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der Staatsstraße), 9 (Unterminierung der Zufahrt zu einem Gehöft), 10 (Unterminierung des Kinderspielplatzes) und 14 (Überlaufen des Wassers in besiedelte Gebiete) der All- gemeinverfügung beschrieben sind. § 2 Abs. 3 AAV verlangt darüber hinaus, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung für die zu bewäl- tigende Situation gibt. Die AAV greift damit wieder die Terminologie der FFH-Richtlinie auf, während § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG von „zumutbaren Alternativen“ als Aus- schlussgrund für eine Ausnahme spricht. Eine anderwei- tige zufriedenstellende Lösung ist dann gegeben, wenn die durch den Biber verursachten Schäden oder Gefahren auch auf andere Art und Weise vermieden werden können. In dieser Formulierung kommt zum Ausdruck, dass dann, wenn Präventivmaßnahmen möglich sind, diesen Vorrang vor dem Abschuss und Abfang der Tiere zukommt. Die Tötung der Biber darf lediglich als ultima ratio in Betracht gezogen werden. Zum Entscheidungszeitpunkt ist es (noch) als offen ein- zuschätzen, ob hinsichtlich jedes von der Allgemeinverfü- gung betroffenen Gebietes keine anderweitige zufrieden- stellende Lösungsmöglichkeit besteht. Der Antragsgegner hat für die betroffenen Gebiete nicht in ausreichender Weise dargelegt, warum keine der möglichen Präventivmaßnah- men zu einem Erfolg geführt hat bzw. führen wird. Hin- sichtlich der Einbruchgefahren wurde beispielsweise nicht aufgezeigt, ob die Brachlegung eines Schutzstreifens von zehn Metern versucht wurde, die ungefähr 95 Prozent der Einbrüche verhindert (vgl. Anlage 1 zu den Richtlinien zum Bibermanagement S. 1). Gleiches gilt für die Errich- tung von Biberdrainagen, um Vernässungen zu verhindern und die Möglichkeit, die Kosten der ständigen Damment- fernung durch den Bau von Elektrozäunen zu minimieren. Ob ein Grundstück in das Bayerische Vertragsnatur- schutzprogramm (VNP) aufgenommen werden kann oder nicht, spielt hingegen nur eine untergeordnete Rolle. So- fern das VNP als Entschädigungsinstrument dient, ist es im vorliegenden Fall ohne Belang, da eine Entschädigung erst dann stattfinden soll, wenn Präventivmaßnahmen oder Zugriffsmaßnahmen keinen Erfolg zeigen und es trotzdem zu einem Schaden kommt (vgl. Richtlinien zum Biberma- nagement S. 13). Sofern das VNP Fördermöglichkeiten von Präventionsmaßnahmen bietet, reicht es nicht aus, lediglich darauf zu verweisen, dass eine Förderung nicht möglich sei. Es ist nämlich durchaus denkbar, dass den Anliegern Prä- ventivmaßnahmen auch ohne Förderung zugemutet wer- den können (z. B. Brachlegung eines Schutzstreifens). Die Fördermöglichkeit erweitert lediglich den Kreis der zu- mutbaren Maßnahmen. Im Übrigen stellt das VNP nicht das einzige Förderprogramm dar (vgl. die in Anlage 1 der Richtlinien zum Bibermanagement aufgeführten Förder- möglichkeiten). Zudem spricht viel dafür, dass das Fehlen einer zeitlichen Begrenzung der Allgemeinverfügung gegen das Erforder- nis verstößt, nur unbedingt notwendige Eingriffe vorzu- nehmen. An einzelnen Stellen, an denen der Biber generell unerwünscht ist und andere Maßnahmen nicht fruchten, kann eine zeitliche Begrenzung nicht notwendig sein, doch hat der Antragsgegner auch angegeben, dass bei dem Gra- bensystem nördlich der …seen, der … und der … (…) lang- fristige Maßnahmen denkbar sind. In diesen Fällen mag zwar der Abschuss der Biber zur Überbrückung der Zeit, bis die Maßnahmen greifen, eine akzeptable Lösung dar- stellen. Dann drängt sich jedoch eine zeitliche Beschrän- kung der Ausnahme auf. Im Ergebnis deutet dies darauf hin, dass die bloße Möglichkeit der Aufhebung der All- gemeinverfügung den hohen Anforderungen der FFH- Richtlinie nicht genügt. Bei einer Biberpopulation von 120 Revieren im Landkreis … stellt der Abschuss von Bibern an 15 Gewässern zwar keinen unbedeuten- den, aber doch einen den Erhaltungszustand des Bibers nicht gefähr- denden Eingriff dar. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung der Re- duzierung der Zahl der Biber durch anderweitige Tötungen (z. B. im Straßenverkehr). Der Einschätzung der unteren Naturschutzbehörde als Fachbehörde kommt hierbei ein besonderes Gewicht zu. (3) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann davon ausgegangen werden, dass – wenn die Tatbe- standsvoraussetzungen gegeben sind – das Ermessen in- tendiert ist (Lau in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, § 45 Rdnr. 13). Das Fehlen eines ausgearbeiteten Biberkonzepts führt vorliegend nicht dazu, dass der Abschuss und Abfang der Biber schon aus rechtlichen Gründen als verfrüht an- zusehen ist. Zur Abwehr erheblicher Gefahren für grund- rechtlich geschützte Rechtsgüter können Maßnahmen er- griffen werden, auch wenn ein flächendeckendes Konzept noch nicht erstellt ist. b) Hinsichtlich der in Anlagen 1, 3, 4, 5, 8, 11, 12 und 13 der Allgemeinverfügung beschriebenen Gewässer über- wiegt das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse, da zu wenige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Biber sol- che Schäden verursacht hat bzw. in naher Zukunft tatsäch- lich verursachen wird, die geeignet sind, eine artenschutz- rechtliche Ausnahme zu rechtfertigen. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass in diesen Bereichen erhebliche wirtschaftliche Schäden drohen könnten, wenn die auf- schiebende Wirkung der Anfechtungsklage wieder herge- stellt wird. Aus den vorgelegten Unterlagen ergeben sich jedoch keine konkreten Hinweise darauf, dass die Schäden durch Vernässung derartige Ausmaße annehmen würden, dass sie die wirtschaftliche Grundlage von einzelnen forst- oder landwirtschaftlichen Betrieben bedrohen würden. So- fern bisher Schäden aufgetreten sind, konnten diese mini- miert oder entschädigt werden oder wurden hingenommen. Gefahren für die Gesundheit von Menschen wurden nicht vorgetragen. In dieser Situation ergeben sich unter Berück- sichtigung der Sozialbindung des Eigentums nicht genü- gend Anhaltspunkte, die dafür sprechen, die aufschiebende Wirkung aufrecht zu erhalten, obwohl gewichtige Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung bestehen. Hinsichtlich der in den Anlagen 2, 6, 7, 9, 10, 14 und 15 der Allgemeinverfügung bezeichneten Gebiete konnte der Antragsgegner hinreichend schlüssig darlegen, dass er- hebliche wirtschaftliche Schäden oder Gefahren für die Gesundheit von Menschen drohen. Im Eilverfahren kann nicht geklärt werden, wie konkret diese Gefahren sind und ob es andere Möglichkeiten gäbe, eine zufriedenstellende Lösung zu finden. Damit sind die Erfolgsaussichten als of- fen einzustufen. Da jedoch in all diesen Bereichen Gefah- ren für Leben und Gesundheit von Menschen oder schwere Eigentumsverletzungen drohen, während es auf der ande- ren Seite ausgeschlossen erscheint, dass durch den Abschuss von geschätzt bis zu 35 Bibern die Biberpopulation nach- haltig und unrettbar negativ beeinträchtigt wird, war die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage bezüglich dieser Bereiche nicht wiederherzustellen. In diesen Fällen überwiegt das Gewicht der gefährdeten Rechtsgüter die Belange des Artenschutzes. DOI: 10.1007/s10357-013-2438-x Verbot der Reusenfischerei im Steinhuder Meer; Vereitelung eines naturschutzrechtlichen Mitwirkungsrechts BNatSchG § 34 Abs. 1, § 63 Abs. 2 1. Bei der im Steinhuder Meer ausgeübten Reusen- fischerei handelt es sich um ein Projekt i. S. v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG. 2. Eine anerkannte Naturschutzvereinigung kann zur Durchsetzung ihres Mitwirkungsrechts aus § 63 Abs. 2 NuR (2013) 35: 287–293 287 Rechtsprechung 123

Verbot der Reusenfischerei im Steinhuder Meer; Vereitelung eines naturschutzrechtlichen Mitwirkungsrechts

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der Staatsstraße), 9 (Unterminierung der Zufahrt zu einem Gehöft), 10 (Unterminierung des Kinderspielplatzes) und 14 (Überlaufen des Wassers in besiedelte Gebiete) der All-gemeinverfügung beschrieben sind.

§ 2 Abs.  3 AAV verlangt darüber hinaus, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung für die zu bewäl-tigende Situation gibt. Die AAV greift damit wieder die Terminologie der FFH-Richtlinie auf, während § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG von „zumutbaren Alternativen“ als Aus-schlussgrund für eine Ausnahme spricht. Eine anderwei-tige zufriedenstellende Lösung ist dann gegeben, wenn die durch den Biber verursachten Schäden oder Gefahren auch auf andere Art und Weise vermieden werden können. In dieser Formulierung kommt zum Ausdruck, dass dann, wenn Präventivmaßnahmen möglich sind, diesen Vorrang vor dem Abschuss und Abfang der Tiere zukommt. Die Tötung der Biber darf lediglich als ultima ratio in Betracht gezogen werden.

