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44 usability Verstehen leicht gemacht Zugang zu Information hat nicht nur eine technische Dimension. Es geht auch darum, Informationen so aufzubereiten, dass sie für möglichst alle Bevölkerungsgruppen verständlich sind. Wie kann dies gelingen? Welche Rolle spielt die Leichte Sprache dabei? text Christian Lieske und Melanie Siegel 14 Prozent (7,5 Millionen) der erwerbsfähi- gen Bevölkerung sind laut einer Studie der Universität Hamburg so genannte funktio- nale Analphabeten [1, 2]. Somit ist leicht les- bare Information für breitere Bevölkerungs- gruppen wichtig. Dieser Realität stellt sich in deutschspra- chigen Ländern die „Leichte Sprache“ [3]. Sie zielt darauf ab, zum Beispiel durch einge- schränkte syntaktische Komplexität, Infor- mation für Menschen mit Lernschwierig- keiten, geringen Deutschkenntnissen oder Leseschwächen verständlich und somit zu- gänglich zu machen. Da Lesbarkeit auch ein Aspekt des barrierefreien Internet ist, hat Leichte Sprache auch dort Bedeutung. Die Technische Redaktion hat mehrere Anknüpfungspunkte an die Leichte Sprache. Zunächst hat sie Erfahrung mit dem Erstel- len von Regelwerken für die Informationser- stellung, also Redaktionsleitfäden, Stilricht- linien oder Terminologien. Außerdem muss die Technische Redaktion Information in Leichter Sprache liefern. Das Einhalten von sprachbezogenen Vorgaben wird in der Tech- nischen Redaktion schon seit geraumer Zeit mit entsprechender Technologie unterstützt. Grundregeln für Leichte Sprache Informationen in Leichter Sprache müssen verständlich und dabei präzise und konsis- tent sein. Im Allgemeinen werden für das Erreichen von Verständlichkeit kurze Sät- ze und einfache beziehungsweise bekann- te Wörter empfohlen. Insbesondere bei den Empfehlungen im Bereich Grammatik ste- hen Regeln für Leichte Sprache zum Teil allgemeinen Formulierungsregeln entgegen → tab. 01. Am Anfang vom Satz dürfen auch diese Worte stehen Zum Beispiel Oder Wenn Weil Und Wir fahren mit dem Auto in den Urlaub. Oder mit dem Zug. REGEL tab. 01 quelle Netzwerk Leichte Sprache [3] Jeder Mensch hat das Recht gut und sicher zu leben. Jeder Mensch, der verstehen kann, hat die Möglichkeit gut zu leben. Jeder Mensch kann Texte in Leichter Sprache besser verstehen. Leichte Sprache ist besonders wichtig für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Leichte Sprache ist auch gut für alle anderen Menschen. Zum Beispiel: Für Menschen, die nicht so gut lesen können. Für Menschen, die nicht so gut Deutsch können. EIN MOTIV – AKTIVES UND SELBSTBESTIMMTES LEBEN ERMöGLICHEN quelle Netzwerk Leichte Sprache [3] www.kgu-consulting.de Arbeiten Sie innerhalb eines PLM-Systems und seien Sie an der Quelle aller Daten Nutzen Sie CAD-Daten zur Visualisierung von Beschreibungen, etc Verknüpfen Sie Textbausteine mit Produkt- und Prozessstrukturen Nutzen Sie das Variantenmanagement z. B. von SAP für Ihre Dokumentenstruktur Klassifizieren Sie Ihre Textbausteine und Grafiken für eine bessere Wiederverwendung Nutzen Sie DITA oder PI-Mod zur Modularisierung Ihrer Dokumente Nutzen Sie die Vorteile eines integrierten Editors zur Erstellung von Inhalten Und vieles mehr... Neue Wege der Technischen Redaktion

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44 usability

Verstehen leicht gemachtZugang zu Information hat nicht nur eine technische Dimension. es geht auch darum, Informationen so aufzubereiten, dass sie für möglichst alle Bevölkerungsgruppen verständlich sind. Wie kann dies gelingen? Welche rolle spielt die Leichte sprache dabei?

text Christian Lieske und Melanie Siegel

14 Prozent (7,5 Millionen) der erwerbsfähi-gen Bevölkerung sind laut einer Studie der Universität Hamburg so genannte funktio-nale Analphabeten [1, 2]. Somit ist leicht les-bare Information für breitere Bevölkerungs-gruppen wichtig.

