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Vom Grenz- zum Aktionsraum

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Standort – Zeitschrift für Angewandte Geographie (2007) 31:123–125

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AnGewAndte GeoGrAphie

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© Springer-Verlag 2007

Zusammenfassung oberfranken hatte immer um eine gute Zukunft zu ringen – nach innen wie nach außen. eine lange und vielfältige gewerbliche tradition macht ober-franken zu einem in deutschland ebenso wie international bekannten und anerkannten Standortraum für Unternehmen der entwicklung und produktion hochqualitativer produkte. Sowohl die Konsum- als auch die investitionsgüterindustrie sind gut vertreten. Von der Glas- und porzellanindustrie im östlichen oberfranken über die textil- und Bekleidungs-wirtschaft, die nahrungs- und Genussmittelhersteller bis zu den Korb- und Spielzeugmachern im westen – oberfranken vereint das ganze Spektrum gewerblicher und handwerk-licher Berufe und produkte. die industrielle tradition sowie die weiterentwicklung der produkte und Verfahren haben oberfranken insgesamt vorangebracht.

Ausgangssituation

oberfranken, das heißt polyzentrische Strukturen ohne dominierendes Zentrum, europäische Vielfalt mit unver-wechselbarem Charakter: Bamberg, das fränkische rom im katholischen westen; Bayreuth, die protestantische Mark-grafenstadt im osten, alljährlich im Zentrum des weltwei-ten interesses der wagnerianer; Coburg, die europäisch(st)e

Stadt oberfrankens, die Krone Frankens; hof, in Bayern ganz oben, Zentrum des bayerischen Vogtlandes und hoch-franken, wirtschafts- und neues Bildungszentrum; daneben zahlreiche weitere Städte, wie etwa Kulmbach, die „ge-heime“ deutsche hauptstadt des Bieres.

oberfranken, das heißt aus dem Miteinander lernen und gewinnen. oberfranken, das heißt auch Vielfalt: die wieder gewonnenen partner in thüringen, im Vogtland sowie in westböhmen, die erneut hervorragende Lage zu den wirt-schaftsräumen erfurt, halle-Leipzig, Zwickau-Chemnitz, Karlsbad, prag, pilsen sowie die nähe zu nürnberg-erlan-gen-Fürth und Schweinfurt sind ein bedeutendes potenzial für die Zukunft, eine historische Chance für oberfranken. durch die Mitgliedschaft in der Metropolregion nürnberg versuchen die Kommunen bzw. die wirtschaft und wissen-schaft, mit den „Leuchttürmen“ die ländlichen räume in der „europäischen Metropolregion nürnberg“ (eMn) zu stär-ken, im Sinne einer zweiten bayerischen Metropolregion.

Vielfältige Potenziale und zukunftsweisende Kompetenzen

Aus der in der region vorhandenen Vielfalt und der gewerb-lichen tradition haben sich in oberfranken spezifische Kern-kompetenzen entwickelt, die Ausgangspunkt und träger der künftigen entwicklung der region sein können. daher ist vor allem auf die im Aufbau begriffenen Cluster der Auto-mobilzulieferer und der neuen Materialien hinzuweisen. oberfranken, das ist insbesondere ein wertvoller naturraum, der von der heimischen bäuerlichen Landwirtschaft gepflegt wird. Zur erhaltung und Gestaltung dieses naturraumes ist eine Unterstützung und auch Fortentwicklung der Landwirt-schaft in oberfranken unabdingbar. Zur Vielfalt der region, zu natur und Landschaft gehört in oberfranken auch das

Vom Grenz- zum AktionsraumOberfränkische Vielfalt nutzen und entwickeln

Jörg Maier · Jürgen Ludwig

10.1007/s00548-007-0043-z

online veröffentlicht: 3. 8. 2007

prof. dr. dr. h. c. Jörg MaierLehrstuhl für wirtschaftsgeographie und regionalplanungUniversität BayreuthUniversitätsstr. 30, 95447 Bayreuthe-Mail: [email protected]

dipl.-Geogr. dr. Jürgen LudwigVerband region StuttgartKronenstraße 25, 70174 Stuttgarte-Mail: [email protected]