Zum Entscheidungszeitpunkt ist es (noch) als offen ein-zuschätzen, ob hinsichtlich jedes von der Allgemeinverfü-gung betroffenen Gebietes keine anderweitige zufrieden-stellende Lösungsmöglichkeit besteht. Der Antragsgegner hat für die betroffenen Gebiete nicht in ausreichender Weise dargelegt, warum keine der möglichen Präventivmaßnah-men zu einem Erfolg geführt hat bzw. führen wird. Hin-sichtlich der Einbruchgefahren wurde beispielsweise nicht aufgezeigt, ob die Brachlegung eines Schutzstreifens von zehn Metern versucht wurde, die ungefähr 95 Prozent der Einbrüche verhindert (vgl. Anlage  1 zu den Richtlinien zum Bibermanagement S. 1). Gleiches gilt für die Errich-tung von Biberdrainagen, um Vernässungen zu verhindern und die Möglichkeit, die Kosten der ständigen Damment-fernung durch den Bau von Elektrozäunen zu minimieren.

Ob ein Grundstück in das Bayerische Vertragsnatur-schutzprogramm (VNP) aufgenommen werden kann oder nicht, spielt hingegen nur eine untergeordnete Rolle. So-fern das VNP als Entschädigungsinstrument dient, ist es im vorliegenden Fall ohne Belang, da eine Entschädigung erst dann stattfinden soll, wenn Präventivmaßnahmen oder Zugriffsmaßnahmen keinen Erfolg zeigen und es trotzdem zu einem Schaden kommt (vgl. Richtlinien zum Biberma-nagement S. 13). Sofern das VNP Fördermöglichkeiten von Präventionsmaßnahmen bietet, reicht es nicht aus, lediglich darauf zu verweisen, dass eine Förderung nicht möglich sei. Es ist nämlich durchaus denkbar, dass den Anliegern Prä-ventivmaßnahmen auch ohne Förderung zugemutet wer-den können (z. B. Brachlegung eines Schutzstreifens). Die Fördermöglichkeit erweitert lediglich den Kreis der zu-mutbaren Maßnahmen. Im Übrigen stellt das VNP nicht das einzige Förderprogramm dar (vgl. die in Anlage 1 der Richtlinien zum Bibermanagement aufgeführten Förder-möglichkeiten).

Zudem spricht viel dafür, dass das Fehlen einer zeitlichen Begrenzung der Allgemeinverfügung gegen das Erforder-nis verstößt, nur unbedingt notwendige Eingriffe vorzu-nehmen. An einzelnen Stellen, an denen der Biber generell unerwünscht ist und andere Maßnahmen nicht fruchten, kann eine zeitliche Begrenzung nicht notwendig sein, doch hat der Antragsgegner auch angegeben, dass bei dem Gra-bensystem nördlich der …seen, der … und der … (…) lang-fristige Maßnahmen denkbar sind. In diesen Fällen mag zwar der Abschuss der Biber zur Überbrückung der Zeit, bis die Maßnahmen greifen, eine akzeptable Lösung dar-stellen. Dann drängt sich jedoch eine zeitliche Beschrän-kung der Ausnahme auf. Im Ergebnis deutet dies darauf hin, dass die bloße Möglichkeit der Aufhebung der All-gemeinverfügung den hohen Anforderungen der FFH-Richtlinie nicht genügt.

Bei einer Biberpopulation von 120 Revieren im Landkreis … stellt der Abschuss von Bibern an 15 Gewässern zwar keinen unbedeuten-den, aber doch einen den Erhaltungszustand des Bibers nicht gefähr-

denden Eingriff dar. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung der Re-duzierung der Zahl der Biber durch anderweitige Tötungen (z. B. im Straßenverkehr). Der Einschätzung der unteren Naturschutzbehörde als Fachbehörde kommt hierbei ein besonderes Gewicht zu.

(3) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann davon ausgegangen werden, dass – wenn die Tatbe-standsvoraussetzungen gegeben sind – das Ermessen in-tendiert ist (Lau in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, § 45 Rdnr. 13). Das Fehlen eines ausgearbeiteten Biberkonzepts führt vorliegend nicht dazu, dass der Abschuss und Abfang der Biber schon aus rechtlichen Gründen als verfrüht an-zusehen ist. Zur Abwehr erheblicher Gefahren für grund-rechtlich geschützte Rechtsgüter können Maßnahmen er-griffen werden, auch wenn ein flächendeckendes Konzept noch nicht erstellt ist.

b) Hinsichtlich der in Anlagen 1, 3, 4, 5, 8, 11, 12 und 13 der Allgemeinverfügung beschriebenen Gewässer über-wiegt das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse, da zu wenige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Biber sol-che Schäden verursacht hat bzw. in naher Zukunft tatsäch-lich verursachen wird, die geeignet sind, eine artenschutz-rechtliche Ausnahme zu rechtfertigen. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass in diesen Bereichen erhebliche wirtschaftliche Schäden drohen könnten, wenn die auf-schiebende Wirkung der Anfechtungsklage wieder herge-stellt wird. Aus den vorgelegten Unterlagen ergeben sich jedoch keine konkreten Hinweise darauf, dass die Schäden durch Vernässung derartige Ausmaße annehmen würden, dass sie die wirtschaftliche Grundlage von einzelnen forst- oder landwirtschaftlichen Betrieben bedrohen würden. So-fern bisher Schäden aufgetreten sind, konnten diese mini-miert oder entschädigt werden oder wurden hingenommen. Gefahren für die Gesundheit von Menschen wurden nicht vorgetragen. In dieser Situation ergeben sich unter Berück-sichtigung der Sozialbindung des Eigentums nicht genü-gend Anhaltspunkte, die dafür sprechen, die aufschiebende Wirkung aufrecht zu erhalten, obwohl gewichtige Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung bestehen.

Hinsichtlich der in den Anlagen 2, 6, 7, 9, 10, 14 und 15 der Allgemeinverfügung bezeichneten Gebiete konnte der Antragsgegner hinreichend schlüssig darlegen, dass er-hebliche wirtschaftliche Schäden oder Gefahren für die Gesundheit von Menschen drohen. Im Eilverfahren kann nicht geklärt werden, wie konkret diese Gefahren sind und ob es andere Möglichkeiten gäbe, eine zufriedenstellende Lösung zu finden. Damit sind die Erfolgsaussichten als of-fen einzustufen. Da jedoch in all diesen Bereichen Gefah-ren für Leben und Gesundheit von Menschen oder schwere Eigentumsverletzungen drohen, während es auf der ande-ren Seite ausgeschlossen erscheint, dass durch den Abschuss von geschätzt bis zu 35 Bibern die Biberpopulation nach-haltig und unrettbar negativ beeinträchtigt wird, war die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage bezüglich dieser Bereiche nicht wiederherzustellen. In diesen Fällen überwiegt das Gewicht der gefährdeten Rechtsgüter die Belange des Artenschutzes.

DOI: 10.1007/s10357-013-2438-x

Verbot der Reusenfischerei im Steinhuder Meer; Vereitelung eines naturschutzrechtlichen MitwirkungsrechtsBNatSchG § 34 Abs. 1, § 63 Abs. 2

1. Bei der im Steinhuder Meer ausgeübten Reusen­fischerei handelt es sich um ein Projekt i. S. v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG.

2. Eine anerkannte Naturschutzvereinigung kann zur Durchsetzung ihres Mitwirkungsrechts aus § 63 Abs. 2

NuR (2013) 35: 287–293 287Rechtsprechung

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Nr. 5 BNatSchG die Unterlassung eines Projekts i. S. v. § 34 Abs.  1 Satz  1 BNatSchG schon dann verlangen, wenn die erforderliche Verträglichkeitsprüfung unter­blieben ist.

3. Abweichungsentscheidungen i. S. v. § 34 Abs.  3 BNatSchG fallen unter den Begriff der Befreiung i. S. v. § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG.VG Hannover, Urteil vom 31. 1. 2013 – 4 A 5418/12 –

Die Beteiligten streiten um naturschutzrechtliche Mitwirkungs-rechte des Klägers im Zusammenhang mit der Reusenfischerei im Steinhuder Meer. Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklag-ten, die Reusenfischerei im Steinhuder Meer bis zum Abschluss ei-ner Verträglichkeitsprüfung zu untersagen bzw. nur noch zuzulas-sen, soweit die eingesetzten Reusen mit technischen Vorrichtungen ausgestattet werden, welche die Tötungsgefahr von Fischottern aus-schließen.

Das Steinhuder Meer mit seinen Randbereichen ist in die Liste nach Art. 4 Abs. 1 UAbs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. 5. 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. EG Nr. L 206 S. 7), zu-letzt geändert durch die Richtlinie des Rates vom 20. 11. 2006 (ABl. EU Nr. L 363 S.  368) – im Folgenden: FFH-Richtlinie –, aufge-nommen worden (Gebiet DE3420331 im Anhang zu dem Beschluss der Kommission vom 18. 11. 2011 über die Annahme einer fünften aktualisierten Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeu-tung in der atlantischen biogeografischen Region (ABl. EU Nr. L 11 vom 13. 1. 2012, S. 1 [9]) und damit ein Gebiet von gemeinschaft-licher Bedeutung nach § 7 Abs.  1 Nr. 6 des Bundesnaturschutzge-setzes (BNatSchG) sowie ein Natura 2000-Gebiet nach § 7 Abs.  1 Nr. 8 BNatSchG. Es wird in Niedersachsen landesintern als FFH-Gebiet 94 geführt. Eine nationale Unterschutzstellung im Sinne des § 32 Abs. 2 bis 4 BNatSchG ist noch nicht erfolgt.

