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Klassische Werke der Hom�oopathie

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Die Lehren und Grunds�atze der gesamten theoretischen und

praktischen hom�oopathischen Heilkunst.

Eine apologetisch-kritische Besprechung der Lehren

Hahnemanns und seiner Schule

vonG. H. G. Jahr

G.H.G. Jahr Verlag � Euskirchen

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Die Deutsche Bibliothek { CIP-EinheitsaufnahmeG.H.G. Jahr:Die Lehren und Grunds�atze der gesamten theoretischenund praktischen hom�oopathischen Heilkunst.Eine apologetisch-kritische Besprechung der LehrenHahnemanns und seiner Schule / G.H.G. Jahr.{ Euskirchen : G.H.G. Jahr, 1998(Klassische Werke der Hom�oopathie ; 2)ISBN 3-933581-01-X

c G.H.G. Jahr, Euskirchen 1998This work, including all of its parts, is protected by copyright.Any use beyond the limits of copyright law without the permissionof the publisher is forbidden and subject to penalty.This applies particularly to reproductions, translations, micro�lmsand storage and processing in electronic systems.Printed on permanent/durable paper.Printed in Germany.

ISBN 3-933581-01-X

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Vorwort

Vorwort

Nur wenige Worte sind es, welche wir den nachstehenden Bl�attern zu ihrem Ein-tritte in das Publikum mitzugeben haben. Wie unsere Leser bald selbst sehen werden,sind es einzelne, unter sich durchaus nicht in notwendigem Zusammenhange stehendeAbhandlungen �uber die wichtigsten Punkte unserer Lehre, welche ihrem Ursprungenach zu ebenso viel einzelnen Vorlesungen oder Journalartikeln bestimmt, eigentlichschon seit 18 Monaten in ein Ganzes vereint waren, um als eine Festgabe zum dop-pelten Jubelfeste der Hom�oopathie im Laufe des vorigen Jahres zu erscheinen, wounsere Schule einerseits den hundertj�ahrigen Geburtstag ihres Stifters, andererseitsihre eigene f�unfzigj�ahrige Existenz feierte, indem es im Jahre 1805 war, da� Hahne-mann mit der Herausgabe seiner Fragmenta de viribus medicamentorum positivis seineersten Arzneiversuche, und mit dem Erscheinen seiner Heilkunde der Erfahrung, dieersten Andeutungen seiner Lehre der Welt vor Augen legte. Zu dieser Ged�achtnis-feier sollten die nachstehenden Besprechungen eine Gabe auf dem Altare der Kunstsein, bestimmt, nicht nur so manche vielangegri�ene Lehrs�atze, sondern auch dasAndenken des Mannes selbst zu rechtfertigen, der w�ahrend seines Lebens unendlichviel mehr Unbilden von Seiten mancher sogenannten Anh�anger seiner Kunst, alsvon seinen erkl�artesten Feinden aus der alten Schule zu erdulden hatte, und demanzuh�angen und nachzufolgen, in gewissen Regionen und unter gewissen Abteilun-gen derjenigen, die von seinen sauren M�uhen leben, leider heute noch f�ur die gr�o�teSchande gilt.

Diese Ungerechtigkeit, die uns immer tief geschmerzt hat, wollten wir in demdoppelten Jubeljahre des Mannes, ohne den wahrhaftig keiner seiner heutigen Kri-tiker unter den sogenannten Hom�oopathen je zu heilbringender Praxis gekommensein w�urde, nicht blo� r�ugen und dem besseren Teile unter uns nochmals zur Beach-tung vorlegen, sondern auch, durch erneute Besprechung aller seiner Lehrs�atze undder dagegen gerichteten Angri�e oft sehr pygm�aischer Kritiker, in ihr volles Lichtstellen.

F�ur die Zeit, f�ur die unsere Besprechungen bestimmt waren, erscheinen sie nunallerdings zu sp�at; f�ur die Epoche aber, in der wir leben, erscheinen sie leider immernoch zu rechter Zeit, da unsere Feinde intra muros noch nicht aufgeh�ort haben, ihrevon dem Gesichtspunkte der alten Schule aus gegen Hahnemann und seine Lehregerichteten Angri�e bei jeder nur erdenklichen Gelegenheit zu erneuern.

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Vorwort

Nicht unn�otige Streitsucht, sondern tiefes Gef�uhl unserer P icht ist es, was unsbestimmt hat, da, wo keiner mehr geneigt schien, eine Lanze f�ur die Wahrheit zubrechen, selbst als K�ampfer in die Schranken zu treten; denn wenn man mit star-ken Schritten seinem 60sten Jahre entgegengeht, denkt man nicht mehr an mut-willige Herausforderungen, wie sie der Jugend eigen sind, sondern nur an die hei-ligen P ichten, welche man f�ur das heranwachsende und nachbleibende Geschlechtzu erf�ullen hat, und welches Bekenntnis man den Nachkommen am Schlusse einerfast drei�igj�ahrigen �Ubung der Lehren des Meisters schuldig ist. M�oge man daher dienachstehenden Besprechungen als ein solches Glaubensbekenntnis ansehen, und m�ogedasselbe vor allem diejenigen treuen Nachfolger Hahnemanns, welche nach fast 40bis 50j�ahriger Praxis noch viel mehr das Recht h�atten, zu reden, als wir, anspornen,ebenso auch ihre Meinung zu sagen, und sich dadurch zugleich auch der P ichten

zu entledigen, die sie gegen die Fortdauer der reinen und wahren Lehren des Stif-ters unserer Schule haben. M�ogen die nachstehenden Besprechungen manche andereantreiben, ihnen zu widersprechen, aber auf die Art, wie wir es getan, mit Angabeder Gr�unde f�ur ihre Meinung, und nicht, wie leider so viele Gegner Hahnemanns undseiner Nachfolger, mit blo�en Besp�ottelungen und pers�onlichen VerunglimpfungenAndersdenkender.

DerWissenschaft und der Kunst zu Liebe haben wir zu schreiben versucht; m�ogendie Widerspr�uche auch unseren Gr�unden und nicht unserer Person gelten; denn nurdurch Bek�ampfung der aufgestellten Gr�unde, nicht aber durch Verh�ohnung derer,die sie aufstellen, kann eine Sache in den Augen aller wahren Denker einen reellenGewinn ziehen.

Wer es mit unserer Kunst wahrhaft treu meint, geht auf Gr�unde ein; nur, werblo� sich selbst sucht, k�ampft ohne diese blo� gegen die Personen an. Gegr�undeteWiderspr�uche werden keinem willkommener sein als uns, m�ogen sie von Freund oderFeind herr�uhren; durch diese haben wir schon sehr viel gelernt und ho�en in derFolge noch mehr zu lernen!

Sollten es die Umst�ande erlauben, so denken wir �ubrigens, diesen vorliegendenallgemeinen Besprechungen, noch vor Jahresfrist einen zweiten, praktischen Teil

nachfolgen zu lassen, welcher eine ausf�uhrliche Darlegung unserer eigenen Erfahrun-

gen und Beobachtungen im Gebiete der Lehren Hahnemanns enthalten wird.

Paris, im Oktober 1856.G. H. G. Jahr

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 3

Einleitung : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 15

x 1. Was haben wir von der Zukunft f�ur unsere Kunst zu erwarten? : : : : : 15

x 2. Die Verschiedenheit der Ansichten unter uns ist eine unvermeidliche,aber beklagenswerte Sache : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 16

x 3. Noch beklagenswerter aber sind die Feinde und Gegner Hahnemanns,die in unserer eigenen Mitte auftreten : : : : : : : : : : : : : : : : : : 18

x 4. Wir sind daher verp ichtet, die wahre Lehre gegen die innern Angri�ezu verteidigen und festzustellen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 19

x 5. Zur Feststellung unserer Lehren kann nur die Gesamtheit der Praktikerbeitragen, und die vorliegenden Besprechungen sollen dazu mitwirken 21

Erstes Kapitel: Allgemeiner Begriff der Lehre Hahnemanns

und der von ihm gegr�undeten Schule. : : : : : : : : : : : : : : : 24

x 6. Die Lehre Hahnemanns ist kein System, sondern eine Methode, inwelcher jeder Lehrsatz f�ur sich allein steht : : : : : : : : : : : : : : : : 24

x 7. Da die Methode es nur mit der Anwendung der Wissenschaft auf diePraxis zu tun hat, so kann von Hahnemann auch nur diese, nicht aberder Ausbau der Hilfswissenschaften gefordert werden : : : : : : : : : : 26

x 8. Dessen ungeachtet hat Hahnemann auch dies mit der Begr�undung einerneuen Wissenschaft, der Reinen Arzneimittellehre, nicht vernachl�assigt 27

x 9. Da die alte Schule diese zu einer wahren Therapie unentbehrliche Wis-senschaft nicht lehrt, so ist Hahnemann dadurch der Begr�under derrationellen Therapie �uberhaupt geworden : : : : : : : : : : : : : : : : 29

x 10. Das Organon Hahnemanns ist somit nicht nur ein Organon derHom�oopathie, sondern der rationellen Heilkunst �uberhaupt : : : : : : 30

x 11. Dessen ungeachtet aber macht seine Lehre die Aus�ubung der Hom�oopa-thie jedem rationellen Arzte zur P icht : : : : : : : : : : : : : : : : : : 32

x 12. Die von Hahnemann gegr�undete Schule oder die hom�oopathische kannnie eine andere Lehre haben, als die Lehre Hahnemanns : : : : : : : : 33

x 13. �Uberblick und Zusammenfassung des vorliegenden Kapitels : : : : : : 35

Zweites Kapitel: Die drei verschiedenen Heilverfahren und ihre

Bedeutung in der Praxis : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 37

x 14. Das hom�oopathische Heilgesetz Similia similibus ist dasjenige, welchesdie sichersten, sanftesten und schnellsten Heilungen vollbringen lehrt : 37

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Inhaltsverzeichnis

x 15. Das allopathische Heilverfahren kann auch einige Krankheiten heilen,aber nicht so sicher, so schnell und so sanft, wie die Hom�oopathie : : : 38

x 16. Selbst die besten allopathischen Kuren sind keine Heilungen im Ver-gleiche zu denen, welche die Hom�oopathie vollbringt : : : : : : : : : : 40

x 17. Das enantiopathische Heilverfahren kann nur Leiden beschwichtigen,aber keine Krankheiten heilen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 41

x 18. Jede wahre echte Naturheilung kommt nur in Folge des hom�oopathi-schen Heilgesetzes durch die eigene Kraft des Organismus zu Stande : 43

x 19. Das hom�oopathische Heilverfahren ist daher nicht nur in einigen, son-dern in allen F�allen der k�urzeste und sicherste Weg zum Ziele : : : : : 44

x 20. Die F�alle, in denen zur Zeit von einzelnen noch Ausnahmen in der An-wendung dieses Verfahrens gemacht werden m�ussen, beweisen nichtsgegen die Zul�anglichkeit dieses Gesetzes f�ur alle F�alle : : : : : : : : : : 46

x 21. Jeder rationelle Arzt mu� daher das hom�oopathische Heilgesetz alsoberstes Postulat f�ur alle F�alle der Praxis anerkennen : : : : : : : : : 47

x 22. Die mit den gew�ohnlichen Gaben der alten Schule ungl�ucklich voll-brachten hom�oopathischen Kuren beweisen nichts gegen die Vorz�uglich-keit und Allgemeing�ultigkeit des hom�oopathischen Heilgesetzes : : : : 49

x 23. Die gl�uckliche Aus�ubung ist unzertrennlich an gewisse Regeln ge-bunden, von denen sie nicht getrennt werden darf, wenn man ihreG�ultigkeit erproben will : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 51

x 24. Die G�ultigkeit des hom�oopathischen Heilgesetzes hat nur da ihreGrenze erreicht, wo �uberhaupt keine medizinische Behandlung mehrm�oglich ist : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 52

x 25. �Uberblick und Zusammenfassung des Kapitels : : : : : : : : : : : : : : 54

Drittes Kapitel: Hahnemanns pathologische Lehren und Ansich-

ten : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 56

x 26. Die pathologischen Ansichten Hahnemanns stehen und fallen f�ur sich,ohne alle Beziehung auf seine anderen Lehren : : : : : : : : : : : : : : 56

x 27. Die Hauptpunkte dieser Ansichten sind die dynamischen Natur, dieAllgemeinheit, Individualit�at jedes Falles und die psorische Natur allerchronischen Leiden : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 57

x 28. Der Satz, da� alle Krankheiten ihrem eigentlichen Wesen nach dyna-mischer Natur sind, ist unumst�o�lich : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 59

x 29. Obgleich die meisten scheinbaren Lokalleiden wahrscheinlich auf allge-meinen Diathesen beruhen, so kann es doch auch rein lokale Erkran-kungen geben : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 61

x 30. Jeder gegebene Krankheitsfall ist eine eigene, wahrhaft individuelleForm seiner Gattung : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 62

x 31. Die psorische Natur aller chronischen Krankheiten ist eine zur Zeitnoch unerwiesene Annahme : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 64

x 32. Durch die Verwerfung der Kr�atze als der Mutter aller chronischenKrankheiten wird aber nicht gesagt, da� s�amtliche chronische Krank-heiten nicht auf allgemeinen Diathesen beruhen : : : : : : : : : : : : : 66

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Inhaltsverzeichnis

x 33. Die Annahme solcher Diathesen setzt nicht unumg�anglich notwendigauch die Annahme eines materiellen Krankheitssto�es voraus : : : : : 67

x 34. Die Kr�atze kann indessen erweislicherma�en chronische Krankheitenerzeugen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 69

x 35. �Uberblick und Zusammenfassung des Kapitels : : : : : : : : : : : : : : 70

Viertes Kapitel: Hahnemanns diagnostische Ansichten : : : : : : : 73

x 36. Ehe man behaupten kann, Hahnemann habe die Wissenschaft derDiagnostik verworfen, mu� man erst dar�uber einig sein, was man unterder Diagnose einer Krankheit verstehe : : : : : : : : : : : : : : : : : : 73

x 37. Die Diagnose des Wesens der Krankheiten ohne deren Zeichen istunzul�assig, weil dieses Wesen nicht erkennbar ist : : : : : : : : : : : : 75

x 38. Die Diagnose der innern organischen Zust�ande lehrt innere einzelneSymptome, aber nicht die Krankheit erkennen : : : : : : : : : : : : : : 76

x 39. Die di�erentielle Diagnose kann nie unbedingt nach Angabe der in denpathologischen Lehrb�uchern angef�uhrten Formen gestellt werden : : : 78

x 40. Die Diagnose des schulgerechten Namens der Krankheit ist in Bezugauf ihren Ausdruck die allerunsicherste und unbestimmteste und daherganz zu verwerfen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 80

x 41. Dagegen ist die Diagnose der �au�eren veranlassenden Ursache eineh�ochst wichtige und oft praktisch wichtiger als alle andern : : : : : : : 81

x 42. Bei allen allgemeinen Krankheiten besteht die Diagnose ihres beson-deren Wesens in der Au�assung ihrer charakteristischen Zeichen : : : 83

x 43. Die diagnostischen Lehren Hahnemanns sind gr�undlicher und rationel-ler, als die der alten Schule, und die R�uckkehr zu den letzteren w�urdeein R�uckschritt sein : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 85

x 44. �Uberblick und Zusammenfassung des Kapitels : : : : : : : : : : : : : : 87

F�unftes Kapitel: Hahnemanns pharmakodynamische Ansichten : 89

x 45. Alles, was Hahnemann auf diesem Gebiete gelehrt hat, sind Erfah-rungss�atze : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 89

x 46. S�amtliche Arzneisto�e sind krankmachende Potenzen, welche gleichden nat�urlichen alle m�oglichen Krankheiten hervorbringen k�onnen : : 91

x 47. Keine Arznei kann jedoch jemals irgend eine nat�urliche Krankheitgerade so hervorbringen, wie die Natur sie erzeugt : : : : : : : : : : : 92

x 48. Jede von einer Arznei hervorgebrachte Krankheitsform ist eine ei-gent�umliche, welche von keiner andern Arznei auf gleiche Weise er-zeugt wird : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 94

x 49. Obgleich alle Arzneien Krankheiten hervorbringen k�onnen, so tun siedies doch nur in Folge der dazu erforderlichen Gaben, welche nach denIndividuen verschieden sind : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 96

x 50. F�ur den hom�oopathischen Heilzweck ist es nicht notwendig, die Arz-neien bis zur Hervorbringung ganzer Krankheiten zu pr�ufen : : : : : : 98

x 51. Die genaue Kenntnis der Erst- und der Nachwirkungen der Arzneienist eine wichtige Sache f�ur den hom�oopathischen Heilzweck : : : : : : 99