Dieser Realität stellt sich in deutschspra-chigen Ländern die „Leichte Sprache“ [3].Sie zielt darauf ab, zum Beispiel durch einge-schränkte syntaktische Komplexität, Infor-mation für Menschen mit Lernschwierig-

keiten, geringen Deutschkenntnissen oder Leseschwächen verständlich und somit zu-gänglich zu machen. Da Lesbarkeit auch ein Aspekt des barrierefreien Internet ist, hat Leichte Sprache auch dort Bedeutung.

Die Technische Redaktion hat mehrere Anknüpfungspunkte an die Leichte Sprache. Zunächst hat sie Erfahrung mit dem Erstel-len von Regelwerken für die Informationser-stellung, also Redaktionsleitfäden, Stilricht-linien oder Terminologien. Außerdem muss die Technische Redaktion Information in Leichter Sprache liefern. Das Einhalten von sprachbezogenen Vorgaben wird in der Tech-

nischen Redaktion schon seit geraumer Zeit mit entsprechender Technologie unterstützt.

Grundregeln für Leichte Sprache

Informationen in Leichter Sprache müssen verständlich und dabei präzise und konsis-tent sein. Im Allgemeinen werden für das Erreichen von Verständlichkeit kurze Sät-ze und einfache beziehungsweise bekann-te Wörter empfohlen. Insbesondere bei den Empfehlungen im Bereich Grammatik ste-hen Regeln für Leichte Sprache zum Teil allgemeinen Formulierungsregeln entgegen → tab. 01.

Am Anfang vom Satz dürfen auch diese Worte stehen

Zum Beispiel

→ oder→ Wenn→ Weil→ Und

→ Wir fahren mit dem Auto in den Urlaub.

→ oder mit dem Zug.

reGeL

tab. 01 quelle Netzwerk Leichte Sprache [3]

Jeder Mensch hat das recht gut und sicher zu leben.Jeder Mensch, der verstehen kann, hat die Möglichkeit gut zu leben.Jeder Mensch kann Texte in Leichter sprache besser verstehen.Leichte sprache ist besonders wichtig für Menschen mit Lernschwierigkeiten.Leichte sprache ist auch gut für alle anderen Menschen.Zum Beispiel: für Menschen, die nicht so gut lesen können. für Menschen, die nicht so gut Deutsch können.

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Leider fehlen in Regelwerken für Leich-te Sprache oft Definitionen dafür, was bei-spielsweise leichte/einfache oder bekannte Wörter sind oder wie lang ein kurzer Satz ist [4]. Cordula Edler vom Institut Inbut merkt an, es sei noch nicht hinreichend allgemein validiert, dass bezogen auf verschiedene Zielgruppen – Behinderte, Sprachlerner, Menschen mit Leseschwierigkeiten – durch Leichte Sprache das Verständnis positiv be-einflusst wird [5]. Hendrik Nolte vom Zen-trum für Leichte Sprache der Lebenshilfe weist auf die Notwendigkeit der Überprü-fung durch Betroffene hin.

Trotz Problemen der Definition und Va-lidierung existiert bereits ein vielfältiges An-gebot an Inhalten. Sie berühren unterschied-liche Lebensbereiche: Arbeitsvorschriften, zum Beispiel in einer Großküche, oder Hil-festellung in privaten Situationen, zum Bei-spiel bei einem Umzug oder in der Freizeit. Politische Informationen oder auch Nach-richten sind ebenfalls zum Teil in Leichter Sprache verfügbar → abb. 01, 02, 03.

