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56 © Carl Hanser Verlag, München F O R M + Werkzeug 4/2008 PRAXIS Formenkonstruktion VOM AUFTRAG ZUM KINDERSICHEREN SPIELZEUG IN KURZER ZEIT Brachiosaurischer Formenbau Premiummarken sind anspruchsvoll. Auch bei Spielwaren. Das Urzeittier Brachiosaurus sollte kurzfristig lieferbar sein. Nicht nur das, denn Kunde Kind ist auch anspruchsvoll in Sachen Produkthaftung. Ein Formenbauer konstruierte für einen Spielzeughersteller das Spritzguss-Werkzeug, das einwandfreie Teile der Spielfigur produzierte. Brachiosaurus: Für das hundertfach kleinere Spielzeug (Bild links oben) musste in kurzer Zeit eine Spritzgussform her. Vor langer Zeit dagegen, vor etwa 135 bis 155 Millionen Jahren, lebte das echte Tier (Körperrekonstruktion oben links; Skelett). Diese Saurierart war etwa 23 m lang, 13 m hoch und wog zirka 38 Tonnen (das 5,5-Fache eines afrikanischen Elefantenbullen). Bilder: Wikimedia Commons, Geobra-Playmobil, Naturkundemuseum Berlin AUF DEM NEUESTEN Stand der Technik und absolut termintreu muss ein Werkzeugbauer sein, wenn er für einen Spielwarenhersteller wie Geobra Brandstätter und seine Premiummarke Playmobil einen Auftrag ergattern will. Diesmal galt es, für ein Tierexemplar, einen Dinosaurier der Spezies Brachio- saurus, das Werkzeug zu konstruieren, das die Teile der Tierfigur ohne Bean- standung formt. Dazu hat unter ande- rem der Hans Möderer Werkzeug- & Formenbau aus dem fränkischen Lein- burg-Diepersdorf beigetragen. Kopf, Hals und Unterkiefer des Bra- chiosaurus wurden in dem Werkzeug geformt, das die Mitarbeiter des Unter- nehmens innerhalb von sechs Wochen entwickelten und fertigten. Zuvor hat- te der Spielzeughersteller die CAD-Da- ten geschickt, mit einer Beschreibung, wie die Teile am Schluss aussehen soll- ten, inklusive der Oberflächenbeschaf- fenheit. Anhand dieser Daten bestimm- ten die Konstrukteure das Werkzeug mit Form, Anzahl der Platten, verwen- detem Aufbaumaterial, gehärtet oder ungehärtet und erstellten aufgrund die- ser Definition ein Angebot. Nach etwa ein bis zwei Wochen – inklusive Preis- Nachverhandlungen – erteilte Geobra Brandstätter den Auftrag an Möderer. Bereits bei der Erstellung des Angebots

VOM AUFTRAG ZUM KINDERSICHEREN SPIELZEUG IN …übernahm, ist ein Hinweis auf den fami-liären Charakter des Unternehmens, das Hans Möderer 1937 gründete. Das Unternehmen stützt

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  • 56 © Carl Hanser Verlag, München FORM+ Werkzeug 4/2008

    PRAXIS Formenkonstruktion

    VOM AUFTRAG ZUM KINDERSICHEREN SPIELZEUG IN KURZER ZEIT

    Brachiosaurischer FormenbauPremiummarken sind anspruchsvoll. Auch bei Spielwaren. Das Urzeittier

    Brachiosaurus sollte kurzfristig lieferbar sein. Nicht nur das, denn Kunde

    Kind ist auch anspruchsvoll in Sachen Produkthaftung. Ein Formenbauer

    konstruierte für einen Spielzeughersteller das Spritzguss-Werkzeug, das

    einwandfreie Teile der Spielfigur produzierte.

