Upload
phungnga
View
216
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Folie 1
VIII. Bielefelder Verwalterforum
Aktuelle WEG-Rechtsprechung
Prof. Dr. Florian Jacoby
Bielefeld, 30. September 2015
Folie 2
Agenda
Vorab: Die beiden Pressemitteilungen der letzten Wochen
1. Die WEG als Verbraucher
2. Keine Reservekompetenz eines einzelnen
Wohnungseigentümers bei Gemeinschafts-
zuständigkeit nach§10 Abs. 6 Satz 3 HS 2
3. Schadensersatz für Abstimmungsverhalten
4. Eckdaten des Verwaltervertrags
und schließlich noch weitere Leitsätze
Folie 3
PM2: Darlehensaufnahme einer WEG
• Pforzheimer Wohnungseigentümer beschließen die Durchführung einer Fassadensanierung mit förderfähiger Wärmedämmung.
• Um die mit ca. 2.000.000 EUR veranschlagten Kosten zu finanzieren, beschließen sie
- die Aufnahme eines KfW-Förderkredits, dessen Zinssatz sich zum damaligen Zeitpunkt auf 0% belief, in Höhe von ca. 1.320.000 EUR mit einer Laufzeit von 10 Jahren sowie
- die Finanzierung des restlichen Betrages von ca. 900.000 EUR durch Rückgriff auf die Instandhaltungsrückstellung.
• Wohnungseigentümer K geht gegen den Kreditbeschluss vor.
Folie 4
BGH v. 25.09.2015 - V ZR 244/14
• Eine Kreditaufnahme durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist nicht nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen möglich.
• Eine mehrheitlich beschlossene Kreditaufnahme muss nicht zwingend eine Option für die Eigentümer enthalten, die Finanzierung selbst zu übernehmen und den auf sie entfallenden Kreditanteil als Sonderumlage zur Reduzierung des Darlehensbetrages einzuzahlen.
• Bei einem Darlehen lässt sich aber das Risiko des Ausfalls einzelner Wohnungseigentümer nur sehr begrenzt abschätzen. Angesichts dieses Haftungsrisikos ist bei der Entscheidung über die Finanzierung einer Maßnahme durch ein hohes langfristiges Darlehen Zurückhaltung geboten.
• Zu fordern ist eine sorgfältige Abwägung aller relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der allseitigen Interessen der betroffenen Wohnungseigentümer. Dabei kommt es wesentlich auf den Zweck des Darlehens an, wobei in erster Linie an Instandhaltungs- bzw. Modernisierungsmaßnahmen zu denken ist; je dringlicher eine Maßnahme ist desto eher treten andere Nachteile einer Finanzierung durch Darlehen bei der Abwägung zurück.
Folie 5
BGH v. 25.09.2015 - V ZR 244/14
• Die Beschlussfassung über die Aufnahme eines Darlehens muss (in
formeller Hinsicht) folgenden Anforderungen genügen:
- Angaben über die zu finanzierende Maßnahme,
- die Höhe des Darlehens,
- dessen Laufzeit,
- die Höhe des Zinssatzes bzw. des nicht zu überschreitenden
Zinssatzes enthalten und erkennen lassen, ob die Tilgungsraten so
angelegt sind, dass der Kredit am Ende der Laufzeit getilgt ist.
• Ferner muss vor der Beschlussfassung wegen des in die Zukunft
verlagerten Risikos der Zahlungsunfähigkeit einzelner
Wohnungseigentümer die im Innenverhältnis bestehende
Nachschusspflicht der Wohnungseigentümer Gegenstand der
Erörterung in der Wohnungseigentümerversammlung gewesen sein.
Dies ist in der Niederschrift zu dokumentieren.
Folie 6
PM1: GEMA (VG Media)
• Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) verlangt von einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wegen behaupteter unberechtigter Nutzung eines Kabelweitersendungsrechts seit dem Januar 2007 jährlich 1.078,39 EUR.
