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Victoria Scott Salz & Stein

Victoria Scott Salz & Stein - Hörbücher · Soße ab lehn te und be gann ab zuneh men, da dach te ich: Das hier, das ist es jetzt. Das ist das Dra ma, dem ich mich in mei-nem Leben

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Victoria ScottSalz & Stein

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Victoria Scott

Salz & SteinAus dem Englischen von Michaela Link

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Victoria Scott

Salz & SteinAus dem Englischen von Michaela Link

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Kinder- und Jugendbuchverlagin der Verlagsgruppe Random House

Verlagsgruppe Random House FSC® N001967 Das für dieses Buch verwendete FSC®-zertifizierte Papier Super Snowbright

liefert Hellefoss AS, Hokksund, Norwegen.

1. Auf a ge 2015©2015 by Vic to ria Scott. All rights re ser ved.

Pu bli shed by ar ran ge ment with Scho las tic Inc., 557 Broad way, New York, NY 10012, USA.

Die Ori gi nal aus ga be er schien 2015 un ter demTi tel »Salt & Stone« bei

Scho las tic Press, an im print of Scho las tic Inc., New York© 2015 für die deutsch spra chi ge Aus ga be by cbt Ver lag, Mün chen,

in der Ver lags grup pe Ran dom House GmbHAlle deutsch spra chi gen Rech te vor be hal ten

Die ses Werk wur de ver mit telt durch die Li te ra ri sche Agen tur Tho mas Schlück, 30287 Garb sen.

Aus dem Eng li schen von Mi cha e la LinkUm schlag ge stal tung: sem per smile, Mün chen

Um schlag mo tiv: © Shut ter stockMG · Her stel lung: kw

Satz: Buch-Werk statt GmbH, Bad Aib lingDruck: GGP Me dia GmbH, Pöß neck

ISBN: 978-3-570-16345-0Prin ted in Germ any

www.cbt-bue cher.de

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Für Erin Black, mei ne ge ni a le Lek to rin.Dei ne Er fah rung, dei ne Er mu ti gung und dein Ein satzma chen das Bes te aus mir und mei nen Ge schich ten.

Dan ke.

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THE BRIM STONE BLEED, Inc.Pan do ra-Zu tei lun gen, Forts.

Kan di da ten grup pe C

Pan do ra: KD-8Bau art: Fuchs, Klein for matFä hig keit A: Nach bil dung

Zu ge teil te Kan di da tin: Tel la Hollo wayFarb code: Rot

Pan do ra: RX-13Bau art: Ad ler

Fä hig keit A: Un sicht bar keitFä hig keit B: Nau tisch

Zu ge teil te Kan di da tin: Har per ShawFarb code: Grün

Pan do ra: M-4Bau art: Löwe

Fä hig keit A: Feu erZu ge teil ter Kan di dat: Guy Cham bers

Farb code: Oran ge

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Pan do ra: EV-OBau art: Ele fant, Klein for mat

Fä hig keit A: H2OZu ge teil te Kan di da tin: Oli via Finch

Farb code: Blau

*Pan do ra: Z-54Bau art: Ge pard

Fä hig keit A: Nacht sichtZu ge teil ter Kan di dat: Ja xon Le vine

Farb code: Grün*ge stor ben

Pan do ra: BK-68Bau art: Schwein

Fä hig keit A: Hyp noti sie rungZu ge teil ter Kan di dat: Braun Kirk land

Farb code: Grün

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DIE TRENNUNG

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Ka pi tel 1

Ich bin jetzt stär ker als frü her.Noch vor sechs Wo chen war ich eine ganz nor ma le Sech-

zehn jäh ri ge aus Mon ta na, de ren Bru der im Ster ben lag. Und neun Mo na te da vor hat te ich in Bos ton ge lebt und war mit mei ner bes ten Freun din durch die Shop ping cen ter ge zo gen. Mei ne ein zi ge Sor ge war es ge we sen, den per fek ten ko ral-len far be nen Lipg loss zu fin den. Ich lieb te grie chi schen Sa lat, schön kalt und bit te ohne Zwie beln, sim ste mei nen Freun-din nen so fort, wenn es bei Ex press ei nen Sale gab, und hat-te ei nen gan zen Schrank vol ler Glit zer kram. Ich mei ne, hey, ein Mäd chen hat ein Recht auf Glit zer kram.

Frü her, als klar wur de, dass mein Bru der Cody krank war, als er zum ers ten Mal eine zwei te Por ti on Hack bra ten mit Soße ab lehn te und be gann ab zu neh men, da dach te ich: Das hier, das ist es jetzt. Das ist das Dra ma, dem ich mich in mei-nem Le ben stel len muss, mit dem ich fer tigwer den muss –haut nah mit zu er le ben, wie mein gro ßer Bru der lang sam da-hin schwin det, und mei ne Fa mi lie mit ihm.

Ich ver such te, tap fer zu sein. Zu lä cheln, auch wenn es kei nen Grund dazu gab. Im War te zim mer beim Arzt ei nen

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Witz zu ma chen, da mit Cody sei ne Angst ab schüt teln und la chen konn te.

Leb wohl, Angst. War nett mit dir! Aber jetzt brau che ich dich nicht mehr, mei ne Schwes ter ist ja hier bei mir.

Heu te bin ich eine Kan di da tin im Brim stone Bleed, um sein Le ben zu ret ten. Da mals hat te ich ge dacht, das Le ben hät te uns mit Codys Krank heit ein mie ses Blatt zu ge teilt. Doch das stimm te nicht. Noch mie ser war die Kar te, die mir ei nen füch ti gen Schim mer Hoff nung bot. Denn so ist das Le ben. Wenn du das mie se Blatt siehst, denkst du: Egal, jetzt kann es nicht noch schlim mer kom men.

Und dann kriegst du eins auf den Schä del, weil du so un-glaub lich naiv warst.

Ich war nicht ge macht für ein Ren nen quer durch den Dschun gel oder ei nen Marsch durch die Wüs te un ter der Glut der Son ne, die mir die Haut ver seng te.

Aber wie ge sagt …Ich bin jetzt stär ker als frü her.

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Ka pi tel 2

Guy Cham bers wirkt be sorgt. Und wenn er be sorgt ist, bin ich es auch. Na tür lich ist es al les an de re als ein-

fach, an et was an de res zu den ken als da ran, wie heiß er ist. Selbst in der Hit ze der Wüs te – wäh rend die fri sche, rosa Nar be auf mei nem Bauch juckt wie ver rückt – könn te ich ihn im mer noch wie ein Eis am Stiel weg schlab bern. Nom-nom-nom.

»Tel la«, sagt er. Sei ne Stim me ist scharf und drän gend.In mei ner Fan ta sie klingt das al ler dings eher wie Tel-lla.Guy neigt den Kopf, als sei er sich nicht si cher, ob ich ihm

zu hö re. Das tue ich auch nicht. Wir sind seit über ei ner Wo-che in die sem Ba sis la ger in der Wüs te, um uns »aus zu ru hen und zu er ho len«. Aber es ist schwer, das hin zu krie gen, wenn man nur die Tage zählt, bis das Brim stone Bleed wei ter geht.

Das Brim stone Bleed führt uns durch vier Öko sys te me: Dschun gel, Wüs te, Meer und Ge bir ge. Oder bes ser ge sagt Ge bir ge und dann Meer. Zwei ha ben wir hin ter uns; zwei sind noch üb rig. Wir ha ben Halb zeit. Hur ra! Sie ge stanz.