Beweggründe für Leichte Sprache

Das Erstellen von Inhalten in Leichter Spra-che hat unterschiedliche Motive. Plakativ können die Motive mit den Stichworten „Wollen“, „Müssen“ und „Profitieren“ skiz-ziert werden. Im Mittelpunkt des „Wollen“ steht der Wunsch, jeden Menschen mög-lichst umfassend nach seinen Möglichkei-ten aktiv und selbstbestimmt an vielen Le-bensbereichen teilhaben zu lassen.

Unter anderem als Konsequenz aus der Konvention der Vereinten Nationen für

abb. 03 Texte in Leichter sprache screen Lebenshilfe Bremen

abb. 01 Texte in Leichter sprache screen Deutscher Bundestag abb. 02 Texte in Leichter sprache screen Deutschlandfunk-Nachrichtenredaktion

Menschen mit Behinderungen – dazu kön-nen auch Lern- oder Leseschwierigkeiten gezählt werden – ergibt sich ein „Müssen“ in Form von Vorgaben, Verordnungen und Gesetzen. Hierzu zählen die „Europäischen Richtlinien für leichte Lesbarkeit“ und die „Barrierefreie-Informationstechnik-Ver-ordnung“ (BITV) [6, 7]. Deutschland hat sich durch Ratifizierung der Konvention besonders verpflichtet.

Eine Variante des „Müssen“ leitet sich aus den erwähnten 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten im erwerbsfähigen Alter ab: 57 Prozent von ihnen sind berufstätig, ein Teil davon bedient arbeitsunterstützende Geräte. Wenn diese Menschen nicht auf In-formation in für sie verständlicher Form zu-greifen können, gefährden sie sich und an-dere. Zu diesen Informationen zählen auch Hinweise zu Medikamenten und Heilmaß-nahmen → ein motiv.

Beim „Profitieren“-Motiv geht es um Nebeneffekte wie beispielsweise den Um-stand, dass ein Text in Leichter Sprache oft gut maschinell übersetzt werden kann → tab. 02.

Regelwerke im Überblick

Regelwerke für Leichte Sprache adressie-ren meist sprachliche Ebenen wie Wort-wahl und Syntax. Vereinzelt wird zumindest grundlegend auf Aspekte wie grafische Ge-staltung eingegangen → tab. 03. Herausge-ber von Regelwerken sind zum Beispiel Be-hörden, die Aktion Mensch, die Lebenshilfe Bremen, das Netzwerk Leichte Sprache und das Institut Inbut.

→ Ein Beispiel für das Regelwerk einer Behörde sind die bereits 1998 veröffentlichten „Europäischen Richtlinien für die Erstellung von leicht lesbaren Informationen für Menschen mit geistiger Behinderung“ [6].

→ Die „Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz“ enthält in der Anlage Teil 2 13 Regeln für die Bereitstellung von Informatio-nen in Leichter Sprache [7].

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46 usability

→ → Die Lebenshilfe Bremen hat eine Liste mit 13 Regeln für Sprache und 6 Regeln für Gestaltung zur Verfügung gestellt [8].

→ Das Netzwerk Leichte Sprache hat ein Regelwerk mit 44 sehr konkreten Regeln aus den Bereichen Wörter, Zahlen und Zeichen, Sätze, Texte und Gestaltung erstellt [3]. Das Regelwerk basiert auf langjährigen Erfahrungen von Menschen mit Lernschwächen.

→ Cordula Edler von Inbut spricht in ei-nem Kurzratgeber ebenfalls sprachliche Phänomene an [5].

Regeln für Leichte Sprache überlappen sich teilweise mit Regeln der Technischen Re-daktion, denn dort soll stets Verständlich-keit und Konsistenz erreicht werden, Bei-spiele: „Konjunktiv nicht verwenden“ und „Direkte Anrede verwenden“ [9].