    Brachiosaurus: Für das hundertfach kleinere Spielzeug (Bild links oben) musste in kurzer Zeiteine Spritzgussform her. Vor langer Zeit dagegen, vor etwa 135 bis 155 Millionen Jahren, lebtedas echte Tier (Körperrekonstruktion oben links; Skelett). Diese Saurierart war etwa 23 m lang,13 m hoch und wog zirka 38 Tonnen (das 5,5-Fache eines afrikanischen Elefantenbullen). Bi

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    AUF DEM NEUESTEN Stand derTechnik und absolut termintreu mussein Werkzeugbauer sein, wenn er füreinen Spielwarenhersteller wie GeobraBrandstätter und seine PremiummarkePlaymobil einen Auftrag ergattern will.Diesmal galt es, für ein Tierexemplar,einen Dinosaurier der Spezies Brachio-saurus, das Werkzeug zu konstruieren,das die Teile der Tierfigur ohne Bean-standung formt. Dazu hat unter ande-rem der Hans Möderer Werkzeug- &Formenbau aus dem fränkischen Lein-burg-Diepersdorf beigetragen. Kopf, Hals und Unterkiefer des Bra-chiosaurus wurden in dem Werkzeuggeformt, das die Mitarbeiter des Unter-nehmens innerhalb von sechs Wochenentwickelten und fertigten. Zuvor hat-te der Spielzeughersteller die CAD-Da-ten geschickt, mit einer Beschreibung,wie die Teile am Schluss aussehen soll-ten, inklusive der Oberflächenbeschaf-fenheit. Anhand dieser Daten bestimm-ten die Konstrukteure das Werkzeugmit Form, Anzahl der Platten, verwen-detem Aufbaumaterial, gehärtet oderungehärtet und erstellten aufgrund die-ser Definition ein Angebot. Nach etwaein bis zwei Wochen – inklusive Preis-Nachverhandlungen – erteilte GeobraBrandstätter den Auftrag an Möderer.Bereits bei der Erstellung des Angebots

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    setzte Möderer sein Soft-ware-Tool Visi ein. Bei die-sem CAD/CAM-System sindalle Module in einer einheit-lichen Benutzerumgebungintegriert. Der Kern der Pro-duktreihe ist Visi-Modelling,ein hybrider Flächen- undVolumenmodellierer, der aufdem Parasolid-Kern basiert.Mithilfe der Modul-Schnitt-stellen, Split und Analysemacht sich der Konstrukteurein erstes Bild davon, wel-chen Aufwand das Projektbenötigen wird. Die Kon-struktion selbst nimmt etwaeine Woche in Anspruch. Indieser Phase kommt dasSoftwaremodul Visi-Model-ling zum Einsatz.Ist die Konstruktion freigege-ben, bestellen die Mitarbeiter das benö-tigte Material, und das Projekt tritt überin die NC-Programmierungsphase, inder die Fräsprogramme erstellt und dieElektroden abgeleitet werden. An die-sem Punkt lässt sich auch der zu erwar-tende Arbeitsaufwand abschätzen. Da-nach entscheidet sich, ob das Projekt aufeine oder zwei Personen aufgeteilt wird.Bei Bedarf programmiert ein Mitarbei-ter die Elektroden, während sich einzweiter um die Formeinsätze kümmert.

    Fräsen, Erodieren, Härten,Schleifen und FeinabstimmenInsgesamt zwei bis drei Wochen benöti-gen die Programmierer, um mit Visi-Machining und Visi-Wire die Formein-sätze und die Elektroden herzustellen.Parallel dazu werden die Aufbauteilevorgefräst und gehärtet. Nach dem Här-ten schleift der Formenbauer die Einsät-ze, passt sie ein und arbeitet die Elektro-den ein. Ist jeder Einsatz einzeln für sichbearbeitet, folgt eine zweitägige Feinab-stimmung, in der die Einsätze aufeinan-

    der abgestimmt werden.Vom Know-how her ist die Brachiosau-rus-Form nicht überragend anspruchs-voll. Die Herausforderung war eher dieextrem kurz bemessene Zeit. Mehr alssechs bis acht Wochen stehen eigentlichnie für eine solche Form zur Verfügung.Bei dem Werkzeug für den Brachiosau-rus bat der Kunde dann auch noch umeine zusätzliche Vorverlegung des Ter-mins, da für die Verpackung vorab Fo-tos benötigt wurden. »Ohne Visi könnten wir zusperren»,sagt Norbert Neubauer, geschäftsfüh-render Gesellschafter bei Möderer. Derganze Bereich des Formenbaus hat sichso entwickelt, dass ohne den Einsatzvon CAD/CAM die technischen Anfor-derungen nicht mehr zu erfüllen sind.Früher wurden die Elektroden manuellgefräst und Informationen auf Papierweitergegeben. Seit dem Einsatz von Vi-si wurden die Fehlerquellen eindeutigreduziert, da alles von einer gemeinsa-men 3D-Basis her kommt. Die Zeiter-sparnis ist laut Norbert Neubauerenorm. Anfänglich hat der Formenbauer nurdie Fräsprogramme im Haus erstellt, dieKonstruktion des Werkzeugs lieferte einauswärtiges Büro. Jetzt läuft die gesam-te Prozesskette bei Möderer vor Ort ab.Nach dem Einstieg ins HSC-Fräsenstellte der Formenbauer die Elektroden-fertigung innerhalb eines Tages vonKupfer auf Grafit um, was die Fräszei-ten um 40 bis 50 Prozent verkürzte.