Nach den vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirt-schaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) im Internet veröffent-lichten Informationen gehört beim FFH-Gebiet 94 (Steinhuder Meer) zu den wertbestimmenden Lebensraumtypen nach Anhang  I der FFH-Richtlinie u. a. der Typ 3150 („Natürliche eutrophe Seen mit einer Vegetation des Magnopotamions oder Hydrocharitions“). Der Fischotter (Lutra lutra), der in den Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie aufgeführt und deshalb eine streng geschützte Art nach § 7 Abs. 2 Nr. 14 BNatSchG ist, gehört für dieses FFH-Gebiet zwar nicht zu den wertbestimmenden Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie, ist jedoch für den Lebensraumtyp 3150 charakteristisch (Dokument „Wertbestimmende Lebensraumtypen und Arten der FFH-Gebiete Niedersachsens …“ [Stand: 1. 12. 2009] auf www.nlwkn.niedersach-sen.de unter „Naturschutz“/„Natura 2000“/„Downloads zu Natura 2000“, dort S. 54, sowie Dokument „Natürliche und naturnahe nähr-stoffreiche Stillgewässer mit Laichkraut- oder Froschbiss-Gesellschaf-ten  …“ [Stand: November 2011] auf www.nlwkn.niedersachsen.de unter „Naturschutz“/„Tier- und Pflanzenartenschutz“/„Vollzugshin-weise Arten und Lebensraumtypen“, dort S. 3). Der Lebensraumtyp 3150 umfasst 50,27 % der Fläche des FFH-Gebietes und damit prak-tisch die gesamte Fläche des Steinhuder Meeres, welches 51 % der Ge-samtfläche des FFH-Gebietes ausmacht (Dokument „FFH-094 …“ im Ordner „Vollständige Gebietsdaten aller FFH-Gebiete …“ [Stand: August 2011] auf www.nlwkn.niedersachsen. de unter „Naturschutz“/„Natura 2000“/„Downloads zu Natura 2000“).

Am Steinhuder Meer waren über viele Jahrzehnte keine Fischotter angesiedelt. Nach Angaben des Klägers ließen sich im Jahr 2010 im Rahmen der Wiederausbreitung wieder Einzeltiere am Steinhuder Meer nieder. Erstmals im Mai 2010 sind dort anhand von Fotofallen einzelne Fischotter nachgewiesen worden. Die Anzahl der Tiere ist nicht bekannt.

Der Kläger ist eine 2009 vom Bund nach § 3 des Umwelt-Rechts-behelfsgesetzes (UmwRG) anerkannte Naturschutzvereinigung und war zuvor bereits 1992 als Verein nach § 29 BNatSchG in der bis zum 3. 4. 2002 geltenden Fassung vom Land Niedersachsen aner-kannt worden. Zu seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich gehört es u. a., Fischotter vor dem Aussterben zu bewahren und ihr Überle-ben in Koexistenz mit dem Menschen in einer gemeinsamen Mitwelt nachhaltig zu sichern.

Die Beklagte ist die für das Gebiet des Steinhuder Meeres zustän-dige untere Naturschutzbehörde bzw. für Naturschutz und Land-schaftspflege zuständige Behörde.

Das Land Niedersachsen ist Eigentümer des Steinhuder Meeres, sodass ihm das Fischereirecht nach § 1 des Niedersächsischen Fische-reigesetzes (Nds. FischG) zusteht.

Die Beigeladenen schließen regelmäßig mit dem Land Nieder-sachsen Fischereipachtverträge ab und üben auf dieser Grundlage seit Jahrzehnten die Reusenfischerei am Steinhuder Meer aus. Dabei set-zen sie zwischen März und Oktober etwa 550 Reusen im Steinhuder Meer ein. In den Wintermonaten ruht die Reusenfischerei.

Aus den Gründen:

Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt dem Kläger

nicht die Klagebefugnis. Diese Zulässigkeitsvorausset-zung ist nur dann nicht erfüllt, wenn subjektive Rechte des Klägers offensichtlich und eindeutig nach keiner Be-trachtungsweise verletzt sein können (vgl. BVerwG, Urt. v. 28. 2. 1997 – 1 C 29.05, BVerw GE 104, 115). Sie dient dazu, Popularklagen zu verhindern (vgl. BVerwG, Urt. v. 6. 2. 1986 – 5  C 40.84, BVerw GE 74, 1). Dagegen ist es nicht ihr Sinn, ernsthaft streitige Fragen über das Beste-hen eines subjektiven Rechts, von deren Beantwortung der Klageerfolg abhängen kann, bereits vorab im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zu klären (vgl. BVerwG, Urt. v. 26. 11. 2003 – 9 C 6.02, DVBl. 2004, 382).

Der Kläger macht eine Verletzung seiner Mitwirkungs-rechte nach § 63 Abs.  2 Nr.  5 BNatSchG in Verbindung mit § 34 Abs.  3 BNatSchG geltend. Er hat nachvollzieh-bar dargelegt, dass die Reusenfischerei nur aufgrund einer Abweichungsentscheidung gemäß § 34 Abs. 3 BNatSchG, an der er zu beteiligen sei, zulässig sei. Ob eine Abwei-chungsentscheidung überhaupt ein Mitwirkungsrecht einer anerkannten Naturschutzvereinigung begründet, ist in der Literatur umstritten. Auch ob hier überhaupt eine Abwei-chungsentscheidung – an der der Kläger dann möglicher-weise zu beteiligen wäre – erforderlich ist, ist zwischen den Beteiligten streitig. Eine Abweichungsentscheidung wäre nur erforderlich, wenn die Beklagte nach Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung im Sinne von § 34 Abs.  2 BNatSchG die Unverträglichkeit der Reusenfischerei fest-stellen würde. Eine Verträglichkeitsprüfung wiederum wäre nur dann erforderlich, wenn man im Rahmen eines sog. FFH-Screenings im Sinne von § 34 Abs. 1 BNatSchG zu dem Ergebnis käme, die Reusenfischerei sei beeinträch-tigungsgeneigt. Ob hier ein Mitwirkungsrecht des Klä-gers bei Abweichungsentscheidungen besteht und ob die-ses Mitwirkungsrecht schon dann verletzt ist, wenn es zu einem Abweichungsverfahren nicht kommt, weil die Be-hörde bereits das vorgeschaltete FFH-Screening und die im Anschluss – je nach Ergebnis des Screenings – ggf. erfor-derliche Verträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt hat, hängt somit von mehreren ernsthaft streitigen Fragen ab. Die Beantwortung dieser Fragen ist der Prüfung im Rah-men der Begründetheit vorbehalten. Jedenfalls ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein Mitwirkungsrecht des Klägers verletzt ist.

Taugliches Mittel zur Durchsetzung des Mitwirkungs-rechts ist die sog. Mitwirkungs- oder Partizipationserzwin-gungsklage (vgl. hierzu Gellermann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Band II, Stand: 1. 6. 2012, § 64 Rdnr. 37). Hinter dieser von der Rechtsprechung entwi-ckelten Klageform steht die Idee, dass die Behörde durch ihr Handeln keine vollendeten Tatsachen schaffen darf, bevor eine anerkannte Naturschutzvereinigung Gelegen-heit hatte, von einem ihrer Mitwirkungsrechte nach § 63 BNatSchG Gebrauch zu machen (vgl. hierzu OVG Lüne-burg, Beschl. v. 15. 12. 2008 – 4 ME 315/08, juris Rdnr. 4).

Die somit zulässige Klage ist auch begründet.Der Kläger kann von der Beklagten verlangen, dass diese

die Reusenfischerei bis zum Abschluss einer Verträglich-keitsprüfung gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG untersagt, so-weit keine Reusen eingesetzt werden, die mit technischen Schutzvorrichtungen ausgestattet sind, die geeignet sind, die Gefahr der Tötung von Fischottern auszuschließen. Dieser Anspruch leitet sich aus dem Mitwirkungsrecht des Klägers aus § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG her und kann von

Rechtsprechung

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der Beklagten im Verhältnis zu Dritten – wie den Beige-ladenen – auf Grundlage von § 34 Abs. 6 Satz 4 BNatSchG erfüllt werden.

Nach § 63 Abs.  2 Nr.  5 BNatSchG ist einer nach § 3 UmwRG von einem Land anerkannten Naturschutzverei-nigung, die nach ihrer Satzung landesweit tätig ist, vor Er-teilung einer Befreiung von einem Verbot zum Schutz eines Natura 2000-Gebietes Gelegenheit zur Stellungnahme und Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben, soweit sie durch das Vorhaben in ihrem satzungsmä-ßigen Aufgabenbereich berührt wird.