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Inhaltsverzeichnis

x 52. Die Unterscheidung dieser beiden Wirkungen ist in der Natur begr�undet,beide geh�oren aber dem Organismus und keine der Arznei an : : : : : 101

x 53. Beiderlei Wirkungen k�onnen in jedem Zeitraume der Wirkungsdauereiner Arznei vorkommen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 103

x 54. Die Wirkungsdauer einer Arznei wird durch die Zeit bestimmt,w�ahrend welcher ihre wirksamen Atome im K�orper verweilen : : : : : 104

x 55. Langwirkende Mittel sind solche, deren Atome in den festen Teilenhaften, und daher schwerer ausgeschieden werden k�onnen, als die derkurzwirkenden, die nur die �ussigen Teile in Anspruch nehmen : : : : 106

x 56. �Uberblick und Zusammenfassung des Kapitels : : : : : : : : : : : : : : 108

Sechstes Kapitel: Hahnemanns posologische Ansichten : : : : : : 111

x 57. Die Lehren Hahnemanns von den kleinen Gaben sind eine Erfah-rungssache und k�onnen daher nur durch Untersuchung der Tatsachengepr�uft werden : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 111

x 58. Diejenigen, welche mit der Kleinheit der Gaben noch weiter gehen, alsHahnemann, haben nicht Unrecht vor dem Forum der Wissenschaft : : 113

x 59. Die Besch�aftigung mit Dingen, die man nicht erkl�aren kann, ist nochkein Mystizismus : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 114

x 60. Je absurder vorgebliche Tatsachen erscheinen, um so mehr hat derwahre Gelehrte die P icht, dieselbe zu untersuchen : : : : : : : : : : : 116

x 61. Zu fr�uhzeitige Erkl�arungsversuche der Tatsachen schadet aber oft nichtminder, als deren vornehm verachtende Ableugnung : : : : : : : : : : 118

x 62. Die Steigerung der Arzneikr�afte durch den von Hahnemann eingef�uhr-ten Verd�unnungsproze� ist eine unerwiesene Tatsache : : : : : : : : : 120

x 63. Unsere Verd�unnungen sind nichts weiter, als eine Verminderung undh�ochst feine Zerteilung der arzneilichen Masse : : : : : : : : : : : : : : 122

x 64. Die Verst�arkung der Arzneikraft durch Sch�utteln und Reiben ist eben-falls eine unerwiesene Theorie : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 123

x 65. Die Arzneiverd�unnungen bed�urfen keiner Kraft, um ihre Wirkungenzu �au�ern : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 125

x 66. Alles, was man �uber die Wirksamkeit unserer Verd�unnungen sagenkann, ist, da� dieselbe eine Tatsache ist; erkl�aren k�onnen wir nichts : : 127

x 67. R�uckblick und Zusammenfassung des Kapitels : : : : : : : : : : : : : 129

Siebentes Kapitel: Regeln f�ur das Krankenexamen : : : : : : : : : 132

x 68. Das Krankheitsbild ist stets ohne R�ucksicht auf eine bestimmte Krank-heitsform aufzunehmen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 132

x 69. Erst nach Aufnahme des Krankheitsbildes darf an die Diagnose desFalles gedacht werdenDas rein semiotische Studium aller Beobachtun-gen ist das erste, was durch die Wissenschaft geboten wird : : : : : : : 134

x 70. Bei Bestimmung der Diagnose ist stets von dem vorzugsweise ergrif-fenen Organe auszugehen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 135

x 71. In allen allgemeinen Krankheiten ist die Diagnose der leidenden Or-gane der Bestimmung der allgemeinen unterzuordnen : : : : : : : : : : 137

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Inhaltsverzeichnis

x 72. In chronischen Krankheiten ist die Diagnose stets auf die den organi-schen Leiden zu Grunde liegende allgemeine Diathese zu stellen : : : : 139

x 73. Die Diagnose darf nie auf Kr�atzfolgen gestellt werden, wenn diese nichtklar erwiesen sind : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 141

x 74. �Uberblick und Zusammenfassung des Kapitels : : : : : : : : : : : : : : 142

Achtes Kapitel: Regeln f�ur die Aufstellung des allgemeinen

Heilplanes : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 145

x 75. Der hom�oopathische Arzt kann nur dann andere, als hom�oopathi-sche Mittel verordnen, wenn f�ur den vorliegenden Fall keine hom�oo-pathischen vorliegen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 145

x 76. Die Behandlung mit hom�oopathischen Mitteln ist in allen F�allen zuversuchen, wo nur an medizinische Behandlung gedacht werden kann : 147

x 77. Aber selbst da, wo keine hom�oopathischen Mittel f�ur einen Fall auf-zu�nden sind, kann doch nicht nach den Regeln der alten Schule ver-fahren werden : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 149

x 78. Selbst da, wo fremde Sto�e, Arzneien, Gifte etc. in den Organismuseingedrungen sind, k�onnen diese durch hom�oopathische Mittel entferntwerden : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 151

x 79. Dasselbe gilt von allen pathologischen Krankheitssto�en, die ebenfallsder Behandlung mit hom�oopathischen Mitteln weichen : : : : : : : : : 153

x 80. Sogar bei Mangel an organischen Sto�en, oder organischen Elementen,sind die hom�oopathischen Mittel die rationellsten : : : : : : : : : : : : 155

x 81. Auch die meisten Operationen k�onnen durch hom�oopathische Mittelunn�otig gemacht werden : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 157

x 82. Alle Hautkrankheiten, selbst die auf Parasiten beruhenden, weichenden innern hom�oopathischen Mitteln und sind mit diesen allein zubehandeln : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 159

x 83. Die schnelleren Scheindienste, welche palliative Unterdr�uckungsmittelbringen k�onnen, d�urfen da, wo sie Nachteil bringen, selbst nicht aufVerlangen des Kranken angewendet werden : : : : : : : : : : : : : : : 161

x 84. Anf�anger, die in lebensgef�ahrlichen F�allen die hom�oopathischen Mittelnicht recht anzuwenden wissen, tun besser, Ausnahmen zu machen : : 163

x 85. Jede notgedrungene Ausnahme von der Anwendung hom�oopathi-scher Mittel ist ein �Ubelstand, den alle hom�oopathischen �Arzte suchenm�ussen, immer seltener zu machen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 165

x 86. Kein Arzt, der nicht in allen der medizinischen Behandlung anheim-fallenden F�allen die Anwendung hom�oopathischer Mittel als das besteVerfahren anerkennt, kann als Hom�oopath angesehen werden : : : : : 167

x 87. Schlu� und �Ubersicht des Kapitels : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 169

Neuntes Kapitel: Regeln f�ur die praktische Benutzung der

Arzneimittellehre : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 172

x 88. Die Quelle, aus welcher der hom�oopathische Arzt die Anzeigen f�urdie Wahl der Mittel zu sch�opfen hat, ist die Reine ArzneimittellehreHahnemanns und seiner Schule : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 172

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Inhaltsverzeichnis

x 89. Um diese mit Nutzen zu gebrauchen, ist es notwendig, dieselbe einerKritik zu unterwerfen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 174

x 90. Keine Kritik ist unsicherer, als die historische, und die G�ultigkeit keinesSymptomes kann auf die Glaubw�urdigkeit seines Autors gegr�undetwerden : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 176

x 91. Jede vollst�andige Sammlung aller Beobachtungen tr�agt ihre einzigsichere Kritik in sich selbst : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 178

x 92. Es kann keine kritischere und wissenschaftlichere Arzneimittellehregeben, als eine einfache Sammlung und vergleichende Darstellung allervermeintlichen Beobachtungen �uber die Wirkungen der Mittel : : : : : 179

x 93. F�ur die Aufstellung dieses Materials ist die anspruchsloseste, nichtsbestimmende Form, also das Schema Hahnemanns, das beste : : : : : 181

x 94. Keine nur nach einer Seite hin, physiologische, pathologische oderandere nur einseitig ausgef�uhrte Bearbeitung der Reinen Arzneimit-tellehre kann f�ur sich allein der Wissenschaft gen�ugen : : : : : : : : : 183

x 95. Kein Auszug aus der Reinen Arzneimittellehre kann je dieselbe kriti-sche Sicherheit bieten, die eine vollst�andige Sammlung aller Beobach-tungen dem Leser gew�ahrt : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 185

x 96. Das rein semiotische Studium aller Beobachtungen ist das erste, wasdurch die Wissenschaft geboten wird : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 187

x 97. Jedes rein semiotische Studium eines Mittels ist zugleich schon dieBasis eines physiologischen, pathologischen und diagnostischen : : : : 189

x 98. Die sogenannten Heilsymptome k�onnen Aufschlu� �uber den therapeu-tischen Charakter eines Mittels geben, sind aber an sich selbst nichtcharakteristische Zeichen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 191

x 99. Es kann keine unsicherere und unkritischere Arzneimittellehre geben,als eine solche, die man aus den Heilsymptomen konstruieren wollte : 193

x 100. Auch zur Kritik der pathogenetischen Zeichen k�onnen die klinischenErfahrungen daher nicht benutzt werden, sondern eigenes, vergleichen-des Studium der vorhandenen Beobachtungen und Zeichen eines Mit-tels ist die allein zul�assige Kritik : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 195

x 101. Alle Repertorien und klinischen Sammlungen werden stets der wahrenKritik um so mehr n�utzen, als sie sich aller eigenen Kritik enthalten : 197

x 102. �Uberblick und Zusammenfassung des Kapitels : : : : : : : : : : : : : 199

Zehntes Kapitel: Regeln f�ur die Wahl des passenden Heilmittels204

x 103. Ein Heilmittel ist nur dann wahrhaft hom�oopathisch angezeigt, wennauch seine charakteristischen Symptome denen des vorliegenden Fallesentsprechen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 204

x 104. Die charakteristischen Zeichen eines Krankheitsfalles sind die au�er-halb des Bereiches der namhaften Krankheit liegenden : : : : : : : : : 206

x 105. Die charakteristischen Zeichen eines Mittels sind diejenigen, welchenicht dem durch sie erregten pathologischen Zustande, sondern alleinder besondern Arznei zukommen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 208

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x 106. Wo sich die charakteristischen Zeichen eines Krankheitsfalles undeines Mittels entsprechen, da entsprechen sich eo ipso auch die gegen-seitigen wesentlichen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 210

x 107. Daraus folgt, da� zu Ermittelung der angemessenen Arznei nie mehrerfordert wird, als auf �Ubereinstimmung der gegenseitigen charakteri-stischen Zeichen zu achten : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 212

x 108. In chronischen Krankheiten sind es die konstitutionellen Nebensym-ptome, welche die charakteristischen Anzeigen f�ur die Wahl des Mittelsliefern : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 214

x 109. In akuten Leiden sind die charakteristischen Symptome unter denseltensten, ungew�ohnlichsten konsensuellen Erscheinungen zu suchen : 216

x 110. In allen allgemeinen Krankheiten, Epidemien, Wechsel�ebern etc.sind die charakteristischen Zeichen die wechselnden, nur den einzelnenIndividuen eigenen, nie aber die feststehenden der Krankheit : : : : : 218

x 111. Die wesentlichen oder pathognomischen Zeichen geben nur diewahlf�ahigen, nicht aber die zu w�ahlenden Mittel an, und die gegenKrankheitsnamen empfohlenen Spezi�ka sind ohne n�ahere Anzeigenstets unzuverl�assig : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 221

x 112. Die Wahl nach den durch die veranlassende Ursache gelieferten An-zeigen ist stets eine einseitige, wenn sie nicht zugleich durch charakte-ristische Symptome gerechtfertigt wird : : : : : : : : : : : : : : : : : : 223

x 113. Bei der Wahl der Mittel f�ur einen vorliegenden Fall ist es stets dasSicherste, sie auf die charakteristischen Zeichen, nicht aber auf dieklinischen Erfahrungen zu gr�unden : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 225

x 114. Nur da, wo keine charakteristischen Zeichen vorliegen, ist die Wahlnach klinischen m�oglichst sichern Angaben zul�assig : : : : : : : : : : : 227

x 115. Die Wahl zweier, gleichzeitig oder im blinden Wechsel anzuwendenderMittel ist absolut irrationell und unzul�assig : : : : : : : : : : : : : : : 229

x 116. F�ur die Ermittelung der passenden Arznei mu� die erste Arbeit inkomplizierten F�allen stets schriftlich gemacht werden : : : : : : : : : : 231

x 117. �Uberblick und Zusammenfassung des Kapitels : : : : : : : : : : : : : 233

Elftes Kapitel: Regeln f�ur die Anwendung der Gaben : : : : : : 238

x 118. Die Gr�o�e der Gabe, in welcher ein Mittel angewendet wird, ist nichtgleichg�ultig : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 238

x 119. Zu gro�e hom�oopathische Gaben k�onnen auch Verschlimmerung er-zeugen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 240

x 120. Die h�oheren Verd�unnungen bieten eben so viel Sicherheit f�ur dieHeilung und weniger Gefahr f�ur den Kranken, als die niedern : : : : : 242

x 121. Ein Mittel, das, um zu heilen, in niederen Verd�unnungen angewandtwerden mu�, ist nicht echt hom�oopathisch : : : : : : : : : : : : : : : : 244

x 122. Die niederen Verd�unnungen sind nicht an sich selbst, sondern nurdann gefahrvoller f�ur den Kranken, wenn sie in zu gro�en Gaben an-gewandt werden : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 247

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x 123. Die gefahrloseste und doch stets noch hom�oopathisch hilfreiche An-wendung einer jeden Verd�unnung ist die in der Gabe von 2 oder 3Streuk�ugelchen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 249

x 124. In je kleinerer und seltenerer Gabe ein Mittel im Stande ist, eineKrankheit zu heilen, um so passender ist dasselbe zur Hervorbringungwahrer, echter Naturheilungen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 251

x 125. Die rationelle Wiederholung eines echt hom�oopathischen Mittels istnur �au�erst selten tats�achlich angezeigt : : : : : : : : : : : : : : : : : 254

x 126. Die Au �osungen einiger K�ugelchen in Wasser sind keine H�aufung,sondern eine Teilung der Gabe, und daher eine schw�achere, als jedeandere : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 256

x 127. In allen �eberlosen, zuf�alligen Erkrankungen und Funktionsst�orungenist die zweckm�a�igste Gabe, 2 oder 3 trockene Streuk�ugelchen einermittleren Verd�unnung, zu einem einzigen Male gereicht : : : : : : : : : 259

x 128. Zu heftigen �eberhaften Entz�undungskrankheiten ist die beste Gabe,2 oder 3 K�ugelchen einer niederen Verd�unnung kurzwirkender Mittel,in Wasser aufgel�ost und teel�o�elweise verbraucht : : : : : : : : : : : : 261

x 129. In allen chronischen Krankheiten verdienen die h�oheren Verd�un-nungen langwirkender Mittel zu h�ochstens 3 Gaben von 2 oder 3 Streu-k�ugelchen nur im Laufe der ersten Woche gereicht, den Vorzug : : : : 263

x 130. F�ur alle F�alle, wo bis jetzt noch wiederholte gro�e Gaben n�otig sind,ist es Aufgabe der Kunst, ein Mittel zu erforschen, das dieselben ineiner einzigen kleinsten Gabe heile : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 266

x 131. Was wir Hom�oopathie nennen, ist eigentlich nur die Kunst, mit einereinzigen kleinsten Gabe charakteristisch angezeigter Mittel Selbsthei-lungen des Organismus zu erregen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 268

x 132. Schlu� und �Uberblick des Kapitels : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 270

Zw�olftes Kapitel: Regeln f�ur die Arzneibereitung : : : : : : : : : 275

x 133. Der Arzt mu� sich wo m�oglich seine Arzneien selbst bereiten, oderdoch selbst dispensieren : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 275

x 134. Der Weingeist bleibt stets das beste Vehikel f�ur die Au �osungen undVerd�unnungen, au�er dem Wasser, und das beste ist der echte, vonWeintreber bereitete : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 277

x 135. Der Milchzucker ist ebenfalls ein arzneilich ganz unwirksames Vehikel,wenn er rein ist : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 279

x 136. Die Streuk�ugelchen werden am besten aus reinem Rohrzucker unterden Augen des Arztes bereitet : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 280

x 137. Das destillierte Wasser kann ohne Schaden auch in zinnernen oderblechernen Apparaten bereitet werden : : : : : : : : : : : : : : : : : : 282

x 138. Zu den Pr�aparaten mu� stets derselbe Sto� genau so zubereitetgenommen werden, wie er zu den Pr�ufungen geh�ort hat : : : : : : : : 284

x 139. Auch die pharmazeutische Bereitung unserer Mittel mu� stets die-selbe sein, vermittelst derer die Pr�ufungspr�aparate erhalten wurden : : 286