    Nun will Möderer mit der OPS 550 ei-ne Fünf-Achs-Fräsmaschine einführen,die weitere Rationalisierungsvorteilebringen soll. Mit einer Aufspannungkann dann vielseitiger bearbeitet wer-den, was kürzere Werkzeuge und einekürzere Durchlaufzeit bedingt. Nebenden reduzierten Werkzeugkosten lässtsich auch die Oberfläche des gefrästenMaterials verbessern. Insgesamt wer-den die Laufzeiten erhöht und dieMannzeiten verringert, sodass dieWirtschaftlichkeit zunimmt. Zusätzlich ist diese Fünf-Achs-Fräsma-schine mit einer Automatisierung aus-gestattet, sodass man jetzt Elektroden-rohlinge automatisch einwechselnkann. Diese Möglichkeit bestand vor-her nicht. Norbert Neubauer erwarteteine schnelle Amortisation aufgrundder hohen Automatisierung. Außer-dem kann die Maschine sofort zumDrei-Achs-Fräsen eingesetzt werden.

    Durchgängiger Datenfluss vonCAD bis zum fertigen WerkzeugMöderer entschied sich für Visi nichtnur wegen der Durchgängigkeit bei derDatenbearbeitung über CAD undCAM bis zum Fertigstellen des Werk-zeugs. Dazu kam für den Formenbauerein gutes Preis-Leistungs-Verhältnisund die Update-Schulung. Sechs Arbeitsplätze sind im Momentbei Möderer installiert. Neben derfünftägigen Basisschulung besuchendie Mitarbeiter die jährlich stattfinden-den Update-Schulungen, die Meca-

    UNTERNEHMENiAnwender: Hans Möderer Werkzeug- & Formenbau GmbHTel. +49/91 20/1 80 95-0www.moederer.de

    Hersteller: Mecadat GmbHTel. +49/87 61/76 20-0www.mecadat.de

    Spiel- und Werkzeug: Norbert Neubauer (links) undKarl Rohrmüller sichten und prüfen die Formteile desBrachiosaurus, die das Werkzeug produziert hat.

    Details: Komplexität für simple Formteile.Das Spritzguss-Werkzeug für den Bra-chiosaurus, zerlegt in seine Einzelteile.Bi

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    dat regional anbietet. »Das ist einwichtiger Gesichtspunkt für viele Kun-den: Unsere Updateschulungen findenan 13 verschiedenen Orten in Deutsch-land statt«, erläutert Karl Rohrmüller,Prokurist und Vertriebsleiter von Me-cadat. An den Schulungen für das dies-jährige Hauptrelease haben etwa 900Leute teilgenommen. Für das Programmieren der Fünf-Achs-Fräsmaschine haben zwei Mitarbeitervon Möderer bereits bei der letzten Up-dateschulung erste Eindrücke sammelnkönnen. Darüber hinaus gibt es vorOrt noch eine spezielle, auf den Kun-den und die Maschine zugeschnitteneSchulung, die zwei Tage lang dauert.