Eine weitere Überlappung existiert für den Bereich „Pre-editing für die Maschi-nelle Übersetzung“. Maschinelle Überset-zung für komplexe Sprache ist nur sehr schwer möglich. Daher versucht man, Tex-te möglichst verständlich und mit kurzen Sätzen zu schreiben [10]. Beispiele für Re-geln aus diesem Bereich sind „bildhafte Sprache vermeiden“ oder „nur eine Hand-

lung pro Satz“. Einige Regeln gelten spezi-ell für die Leichte Sprache. Beispiele hierfür [3]: „Benutzen Sie kurze Wörter“, „Verzich-ten Sie auf Abkürzungen“, „Vermeiden Sie den Genitiv“, „Benutzen Sie arabische Zah-len“, „Vermeiden Sie hohe Zahlen und Pro-zent-Zahlen“, „Vermeiden Sie alte Jahres-Zahlen“, „Vermeiden Sie Sonder-Zeichen“, „Vermeiden Sie Fragen im Text“, „Vermei-den Sie Verweise“.

Vergleich von Regelwerken

Ein erster Schritt zum Vergleich von Regel-werken für Leichte Sprache besteht darin, Regelkategorien zu bilden. Für den vorlie-

BITV 2.0 Europäische Richtlinien

Netzwerk Leichte Sprache

Lebenshilfe Bremen

inbut

Terminologie P P P P P

Komplexe sprachliche Konstruktionen P P P P P

Verneinung, positive Sprache P P P P P

Ansprache des Lesers/der Leserin P P P P P

Zeichensetzung – P – – P

Silbentrennung P P P P –

Sonderzeichen P – P P –

Abkürzungen P P P P P

Zahlen – P P P P

Bilder, Symbole P P P P P

Komplexe Inhalte – P P P P

Reihenfolge der Inhalte P – – – P

Querbezüge – P P P P

Verwendung von Beispielen – P – – P

Textstruktur P – P P P

Formatierung P P P P P

tab. 03 Abdeckung einzelner regelwerke nach Kategorien quellen Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung; Europäische Richtlinien für leichte Lesbarkeit; Netzwerk Leichte Sprache, Lebenshilfe Bremen; inbut integrative Beratung und Unterstützung

TeXTVersTäNDLIchKeIT NAch VerschIeDeNeN reGeLWerKeN

Nachrichten der SportschauKasachstan – Deutschland 0:3 (0:2)Stürmerlose DFB-Elf löst PflichtaufgabeDas Team von Bundestrainer Joachim Löw erledigte seine Pflichtaufgabe in Kasachstan auch ohne echten stürmer weitgehend souverän und gewann am freitagabend (22.03.13) 3:0 (2:0).

Maschinelle Übersetzung der NachrichtKazakhstan – Germany 0:3 (0:2)Forward lots Mannschaft triggers mandatory taskThe team of coach Joachim Löw did his compulsory task in Kazakhstan without real striker largely sovereign and won on friday night (22.03.13) 3:0 (2:0)

Nachrichten Leicht des DeutschlandfunksDeutsche Fußballer gewinnenDie deutsche fußball-Nationalmannschaft hat gegen Kasachstan mit 3 zu 0 gewonnen. Die Tore für Deutschland haben die spieler Bastian schweinsteiger, Mario Götze und Thomas Müller geschossen.

Maschinelle Übersetzung der NachrichtGerman soccer winThe German national football team has won against Kazakhstan with 3 to 0. The goals for the Germany player Bastian schwein-steiger, Thomas Mueller and Mario Goetze have shot.

MöGLIcher effeKT VoN LeIchTer sPrAche AUf MAschINeLLe ÜBerseTZUNG

tab. 02 quelle Sportschau, Deutschlandfunk

NIchTs ÜBer UNs ohNe UNs

henrik Nolte vom Zentrum für Leichte sprache der Lebenshilfe hessen sagt: „Die Leichte sprache in Deutschland und der Begriff ‚Leichte sprache‘ wurden maßgeblich durch die Aktivi-täten von Menschen mit Lernschwierigkeiten und dem Verein ‚Mensch zuerst – Netzwerk People first Deutschland‘ verbreitet. Dem Netzwerk Leichte sprache ist es sehr wichtig, dass bei der forschung über Leichte sprache und der Weiterentwicklung der regeln Menschen mit Lernschwierigkeiten beteiligt werden, ganz nach dem Motto ‚nichts über uns ohne uns‘. für das Netzwerk Leichte sprache ist es ein wesentlicher Bestandteil der Leichten sprache, dass die Texte von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf Verständlichkeit über-prüft werden.“