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x 140. Die Verreibungen k�onnen im Verh�altnisse von 10:100 gemacht werden,wenn man dann stets sechs statt der sonst �ublichen drei Verreibungenmacht : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 288

x 141. Die Reibmaschinen sind auf keine Weise zu billigen : : : : : : : : : : 289

x 142. Die �ussigen Verd�unnungen k�onnen ebenfalls in dem Zehntelverh�alt-nis gemacht werden, wenn ihre Zahl verdoppelt wird : : : : : : : : : : 291

x 143. Jede �ussige Verd�unnung ist vor ihrem Gebrauche zur Dispensationoder zur Befeuchtung von K�ugelchen noch einmal gut umzusch�utteln : 293

x 144. Alle starkriechenden und �uchtigen Sto�e m�ussen in einem beson-dern, absolut von den andern Arzneien getrennten Lokale aufbewahrtwerden : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 296

x 145. Statt der �ublichen unsichern Reinigung der Gef�a�e und Ger�atschaftenist es besser, sich zu jedem besondern Mittel auch besonderer Ger�at-schaften zu bedienen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 298

x 146. Vorsichtsma�regeln, die beim Dispensieren anzuwenden sind : : : : : 300x 147. �Uberblick und Zusammenfassung des Kapitels : : : : : : : : : : : : : 302

Dreizehntes Kapitel: Di�atetische Vorschriften : : : : : : : : : : : 306x 148. Notwendigkeit der hom�oopathischen Di�at : : : : : : : : : : : : : : : : 306

x 149. Vorz�uglichkeit dieser Di�at : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 307

x 150. Die Di�at ist bei den Wohlhabenderen strenger zu �uberwachen, als beider �armeren Klasse : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 309

x 151. Besonders ist darauf zu sehen, da� auf keine Weise verbotene Dingedenen erlaubt werden, die noch nie daran gew�ohnt waren : : : : : : : 311

x 152. Wichtigkeit der Ein �usse der nat�urlichen und k�unstlichen Umgebungen313x 153. Regeln f�ur die Kleidung : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 315

x 154. Die Reinlichkeits- und Toilettenmittel : : : : : : : : : : : : : : : : : : 316x 155. Die Nahrungsmittel und die Gew�urze : : : : : : : : : : : : : : : : : : 318

x 156. Die Getr�anke, Ka�ee, Wein, etc. : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 320x 157. Die Zubereitung und die Verf�alschungen der Nahrungsmittel : : : : : 322

x 158. Die t�agliche Lebensordnung : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 324

x 159. Bewegung, Ruhe und Schlaf : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 326x 160. Die Hausmittel und die Hausapotheken : : : : : : : : : : : : : : : : : 328

x 161. Die Pr�aservative gegen Ansteckungen : : : : : : : : : : : : : : : : : : 329x 162. �Uberblick und Zusammenfassung des Kapitels : : : : : : : : : : : : : 331

Vierzehntes Kapitel: Die Lehre unserer Schule : : : : : : : : : : : 335

x 163. Unsere theoretischen Lehrb�ucher : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 335x 164. Ein authentisches Lehrbuch der wahren Hom�oopathie ist eine un-

erl�a�liche Sache : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 336x 165. Die seit Hahnemann gemachten Fortschritte fordern Aufnahme : : : 338

x 166. Die Anf�anger m�ussen vor der falschen Wissenschaftlichkeit gesichertwerden : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 340

x 167. Die sogenannten Fortschritte in den Hilfswissenschaften der Medizin 342x 168. Die Hom�oopathie hat eigene Hilfswissenschaften zu konstruieren : : : 344

F�unfzehntes Kapitel: Die Arzneipr�ufungen unserer Schule : : : 346

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x 169. Allgemeiner Blick auf die Arbeit auf diesem Felde : : : : : : : : : : : 346x 170. Was seit Hahnemann in der Bearbeitung desselben geleistet worden : 347x 171. Die Wahl der zu pr�ufenden Mittel : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 349x 172. Die Nachpr�ufungen schon gepr�ufter : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 351x 173. Die Pr�ufungen mit kleinen Gaben sind die rationellsten : : : : : : : : 353x 174. Das Schema Herings ist das beste zur Aufstellung der Symptome : : 355Sechszehntes Kapitel: Die Praxis unserer Schule : : : : : : : : : : 357x 175. Unsere praktischen Handb�ucher : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 357x 176. Schwierigkeiten in der Praxis : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 358x 177. Notwendigkeit gr�undlicher Krankenexamen : : : : : : : : : : : : : : : 360x 178. Unzul�assigkeit der Lieblingsmittel : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 362x 179. Notwendigkeit des Abwartens der Mittelwirkungen : : : : : : : : : : 363x 180. Schlu� : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 364

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Einleitung

x 1. Was haben wir von der Zukunft f�ur unsere Kunst zu erwarten?

Ein volles Jahrhundert ist bereits vor�ubergegangen, seit Hahnemann, der unsterb-liche Gr�under der rationellen Heilmethode, das Licht der Welt erblickte, und einhalbes Jahrhundert, seit er im Jahre 1805, dem Jubeljahre seines eigenen Lebens,seinen fr�uheren T�atigkeiten und Ansichten den Abschied gab, und mit dem Beginneiner neuen Lebensepoche sich selbst eine neue Laufbahn und der Heilkunst einneues, endloses Feld der Wirksamkeit er�o�nete. Was aus dem Kindlein, das vor hun-dert Jahren in Meissen geboren wurde, im Laufe der Zeiten geworden ist, wissen wirheute; gen�ahrt an den Br�usten der Natur und im Scho�e der reinen Wahrheit, ist eszum gewaltigen Manne erstarkt, der in der F�ulle seiner Kraft eine lebendige Fruchtseines Geistes erzeugt und herangebildet, die da bestimmt ist, zum Wohle der lei-denden Menschheit nicht nur weit �uber die Tage ihres Urhebers hinaus, sondern vonGeschlecht zu Geschlecht fortzuleben, zu wachsen und zuzunehmen, bis an's Endeder Tage.

Dieses jetzt f�unfzigj�ahrige und dabei noch jugendlich frische Kind des Flei�esund der Inspiration, was will nun aus ihm aber werden, ja was ist aus ihm geworden,seit sein Urheber nicht mehr dem Leibe nach unter uns lebt, sondern uns, seinenSch�ulern und Nachfolgern, dieses Kind seiner M�uhen und Sorgen zur weiteren P egeund Erziehung �ubergeben hat? Solange er selbst noch lebte, solange erzog, n�ahrte,sch�utzte, verteidigte und f�orderte er es selbst f�ur seine weitere Ausbildung; jetzt, daer es nicht mehr vermag, wird dies von uns erwartet, die wir die Segnungen seinesWerkes genie�en, und das verwaiste Kind selbst breitet seine erstarkenden Armegegen uns aus und fragt uns: Was gedenkt ihr mit mir zu machen, und wer willk�unftig mein P eger sein? Wer will meine ferneren Schritte leiten und den Weg mirweiter zeigen von Stufe zu Stufe bis zur h�ochsten Vollendung?

Blicken wir auf den �au�eren Zustand der Hom�oopathie, so k�onnen wir nicht an-ders, als mit Freuden uns sagen, da� diese gro�artige, unsterbliche Tochter der Naturund Hahnemanns verm�oge des inneren Lebens und der unersch�op ichen Kr�afte, diein ihr sind und die sie mit jedem Atemzuge mehr entfaltet, allerdings nicht aufgeh�orthat, zu wachsen, zu erstarken, und ihre ebenso segensreiche als unwiderstehliche Herr-schaft von Tag zu Tag weiter auszubreiten; im Osten und Westen, im Norden undS�uden, von einem Pol zum andern, sieht man heut ihre Fahnen wehen; bei Armenund Reichen, Hohen und Niederen, von den armseligsten H�utten des tiefsten Elends

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bis zu dem Glanze der h�ochsten Throne hinauf, rauchen ihre Alt�are und t�onen ihremNamen die Ges�ange des feurigsten Dankes; fast g�anzlich verstummt sind die Stim-men der Gegner, die sich in den ersten Jahren ihrer Kindheit so gewaltig und mit solautem Geschrei gegen sie erhoben, ja fast verrostet liegt sogar das Schwert, das ehe-dem so oft und so schreckend zu ihrer Verteidigung blinkte; denn sie unterjocht sichdie Mengen jetzt ohne Schwertstreich, ohne M�uhe, durch den alleinigen Zauber ihrerAnmut, durch die unwiderstehliche Macht ihres belebenden, holdseligen Blickes.

So ist gegenw�artig der Stand der Hom�oopathie in Bezug auf ihr �au�eres Gedeihen,auf die Ausbreitung ihrer Herrschaft; wie aber steht es mit ihrer innern Ausbildung,ihrem innern Erstarken und ihrer innern Bef�ahigung, das, was sie bisher gewonnen,nicht nur auch ferner zu erhalten, sondern auch durch immer gr�o�ere und weiterge-hende neue Siege und Triumphe zu vermehren? Reich, sehr reich in dieser Hinsichtdurch ihres Urhebers eigene M�uhe ausgestattet, hat dieser sie bei seinem Dahinschei-den uns hinterlassen, und viel, sehr viel ist allerdings bei seinen Lebzeiten schon, sowie nicht minder seit der Zeit von seinen treuen Sch�ulern und Anh�angern geschehenund geschieht sogar heute noch, von den allerverschiedensten Seiten her, mit dem lo-benswertesten Eifer und oft mit der verdienstvollsten Aufopferung; allein ist das, wasda geschieht, auch immer im Sinne und im Geiste ihres Erzeugers vollbracht, und sindwir, die wir sein begonnenes Ausbildungswerk weiter fortzuf�uhren haben, �uber dieGrunds�atze, die uns dabei leiten sollen, auch alle so einverstanden, da� weder durchunsere Unsicherheit, noch durch unsere Mi�gri�e der weiteren F�orderung desselbenein wesentlicher Schaden droht? Den verschiedenen Meinungen zufolge, die sich vonTag zu Tag mehr in unserem eigenen Lager �au�ern, m�ochten wir dies bezweifeln, undblicken wir in dieser Hinsicht auf den gegenw�artigen Zustand der Kunst, die wir zup egen und auszubilden haben, so m�ussen wir wenigstens so viel gestehen, da� dasmit dem ver ossenen Jahre begonnene zweite Halbjahrhundert ihres Lebens sich unsnicht ganz ohne manche bedenkliche Zeichen er�o�net, die uns ernstlich au�ordern,der Sache weiter nachzudenken und uns zu fragen, was uns f�ur ihr ferneres Gedeihenzu tun obliegt.

x 2. Die Verschiedenheit der Ansichten unter uns ist eine unvermeid-liche, aber beklagenswerte Sache

Es w�urde allerdings nicht nur zu viel gefordert, sondern auch aller Erfahrung imgew�ohnlichen Entwicklungsgange menschlicher Ideen oder Er�ndungen geradezu wi-dersprechend sein, wenn wir auch nur von fern verlangen wollten, da� die gesamtenAnh�anger unserer Schule mit ihren Ideen unter sich ebenso einig sein sollten, wie esihr Gr�under mit sich selbst war, oder doch zu sein schien.

"Viel K�opfe, viel Sinne,\

sagt schon das bekannte Sprichwort des gemeinen Lebens, und bedenken wir, da� alledie Zweifel und Fragen, die sich dem Gem�ute Hahnemanns im Laufe seiner Arbeitenund Studien mehr als ein Mal aufdr�angen mochten, notwendig bei jedem Einzelnenseiner Sch�uler, der nur ein wenig nachdenkt, ebenso wiederkehren m�ussen; ja neh-men wir hierzu, da� der innere Streit, den der Meister seiner Zeit, als ein Einzelner,nur mit sich selbst abzumachen hatte, jetzt, bei seinen Nachfolgern, stets zwischen

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mehreren gef�uhrt wird, denen die Mittel zu Beseitigung der Einw�urfe nicht immerso nahe liegen, wie sie ihm lagen: so ist leicht einzusehen, da� es ohne mannigfachegegenseitige Er�orterungen unter uns nicht abgehen kann; ja da� diese, streng genom-men, weiter nichts sind, als der im Laufe der Zeit, in der �O�entlichkeit und untermehreren K�opfen dargelegte fr�uhere, innere Streit des Meisters mit sich selbst.

Wie aber einst dieser, im Laufe seiner Beobachtungen und seiner fortgehendenPraxis, nach und nach zu immer gr�o�erer Klarheit und endlich zu vollkommener Ei-nigkeit mit sich selber kam, so m�u�te eigentlich auch seine Schule in k�urzerer oderl�angerer Zeit zu diesem Ziele gelangen, und w�urde es, den ewigen Gesetzen der Ent-wicklung zufolge, auch ohne Widerrede erreichen, wenn von dem Augenblicke an,wo die Menge etwas vollbringen soll, was bisher das Werk eines Einzelnen war, sichnicht auch sogleich andere Interessen, wie z.B. Ehrgeiz, Rechthaberei, systematischeTadelsucht, Widerspruchsgeist und �ahnliche Dinge mit in das Spiel mischten, unddadurch die klare und unbefangene Au�assung der Sache auf eine Weise tr�ubten, wiesie bei dem Einzelnen, solange dieser mit seinem inneren Streite nur sich selbst ge-gen�ubersteht, nie statt�nden kann. Daher sehen wir denn auch die meisten Schulen,wenn nicht schon bei Lebzeiten, so doch sicher nach dem Tode ihres Stifters in mehroder weniger einzelne, sich gegenseitig anfeindende Sekten zerfallen, von denen oftkeine einzige die Wahrheit so besitzt, wie der Meister sie lehrte, und die durch ihrenfesten Streit den Fortschritt der Schule oft weit mehr hindern als f�ordern. So ist esbisher mit allen philosophischen und politischen Schulen ohne Ausnahme gegangen;die der Reformatoren haben da, wo kein �au�eres, staatsgesetzliches Band sie zusam-menh�alt, �Ahnliches erlebt, und sind selbst da, wo sie Staatskirche sind, in ihremInnern doch in Parteien zerspalten; ja selbst das Christentum an sich besteht heute,trotz der scheinbaren Existenz einer sogenannten katholischen Kirche, in nichts alseiner gro�en Menge von Sekten, unter denen es oft nicht leicht werden d�urfte, dieje-nige herauszu�nden, welche mit den urspr�unglichen Lehren seines Stifters am meisten

�ubereinstimmt.

Diesem Lose sind daher auch wir mit unserer Schule unfehlbar ausgesetzt, wennwir nicht Mittel �nden, die Einheit der Ansichten, welche ehemals in ihrem Stifterruhte, fortan und f�ur alle folgenden Zeiten auch unter uns zu erhalten, und wenigstensdie Haupts�atze festzustellen, auf welche eine solche Einheit gegr�undet werden kann.

Schon ist durch das Auftauchen so mancher neuer, den Lehren Hahnemanns oftabsolut widersprechender und in unsern �o�entlichen Bl�attern ausgesprochener An-sichten, wenn auch gerade keine allgemeine Verwirrung, so doch unbestreitbar einesolche Unsicherheit in der Bestimmung der wesentlichsten Punkte entstanden, da�es einem durchaus neuen Ank�ommlinge, den keine leitende Hand durch dieses begin-nende Labyrinth der verschiedenen Ansichten f�uhrt, wohl nicht leicht werden d�urfte,selbst zu entscheiden, nach welcher Seite hin er sich wenden m�usse, um nicht gleichbei dem ersten Schritte seinen Fu� auf einen Irrweg zu setzen. Von allen Seiten ert�ontdas Geschrei:

"Wohl Hom�oopathie, nur nicht die ihres Er�nders, sondern die des Fort-

schrittes; was Hahnemann gelehrt hat, war gut f�ur den Anfang, ist aber schon lange

veraltet; jetzt sind wir weiter und wissen die Sache besser!\ Sieht man sich aber umnach diesem Neueren und vermeintlich Besseren, so bietet uns fast jeder jener Kriti-

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ker etwas anderes, und was sie uns bieten, unterst�utzen sie obenein nie mit Gr�undender Erfahrung, sondern ausschlie�lich nur mit Vermutungen und Meinungen, die siean die Stelle der Lehren Hahnemanns gesetzt haben wollen.