• Die GEMA meint, B betreibe eine von ihr eingerichtete Kopfstation, mit der sie die von ihr empfangenen Fernseh- und Rundfunksignale an insgesamt 343 Wohneinheiten im Sinne von §§ 20, 20 b UrhG sende. Hierbei handele es sich um eine vergütungspflichtige, im Sinne von § 15 Abs. 2 UrhG öffentliche Kabelweitersendung. Die Wohnungseigentümer seien nicht durch persönliche Beziehungen miteinander verbunden. Bloße gemeinsame oder gleichgerichtete Interessen, geschäftliche Beziehungen oder technische Verbindungen genügten nicht, um ein solches persönliches Band zu begründen.
Folie 7
Das Gesetz
§ 15 UrhG (Allgemeines)
- […]
- (2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher
Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der
öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere
[…] 3. das Senderecht (§ 20), […]
- (3) Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der
Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen,
der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in
unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche
Beziehungen verbunden ist.
Folie 8
BGH v. 17.09.2015 - I ZR 228/14
• Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verletzt durch den
Betrieb der Kabelanlage nicht das von der GEMA
wahrgenommene ausschließliche Recht von Urhebern,
ausübenden Künstlern, Sendeunternehmen und Filmherstellern
zur Kabelweitersendung.
• Eine Kabelweitersendung setzt eine öffentliche Wiedergabe im
Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG voraus.
• Öffentlichkeit einer Wiedergabe setzt voraus, dass einer
„unbestimmten Zahl potentieller Adressaten“ der Zugang zu
denselben Werken und Leistungen eröffnet werde.
• Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die Wiedergabe auf
„besondere Personen“ beschränkt ist, die einer „privaten
Gruppe“ angehören.
Folie 9
BGH v. 17.09.2015- I ZR 228/14
• Bei einer wertenden Betrachtung unterscheiden sich der Empfang mittels einer gemeinsamen Satellitenschüssel und die Weiterleitung über ein Kabelnetz in die einzelnen Wohnungen nicht von der Fallgestaltung, dass jeder einzelne Eigentümer für seine eigene Wohnung eine gesonderte Antenne installiert und die empfangenen Sendesignale über Kabel an die Empfangsgeräte in seiner Wohnung weiterleitet. Wenn die „Gesamtheit der Wohnungseigentümer“ anstelle zahlreicher Einzelantennen eine Gemeinschaftsantenne installiert und die empfangenen Sendesignale über Kabel an die Empfangsgeräte der einzelnen Wohnungen weiterleitet, ist das gleichfalls als eine Wiedergabe anzusehen, die auf „besondere Personen“ beschränkt ist, die einer „privaten Gruppe“ angehören.
• Im Ergebnis leiten die einzelnen Eigentümer die Sendungen nur an sich selbst weiter.
Folie 10
1. Die WEG als Verbraucher?
• Eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern schließt
mit einem Gasversorger einen Gaslieferungsvertrag,
der eine formularmäßige Preisanpassungsklausel
(Spannungsklausel) enthält, nach der sich der
Arbeitspreis für die Lieferung von Gas zu bestimmten
Zeitpunkten ausschließlich in Abhängigkeit von der
Preisentwicklung für Heizöl ändert.
• Zwischen den Parteien ist streitig, ob diese Klausel
unwirksam ist. Für die Lösung dieser Frage kommt es
unter anderem darauf an, ob die Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer ein Verbraucher ist.
Folie 11
Verbraucher
§ 13 BGB:
Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein
Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend
weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen
beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.
Folie 12
BGH v. 24.3.2015 - VIII ZR 243/13
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist im
Interesse des Verbraucherschutzes der in ihr
zusammengeschlossenen, nicht gewerblich handelnden
natürlichen Personen einem Verbraucher gleichzustellen,
wenn
- ihr wenigstens ein Verbraucher angehört und
- sie ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der
weder einer gewerblichen noch einer selbständigen
beruflichen Tätigkeit dient.