Es ist nur ver dammt schwer, sich über die sen Fort schritt wirk lich zu freu en, denn wir kämp fen ge gen ei nan der um das

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Heil mit tel, das je der von uns braucht, um ei nen ge lieb ten Men schen vor dem Tod zu ret ten. Und weil wir un ter wegs schon Freun de ver lo ren ha ben. Das Schlimms te ist, dass die Leu te, die die ses Ren nen ver an stal ten, die je ni gen sind, die un se re An ge hö ri gen krank ge macht ha ben. Trotz dem tun sie so, als sei en sie die Hel den. Und das gro ße Fi na le? Die zwei te Etap pe war här ter als die Ers te, das lässt mich nichts Gu tes hoff en für das, was noch vor uns liegt.

Guys Löwe, sein Pan do ra, stößt ein kur zes Knur ren aus. Aus tiefs ter Keh le. Als sei er frust riert, dass ich sei nem Kan-di da ten kei ne Auf merk sam keit schen ke. Mein ei ge ner Pan-do ra er wi dert das Knur ren. Wit zig, wenn man be denkt, dass er ein schwar zer Fuchs und kaum ein Zehn tel so groß wie Guys Löwe ist. Ich neh me Madox, mei nen Pan do ra, auf den Arm und ver su che, mich auf das zu kon zent rie ren, was Guy sagt.

»Was ist denn?«, fra ge ich be tont läs sig. Viel leicht kann ich so sei nen be sorg ten Ge sichts aus druck ver trei ben. Hof-fent lich.

»Ich glau be, sie be rei ten sich vor, um uns zu trans por-tieren.«

»Uns zu trans por tie ren«, wie der ho le ich stirn run zelnd. »Als wä ren wir Vieh oder so was.« Mein Blut rast schnel ler durch mei ne Adern, als ich da ran den ke, dass die se Mons-ter uns be foh len ha ben, die Pan do ras der an de ren Kan di da-ten zu tö ten, um uns für den Rest des Ren nens zu qua li fi-zie ren. Ich wer de nie den Au gen blick ver ges sen, in dem ich Le vis ster ben dem Pan do ra eine Klin ge in den Leib ge rammt habe – auch wenn sein Bru der mich ge be ten hat te, es zu tun.

Guy macht eine Be we gung, als wol le er mir das Haar aus dem Ge sicht strei chen, so, wie die Män ner in Lie bes schnul-

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zen es tun. Nicht, dass ich wüss te, dass sie das tun! Be stimmt nicht. Ich habe mir die se Schmö ker nie aus dem Nacht tisch mei ner Mom ge kramt und sie dann ver schlun gen, eine gro ße Pa ckung Kek se griff be reit ne ben mir. Ich doch nicht.

Be vor Guy sich in ir gend ei nen Fabio ver wan deln kann, lässt er die Hand wie der sin ken. Viel leicht liegt es da ran, dass ich mir das Haar ab ge sä belt habe und dass al les, was er noch lieb ko sen könn te, die blau grü ne Fe der ist, die Mom mir ge-ge ben hat. Die sel be Fe der, die mei ne Groß mut ter einst in ih-rem Haar ge tra gen hat. Oder viel leicht ist er auch wie der auf Ab stand ge gan gen. Ich dach te, das hät ten wir hin ter uns, aber in letz ter Zeit bin ich mir da nicht mehr so si cher.

Guy fährt sich über das glatt ra sier te Kinn. Es wird nicht mehr lan ge so blei ben. »Ich kann ein fach spü ren, dass et was pas siert. Wir sind lan ge ge nug hier ge we sen. Es wird Zeit.« Er hält inne und beißt sich auf die In nen sei te sei ner Wan ge. »Hör mal, Tel la …«

Tel-lla.»Du soll test ver ges sen, was ich ge sagt habe«, fährt er mit

ge senk ter Stim me fort. Guy fährt sich durch das dunk-le Haar, und er sieht da bei trotz des Marsches durch den Dschun gel und die Wüs te aus, als kön ne er so fort ein Shoo-ting für das Co ver der GQ ab sol vie ren. »Ich wer de nicht zu-las sen, dass du …«

»Wir ha ben das be spro chen«, un ter bre che ich ihn. »Ich muss ver su chen zu ge win nen, für mei nen Bru der. Da nach hel fe ich dir, das Ren nen …« Ich sehe zu den an de ren Kan-di da ten hi nü ber, be mer ke ihre er schöpf ten Ge sich ter und ihre hän gen den Schul tern. Ich mus te re die Pan do ras ne ben ih nen, ge schla gen und ge schun den, weil sie ih ren Kan di da-ten ge hol fen ha ben zu über le ben. »Ich hel fe dir, das Ren nen

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zu ver nich ten, da mit nie mand das hier noch ein mal durch-ma chen muss.«

Mis ter Spe cial Forces nickt, aber ich mer ke, dass er nicht über zeugt ist. Falls ich am Ende zu den letz ten fünf ge hö re und man mir an bie tet, An ge stell te beim Brim stone Bleed zu wer den, wird er ver su chen, mich des Be trugs zu be zich ti gen, da mit sie mich doch nicht neh men. Falls Be trug hier über-haupt ein Pro blem ist. Wahr schein lich nicht, oder doch?

»Hal-lo! Pa cken wir zu sam men? Zie hen die Ram bos wei-ter?« Das will mein Freund Ja xon wis sen. Er hat sich eine der blau en Flag gen, die den Weg zu den Ba sis la gern mar kie-ren, um die Stirn ge bun den. Sei ne blon den Lo cken ste hen da rü ber ab. Als er merkt, dass ich die Flag ge be äu ge, fügt er hin zu: »Siehst du, wie Ra mbo.« Ja xon hebt die Arme, als habe er eine Ma schi nen pis to le in der Hand, und feu ert eine ima gi nä re Sal ve auf Guy ab.

Guy fin det das gar nicht wit zig.An Ja xons Bein klam mert sich Oli via, ein zehn jäh ri ges

Mäd chen mit ge nau neun Fin gern. Sie zeigt je dem, der fragt, die se Fin ger, und auch je dem, der nicht fragt. Um Oli vias Tail le ist ein blau grau er Rüs sel ge schlun gen.

»Hör auf da mit«, be fiehlt Oli via ih rem Ele fan ten. Aber ich weiß, dass sie die Zu nei gung ih res Pan do ras ins ge heim ge nießt. Ja xon wirft ih rem Ele fan ten, EV-0, ei nen sehn süch-ti gen Blick zu. Er hat sei nen Pan do ra in der Wüs te ver lo ren, als sich he raus stell te, dass ei ner un se rer Mit kan di da ten ein Pan do ra und sehr ge frä ßig war.

Und die Leu te, die die ses Ren nen ver an stal ten, den ken, wir könn ten uns im Ba sis la ger »aus ru hen und er ho len«.

Bit te.»Also, geht’s los?«, wie der holt Ja xon. »Zie hen wir wei ter?«

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Guy nickt, als sei er sich si cher, aber ich weiß nicht, wie er das sein kann. An de rer seits – wenn Guy sa gen wür de, die nächs te Etap pe fin de auf dem Mond statt, wür de ich so fort nach dem Space shuttle Aus schau hal ten. Er starrt in die Wüs te, als läge die Ant wort dort. »Es ist et was durch-ge si ckert.«

»Skan da lös.« Ja xons Kopf wippt auf und ab, er hat ein brei tes Lä cheln auf dem Ge sicht.