Der Kläger erfüllt die persönlichen Voraussetzungen für dieses Mitwirkungsrecht. Er ist zwar nach § 3 UmwRG (nur) vom Bund anerkannt worden (vgl. § 63 Abs. 1 BNatSchG). Nach § 74 Abs. 3 BNatSchG gilt § 63 BNatschG jedoch u. a. auch für Vereine, die nach § 29 BNatSchG in der bis zum 3. 4. 2002 geltenden Fassung vom Bund oder von den Län-dern anerkannt worden sind. Der Kläger ist 1992 als Ver-ein nach § 29 BNatSchG in der bis zum 3. 4. 2002 geltenden Fassung anerkannt worden.

Die übrigen persönlichen Voraussetzungen des Mitwir-kungsrechts nach § 63 Abs.  2 BNatSchG liegen ebenfalls vor. Der Fischotterschutz gehört zum satzungsmäßigen Aufgabenbereich des Klägers. Zudem ist er landesweit tätig.

Der Kläger ist damit vor Erteilung einer Befreiung von einem Verbot zum Schutz eines Natura 2000-Gebietes zu beteiligen. Dieses Mitwirkungsrecht hat die Beklagte ver-eitelt, indem sie das an sich erforderliche naturschutzrecht-liche Prüfverfahren gemäß § 34 BNatSchG von vornherein nicht durchgeführt hat und deshalb die Reusenfische-rei gegenwärtig duldet, obwohl sie bei ordnungsgemäßer Durchführung des Verfahrens möglicherweise eine vom Mitwirkungsrecht des Klägers umfasste Abweichungsent-scheidung hätte treffen müssen.

Vor „Zulassung“ der Reusenfischerei hätte die Be-klagte ein Verfahren nach § 34 Abs. 6 BNatSchG durch-führen müssen, da es sich bei der Reusenfischerei um ein Projekt im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG han-delt, das geeignet ist, ein Natura 2000-Gebiet erheblich zu beeinträchtigen (vgl. hierzu unter 1.) und das keiner behördlichen Entscheidung bedarf (vgl. hierzu unter 2.). Ausgehend davon musste die Beklagte eine FFH-Verträg-lichkeitsprüfung nach § 34 Abs.  2 BNatSchG durchfüh-ren. Käme sie danach zu dem Ergebnis, dass das Vorha-ben nach § 34 Abs. 2 NNatSchG unverträglich und damit unzulässig ist, dürfte sie nur dann nach § 34 Abs. 6 Satz 5 BNatSchG von einer Untersagung der Reusenfischerei absehen, wenn die Voraussetzungen nach § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG vorliegen. Dies erfordert eine Prüfung, ob die Abweichungsvoraussetzungen nach § 34 Abs. 3 BNatSchG vorliegen (vgl. hierzu unter 3.). An dieser Abweichungs-entscheidung wäre der Kläger zu beteiligen gewesen, weil auch Abweichungsentscheidungen nach § 34 Abs. 3 BNatSchG unter den Begriff der Befreiung im Sinne von § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG fallen (vgl. hierzu unter 4.). Es lässt sich zwar nicht abschließend feststellen, ob nach dem Ergebnis einer (erst noch durchzuführenden) Ver-träglichkeitsprüfung eine Abweichungsentscheidung im Sinne von § 34 Abs. 3 BNatSchG erforderlich sein wird. Da aber nicht auszuschließen ist, dass die Reusenfischerei unzulässig im Sinne von § 34 Abs. 2 BNatSchG ist mit der Folge, dass sie nur im Rahmen einer vom Mitwirkungs-recht des Klägers umfassten Abweichungsentscheidung im Sinne von § 34 Abs. 3 BNatSchG ausgeübt werden kann, ist der Kläger hier schon deshalb in seinen Rechten ver-letzt, weil die Beklagte das vorgeschriebene naturschutz-rechtliche Verfahren umgangen hat und auf die Weise das mögliche Mitwirkungsrecht des Klägers von vornherein vereitelt hat (vgl. hierzu unter 5.).

1. Die Beklagte hätte vor Absehen von einer Untersa-gung der Reusenfischerei ein Verfahren nach § 34 Abs. 6 BNatSchG durchführen müssen. Bei der Reusenfischerei

handelt es sich um ein Projekt im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG.

Obwohl Projekte den zentralen Regelungsgegenstand von § 34 BNatSchG bilden, wird dieser zuvor in § 10 Abs. 1 Nr. 11 BNatSchG a. F. gesetzlich bestimmte Begriff im ak-tuellen Bundesnaturschutzgesetz nicht mehr definiert. Der Gesetzgeber hat in Reaktion auf die Beanstandung des aus Sicht des EuGH (vgl. Urt. v. 10. 1. 2006 – C 98/03, juris Rdnr. 42 ff.) zu eng gefassten Projektbegriffs die Legalde-finition aufgehoben und den Begriff nicht neu im Gesetz bestimmt. Artikel 6 Abs. 3 Satz 1 der FFH-Richtlinie ent-hält ebenfalls keine Definition des Projektbegriffs. Anhalts-punkte für eine Definition liefert aber die Rechtsprechung des EuGH, der sich an die Definition des Artikels 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. 6. 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Richtlinie) an-lehnt (vgl. Urt. v. 7. 9. 2004 zur Herzmuschelfischerei – C-127/02, juris Rdnr. 24). Nach Artikel 1 Abs. 2 der UVP-Richtlinie umfasst der Begriff „Projekt“ „die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen und sonstige Ein-griffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen“.

Eine Tätigkeit wie die mechanische Herzmuschelfische-rei sieht der EuGH vom Begriff „Projekt“ erfasst, da sie unter die Tätigkeiten falle, die die Umwelt beeinträchtigen könnten. Nichts anderes gilt für die Reusenfischerei.

Der Einwand der Beigeladenen, dass nach der Begrün-dung des Gesetzentwurfs zum BNatSchG land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung in der Regel den Projektbegriff nicht erfüllen soll, trifft zwar zu (vgl. hierzu BT-Drs.  16/6780, S.  9 f.). Wie die Formulierung „in der Regel“ klarstellt, kann im Einzelfall Anderes gel-ten. Der EuGH lässt eine Einschränkung des Projektbe-griffs zugunsten u. a. der Fischereiwirtschaft ausdrücklich nicht zu (vgl. Urt. v. 10. 1. 2006 – C-98/03, NVwZ 2006, 319). § 10 Abs.  1 Nr.  11 in Verbindung mit § 18 Abs.  2 BNatSchG 2002 nahm die land-, forst- und fischereiwirt-schaftliche Bodennutzung von dem Projektbegriff aus. Dies hat der EUGH beanstandet und hierzu ausgeführt (Urt. v. 10. 1. 2006, a. a. O., Rdnr. 41):

„Die Voraussetzung, von der die Prüfung von Plänen oder Projekten auf ihre Verträglichkeit mit einem bestimmten Gebiet abhängt und nach der bei Zweifeln hinsichtlich des Fehlens hinsichtlich erheblicher Auswirkungen eine solche Prüfung zu erfolgen hat, verwehrt es, von dieser Prüfung, wie in § 10 Abs. 1 Nr. 11 Buchst. b BNatSchG i. V. m. § 18 BNatSchG 2002 sowie in § 10 Abs. 1 Nr. 11 Buchstabe c BNatSchG 2002 geschehen, bestimmte Kategorien von Projekten anhand von Kriterien auszunehmen, die nicht geeignet sind, zu gewährleisten, dass die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der Schutzgebiete durch die fraglichen Projekte ausgeschlossen ist.“

Der als Reaktion auf diese Entscheidung vorgelegte Ent-wurf der Bundesregierung zur Änderung des Bundesna-turschutzgesetzes sah zunächst in § 10 Abs. 1 Nr. 11 einen Projektbegriff vor, nach dem die land-, forst- und fische-reiwirtschaftliche Bodennutzung kein Projekt sein sollte (vgl. BT-Drs. 16/5100, S. 5). Auf den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD wurde § 10 Abs. 1 Nr. 11 jedoch mit der Begründung aufgehoben, dass Ein-schränkungen des Projektbegriffs zugunsten der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft nach der Rechtsprechung des EuGH nicht zulässig seien (vgl. BT-Drs.  16/6780, S.  9 f.). Deshalb finden sich lediglich in der Begründung noch Ausführungen hierzu. Daraus folgt: Selbst wenn die Reusenfischerei den Anforderungen des § 5 BNatSchG ge-nügen und die Grundsätze der guten fachlichen Praxis für die Fischereiwirtschaft beachten würde, ist der Projektbe-griff gleichwohl erfüllt, wenn im Einzelfall eine Beein-trächtigung eines FFH-Gebiets nicht ausgeschlossen wer-den kann, was hier im Hinblick auf die Möglichkeit des Einschwimmens von Fischottern in die Reusen der Fall ist.

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Entscheidend für das Vorliegen eines Projekts ist nach der zitierten Entscheidung des EuGH (Urt. v. 10. 1. 2006 – 9 C 98/03, a. a. O.), ob eine Tätigkeit zu erheblichen Beein-trächtigungen der Umwelt in einem FFH-Gebiet führen kann. Projekte sind daher auswirkungsbezogen zu fassen (vgl. Frenz/Müggenborg, BNatSchG, Kommentar, 2011, § 34 Rdnr. 28). Unter diesen sehr weit gefassten Projektbegriff fällt auch die Reusenfischerei, da sie geeignet ist, das Na-tura-2000-Gebiet (Steinhuder Meer) zu beeinträchtigen:

Das Steinhuder Meer ist ein Natura 2000-Gebiet nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 in Verbindung mit Nr. 6 BNatSchG. Es ist mit seinen Randbereichen in die Liste nach Art. 4 Abs. 2 UAbs. 3 der FFH-Richtlinie aufgenommen worden. Ge-mäß § 7 Abs. 1 Nr. 6 BNatSchG ist es unerheblich, dass ein Schutz im Sinne des § 32 Abs. 2 bis 4 BNatSchG noch nicht gewährleistet ist.

