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Frühes Warnsignal? Erst Hörsturz, dann Herzinfarkt Infarktgefährdet? © Okapia / imagebroker / Elisabeth Cölfen Ein akuter idiopathischer Hörver- lust kann ein Warnsignal sein: Die Patienten haben offenbar ein erhöh- tes Risiko, in den nächsten Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden. - Diverse Risikofaktoren für eine Herz- Kreislauf-Erkrankung werden auch mit einem erhöhten Risiko für einen Hör- sturz in Zusammenhang gebracht. Mi- krovaskuläre Schäden beispielsweise spielen bei der Entstehung von Hörstür- zen eine wichtige Rolle. Außerdem scheinen Raucher und Pa- tienten mit kardiovaskulären Erkran- kungen in der Anamnese verstärkt hör- sturzgefährdet zu sein. Möglicherweise weisen also akuter idiopathischer Hörverlust und Herzin- farkt gemeinsame Pathomechanismen auf. Dafür spricht auch eine aktuelle Studie, in der die Daten von 44 830 tai- wanesischen Krankenversicherten mit neu diagnostiziertem Hörsturz ausge- wertet wurden. In den drei bis neun Jahren nach dem Ereignis erlitten sie signifikant häufiger einen Herzinfarkt als gleichaltrige Kon- trollpersonen: Pro 1000 Personenjahren ereigneten sich 19,27 im Vergleich zu 13,87 Herzinfarkten. Unter Berücksich- tigung von Komorbiditäten und anderen Einflussfaktoren hatten die Hörsturzpa- tienten damit ein um 25% höheres In- farktrisiko (adjustierte Hazard Ratio 1,254; p < 0,05). Schlechtes Zeichen? Viele Asthmatiker greifen zu Komplementärmedizin Mehr Augenmerk auf Prävention Besonders deutlich war die Assoziation zwischen Hörsturz und Herzinfarkt bei älteren Patienten: In der Altersgruppe von 50–64 lag die Infarktinzidenz um 62% und in der Gruppe über 64 um 28% höher als bei den Vergleichspersonen gleichen Alters (p = 0,0064 bzw. 0,0001). „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass ein akuter idiopathischer Hörverlust ein früher Indikator für einen drohenden Herzinfarkt sein kann“, schließen die Autoren um Charlene Lin von der Uni- versität in Berkeley. Dieses Wissen sollte Ärzte veranlassen, nach einem Hörsturz den kardialen Risiken mehr Beachtung zu schenken. Bei der Prävention solle aber berücksichtigt werden, dass 60% der Herzinfarkte später als ein Jahr nach dem Hörsturz auſtraten. bs Lin C et al. Sudden Sensorineural Hearing Loss Is Correlated with an Increased Risk of Acute Myocar- dial Infarction. Laryngoscope 2013, online 8. Juli; doi: 10.1002/lary.23837 Viele Asthmapatienten bedienen sich komplementär- und alternativ- medizinischer Arzneien und Me- thoden. Nicht selten zeigt dies an, dass ihre Beschwerden nicht unter Kontrolle sind. - Atemübungen, Kräutermedizin, Ho- möopathie – wie andere chronisch Kranke auch, greifen Asthmatiker nicht selten auf Verfahren der Komplemen- tär-/Alternativmedizin (CAM) zurück. Kanadische Forscher haben in einer po- pulationsbezogenen Studie untersucht, wie oſt Asthmatiker CAM-Methoden gebrauchen und wie dies mit der Kon- trolle des Asthmas zusammenhängt. 486 Asthmapatienten, durchschnitt- lich 52 Jahre alt, wurden danach gefragt, ob sie während der vergangenen zwölf Monate CAM genutzt hatten. 36,8% ant- worteten darauf mit Ja. 17,7% machten Atemübungen, 10,1% schluckten Kräu- termedizin und 9,1% Vitamine. Auf den nächsten Plätzen folgten Diäten (8,3%), Chiropraktik (5,4%), Akupunktur (4,5%), Naturheilkunde (3,5%), Homöo- pathie (3,3%). Andere Verfahren schlu- gen mit zusammen 16,3% zu Buche. Alle Störgrößen einberechnet, waren zwei Faktoren mit einer höheren Wahr- scheinlichkeit assoziiert, CAM einzuset- zen: weibliches Geschlecht (Odds Ratio [OR] 1,66) und unkontrolliertes Asthma (OR 2,25). Ein Zusammenhang zwi- schen der Anwendung bzw. Nichtan- wendung von Standardmedikation mit dem CAM-Gebrauch bestand aber nicht – und damit auch kein Hinweis auf CAM als Alternativmedizin im Wortsinn. Dennoch weisen die Autoren der Stu- die darauf hin, dass der Einsatz komple- mentärer bzw. alternativer Medizin von zweifelhaſtem Nutzen und zumindest potenziell mit Nebenwirkungen und Arzneiinteraktionen behaſtet sei. Ärzte sollten sich auf alle Fälle der CAM-e- rapie ihrer Patienten bewusst sein und auch verstehen, warum diese sich sol- cher Behandlungsformen bedienten. Im Griff zu Komplementär-Alternativem drücke sich womöglich eine Unzufrie- denheit mit der herkömmlichen era- pie aus – was für den Arzt ein Grund sein sollte, das Asthmamanagement kri- tisch zu prüfen. rb Chen W et al. Complementary and alternative asthma treatments and their association with asthma control: a population-based study. BMJ Open 2013;3:e003360. doi:10.1136/bmjo- pen-2013-003360 22 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (16)

Viele Asthmatiker greifen zu Komplementärmedizin

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Ein akuter idiopathischer Hörver-lust kann ein Warnsignal sein: Die Patienten haben o�enbar ein erhöh-tes Risiko, in den nächsten Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden.