Guy seufzt und ich sehe ihm in die Au gen. Blaue Au gen. Nicht blau wie der Oze an bei Flut oder der Him mel an ei-nem Som mer nach mit tag. Mehr wie das Blau ei nes To ten. Ein Blau, bei dem ei nem der Atem stockt und man au to ma-tisch hofft, dass die Ster ne ei nem ge wo gen sind. Es ge fällt mir, wenn Guy mich an sieht. Die ses Blau könn te die Welt nie der kni en und er zit tern las sen, aber ich wür de glück lich da rin er trin ken.

Eine rie si ge Hand mit po lier ten Nä geln legt sich auf Jaxons Schul ter. »Er wird dich ei nes Ta ges um brin gen«, er-klingt eine über ra schend sanf te Stim me. Über ra schend, weil ihr Be sit zer die Grö ße ei nes Pla ne ten hat.

Braun wälzt sich in Sicht. An sei ner Sei te grunzt sein Schwei ne pan do ra. »Wis sen wir, wo hin wir als Nächs tes ge hen?«

Guys Au gen wei ten sich. Er sieht über Braun hin weg, und ich dre he mich um, um fest zu stel len, was sei ne Auf merk-sam keit er regt hat. Die bei den Män ner vom Brim stone Bleed ha ben das La ger ver las sen. Sie hal ten in je der Hand eine oran ge far be ne Flag ge und zie hen am Rand des La gers ei nen Kreis in den Sand. Ei nen gro ßen Kreis. Und dann höre ich es, be vor ich et was sehe – das un ver kenn bare Wump-Wump-Wump ei nes he ran na hen den Hub schrau bers.

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Ka pi tel 3

Der Hub schrau ber sieht aus wie eine Krä he vor ei nem Meer von Blau. Als er nä her kommt, wirkt er mehr

wie ein Klecks schwar zer Far be, den ich mit dem Dau men vom Him mel wi schen könn te. Und dann er scheint er mir nur noch als das, was er ist, ein Fun ken Hoff nung. Oder ein Fun ken Angst.

Die Kan di da ten kom men aus den klei nen Hüt ten ins Freie ge lau fen. Mit ei ner Hand be schat ten sie die Au gen und be ob ach ten, wie das stäh ler ne Mons ter über un se ren Köp-fen schwebt. Sand peitscht mei ne Haut. Aber es ist nicht viel schlim mer als das Bren nen der all ge gen wär ti gen Son ne. Die we ni gen Bü sche, die es hier gibt, drü cken sich fach auf den Bo den, und ich spü re, wie ich das Glei che tue.

Je mand packt mich am Ell bo gen und brüllt mir et was ins Ohr. Es ist Guy, aber ich könn te ihn nicht ein mal hö-ren, wenn er te le pa thisch be gabt wäre, nicht bei dem Lärm der wir beln den Ro tor blät ter. Eine brau ne Schnau ze stupst mich ner vös am Arm an und ich wüh le mei ne Hand in das dich te Fell des Bä ren. AK-7 ist ein Grizz ly bär-Pan do ra mit ent spre chen der Kör per mas se und pas sen dem Ge biss. Sein

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Vor be sit zer hat ihm un aus sprech li che Din ge an ge tan, und ob wohl ich ver sucht habe, dem Tier zu zei gen, dass man es nicht wie der ver let zen wird, ist er im mer noch scheu. Ich habe AK-7 adop tiert, auf Ge deih und Ver derb, aber es ist schwer, nicht Ti tus vor mir zu se hen, sei nen frü he ren Be sit-zer, wenn ich sein di ckes Fell strei che le, oder zu ver ges sen, dass Ti tus bei dem Ver such ums Le ben ge kom men ist, mich zu tö ten. Zu min dest weiß ich, dass er nicht zu rück kommt und dass der Rest der Trig ger – sei ne er ge be ne Trup pe – sich prak tisch auf ge löst hat.

Di ri giert vom Schwen ken der oran ge far be nen Lan de fag-gen setzt der Hub schrau ber auf. Der Wind lässt nach und eine un heim li che Stil le brei tet sich aus. Ei ner der Män ner vom Brim stone Bleed läuft zum Hub schrau ber hin. Er öff-net die Tür und Guy zieht mich zu rück. Braun, Oli via und Ja xon fol gen uns. Die Pan do ras stel len sich vor uns in ei ner Rei he auf und Madox hebt sei ne feuch te Nase.

»Nicht zu dicht ran ge hen«, be fiehlt Guy.Die Pi lo tin steigt an mu tig wie eine Bal le ri na aus dem

Hub schrau ber. Sie trägt ei nen oran ge far be nen, knie lan gen Blei stif trock und eine stei fe Blu se mit wei ßem Kra gen. Brau-ne Stie fel mit nied ri gen Ab sät zen zie ren ihre Füße, und als sie ei nen Schritt in dem Sand macht und schwankt, bie tet ihr der Mann, der ihr die Tür ge öff net hat, sei nen Arm an. Sie er greift ihn mit ei nem war men Lä cheln und wirft da bei ei nen klo bi gen Kopf hö rer in den Hub schrau ber.

Der an de re Mann, der hoch ge wach se ne mit den rie si gen Oh ren, der kaum noch Haa re auf dem Kopf hat, greift in den Hub schrau ber und zieht eine Kis te her vor. Er hebt sie hoch, un ter vol lem Ein satz sei ner Rü cken mus ku la tur, ob-wohl doch je der weiß, dass das ganz falsch ist. Zu dritt ge-

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hen sie zu der größ ten Hüt te am Rand des Ba sis la gers. Die Lan de fag gen blei ben un be ach tet zu rück. Die grün und blau ka rier te De cke vor dem Ein gang der Hüt te wird bei sei tege-zo gen und die Crew ver schwin det da hin ter.

Es ist der Abend des sechs ten Ta ges un se rer Ru he wo che; die vier zehn Tage, die wir hat ten, um das Ba sis la ger zu er-rei chen, sind vor bei. Nach den vier zehn Ta gen er reicht nie-mand mehr ein Ba sis la ger. Nicht im Dschun gel und nicht in der Wüs te. Ich den ke da rü ber nach, was mit de nen ge-schieht, die im mer noch un ter wegs sind. Aber Guy sagt, ich sol le da mit auf hö ren. Es wirkt, als fie le es ihm leicht, sie zu ver ges sen, und das macht mir Angst.

»Wir soll ten in un se re Hüt ten ge hen und uns ent span-nen«, er klärt Guy. »Sie wer den uns mor gen trans por tie ren.«

Er klingt da bei ganz zu ver sicht lich. Ich has se ihn da für. Aber dann dreht er sich zu mir um, und sein mar kan tes Kinn, sei ne Wan gen kno chen, sei ne Schul tern – sei ne gan-ze Kör per spra che sagt mir, dass ich lo cke rer wer den soll. Au ßer dem ist er der Kan di dat in die sem Ren nen, der sich am bes ten zu hel fen weiß. Sein Va ter hat ihm al les über das Brim stone Bleed er zählt und ihn dazu aus ge bil det, es von in nen he raus zu ver nich ten. Ich be trach te sein zer fetz-tes lin kes Ohr läpp chen und den Schnitt durch sei ne rech te Augen braue, Sou ve nirs von die sem Trai ning.

