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DIGITALISIERUNG GESCHÄFTSMODELLE 16 JUNI 2014 | SCHWEIZER BANK Digitalisierung führt auch im Banking zu einem Paradigmen- wechsel – von einem Verkäufer- hin zu einem Käufermarkt. Der Kunde steht klar im Zentrum. Apps statt Filialen Der Wandel in der Finanzindustrie hat erst begonnen. Banken stehen unter dem grossem Druck, ein innovatives, digitales Angebot ihrer traditionellen Dienstleistungen erstellen zu müssen. Nur, wer die künftigen Kundenbedürfnisse richtig erfasst, wird sich durchsetzen. Von Matthias Niklowitz F inanzkräftige, nicht durch Altlasten unter Druck stehende, grosse neue Anbieter stehen bereit, um die Fi- nanzindustrie umzukrempeln. Das Musik-, Film- und Buchhandelsge- schäft haben diese Konzerne schon kräftig auf- gemischt. «Trotz des Hype um die neuen An- bieter wie Google und Facebook werden diese die traditionellen Banken nicht gleich hinweg- fegen», sagen die Industrieanalysten von Gart- ner. «Diese Anbieter werden aber stark beein- flussen, wie sich die Zukunft der Bankindustrie präsentieren wird.» Diese Konzerne geben bei wichtigen e- men wie Datenanalyse und Datenmanage- ment den Weg vor, von dem die etablierten Banken einiges lernen müssen, wenn sie über- leben wollen. Sie breiten sich ständig von ih- rem ursprünglichen Kerngeschäft entlang ih- rer Wertschöpfungskette aus und packen so das Geldgeschäft von einem ganz anderen Standpunkt und Blickwinkel aus an. Damit hätten sie, so Gartner, die Macht, gleich auch das Gesicht einer ganzen Branche mitzuprä- gen und den weiteren Verlauf der Entwicklung mitzubestimmen. «Für viele existierende Fi- nanzdienstleister ist es extrem schwierig, den weiteren Entwicklungsweg aktiv zu bestim- men», so die Gartner-Experten weiter. Denn sie täten sich extrem schwer damit, die richti- gen Schritte zu unternehmen, um sich auf die künftigen Kundenbedürfnisse einzustellen. Für die Zukunft der Bankindustrie spielt die IT eine entscheidende Rolle. Eine Umfrage von Gartner bei Entscheidungsträgern ergab indes ein ernüchterndes Bild: Ein Viertel der Spitzenmanager gab an, ihre eigene IT-Abtei- lung sei irrelevant für eine agilere, eigene Bankorganisation. Gleich hoch war der Anteil, der angab, dass die IT für das Erreichen der operativen Ziele bedeutungslos sei. Und ein Fünftel sagte, dass die IT auch für das Errei- chen der strategischen Ziele keine Rolle spiele. Bei den Prioritäten der IT-Abteilungen stehen die emen analytische Datenauswertungen, Mobilität und Modernisierung zuoberst auf den Listen. Die emen «Cloud» und Virtuali- sierung sind deutlich zurückgefallen. Vertriebskraft und Produktivität steigern Sehr wichtig für die Finanzdienstleister sind die beiden emen Vertriebskraft stärken und die Produktivität der eigenen Angestellten er- höhen. Am Ende steht gemäss einem Arbeits- papier des australischen Bankenverbandes eine Retail-Bankenstruktur mit drei Filialty- pen: die neuen Selbstbedienungsfilialen, die auch in Shopping-Centern, Supermärkten und Kaffeehausketten stehen können, wo we- nig Bankpersonal nur noch für die komplexen

Vom Verkäufer- zum Käufermarkt

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Buchbesprechung „Client Value Generation“: In der Schweizer Bank wird das im August erscheinende Buch „Client Value Generation – Das Zürcher Modell der kundenzentrierten Bankarchitektur“ vorab besprochen.

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Page 1: Vom Verkäufer- zum Käufermarkt

DIGITALISIERUNG GESCHÄFTSMODELLE

16 JUNI 2014 | SCHWEIZER BANK

Digitalisierung führt auch im Banking zu einem Paradigmen-

wechsel – von einem Verkäufer- hin zu

einem Käufermarkt. Der Kunde steht klar

im Zentrum.

Apps statt FilialenDer Wandel in der Finanzindustrie hat erst begonnen. Banken stehen unter dem grossem Druck, ein innovatives, digitales Angebot ihrer traditionellen Dienstleistungen erstellen zu müssen. Nur, wer die künftigen Kundenbedürfnisse richtig erfasst, wird sich durchsetzen. Von Matthias Niklowitz

Finanzkräftige, nicht durch Altlasten unter Druck stehende, grosse neue Anbieter stehen bereit, um die Fi-nanzindustrie umzukrempeln. Das Musik-, Film- und Buchhandelsge-

schäft haben diese Konzerne schon kräftig auf-gemischt. «Trotz des Hype um die neuen An-bieter wie Google und Facebook werden diese die traditionellen Banken nicht gleich hinweg-fegen», sagen die Industrieanalysten von Gart-ner. «Diese Anbieter werden aber stark beein-flussen, wie sich die Zukunft der Bankindustrie präsentieren wird.»