Wie soll da, ja wie kann unter solchen Umst�anden die Wahrheit gedeihen, undzum Heile unserer Kunst festen Fu� fassen, wenn auf der einen Seite die Lehrenihres Stifters als unhaltbar angegri�en und verd�achtig gemacht, andererseits abernirgends andere aufgestellt werden, welche sich wenigstens nur einiger allgemeinerer

Zustimmung von Seiten der Praktiker, nur einiger gen�ugender Rechtfertigung durchdie Erfahrung erfreuen k�onnten?

x 3. Noch beklagenswerter aber sind die Feinde und Gegner Hahne-manns, die in unserer eigenen Mitte auftreten

Wahrlich, man braucht in der Tat noch nichts weniger, als ein blinder Anh�angerHahnemanns und ein gedankenloser Nachbeter seiner Lehrs�atze zu sein, um einensolchen Zustand der Dinge h�ochst beklagenswert und die Notwendigkeit seiner Ab-stellung �au�erst dringend zu �nden, zumal, wenn man die Sache genauer betrachtetund sieht, wie, trotz aller ihrer Ausstellungen an Hahnemann und seiner Lehre, selbstdie erbittertsten und b�oswilligsten Gegner aus der alten Schule doch kaum je so weitgegangen sind, als die Neurer und Kritiker, die sich in unserer eigenen Mitte aufge-worfen haben.

Was das Organon Hahnemanns nur irgend Neues und Besonderes, von den Lehrenund Ansichten der alten Schule Abweichendes bietet, alles dies ist ohne Ausnahmeauch von diesen letzteren mehr als einmal angegri�en, besp�ottelt, verworfen und alsradikaler Unsinn dargestellt worden. Unter dem Vorwande, die Hom�oopathie und un-sere Schule

"nur von dem Unfuge zu reinigen, der in ihr getrieben werde\, hat man

sich nicht begn�ugt, ohne alle weitere Beweise nur die Streuk�ugelchen l�acherlich zumachen, und jede �uber die zwei oder drei ersten hinausgehenden Verd�unnungen f�urabsolut unwirksam zu erkl�aren, nein, auch die, auf zu gro�e Gaben hom�oopathischerMittel, leicht eintretenden Verschlimmerungen sind von jenen Neuerern geradezu ab-geleugnet, die von Hahnemann, als neue Heilsto�e, in den Arzneischatz eingef�uhrtenMittel, wie z.B. namentlich das Causticum und das Lycopodium, als entweder garnicht existierend oder doch als durchaus wirkungslos in die Acht getan, die mit ih-nen vollbrachten Heilungen f�ur T�auschungen und die von Hahnemann verzeichnetenSymptome derselben f�ur reine Luftgebilde, damit also f�ur eitel Lug und Trug aus-gegeben worden. Und wer von uns erinnert sich nicht mehr der Zeit, wo die Lehreder sogenannten Spezi�ker sich in unserer Schule Bahn zu brechen drohte? Wer wei�nicht, wie da, abermals unter dem leidigen Vorwande, auch hier wieder nur dem Un-

fuge zu steuern, und die Diagnose wieder in ihr Recht einzusetzen, sogar auch dieLehre Hahnemanns von der Notwendigkeit der Individualisierung eines jeden Krank-heitsfalles und der Wahl des Mittels nach gewissen eigent�umlichen, h�ochst speziellanzeigenden Symptomen, als aller Wissenschaft Hohn sprechend, gestrichen, und je-der, der sich nicht entschlie�en konnte, die von den Kritikern mehr oder weniger ex

usu in morbis empfohlenen Mittel, auf den blo�en Namen einer Krankheit und die

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einzige Autorit�at ihres Empfehlers hin zureichen, als mechanischer, geistloser"Sym-

ptomendecker\ verschrien und an den Pranger gestellt wurde?

Ja sogar an unserer Arzneimittellehre selbst lie�en jene Neuerer nichts Gutesals h�ochstens einige, den Schriften der alten Schule entnommene, der Kritik Stichhaltende Vergiftungs- und Heilungsgeschichten, alles �Ubrige, entweder als durch zukleine Pr�ufungsgaben erhalten in Zweifel stellend, oder doch wenigstens, um seiner

"unwissenschaftlichen\ Darstellung willen, f�ur absolut unbrauchbar, und eines radi-kalen

"physiologischen Umbaues\, oder auch einer Nachpr�ufung mit saturierenden,

fast vergiftenden Gaben bed�urftig erkl�arend.

Da� das Heilgesetz Similia similibus dem Anlaufe dieser Himmelst�urmer bis aufeinen gewissen Grad entging, war alles; allein auch hier, wenn gleich sie die erfah-rungsgem�a�e G�ultigkeit dieses Gesetzes nicht leugnen konnten, gri�en sie wenigstensdie Zul�anglichkeit desselben f�ur die Praxis so vielseitig an, da�, nach allem, wenn esihnen gelungen w�are, alles das, was ihnen Unfug schien, aus unserer Schule auszufe-gen und statt dessen ihre eigenen Ansichten auf den Thron zu setzen, von unserergesamten Lehre weiter nichts �ubrig geblieben sein w�urde, als das, was davon vorHahnemann auch schon in der alten Schule existierte, n�amlich die Ansicht, da� manzuweilen auch sehr gl�uckliche Heilungen mit Anwendung von Mitteln vollbringenk�onne, deren in andern F�allen giftige Wirkungen �ahnliche Leiden zu erzeugen imStande seien.

Konnte aber so schon zu den Lebzeiten Hahnemanns, unter seinen Augen, und imAngesichte so vieler in Befolgung seiner Lehren und daraus entsprungener gl�ucklicherPraxis ergrauter Veteranen unserer Kunst, alles, was unsere Schule zu einer beson-deren macht, auf so freche und ungescheute Art von Leuten angegri�en werden, dieallenthalben f�ur Hom�oopathen galten: was steht uns da heute zu erwarten, wo Hah-nemann mit seiner Autorit�at nicht mehr vor den Ri� treten, den wahren Sinn seinerLehrs�atze nicht mehr selbst erl�autern kann, und von den alten Veteranen fast keinermehr am Leben ist, um allen solchen unerwiesenen Meinungen und Einw�urfen derKritiker gegen�uber seine langj�ahrige Erfahrung als Gegengewicht in die Waagschalezu legen?

Was steht uns bevor, wenn je solche Neuerer m�achtig unter uns werden, und, wiezu einer gewissen Zeit, jeder, der es nur von fern versucht, einen Lehrsatz Hahne-manns mit Gr�unden der Vernunft und der Erfahrung zu verteidigen, besorgen mu�,von ihnen ein kop oser Nachbeter gescholten, und, ehe man ihn noch geh�ort, schonseines Stimmrechtes beraubt zu werden, w�ahrend jeder, der ihre S�atze nicht in ge-beugter Demut nachbetet, sogleich mit dem Anathema belegt wird?

x 4. Wir sind daher verp ichtet, die wahre Lehre gegen die innernAngri�e zu verteidigen und festzustellen

Wollte man gegen das Gesagte einwenden, da� alle solche Neuerer, wie die bespro-chenen, doch eigentlich nur einzelne, bald verhallende Stimmen sind, die, wie siebisher nie einen dauernden Ein u� auf die Schule ausge�ubt haben, so auch jederzeitbald wieder in ihr Nichts zur�ucksinken und daher, als in der Tat nicht von unserm

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Standpunkte, sondern von dem unserer allopathischen Gegner ausgehend, bei unsauch nie Epoche machen werden, noch k�onnen: so m�ussen wir hierauf erwidern, da�es eben gerade der Schlu� dieses Satzes ist, den wir bezweifeln m�ochten. Da� allebisherigen Neuerer noch nicht Epoche bei uns gemacht haben, sondern von allenSachverst�andigen, trotz ihres Aush�angeschildes, doch stets f�ur verkappte Anh�angerder alten Schule gehalten worden sind, ist wohl wahr; ob sie aber nicht doch fr�uheroder sp�ater Epoche unter uns machen k�onnten, ist eine andere Frage. Denn, da� siebisher, sogar zu einer sehr kritischen Zeit, keine machten, woher kann es, wenn nichtdaher, da� damals nicht allein Hahnemann, sondern mit ihm auch noch gar mancheandere alte, erfahrene Koryph�aen unserer Schule mit aller Macht gegen die Irrlehrenauftraten und wie Mauern standen gegen den andringenden Strom des Verderbens?Wo sind aber heute alle jene wackern K�ampfer, und auf wen kann in dieser Hinsichtunsere Schule noch z�ahlen?

Erfahrne, in der reinen Lehre gro�gezogene und in ihren Grunds�atzen keinenSchritt breit von dieser abweichende Praktiker gibt es noch genug; ja sehen wir aufalle Gegenden, wo die Hom�oopathie ge�ubt wird, so ist ihre Zahl sogar Legion; allein,wo unter diesen allen tritt, wenigstens in Deutschland, heute noch irgend ein K�amp-

fer f�ur die regelrechte gl�uckliche Praxis auf, wenn wir die wenigen Mahnstimmenabrechnen, welche je zuweilen noch der wackere Herausgeber der Leipziger allgemei-nen hom�oopathischen Zeitung, Dr. V. Meyer, sowie der w�urdige Bruder unsers leiderzu fr�uh verstorbenen Dr. Gro� in J�uterbogk, und, von Amerika her�uber, unser un-erm�udlicher Dr. Hering erschallen lassen? Es kann sein, ja es ist in der Tat nicht nurm�oglich, sondern sogar h�ochst wahrscheinlich, da�, wenn je wieder von unserer eige-nen Mitte aus so heftige Angri�e gegen unsere Grundlehren gemacht werden sollten,wie vor f�unfzehn, zwanzig Jahren, gar mancher von denen, die jetzt schweigen, wohlaber reden k�onnten, sein gewichtiges Wort auch mitsprechen w�urde; allein, wenngleich jene Irrlehren gegenw�artig nicht mehr �o�entlich vorgetragen und lebendig ver-breitet werden, folgt daraus, da� sie nun auch nicht mehr existieren, keinen Schadenmehr anrichten und zu keinen Mi�gri�en in der Praxis mehr verleiten k�onnen?

Die fr�uheren Verfechter jener Lehren sind heute mehr oder weniger verstummt,und teils nicht mehr am Leben, teils, verm�oge der Erfahrungen, die sie seit jenerZeit gemacht, von ihren Ansichten zur�uckgekommen; das ist richtig; was sie abereinst geschrieben und ver�o�entlicht, besteht heute noch, kann heute noch von gleichunerfahrnen Anf�angern gelesen, und aus derzeitigem Mangel eigenen Urteils begierigaufgefa�t und zur Richtschnur angenommen werden. Wenn diesem nun heute nichtmehr widersprochen wird; wenn aus der gro�en Menge derer, welche zum h�ochstenWohle ihrer Kranken die reine Lehre befolgen, keiner mehr hervortritt, dieselbe, wieeinst Hahnemann, der angehenden Jugend nun auch zu lehren, und sie vor Irrwegenzu bewahren; ja, wenn �uberhaupt nichts mehr da ist, was dem Wahrheit suchendenAnf�anger mit Gewi�heit sagen k�onnte, ob er die, gegenw�artig unter den erfahrenen

Praktikern im Gebiete der Lehre herrschende Totenstille f�ur eine Billigung oder eineg�anzliche Verachtung jener Widerspr�uche zu nehmen habe: was soll da dieser tun?wie soll er aus dieser Ungewi�heit herauszukommen suchen? Ihn in dieser Hinsicht aufHahnemanns Organon zu verweisen, w�urde nichts, als einer der aller�argsten Kreis-

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schl�usse sein; denn, was er wissen m�ochte, ist eben gerade das, ob die Lehren desOrganons, oder die dagegen erhobenen Widerspr�uche der Kritiker, mit den Erfah-rungen der gro�en Mehrzahl unserer Praktiker �ubereinstimmen. Und dieser Beweisist um so unerl�a�licher, als in der Tat jeder unbefangene, vorurteilsfreie Denker aufder andern Seite auch wieder zugeben mu�, da� die Ausspr�uche Hahnemanns garnicht immer von der Art sind, jedem Leser gleich von vorn herein als Wahrheit ein-zuleuchten, sondern da� im Gegenteile die der Kritiker und Neuerer auf den ersten,ober �achlichen Anblick gew�ohnlich viel richtiger und ganz gemacht scheinen, sofortauch ohne alle weitere Beweise und irgend einen Widerspruch angenommen zu wer-den; ja, wollen wir der Wahrheit die volle Ehre geben, die ihr geb�uhrt, so m�ussenwir endlich sogar das eingestehen, da� neben dem unendlich vielen Wahren und tiefin der Erfahrung Begr�undeten, was der Stifter unserer Schule gelehrt hat, sich dochauch wieder andere Ausspr�uche sind, welche allerdings noch eines weiteren Beweises,ja nicht selten sogar einer Erweiterung oder Beschr�ankung ihrer G�ultigkeit bed�urfen,ehe sie als unumst�o�liche Lehrs�atze angenommen werden k�onnen: so, da� nach al-lem der Anf�anger gegenw�artig o�enbar keinen festen Haltpunkt hat, an den er sichlehnen, keinen F�uhrer, der ihn mit Sicherheit leiten k�onnte.

x 5. Zur Feststellung unserer Lehren kann nur die Gesamtheit derPraktiker beitragen, und die vorliegenden Besprechungen sollen dazumitwirken

Wollte man nun aber auch versuchen, durch Aufstellung einer festen Lehre unsererSchule, diesem Mangel abzuhelfen: wer von uns soll diese Lehre dann aufstellen, werihr die unerl�a�liche Sanktion einer entscheidenden Autorit�at geben? Da� eine solcheLehre, wenn sie nicht abermals blo� als die Meinung oder die Ansicht eines Einzel-nen dastehen, sondern wahrhaft als das Resultat der gesamten Erfahrungen unsererSchule gelten soll, dann auch von keinem Einzelnen, sondern nur von der Gesamt-heit ausgehen kann, ist klar; wenn aber diese Gesamtheit sich mit ihren Ansichtennach mehreren, sich gegenseitig ausschlie�enden oder widersprechenden Richtungenhin in verschiedene Parteien spaltet; wer soll da, als �uber diesen Parteien stehend,entscheiden, welche von allen Recht hat?

Und doch m�ussen wir, wenn wir nicht blo� den Anf�anger, sondern auch unsereKunst selbst, in Zukunft nicht dem reinen Zufalle Preis geben wollen, notwendigerWeise an die Aufstellung einer solchen Lehre denken, welche mit gesunder Kritikund der Wurfschaufel der Erfahrung in der Hand, nicht nur in den Ausspr�uchen derGegner, sondern auch in den Lehrs�atzen Hahnemanns selbst, das Unantastbare vomUnerweislichen, das sicher Feststehende von dem zur Zeit noch Problematischen son-dere, und so mit Recht auf den Namen einer reinen, bestimmten Lehre Anspruchmachen k�onne. Und da eine solche Lehre in letzter Instanz nur auf die Erfahrung,als die einzige sichere Richterin, basiert werden kann, die Erfahrung aber zugleichauch die Autorit�at ist, vor deren Ausspruch sich zuletzt alle Parteien in gleicher Un-terw�ur�gkeit beugen m�ussen: so w�urde das einzig sichere Mittel das sein, �uber jedenstreitigen Punkt und Satz vor allem die gro�e Menge der Praktiker zu h�oren, und

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zuzusehen, in welchen Punkten diese zuletzt fast ohne Ausnahme �ubereinstimmen.

Sollen aber die so festzustellenden Punkte dann auch wirkliche Erfahrungss�atze,und nicht blo� einzelnen, zuf�alligen Beobachtungen entnommene, noch weitererBest�atigung bed�urfende Urteile sein, so kann die Entscheidung �uber dieselben begreif-licher Weise wiederum auch nicht jedem Praktiker, sondern nur denjenigen �uberlassenwerden, welche durch vielj�ahrige Aus�ubung unserer Kunst hinreichende Gelegenheithatten, sowohl die starken als auch die schwachen Seiten derselben gr�undlich kennenzu lernen, und sich durch eine lange, fortlaufende Reihe der allerverschiedenstenBeobachtungen feststehende Urteile zu bilden. Dies ist so klar, da� man fast nichtbegreift, wie es m�oglich war, da� sich unter uns zu gewissen Zeiten Leute zu Richternaufzuwerfen versuchten, welche ungeachtet der anderweitigen gro�en Gelehrsamkeitund der allopathischen Erfahrungen, die sie besitzen mochten, doch oft noch ganzabsolute Neulinge in der Aus�ubung unserer Kunst, oder doch wenigstens noch nichtso erfahren in der Praxis derselben waren, da� sie mit Sicherheit auch nur ein richti-ges Urteil h�atten f�allen k�onnen, ja von denen manche sogar die Praxis nie mit einemFinger anger�uhrt, sondern jahrelang nur mit dem Tadeln der Arbeiten anderer zu-gebracht hatten.