»Wie wäre es«, schlägt Ja xon vor, »wenn wir uns statt des-sen in ei ner Hüt te zu sam men kau ern und die gan ze Nacht da rü ber re den, wa rum eine Frem de im Ba sis la ger auf taucht, die viel leicht so gar rich tig heiß aus sieht. Oder auch nicht.«

»Im Ernst?« Braun ki chert. »Sie ist eine von ih nen.«»Sie ist jetzt eine von ih nen«, er wi dert Jax und stellt sei-

nen Kra gen auf.

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Oli via ver dreht die Au gen. »Klapp dei nen Kra gen run ter, Blöd mann. Das macht nie mand mehr so.«

Guy geht auf sei ne Hüt te zu, in der ich mit ihm die letz-ten paar Tage ver bracht habe, und Oli via, Ja xon und Braun fol gen ihm. Ja xon plap pert wei ter da rü ber, dass er die Frau in Oran ge »um dre hen« kön ne, und wir alle ig no rie ren die Tat sa che, dass er im mer noch ein ge bro che nes Herz hat, weil Har per fort ge gan gen ist. Wir hö ren, dass er sie in je dem zwei ten Ge spräch er wähnt, und se hen auch, wie er nachts in die Wüs te starrt, als kön ne Har per dort plötz lich auf-tau chen.

Har per hat die zwei te Etap pe des Ren nens ge won nen. Mit die sem Sieg hat sie ge nug von dem Heil mit tel be kom-men, da mit ihre Toch ter fünf ge sun de Jah re vor sich hat. Aber ihre Toch ter ist ge stor ben, be vor man es ihr ver ab rei-chen konn te, und Har per hat das Heil mit tel statt des sen Ca-ro li ne ge ge ben. Be vor sie das Ba sis la ger ver ließ, hat Har per ei nen Brief ge schrie ben. In die sem Brief hat sie er klärt, dass sie zu rück keh ren wür de, um das Ren nen zu be en den – und mir zu hel fen, es zu ge win nen.

Ich bin mir nicht si cher, ob sie das kann, und ich wünsch-te, sie hät te nichts ver spro chen, was sie viel leicht nicht hal-ten kann. Denn manch mal er tap pe ich mich da bei, wie ich Ja xons Blick fol ge und bete, dass sie mit ih ren blon den Haa-ren, den grü nen Au gen und ih rem ei ser nen Wil len wie der auf taucht.

Guy scheucht Ja xon, Braun und Oli via schließ lich weg. Die drei kau ern sich mit ih ren ver blie be nen Pan do ras ne-ben eine bren nen de Fa ckel und un ter hal ten sich lei se, wäh-rend die Son ne zur Erde stürzt. Die Nacht bringt end lich Er leich te rung und kühlt un se ren La ger platz.

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»Geh rein«, sagt Guy zu mir und be tritt als Ers ter un se-re Hüt te. So bald wir das Ba sis la ger er reicht hat ten, hat Guy An spruch auf die se spe zi el le Hüt te er ho ben. Es ist die, in der ich auf ge wacht bin, nach dem Braun mich hier her ge tra-gen hat te. Die Hüt te, in der ich auf ge wacht bin, nach dem ich ge hol fen hat te, Ti tus zu tö ten. Es schla fen zwar auch an de-re Kan di da ten mit uns in der Hüt te, aber Guy hat klar ge-macht, dass die Stun den um die Abend däm me rung he rum für uns re ser viert sind.

Auf Guy hö ren die Leu te. Nicht, weil er ag gres siv ist, son-dern weil alle in die sem Ren nen nach ei nem An füh rer su-chen, ob sie es sich nun ein ge ste hen oder nicht. Und Guy ver mit telt ei nem ein Ge fühl von Si cher heit, wenn er sagt, was er will.

Ich set ze mich auf ein Feld bett, und Guy setzt sich ne ben mich. Sein Arm be rührt mei nen. Eine Gän se haut über zieht mei nen Kör per, und ich bin mir si cher, dass es nichts mit der plötz li chen Küh le der Luft zu tun hat. »Wir soll ten den an-de ren von un se rem Plan er zäh len«, füs te re ich.

Er sieht mich an und mein Herz schnürt sich zu sam-men. »Es wür de die an de ren in Ge fahr brin gen«, ant wor-tet er. »Das kann ich nicht ris kie ren.« Ich seuf ze, denn die-sen letz ten Satz meint er wirk lich ge nau so. Dass an de re ein Ri si ko für sei nen Plan wä ren. Guy will al lein han deln, das ist sei ne Stra te gie. Eine Ein-Mann-Num mer. Er kann aufs Gan ze ge hen, so lan ge er der Ein zi ge ist, den es be-trifft. Des halb woll te er mir aus re den, an sei nem Kreuz-zug teil zu neh men. »Ich schlei che mich heu te Nacht rü ber zur Haupt hüt te und ver su che, et was he raus zu be kom men.« Guy mus tert mich und lang sam wan dert sein Blick zu mei-nem Mund. Ich pres se er war tungs voll die Lip pen auf ei nan-

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der. Viel leicht ver su che ich, sei ne Auf merk sam keit dort zu hal ten; ich weiß es nicht.

Guy hat mich nicht mehr ge küsst, seit er mir von sei nen Plä nen für das Brim stone Bleed er zählt hat. Ich wür de lü-gen, wenn ich be haup te, dass das nicht weh ge tan hat. Mei n obers tes Ziel ist es, Cody zu hel fen, aber es war schön, das Ge fühl zu ha ben, ich wür de je man dem et was be deu ten.

»Du soll test heu te Nacht hierblei ben«, sagt Guy.»Auf kei nen Fall, ich kom me mit dir.«»Tel la, du musst auf mich hö ren, wenn es funk ti o nie ren

soll.«Viel leicht ist es die Dis tanz, die er in den letz ten Ta gen

zwi schen uns auf ge baut hat, oder das Ver spre chen, dass er mich nie wie der ver las sen wür de, aber was er sagt, frust riert mich. »Wa rum?«

»Weil ich will, dass du weit er lebst, und es ge fällt mir nicht, dass du un nö ti ge Ri si ken ein gehst.«

»Es ist nicht dein Job, mich am Le ben zu er hal ten.«Guy lä chelt. »Ich ma che es zu mei nem Job.«Madox trabt auf Guy zu und stößt ein spie le ri sches Knur-

ren aus. Guy un ter drückt ein La chen und streckt die Hand nach ihm aus. Madox wen det den Kopf ab und ver wei gert al les bis auf mei ne Zu nei gung … oder Le cker bis sen.

Ei nen Le cker bis sen wür de er mit Si cher heit auch von Guy an neh men. »Ent spann dich, Fuchs«, sagt Guy. »Du soll test mich lie ben.«

Jetzt lä che le ich. »Das soll te er, nicht wahr?«Madox bie tet Guy wi der stre bend das rech te Ohr an, da-

mit er es krau len kann. »Na ja, dei ne Kan di da tin wür de im-mer noch in die sem Dschun gel fest sit zen, wenn ich nicht ge we sen wäre.«

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Es wird schlag ar tig kalt im Raum, und ich zu cke zu sam-men, weil sei ne Wor te mich treff en. Ich weiß, er woll te mir ge ra de nicht ab sicht lich weh tun. Aber er hat es ge tan. Guy ki chert lei se und schenkt mir ein auf rich ti ges Lä cheln, und ich tue mein Bes tes, die Ges te zu er wi dern.

Ich habe sechs Wo chen un ter im men sem Stress mit Guy ver bracht und doch ist die ser eine Satz ge nau so schwer zu ver win den wie ei ni ge der größ ten Hin der nis se auf un se rem Weg. Denkt er so über mich? Das Mäd chen, das ge ret tet wer den muss? Das Mäd chen, das nicht hier wäre, wäre er nicht ge we sen?