Diese Konzerne geben bei wichtigen The-men wie Datenanalyse und Datenmanage-ment den Weg vor, von dem die etablierten Banken einiges lernen müssen, wenn sie über-leben wollen. Sie breiten sich ständig von ih-rem ursprünglichen Kerngeschäft entlang ih-rer Wertschöpfungskette aus und packen so das Geldgeschäft von einem ganz anderen Standpunkt und Blickwinkel aus an. Damit hätten sie, so Gartner, die Macht, gleich auch das Gesicht einer ganzen Branche mitzuprä-gen und den weiteren Verlauf der Entwicklung mitzubestimmen. «Für viele existierende Fi-nanzdienstleister ist es extrem schwierig, den weiteren Entwicklungsweg aktiv zu bestim-men», so die Gartner-Experten weiter. Denn sie täten sich extrem schwer damit, die richti-

gen Schritte zu unternehmen, um sich auf die künftigen Kundenbedürfnisse einzustellen.

Für die Zukunft der Bankindustrie spielt die IT eine entscheidende Rolle. Eine Umfrage von Gartner bei Entscheidungsträgern ergab indes ein ernüchterndes Bild: Ein Viertel der Spitzenmanager gab an, ihre eigene IT-Abtei-lung sei irrelevant für eine agilere, eigene Bank organisation. Gleich hoch war der Anteil, der angab, dass die IT für das Erreichen der operativen Ziele bedeutungslos sei. Und ein Fünftel sagte, dass die IT auch für das Errei-chen der strategischen Ziele keine Rolle spiele. Bei den Prioritäten der IT-Abteilungen stehen die Themen analytische Datenauswertungen,

Mobilität und Modernisierung zuoberst auf den Listen. Die Themen «Cloud» und Virtuali-sierung sind deutlich zurückgefallen.

Vertriebskraft und Produktivität steigern Sehr wichtig für die Finanzdienstleister sind die beiden Themen Vertriebskraft stärken und die Produktivität der eigenen Angestellten er-höhen. Am Ende steht gemäss einem Arbeits-papier des australischen Bankenverbandes eine Retail-Bankenstruktur mit drei Filialty-pen: die neuen Selbstbedienungsfilialen, die auch in Shopping-Centern, Supermärkten und Kaffeehausketten stehen können, wo we-nig Bankpersonal nur noch für die komplexen

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GESCHÄFTSMODELLE DIGITALISIERUNG

Transaktionen und für das Lösen von Proble-men an den Terminals bereitsteht. Ergänzt werden diese mit den bedienten «Beratungsfi-lialen», bei denen das volle Angebot der Ban-ken verkauft wird, inklusive Altersvorsorge, Fi-nanzplanung und Häuserkauf. Über diesen Verkaufspunkt sollen idealerweise auch die Beziehungsaspekte von modernen Bankbe-ziehungen geregelt werden. Daneben existiert weiter das reduzierte traditionelle Filialge-schäft, das sich aber lediglich an bestimmte Zielgruppen wie ältere Menschen, technolo-gieresistente Kundengruppen und sehr wohl-habende Personen richtet. Diese Services ha-ben ihren Preis: Kunden dürften hier für Standard-Services deutlich mehr zahlen als in den Selbstbedienungsfilialen.

Erste Ansätze in der Schweiz, die Kunden so zu segmentieren, sind in der Praxis relativ er-nüchternd. Die Migros Bank beispielsweise stellt teilweise Auszubildende an die Triage-Schalter der Beratungsfilialen, die eigenen Pri-vate-Banking-Kunden erhalten keinen besse-ren Service als alle anderen. Möglicherweise erledigen sich diese Probleme bald. Es dürfte lediglich eine Frage von wenigen Jahren sein, bis «intelligente» Geldautomaten viele Aufga-ben den Bankberatern abnehmen werden. Diese Automaten sollen dann auch individuelle Anlagetipps sowie Hinweise für die optimierte Geldanlage geben, und der Datenaustausch mit den «digitalen Geldbörsen» soll über Nah-feldkommunikationsmittel («NFC») erfolgen.

