamten

für gewöhnlich den Normfall dar und bedarf als Selbstverständlichkeit eigentlich keiner

besonderen Erwähnung.

Weder seine dienstliche noch die außerdienstliche Führung nach der Tat können rückwir-

kend am Gewicht des Dienstvergehens etwas ändern, sofern er danach seinen Dienst zur

Zufriedenheit des Dienstherrn - wie dies üblicherweise von einem Beamten erwartet wer-

den darf - erfüllt haben sollte und sich außerdienstlich bei seiner ehrenamtlichen Tätigkeit

in der Stiftung zur Wirtschaftsförderung, Qualifizierung und Arbeitsbeschaffung S_____

sowie bei der S_____ T_____ e.V. im Finanzbereich bewährt haben sollte. Zwar ist seine

ehrenamtliche Betätigung lobenswert und drückt auch aus, dass ihm seitens beider Vereine

Vertrauen entgegengebracht wird, dieses ist jedoch begrenzt auf seine konkrete ehrenamt-

liche Tätigkeit und lässt insoweit keine Rückschlüsse auf seine weitere dienstliche Eignung

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als Beamter zu. Soweit er daraus herleiten möchte, dass der Dienstherr bzw. die Allge-

meinheit ihm noch Vertrauen für eine zukünftige ordnungsgemäße Diensterfüllung entge-

genbringt, geht dies fehl.

Auch sein Einwand, er habe das Vertrauen noch nicht verwirkt, denn der örtliche Personal-

rat sei zu dem Ergebnis gelangt, dass keine unbedingte Beamtenunwürdigkeit vorliege und

auch die Mitarbeiter seines Stabsbereichs bei der PD S_____, sähen das Vertrauen zu ihm

als nicht zerstört an, trifft nicht zu. Die subjektiven Einschätzungen des Personalrats und

der Kollegen sind für die Beurteilung der Frage, ob ein endgültiger Vertrauensverlust ein-

getreten ist ebenso rechtlich nicht erheblich wie die subjektive Einschätzung der Dienst-

stelle bzw. des Dienstherrn. Die Entscheidung über die Fortsetzung des Beamtenverhält-

nisses obliegt den Verwaltungsgerichten unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbe-

handlung. Sie haben ohne Bindung an die Auffassung des Dienstherrn zu beurteilen, ob ein

endgültiger Vertrauensverlust eingetreten ist (BVerwG, U. v. 11.01.2007, 1 D 16/05, Ju-

ris). Diese Entscheidung fällt zu Ungunsten des Beamten aus.

Dass der Beamte nach seiner vorläufigen Dienstenthebung vorübergehend weiter beschäf-

tigt worden ist, hat ebenfalls keinen Einfluss auf das als zerstört anzusehende Vertrauens-

verhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wirkt sich

die vorübergehende Weiterbeschäftigung eines Beamten nach Aufdeckung des Dienstver-

gehens nicht Maßnahme mildernd aus, da die Frage der weiteren Tragbarkeit eines Beam-

ten von den Disziplinargerichten zu beurteilen ist und die Weiterbeschäftigung auf Grün-

den beruhen kann, die disziplinarrechtlich nicht von Bedeutung sind. Ist ein endgültiger

Vertrauensverlust eingetreten, so vermag daran auch eine vorübergehende Weiterbeschäf-

tigung auf einem anderen Dienstposten während des Disziplinarverfahrens nichts zu än-

dern. Denn das Vertrauen bezieht sich auf das Amt im statusrechtlichen Sinne (BVerwG,

U. v. 11.01.2007, 1 D 16/05; U. v. 08.06.2005, 1 D 3.04 sowie U. v. 20.01.2004, 1 D

33.02, Juris). Im Übrigen beruhte die Aufhebung der vorläufigen Dienstenthebung, worauf

der Beamte vom Dienstherrn ausdrücklich hingewiesen worden ist, darauf, dass dies aus

Gründen der gesundheitlichen Fürsorge erfolgte und er daraus kein Vertrauensschutz her-

leiten könne.

Schließlich kann daraus, dass der Beamte der Laufbahn des mittleren Dienstes angehört

und von den ansonsten in der Vergabekommission beteiligten Beamten den niedrigsten

Dienstgrad innegehabt haben soll, nichts zu seinen Gunsten hergeleitet werden. Der Beam-

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te ist nicht fachlich überfordert gewesen. Er hat sich auf Grund der Schulungen im Verga-

bewesen und seiner bisher gewonnenen Erfahrungen in diesem Gebiet gut ausgekannt und

war derjenige, der über das entsprechende Fachwissen verfügte. Er hat bei Anforderungen

schuldhaft versagt, die an jeden Beamten unterschiedslos gestellt werden, gleich welcher

Laufbahn, welchem Amt und welchem Verwaltungszweig er angehört: Gewissenhaftigkeit

und Uneigennützigkeit in der Amtsführung. Diese Verpflichtung kennt keine Abstufung,

sie ist bei einem Angehörigen der Laufbahn des Beamten nicht geringer als bei solchen

anderer Laufbahngruppen (vgl. dazu BVerwG, U. v. 14.06.1988, 1 D 59/87, Juris).

Auch die Dauer des im Jahre 2003 eingeleiteten, wegen des Strafverfahrens sogleich aus-

gesetzten und erst im November 2005 fortgesetzten Disziplinarverfahrens kann bei der

Festsetzung der Maßnahme nicht mildernd berücksichtigt werden. Wenn wegen des

Dienstvergehens das Vertrauensverhältnis zwischen Beamten und Dienstherrn zerstört ist,

kann sich der Zeitablauf des Verfahrens auf die Bemessung der Maßnahme nicht auswir-

ken. Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es

eine lange Verfahrensdauer - unabhängig von ihren Ursachen - nicht rechtfertige, von der

Verhängung der Höchstmaßnahme abzusehen (BVerwG, U. v. 23.10.1996, 1 D 55.96 so-

wie U. v. 12.09.1995, 1 D 29.93, m. w. N.).

Die nach alledem notwendige Entfernung aus dem Dienst verstößt auch nicht gegen das

Verhältnismäßigkeitsgebot. Hat ein Beamter - wie hier - durch ihm vorwerfbares Verhalten

die Vertrauensgrundlage zerstört, dann ist eine Entfernung aus dem Dienst die einzige

Möglichkeit, dass durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Dienstverhältnis einseitig zu

beenden. Die darin liegende Härte für den Betroffenen ist nicht unverhältnismäßig. Sie

beruht vielmehr auf ein ihm zurechenbares Verhalten (BVerwG, U. v. 21.06.2000, 1 D

49/99, Juris, m. w. N. zur ständigen Rechtsprechung).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs. 1 Satz 1 ThürDG.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :

Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Berufung an das Thü-

ringer Oberverwaltungsgericht zu. Die Berufung ist beim Verwaltungsgericht Meiningen,

Lindenallee 15, 99817 Meiningen (Briefanschrift: Postfach 100 261, 98602 Meiningen)

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innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zur Nie-

derschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen und zu begründen. Die Be-

gründung muss einen bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe

der Anfechtung enthalten.

gez.: Becker Läger Richter am VG Githist wegen Urlaubs gehindert, zu unter-schreiben

Becker