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genden Text werden 16 Kategorien ange-nommen, angefangen von Terminologie über Ansprache des Lesers/der Leserin bis zu Formatierung. Als erstes Analyseergebnis ergibt sich, dass die Kategorien „Zeichen-setzung“, „Reihenfolge der Inhalte“ sowie „Verwendung von Beispielen“ in den we-nigsten Regelwerken berücksichtigt werden → tab. 03.

Auf der nächst tieferen Ebene zeigt sich, dass innerhalb der einzelnen Kategorien Unterschiede hinsichtlich der Abdeckung bestehen. Beispielkategorie „Regeln, um komplexe sprachliche Konstruktionen zu vermeiden“: Alle Regelwerke besitzen die Regel „Konjunktiv vermeiden“, während al-lein das Regelwerk der Lebenshilfe Bremen einfachen Satzbau adressiert. In der glei-chen Kategorie äußert sich allein die BITV zu „Einschübe in Klammern vermeiden“.

Erfreulich ist aus Sicht der Technischen Redaktion, dass viele Überschneidungen zwischen der Leichten Sprache und den Re-geln der Technischen Redaktion existieren → tab. 04. Ähnliches gilt für den Bereich der Vorbereitung von Texten für die Maschinel-le Übersetzung → tab. 05.

Technologie zur Umsetzung

Sprachtechnologie bildet unter anderem die Grundlage von Spracheingabe, maschinel-ler Übersetzung und linguistischer Unter-stützung, zum Beispiel durch die Prüfung auf Fehler. Grundlagen für die Technolo-gie bietet neben anderen das Forschungs-feld „Computerlinguistik“. Meist ist für den produktiven Einsatz von Sprachtechnologie eine Anpassung an das spezielle Einsatzge-biet nötig, zum Beispiel für eine korrekte

Firmenterminologie. Die Anpassung kann dabei durch Formalisierung sprachlichen Wissens oder Berechnung mathematischer Modelle (zum Beispiel statistischer Sprach-modelle) geschehen.

Bei der Formalisierung sprachlichen Wissens wird dabei zunächst der Regel-

wortlaut, beispielsweise „Grammatikalität beachten“, auf ein sprachliches Phänomen abgebildet wie „Kongruenz von Artikel und Nomen“. Anschließend wird dieses Phäno-men in einem computerlinguistischen For-malismus für die Automatisierung kodiert → tab. 06. →

Leichte Sprache tekom-Leitlinie

→ Passiv vermeiden

→ Konjunktiv vermeiden

→ Genitiv vermeiden

→ kurze sätze verwenden

→ einschübe in Klammern vermeiden

→ einfacher satzbau

→ nur eine Aussage pro satz

→ redewendungen und Metaphorik vermeiden

→ fragen im Text vermeiden

→ Meidung der Paarform

→ Passiv vermeiden (versch. regeln)

→ Konjunktiv nicht verwenden

→ Missverständliche Genitivkonstruktionen vermeiden

→ zu lange sätze vermeiden, bei wichtigen Informationen lange sätze vermeiden

→ einfacher satzbau (versch. regeln)

→ Nicht mehr als zwei gleichzeitige handlungen in einem satz

Leichte Sprache tekom-Leitlinie

→ bildhafte sprache

→ floskeln vermeiden

→ füllworte vermeiden

→ satz zu lang (10 Wörter)

→ nur eine handlung pro satz

→ schachtelsätze vermeiden

→ Gedankenstriche, semikolon, Klammern vermeiden

→ Ziffern verwenden

→ konsistente Terminologie

→ redewendungen und Metaphorik vermeiden

→ einfacher satzbau

→ nur eine Aussage pro satz

→ kurze sätze verwenden

→ sonderzeichen vermeiden

→ Ziffern verwenden

→ konsistente Terminologie

LeIchTe sPrAche UND TeKoM-LeITLINIe

LeIchTe sPrAche UND Pre-eDITING

tab. 04 Überlappung von regeln für Leichte sprache mit tekom-Leitlinie quelle tekom [9]

tab. 05 Überlappung von regeln für Leichte sprache mit regeln für MÜ Pre-editing quelle Melanie Siegel