Folie 13
2. Reservekompetenz nach Ansichziehen?
• Wohnungseigentümer beschließen, dass die ihnen aus ihrem
Eigentum zustehenden Beseitigungs- und
Unterlassungsansprüche wegen der gewerbsmäßigen
Prostitution im Objekt (…), gemeinschaftlich durch die
rechtsfähige Gemeinschaft (…) geltend gemacht werden sollen.
Die Verwaltung wird beauftragt, einen Rechtsanwalt mit der
gerichtlichen Durchsetzung der Beseitigungs- und
Unterlassungsansprüche zu den üblichen
Rechtsanwaltsgebühren zu beauftragen.
• Ungeachtet dessen geht Wohnungseigentümer K gegen den
störenden Wohnungseigentümer W vor. Dieser soll es
unterlassen, seine Wohnung zur Ausübung der Prostitution zu
nutzen, und sie Dritten nicht für solche Zwecke überlassen.
Folie 14
BGH v. 5.12.2014 - V ZR 5/14
• Wird die Substanz oder die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums
beeinträchtigt, stehen darauf bezogene Beseitigungs- und
Unterlassungsansprüche im Grundsatz den einzelnen Wohnungseigentümern
zu. Die Wohnungseigentümer können aber beschließen, dass sie
gemeinschaftlich geltend gemacht werden sollen. Hierdurch wird eine alleinige
Zuständigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer begründet, die die
einzelnen Wohnungseigentümer von der gerichtlichen Geltendmachung des
Anspruchs ausschließt.
• Der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegt es von der
Beschlussfassung an, die mehrheitlich gewollte Lösung durchzusetzen. Setzt
die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht um, kann ein einzelner
Wohnungseigentümer im Innenverhältnis verlangen, dass sie Klage einreicht.
• Eine eigene Klage kann er erheben, wenn die Störung sein Sondereigentum
unmittelbar beeinträchtigt.
Folie 15
3. Schadensersatz für Abstimmungsverhalten
• In einer Wohnungseigentumsanlage bestehen drei Miteigentumsanteile.
Wohnungseigentümer B ist Sondereigentümer der Wohnungen im Erd- und
Dachgeschoss. Wohnungseigentümer K Sondereigentümer der im Keller
gelegenen dritten Wohnung. K ´s Wohnung weist seit dem 2008 einen
Feuchtigkeitsschaden auf und ist inzwischen unbewohnbar. Ursache hierfür
sind in erster Linie Planungsfehler bei dem Umbau der Keller- in Wohnräume
und damit verbundene Baumängel, die das gemeinschaftliche Eigentum
betreffen.
• K klagt gegen B auf anteilige Aufbringung der Kosten für Erhaltung des
gemeinschaftlichen Eigentums. Zu diesem Zweck soll B der Bildung einer
Sonderumlage von rund 54.500 Euro zustimmen. Außerdem soll B aufgrund
der verzögerten Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums
Schadenersatz zahlen. Schließlich soll festgestellt werden, dass B zum Ersatz
K´s künftiger Schäden verpflichtet ist.
Folie 16
BGH v. 17.10.2014 - V ZR 9/14
• Das Ermessen der Wohnungseigentümer, das
gemeinschaftliche Eigentum zu erhalten, ist auf Null
reduziert, wenn eine Erhaltung „zwingend“ ist. Dies ist
zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Sondereigentum
wegen fehlender Erhaltung des gemeinschaftlichen
Eigentums unbewohnbar geworden ist.
• Wird eine zwingend erforderliche Erhaltung des
gemeinschaftlichen Eigentums schuldhaft verzögert,
schulden die Wohnungseigentümer Schadenersatz, die
schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder gegen
die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw. sich
enthalten haben.
Folie 17
4. Eckdaten des Verwaltervertrags
• Die Amtszeit des Verwalters endet am 31.12.2012
• In der Versammlung vom 11.12.2012 wird zum
Tagesordnungspunkt 14A beschlossen, den Verwalter für die Zeit
bis zum 31.12.2017 erneut zu bestellen.