Vom Verkäufer- zum Käufermarkt Knackpunkt der Ausrichtung einer Bank auf die Zukunft ist indes weniger die Technologie. Das Zürcher Autorenduo Bernhard Koye und Stefanie Auge-Dickhut schlägt einen Paradig-menwechsel vom Verkäufer- zum Käufermarkt vor. Ausgangspunkt jeder Veränderung ist das veränderte Kundenverhalten. «Es gibt keine

vorgefertigten Lösungen für Banken», warnen die Autoren in ihrem eben erschienenen Buch «Client Value Generation». «Die Entwicklun-gen rund um die Generation «Y» stellen das bisherige Vorgehen nun auf den Prüfstand, da die bisherigen Kategorisierungen immer weni-ger greifen», sagt Bernhard Koye, Fachhoch-schulprofessor an der Kalaidos Fachhoch-schule für Wirtschaft in Zürich. «Kunden sind besser informiert, haben weniger Zeit, hinter-fragen den Mehrwert der angebotenen Dienst-leistungen und wünschen sich effektive und integrierte Lösungsansätze.»

Was in zehn Jahren die effektiv nachgefrag-ten «Bank»-Dienstleistungen sein werden, sei heute nur schematisch abschätzbar. Die Fähig-keit zum «Lesen zwischen den Zeilen» und die Ausrichtung auf die Kernwünsche der Kunden seien der Finanzbranche vor dem Hintergrund der zunehmenden Unzufriedenheit der Kun-den mit den bestehenden Produkt angeboten der Banken zu wünschen, so Koye.

«Branchen, die sich transformiert haben, gibt es viele. In der Finanzindustrie beginnt dieser Wandel erst jetzt.» Dies ist auch deshalb bemerkenswert, weil Banken Unternehmen bei der Umsetzung neuer Strategien beraten. «Banken sind sehr stark in der evolutionären und analytischen Weiterentwicklung des bis-herigen Ansatzes», erklärt Koye dieses Phäno-men. Es falle ihnen aber schwer, die Zeichen der Zeit über den konkreten Business Case hin aus in den eigenen Geschäftsmodellen umzusetzen. Radikale Innovation werde nicht belohnt, da sie sich bis anhin auch nicht ge-rechnet habe – dies sei das Dilemma. Die Mo-dularisierung der Wertschöpfungskette stehe auch der Bankbranche bevor, sagt Koye. Nur die Anbieter, denen es jetzt gelinge, die eige-nen Modelle konsequent von innen heraus zu transformieren, würden auch längerfristig be-deutende Rollen spielen.

BILD

: IST

OCK

Eigenschaften

Personal Finance Management: Retailbankendienste ohne Filial-netz.Sparen und Anlegen: Kunden legen die Gelder selber an, ihre Ideen erhalten sie über soziale Netze.Zahlungsverkehr: Einfacher, schneller, flexibler, mit tieferen Ge-bühren.

Finanzierungen: Anstelle von Banken treten neue Plattformen, die Interessenten für die kurz- und langfristige Finanzierung von Projekten zusammenbringen. Die Sache hat für beide Seiten grosse Vorteile: Höhere Transparenz, tiefere Kosten und tiefere Kreditzinsen.Elektronische Währungen: Bitcoin war erst der Anfang. Facebook hat bereits eine Lizenz in Irland beantragt, um elektronische Fi-nanzdienstleistungen anbieten zu können.

Beispiele

Mint, Fidor, BankSimple, Meniga

Kickstarter, Covestor, c-crowd, Yavalu, eToro, Ayondo, InvestTor, SmartyPigPayPal, Liqpay.com, Paymo, Google Wallet, Boku, Square, Sofortbanking, Click&Buy, Moneybookers, M-PassSmava, Prosper, Cashare, RaiseCapital, Kickstarter, Funding Circle

Facebook Credits, Google In-app-Payment, Q-Coin, Bitcoin

Die neuen digitalen Banken-Geschäftsmodelle

Wie Finanzintermediäre (FIMs) im wandelnden Umfeld Wachs-tumschancen ergreifen können.

In einer steuertransparenten Welt nimmt die geografische Mobilität der Kundenvermögen und der Performancedruck zu. Komplexere Regulierungen erfordern ein pro-fessionelles Compliance- und Risikomanagement, was bedeuten-den Investitionen gleichkommt. Beides führt zu sinkenden Margen und abnehmender Profitabilität. Zeitgleich steht die Branche vor einem Generationenwechsel.

Welche strategischen Optionen stehen FIMs offen, um vom Wan-del profitieren zu können? Grund-sätzlich bieten sich drei Modelle: der Zusammenschluss mit einem ähnlich ausgerichteten Partner, die Übernahme eines Partners oder einzelner Assets um das Kunden-portefeuille zu stärken und schliesslich die Auslagerung oder den Einkauf anspruchsvoller Dienstleistungen. Entscheidend ist die frühzeitige Auseinander- setzung mit dem bevorzugten Modell und eine detaillierte Analy-se der geschäftlichen Situation.

Mit der Initiative Leading Through engagiert sich UBS, um mit FIMs über ihre strategischen Möglich-keiten zu diskutieren und sie auf der Suche nach langfristigen und effektiven Wachstumschancen fachkundig zu unterstützen.

www.ubs.com/leadingthrough

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Quo Vadis, FIM?Von Stephan MattiHead UBS Global FIM Deutschschweiz [email protected]

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