−Diverse Risikofaktoren für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung werden auch mit einem erhöhten Risiko für einen Hör-sturz in Zusammenhang gebracht. Mi-krovaskuläre Schäden beispielsweise spielen bei der Entstehung von Hörstür-zen eine wichtige Rolle.

Außerdem scheinen Raucher und Pa-tienten mit kardiovaskulären Erkran-kungen in der Anamnese verstärkt hör-sturzgefährdet zu sein.

Möglicherweise weisen also akuter idiopathischer Hörverlust und Herzin-farkt gemeinsame Pathomechanismen auf. Dafür spricht auch eine aktuelle Studie, in der die Daten von 44 830 tai-wanesischen Krankenversicherten mit neu diagnostiziertem Hörsturz ausge-wertet wurden.

In den drei bis neun Jahren nach dem Ereignis erlitten sie signi�kant häu�ger einen Herzinfarkt als gleichaltrige Kon-trollpersonen: Pro 1000 Personenjahren ereigneten sich 19,27 im Vergleich zu 13,87 Herzinfarkten. Unter Berücksich-tigung von Komorbiditäten und anderen Ein�ussfaktoren hatten die Hörsturzpa-tienten damit ein um 25% höheres In-farktrisiko (adjustierte Hazard Ratio 1,254; p < 0,05).

Schlechtes Zeichen?

Viele Asthmatiker greifen zu Komplementärmedizin

Mehr Augenmerk auf PräventionBesonders deutlich war die Assoziation zwischen Hörsturz und Herzinfarkt bei älteren Patienten: In der Altersgruppe von 50–64 lag die Infarktinzidenz um 62% und in der Gruppe über 64 um 28% höher als bei den Vergleichspersonen gleichen Alters (p = 0,0064 bzw. 0,0001).

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass ein akuter idiopathischer Hörverlust ein früher Indikator für einen drohenden Herzinfarkt sein kann“, schließen die Autoren um Charlene Lin von der Uni-versität in Berkeley. Dieses Wissen sollte Ärzte veranlassen, nach einem Hörsturz den kardialen Risiken mehr Beachtung zu schenken. Bei der Prävention solle aber berücksichtigt werden, dass 60% der Herzinfarkte später als ein Jahr nach dem Hörsturz au�raten. bs ■

■ Lin C et al. Sudden Sensorineural Hearing Loss Is Correlated with an Increased Risk of Acute Myocar-dial Infarction. Laryngoscope 2013, online 8. Juli; doi: 10.1002/lary.23837

Viele Asthmapatienten bedienen sich komplementär- und alternativ-medizinischer Arzneien und Me-tho den. Nicht selten zeigt dies an, dass ihre Beschwerden nicht unter Kontrolle sind.

−Atemübungen, Kräutermedizin, Ho-möopathie – wie andere chronisch Kranke auch, greifen Asthmatiker nicht selten auf Verfahren der Komplemen-tär-/Alternativmedizin (CAM) zurück. Kanadische Forscher haben in einer po-pulationsbezogenen Studie untersucht, wie o� Asthmatiker CAM-Methoden gebrauchen und wie dies mit der Kon-trolle des Asthmas zusammenhängt.

486 Asthmapatienten, durchschnitt-lich 52 Jahre alt, wurden danach gefragt, ob sie während der vergangenen zwölf

Monate CAM genutzt hatten. 36,8% ant-worteten darauf mit Ja. 17,7% machten Atemübungen, 10,1% schluckten Kräu-termedizin und 9,1% Vitamine. Auf den nächsten Plätzen folgten Diäten (8,3%), Chiropraktik (5,4%), Akupunktur (4,5%), Naturheilkunde (3,5%), Homöo-pathie (3,3%). Andere Verfahren schlu-gen mit zusammen 16,3% zu Buche.

Alle Störgrößen einberechnet, waren zwei Faktoren mit einer höheren Wahr-scheinlichkeit assoziiert, CAM einzuset-zen: weibliches Geschlecht (Odds Ratio [OR] 1,66) und unkontrolliertes Asthma (OR 2,25). Ein Zusammenhang zwi-schen der Anwendung bzw. Nichtan-wendung von Standardmedikation mit dem CAM-Gebrauch bestand aber nicht

– und damit auch kein Hinweis auf CAM als Alternativmedizin im Wortsinn.

Dennoch weisen die Autoren der Stu-die darauf hin, dass der Einsatz komple-mentärer bzw. alternativer Medizin von zweifelha�em Nutzen und zumindest potenziell mit Nebenwirkungen und Arzneiinteraktionen beha�et sei. Ärzte sollten sich auf alle Fälle der CAM-�e-rapie ihrer Patienten bewusst sein und auch verstehen, warum diese sich sol-cher Behandlungsformen bedienten. Im Gri� zu Komplementär-Alternativem drücke sich womöglich eine Unzufrie-denheit mit der herkömmlichen �era-pie aus – was für den Arzt ein Grund sein sollte, das Asthmamanagement kri-tisch zu prüfen. rb ■ ■ Chen W et al. Complementary and alternative

asthma treatments and their association with asthma control: a population-based study. BMJ Open 2013;3:e003360. doi:10.1136/bmjo-pen-2013-003360

22 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (16)