Wenn wir aber so jedem, der nicht durch langj�ahrige �Ubung unserer Kunst hin-reichend zu ihrer Beurteilung bef�ahigt ist, jede entscheidende Stimme f�ur die Fest-stellung unserer Lehre durchaus und bestimmt absprechen m�ussen, so folgt darausdoch keineswegs, da� hierbei nun auch kein anderer mitsprechen d�urfe; nein, unsererAnsicht nach, kann der Sprechsaal in dieser Hinsicht nie weit genug ge�o�net werden.Denn ist unsere Absicht, die von allen erfahrnen Praktikern einstimmig angenom-menen Punkte nicht nur auf-, sondern auch fest zustellen, d.h. gegen alle m�oglichenEinw�urfe von vornherein zu sichern: so folgt daraus, da� man hierzu gar nicht genugverschiedene Ansichten und Meinungen h�oren, gar nicht genug Einw�urfe mit ihrenGr�unden in Betracht ziehen und untersuchen kann, und da� daher jeder, ohne Aus-nahme, der nur irgend einen Einwurf zu machen, eine Einwendung vorzubringen,oder Gr�unde f�ur und gegen einen Satz anzuf�uhren wei�, der guten Sache durch dieseAufstellung einen wesentlichen, unentbehrlichen Dienst erweisen wird; vorausgesetzt

nur, da� er sich bescheide, seine Einwendungen von den kompetenten Richtern un-

tersucht und nicht ohne gr�undliche Pr�ufung angenommen zu sehen, und da� er vorallem nicht, wie einst, oder auch wohl heute noch, dieser oder jener es tat, mit Hohn,Spott oder andern pers�onlichen Angri�en diejenigen verfolge, welche das Ungl�uckhaben, aus andern Gr�unden anderer Meinung zu sein.

Wird so jeder geh�ort, der da sprechen will; spricht und bescheidet sich so jeder,der etwas zu sagen hat, und wird endlich die Entscheidung nur denen �uberlassen,welche in jeder Hinsicht die hierzu n�otige Kompetenz besitzen: so kann es nichtfehlen, da� wir, wenn auch nicht gleich, so doch nach und nach sicher zu dem Zielegelangen m�ussen, mit dessen Erreichung allein die Zukunft unserer Kunst wahrhaftgesichert ist.

Mit den ebenerw�ahnten Besprechungen einen Anfang zu machen, und f�urs Er-ste unsere eigenen Ansichten �uber die Lehrs�atze Hahnemanns mit den Gr�unden, dieuns f�ur oder gegen einen jeden anf�uhrbar scheinen, in dem er�o�neten Sprechsaale

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niederzulegen, ist der Zweck der nachfolgenden Bl�atter, die wir hiermit den oben-erw�ahnten einzig kompetenten Richtern zu weiterer Beurteilung und mit eben derBescheidung �ubergeben, die wir, um der Sache willen, auf gleiche Weise von einemjeden verlangen, der als einzelner, wie wir, nur seine eigene Meinung ausspricht.

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Erstes Kapitel: Allgemeiner Begri� der Lehre Hahne-manns und der von ihm gegr�undeten Schule.

x 6. Die Lehre Hahnemanns ist kein System, sondern eine Methode,in welcher jeder Lehrsatz f�ur sich allein steht

Wenn Hahnemann in seinem Organon, da, wo er das erste Mal von den drei verschie-denen Heilmethoden spricht, verm�oge derer die Leiden der Menschen getilgt oderdoch beschwichtigt werden k�onnen, nach den beiden indirekten Heilverfahren (demallopathischen und enantiopathischen) zuletzt auch das hom�oopathische, das das di-rekte und den beiden andern in jeder Hinsicht vorzuziehende nennt: so gibt er damitklar und deutlich zu erkennen, da� das, was er in seinem Werke der Welt zu gebengedenkt, nichts weniger, als ein neues System der Medizin, �ahnlich den zahllosen, bis-her versuchten, sondern vielmehr nur eine Sammlung von Anweisungen und Regeln

f�ur das Verfahren bei Ermittelung und Anwendung der Arzneien zum Heilbehufe,also keine neue Deduktion der Tatsachen, sondern nur ein Wegweiser oder Leitfaden,d.i. eine blo�e Methode sei. Und dieser Unterschied ist demnach auch nicht und niebei Beurteilung seiner Lehren zu �ubersehen.

Ein System ist ein zweckm�a�ig zusammengesetztes Ganzes, das, von einem durchAbstraktion gewonnenen oberfesten Grundsatze ausgehend, alle in sein Bereich fal-lenden Begri�e, Erscheinungen und Tatsachen diesem Grundsatze gem�a� erkl�art,ordnet, verbindet und zusammenstellt, und so die Wissenschaft nicht nur von einemgewissen Gesichtspunkte aus au�assen, sondern auch demgem�a� weiter f�ordern lehrt;w�ahrend dagegen eine Methode stets nur die zur Aus�ubung einer Kunst erforderli-chen Verfahrungsweisen im Auge hat, und die passende Auswahl und Anwendungsartdieser lehrt, wie das System den Begri� der Wissenschaft.

Die Lehre von der Natur und dem Wesen der Farben z.B. ist ein System, die vonder passenden Anwendung derselben zur Malerei, eine Methode. Das Erforderniseines guten Systems ist richtige Abstraktion seines obersten Erkl�arungs- und Ord-nungsgrundsatzes und folgerichtige Anwendung desselben bei Erl�auterung, Ordnungund Zusammenstellung der einzelnen Tatsachen; das einer guten Methode ist prak-tische Brauchbarkeit und zweckm�a�ige Anleitung zur Aus�ubung der Kunst. Wie dasSystem sich jederzeit auf Abstraktion gr�undet, indem es zu Aufstellung seines ober-sten Grundsatzes von den besonderen Merkmalen der Individuen zu den allgemeine-ren, von diesen wieder zu noch allgemeineren, und endlich bis zu einem allgemeinstenh�ochsten Begri�e aufsteigt: so gr�undet sich die Methode auf Erfahrung, indem sie

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von einem oder mehreren, ja oft sogar von sehr vielen, unter sich nicht immer innotwendigem Zusammenhange stehenden Erfahrungss�atzen ausgehend, die Regelnlehrt, diese Erfahrungss�atze mit Erfolg zu Erreichung eines bestimmten, praktischenZweckes anzuwenden.

Da� bei diesem Unterschiede jedoch kein System zu seiner Aufstellung der Me-thode, sowie keine Methode zu ihrer folgerechten Darstellung einer systematischenDeduktion entbehren kann, ist klar, �andert aber nichts an dem Gesagten, indem wiebei dem System die Methode, so auch bei der Methode die Systematisierung, nichtZweck an sich, sondern nurMittel zum Zwecke sind, und es in Bezug auf ein jedes Sy-stem an sich ganz gleich bleibt, welche Methode sein Autor zu Aufstellung desselbenbefolgt hat, wenn nur das System selbst richtig befunden wird, gerade so, wie auchbei dem Vortrage einer Methode wenig darauf ankommt, welcher systematischen An-ordnung ihr Lehrer sich zur Darstellung ihrer einzelnen S�atze bedient, wenn nur dieseLehrs�atze an sich selbst praktisch richtig und dem Zwecke, zu dem sie f�uhren sollen,entsprechend gefunden werden.

Wie ferner die eigentliche, wissenschaftliche Aufgabe eines Systems die ist, dieWissenschaft an sich selbst zu erl�autern, aufzubauen und zu f�ordern, ohne alle R�uck-sicht auf ihre praktische Anwendung: so ist im Gegenteile die nicht minder wissen-schaftliche einer Methode die, die vorhandene Wissenschaft zu studieren, das, was inihr erfahrungsgem�a� und brauchbar ist, von dem Unerwiesenen, Hypothetischen, zusondern, und endlich die Regeln zu lehren, nach welchen das richtig und brauchbarErfundene mit Erfolg f�ur die Praxis verwendet werden kann. Daraus folgt dann, da�,wenn ein System nur in sofern wahrhaft wissenschaftlich genannt werden kann, alses durch seine Klassi�kationen und Anordnungen der Wissenschaft ein weiteres Felder�o�net und die Richtigkeit der Ansichten des Einzelnen wesentlich f�ordert, eine Me-thode diesen Namen im Gegenteile schon dann verdient, wenn sie bei ihren Lehrs�atzenund Anweisungen nur auf das alles geh�orige R�ucksicht genommen, was die Wissen-schaft vor ihr als anerkannt feststehend und allgemein g�ultig der Nachwelt �uberlieferthat. Endlich aber, und dies ist einer der wichtigsten Unterscheidungspunkte, mu�eine Methode durchaus nicht, wie ein System, um ihres Bestehens willen, in allenihren Lehrs�atzen gleichm�a�ig richtig und wahr sein; da sie ihr Geb�aude aus mehre-

ren Erfahrungss�atzen konstruiert, so zieht die Unrichtigkeit oder Unhaltbarkeit einesSatzes nie den Fall eines andern notwendig nach sich; w�ahrend dagegen, wenn ineinem Systeme der oberste Grundsatz unrichtig oder nicht mit der Erfahrung �uber-einstimmend gefunden wird, infolge dieser Unrichtigkeit sogleich das ganze Geb�audemit all seinen �ubrigen Teilen wie ein Kartenspiel zusammenf�allt. Ja, die Methode,welche wichtige Erfahrungss�atze sie sich auch zu eigen gemacht haben m�oge, hatsogar doch nie einen wahren obersten Grundsatz, von dem sie so ausginge, da� dieandern davon abhingen; jeder ihrer S�atze steht vielmehr, wie es auch scheinen m�oge,f�ur sich allein, ganz unabh�angig da, und kann und darf, selbst wenn der Verfasserder Methode ihn mit andern in Beziehung zu bringen versucht haben sollte, nicht aufdie Haltbarkeit dieser Deduktionen hin, sondern nur auf seine eigene, selbst�andigeBegr�undung in der Erfahrung gepr�uft werden.

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x 7. Da die Methode es nur mit der Anwendung der Wissenschaft

auf die Praxis zu tun hat, so kann von Hahnemann auch nur diese,nicht aber der Ausbau der Hilfswissenschaften gefordert werden

Wenden wir das Gesagte nun auf die im Organon vorliegende, von ihrem Verfasser mitdem Namen der Hom�oopathie belegte, Heilmethode an, so ergibt sich uns sogleichso viel, da� da ihr Autor kein System geben wollte, wir in seinem Lehrgeb�audenicht einen jeden Satz im logischen Zusammenhange mit allen andern, sondern jedeneinzeln werden zu untersuchen haben, und da� ferner, wenn auch dieser oder jenerunrichtig befunden w�urde, dies uns nicht das Recht gibt, daraus auf die Unhaltbarkeitirgend eines andern zu schlie�en; eben so wenig, als die Richtigkeit des einen unsberechtigt, deshalb auch alle andern ohne weitere Untersuchung anzunehmen. Jasogar der scheinbar oberste Grundsatz seiner Methode, das similia similibus, k�onntefallen und f�ur unrichtig erkannt werden, ohne da� darum unwahr w�urde, was ihrVerfasser �uber die Notwendigkeit der Arzneipr�ufungen, die Auswahl der Mittel nachsymptomatischen Indikationen, die Zubereitungsart der Arzneien durch sogenannteVerd�unnungen, die Kleinheit der Gaben, ihre oft lange Wirkungsdauer, und nochanderes, sagt; alle diese und noch andere S�atze seiner Methode stehen und fallen f�ursich allein, wenn sie auch auf den ersten Anblick mehr oder weniger einer aus demandern herzu ie�en scheinen.

Erst dann, wenn jeder einzelne der S�atze, aus denen Hahnemann seine Methodekombiniert hat, an sich richtig und wahr befunden worden ist, l�a�t sich aus ihrem in-nern Zusammenhange auf einen obersten Grundsatz schlie�en, und an die Aufstellungeines Systemes denken, zu dem dann, wenn es m�oglich w�are, Hahnemann allerdingsin seinem Organon die Elemente geliefert haben w�urde, dessen Au��uhrung, als Sy-stem, aber nicht in seinem Plane lag, und die auch vor der Hand, bis noch weitereund mehrere Erfahrungss�atze zu seinen Lehren werden hinzugekommen sein, nichteinmal w�unschenswert w�are, sondern h�ochstens nur dazu dienen k�onnte, dem nat�urli-chen Entwicklungsgange der Hom�oopathie auf dem Wege der Erfahrung, vorzeitigeFesseln anzulegen.

Sehr oft, das ist wahr, streift Hahnemann selbst von dem Wege der reinen Be-obachtung ab, auf das Feld der Abstraktionen hin�uber, und sucht den einen seinerS�atze von dem andern abzuleiten; dies darf uns aber nicht irren; wir k�onnen ge-gen seine Schl�usse vielleicht oft viel einzuwenden �nden, der Satz aber, zu dem erdurch sie uns f�uhrt, und zu dem er schon vor seinen Schl�ussen auf dem Wege derErfahrung gelangt war, kann darum, der Mangelhaftigkeit der Deduktion ungeach-tet, an sich selbst doch ganz richtig sein. Dabei haben wir dann, wenn wir nicht nurden praktischen, sondern auch den wissenschaftlichen Gehalt seiner Lehre pr�ufenwollen, nie aus den Augen zu lassen, da� wir hierzu in keinem Falle den Ma�stabmedizinischer Systeme, des physiologischen so wenig als anderer, sondern allein dender Erfahrungswissenschaften anzulegen, und die einzelnen S�atze nicht nach demzu beurteilen haben, was bisher spekulative K�opfe auf dem Wege der Abstraktiongefunden zu haben meinen, sondern allein nach dem, was sowohl die Praxis der Me-dizin, als auch deren verschiedene Hilfswissenschaften, an reinen Beobachtungen und

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feststehenden Erfahrungss�atzen geliefert.

Ebenso kann und darf, da wir es nur mit einer Methode, d.i. mit Verfahrungsre-geln und Grunds�atzen f�ur die Aus�ubung der Medizin und nicht mit einem Lehrbuche

dieser Wissenschaft �uberhaupt zu tun haben, die Rede nie davon sein, ob wir bei Hah-nemann auch Anweisungen und Lehrs�atze �nden, welche die gesamte Wissenschaft

der Medizin f�ordern; ja nicht einmal davon, ob er alle Beobachtungen benutzt hat,welche seiner Zeit in den verschiedenen Zweigen der medizinischen Wissenschaftenvorlagen; sondern allein davon, ob er, als Methodenlehrer, auch die Methode zeigt,alle Beobachtungen, deren er nicht gedacht, und die nach ihm noch gemacht werdenkonnten, auf rationelle und mit den andern S�atzen seiner Lehre �ubereinstimmendeWeise zu benutzen. Mehr von ihm verlangen zu wollen, w�urde ein Versto� gegen dieersten Grunds�atze der Logik und somit ein sehr unwissenschaftliches Verfahren sein.Ja auch seine pathologischen und physiologischen Ansichten k�onnen und m�ussen wirdahingestellt sein lassen, so lange es sich nur um die Untersuchung seiner Methodehandelt, und diese Ansichten keinen Ein u� auf Lehrs�atze haben, welche an sichselbst nicht anderweitig durch die Erfahrung gehalten werden.

x 8. Dessen ungeachtet hat Hahnemann auch dies mit der Begr�undungeiner neuen Wissenschaft, der Reinen Arzneimittellehre, nicht ver-nachl�assigt

Aus dem Gesagten ergibt sich nun auch zugleich, welche Stelle die Lehre Hahnemanns

in der Gesamtheit der medizinischen Wissenschaften einnimmt. Weit entfernt, diesealle, wie man zuweilen behauptet hat, samt und sonders �uber den Haufen zu werfen,und sein Organon, als alleiniges Lehrbuch der Medizin, an deren Stelle zu setzen, l�a�tseine Lehre, als therapeutische Methode, nicht nur alle andern Zweige der Medizinganz unangetastet, sondern gibt sogar allenthalben, wo es n�otig ist, die geh�origenAnweisungen und Regeln, das, was die Hilfswissenschaften der Medizin Positivesund erfahrungsgem�a� Feststehendes lehren, mit Vorteil f�ur die Praxis zu verwenden.