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gesunde Leben. oberfranken ist eine Gesundheitsregion mit gesundheitsorientiertem tourismus in den fünf heilbädern der region, ergänzt durch die erlebnisbäder in Bayreuth und obernsees, die nahen böhmischen Bäder sowie die hervorragende medizinische Versorgung in den Zentren Bayreuth und Bamberg. die Kernkompetenz „Gesundheit und gesundes Leben“ gilt es daher in den nächsten Jahren als Standortfaktor der Zukunft stärker herauszuarbeiten, zu pflegen und auch über die region hinaus zu vermarkten, bis hinein in die entsprechenden Ausbildungsmöglichkeiten, dienstleistungen und technischen produkte des ansässigen Gewerbes.

die strukturelle Vielfalt oberfrankens schafft auch gute Voraussetzungen, den Strukturwandel aktiv zu gestalten und neue Chancen zu nutzen, die sich aus dem wandel er-geben. den funktionalen Strukturwandel der wirtschaft gilt es weiter zu betreiben, um die wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Unternehmen zu steigern. der sektorale Struk-turwandel in oberfranken sollte im veränderten räumlichen Gefüge und im sich wandelnden wettbewerbsumfeld als Motor neuer entwicklungsdynamik und als entwicklungs-grundlage zukunftsfähiger Branchen, produkte und dienst-leistungen unterstützt werden. oberfranken ist in einem sich ständig ändernden Umfeld lokalisiert. die wiederver-einigung rückte alte partner wieder in greifbare nähe. die Öffnung der europäischen Union nach osten trägt dazu bei, oberfranken in eine alte und wieder neue rolle zu tra-gen: oberfranken als drehscheibe, als Logistikzentrum in europa.

eine Kernkompetenz bleibt jedoch noch aus den vielfäl-tigen potenzialen zu entwickeln: eine neue Umsetzungs-kultur. die zahlreich vorhandenen ideen müssen verstärkt in innovationen und projekte übersetzt und fortentwickelt werden. dazu gehören informationsmanagement, innovati-onsassistenz, regionales projektmanagement und die Schaf-fung von Gestaltungsfreiräumen für Unternehmen sowie öf-fentliche Verwaltungen. Kommunikation, Kooperation und vernetztes denken innerhalb oberfrankens ebenso wie in Bezug auf partner in anderen regionen deutschlands und europas sind opportun.

Strategien: Differenzieren, kooperieren, vernetzen und innovieren

die geschilderte Vielfalt oberfrankens birgt selbstver-ständlich in der inneren differenzierung unterschiedliche Ausgangslagen, problemlagen und Chancen. neben dem Zusammentreffen konjunktureller und struktureller, also übergreifender Schwierigkeiten, kommt etwa für das östli-che oberfranken eine Konzentration der porzellan-, Glas-, textil- und Bekleidungsindustrie hinzu. Bisher hat diese es nur teilweise geschafft, ihren Marketing-Mix einschließlich der produktpolitik den veränderten rahmenbedingungen an-zupassen. Sicherlich nimmt im dienstleistungssektor auch im östlichen oberfranken die Beschäftigung zu, doch kann diese bislang die Arbeitsplatzverluste des verarbeitenden Gewerbes nicht auffangen. Aufgrund der im westlichen

Abb. 1 Zu den wichtigen Leuchttürmen der region gehören sicherlich die Standorte von wissenschaft und Forschung. im Bild: Campus der Universität Bayreuth (Quelle: Universität Bayreuth)

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oberfranken erst später einsetzenden industriellen entwick-lung hat sich insgesamt eine west-ost-differenzierung der aktuellen problemlage herausgebildet, mit dem noch relativ stabilen investitionsgütersektor und seinen Standorten ten-denziell im westlichen oberfranken und den Ausprägungen früh entwickelter Konsumgüterproduktion im östlichen oberfranken.

die Situation und perspektiven des westlichen oberfran-kens werden entscheidend von der nähe sowie der guten verkehrlichen Anbindung zum Verdichtungsraum nürnberg-Fürth-erlangen sowie der Brückenfunktion über Forchheim, Bamberg und Coburg nach thüringen beeinflusst. die eindeutige Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in den vergangenen Jahren hat ein positives investitionsklima im raum Bamberg hervorgerufen.