Die Reusenfischerei ist im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG geeignet, dieses FFH-Gebiet erheblich zu be-einträchtigen. Ein Projekt ist bereits dann geeignet, ein FFH-Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, wenn anhand objektiver Umstände nicht ausgeschlossen werden kann, dass das betreffende Projekt das fragliche Gebiet erheblich beeinträchtigt (vgl. EuGH, Urt. v. 7. 9. 2004 – C-127/02, a. a. O.). Dabei ist die Erheblichkeit der Auswirkung von Projekten im Hinblick auf die für dieses Gebiet festgeleg-ten Erhaltungsziele zu prüfen (EUGH, Urt. v. 7. 9. 2004 – C-127/02, juris Rdnr. 44 ff.). Grundsätzlich ist jede Beein-trächtigung eines Erhaltungsziels erheblich (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. 1. 2007 – 9 A 20.05, juris, Rdnr. 41).

Die Erhaltungsziele sind vor Unterschutzstellung nach § 32 Abs. 2 bis 4 BNatSchG den der Gebietsmeldung zu-grunde liegenden Standard-Datenbögen zu entnehmen. Nach den vom NLWKN im Internet veröffentlichten In-formationen gehört beim FFH-Gebiet 94 (Steinhuder Meer) zu den wertbestimmenden Lebensraumtypen nach Anhang  I zur FFH-Richtlinie u. a. der Typ 3150 („Na-türliche eutrophe Seen mit einer Vegetation des Magno-potamions oder Hydrocharitions“). Der Fischotter gehört für dieses FFH-Gebiet zwar nicht zu den wertbestimmen-den Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie, ist jedoch für den Lebensraumtyp 3150 charakteristisch. Der Lebens-raumtyp 3150 umfasst 50,27 % der Fläche des FFH-Gebie-tes und damit praktisch die gesamte Fläche des Steinhuder Meeres, welches 51 % der Gesamtfläche des FFH-Gebietes ausmacht.

Als charakteristische Art des Lebensraumtyps 3150 ge-hört der Fischotter zu den für die Erhaltungsziele des FFH-Gebietes maßgeblichen Bestandteilen. Die Arten, aufgrund derer das Gebiet ausgewählt wurde, sowie als Bestandteile der geschützten Lebensraumtypen „die darin vorkommen-den charakteristischen Arten“ (vgl. Artikel  1 Buchst. e der FFH-Richtlinie) zählen zu den für die Erhaltungs-ziele maßgeblichen Arten. Während das Bundesverwal-tungsgericht in seinem Urteil vom 17. 1. 2007 (– 9 A 20.05, juris Rdnr. 77) noch davon ausging, dass Lebensraumty-pen und Arten, die im Standard-Datenbogen nicht genannt sind, kein Erhaltungsziel des Gebiets darstellen können, stellt es in seinem Urteil vom 12. 3. 2008 (– 9 A 3.06, juris Rdnr. 79) ausdrücklich klar, dass die charakteristischen Ar-ten eines Lebensraums zu den für die Erhaltungsziele maß-geblichen Bestandteilen auch dann gehören, wenn diese im Standard-Datenbogen nicht gesondert als Erhaltungsziele benannt sind. Dem schließt sich die Kammer an.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass Fischotter in den Reusen zu Tode kommen, ist die Reusenfischerei ge-eignet, den Zustand der Fischotterpopulation am Stein-huder Meer erheblich zu beeinträchtigen. Infolge der ver-muteten sehr kleinen Population kann, wie der Kläger überzeugend dargelegt hat, auch eine geringe Zahl getö-teter Fischotter die Entwicklung der Population erheblich stören oder sogar vollständig zum Erlöschen bringen. Die Reusenfischerei ist damit im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1

BNatSchG beeinträchtigungsgeneigt mit der Folge, dass eine FFH-Verträglichkeitsprüfung (Art.  6 Abs.  3 Satz  1 Hs. 2 der FFH-Richtlinie bzw. § 34 Abs. 2 BNatSchG) er-forderlich ist, die mit einer sorgfältigen Bestandserfassung und -bewertung der von dem Projekt betroffenen maßgeb-lichen Gebietsbestandteile einhergehen muss.

Der Auffassung der Beigeladenen, bei einem Projekt müsse es sich immer um auf die Zukunft gerichtete Vor-haben richten, so dass die seit Jahrzehnten ausgeübte Reu-senfischerei am Steinhuder Meer nicht unter den Projekt-begriff fallen könne, kann nicht gefolgt werden. Der EuGH hat in seinem Urteil zur Herzmuschelfischerei den Begriff des Projekts im Sinne von Artikel 6 Abs. 3 der FFH-Rich-linie als „Eingriff in Natur und Landschaft“ definiert und darunter auch solche Tätigkeiten fallen lassen, die seit vie-len Jahren im betreffenden Gebiet ausgeübt werden, für die jedoch jedes Jahr erneut eine befristete Genehmigung er-teilt wird (vgl. Urt. v. 7. 9. 2004 – C-127/02, a. a. O.). In sei-nem Urteil vom 14. 1. 2010 (– C-226/08, juris Rdnr. 40 ff.) hat der EuGH klargestellt, dass auch wiederkehrende Ein-griffe, die nach nationalem Recht bereits endgültig und unbefristet genehmigt wurden, unter den Projektbegriff fallen. Zur Begründung hat der EuGH ausgeführt, dass an-dernfalls Tätigkeiten, die das FFH-Gebiet erheblich be-einträchtigen könnten, einer Prüfung auf Verträglichkeit von vornherein auf Dauer entzogen wären, was dem be-sonderen Schutzgedanken der FFH-Gebiete widerspräche. Gründe der Rechtssicherheit oder des Vertrauensschut-zes stünden dem nicht entgegen. Auch dieser Auffassung schließt sich die Kammer an.

2. Die Vorschriften in § 34 Abs. 1 bis 5 BNatSchG kom-men nicht (unmittelbar) zur Anwendung, weil das Projekt Reusenfischerei keiner Zulassung durch eine behördliche Entscheidung bedarf, sodass auch die weitere Voraussetzung des § 34 Abs. 6 Satz 1 BNatSchG erfüllt ist. Die Reusenfi-scherei erfolgt ausschließlich auf Grundlage der zwischen den beigeladenen Fischereibetrieben und dem Land Nie-dersachsen abgeschlossenen Fischereipachtverträgen. Diese stellen aber keine behördlichen Zulassungsentscheidungen dar, sondern sind rein privatrechtlicher Natur. Das Fische-reirecht besteht kraft Gesetzes gemäß § 1 Nds. FischG. Es bedarf keines Zulassungs- oder sonstigen Genehmigungs-verfahrens. Auch mit der Übertragung des Fischereirechts vom Land Niedersachsen an die beigeladenen Fischereibe-triebe ist keine Zulassung verbunden. Vielmehr überträgt das Land Niedersachsen die Fischereirechte aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages gemäß § 11 Nds. FischG.

3. Ausgehend davon müsste die Beklagte – ggf. aufgrund einer Anzeige der Fischer – eine FFH-Verträglichkeitsprü-fung nach § 34 Abs. 2 BNatSchG durchführen (vgl. Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der FFH-Richtlinie). Käme sie danach zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben nach § 34 Abs. 2 BNatSchG unzulässig ist, dürfte sie nur dann von einer Untersagung nach § 34 Abs. 6 Satz 5 BNatSchG absehen (und damit fak-tisch dem Projekt „zustimmen“; vgl. Art. 6 Abs. 3 Satz 2 der FFH-Richtlinie), wenn die Voraussetzungen nach § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG vorliegen. Dies erfordert eine Prüfung, ob die Abweichungsvoraussetzungen nach § 34 Abs.  3 BNatSchG gegeben sind. Diese Prüfung ist einer Abweichungsentscheidung bei unmittelbarer Anwendung des § 34 Abs. 3 BNatSchG gleichzustellen.

4. An dieser Abweichungsentscheidung wäre der Kläger zu beteiligen, weil auch Abweichungsentscheidungen nach § 34 Abs. 3 BNatSchG unter den Begriff der Befreiung im Sinne von § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG fallen.

Gegen eine Gleichsetzung der Befreiungsentscheidung mit einer Abweichungsentscheidung spricht zwar der Wort-laut der Norm. § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG verwendet den Begriff der Befreiung, wie er auch in § 67 BNatSchG ge-braucht wird. Das OVG Lüneburg hat den Begriff der Be-freiung in § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG 2002 (Vor-gängervorschrift von § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG 2009)

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eng verstanden. Nach Auffassung des OVG Lüneburg er-fasst er nur Behördenentscheidungen, die auf einer Er-mächtigung in einer Befreiungsvorschrift beruhen, nicht aber Ausnahmegenehmigungen auf anderer Grundlage (Beschl. v. 15. 12. 2008 – 4 ME 315/08, NVwZ-RR 2009, 412). Zur Begründung hat das OVG Lüneburg hierzu aus-geführt, dass der Gesetzgeber andernfalls nicht den Begriff der Befreiung gewählt hätte, der, wie aus § 62 BNatSchG (Vorgängervorschrift von § 67 BNatSchG) deutlich werde, für eine ganz bestimmte gesetzlich geregelte Art der Ab-weichung von einer Norm stehe, sondern einen allgemei-neren Begriff wie z. B. den der Ausnahme verwendet hätte.