In Betre� dieser Anweisungen und Regeln sind nun allerdings die Ansichten Hah-nemanns durchaus neu und von den bisherigen so abweichend, da� seine Lehre allen

�ubrigen absolut wie Tag und Nacht gegen�ubersteht. Und zwar umfassen diese Ab-weichungen nicht nur den bisherigen obersten Heilgrundsatz contraria contrariis, demer sein similia similibus gegen�uberstellt, sondern auch die Lehre von der Gabengr�o�e,die Indikationen f�ur die Wahl der passenden Heilmittel, und vor allem die Regeln f�urderen Ermittelung.

Durch diese letzteren Regeln und die nach ihnen, teils von ihm selbst, teils vonseinen Sch�ulern vollbrachten Studien und Arbeiten, welche eine notwendige Folge sei-ner Lehre sind und bleiben, ist er mit seiner Methode der Begr�under einer ganz neuenWissenschaft, der der reinen oder positiven Arzneimittellehre, geworden, mit derenHilfe allein es ihm m�oglich ward, feste Regeln und Anweisungen f�ur die Behandlungund Heilung der Krankheiten durch Arzneien aufzustellen.

Da nun aber vor ihm und seinen Arbeiten keine Spur einer solchen positivenArzneiwissenschaft in der alten Medizin existierte, und da die Schulen derselben

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diese bis heute sogar noch nicht lehren: so folgt daraus, da� Hahnemann auf jeneArznei-Wissenschaft gegr�undete Methode nicht nur der Aus�ubung der Hom�oopa-thie, sondern auch der Medizin �uberhaupt, als eine Erg�anzung ihrer bedeutendsten

L�ucken erworben worden, und da�, wie unvollkommen diese Methode auch gefundenwerden m�oge, sie doch bis jetzt die einzige ist, welche, als auf positiven Beobach-tungen und sicherer Kenntnis der Arzneiwirkungen beruhend, auf den Titel einerrationellen Heillehre Anspruch machen kann. Ist aber dem also, und ist wahr, da�vor der Kenntnis der Arzneiwirkungen keine echt rationelle Therapie m�oglich ist,und mit dieser Kenntnis diese Wissenschaft sich gleichsam von selbst gestaltet, damu� auch klar sein, da� eine auf diese Kenntnis gegr�undete Therapeutik nicht nurf�ur die Aus�ubung der Hom�oopathie, sondern auch f�ur die Praxis der gesamten Heil-kunst g�ultig sein mu�, und da� sonach die von Hahnemann gegebenen Lehrs�atzenur in Absicht auf ihre praktische Richtigkeit untersucht zu werden brauchen, umseine Methode sogleich, nicht nur zur Richtschnur f�ur das hom�oopathische Heilver-fahren, sondern auch zur Regel f�ur die gesamte medizinische Therapie zu erheben.Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, und unter der Voraussetzung der Richtigkeitihrer Regeln, steht dann die Heillehre Hahnemanns, als Therapeutik, allerdings ganzunabh�angig da, ihre Grunds�atze und Verfahrensregeln nicht der Therapie der altenSchule entnehmend, sondern sie selbst�andig aus den Vorwissenschaften sch�opfend,welche im Stande sind, sie zu liefern; und auf diesem Gebiete wirft sie dann ohneWiderrede alles bisher Bestehende vollkommen �uber den Haufen, indem sie nicht nurandere, sondern sogar den fr�uheren absolut entgegengesetzte Regeln und Verfahrens-weisen an die Stelle der von der bisherigen Therapeutik allgemein angenommen setzt.

Demnach ist sie also in Tat und Wahrheit eine ganz eigentliche und unentbehr-liche Erg�anzungslehre der bisherigen Medizin in dem Bereiche der Therapeutik, undzwar so, da� man getrost behaupten kann, es d�urfe kein Arzt seine medizinischeBildung f�ur vollendet ansehen, der nicht au�er dem, was die Schule ihn lehrt, auchversucht habe, die L�ucken, welche dieselbe f�ur die gl�uckliche Aus�ubung der Kunst ist,durch ernstes Studium und gr�undliche praktische Untersuchung einer Methode aus-zuf�ullen, von der man zum allerwenigsten sagen kann, da� sie, auf langj�ahrige Erfah-rung sich berufend, nicht nur einen Versuch macht, sondern auch in ihrer Arzneilehredie Mittel liefert, das Fehlende zu vervollst�andigen, und die zu ihrer Annahme wei-ter nichts fordert, als unbefangene, treue Befolgung ihrer Lehren und gewissenhafteNachversuche. Ja es geht dies so weit, da� bei ganz gleichen Vorstudien der Medizinbis zur Therapie, derjenige Arzt, welcher von da ab nur die Hahnemann'sche Me-thode mit ihrer Arzneilehre studiert, jedenfalls demjenigen in praktischer Hinsichtunendlich �uberlegen sein wird, welcher, von der gleichen Studienstufe ab, nur diel�uckenhafte Arzneimittellehre und Therapie der alten Schule sich zu eigen gemachthat.

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x 9. Da die alte Schule diese zu einer wahren Therapie unentbehrliche

Wissenschaft nicht lehrt, so ist Hahnemann dadurch der Begr�underder rationellen Therapie �uberhaupt geworden

Wir haben, was manchen Leser vielleicht befremden k�onnte, bis hierher noch sehrwenig den Ausdruck Hom�oopathie gebraucht, sondern meist nur von der HeillehreHahnemanns oder seiner Methode gesprochen, gerade so, als wenn die letztere ingewisser Hinsicht einen weiteren Begri� h�atte, als die erstere. Es ist dies mit gutemBedachte und nur nach der rei ichsten �Uberlegung geschehen; denn, abgesehen auchdavon, da� Hahnemann selbst dasjenige Werk, welches die Grundz�uge seiner Lehreenth�alt, nicht Lehrbuch der Hom�oopathie, sondern Organon der Heilkunst betitelte,und da� er dadurch o�enbar zu erkennen gibt, da� ihm dabei nicht nur eine oderein paar, sondern alle m�oglichen Methoden vorschwebten: so umfa�t sein Lehrbuchin der Tat auch nicht nur die Hom�oopathie, sondern auch die andern bisher �ublichenVerfahrungsweisen, deren jeder er ebenfalls ihren Platz in der Heilkunst anweist unddie Grenzen ihrer Wirksamkeit und Anwendbarkeit bestimmt.

Diesem Beispiele h�atte man eigentlich von je her folgen sollen, und wenn man,um den Schein zu vermeiden, als schw�ore man auf das Wort des Meisters, auchnicht den Ausdruck der Heillehre Hahnemanns h�atte annehmen wollen, so h�atte manjedenfalls gewi� viel besser getan, die gesamte Lehre unserer Schule stets mit demNamen der rationellen Heilkunst, nicht aber mit dem derHom�oopathie zu bezeichnen.Denn, bilden gleich die Regeln f�ur das hom�oopathische Heilverfahren zuf�alliger Weiseden gr�o�ten Teil dieser Lehre, und kann gleich nicht geleugnet werden, da�, ausGr�unden, die wir sp�ater einsehen werden, dieses Heilverfahren, der Natur der Sachenach, stets die Hauptrichtschnur des hom�oopathischen Arztes f�ur alle gew�ohnlichenF�alle wird: so sind doch, in letzter Instanz, die Lehren des Organons und die derHom�oopathie durchaus nicht synonym, indem die ersteren in der Tat weiter reichen,als die letzteren, und der Arzt, welcher im Geiste jener Lehren die Hom�oopathieverl�a�t und in den, von dessen Verfasser bezeichneten, F�allen zu einer der anderenMethoden greift, immer noch, nicht nur �uberhaupt, sondern sogar auch im Sinne desOrganons, als ein echt rationeller Heilk�unstler handelt.

Das Organon steht mit seinen S�atzen nicht in der Hom�oopathie, sondern in der

Heilkunst �uberhaupt, und erhebt sich �uber jedes der drei m�oglichen Heilverfahren,indem es jedem derselben ganzmethodisch seinen rationellen Platz anweist; und wennes im Verlaufe seiner Lehren fast nur bei der Hom�oopathie verweilt, so kommt diesnur daher, da� f�ur dieses Heilverfahren bisher durchaus keine Regeln und Grunds�atzeexistierten und solche erst gescha�en werden mu�ten. Dies ist aber f�ur das eigentlicheWesen des Organons nur ein zuf�alliger Umstand, indem, wenn auch jene Regeln schonvor Hahnemann ebenso existiert h�atten, wie das hin und wieder von �Arzten ge�ubtehom�oopathische Heilverfahren selbst, so w�urden doch immer noch die methodischenRegeln gefehlt haben, welche gelehrt h�atten, in welchem Falle das eine oder das anderejener drei Heilverfahren rationell anzuwenden sei. Diese Regeln gibt aber Hahnemannin seinem Organon, und indem er sie gibt, wird er dadurch nicht nur der Gr�under derHom�oopathie, sondern auch der Begr�under einer allgemeinen Methode der Heilkunst,

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ein Umstand, der von der h�ochsten Wichtigkeit ist, und den man nie aus den Augenlassen sollte, zumal da so manche Unklarheiten und Mi�verst�andnisse, welche sich inunserm Lager eingeschlichen haben, gewi� zum gr�o�ten Teile mit von der bisherigenNichtbeachtung dieses wesentlichen Umstandes abh�angen.

Nicht Hom�oopathen, sondern rationelle Heilk�unstler zu machen, welche mit Be-wu�tsein dessen, was sie tun, jedes m�ogliche Heilverfahren am rechten Orte und soanwenden, wie es am schnellsten und sichersten zum Ziele f�uhrt: das ist der erste

und haupts�achlichste Grundgedanke des Organons, und nur darum, weil sein Ver-fasser der Erfahrung gem�a� �ndet, da� unter den drei m�oglichen Heilungsverfahren

das hom�oopathische jederzeit da, wo besondere Umst�ande seine Anwendung nichthindern, der k�urzeste Weg zum Ziele ist, so erhebt er dieses, vor ihm nur als selteneAusnahme angewendete Verfahren, in seiner allgemeinen Heilmethode zur Regel, undmacht die beiden andern, welche bisher Regel waren, zur Ausnahme.

So wird in seiner Heillehre, die Hom�oopathie nicht in erster, sondern erst inzweiter Instanz zur Hauptsache; das �Ubergeordnete, der oberste Gesichtspunkt, vondem Hahnemann ausgeht, ist die Methode an sich; die Methode ist es, welche dashom�oopathische Heilverfahren als Regel gebietet; nicht die Hom�oopathie, welche dieMethode macht.

x 10. Das Organon Hahnemanns ist somit nicht nur ein Organon derHom�oopathie, sondern der rationellen Heilkunst �uberhaupt

Ist aber so ausgemacht, da� in der von Hahnemann gestifteten therapeutischen Schuledie Methode, als h�oherer Begri�, �uber der Hom�oopathie steht, so ist daraus leicht zufolgern, worauf wir unser Augenmerk zu richten haben, wenn wir das Werk, das eruns �uberliefert hat, in dem Geiste weiter bauen und praktisch durchf�uhren wollen,in welchem sein Begr�under es unternommen.

Wir haben da vor allem nie zu vergessen, da� wir nur darum Hom�oopathen sind,weil unsere Schule eine methodische ist, die Methodik aber stets den k�urzesten undsichersten Weg zum Ziele nehmen lehrt, und dieser Weg sich uns im hom�oopathi-

schen Heilverfahren zeigt. Ist aber dies, so folgt daraus wieder, da� wir, eben weil

wir Methodiker sind, nun auch die P icht haben, �uberall, wo es sich nur tun l�a�t,den k�urzesten und sichersten Weg zum Ziele auch wirklich einzuschlagen, und so-mit, wenigstens so lange als kein noch k�urzeres und sichereres Verfahren bekanntwird, in unserer Praxis ausschlie�lich die hom�oopathische Behandlung zur Regel zumachen, diese nur da verlassend, wo sich ihrer Anwendung absolute, in der Sacheselbst liegende Hindernisse entgegenstellen. Da aber diese Hindernisse, so absolut sieauch zuweilen scheinen m�ogen, doch sehr oft auch von der Art sind, da� sie, wennauch nicht gleich, so doch mit der Zeit beseitigt werden k�onnen, wie z.B. individuelleUnkenntnis des passenden hom�oopathischen Mittels von Seiten des Arztes in einemgefahrdrohenden Falle, oder derzeitiger allgemeiner Mangel an gepr�uften Mitteln ge-gen gewisse Krankheiten: so ergibt sich daraus wieder, sowohl f�ur den Einzelnen, alsauch f�ur alle, die P icht, durch ei�iges und unabl�assiges Studium sowohl der schongepr�uften, als auch der noch ungepr�uften Heilmittel, uns immer mehr zur aussch-

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lie�lichen Anwendung der Hom�oopathie zu bef�ahigen, damit der F�alle, in denen dasZiel nur auf Umwegen zu erreichen ist, sowohl f�ur die Kunst selbst, als auch f�ur deneinzelnen Arzt immer weniger werden.

Ein jeder praktische Arzt, der diesen Weg befolgt, ist, welche Ausnahme er zurZeit auch noch notgedrungen machen m�oge, zwar nicht immer ein reiner Hom�oopath,aber doch stets ein reiner und rationeller Methodiker ganz im Sinne und Geiste dervon Hahnemann gestifteten Schule und ihres Meisters, und eben um dieser Tatsachewillen w�are es h�ochst w�unschenswert, wenn man die Ausdr�ucke Hom�oopathie undHom�oopath mit andern vertauschen k�onnte, welche weniger Verwirrung der Begri�ezulassen.

Dem absoluten Wortlaute zufolge gibt es vielleicht in unserer gesamten Schulekeinen einzigen echten, reinen Hom�oopathen, ja es d�urfte dieser Titel nicht einmaldem Stifter der Schule selbst vindiziert werden, und au�erdem ist das, was manmit dem Ausdrucke reiner Hom�oopath bezeichnen will, gar nicht einmal das, wasman meint, d.h. ein Arzt, der nie und nimmer ein anderes als ein hom�oopathischesMittel verordnet, sondern vielmehr ein solcher, den wir dem Ebengesagten zufolgeeinen rationellen Methodiker unserer Schule nennen w�urden, d.h. ein Praktiker, dernur dann einen Umweg zum Ziele einschl�agt, wenn er alles, was P icht ihm gebot,vergeblich versucht hat, dieses Ziel auf k�urzerem Wege zu erreichen.

Auch die Ausdr�ucke reiner oder echter Hahnemannianer oder echte Hahne-

mann'sche Hom�oopathie, die man oft gebraucht hat, um im guten Sinne des Wortesdenjenigen zu bezeichnen, der nur die von Hahnemann angegebenen rationellen undnotgedrungenen Ausnahmen macht, sind durchaus unstatthaft und absolut unge-schickt, das zu bezeichnen, was sie bezeichnen sollen, weil sie, mit dem NamenHahnemanns, nicht nur die von diesem aufgestellten und durch die Erfahrung ge-rechtfertigten Grunds�atze und wesentlichen Lehren seiner Methode, sondern auch dieindividuellen, nicht wesentlich zur Sache geh�origen und oft noch weiterer Best�ati-gung bed�urfenden Ansichten und Schl�usse des Meisters mit einbegreifen, und mansehr wohl ein ganz strenger rationeller Hom�oopath sein und in allen wesentlichen Er-fahrungss�atzen mit dem Stifter der Schule vollkommen �ubereinstimmen kann, ohnedarum nun auch unbedingt alles zu unterschreiben, was je aus dessen Feder ge ossen.

Dazu kommt dann noch, da� die Gegner, besonders die Eklektiker unter ihnen,welche ohne alle und einige rationelle Methoden heute so, morgen so, hier hom�oopa-thisch, dort allopathisch behandeln, wie es ihnen der Zufall oder die Laune in dieHand f�uhrt, stets gewonnenes Spiel gegen uns haben werden, solange wir, etwas ganzanderes meinend, als das, was wir sagen, unsern angenommenen Ausdr�ucken zufolge,in unserer Schule auf

"reine oder echt Hahnemann'sche Hom�oopathie\ dringen, da

diese, wie gesagt, durchaus nicht so existieren kann, wie der Wortlaut es vermutenl�a�t, und wie, diesem zufolge, jeder unbefangene und mit dem Wesen der Sache nichtvertraute Denker die Begri�e de�nieren w�urde.