Wenn ich ehr lich zu mir selbst bin, habe ich ge nau da rü-ber viel nach ge dacht in den letz ten Ta gen, vor al lem seit er mich vor Ti tus und den Trig gern ge ret tet hat. Wie wür de es mir ohne Guy er ge hen? Hät te ich ohne ihn trotz dem eine Chan ce zu ge win nen, zu über le ben? Ich bin mir nicht si cher, wa rum sei ne Wor te mich so hart ge troff en ha ben.

Oder doch, ei gent lich schon.Weil es die Wahr heit ist.»Geht es dir gut?«, fragt er.Ich ni cke und set ze eine ge las se ne Mie ne mit ei nem fal-

schen Lä cheln auf. »Ich blei be hier, wenn du dich heu te Abend um siehst.«

»Gut«, sagt er er leich tert. »Das ist gut.« Kurz sieht es aus, als wol le er mei ne Hand neh men. Dann steht er ein fach auf und ver schwin det wie ein Geist durch die mit ei ner De cke ver han ge ne Tür. Mei nen Stolz nimmt er mit.

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Ka pi tel 4

So bald Guy weg ist, füh le ich mich mut ter see len al lein. Das heißt, bis auf Madox. Mein Pan do ra döst auf mei-

nen Bei nen, sei ne Zun ge bau melt auf die De cke, wo sich eine Pfüt ze Fuchs sab ber von der Grö ße ei nes Vier tel dol-lars bil det.

Nett.In Ge dan ken gehe ich un ser Ge spräch noch ein mal durch.

Guy denkt, ich hät te es bis her nur durch sei ne Hil fe ge-schafft. Was die Fra ge auf wirft: Was wür de aus der Mis si on wer den, das Ren nen zu ver nich ten, wenn er nicht da wäre? Die Tat sa che, dass ich mir un si cher bin, macht mich krank. Die Tat sa che, dass Guy sich wahr schein lich un si cher ist, ob ich durch hal ten kann, macht es noch schlim mer. Ich weiß nicht mal, wie ich das än dern soll. Ich brau che Guy. Nein, das stimmt nicht. Ich bin gern mit ihm zu sam men. Er be-deu tet mir un ge heu er viel. Aber viel leicht muss ich an fan-gen, mich mehr auf mich selbst zu ver las sen als bis her.

Ich ste he auf und gehe in der Hüt te auf und ab, stei ge über schla fen de Men schen, die sich un ru hig hin und her wäl zen und stöh nen. Ein äl te rer Kerl fragt mit ge schlos se nen Au-

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gen: Wo bleibt das Bier? Bier steht im Mo ment nicht ge ra de ganz oben auf mei nem Traum wunsch zet tel, wie man sich si cher den ken kann.

Madox hüpft von der Prit sche und springt über die Schlä fer.

»Sol len wir Guy fol gen?«, füs te re ich ihm zu.Mein schwar zer Fuchs legt den Kopf schief und sieht

mich an, als hät te ich ei nen Knall.Dann fällt mir wie der ein, dass wir auf an de re Art kom-

mu ni zie ren. Sol len wir Guy fol gen?, den ke ich an Madox ge-rich tet.

Er strafft sich und sein Schwanz hört auf zu we deln. Wir kom mu ni zie ren jetzt, aber es ist nicht ge ra de ein Be fehl.

Soll ich Guy über haupt fol gen? Er hat mir ge sagt, ich sol le hier blei ben. Weil es sein Job sei, mich am Le ben zu er hal ten. Weil ich ohne ihn im mer noch in die sem Dschun gel wäre. Habe ich nicht ge ra de ge dacht, dass ich stär ker sei als zu vor? Wie stark kann ich sein, wenn ich Guy wäh rend der letz ten an dert halb Mo na te blind ge folgt bin?

Mei ne Lip pen bil den ei nen dün nen Strich, und ich den ke an Madox ge rich tet: Wir fol gen Guy. Komm mit.

KD-8, mein Pan do ra, folgt mir zur Tür und war tet, wäh-rend ich hin aus spä he. Wie in den meis ten Näch ten in der Wüs te ist der Him mel wol ken los. Die Fül le an leuch ten den Ster nen er in nert man che Leu te da ran, dass da ein hö he res We sen auf uns he rab sieht. An de re kom men sich an ge sichts der Wei te des Him mels klein vor. Und ich? Ich den ke an das sil ber ne Pail let ten kleid, das mei ne Mom mir ge kauft hat: ein Kleid, das ich nie ge tra gen habe, ein Home com ing-Ball, den ich nie be sucht habe. Ja, bei Ster nen den ke ich an ein Wahn sinns kleid.

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Hasst mich nicht.Ich will ge ra de ge hen, als mich et was von hin ten an stößt.

Ich wir be le he rum und sehe AK-7, den Pan do ra in Bä ren ge-stalt, mit ver schla fe nen Au gen auf sei ne An wei sun gen war-ten. Er hebt sei nen mü den Kopf, und ich schi cke ihn zu rück ins Bett. Der Bär stupst mich an, als wol le er nicht, dass ich ohne ihn gehe, aber ich schie be ihn sanft zu rück. Er be wegt sich kei nen Zen ti me ter.

»Du bist ein biss chen zu groß, Mons ter«, sage ich und be nut ze mei nen Spitz na men für ihn. Der Name ist auf ge-kom men, kurz nach dem wir die Wüs te er reicht ha ben. Ich hör te, wie ei ner der an de ren Kan di da ten AK-7 als Mons-ter be zeich ne te. Oli via und ich ha ben da rü ber or dent lich ge lacht, denn AK-7 ist al les an de re als ein Mons ter. »Heu-te Nacht muss ich un sicht bar sein.« Er senkt die Schnau ze und ver sucht, sich klei ner zu ma chen. Ich un ter drü cke ein La chen. »Nächs tes Mal, okay?« AK-7 schnaubt und tapst zu rück zu mei ner Prit sche. Er lässt sich auf den Bo den fal-len und legt den Kopf auf die Vor der bei ne. Ich wi der ste-he dem Drang, die nächs ten zehn Mi nu ten da mit zu ver-brin gen, das Tier zu um ar men und zu strei cheln. Es ist ein schwie ri ger Kampf, wenn er mich mit die sen scho ko la den-pud ding braunen Bären au gen an sieht. Aber ich blei be hart.

Wäh rend ich mit Madox an mei ner Sei te durch das Ba-sis la ger lau fe, stel le ich mir vor, un be sieg bar zu sein. Statt Car go ho sen tra ge ich eine Tarn u ni form. Statt Sei ten ste chen habe ich ei nen Pis to len gür tel um die Hüf te ge schnallt wie John Wayne. Guy ist wahr schein lich ge fes selt und ge kne-belt, und ich ste he kurz da vor, ihn mit qual men den Colts zu ret ten.

Ich sehe Guy und sei nen Lö wen drau ßen vor der Haupt-

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hüt te ho cken. Der Ge ruch von ge bra te nem Fleisch dringt mir in die Nase und mir läuft das Was ser im Mund zu sam-men. Jetzt bin ich mehr Madox als John Wayne und sab be re vor mich hin. Ich höre auch Mu sik, und als ich nä her kom-me, wird der Ge sang lau ter.