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<rule id="GeNITIV-ArTIKeL"><pattern> <token postag_regexp="yes" postag="sUB:.*"/>

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<token postag_regexp="yes" postag="sUB:GeN:.*"/></pattern>

<message>Genitiv gefunden: &quot;<matchno="2"/>&quot; Vermeiden sie den Genitiv.</message>

</rule>

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</rule>

Regeln der Leichten Sprache wie „Benutzen Sie einfache Wörter“ oder „Benutzen Sie bekannte Wörter“ weisen darauf hin, dass die lexikalische Ebene (Wortwahl, Termi-nologie) für Leichte Sprache große Bedeu-tung hat.

Leider geben die bereits erwähnten Re-gelwerke kaum Hinweise darauf, was einfa-che oder bekannte Wörter sind. Somit lässt sich leider die Terminologieprüfung – ein

LeIchTe sPrAche UND Pre-eDITING

tab. 06 formalisierte regel (für LanguageTool) „Genitiv vermeiden“

quelle Annika Nietzio

relativ ausgereifter Zweig der Sprachtechno-logie – nur bedingt einsetzen. Erst nach ei-ner terminologischen Kategorisierung, also nach einfachen und bekannten Wörtern, be-ziehungsweise der Verknüpfung mit kom-plexen/zu vermeidenden Entsprechungen, wird sich dies ändern.

Dennoch können kommerzielle und kos-tenfreie Sprachtechnologiewerkzeuge be-reits heute nach erfolgter Anpassung und

Implementierung von Regeln für Leichte Sprache sowohl beim Schreiben als auch beim Prüfen unterstützen → abb. 4 + 5.

Vorhandene und mögliche Initiativen

Verständnis ist wichtig und spielt in Zu-kunft eine immer größere Rolle. Insbe-sondere sollen Inhalte im Internet leichter zu verstehen sein. Einen Überblick da-zu gab unter anderem das W3C Easy-to-Read Symposium 2012 [11]. Systematische Untersuchungen zu Übereinstimmungen zwischen Empfehlungen/Regeln oder auch der momentanen Praxis finden Eingang in wissenschaftliche Publikationen [4]. Die Aktivitäten haben eine länderübergreifen-de Dimension, wie die Aktivitäten zeigen, die auf www.inclusion-europe.org darge-stellt sind.

Sprachliche Mittel sind wichtig und spielen in Zukunft eine immer größere Rolle. Insbesondere sollen Inhalte im Internet leichter zu verstehen sein.

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seit 2012 ist Dr. Melanie siegel Professorin für Informationswissen-schaft an der hochschu-le Darmstadt. Zuvor arbeitete sie ab 2006 als computer- linguistin in forschung und entwicklung bei Acrolinx, Berlin. Darüber hinaus war sie an verschiedenen forschungsprojek-ten zu sprache und Übersetzung betei-ligt. Zu ihren Interessenschwerpunkten zählen sprachtechnologie, Maschinelle Übersetzung, syntax und semantik der japanischen sprache, ontologie, Informationsextraktion, sentimentanaly-se und Technische [email protected]

MeLANIe sIeGeL

seit 1997 ist er als Knowledge Architect im Bereich Globalizati-on services der sAP AG tätig. Vor seinem ein-tritt arbeitete er im In- und Ausland im Bereich sprachtechnologie. für die sAP AG trug er unter anderem zur standardisierung bei, zum Beispiel beim W3c und bei oAsIs. er studierte Informatik mit fokus sprachverarbei-tung und Künstliche Intelligenz. seine hauptinteressen gelten Internationali-sierung, Übersetzungsprozessen und [email protected]

chrIsTIAN LIesKe

Viele Regeln für barrierefreies Schreiben können mit Sprachtechnologie wirksam un-terstützt werden. Dabei bestehen Überlap-pungen zu Regeln für Technische Redaktion und Maschinelle Übersetzung [10]. Beson-dere Chancen für skalierbare Ansätze erge-ben sich, wenn Erfahrungen berücksichtigt werden, die in den Bereichen Web-Techno-logien und Standards in industriellen Kon-texten gemacht wurden [12].

