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Britische Studie Sauber! Putzmittel als Asthmaauslöser verdächtig Unter den Berufen, die ein Asthmarisiko bergen, sind auffallend viele, in denen häufig mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln hantiert wird. - Ein Forscherteam um Rebecca Ghosh vom Londoner Imperial College hat für eine Studie zum Thema „Asthma und Beruf“ die Daten von mehr als 7000 Angehörigen der Geburtskohorte von 1958 analysiert. Ob- wohl keiner der Probanden bereits während der Kindheit an Asthma oder Wheezing ge- litten hatte, war bei 9% der Studienteilneh- mer bis zu ihrem 42. Geburtstag eine Asth- madiagnose gestellt worden. Insgesamt waren es 18 Berufe, die mit ei- nem erhöhten Asthmarisiko einhergingen, darunter die bekanntermaßen gefährdeten Professionen Landwirt, Friseur und Drucker. Von den verbleibenden hatten rund die Hälfte eine Affinität zu Putzmitteln. Zum ei- nen handelte es sich dabei um Reinigungs- berufe im Pri- vat-, Büro- oder Ho- telbereich sowie um Wäscherin- nen/Wäscher bzw. Büglerin- nen/Bügler. Zum anderen waren auch Köche, Kell- ner und Barkeeper beson- ders gefährdet, von denen ebenfalls anzu- nehmen und jedenfalls zu hoffen ist, dass sie mit Reinigungsmitteln regelmäßigen Umgang pflegen. Ghosh und ihre Kollegen er- rechneten, dass rund 16% der Asthmaerkrankungen von Erwachsenen auf berufliche Expositi- on zurückgehen. Patienten in ein- schlägigen Be- schäftigungs- verhältnissen sollten bei Atemproble- men unbe- dingt zum Arzt gehen. Die Ärzte ihrerseits sollten sich beruflicher Asthmaursa- chen bewusst sein und ihre Patienten dem- entsprechend beraten. rb Ghosh RE et al. Asthma and occupation in the 1958 birth cohort. Thorax 2013; 68: 365–71 Schlechtes Zeichen? Viele Asthmatiker greifen zu Komplementärmedizin Laut Ergebnissen einer kanadischen Studie bedienen sich viele Asthmapati- enten komplementär- und alternativmedizinischer Arzneien und Methoden. Häufig zeigt dies an, dass ihre Beschwerden nicht unter Kontrolle sind. - Atemübungen, Kräutermedizin, Homöo- pathie – wie andere chronisch kranke Pati- enten auch, greifen Asthmatiker nicht selten auf Verfahren der Komplementär-/Alterna- tivmedizin (CAM) zurück. Dagegen spricht wenig, solange es die indizierte Therapie und den Krankheitsverlauf nicht beein- trächtigt. Forscher der University of British Columbia in Vancouver haben in einer po- pulationsbezogenen Studie untersucht, wie häufig Asthmatiker von CAM-Methoden Ge- brauch machen und wie dies mit der Kon- trolle des Asthmas zusammenhängt. Zu be- achten ist, dass in dieser Untersuchung, wie im angelsächsischen Sprachraum üblich, nicht streng zwischen komplementärer und alternativer Medizin unterschieden wurde. 486 Asthmapatienten, durchschnittlich 52 Jahre alt, wurden danach gefragt, ob sie während der vergangenen zwölf Monate CAM genutzt hatten. 36,8% antworteten darauf mit Ja. 17,7% machten Atemübun- gen, 10,1% schluckten Kräutermedizin und 9,1% Vitamine. Auf den Plätzen folgten Diä- ten (8,3%), Chiropraktik (5,4%), Akupunktur (4,5%), Naturheilkunde (3,5%), Homöopa- thie (3,3%). Andere Verfahren schlugen zu- sammen mit 16,3% zu Buche. Alle Störgrößen einberechnet, waren zwei Faktoren mit einer höheren Wahr- scheinlichkeit assoziiert, CAM einzusetzen: weibliches Geschlecht (Odds Ratio [OR] 1,66) und unkontrolliertes Asthma (OR 2,25). Ein Zusammenhang zwischen der Anwen- dung respektive Nichtanwendung von Standardmedikation mit dem CAM-Ge- brauch bestand aber nicht – und damit auch kein Hinweis auf CAM als Alternativmedizin im Wortsinn. Dennoch betonen die Autoren der Stu- die, der Einsatz komplementärer bzw. alter- nativer Medizin sei von zweifelhaftem Nut- zen und zumindest potenziell mit Neben- wirkungen und Arzneiinteraktionen behaf- tet. Ärzte sollten sich auf alle Fälle der CAM- Therapie ihrer Patienten bewusst sein und auch verstehen, warum diese sich solcher Behandlungsformen bedienten. Im Griff zu Komplementär-Alternativem drücke sich womöglich eine Unzufriedenheit mit der herkömmlichen Therapie aus – was für den behandelnden Arzt ein Grund sein sollte, das Asthmamanagement kritisch zu prüfen. rb Chen W et al. Complementary and alternative asthma treatments and their association with asthma control: a population-based study. BMJ Open 2013;3:e003360. doi:10.1136/bmjopen-2013-003360 Asthma als Berufsrisiko. © Robert Kneschke / fotolia.com MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (Sonderheft 2) 29 AKTUELLE MEDIZIN

Viele Asthmatiker greifen zu Komplementärmedizin

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Britische Studie

Sauber! Putzmittel als Asthmaauslöser verdächtig

Unter den Berufen, die ein Asthmarisiko bergen, sind au�allend viele, in denen häu�g mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln hantiert wird.