Ich schlei che mich an Guy und sei nen Pan do ra he ran und bin un glaub lich stolz, dass ich so nah he ran kom men kann, ohne von Mis ter Spe cial Forces oder sei nem Lö wen be merkt zu wer den. Sein Kopf fährt he rum, und zu erst scheint auch er stolz zu sein, dass ich da bin. Aber dann run zelt er die Stirn, packt mich am Ober arm und zieht mich ne ben sich auf den Bo den.

Er legt sich ei nen Fin ger auf die Lip pen und zeigt von der Hüt te weg auf un se re ei ge ne, als sol le ich ihm fol gen. Doch vor her spä he ich durch eine Lü cke, die Guy in die Wand der Gras hüt te ge macht ha ben muss. Ich sehe ein klei nes Feu er in der Mit te, das stra te gisch güns tig fern der brenn-ba ren Wän de plat ziert ist. Ei ner der bei den Män ner vom Brim stone Bleed dreht über der off e nen Flam me ei nen Bra-ten und be spren kelt die straff e, rot brau ne Haut ge le gent-lich mit grü nen Blätt chen. Links ne ben ihm steht ein bat te-rie be trie be nes Ra dio, und ein knis tern der Sen der über tönt al les, was das Trio ge sagt ha ben mag. Der an de re Mann vom Brim stone Bleed sitzt an der Wand und sto chert sich in den Zäh nen he rum.

Die Frau in dem oran ge far be nen Rock, im mer noch ta-del los ge klei det, steht vor ei nem gro ßen Bo gen Pa pier, der an der Wand be fes tigt ist, eine Hand nach denk lich in den Na cken ge legt. Auf dem Pa pier sind Na men, da ne ben eine Rei he von Ziff ern, und am Ende ein zel ner Zei len steht eine Far be ge schrie ben.

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Kan di dat Jo seph – 31 – RotKan di da tin Court ney – 101 – GrünMein Blick kehrt zu der Frau zu rück und ich be trach te sie

ge nau er. Mir stockt der Atem, als mir klar wird, dass es die Dame aus dem Zug in Lin coln ist. Da mals hat sie ein grü-nes Kleid ge tra gen und grü ne Tab let ten an mich und zwei an de re Kan di da tin nen in un se rem Ab teil ver teilt. Ich rich te mei ne Auf merk sam keit wie der auf den Bo gen Pa pier, aber be vor ich wei ter le sen kann, führt Guy mich weg, und un se-re Pan do ras fol gen uns. Ich sage nichts, bis wir vor un se rer Hüt te ste hen, in ei nem si che ren Ab stand von der mit ei ner De cke ver häng ten Tür, als ob wir da durch un ge hört blei ben wür den.

Guy drückt mich ge gen die Au ßen wand, bis mir der Rü-cken von den Stroh hal men juckt, die durch mein Shirt pik-sen. Er um fasst mein Ge sicht mit bei den Hän den, streicht mit den Dau men über die emp find li che Haut un ter mei nen Au gen. »Wa rum bist du mir ge folgt, Tel la?« Er spricht ru hig und ein dring lich. Aber heu te Nacht stößt sei ne Ein dring-lich keit mich ab. Ich kann nicht auf hö ren, an das zu den ken, was er vor hin zu mir ge sagt hat. Wie er sich in den letz ten Ta gen dis tan ziert hat. Dass un se re Lip pen sich nicht be-rührt ha ben, seit ich ge sagt habe, dass ich ihm hel fen wür de, das Ren nen zu ver nich ten.

»Ich woll te selbst se hen, was sie vor ha ben«, ant wor te ich.Guy schluckt. Sein Blick fällt auf den Sand, auf un se-

re ram po nier ten Kampf stie fel. Für ei nen Mo ment sagt er nichts. Es ist ent setz lich still. Ich höre den Lärm die ses ver-damm ten Ra di o sen ders und fra ge mich, wie es mög lich war, dass ich ihn vor her aus die ser Ent fer nung nicht be merkt habe.

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Ich will noch et was sa gen. Dass er sich in mir irrt.Sein Kopf fährt hoch und er lässt die Hän de sin ken. »Tel-

la, wenn ich dich bit te zu rück zu blei ben, dann tue ich das, weil ich den ke, dass es am si chers ten ist.«

Ich run ze le die Stirn. »Ich kann selbst den ken, ohne dass mir was pas siert, weißt du.«

Guys Löwe stupst sei ne Fin ger an, aber Guy reißt die Hand fort. Der Löwe brummt un zu frie den und lässt sich auf den Bauch nie der. Madox springt vor sei ne Pfo ten, und der Löwe schlägt trä ge nach mei nem Pan do ra, ver är gert über die spät nächt li che Ver spielt heit des Fuch ses.

»Na tür lich kannst du das«, sagt Guy, aber sein Man gel an Über zeu gung ist wie ein Hieb in den Ma gen.

Ich zu cke zu sam men, als hät te er mich tat säch lich ge-schla gen. Er glaubt wirk lich nicht an mich. Und er denkt wirk lich, dass er der ein zi ge Grund ist, wa rum ich hier bin. Aber wer weiß, ob ich es nicht al lein so weit ge schafft hät-te? Ver mut lich nie mand. Denn so war es nicht. Ich habe mich im Dschun gel an Guy ran ge hängt und mich von ihm füh ren las sen und seit dem habe ich nicht mehr da mit auf-ge hört.

Wann habe ich das letz te Mal eine Ant wort in mir selbst ge sucht?

Plötz lich füh le ich mich zu tiefst ge de mü tigt bei dem Ge-dan ken da ran, wie er mich se hen muss. Ich wen de mich ab und kann kaum at men. Ich will ge ra de zu Guys Hüt te, zu mei ner Hüt te zu rück keh ren, als mir ei ner der Män ner vom Brim stone Bleed auff ällt. Er geht mit lan gen Schrit ten auf eine klei ne, dunk le Mas se auf dem Bo den zu. Als er nä her kommt, beugt er sich vor, um die Mas se zu un ter su chen. Es ist ein Tier – zwei fel los ein Pan do ra – und es schläft tief und

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fest. Der Mann tritt den Pan do ra, und ich öff ne den Mund, um zu pro tes tie ren. Doch Guy legt mir sei ne raue Hand auf den Mund und bringt mich zum Schwei gen. Frü her hät te ich mich nicht ge rührt. Ich hät te ihm er laubt, mich fest zu-hal ten, weil es si cher das Bes te ist.

Jetzt tre te ich Guy kräf tig auf die Ze hen, und er zieht den Fuß hoch, aber sei ne Hand bleibt, wo sie ist. Ein Aus druck der Ver wir rung huscht über sei ne Züge.

Der Mann hockt sich hin, und ich be mer ke, dass er eine Dose in der rech ten Hand hält. Ich höre ein lei ses Klap-pern und dann ein Zi schen. Der Mann tät schelt das Tier, steht auf und geht da von. Guy lässt mich los und ich tau-me le zu rück.

Er wirkt so ver wun dert, dass ich ihm auf den Fuß ge tre-ten habe, dass ich un will kür lich sage: »Ent schul di ge, es hat mir … es hat mir ein fach nicht ge fal len, dass du mir den Mund zu hältst.«

Guys Mie ne wird wei cher, aber er ver schränkt die Arme vor der Brust. »Ich woll te nicht, dass du Är ger be kommst, Tel la.«

»Ich kann auf mich selbst auf pas sen«, blaff e ich.Guy zieht fra gend eine Au gen braue hoch. Kannst du das

wirk lich?Ich stür me auf den Ein gang mei ner Hüt te zu, blei be aber

ste hen, be vor ich hi nein ge he. Dann dre he ich mich um und be trach te prü fend den Pan do ra auf dem Bo den. Jetzt, da der Mann mir nicht mehr die Sicht ver sperrt, sehe ich, dass es ein lan ges, dür res Rep til ist, und auf sei nen Rü cken ist ein ro ter Strei fen ge sprüht. Das Ge schöpf scheint okay zu sein, da her wen de ich mich wie der ab.

