61

Vorschau Vier Leben

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Dies ist eine Vorschau meiner Maturaarbeit. Ein Fotobuch, indem Vier Menschen einen Tag lang begleitet wurden.

Citation preview

Diese Fotodokumentation wurde im Rahmen meiner Maturaarbeit durchgeführt.

Ziel war es, die Individualität und Einzigartigkeit jeder porträtierten Person hervorzuheben. Gleichzeitig hatte ich durch die Auswahl der Menschen, die sich liebenswerterweise zur Verfügung gestellt haben, die Vielfalt und die Gegensätze in der Lebensweise jedes dieser Individuen im Fokus. Mein Anliegen ist es mittels der Kamera einen Einblick in den Alltag dieser Menschen zu gewähren. Dabei ist es mir wichtig als Fotograf möglichst nahe am „Objekt“ zu bleiben ohne voyeuristisch zu wirken.

Das vorliegende Resultat ist eine Dokumentation, die es keineswegs darauf angelegt hat dekorative und schöne Bilder zu präsentieren, viel mehr soll sie dem Betrachter das ungeschminkte Leben dieser vier unterschiedlichen Personen zeigen. Nicht zuletzt ist es mir ein Anliegen es Ihnen zu ermöglichen durch den Sucher zu schauen und vier Leben zu entdecken, welche einmalig, skuril, schrill oder gar befremdlich sind.

Nach intensiver Suche des bestmöglichen Konzepts, kam ich zum Entschluss vier Menschen je einen Tag lang zu begleiten. Die Reportagebeginnt mit dem Morgenessen und endet mit dem zu Bette gehen. Ich wähle bewusst die simultane Darstellung, um den Vergleich so offensicht-lich wie möglich zu halten. Dies eröffnet dem Betrachter überraschende Perspektiven. Zu jedem Bild steht der Name der Person und die Uhrzeit, als es entstand.

Die Buchgestaltung habe ich bewusst puristisch gehalten, das heisst das Schwergewicht soll auf dem Klaren, Reinen, Genauen und Regelmässigen liegen. Mir schwebte ein einfaches, funktionales Layout vor, in dem die Bilder nicht mittels Schnörkel bevormundet werden, sondern für sich sprechen.

Kein Vorwort ohne Dankeschön:

Allen voran möchte ich den vier Porträtierten aufs Herzlichste für ihre Bereitwilligkeit und ihre Geduld danken.

Erich Sahli, der mir mit Rat und Tat zur Seite stand, und der mich mit seiner konstruktiven Kritik auf den richtigen Pfad geleitet hat.

Dank an Jana Schiffmann, die mir ihre Blitzanlage bereitgestellt hat.

Bedanken möchte ich mich auch bei Julian Stahl, für die gestalterische Hilfe.

Marcel Weber und sein Team von Bedruckbar möchte ich für den Druck dieses Buches danken.

Und nicht zuletzt meinem Vater, der mit seinen Einwänden und Ideen massgebend zum Gelingen des Projekts beigetragen hat.

VORWORT

GERTRUD

„Mein Leben ist ja gar nicht interessant!“

Fast ein bisschen verlegen reagiert Gertrud, meine Grossmutter, als ich sie frage, ob sie für meine Arbeit Modell stehen würde.

Am 9. November 1926 wurde sie als zweitjüngstes Kind des Melchior Fischlin in Vitznau geboren. Als Bergbauerntochter hat sie mit 8 Jahren vor der Schule die schwere Milchtausse in die Käserei hinuntergetragen. Da kein Fahrrad zur Verfügung stand, konnte sie die Sekundarschule im Nachbardorf nicht besuchen. Auch ihr Berufswunsch, Schneiderin, wurde mit der Begründung, sie müsse Geld verdienen gehen, verwehrt. „Es herrschte Krieg. So war es halt. Ich habe eine Stelle im Service gefunden. Es kamen oft Soldaten in die Wirtsstube, die gelegentlich unterhaltsame Geschichten zum Besten gaben.“ Gertrud wirkt nicht verbittert, sie hat diese Zeit in guter Erinnerung.

Man merkt, dass Gertruds Leben heute in ruhigen Bahnen verläuft. Ihr Blick ist rückwärtsgewandt, wenn sie erzählt, dann sind das Begebenheiten aus der Vergangenheit.