Ganz überwiegend wird der Begriff der Befreiung im Sinne von § 63 Abs.  2 Nr.  5 BNatSchG jedoch – jeden-falls seit der Gesetzesänderung im Jahr 2009 – auch auf Abweichungen von habitatschutzrechtlichen Verbo-ten erstreckt (vgl. OVG Magdeburg, Urt. v. 12. 5. 2011 – 2  L 30/10, NuR 2011, 581; Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl., 2011, § 63 Rdnr. 25 ff.; Lütkes/Ewer, BNatSchG, 1. Aufl., 2011, § 63 Rdnr.  26; Frenz/Müggen-borg, BNatSchG, 1. Aufl., 2011, § 63 Rdnr. 26 sowie Gel-lermann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommen-tar, Stand: 15. 7. 2011, § 63 Rdnr. 27). Soweit Gassner (in: Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, 2. Aufl. 2003, § 60 Rdnr. 8) und Lorz/Müller/Stöckel (Na-turschutzrecht, 2. Aufl., 2003, § 60 Rdnr. 8) eine abwei-chende Auffassung vertreten, berücksichtigen diese Kom-mentierungen nur die alte Rechtslage. Danach sind – was europarechtlich geschützte Gebiete betrifft – unter „Befrei-ungen“ im Sinne von § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG auch Ab-weichungsentscheidungen nach § 34 Abs. 3 BNatSchG zu verstehen. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der Vorschrift:

§ 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG 2009 entspricht im Wesentlichen § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG 2002. Es wird nunmehr aber klarge-stellt, dass sich das Mitwirkungsrecht auch auf in die so genannte Ge-meinschaftsliste aufgenommene FFH-Gebiete und von der Europä-ischen Kommission benannte Vogelschutzgebiete bezieht, bei denen eine Unterschutzstellung noch nicht erfolgt ist (BT-Drs. 16/12274, S. 75). Der Wortlaut des § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG 2009 spricht zwar weiterhin – wie in der Vorgängervorschrift – von „Befreiun-gen“. Der Gesetzgeber wollte das Mitwirkungs- und Klagerecht der anerkannten Naturschutzvereinigungen gegenüber dem bisherigen Recht stärken, indem er es auf die in die Gemeinschaftsliste aufge-nommenen FFH-Gebiete erstreckte. Zu einer „echten Befreiungs-entscheidung“ kommt es aber nur im relativ unbedeutenden Fall der unzumutbaren Belastung durch ein Verbot im Sinne von § 33 Abs. 1 BNatSchG, während (die in der Praxis relevanten) Entscheidungen über Projekte nach § 34 BNatSchG nach dem Wortlaut nicht erfasst sind. Vor diesem Hintergrund liefe die Vereinsbeteiligung jedoch weitgehend ins Leere, wenn man den Begriff „Befreiung“ allein auf die Entscheidung nach § 67 BNatSchG bezöge. Die in die Liste auf-genommenen FFH-Gebiete sind durch die §§ 33 und 34 BNatSchG geschützt. Eine Befreiung im wörtlichen Sinne ist nur nach Maßgabe von § 67 Abs. 2 BNatSchG zulässig, d. h. von den Verboten des § 33 Abs. 1 BNatSchG. Bei der in der Praxis viel wichtigeren Fallgruppe der Zulassung eines unverträglichen Projekts im Sinne von § 34 BNatSchG ist hingegen keine Befreiung im wörtlichen Sinne, son-dern nur die Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG vorgesehen. Da die Gesetzesbegründung den Schutz der FFH-Ge-biete in den Mittelpunkt stellt, ist davon auszugehen, dass die Ab-weichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG einer Befreiung gleichzustellen ist. Der Gesetzesbegründung ist jedenfalls kein Hin-weis darauf zu entnehmen, dass sich das Mitwirkungsrecht im Hin-blick auf die in die Gemeinschaftsliste aufgenommenen FFH-Ge-biete nur auf den kleinen Teilbereich des § 33 Abs. 1 BNatSchG, aber gerade nicht auf die praxisrelevanten Abweichungsentscheidungen bei Plänen und Projekten nach § 34 Abs. 3 BNatSchG beziehen soll.

Die o. g. Entscheidung des OVG Lüneburg steht dieser Auslegung nicht entgegen, da sie sich auf die alte Rechts-lage bezieht.

Auch steht dieser Auslegung nicht der Einwand der Be-klagten entgegenstehen, dass die Entscheidung über eine

Befreiung von der zuständigen Naturschutzbehörde in ei-nem eigenständigen Verfahren getroffen werde und nicht Gegenstand eines selbständigen Bescheides sei, während die Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG nicht von der Naturschutzbehörde getroffen werde. Denn der Gesetzgeber hat in § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG 2009 ausdrücklich klargestellt, dass Befreiungen auch dann der Mitwirkung unterliegen, wenn diese durch eine andere Entscheidung eingeschlossen oder ersetzt werden. Ist für ein Projekt beispielsweise eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erforderlich, erteilt nicht die Naturschutz-behörde die Befreiung. Vielmehr wird diese von der im-missionsschutzrechtlichen Genehmigung erfasst.

Demnach ist nach Auffassung der Kammer eine Abwei-chungsentscheidung nach § 34 Abs.  3 BNatSchG mit ei-ner Befreiung nach § 67 BNatSchG gleichzusetzen mit der Folge, dass einer anerkannten Naturschutzvereinigung bei Abweichungsentscheidungen ein Mitwirkungsrecht nach § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG zusteht. Da – wie oben dar-gelegt – die hier erforderliche Prüfung nach § 34 Abs.  6 Satz 5 in Verbindung mit § 34 Abs. 3 BNatSchG einer Ab-weichungsentscheidung bei unmittelbarer Anwendung des § 34 Abs. 3 BNatSchG gleichgestellt ist, ist der Kläger hie-ran nach § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG zu beteiligen.

5. Dadurch, dass die Beklagte es bislang unterlassen hat, eine Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Abs. 1 BNatSchG durchzuführen, hat sie das sich ggf. anschließende Mitwir-kungsrecht des Klägers bei der Prüfung, ob die Voraus-setzungen nach § 34 Abs.  3 (in Verbindung mit Abs.  6) BNatSchG vorliegen, von vornherein umgangen. Die Auffassung, der Kläger sei schon beteiligt worden, weil er sich bereits zur Sache geäußert habe, greift nicht durch. Die Mitwirkung setzt voraus, dass zunächst das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 34 Abs. 2 BNatSchG von der Behörde festgestellt worden ist. Hieran fehlt es. Die Be-klagte hat zwar erwogen, die Reusenfischerei einzuschrän-ken; eine Verträglichkeitsprüfung, die eine umfassende Bestandsaufnahme und -bewertung erfordert (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 12. 3. 2008 – 9 A 3.06, juris Rdnr. 68), hat sie jedoch nicht vorgenommen.

Die bisherigen Äußerungen des Klägers gegenüber der Beklagten können im Übrigen auch deshalb nicht als Mit-wirkung im Sinne von § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG ver-standen werden, weil sich diese Mitwirkung nicht (in ers-ter Linie) auf die FFH-Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Abs. 1 BNatSchG und die sich ggf. anschließende Feststel-lung der Unverträglichkeit nach § 34 Abs. 2 BNatSchG als solche bezieht, sondern (im Wesentlichen) auf die Feststel-lung der Voraussetzungen für eine Abweichung nach § 34 Abs. 3 (und 4) BNatSchG. Konkret hierzu Stellung zu neh-men, ist dem Kläger, soweit ersichtlich, bisher nicht Gele-genheit gegeben worden.

Der Kläger kann verlangen, dass die Beklagte das Pro-jekt „Reusenfischerei“ nicht (wenn auch nur faktisch durch Absehen von einer Untersagung nach § 34 Abs.  6 Satz 5 BNatSchG) „legalisiert“, bis feststeht, ob ihm – dem Kläger  – ein Mitwirkungsrecht nach § 63 Abs.  2 Nr.  5 BNatSchG zusteht (was – nur – der Fall wäre, wenn die Beklagte nach einer Verträglichkeitsprüfung zu dem Er-gebnis käme, das Projekt sei grundsätzlich nach § 34 Abs. 2 BNatSchG unzulässig).