Ich fan ge Guys Blick auf und den ke wie der an das, was er

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ge sagt hat. Wür de im mer noch in die sem Dschun gel fest sit zen, wenn ich nicht ge we sen wäre.

So viel mir Guy auch be deu tet, ich bil de mir ein, dass ich ihm das Ge gen teil be wei sen kann. Dass ich al les kann, was ich mir vor neh me, ge nau wie es die Schul psy cho lo gin an der Ridge line High ge sagt hat. Und dass ich al les ohne sei-ne Hil fe schaff en kann. Aber die Stim me in mei nem Kopf kann ich nicht zum Schwei gen brin gen.

Kannst du das wirk lich?

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Ka pi tel 5

Am nächs ten Mor gen weckt mich ein Tu mult. Die Hälf te der Kan di da ten, die bei mir in der Hüt te wa-

ren, sind fort, und die zu rück ge blie be nen ste hen ge ra de auf. Drau ßen vor den Stroh wän den höre ich die Stim me ei nes äl te ren Man nes, der Be feh le ruft. Ich su che mit den Au gen den Bo den nach Guy ab. Er wird viel leicht wis sen, was los ist. Er wird de fi ni tiv wis sen, was zu tun ist.

Dann er in ne re ich mich an die ver gan ge ne Nacht und mir schnürt sich die Keh le zu. Ich neh me Madox auf den Arm und ste he ent schlos sen von mei ner Prit sche auf. Der Fuchs win det sich in mei nem Griff und streckt sich nach oben, um mich un ter dem Kinn zu le cken. Ich wi sche mir den Sab-ber ab und sen ke die Arme, da mit er nicht mehr an mich dran kommt. Zweck los. Er leckt mir statt des sen ein fach die Hand ab.

»Komm, Mons ter«, sage ich zu AK-7. Der Grizz ly er hebt sich und trot tet glück lich hin ter mir her. »Sieht so aus, als könn test du ei nen Win ter schlaf ge brau chen«, er klä re ich sei nem ver schla fe nen Ge sicht. Der Bär reibt sei nen enor-men Leib an mei ner lin ken Sei te und ich neh me Madox in

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ei nen Arm und krau le Mons ter mit der frei en Hand hin ter dem rech ten Ohr. Dies ent lockt dem Bä ren ein Stöh nen, das die ver blie be nen Pan do ras in un se rer Hüt te äu ßerst ner vös macht.

Drau ßen im grel len Son nen licht steht hoch auf ge rich tet ein Mann, der für das Brim stone Bleed ar bei tet, ei nen klei-nen Koff er zu sei nen Fü ßen. Ich ver kramp fe mich, als ich mein Ge rät aus der Ta sche neh me. Es blinkt nicht, aber ver-mut lich braucht es mir nicht zu sa gen, was ich be reits weiß. Dies ist der Mo ment, in dem wir ent schei den, wie mu tig wir wirk lich sind. Ob wir be reit sind, ein mal mehr un ser Le-ben zu ris kie ren, um un se re Fa mi li en und Freun de da heim zu ret ten.

Ob wohl es mich ra send macht, er tap pe ich mich da bei, dass ich nach Guy su che. Mein Blick schweift über die Kan-di da ten und Pan do ras und Mei len gif ti gen San des. Dann sehe ich ihn. Er er wi dert mei nen Blick, den stol zen Lö wen an sei ner Sei te. Guy macht ei nen schnel len Schritt in mei ne Rich tung und bleibt dann ste hen. Er wirkt so zö ger lich, wie ich mich füh le. Viel leicht ist er im mer noch frust riert, weil ich ges tern Nacht nicht auf ihn ge hört habe. Tja, was soll’s. Ich bin frust riert, dass er denkt, er müs se mir sa gen, wann ich at men soll. Trotz dem kämp fe ich ge gen den Ins tinkt an, ihn he rü ber zu win ken. Ein Teil von mir – okay, der größ te Teil von mir – möch te ver ges sen, was er ge sagt hat. Was ist schon da bei, wenn ich mich zu sehr auf ihn ver las se?

Er be deu tet mir et was.Ja xon, Braun und Oli via und zwei Pan do ras kom men zu

mir. Die drei ha ben da rauf be stan den, in ei ner an de ren Hüt-te im Ba sis la ger zu schla fen, da mit wir »es« un ge stört tun könn ten. Oli vias Wor te, nicht mei ne. Ob wohl ich manch mal

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be zweif e, dass Oli via alt ge nug ist, um zu wis sen, wo rü ber sie re det; auch wenn ich da rauf hin ge wie sen habe, dass bei so vie len Kan di da ten und so we ni gen Un ter künf ten oh ne-hin kei ne Chan ce auf Pri vats phä re be steht.

»Guy hat te recht, glau be ich«, be merkt Ja xon, als wir alle zu sam menste hen.

»Wann hat er das nicht?«, fügt Oli via hin zu.»Es ist ziem lich off en sicht lich«, blaff e ich. »Ich mei ne, es

ist der sieb te Tag der Ru he pau se.«Braun reibt mir den Rü cken. »Al les okay mit euch

zwei en?«Ich seuf ze und set ze Madox ab. »Wir sind kein Paar. Wir

sind Kan di da ten.«Es tut weh, es laut aus zu spre chen, und viel leicht habe

ich es ge sagt, um den Stich zu spü ren. Oder viel leicht habe ich es ge sagt, weil mei ne Vor stel lung von Guy und mir als gleich be rech tig ten Part nern ei nen Riss be kom men hat. Es ist eher so, als sei ich ein Kind, das er be schüt zen muss. Was für ein ver stö ren der Ge dan ke.

Braun nickt ver ständ nis voll und Oli via bleibt still. Ja xon da ge gen kommt nä her he ran. Er be fin gert die blau grü ne Fe-der über mei ner Schul ter. »Hey, Mäd chen, hey. Habe ich dir ei gent lich schon mal ge sagt, wie gut du in letz ter Zeit aus-siehst? Ich ste he voll auf Frau en mit kur zem Haar.«

Ich zie he ihm die Fe der aus den Fin gern und la che. Mein ge scho re nes Haar wächst lang sam nach, geht mir aber längst noch nicht bis zu den Schul tern. Ich fra ge mich oft, ob ich die se Län ge nach dem Ren nen bei be hal ten soll. Der Mo ment, in dem ich es mir ab ge schnit ten habe, war der Mo ment, in dem ich mit dem Ren nen Ernst ge macht habe.

Es war der Mo ment, in dem ich wuss te, dass ich jede He-

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raus for de rung an neh men wür de, um je man den zu ret ten, den ich lie be.

»Darf ich um Ihre Auf merk sam keit bit ten«, don nert der di cke Mann. »Ge nau wie beim letz ten Mal wer den wir zwei Rei hen bil den. Wenn Sie den Wunsch ha ben, nach Hau se zu rück zu keh ren, stel len Sie sich bit te auf die rech te Sei te. Wenn Sie wei ter ma chen möch ten, ge hen Sie nach links.«

Ja xon ist sonst im mer der Spaß vo gel, aber dazu sagt er kein Wort. Es gibt nichts zu sa gen. Wir ha ben über eine Wo che auf die sen Mo ment ge war tet, ihn so gar her bei ge-sehnt. Denn manch mal ist Still sit zen schlim mer als zu ren nen.