Mit 16 arbeitete sie im Kaffee Stoller in Zürich. Zu Weihnachten sei sie von Ihrem Patron beschenkt worden. Ihre Augen beginnen zu glänzen. Mit der schwarzen Limousine sei sie abgeholt worden und zur Villa chauffi ert worden, dort habe sie an einem reichgedeckten Tisch Platz nehmen dürfen und habe gegessen, bis sie satt gewesen sei. Zum Schluss habe sie sogar noch ein Geschenk erhalten.

Man merkt ihr an, dass sie als Kind und Jugendliche oftmals hungrig ins Bett gehen musste. Klagen will sie nicht.

Ihre Gedanken haften an vergangenen Ereignissen. Sie umgibt sich auch mit Dingen und Relikten aus der Vergangenheit.

Zwischendurch wird ihr monotoner Alltag erschüttert, durch eine Schlagzeile aus dem Blick. Dann wirkt sie nachdenklich, gar besorgt. „Man kann ja heute nicht mehr ohne Angst auf denn Bahnhof gehen, überall hat es Schwarze.“ Solche Sätze wirken befremdlich. Nicht zuletzt, wenn man in Betracht zieht, dass sie einen Weltkrieg erlebt, einen Ehemann verloren und 2 Kinder auf die Welt gebracht hat. In solchen Momenten wird einem bewusst, welche Auswirkungen populistisches Gedankengut hat. Bei Gertrud weckt das Ängste.

Eine wichtige Rolle spielen die täglichen Endlosserien im Fernsehen, welche sie gespannt mitverfolgt. Ihr Tagesablauf ist auf diese Sendungen abgestimmt. Sie leidet mit den Figuren mit, indentifi ziert sich mit ihnen und manchmal fragt man sich, ob sie ein Teil ihrer Realität geworden sind.

Aus dem Haus geht Gertrud nicht jeden Tag, das Treppensteigen bereitet ihr grosse Mühe.

JENNIFER

„Zu schnell fi ndet man sich nach einer Unsicherheit am Boden wieder!“

Jennifer ist besonders stark am Balken, obwohl sie dieses Gerät nicht besonders liebt.

An den letzten Schweizermeisterschaften erreichte sie im Gesammtklassement den dritten Platz. 2009 bestritt sie die Weltmeisterschaften in London und belegte den 51. Rang. Dieses Jahr schaffte die Junge Turnerin mit der Mannschaft an der EM in Birmingham gar den 6. Platz.

Die Argauerin aus Sulz lebt seit 3 Jahren in einer Gastfamilie in Biel und trainiert in Magglingen. Sie lebt zusammen mit zwei anderen Turnerinnen bei ihrer Gastmutter in einem kleinen, sympathischen, schlossähnlichen Haus.

Sie meistert die Doppelbelastung Sport und Schule gut und geniesst ihr selbstständiges Leben. Jennifer besucht das Gymnasium Alpenstrasse. Sie muss das Schulpensum des Sportes wegen in der doppelten Zeit absolvieren.

„Ich nehme es wie es kommt, habe noch viel Zeit, mir zu überlegen welchen Beruf ich ausüben will. So lange ich keine grösseren Verletzungen habe, möchte ich schon noch ein paar Jahre turnen.“

Man merkt, dass Jennifer sich über ihre Zukunft im Moment noch keine grossen Gedanken macht. Vor ihr liegen noch fünf Jahre Gymnasium und unzählige Stunden Training.

Jennifer betreibt seit 12 Jahren ihren Sport. Das bedeutet heute 25 bis 30 Stunden intensives Training pro Woche. Am Wochenende stehen oftmals Wettkämpfe oder Trainingslager an. Obwohl sie sehr motiviert ist und begeistert turnt, freut sie sich trotzdem, wenn sie einmal an einem freien Wochenende zu Mutter, Vater und ihren Geschwistern heimkehren kann. Bei diesen Gelegenheiten klopft sie gern mal einen Jass mit ihrer Grossmutter.