Mögliche konkrete Schritte in Rich-tung Sprachtechnologie wären die Erstel-lung und Bereitstellung von Sprachressour-cen, zum Beispiel Sammlungen von leichten und korrespondierenden schweren Termini für maschinelle Nutzung gemäß folgenden Prinzipien:→ Crowd Sourcing – jeder kann beitragen→ Linked Open Data – Maschinen kön-

nen leicht nutzen und verknüpfenFür spezielle Nutzungsszenarien wie die Technische Redaktion könnte darauf auf-bauend ein Regelkatalog für barrierefreie Texte erstellt werden, ähnlich wie die Leit-linien, die die tekom bereits veröffentlicht hat.

zum weiterlesen[1] Tjarks-Sobhani, Marita (2012): Leichte Sprache

gegen schwer verständliche Texte. In: technische kommunikation, H. 6, S. 25–30.

[2] Grotelüschen, Anke; Riekmann, Wiebke (2011): leo. – Level-One-Studie. http://blogs.epb.uni-hamburg.de/leo/files/2011/12/leo-Presseheft_15_12_2011.pdf.

[3] Netzwerk Leichte Sprache (4.6.2013): Regeln für Leichte Sprache. www.leichtesprache.org/downloads/ Regeln_Leichte_Sprache_Netzwerk.pdf.

[4] Nietzio, Annika; Scheer, Birgit; Bühler, Christian (2012): How Long Is a Short Sentence? – A Linguistic Approach to Definition and Validation of Rules for Easy-to-Read Material. In: Lecture Notes in Computer Science Volume 7383, S. 369–376.

[5] Edler, Cordula (4.6.2013): Leichtes Web. www.inbut.de.[6] Freyhoff, Geert; Heß, Gerhard; Kerr, Linda; Menzel,

Elisabeth; Tronbacke, Bror; Van Der Veken, Kathy (1998): Sag es einfach! Europäische Richtlinien für die

abb. 4 Prüfung mit Acrolinx, spezieller regelsatz für Leichte sprachescreen Acrolinx, Christian Lieske, Melanie Siegel

abb. 5 Prüfung mit Langu-ageTool im Browser-basierten einsatz, bei-spielhafte regelscreen Language Tool, Christian Lieske, Melanie Siegel

Erstellung von leicht lesbaren Informationen für Menschen mit geistiger Behinderung. www.barrierefrei-kommunizieren.de/webdesign/upload/SAD66EETRDE.pdf.

[7] BITV 2.0: Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstel-lungsgesetz.

[8] Lebenshilfe Bremen (4.6.2013): Regeln für Leichte Sprache.www.leichte-sprache.de/dokumente/ upload/22751_regeln_fuer_leichte_sprache.pdf.

[9] Gesellschaft für Technische Kommunikation – tekom e.V. (2011): Regelbasiertes Schreiben – Deutsch für die Technische Kommunikation.

[10]Siegel, Melanie (2011): Autorenunterstützung für die Maschinelle Übersetzung. In: Multilingual Resources and Multilingual Applications. Proceedings of the Conference of the German Society for Computational Linguistics and Language Technology (GSCL).

[11]Miesenberger, Klaus; Petz, Andrea; Matausch, Kerstin; Abou-Zahra, Shadi (2012): Proceedings of the Easy-to-Read on the Web Online Symposium. www.w3.org/WAI/RD/2012/easy-to-read/#proceed.

[12]Lieske, Christian (2011): Leichte Sprache – Large Scale. Xinnovations 2011. http://2011.xinnovations.de/tl_files/xinnovations.2011/slides/1909/w3c/04%20Chri-stian%20Lieske.pdf.

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