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x 11. Dessen ungeachtet aber macht seine Lehre die Aus�ubung der

Hom�oopathie jedem rationellen Arzte zur P icht

Man hat so oft gesagt:"ein Wort tut nichts zur Sache,\ und, wahrlich, auch Goethe

hat nicht Unrecht, wenn er in seinem Faust spottend sagt:"da wo Begri�e fehlen,

stellt oft ein Wort zu rechter Zeit sich ein.\ Hier aber liegt nun zuf�allig einmal derBegri� vor, das Wort aber fehlt uns zur Zeit noch ungl�ucklicherweise, und w�urde vie-lem unn�utzen Streite und mancher Verwirrung ein Ende machen, wenn wir es h�atten!Denn, da� es ein regelloses, praktisches Treiben und ein eklektisches Verfahren gibt,das unserer Schule, trotz der Ausnahmen, die sie mit ihrem Stifter gestattet, dochnicht f�ur rationell anerkennen kann; da� es eine reine, von Hahnemann gegr�undeteSchule gibt, welche, ohne die gesamten Ausspr�uche ihres Gr�unders unbedingt zuunterschreiben, ihre wesentlichen Lehrs�atze doch einzig und allein den Schriften des-selben entnimmt; ja, da� man endlich, ohne der reinen Lehre dieser Schule untreu zuwerden, in Praxi doch Ausnahmen machen und auch andere als streng hom�oopathi-

sche Mittel verordnen kann: dies alles sind Tatsachen, welche bekunden, da� unsereSchule, ohne eine eklektische zu sein, doch einer Lehre huldigt, f�ur die um der Aus-nahmen willen, die sie gestattet, der Name der Hom�oopathie in dieser Hinsicht zueng, der des Hahnemannismus, um der Restriktionen willen, die sie sich vorbeh�alt,viel zu weit, der wahre, bezeichnende, aber noch nicht gefunden ist.

Und doch w�urde ein solcher unser Wesen bezeichnender Name nicht nur umderer willen, welche sich mit ihrem regellosen eklektischen Handeln auf unsere eigenenzeitweisen, aber rationellen Ausnahmen berufen, sondern auch um derer willen h�ochstw�unschenswert sein, welche gleich bei der Hand sind, zu behaupten, da� wir zu denLehren der alten Schule zur�uckkehren, wenn wir uns irgendwo ausnahmsweise einesder Mittel bedienen, welche, wie z.B. Blutentziehungen, B�ader, und andere �ahnlicheDinge, jene Schule t�aglich und fast ausschlie�lich anwendet.

H�atte man einen richtigen Begri� von dem, was unsere von Hahnemann gegr�undeteSchule von der alten unterscheidet, so k�onnte ein solcher Vorwurf nie gemacht wer-den, ohne sogleich von Sachkundigen f�ur h�ochst ungegr�undet erkannt zu werden.Denn nicht in den Mitteln selbst, welche beide Schulen anwenden, besteht ihre Ver-schiedenheit, sondern in den Grunds�atzen und Regeln, nach denen sie angewendetwerden.

Alle Heilmittel, alle Applikationen, �uberhaupt alles, was nur zum Heilbehufe die-nen kann, geh�ort keiner Schule, keinem Verfahren ausschlie�lich, sondern der Heil-kunst im Allgemeinen, und somit allen Schulen auf gleiche Weise an, und darum, da�ein Hom�oopath einmal in einem Falle, wo die Grunds�atze seiner Schule die Ausnahmevorhergesehen, ein Mittel anwendet, von dem die alte Schule nach ihren Ansichtenfast t�aglich Gebrauch macht, geht er von den Grunds�atzen seiner Schule noch nichtzu denen der alten �uber. Dies w�urde erst dann der Fall sein, wenn er, gleich der al-ten Schule und den Lehren der seinen entgegen, diese Ausnahme zur Regel erheben,und jene Mittel, deren er sich nur ausnahmsweise und am geeigneten Orte bedient,fortan, gleich den Allopathen, in jedem Falle, und ohne alle Grunds�atze am passen-den und unpassenden Orte in Gebrauch ziehen wollte. Hom�oopathie und praktisches

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Heilverfahren nach den Regeln der von Hahnemann gegr�undeten Schule, sind alsodurchaus nicht synonym, und sollten wir daher, um den Verwirrungen vorzubeugen,welche aus der Verwechselung beider Begri�e entstehen k�onnen, einige Benennungenvorschlagen, so w�urden wir, da doch das von Hahnemann an die Spitze der Heilkunstgestellte hom�oopathische Heilverfahren bei uns als oberste therapeutische Regel gilt,und wir daher gern beide Elemente in der Benennung beibehalten m�ochten, denAusdruck

"hom�oopathische Schule\ oder

"die von Hahnemann gestiftete hom�oopa-

thische Schule\ zu Bezeichnung des Inbegri�s aller unserer Lehren, d.i. der Regeln mitihren methodisch festgestellten Ausnahmen, vorschlagen. Um dann ferner die fest-stehenden Lehren der Schule von denen der Sektierer und Kritiker zu unterscheiden,k�onnte man anstatt der bisher gebrauchten Ausdr�ucke: reine, echte, Hahnemann'sche

Hom�oopathie, oder unreine, unechteHom�oopathie, vielleicht besser bezeichnend sa-gen: die reine Lehre der hom�oopathischen Schule; rationelle Praxis nach den Regelnder hom�oopathischen Schule etc., und, zur Bezeichnung des Gegenteils: die Parteider Eklektiker, Spezi�ker etc., die Praxis nach den Lehren der Eklektiker, Spezi�keretc. etc. Die Hauptsache bleibt dann nur, zu bestimmen, welche Regeln, Grunds�atzeund Verfahrungsweisen unserer Schule als feststehend, d.i. als unwiderleglich in derErfahrung begr�undet, und nicht blo� auf individuellen Meinungen und Ansichtenberuhend, zur Norm f�ur ihre Anh�anger machen soll und kann.

Diese Bestimmung kann nun allerdings, wie wir dies schon in der Einleitunggezeigt, nicht das Werk eines Einzelnen, sondern eben nur das der gesamten Schulesein: allein jeder Einzelne kann dadurch, da� er zeigt, was ihm an den Lehrs�atzenHahnemanns einesteils erfahrungsgem�a� und unumst�o�lich, oder andererseits nochproblematisch und weiterer Beweise bed�urftig erscheint, einen wesentlichen Beitragzu dieser Feststellung liefern. Denn da unsere Schule ihre wesentlichen Lehren undGrunds�atze, d.h. diejenigen S�atze, durch die sie zu einer besonderen, von der altenunterschiedenen wird, den Lehren Hahnemanns verdankt, so ist klar, da�, sobaldnachgewiesen ist, was in den Lehren ihres Stifters unwiderru ich als feststehend undunantastbar anerkannt werden mu�, damit zugleich auch die wesentlichen Lehrenunserer Schule festgestellt sind.

x 12. Die von Hahnemann gegr�undete Schule oder die hom�oopathi-sche kann nie eine andere Lehre haben, als die Lehre Hahnemanns

Demnach scheint also die ganze Aufgabe unserer Schule, wenn sie sich der Gesamtheitihrer aufrechtzuerhaltenden Unterscheidungslehren bewu�t werden will, in der Tatnur darin zu bestehen, in den Lehren ihres Stifters die wesentlichen, d.i. die ma�ge-

benden und erfahrungsg�ultigen von den unerweislichen, nebens�achlichen zu sondern,und wir k�onnten diese Aufgabe somit auch als die unsere ansehen, wenn sich uns indieser Hinsicht nicht doch noch ein Bedenken aufdr�angte, dessen wir wenigstens miteinigen Worten erw�ahnen m�ussen.

Man k�onnte sich n�amlich fragen, ob wir �uberhaupt gut und klug daran tun, durchirgend eine n�ahere W�urdigung der Lehren Hahnemanns von der Welt auch nur denSchein anzunehmen, als ruhe unsere Schule nicht auf ewigen Wahrheiten, sondern auf

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reiner Nachbeterei der Worte des Meisters, und ob wir demnach nicht vielleicht weitbesser t�aten, das Organon und die s�amtlichen Arbeiten Hahnemanns, als

"gar keiner

vern�unftigen Kritik stichhaltend,\ ganz und absolut zu verwerfen, und aus denjenigenseiner Lehrs�atze, deren Wahrheit wir nicht leugnen k�onnen, die Lehre unserer Schule,als unsere eigene, unter einem andern Namen wieder aufzubauen, um so der Weltund den Kritikern aus der alten Schule zu zeigen, da� wir, als

"freie, selbstdenkende

M�anner,\ unter unserer W�urde halten, irgend etwas anzunehmen, was andere voruns gesagt, wenn gleich es noch so wahr, es sei denn, wir selbst h�atten zuf�allig dieseWahrheiten zum zweiten Male erfunden.

So haben es allerdings nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, hinund wieder eine Kritiker machen wollen, welche, die Unm�oglichkeit einsehend, an dieStelle der wesentlichen Lehrs�atze Hahnemanns etwas Besseres zu setzen, sich vor derWelt wenigstens den Schein geben wollten, als h�atten sie durch ihre Kritik erst aufdie wenigen, in einem unerme�lichen

"Haufen der gr�o�ten Albernheiten verborgenen\

Wahrheiten aufmerksam und so die Praxis der Hom�oopathie und ihr Studium m�oglichgemacht. Diesen Schein k�onnten wir nun den Kritikern allerdings gern lassen, ja sogarmit tats�achlicher Verwerfung der Lehren Hahnemanns, ihre Kritik als Richtschnurf�ur unsere Schule annehmen, wenn erwiesen w�are, da� sie durch diese Kritik etwasWesentliches an den S�atzen ge�andert, welche das Wesen der Lehre Hahnemannsausmachen; allein da diese S�atze, trotz aller o�enen und versteckten Angri�e, dieman dagegen versucht hat, heute noch gerade so stehen wie ehemals, und da alleneuen Entdeckungen oder Er�ndungen nach den in zivilisierten L�andern bestehendenRechtsbegri�en das unbestreitbare Eigentum dessen sind, der sie zuerst gefunden undder Welt bekannt gemacht: so m�ussen wir wenigstens so lange, als wir diese S�atze f�urwahr halten und in Ermangelung besserer sie zur Richtschnur unserer Praxis machen,dem die Ehre geben, dem die Ehre geb�uhrt, und eingestehen, da� wir die Au�ndungund Ausstellung dieser S�atze nicht unserm Genie, sondern dem des Stifters unsererSchule verdanken.

Da� wir uns durch diese Anerkennung, selbst wenn sie das Resultat unserersorgf�altigen Untersuchung der Lehren Hahnemanns ist, immer noch der Gefahr aus-setzen, von jenen geschwornen Kritikern als

"gedankenlose Nachbeter\ bei den Leu-

ten zu Schimpf und Schanden gebracht zu werden, ist nun wohl wahr, und wenn wir,um den Ruf

"freier, selbst�andiger Denker\ zu behaupten, kein anderes Mittel ken-

nen, als die Lehre Hahnemanns erst zu verschimpfen, und dann die wesentlichstenLehrs�atze derselben unter einem andern Namen als die unsern aufzustellen, so siehtes allerdings scheu um uns aus, zumal da zur Untersuchung und Anerkennung der vonandern aufgefundenen und ausgesprochenen Wahrheiten gew�ohnlich unendlich mehrMut und �Uberzeugung erfordert wird, als zu ihrer Bekrittelung und Anfeindung. Ge-setzt aber auch, es sollte uns nicht gelingen, auch nur einen unserer Gegner davonzu �uberzeugen, da� wir �uberall, wo wir Hahnemann rechtfertigen, unsere guten, aufvielfachem Nachdenken beruhenden Gr�unde haben; gesetzt auch, wir sollten sogardadurch, da� wir die eine oder die andere ihrer geh�assigen Ausstellungen zuf�alliger-

weise in ihrer ganzen Bl�o�e und Unhaltbarkeit zeigten, ihre bisher gegen den Stifterunserer Schule gerichtete Wut auch gegen unsere Person lenken: so darf uns dies doch

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auf keine Weise abhalten, die Wahrheit zu suchen und zu sagen, wo wir sie �nden.So werden zuletzt alle wahrhaft redlichen und wahrheitliebenden M�anner, alle vor-urteilsfreien und wahrhaft tiefen Denker, wenn auch nicht immer unsern Schl�ussen,so doch sicherlich unserm Streben Gerechtigkeit widerfahren lassen, und wenn dannauch hier und da ein r�ankevoller und h�andels�uchtiger Feind Hahnemanns, oder ein-zelne radikal-revolution�are Wirrk�opfe, deren ganzes Wesen, verm�oge der von diesemGeschlechte angenommenen Fahne so tre�end durch Roth repr�asentiert wird, uns mitihren h�amischen Angri�en verfolgen sollten: So k�onnen wir uns dann doch immer mitdem Ausspruche des gro�en Cato tr�osten: Non hoc me gaudet laudari, sed laudari a

laudato viro.

Und so wollen denn auch wir bei unsern nachfolgenden apologetisch-kritischenBesprechungen die Lehren Hahnemanns unsern Untersuchungen zu Grunde legen,und unbek�ummert um das Geschrei, das man dagegen erheben k�onnte, dem Stifterunserer Schule alles zuerkennen, was von ihm herr�uhrt, und worauf er uns zuerstaufmerksam gemacht hat, m�u�ten wir so auch zuletzt unbedingt eingestehen, da�alles, was unsere Schule wahrhaft Feststehendes und unbedingt Brauchbares in ihrenLehren und Grunds�atzen hat, von ihm allein herr�uhrt.

x 13. �Uberblick und Zusammenfassung des vorliegenden Kapitels

Ehe wir indessen an die Besprechungen des Einzelnen gehen, d�urfte es vielleicht nicht

�uber �ussig sein, diejenigen allgemeinen Punkte, welche wir bereits in diesem Kapitelber�uhrt haben, in einem kurzen �Uberblicke zusammenzufassen und das daraus sichergebende Resultat zu bestimmterer Erkenntnis dessen, was wir darzutun versuchten,in einigen kurzen S�atzen aufzustellen. Diese Punkte sind vorz�uglich folgende:

1) Zur richtigen Beurteilung der Lehre Hahnemanns ist vor allen Dingen n�otig,stets im Auge zu behalten, da� dieselbe kein von einem einzigen obersten Grundsatzeausgehendes Lehrgeb�aude, sondern ein auf mehreren Erfahrungss�atzen beruhenderWegweiser, also kein System, sondern eine Methode ist, in welcher jeder Lehrsatzunabh�angig vom andern f�ur sich allein steht, und daher auch f�ur sich selbst einenbesonderen Beweis aus der Erfahrung verlangt.

2) Wie jede Methode es nur mit der Anwendung der Wissenschaft auf die Praxis

zu tun hat, so umfa�t daher auch die von Hahnemann gelehrte, nicht das gesamteGebiet aller medizinischen Wissenschaften, sondern hat nur die Aufgabe, die Artund Weise zu zeigen, wie die Ergebnisse der Wissenschaft auf dem k�urzesten undsichersten Wege zur Heilung von Krankheiten verwendet werden k�onnen.

3) Da aber die bisherigen Ergebnisse der medizinischen Wissenschaften zu Auf-stellung einer sichern Heilmethode wegen Mangel einer wahren Arzneiwissenschaft

unzureichend waren, so hat sich Hahnemann gen�otigt gesehen, diesen Mangel zuerg�anzen, und au�er der Aufstellung einer Methode, auch noch die Arznei-Wissenschaft

zu begr�unden, ohne welche jene Aufstellung unm�oglich war.

4) Da die alte Schule aber die von Hahnemann behufs seiner Methode gegr�undetewahre Arzneiwissenschaft heute noch ignoriert und nicht lehrt, ohne dieselbe aberkeine Aufstellung irgend einer rationellen Therapie m�oglich ist: so folgt daraus, da�

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die Lehren Hahnemanns, mit Inbegri� der, von ihm nicht der Hom�oopathie allein,sondern der ganzen Medizin erworbenen Arzneilehre, eine wahre Erg�anzung der

L�ucken ist, welche die Lehren der Schule bis heute noch in der Wissenschaft las-sen, und da� demnach kein Arzt, der nur die Lehren der alten Schule studiert hat,seine medizinische Bildung f�ur vollendet ansehen kann.

5) Indem aber Hahnemann so, verm�oge seiner Arzneiwissenschaft, die erstenGrunds�atze f�ur eine rationelle Therapie aufstellt, wird er dadurch zugleich nichtnur der Begr�under der Hom�oopathie, sondern auch der erste Begr�under einer ratio-nellen Methode der Therapie �uberhaupt, und da sein Organon nicht nur die F�allenachweist, wo die Hom�oopathie anzuwenden ist, sondern auch diejenigen, wo die an-dern Heilverfahren ihren Platz �nden: so ist dieses Organon damit nicht nur eineMethodik der Hom�oopathie, sondern im vollen Sinne des Wortes eine Methodik der

praktischen Heilkunst �uberhaupt.6) Die Lehren der von Hahnemann gestifteten Schule gehen somit weiter, als die

der Hom�oopathie, so da� man sehr wohl in besonderen F�allen der Praxis auch andereals hom�oopathische Mittel anwenden kann, ohne dadurch allein schon den Lehren undGrunds�atzen untreu zu werden, welche diese Schule vor der alten auszeichnen.