    Investitionen in die Softwarestehen weiter oben anSeit Visi bei Möderer im Einsatz ist,gab es kein Problem mit der Software.»Wegen Visi stand die Fertigung nochnie«, sagt Norbert Neubauer. Er istsehr zufrieden mit der Zusammenar-beit. Die Hotline steht, bei Fragenkann man Daten hinschicken und wirdprompt bedient. Laut Norbert Neu-bauer »bekommt man einen so umfas-senden Service nicht so leicht«. Kon-krete Wünsche fallen dem Geschäfts-führer nicht ein, da der Kontakt zwi-schen Möderer und Mecadat sowiesointensiv ist und Änderungswünschelaufend behandelt werden. Bei Möderer ist die Investitionsbereit-schaft ungebrochen. Das Modul für dieFünf-Achs-Fräsmaschine ist bereits imHaus. Das EDM-Modul für die Senk-

    erodiermaschine erweitert demnächstden Maschinenpark. Bis jetzt geben An-wender die Werte manuell ein. DieseFehlerquelle will Norbert Neubauerschnellstmöglich abschaffen und den di-gitalen Prozess innerhalb von Visi biszur Senkerodiermaschine komplett ab-bilden. Das Modul Visi-Flow für die Rheologiehat sich der Formenbauer ebenfallsschon vorführen lassen. Allerdings gibtes noch zu wenig Anfragen von Kun-denseite, sodass sich die Anschaffung imMoment noch nicht lohnt. Neben dem Formenbau kommt Visiauch in der Lohnfertigung intensivzum Einsatz. Wie Norbert Neubauerberichtet, wurden früher die Einzelstü-cke für den Modellbereich von Handgefertigt und Änderungen in Papier-form weitergegeben. Inzwischen hatsich durch Visi auch in diesem Bereichdie Fehlerquote deutlich verringert.Die gute Qualität, die Möderer von sei-nem Softwarelieferanten verlangt, setztdas fränkische Unternehmen auch imeigenen Haus als Standard an. Nebeneinwandfreier Arbeitsleistung legtNorbert Neubauer Wert auf absoluteTermintreue. Der wirtschaftliche Erfolg gibt ihm da-bei recht. In den letzten fünf Jahren hatsich der Umsatz beinahe verdoppelt,nach dem Umzug im letzten Jahr stehtmit 1600 qm2 fast die doppelte Pro-duktionsfläche zur Verfügung. Nebender größeren Fläche bietet der Umzugnoch weitere Vorteile: Die Produkti-onshalle ist klimatisiert, was den hoch-

    genauen Maschinen zugute kommt.Durch die neue Krananlage in der Hallekann der Formenbauer Werkzeuge vonbis zu 10 t produzieren.

    Ein Unternehmen mit hoherEigenverantwortungAuch an den Mitarbeitern zeigt sich diegute Qualität des Unternehmens. DieHälfte der etwa 40 Angestellten ist seitvielen Jahren in der Firma. Vor allem diehohe Eigenverantwortung ist es, die dieMitarbeiter zu schätzen wissen. Außerden beiden Chefs gibt es keine Hierar-chiestufen. Und dass Norbert Neubauerder Schwiegersohn des zweiten ge-schäftsführenden Gesellschafters GeorgWeinmann ist, der selbst als Schwieger-sohn des Firmengründers den Betriebübernahm, ist ein Hinweis auf den fami-liären Charakter des Unternehmens, dasHans Möderer 1937 gründete. Das Unternehmen stützt sich auf zweiStandbeine: zum einen die Fertigung vonSpritzgusswerkzeugen für unterschiedli-che Branchen wie Automobil, Spielwa-ren, Kosmetik und Sanitär. Im zweitenBereich – der Lohnfertigung – werdenteils komplexe Formen aus unterschied-lichen Materialien wie Aluminium ge-fräst und lasergeschweißt. Das Unter-nehmen ist seit 2004 nach DIN EN ISO9001:2000 zertifiziert. ■DORIS BINDL

    Dokumentnummer für diesen Beitrag unterwww.form-werkzeug.de: FW100827

    Modellieren: Hier sind die Teile des Brachiosaurus-Spielzeugs zu-sammen mit dem entsprechenden Spritzguss-Werkzeug per Visi-Modelling dargestellt. Dieses Modul ist ein hybrider Flächen- undVolumenmodellierer, der auf dem Parasolid-Kern basiert.

    Werkzeugkonstruktion: Dynamischer Schnitt durch das Spritzguss-Werkzeug, entwickelt und dargestellt mit der CAD/CAM-SoftwareVisi. Bei diesem CAD/CAM-System sind alle Module in eine einheit-liche Benutzerumgebung integriert.

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