• Zum Tagesordnungspunkt 15 wird ferner folgender Beschluss
gefasst:
„Der Verwaltungsbeirat erhält das Mandat der Eigentümerversammlung, mit
der Verwaltung über den Verwaltervertrag zu verhandeln. Ein
Verwaltervertrag wird auf der Basis des von Rechtsanwalt Dr. K.
vorgeschlagenen Vertrages mit dem Verwaltungsbeirat verhandelt und in
einer außerordentlichen Eigentümerversammlung, vorgeschlagen bis zum
28. Februar 2013, beschlossen. Sollte es keinen Mehrheitsbeschluss für den
neuen, verhandelten Verwaltervertrag geben, endet die Amtszeit des
Verwalters am 28. Februar 2013.“
• Gegen den zu TOP 14A gefassten Beschluss wendet sich
Wohnungseigentümer K mit der Anfechtungsklage.
Folie 18
Verwalter
Bestellung in ein privates Amt (durch Beschluss der Wohnungseigentümer)
Anstellung (= Verwaltervertrag;
Vertragspartner des Verwalters ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer )
Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
gesetzlicher Vertreter der Wohnungseigentümer
Trennung von Amt und Anstellung
Folie 19
BGH v. 27.2.2015 – V ZR 114/14
Die Bestellung des Verwalters entspricht grundsätzlich nur
dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn in derselben
Eigentümerversammlung, in der die Bestellung erfolgt,
auch die Eckpunkte des abzuschließenden
Verwaltervertrags (Laufzeit und Vergütung) in
wesentlichen Umrissen geregelt werden; hiervon kann nur
unter besonderen Umständen übergangsweise
abgewichen werden.
Folie 20
MUSTER Bestellungsbeschluss
• Die _____ (Name und Adresse) wird auf Grundlage und
nach Maßgabe des von ihr in Entwurf vorgelegten
Verwaltervertrags, Anlage ____ (Nummer) zu dieser
Niederschrift, bis zum Ablauf des ____ (Datum) zum
Verwalter bestellt.
• Die Verwaltungsbeiräte ____ (Name) sind nach § 27
Abs. 3 Satz 3 als Gesamtvertreter ermächtigt, namens
der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer den in
Satz 1 genannten Entwurf des Verwaltervertrages mit
der ____ (Name, Adresse) zu schließen.
Folie 21
Weitere Leitsätze
• BGH v. 10.7.2015 - V ZR 194/14: (1) Streitigkeiten mit Nießbrauchern oder sonstigen Fremdnutzern fallen nicht unter § 43 Nr. 1 u. 2 WEG. (2) Die Regelungen des § 14 Nr. 3 u. 4 WEG rechtfertigen kein Vorgehen gegen Fremdnutzer.
• BGH v. 24.6.2015 - V ZR 275/14: Ein werdender Wohnungseigentümer bleibt auch dann Mitglied des Verbands, wenn er die Einheit unter Abtretung des vorgemerkten Übereignungsanspruchs und Besitzübertragung veräußert (insoweit Aufgabe von BGH v. 14.6.1965 - VII ZR 160/63); der Erwerber ist nicht als werdender Wohnungseigentümer anzusehen.
• BGH v. 8.5.2015 – V ZR 178/14 Wird eine Teileigentumseinheit zweckwidrig als Wohnraum genutzt, verjährt der Unterlassungsanspruch der übrigen Wohnungseigentümer nicht, solange diese Nutzung anhält; dies gilt unabhängig davon, ob der Sondereigentümer selbst oder dessen Mieter Nutzer ist.
• BGH v. 27.2.2015 – V ZR 73/14: Wird der in einer Eigentumswohnung vorhandene Bodenbelag (hier: Teppichboden) durch einen anderen (hier: Parkett) ersetzt, richtet sich der zu gewährende Schallschutz grundsätzlich nach der zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden Ausgabe der DIN 4109; ein höheres einzuhaltendes Schallschutzniveau kann sich zwar aus der Gemeinschaftsordnung ergeben, nicht aber aus einem besonderen Gepräge der Wohnanlage (insoweit Aufgabe des Senatsurteils vom 1. Juni 2012, V ZR 195/11).