Als Fünfjährige hat sie mit dem Kunstturnen begonnen, ein kleines scheues Mädchen sei sie gewesen, das sich oft mit grossen Augen und einem Lächeln verständlich gemacht hat. Wollte ein Trainer etwas von ihr wissen, wartete die kleine Jenny geduldig, bis die gestellte Frage mit Nicken oder Kopfschütteln beantwortet werden konnte.

Auch heute wirkt Jennifer bescheiden. Grosse Worte sind nicht ihre Sache. Sie glänzt lieber durch Leistungen und ist dadurch ein sicherer Wert im Nationalkader der Schweiz geworden.

Ihre Fangemeinde aus der Verwandtschaft und der Dorfbevölkerung istgross. Und wo immer Jennifer auch turnt, viele ihrer Fans sind mit dabei.

LARS

„Immer alles kritisch hinterfragen. Und alle sollen sich Gedanken über das Leben machen. Ich weiss, dass es schwer ist, aber man sollte nicht einfach nur dasitzen und konsumieren, nur weil es bequemer ist.“

Diese Botschaft hofft Lars seinen Schülern mit auf den Weg zu geben. Er, der das Lehrerseminar 1997 in Biel abgeschlossen hat, ist zurzeit als Lehrer in der Nähe von Bern tätig. Ins gängige Bild des Lehrers passt er mit all seinen Tätowierungen nicht, doch diese stellen einen wichtigen Bestandteil seines Lebens dar. Sie drücken seine inneren Werte, Sichtweisen und Gefühle aus.

Wenn man Lars sieht und erlebt, versteht man, dass die Suche nach dem Sinn und dem Warum ein Leitmotiv seines Lebens ist. Er lebt seine Gedanken und Überzeugungen vor, eckt zuweilen an, sucht die Herausforderung, geht an Grenzen. Schon in jungen Jahren sei er ein suchender gewesen, hatte tausend Fragen im Kopf und las viele Bücher. Alte Hochkulturen und deren Weltansichten und Religionen begeisterten ihn. Je mehr er wusste, desto mehr Fragen stellten sich ihm.

„Als ich auf die Bhagavad Gita, eine der zentralen Schriften des Hinduismus, stiess, lag plötzlich alles ganz offen da. Ich pilgerte als Mönch nach Indien. Hare Krsna!“

Er reibt sich das Auge und offenbart seinen Handrücken, auf welchem man ein grosses eintätowiertes X erkennen kann. Dies steht für „Straight Edge“, eine amerikanische Jugendbewegung aus dem Punk, die den selbstzerstörerischen Konsum von Drogen und Alkohol ablehnen.

„Ich will in jedem Moment meines Lebens einen klaren Kopf haben, und betrachte es als reine Zeitverschwendung, sich mit Substanzen den Kopf voll zu dröhnen, die dich in jeder Hinsicht zerstören. Ich will mich meinen Problemen stellen und nicht davor fl üchten, indem ich mich mit Alkohol wegknalle. Dies sehe ich als gesellschaftliche Krankheit an und daran will ich nicht teilhaben.“

Diese Einstellung äussert sich auch bei seinem Essverhalten. Lars ist seit 1997 Veganer, das bedeutet, dass er den Verzehr von jeglichen tierischen Produkten ablehnt. Kein Fleisch, keine Milch, kein Fisch, keine Eier. Stolz behauptet er, trotzdem die beste Quarktorte zu machen, mit Soja!

Die grösste Faszination übt im Moment das Fahrradfahren auf ihn aus, aber nicht irgendeines, sondern ein Bahnrad, welches auf dem Prinzip der ersten Räder beruht. Es hat nur einen starren Gang und keine Bremsen. Dies erfordert vom Fahrer höchste Konzentration und Geschicklichkeit. Es gibt nur eine Möglichkeiten mit einem Bahnrad zu bremsen, indem man die Kurbel arretiert und somit auch das Hinterrad blockiert. Das bedingt, dass man vorausschauend fährt.

Über die Zukunft macht er sich hingegen keine Gedanken. Er lebt im Hier und Jetzt.

ULRICH

„Lebe deinen Traum und träume nicht dein Leben“.

Was der sechsundvierzig jährige Familienvater mit seinem Lebensmotto meint, wird einem bewusst, wenn man seinen Tagesablauf betrachtet. Um fünf Uhr steht er auf und hört dann auf, wenn alles erledigt ist. Das kann um zwanzig Uhr sein, manchmal aber auch erst um dreiundzwanzig Uhr. Dazwischen liegen Besprechungen, Besichtigungen, Termine jeder Art.