− Ein Forscherteam um Rebecca Ghosh vom Londoner Imperial College hat für eine Studie zum Thema „Asthma und Beruf“ die Daten von mehr als 7000 Angehörigen der Geburtskohorte von 1958 analysiert. Ob-wohl keiner der Probanden bereits während der Kindheit an Asthma oder Wheezing ge-litten hatte, war bei 9% der Studienteilneh-mer bis zu ihrem 42. Geburtstag eine Asth-madiagnose gestellt worden.

Insgesamt waren es 18 Berufe, die mit ei-nem erhöhten Asthmarisiko einhergingen, darunter die bekanntermaßen gefährdeten Professionen Landwirt, Friseur und Drucker. Von den verbleibenden hatten rund die Hälfte eine A�nität zu Putzmitteln. Zum ei-nen handelte es sich dabei um Reinigungs-

berufe im Pri-vat-, Büro- oder Ho-telbereich sowie um Wäscherin-nen/Wäscher bzw. Büglerin-nen/Bügler. Zum anderen waren auch Köche, Kell-ner und Barkeeper beson-ders gefährdet, von denen ebenfalls anzu-nehmen und jedenfalls zu ho�en ist, dass sie mit Reinigungsmitteln regelmäßigen Umgang p�egen.

Ghosh und ihre Kollegen er-rechneten, dass rund 16% der

Asthmaerkrankungen von Erwachsenen auf

beru�iche Expositi-on zurückgehen. Patienten in ein-

schlägigen Be-schäftigungs-verhältnissen

sollten bei Atemproble-men unbe-dingt zum Arzt

gehen. Die Ärzte ihrerseits sollten

sich beru�icher Asthmaursa-chen bewusst sein und ihre Patienten dem-entsprechend beraten. rb ■

■ Ghosh RE et al. Asthma and occupation in the 1958 birth cohort. Thorax 2013; 68: 365–71

Schlechtes Zeichen?

Viele Asthmatiker greifen zu Komplementärmedizin

Laut Ergebnissen einer kanadischen Studie bedienen sich viele Asthmapati-enten komplementär- und alternativmedizinischer Arzneien und Methoden. Häu�g zeigt dies an, dass ihre Beschwerden nicht unter Kontrolle sind.

− Atemübungen, Kräutermedizin, Homöo-pathie – wie andere chronisch kranke Pati-enten auch, greifen Asthmatiker nicht selten auf Verfahren der Komplementär-/Alterna-tivmedizin (CAM) zurück. Dagegen spricht wenig, solange es die indizierte Therapie und den Krankheitsverlauf nicht beein-trächtigt. Forscher der University of British Columbia in Vancouver haben in einer po-pulationsbezogenen Studie untersucht, wie häu�g Asthmatiker von CAM-Methoden Ge-brauch machen und wie dies mit der Kon-trolle des Asthmas zusammenhängt. Zu be-achten ist, dass in dieser Untersuchung, wie im angelsächsischen Sprachraum üblich, nicht streng zwischen komplementärer und alternativer Medizin unterschieden wurde. 486 Asthmapatienten, durchschnittlich 52

Jahre alt, wurden danach gefragt, ob sie während der vergangenen zwölf Monate CAM genutzt hatten. 36,8% antworteten darauf mit Ja. 17,7% machten Atemübun-gen, 10,1% schluckten Kräutermedizin und 9,1% Vitamine. Auf den Plätzen folgten Diä-ten (8,3%), Chiropraktik (5,4%), Akupunktur (4,5%), Naturheilkunde (3,5%), Homöopa-thie (3,3%). Andere Verfahren schlugen zu-sammen mit 16,3% zu Buche.

Alle Störgrößen einberechnet, waren zwei Faktoren mit einer höheren Wahr-scheinlichkeit assoziiert, CAM einzusetzen: weibliches Geschlecht (Odds Ratio [OR] 1,66) und unkontrolliertes Asthma (OR 2,25). Ein Zusammenhang zwischen der Anwen-dung respektive Nichtanwendung von Standardmedikation mit dem CAM-Ge-

brauch bestand aber nicht – und damit auch kein Hinweis auf CAM als Alternativmedizin im Wortsinn.

Dennoch betonen die Autoren der Stu-die, der Einsatz komplementärer bzw. alter-nativer Medizin sei von zweifelhaftem Nut-zen und zumindest potenziell mit Neben-wirkungen und Arzneiinteraktionen behaf-tet. Ärzte sollten sich auf alle Fälle der CAM-Therapie ihrer Patienten bewusst sein und auch verstehen, warum diese sich solcher Behandlungsformen bedienten. Im Gri� zu Komplementär-Alternativem drücke sich womöglich eine Unzufriedenheit mit der herkömmlichen Therapie aus – was für den behandelnden Arzt ein Grund sein sollte, das Asthmamanagement kritisch zu prüfen.

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■ Chen W et al. Complementary and alternative asthma treatments and their association with asthma control: a population-based study. BMJ Open 2013;3:e003360. doi:10.1136/bmjopen-2013-003360

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