Die Rechte einer anerkannten Naturschutzvereinigung sind nicht erst dann verletzt, wenn eine Verträglichkeits-prüfung durchgeführt worden und zu dem Ergebnis ge-kommen ist, das Projekt ist unverträglich. In diesem Fall steht fest, dass eine vom Mitwirkungsrecht umfasste Ab-weichungsentscheidung erforderlich ist. Aber auch in den Fällen, in denen – wie hier – zu Unrecht erst gar keine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, sind die Rechte einer anerkannten Naturschutzvereinigung verletzt, weil die Behörde das an sich gebotene Verfahren unterlässt und deshalb von vornherein das (mögliche) Mitwirkungs-

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recht vereitelt. Wenn das Gesetz den Naturschutzver-bänden ein eigenes Recht auf Verfahrensbeteiligung ein-räumt, kann eine Umgehung oder Missachtung dieses Rechts nicht sanktionslos bleiben (vgl. hierzu OVG Lüne-burg, Beschl. v. 15. 12. 2008 – 4 ME 315/08, juris Rdnr. 4; OVG Magdeburg, Beschl. v. 8. 1. 2007 – 2 M 358/06, juris Rdnr. 12). Vielmehr muss insoweit durch Gewährung ge-richtlichen Rechtsschutzes zur Effektivität des Verfahrens-rechts beigetragen werden. Das gilt nicht nur für den Fall der Umgehung eines an sich gebotenen Planfeststellungs-verfahrens (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 14. 5. 1997 – 11 A 43.96, BVerw GE 104, 367), oder wenn die Behörde ein erforderliches naturschutzrechtliches Befreiungsverfahren nicht durchführt (OVG Lüneburg, Beschl. v. 15. 12. 2008, a. a. O.), sondern auch dann, wenn die Behörde schon ein dem Mitwirkungsverfahren vorgeschaltetes Verfahren nicht durchführt und so vornherein verhindert, dass ein ggf. vom Mitwirkungsrecht umfasstes Verfahren durch-geführt wird. In diesem Fall kann der Naturschutzverein, dem ein eigenes Mitwirkungsrecht bei einer hier ggf. er-forderlichen Abweichungsentscheidung zusteht, verlangen, dass die Behörde alle Maßnahmen, die ggf. einer Abwei-chungsentscheidung bedürfen, unterlässt oder unterbindet.

Dies muss auch dann gelten, wenn es (nur) hinreichende Anhaltspunkte dafür gibt, dass bei ordnungsgemäßer Durchführung des vorgeschalteten Verfahrens das Mit-wirkungsrecht ausgelöst worden wäre. Denn anders als in den bisher entschiedenen Fällen (z. B.: eine Behörde lässt ein Projekt im Wege der Plangenehmigung zu statt mit-wirkungspflichtiges Planfeststellungsverfahren zu wählen ( BVerwG, Urt. v. 7. 12. 2006 – 4 C 16.04, BVerw GE 127, 208); eine Behörde unterlässt die Einleitung des an sich er-forderlichen Befreiungsverfahrens (OVG Lüneburg, Be-schl. v. 15. 12. 2008, a. a. O.) lässt sich hier noch nicht ab-schließend feststellen, ob bei ordnungsgemäßem Verfahren ein Mitwirkungsrecht ausgelöst worden wäre, da dies von dem Ergebnis einer erst noch durchzuführenden Verträg-lichkeitsprüfung abhängt. Allenfalls wenn mit überwie-gender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass sich nach dem Ergebnis einer Verträglichkeitsprüfung ein vom Mitwirkungsrecht umfasstes Abweichungsverfah-ren anschließen wird, könnte einem Naturschutzverein ein Anspruch auf Untersagung eines Projekts versagt sein, da in diesem Fall das Mitwirkungsrecht aller Voraussicht nach nicht berührt würde.

Aus dem Zweck des Mitwirkungsrechts, bei Abwei-chungsentscheidungen eine verstärkte Berücksichtigung der Naturschutzbelange zu gewährleisten und bei Bedarf selbständig durchzusetzen, folgert das Gericht aber, dass ein Naturschutzverein die Untersagung eines Projektes ge-richtlich verlangen kann, wenn es bei Durchführung des ordnungsgemäßem Verfahrens nicht von vornherein aus-geschlossen ist, dass ein Mitwirkungsrecht ausgelöst wird.

Davon ist hier auszugehen. Da die Verträglichkeitsprü-fung noch nicht durchgeführt worden ist und deshalb das Ergebnis nicht feststeht, muss es genügen, dass der Kläger hinreichende Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass das Pro-jekt zu einer erheblichen Beeinträchtigung des FFH-Ge-biets führen könnte. Dies ist dem Kläger gelungen. Er hat substantiiert dargelegt, dass die Prüfung der Verträglich-keit nach § 34 Abs.  1 BNatSchG ergeben kann, dass die Reusenfischerei zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets führt. Wie sich aus der vom Kläger vorgelegten Stellungnahme der Ökologischen Schutzstation Steinhuder Meer vom 11. 10. 2011 sowie der eidesstattlichen Versiche-rung des Herrn K., einem wissenschaftlichen Mitarbeiter bei dem Kläger, ergibt, handelt es sich bei dem im Stein-huder Meer festgestellten Ottervorkommen um eine sehr kleine Population, die aller Wahrscheinlichkeit nach aus nur wenigen Exemplaren besteht. Aus dem Umfang des bewohnten Reviers sei von einer Populationsgröße von ein bis zwei Männchen und zwei bis vier Weibchen auszuge-

hen. Es leuchtet ein, dass diese sehr kleine Population be-reits durch den Verlust weniger Exemplare bzw. evtl. be-reits durch den Verlust eines weiblichen Exemplars massiv bedroht ist. Unerheblich ist, ob sich der Fischotterbestand insgesamt verbessert und sogar Richtung Westen verbreitet hat. Denn für den Schutz durch § 34 BNatSchG bzw. Ar-tikel 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie kommt es allein auf die Größe der im jeweiligen FFH-Gebiet vorhandenen Popu-lation und nicht auf den Erhaltungszustand der Art im All-gemeinen an.

Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass von den Fischreusen eine Gefahr für den Fischotter ausgeht. Die Vollzugshinweise des NLWKN weisen den Tod in Fisch-reusen als eine der maßgeblichen Gefährdungsursachen aus (vgl. Niedersächsische Strategie zum Arten- und Biotop-schutz, Tab.  4: Matrix zur Bewertung des Erhaltungszu-stands, S. 8). Ob das teilweise trübe Wasser des Steinhu-der Meeres die Gefahr des Einschwimmens von Fischottern verringert, muss im Rahmen einer Verträglichkeitsprüfung ggf. näher untersucht werden. Jedenfalls ist nicht davon auszugehen, dass das trübe Wasser das Einschwimmen von Fischottern in die Reusen gänzlich ausschließt. Es könnte vielmehr auch im Gegenteil dazu führen, dass der Reu-seneingang bei der Verfolgung der Fische weniger wahr-genommen und ein Einschwimmen des Fischotters gerade erleichtert wird.

Auch dass die Reusen nicht überall im Steinhuder Meer ausgelegt werden, spricht nicht gegen die Gefährdung von Fischottern. Denn die Fischotter halten sich ohnehin über-wiegend im Uferbereich auf; dort wird der Großteil der Reusen eingesetzt.

Hier spricht damit Einiges dafür, dass die Verträglich-keitsprüfung nach § 34 Abs. 1 BNatSchG zur Feststellung der Unverträglichkeit der Reusenfischerei i. S. v. § 34 Abs. 2 BNatSchG führen könnte.

Als Folge der damit ggf. fehlerhaft unterbliebenen Abwei-chungsentscheidung nach § 34 Abs.  3 BNatSchG und der damit einhergehenden fehlenden Mitwirkung des Klägers ist diesem ein vorläufiger Unterlassungsanspruch zuzuspre-chen. Der Kläger hat einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, bis zum Abschluss der Verträglichkeitsprüfung und damit bis zur abschließenden Klärung der Frage, ob ein von seinem Mitwirkungsrecht umfasstes Abweichungs-verfahren durchgeführt werden muss, die vorläufige Ein-stellung des Projekts nach § 34 Abs. 6 Satz 4 BNatSchG an-zuordnen. Eine dahingehende Verpflichtung entspricht im Ergebnis der sonst bei Mitwirkungsklagen gegebenen Situ-ation, allerdings mit der Besonderheit, dass hier nicht nur ein Unterlassen der Behörde (vorläufiges Absehen von einer – positiven – Legalisierungsentscheidung), sondern ein akti-ves Handeln gegenüber Dritten (Anordnung der vorläufigen Einstellung des Projekts bis zu einer etwaigen behördlichen Entscheidung) verlangt wird. Die damit vorgenommene Auslegung des § 34 Abs. 6 Satz 4 BNatSchG im Sinne ei-ner Reduzierung des der Behörde durch diese Vorschrift grundsätzlich eingeräumten Ermessens ist nach Auffassung der Kammer geboten, um die Vereinbarkeit der Regelung mit Artikel 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie zu gewährleisten. Denn nach Artikel 6 Abs. 3 Satz 2 der FFH-Richtlinie darf eine Behörde einem Projekt erst nach einer Verträglichkeits-prüfung „zustimmen“, wenn feststeht, dass das Projekt ver-träglich ist oder die in Artikel 6 Abs. 4 der FFH-Richtlinie (entsprechend § 34 Abs.  3 bis 5 BNatSchG) vorgesehenen Ausnahmegründe vorliegen. Die Regelung der Richtlinie geht damit erkennbar davon aus, dass ein Projekt erst durch-geführt werden darf, wenn die Behörde „zustimmt“. Dass diese „Zustimmung“ nicht in jedem Fall in einer behördli-che Zulassungsentscheidung liegen muss, zeigt aber gerade die Regelung des § 34 Abs. 6 BNatSchG, die für nicht zulas-sungsbedürftige Projekte lediglich eine Anzeigepflicht mit einer behördlichen Untersagungsmöglichkeit vorsieht. Ob § 34 Abs.  6 BNatSchG mit Artikel  6 der FFH-Richtlinie

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vereinbar ist, ist daher – insbesondere im Hinblick auf die Regelung in Satz 3 – überaus zweifelhaft (vgl. Fischer-Hüftle, „FFH-Projektzulassung mittels Anzeigepflicht? Zur Euro-parechtskonformität von § 34 Abs. 1a BNatSchG“ in NuR 2009, 101). Vor diesem Hintergrund ist es nach Auffassung der Kammer geboten, eine grundsätzliche Verpflichtung der Behörde zur Anordnung der vorläufigen Einstellung anzu-nehmen, um sicherzustellen, dass die Einhaltung der Vo-raussetzungen des § 34 Abs. 1 bis 5 BNatSchG hinreichend geprüft werden kann. So liegt es hier.