Ueli ist ein „Macher-Typ“. Als Sohn eines Zahnarztes ist er in Biel aufgewachsen. Nach der Matura studierte er Turn- und Sportlehrer. Als Grenadier konnte er seinen Bewegungstrieb ausleben. Aber er hat wahrscheinlich dort auch etwas anderes gelernt, „sich durchzubeissen“. Mit Wille und Durchsetzungsvermögen hat er einen steilen berufl ichen Werdegang bestritten.

Ulrichs Jugend war sehr stark mit dem Sport verbunden. Er hat Leichtath-letik betrieben, Volleyball und Handball gespielt, hat geschwommen, hat gerannt und noch viele mehr. Leider hat er sich auch einige Verletzungen zugezogen, wie zum Beispiel einen Kreuzbandriss vor eineinhalb Jahren, welcher ihn heute noch sehr plagt.

Wer Ulrich inmitten seiner Familie, seiner Freunde erlebt, entspannt, humorvoll, könnte glatt vergessen, dass dieser Mann Countrymanager einer der grössten Kleiderhersteller der Welt ist. Dass ihm dieser Posten nicht in den Schoss gefallen ist, mag man ihm gerne glauben. Er hat sich stets weitergebildet mit Praktika und Schulungen vor allem in der Reise- und Sportartikelindustrie. So haben ihn seine Tätigkeiten in alle umliegen-den europäischen Länder aber auch nach Japan geführt. Im Moment arbei-tet er zwei Tage die Woche in Paris und hilft den Franzosen auf die Sprünge.

Urlich hat viele Leidenschaften, eine, das Reisen kann er oft gut mit sei-nem Beruf verbinden. Doch er verreist auch gerne mal mit seiner Familie, seiner Frau und seinen drei Söhnen. Ulrich ist seit achtzehn Jahren verhei-ratet.

Ein weiteres Interesse ist das „Innovationsmanagement“. Dazu gehören das Erkennen und Bewerten zukünftiger Trends, Entwickeln und Umsetzen sogenannter Strategien, Sammeln und Bewerten von Ideen sowie ihre Umsetzung in marktfähige Produkte. Dass er damit Erfolg hat, zeigt die Expansion der Filialen „seiner“ Kleidermarke.

Ulrich fährt seit Jahren leidenschaftlich Fahrrad. Am Wochenende geniesst er es mit seinem Carbonrad um den Bielersee zu fahren, wenn er nicht gerade an einem Handballspiel einer seiner drei Söhne ist. Was sich fast schon zu einer Tradition entwickelt hat, sich am Samstag in der Halle zu treffen und das Spiel zu dokumentieren.

Oft erzählt Ulrich, dass es ihn nicht mehr lange in der Schweiz hält, ihm sei es einfach zu kalt hier. Er würde lieber in Italien, in einem kleinen Dorf wohnen, wo jeder jeder kennt und ein Leben voller Harmonie herrscht.

Ulrich

04:55

Ulrich

05:05

Ulrich

05:55

Ulrich

06:05

Ulrich

06:55

06:55

Ulrich

07:20

07:20

Links oben: JenniferLinks unten: GertrudRechts: Lars

08:00

08:00

Ulrich

08:00

Jennifer

08:05

Gertrud

08:10

08:10

Lars

08:10

Lars

08:10

Jennifer

08:30

08:30

Lars

08:40

08:40

Gertrud

09:05

Ulrich

09:20

Lars

09:50

09:50

Lars

10:15

Jennifer

10:15

Gertrud

10:50

10:50

10:25

Links: UlrichRechts: Lars

10:50

Alle: Ulrich

11:00

11:00

Lars

11:05

11:05

11:25

Links: JenniferRechts: Gertrud

11:25

Alle: Jennifer

10:40

10:50

Lars

11:30

11:30

Gertrud

11:50

Lars

11:50

Jennifer

12:25

12:25

Oben: GertrudUnten: Ulrich

12:30

Oben: LarsUnten: Jennifer

12:40

Alle: Lars

12:50

13:00