Ja xon sieht Braun und mich an, dann legt er Oli via den Arm um die Schul ter und geht mit ihr zu dem Mann auf der lin ken Sei te. Oli vias Pan do ra trot tet hin ter ih nen her und wir belt mit je dem E le fan ten schritt klei ne Sand wol ken auf. Schon jetzt ste hen min des tens ein Dut zend Kan di da ten in der Schlan ge, um wei ter zu ma chen.

Braun legt mir sei ne rie si ge Hand auf die Schul ter und lässt sie für ei nen Mo ment dort lie gen. Er sieht mir prü fend ins Ge sicht, da her schen ke ich ihm ein Lä cheln. Dann lässt er den Arm sin ken und geht hin ter Ja xon her, ge folgt von sei nem Schwein.

Ich ste he al lein da.»Wir kön nen das schaff en«, füs te re ich Madox zu, ob-

wohl er mich nicht ver steht, wenn ich laut spre che. »Wir ha ben Halb zeit.«

Ich be trach te mei nen schwar zen Fuchs und mei nen brau-nen Bä ren. Hier drau ßen sind sie mei ne Fa mi lie. Mei ne Ka-me ra den.

Mei ne Gang.

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»Die se Etap pe des Ren nens ge hört mir, Mann«, er klä re ich Mons ter. Ich hoff e, das klingt hart. Als hät te ich kei ne Angst vor der ge wal ti gen Na del, die der di cke Mann gleich aus der ge schnitz ten Holz box neh men wird.

»Rech te Är mel hoch krem peln«, ins tru iert der Mann uns.Ich be feh le mir, nicht hin zu se hen. Ich wie der ho le den Ge-

dan ken, bis ich nichts an de res im Kopf höre. Es hilft nicht. Ich dre he mich trotz dem um und schaue in die Rich tung, in der ich Guy zu letzt ge se hen habe.

Er steht so fest wie ein Wol ken krat zer da und leuch tet wie ein Gott in der Son ne. Ich schlu cke mei nen Stolz he-run ter, straff e die Schul tern und gehe fan kiert von mei nen Pan do ras auf die Schlan ge zum Blei ben zu. Ich hoff e, ich wir ke selbst be wusst, wäh rend ich vor wärts mar schie re. Ich hoff e, Guy denkt: Oh Mist! Seht sie euch an! Ich habe sie to tal un ter schätzt.

Als ich mich hin ten an stel le, hal te ich Aus schau nach der Frau in Oran ge. Der Hub schrau ber steht noch da, da her muss sie auch noch da sein. Ich ent de cke sie am Ein gang zur Haupt hüt te. Sie spricht has tig mit ei nem der Män ner, die in der Tür ste hen. Dann ges ti ku liert sie un ge dul dig, be vor man ihr ein schwar zes No tiz buch reicht. Sie schlägt es auf und prüft sei nen In halt. Klappt es zu.

Alle Kan di da ten ha ben ihre Sei te ge wählt, und der Mann, der die Sprit ze hal ten wird, liegt auf der Lau er. Sein Blick fällt auf die Frau und sie geht zu den bei den Rei hen. Ein Lä-cheln um spielt ihre Lip pen.

»Brin gen Sie mir die Box«, be fiehlt sie ei nem der Män ner.Er geht in die Hüt te und kommt mit der Box he raus, die

ich ihn ges tern Abend habe aus la den se hen. Die Frau stellt sich ne ben den zwei ten Mann, wäh rend der ers te ihr die Box

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vor die Füße stellt. Mein Puls be schleu nigt sich, als mir klar wird, dass gleich et was Gro ßes ge sche hen wird.

Ich dre he mich auf dem Ab satz um, um mich an Guy zu wen den, und stel le fest, dass er di rekt hin ter mir steht, ein Mann aus Stein. Er mus tert mich so ein dring lich, als wol-le er sich mein Ge sicht ein prä gen. Ich has se ihn da für, dass er mich so an sieht, denn ich weiß, was er wirk lich denkt: schwach. Ich bei ße die Zäh ne zu sam men und dre he mich nach vorn, mei ne Fra ge un aus ge spro chen.

»Darf ich um Ihre Auf merk sam keit bit ten«, sagt die Frau, fasst sich an ihr blon des Haar und blin zelt in die Son ne. Die Kan di da ten ver stum men. »Da Sie auf dem Weg zur drit ten Etap pe des Ren nens sind, wol len wir da für sor gen, dass Sie so si cher wie mög lich sind.«

Bull. Shit.»Das möch ten wir zum ei nen da durch tun, dass wir Sie

mar kie ren«, fährt sie fort. »Es wird voll kom men schmerz-los sein, nur ein Arm band um Ihr rech tes Hand ge lenk. Jede Far be steht für ei nen Team lei ter im Haupt quar tier, des sen Auf ga be es ist, Sie im Auge zu be hal ten. Wenn ei ner von Ih-nen es nicht ins nächs te Ba sis la ger schafft, wird es sein Job sein, Sie zu fin den und wenn nö tig zu ret ten.«

Ich weiß, dass ihre Wor te uns be ru hi gen sol len, aber das tun sie nicht. Denn für die Etap pen im Dschun gel und in der Wüs te gab es kei ne Teams, und wenn es ih nen da rum ge hen wür de, uns zu be schüt zen, hät ten sie ver hin dert, dass wir auf ge spießt wur den oder bei na he in ei nem rei ßen den Fluss er tran ken oder nur von un rei fen, un be kann ten Früch-ten in der Wüs te leb ten. Wie lan ge hat te es ge dau ert? Tage? Wo chen? Also müs sen die Arm bän der et was an de res be-deu ten.

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Ei ner der Män ner öff net die Box und zieht ei nen Beu tel mit blau en Plas tik strei fen he raus. Die Frau nimmt sie ent-ge gen und kon sul tiert ih ren No tiz block. »Wenn ich Ih ren Na men auf ru fe und Sie in der Rei he für Blei ben ste hen, tre-ten Sie bit te vor.«

Die Frau ver liest den ers ten Na men.

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Victoria Scott

Salz & Stein

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 480 Seiten, 13,5 x 21,5 cm8 s/w AbbildungenISBN: 978-3-570-16345-0

cbt

Erscheinungstermin: November 2015

Erst das Finale entscheidet über Leben und Tod »Vor sechs Wochen sind einhundertzweiundzwanzig Kandidaten in den Dschungel gegangen,um im Brimstone Bleed gegeneinander anzutreten. Vor drei Wochen sind sechsundsiebzigKandidaten zu dem gleichen Zweck in die Wüste gegangen. Und heute sind vierundsechzigübrig, um die beiden letzten Etappen des Rennens in Angriff zu nehmen.« Das Brimstone Bleed geht in die zweite und letzte Runde. Tella hat mehr als einen Freundverloren. Einzig ihr Pandora Madox ist tapfer an ihrer Seite. Kann sie das Rennen gewinnen undihren Bruder retten? Kann sie die Veranstalter des Brimstone Bleed ein für alle Mal vernichten,damit niemand mehr so leiden muss wie sie? Und was geschieht mit Guy und ihr – kann dieLiebe über alles siegen, oder bleibt sie auf der Strecke?