7) Da unsere Schule nur verm�oge der Reform existiert, welche Hahnemann durchseine Lehren und Grunds�atze in der Medizin bewirkt hat, so ist der Inbegri� ihrer

festen Lehren gegeben, wenn von den Ausspr�uchen Hahnemanns die zur Zeit uner-weislichen abgesondert und die erweislichen mit dem, was daraus unmittelbar f�ur die

Praxis folgt, besonders aufgestellt sind. Ein Versuch zu kritischer Beleuchtung derLehren Hahnemanns ist daher ein Versuch zu Feststellung der Lehren unserer Schule.

8) Solange unsere Schule diejenigen Wahrheiten, welche ihr Stifter zuerst gefun-den und gelehrt, als die obersten Grunds�atze ihrer Lehre festh�alt, hat sie nicht dasRecht, wegen blo�er Feststellung des Wesentlichen, ihre Lehre nun f�ur eine neue, vonihr erfundene auszugeben, sondern ihre Lehre ist und bleibt die festgestellte LehreHahnemanns.

Wie es nun damit steht, und ob wir die wesentlichen Lehren des Stifters unsererSchule, als hinl�anglich durch die Erfahrungen gerechtfertigt, auch ferner unterschrei-ben k�onnen, das wollen wir in den nachfolgenden Besprechungen sehen, und diesel-ben zu diesem Behufe gleich mit dem Wichtigsten, n�amlich mit der Untersuchungdes Wertes der drei verschiedenen Heilverfahren beginnen.

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Zweites Kapitel: Die drei verschiedenen Heilverfahrenund ihre Bedeutung in der Praxis

x 14. Das hom�oopathische Heilgesetz Similia similibus ist dasjenige,welches die sichersten, sanftesten und schnellsten Heilungen vollbrin-gen lehrt

Es ist in neuerer Zeit wieder, und zwar nicht nur von Seiten unserer allopathischerGegner, sondern auch in unserm eigenen Lager, mannigfach die Frage aufgewor-fen worden, ob die sogenannten hom�oopathischen Heilungen, welche mir mit unsernverh�altnism�a�ig kleinen Gaben und nach symptomatischer Mittelwahl vollbringen,auch wirklich nach dem Gesetze similia similibus curantur vor sich gehen, ja ob

�uberhaupt die Arzneien in der Tat im Stande sind, bei Gesunden eine Krankheit zuerzeugen, die der �ahnlich ist, die sie heilen.

Hahnemann beruft sich f�ur die Aufstellung des �Ahnlichkeitsgesetzes, als Heilprin-zipes, zuerst auf eine gro�e Menge F�alle der alten Schule, in denen ein einziges Mittelsehr schnell heilte, und weist von diesem Mittel nach, da� es die Heilung darum soschnell vollbrachte, weil es den Zeugnissen anderer �Arzte nach im Stande ist, bei Ge-sunden ein �ahnliches Leiden hervorzubringen. In dieser Hinsicht steht nun allerdings,unserer und aller hom�oopathischen Praktiker Erfahrung nach, so viel fest, da� untergeeigneten Umst�anden fast jedes Mittel auch das zu heilen im Stande ist, was eshervorbringen kann; allein, wie auch Hering bemerkt, und wie die t�agliche Erfahrunges uns hinreichend best�atigen kann, so �ndet diese �Ubereinstimmung eben doch nurunter geeigneten Umst�anden, keineswegs aber immer und unbedingt statt, indemsehr viele Mittel hervorbringen, was sie nie heilen, andere wieder heilen, was sie niehervorbringen.

Wem unter uns, der sich nur einigerma�en in unserer Arzneimittellehre umge-sehen hat, sollte es wohl entgangen sein, da� sich unter den Zeichen fast aller Mit-tel gewisse Erscheinungen, wie z.B. Schnupfen, Wei� u�, Durchfall, Verstopfung,Leibweh, Zahnweh, Kopfweh u.s.w. immer wieder vor�nden, und sogar oft auf rechtau�allende Weise, w�ahrend zuletzt doch nur sehr wenige dieser Mittel, und unterdiesen oft gerade solche, die jene Erscheinungen eben nicht im au�allendsten Gradedarbieten, sich vorzugsweise spezi�sch gegen dieselben zeigen. Wollte man hierge-gen einwenden, da� alle die genannten und andere �ahnliche Erscheinungen meist nursymptomatischer Natur sind und demzufolge ganz nat�urlich nur durch das Mittelgeheilt werden k�onnen, welches au�er der symptomatischen Erscheinung auch die

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ganze Krankheit hervorbringt, von der jene Erscheinung abh�angig ist: so mag manin vielen F�allen wohl Recht haben, in andern aber auch wieder nicht, indem wir sehrviele ganze Krankheiten, wie z.B. den Keuchhusten, den Croup, das Scharlach�e-ber, die Masern, die Menschenblattern, das Nerven�eber, die Lungenentz�undungenetc. mit Mitteln heilen, welche zwar mehrere Symptome der genannten Krankheiten,keineswegs aber die gesamte Krankheit zu erzeugen im Stande sind.

Selbst die Chinarinde, welche oft als das zuf�allige Mittel angef�uhrt wird, durchdessen Versuch an sich selbst, Hahnemann auf die Idee des �Ahnlichkeitsprinzipes ge-leitet worden sein soll, bringt zwar in ihren einzelnen Erscheinungen mehrere hervor,welche sich auch bei den Sumpfwechsel�ebern �nden, und aus denen sich bei nuretwas gutem Willen ein solches auch zusammensetzen l�a�t; allein so au�allend wiedie Natur und ebenso kenntlich f�ur Jedermann, erzeugt sie jenes Wechsel�eber wohlnie, wenn anders man nicht die mit ihr behandelten und verschleppten langwierigenWechsel�eber auf ihre Rechnung bringen will; und was endlich die Symptome be-tri�t, die sie erzeugt, und aus denen sich ein Wechsel�eber zusammensetzen l�a�t, so�nden sich diese zuletzt in der Tat bei noch sehr vielen andern Mitteln vor, welchenoch nie Wechsel�eber geheilt haben und auch nie heilen werden.

Dazu kommt noch, da� wiederum andere Mittel, in denen jene Symptome vielweniger au�allend dastehen, als bei der Chinarinde, gewisse Wechsel�eber oft vielschneller und besser heilen, als diese; so wie auch das feststeht, da� wir aus den posi-tiven Arzneiwirkungen allein nie mit Sicherheit schlie�en k�onnen, ob das betre�endeMittel die in seinen Symptomen angedeutete Krankheit auch in der Tat zu heilenverm�oge oder nicht, bevor wir seine Anwendung nicht auch am Krankenbette versuchthaben. Und was wir hier von der Chinarinde und den Wechsel�ebern gesagt, das giltvon fast allen den Krankheiten und den gegen sie angewandten Mitteln, welche Hah-nemann aus dem Erfahrungsschatze der alten Schule anf�uhrt; alle jene Mittel bringenallerdings wesentliche Symptome der genannten Krankheiten hervor, heilen sie aberkeineswegs immer, und andere Mittel, welche dieselben Symptome hervorbringen,heilen diese Krankheiten sogar nie, so da� dieser Teil der Beweisf�uhrung Hahne-manns f�ur die Richtigkeit des �Ahnlichkeitsgesetzes eben nicht gerade der st�arkste ist,und er vielleicht recht gut getan hat, ihn in der f�unften Au age seines Organons ganzwegzulassen.

x 15. Das allopathische Heilverfahren kann auch einige Krankheitenheilen, aber nicht so sicher, so schnell und so sanft, wie die Hom�oopa-thie

Dennoch aber ist etwas Wahres an jenen Beobachtungen und an dem in ihnen vor-waltende Gesetze, wenn gleich es durch viele Nebenumst�ande verdunkelt, in denoben angef�uhrten und vielen andern �ahnlichen F�allen nicht so klar hervortritt, wiein denen, welche Hahnemann dem t�aglichen Leben und der allgemeinen Erfahrung

entnimmt. Denn, wer kann ihm widersprechen, wenn er behauptet, da� der Schneedie erfrorenen Glieder besser zurechtbringe, als die �au�ere W�arme; da� die �au�erem�a�ige Hitze verbrannte Teile schneller heile, als kalte Umschl�age; da� ein kleines

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Glas geistigen Getr�ankes den durch Sonnenhitze erzeugten Durst schneller und dau-erhafter stille, als ein Glas frisches Wasser u.s.w.?

Und ist es auch wahr, da� in den im vorigen Paragraphen angef�uhrten F�allen das�Ahnlichkeitsgesetz sich durchaus nicht so best�atigt �ndet, wie in den ebengenanntenBeobachtungen der Hauspraxis; ja mu� sogar zugegeben werden, da� viele MittelErscheinungen hervorbringen, die sie nie heilen: so sind dagegen auch wieder eineUnzahl anderer, die o�enbar von dem ausgezeichnetsten Erfolge gegen solche Krank-heitserscheinungen sind, die den au�allendsten Wirkungen des Mittels entsprechen.

Das Opium ist ber�uhmt wegen seiner schlafmachenden Kraft und fast nie versagteine kleine Gabe ihren heilbringenden Dienst in den durch bet�aubten Schlaf ausge-zeichneten Zust�anden; der Schwefel, der bekanntlich eine Menge Ausschl�age hervor-bringt, wenn er im �Uberma�e gebraucht wird, heilt deren in der Tat auch eine gro�eMenge; was das Quecksilber im gesunden K�orper hervorbringen und am kranken hei-len kann, wei� jeder; die Belladonna, der Stechapfel, das Bilsenkraut, der Schierlingund noch andere Narkotika, deren hirnangreifende und verr�ucktmachende Wirkunghinl�anglich bekannt ist, haben in hom�oopathischer Praxis ihre heilbringende Kraftschon in einer Unzahl von Hirnleiden und Verstandesverwirrungen bew�ahrt.

Dasselbe gilt von dem Kupfer, dem Veratrum, dem Arsenik und dem Phosphor inder Cholera und noch von gar vielen andern Mitteln gegen andere Krankheiten. Undm�ussen wir auch eingestehen, da�, wenn wir von einem Mittel weiter noch nichtskennen, als seine positiven Wirkungen, wir uns oft get�auscht sehen, wenn wir ausdiesen auf seine ausgezeichnete Wirksamkeit in �ahnlichen Krankheitserscheinungenschlie�en wollen: so bleibt doch auch wieder das wahr, da� jedesmal, wenn wir einneues Mittel gegen eine Krankheit au�nden, dies nur dadurch geschieht, da� wir unsdurch die au�allende �Ahnlichkeit seiner Wirkungen mit den Symptomen der Krank-heit leiten lassen, und da� der Erfolg stets um so mehr unserer Erwartung entspricht,je mehr die wesentlichen Wirkungen des Mittels den wesentlichen Symptomen derKrankheit gleichen. Und endlich in den F�allen sogar, in denen wir Mittel Krankhei-ten heilen sehen, welche sie nie hervorbringen, noch hervorbringen k�onnen, l�a�t sichstets nachweisen, da� wenigstens eins oder einige der wesentlichsten Wirkungen desMittels den wesentlichsten und eigent�umlichsten des vorliegenden Falles entsprochenhabe, so da� wir demnach v�ollig berechtigt sind, mit Gewi�heit anzunehmen, da�allemal da, wo ein �ahnlich scheinendes Mittel seine Dienste versagt, die Schuld nichtan der Unzul�anglichkeit des �Ahnlichkeitsgesetzes, sondern vielmehr daran liegt, da�wir das Wesentliche entweder in den Wirkungen des Mittels oder in den Symptomender Krankheit, oder gar in beiden zugleich, vor der Hand verkannt haben.

Ist aber dies, so bleibt auch das �Ahnlichkeitsgesetz oder das similia similibuscurantur als ein untr�ugliches Heilgesetz f�ur alle F�alle stehen, f�ur welche �ahnlichwirkende Mittel auszu�nden sind, und es ist, um es richtig zu verstehen und an-zuwenden, nur n�otig, die Heilformel bestimmt zu stellen, d.h. nicht so: Krankheitenwerden durch Mittel geheilt, welche im Stande sind im gesunden K�orper eine h�ochst

�ahnliche Krankheit hervorzubringen, sondern im Gegenteile so: die Krankheiten

weichen denjenigen Mitteln, deren wesentliche Wirkungen auf den gesunden K�orper

den wesentlichen Erscheinungen des Krankheitsfalles am tre�endsten entsprechen.

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x 16. Selbst die besten allopathischen Kuren sind keine Heilungen im

Vergleiche zu denen, welche die Hom�oopathie vollbringt

Wir werden weiter unten, bei Besprechung der Regeln f�ur die Mittelwahl in einzel-nen F�allen, wieder auf die aufgestellte Heilformel zur�uckkommen und ausf�uhrlicherauseinandersetzen, was wir unter wesentlichen Symptomen der Krankheit und derMittel verstehen; vor der Hand scheint uns die gegebene um ihrer K�urze willen denVorzug zu verdienen, zumal da sie nichts enth�alt, was in einzelnen F�allen der An-wendung dieses Gesetzes dem Widerspruche ausgesetzt sein k�onnte, sie somit also indieser Allgemeinheit wenigstens f�ur erfahrungsm�a�ig und richtig anerkannt werdenmu�.

Mit dem Beweise f�ur die Richtigkeit und Allgemeing�ultigkeit dieser Heilformelist aber freilich noch nichts f�ur ihre Vorz�uglichkeit bewiesen, indem immer nochin Frage gestellt werden kann, ob nach diesem Heilverfahren die Krankheiten auchebenso schnell, sicher und dauerhaft weichen, als nach jedem andern.

Wie bekannt, gibt es der Natur der Sache nach, au�er dem eben ber�uhrtenhom�oopathischen Heilverfahren nach der Vorschrift des �Ahnlichkeitsgesetzes, nurnoch zwei andere m�ogliche, deren ersteres das sogenannte allopathische oder hetero-pathische ist, verm�oge dessen andere, von der Krankheit mehr oder weniger freigelas-sene Teile angegri�en werden, um das �Ubel auf diese Weise entweder durch Ableitungoder durch vermeintliche Entfernung der ersten innern Ursache zu heben.

In diese Klasse geh�oren die Blutentziehungen gegen Entz�undungen, die Brech-mittel und Purganzen bei gastrischen Leiden, die schwei�treibenden Arzneien gegenErk�altungen, die sogenannten Wurmmittel, die harntreibenden, die den Menstrual- u� und die H�amorrhoidalblutungen bef�ordern, die Fontanelle, Haarseile und andere

�ahnliche, k�unstliche Geschw�ure unterhaltende Mittel, die spanischen Fliegen und dieSenfp aster, die ganzen und halben Sitz-, Fu�-, Sturz-, Staub-, Dampf- und andereB�ader, die Molken-, Wein-, Kr�auter- und Mineralwasserkuren, die Blut und S�afte rei-nigenden, Schleim l�osenden und Auswurf bef�ordernden Tr�anke und noch viele andereMittel der Art.

Befragt man die t�agliche Erfahrung, so kann allerdings nicht geleugnet werden,da� die Anwendung dieser Mittel oft von gro�em Nutzen sei; die Blutentziehungenstillen nicht nur oft, sondern sogar fast ohne Ausnahme den Sturm im Gef�a�systemebei reinen Entz�undungskrankheiten, und erlauben dadurch der Naturheilkraft, ihreg�unstige Einwirkung im erkrankten Organe zu entfalten; die Brechmittel und Pur-ganzen heben sehr oft in der Tat k�urzlich entstandene gastrische Beschwerden underleichtern nicht selten langwierige f�ur einige Zeit; schon mehr als tausend mehr oderweniger gefahrdrohende Erk�altungsfolgen sind durch Schwitzen geheilt oder doch er-leichtert worden, und so noch gar viele andere Krankheiten durch die Mittel, welchedie alte Schule bisher gegen sie als sogenannte Kausalkuren anwendete, so da� es inder Tat der Wahrheit zu nahe getreten sein w�urde, wenn man dieser sogenanntenallopathischen oder heteropathischen Methode ihre Wirksamkeit absprechen wollte.

Allein dies ist nicht der Punkt, auf den es hier ankommt.

Die Frage, um die es sich hier handelt, ist die, ob dies allopathische Verfahren

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