nachdem in den letzten Jahren die vier oberzentren in oberfranken eine gute entwicklung nehmen konnten, wird es darüber hinaus in Zukunft bedeutsam sein, insbesonde-re die Klein- und Mittelstädte in ländlichen räumen durch politik und wissenschaft in ihrer entwicklung zu begleiten. dies gilt umso mehr angesichts der zunehmenden orientie-rung der europäischen und bundesdeutschen raumordnung auf die großen Verdichtungsräume. hinzu kommt die Sub-urbanisierung in ländlichen räumen – mit prosperierenden nichtzentralen orten als bevorzugte wohnstandorte und stagnierenden Unter- und Mittelzentren. daher ist es auch

für Standorte wie etwa Kulmbach, Kronach und Lichtenfels wesentlich, sich regional zu positionieren. etwa über Ko-operationen können die wirtschaftlichen Kernfelder gestärkt werden: die Verpackungs- und Automobilzulieferindustrie in Kronach, die nahrungsmittelproduktion und die Medi-enbranche in Kulmbach, der oberfränkische Verkehrskno-tenpunkt, das deutsche Korbwarenzentrum bzw. Kultur und Bildung in Lichtenfels zu stärken und zu vermarkten.

Literatur

Verschiedene Autoren: wirtschaftsgeographie von oberfranken = Ar-beitsmaterialien zur raumordnung und raumplanung, heft 256, Bayreuth (2007)

eiber, t.: evaluierung der Gemeinschaftsaufgabe LeAder+ am Bei-spiel der LeAder+ -regionen oberfrankens = Arbeitsmaterialien zur raumordnung und raumplanung, heft 254, Bayreuth (2007)

hagen, M.: wissenstransfer aus Universitäten als impulsgeber regio-naler entwicklung: ein institutionenökonomischer Ansatz am Beispiel der Universität Bayreuth = Arbeitsmaterialien zur raum-ordnung und raumplanung, heft 246, Bayreuth (2006)

Autorbiographie

prof. dr. dr. h. c. Jörg Maier, Jahrgang 1940, 1960 bis 1964 Studium der Volkswirtschaftslehre und rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München, dezember 1964 examen zum dipl.-Volkswirt, 1970 promotion zum dr. oec. publ., 1975 habilitati-on für das Fach Geographie zum dr. rer. pol. habil, 1976–1977 wiss. rat und professor am wirtschaftsgeographischen institut der Ludwig-Maximilians-Universität München, seit 1977 ordentlicher Universi-täts-professor und inhaber des Lehrstuhls wirtschaftsgeographie und regionalplanung der Universität Bayreuth, Schwerpunkte Forschung: Sozial- und wirtschaftsgeographie, regionalforschung und -politik, Kommunalforschung und -politik, Fachpolitik, insbesondere Agrar-, Gewerbe-, handels-, tourismus- und Freizeitpolitik sowie Verkehrs-politik und Grenzraumforschung

dr. Jürgen Ludwig, Jahrgang 1970. 1990 bis 1997 Studium von Geo-graphie, Volkswirtschaftslehre und Verwaltungsrecht an den Univer-sitäten würzburg, Strathclyde (Glasgow, UK) und Bayreuth, 1997 examen diplom-Geographie, 2004 promotion. 1997 bis 1999 wis-senschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl wirtschaftsgeographie und regionalplanung der Universität Bayreuth, 1997 bis 1999 Freier Mit-arbeiter der rrV Gmbh für raumanalysen, regionalpolitik und Ver-waltungspraxis Bayreuth, 1999 bis 2002 referent für Struktur- und entwicklungsplanung sowie persönlicher referent des präsidenten der Universität Bayreuth, seit 2002 projektmanager und europakoor-dinator beim Verband region Stuttgart. Schwerpunkte praxis: Stadt- und regionalentwicklung, raumordnungspolitik, regionalplanung, Metropolregionen, eU-Förderprogramme, eU-projekte, deutsche und europäische netzwerke.

Abb. 2 die Altstadt von Bamberg mit dem berühmten dom-ensemble gehört zu den UneSCo-weltkulturerbestätten (Foto: elsa, pixelio)