Kommt die Beklagte nach Prüfung der Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BNatSchG zu dem Ergebnis, dass die Reu-senfischerei unverträglich und damit verboten ist, muss der Kläger in dem sich anschließenden Abweichungsverfahren beteiligt werden. Führt die Verträglichkeitsprüfung zu dem Ergebnis, dass die Reusenfischerei verträglich ist, muss der Kläger ggf. erneut zur Durchsetzung seiner Mitwirkungs-rechte gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen.

Teilweise Errichtung einer Reithalle im Naturschutzgebiet

BNatSchG § 67 Abs. 1; LNatSchG § 19 Abs. 7

1. Die Bestimmung des Geltungsbereichs eines Na­turschutzgebietes mittels einer Abgrenzungskarte im Maßstab 1 : 5000 und der textlichen Beschreibung, wo­nach unter anderem die Siedlungsbereiche entlang ei­ner Straße vom Geltungsbereich des Naturschutzgebie­tes ausgenommen sind, genügt dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot.

2. Bei einer groben textlichen Beschreibung und zeichnerischen Darstellung der Abgrenzung eines Schutzgebietes in Karten im Sinne des § 19 Abs.  7 Satz 1 Nr. 2 LNatSchG 2010 (§ 53 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 LNatSchG a. F.) ist die Darstellung in der Abgren­zungskarte maßgeblich. Karten, die nicht Bestandteil der Verordnung geworden sind, können zur Abgren­zung des Schutzgebietes nicht herangezogen werden.

3. Ein das Bestimmtheitsgebot verletzender Wider­spruch zwischen zeichnerischer und textlicher Darstel­lung liegt erst dann vor, wenn die zeichnerisch dar­gestellte Schutzgebietsgrenze das Vorhandensein eines vom Geltungsbereich des Schutzgebietes ausgenom­menen Siedlungsbereiches grundsätzlich in Frage stellt.

4. Eine Befreiung gem. § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG für die Errichtung einer baulichen Anlage im Natur­schutzgebiet ist dann nicht notwendig, wenn die ge­plante Anlage an einem anderen Standort auf dem Grundstück, der nicht im Naturschutzgebiet liegt, er­richtet werden kann und hierfür die erforderlichen Ge­nehmigungen erteilt wurden.

5. Das Vorliegen einer unzumutbaren Belastung bei einem Bauverbot nach einer Naturschutzgebietsver­ordnung ist vorausschauend zu ermitteln. Eine Unzu­mutbarkeit kann nicht durch die Folgen der geneh­migungswidrigen Errichtung einer baulichen Anlage – zum Beispiel etwaige Rückbaukosten – durch den Betroffenen selbst herbeigeführt werden.

6. Bei einem Bauverbot in einem Naturschutzgebiet liegt in der Regel keine unzumutbare Belastung vor, denn die Untersagung der Errichtung baulicher Anla­gen im Schutzgebiet ist vom Normgeber regelmäßig gerade gewollt.VG Schleswig, Urteil vom 8. 2. 2013 – 1 A 287/11 –

Der Kläger begehrt die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Ge-nehmigung. Der Kläger und seine Ehefrau sind Eigentümer eines Grundstücks. Der nordwestliche Bereich des Flurstücks liegt im Gel-

tungsbereich der Landschaftsschutzgebietsverordnung x, der östliche und südliche Bereich liegen im Geltungsbereich der Naturschutz-gebietsverordnung „–“ (NSG-VO). Naturschutzgebiet und Land-schaftsschutzgebiet grenzen direkt aneinander.

Auf dem Grundstück befindet sich ein verpachteter Reitstall mit einer Reitschule. Zur Ergänzung der Reitschule wollte der Kläger eine ca. 450 m2 große Reithalle errichten lassen.

Während des Verwaltungsverfahrens erhielt der Kläger am 1. 9. 2009 von einer Bediensteten des Beklagten eine E-Mail mit ei-nem Ausschnitt eines Luftbildes bzw. einer topographischen Karte für das betroffene Flurstück. In der E-Mail wurde dem Kläger mit-geteilt, dass nach einem Abgleich mit der aktuellen topographischen Karte und der durch das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein (MLUR) zwischenzeitlich digitalisierten Abgrenzung des Naturschutzgebietes zur Hoflage des Klägers etwas mehr Spiel bezüglich der Errichtung der Reithalle be-stehe. Die Grenze des Naturschutzgebietes liege 47 Meter östlich der westlichen Gebäudekante des vorhandenen Stallgebäudes. Es wurde ferner mitgeteilt, dass mit der in der Anlage dargestellten Grenze nunmehr davon ausgegangen werden könne, dass das Vorhaben des Klägers vollständig außerhalb der Grenze des Naturschutzgebietes realisiert werden könne und bat den Kläger, dies bei seinen weiteren Planungen zu berücksichtigen.

Am 2. 9. 2009 reichte der Kläger einen neuen Lageplan ein, auf dem der Standort der geplanten Reithalle eingezeichnet war. Unter dem 5. 10. 2009 erteilte der Beklagte den beantragten Vorbescheid. Der Vorbescheid enthielt die Aussage, dass von der unteren Natur-schutzbehörde bei Einhaltung bestimmter Rahmenbedingungen eine naturschutzrechtliche Genehmigung im Landschaftsschutzge-biet in Aussicht gestellt werde. Eine dieser Rahmenbedingungen lau-tete, dass die Errichtung baulicher Anlagen einschließlich notwen-diger Ausläufe (Paddocks) außerhalb des Naturschutzgebietes „–“ zu erfolgen habe. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich das ge-plante Bauvorhaben im Landschaftsschutzgebiet „x“ unmittelbar an der Grenze zum Naturschutzgebiet „–“ befinde und einen natur-schutzrechtlichen Eingriff nach § 10 LNatSchG darstelle. Dem Vor-bescheid waren ein Übersichtsplan und Lageplan beigefügt, in denen die geplante Reithalle eingezeichnet war.

Der Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 2. 12. 2009 eine Aus-nahme von den Bestimmungen des Landesnaturschutzgesetzes gem. § 72 Abs. 1 Nr. 1 LNatSchG a. F. in Verbindung mit der Landschafts-schutzgebietsverordnung x zur Errichtung der Reithalle. Als Ne-benbestimmung enthielt der Bescheid die Anordnung, dass die Er-richtung der Reithalle außerhalb des Naturschutzgebietes „–“ zu erfolgen habe. Dem Bescheid war ein Lageplan beigefügt, auf dem sowohl die Reithalle als auch die Grenze des Naturschutzgebietes eingezeichnet waren. Unter dem 14. 12. 2009 erteilte der Beklagte die Baugenehmigung für die Reithalle. Der Baugenehmigung war ein identischer Lageplan beigefügt.

Der Kläger ließ die Reithalle an einem anderen Standort errich-ten. Anlässlich einer Ortsbesichtigung durch Bedienstete des Be-klagten am 8. 9. 2010 wurde festgestellt, dass der Standort der Reit-halle um vier bis fünf Meter nach Osten und acht Meter nach Süden verschoben worden war. Die Bauaufsichtsbehörde untersagte dar-aufhin die Fortführung der Baumaßnahmen und die Nutzung der Reithalle.

Mit Schreiben vom 24. 12. 2010 beantragte der Kläger die Ertei-lung einer (nachträglichen) Baugenehmigung für den geänderten Standort der Reithalle. Der überarbeitete Lageplan wurde von dem Entwurfsverfasser des Klägers am 4. 2. 2011 nachgereicht. Der Stand-ort der Halle wurde um rund 8 Meter nach Süden und 4 Meter nach Osten verschoben.

Mit Schreiben vom 8. 2. 2011 bat der Beklagte das MLUR um Prüfung, ob sich der geänderte Standort der Reithalle im Geltungs-bereich der NSG-VO befinde. Es bestehe Unklarheit über den Ver-lauf der Grenze des Naturschutzgebietes. Hierauf antwortete das Ministerium mit Schreiben vom 15. 2. 2011. Es führte aus, dass für die Feststellung der Abgrenzung des Naturschutzgebietes grund-sätzlich die analoge Originalkarte (Maßstab 1 : 5000) heranzuziehen sei. Dies gelte auch in Zweifelsfällen, also auch bei Abweichungen zwischen der analogen Karte und der digitalen Darstellung (shape) des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR). Abweichungen ließen sich gegebenenfalls mit Digitalisie-rungsfehlern erklären. Die digitale Abgrenzung sei überprüft wor-den. Es seien keine Abweichungen von der analogen Karte festge-stellt worden. Die beantragte Reithalle liege nach den vorliegenden Unterlagen zum Teil im Naturschutzgebiet. Nach Einreichung ei-nes weiteren Lageplans wiederholte der Beklagte seine Anfrage an das MLUR. Mit E-Mail vom 7. 4. 2011 teilte dieses dem Beklagten

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