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105 Wladimir Rjabzew Warum gibt es in der Schwarzmeer-Kaukasus-Region bis heute keinen „Sicherheitskomplex“? Überlegungen zu einigen geopolitischen Besonderheiten der Region unter den Bedingungen des postbipolaren Zeitalters Einführung In der politikwissenschaftlichen Teildisziplin der Internationalen Beziehun- gen und in der Geopolitik wird üblicherweise zwischen „geographischer“ und „geopolitischer“ Region unterschieden. Letztere ergibt sich aus der Rolle, die ein bestimmtes geographisches Gebiet im System der internationalen Bezie- hungen spielt, und daraus, wie die Politik sich die Geographie zunutze macht, welche politischen Konstellationen sich in einem konkreten geographischen Gebiet einspielen und welche Beziehungsstrukturen sich zwischen den Staa- ten in der Folge grundlegender historischer Veränderungen herausbilden. Kurz: Der Begriff der „geographischen Region“ ist eher statisch, derjenige der „geopolitischen Region“ hingegen dynamisch, d.h. Letztere kann nur im konkreten historischen Kontext betrachtet werden. Die „Schwarzmeer-Kaukasus-Region“ ist ein Begriff aus der Geographie. Er bezeichnet den nordwestlichen Teil des so genannten „Landes der fünf Meere“ (das den Vorderen Orient einschließt), der als Nahtstelle der drei großen Weltreligionen in kulturell-zivilisatorischer Hinsicht auf der Welt ein- zigartig ist, ein komplexes Mosaik aus verschiedensten ethnischen Gruppen, die ganze eurasische Welt quasi „en miniature“. Das alles galt natürlich schon in der Sowjetzeit, als Moskau fast die gesamte Region kontrollierte. Es gilt aber auch heute noch, da die Sowjetunion nicht mehr existiert und die Region sechs unabhängige Staaten umfasst, die unmittelbar an das Schwarze Meer angrenzen. 1 Zu einer geopolitischen Region wurde die Schwarzmeer-Kaukasus-Region erst in jüngster Zeit, nämlich nach dem Zerfall der UdSSR und der Auflösung ihres riesigen Einflussbereichs. Unter den Bedingungen der postbipolaren Welt nahmen das Schwarzmeerbecken und der Südkaukasus allmählich Züge eines Subsystems innerhalb der internationalen Beziehungen an und wurden so zu einer besonderen geopolitischen Region. Der Kreis der – im geopoliti- schen Sinne – regionalen Akteure ist daher nicht auf die sechs genannten Staaten beschränkt; ihm gehören Armenien und Aserbaidschan ebenso an wie praktisch alle Balkanstaaten, da sie alle auf die eine oder andere Art in die Angelegenheiten der Region involviert sind. Die regionalen Akteure sind 1 Bulgarien, Georgien, Rumänien, die Russische Föderation, die Ukraine und die Türkei. In: IFSH (Hrsg.), OSZE-Jahrbuch 2006, Baden-Baden 2007, S. 105-119.

Warum gibt es in der Schwarzmeer-Kaukasus-Region bis heute ... · kasus-Region muss eine gemeinsame Identität erst noch aufgebaut werden (auch wenn sich noch nicht abzeichnet, wer

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Wladimir Rjabzew Warum gibt es in der Schwarzmeer-Kaukasus-Region bis heute keinen „Sicherheitskomplex“? Überlegungen zu einigen geopolitischen Besonderheiten der Region unter den Bedingungen des postbipolaren Zeitalters Einführung In der politikwissenschaftlichen Teildisziplin der Internationalen Beziehun-gen und in der Geopolitik wird üblicherweise zwischen „geographischer“ und „geopolitischer“ Region unterschieden. Letztere ergibt sich aus der Rolle, die ein bestimmtes geographisches Gebiet im System der internationalen Bezie-hungen spielt, und daraus, wie die Politik sich die Geographie zunutze macht, welche politischen Konstellationen sich in einem konkreten geographischen Gebiet einspielen und welche Beziehungsstrukturen sich zwischen den Staa-ten in der Folge grundlegender historischer Veränderungen herausbilden. Kurz: Der Begriff der „geographischen Region“ ist eher statisch, derjenige der „geopolitischen Region“ hingegen dynamisch, d.h. Letztere kann nur im konkreten historischen Kontext betrachtet werden. Die „Schwarzmeer-Kaukasus-Region“ ist ein Begriff aus der Geographie. Er bezeichnet den nordwestlichen Teil des so genannten „Landes der fünf Meere“ (das den Vorderen Orient einschließt), der als Nahtstelle der drei großen Weltreligionen in kulturell-zivilisatorischer Hinsicht auf der Welt ein-zigartig ist, ein komplexes Mosaik aus verschiedensten ethnischen Gruppen, die ganze eurasische Welt quasi „en miniature“. Das alles galt natürlich schon in der Sowjetzeit, als Moskau fast die gesamte Region kontrollierte. Es gilt aber auch heute noch, da die Sowjetunion nicht mehr existiert und die Region sechs unabhängige Staaten umfasst, die unmittelbar an das Schwarze Meer angrenzen.1 Zu einer geopolitischen Region wurde die Schwarzmeer-Kaukasus-Region erst in jüngster Zeit, nämlich nach dem Zerfall der UdSSR und der Auflösung ihres riesigen Einflussbereichs. Unter den Bedingungen der postbipolaren Welt nahmen das Schwarzmeerbecken und der Südkaukasus allmählich Züge eines Subsystems innerhalb der internationalen Beziehungen an und wurden so zu einer besonderen geopolitischen Region. Der Kreis der – im geopoliti-schen Sinne – regionalen Akteure ist daher nicht auf die sechs genannten Staaten beschränkt; ihm gehören Armenien und Aserbaidschan ebenso an wie praktisch alle Balkanstaaten, da sie alle auf die eine oder andere Art in die Angelegenheiten der Region involviert sind. Die regionalen Akteure sind

1 Bulgarien, Georgien, Rumänien, die Russische Föderation, die Ukraine und die Türkei.

In: IFSH (Hrsg.), OSZE-Jahrbuch 2006, Baden-Baden 2007, S. 105-119.

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somit praktisch identisch mit den Mitgliedstaaten der Schwarzmeer-Wirt-schaftskooperation (Black Sea Economic Co-operation, BSEC).2 Eines der charakteristischen Merkmale dieser noch in der Entstehung begrif-fenen geopolitischen Region ist das Fehlen eines einheitlichen gesamtregio-nalen „Sicherheitskomplexes“,3 d.h. es gibt keine mit der OSZE vergleich-bare regionale Sicherheitsorganisation. Bis heute hat sich darüber hinaus noch nicht einmal ein Sicherheitsdiskurs herausgebildet, wie es ihn z.B. auf dem Balkan gibt, für den 1999 der allseits bekannte Stabilitätspakt für Süd-osteuropa verabschiedet wurde. Gemeint ist dabei in erster Linie das Fehlen eines Diskurses unter den Experten und auf der Ebene politisch einflussrei-cher Organisationen in der Region. Gerade deren Aufgabe aber ist es, eine institutionalisierte Diskussionsplattform zu schaffen, zu den Problemen regi-onaler Entwicklung Stellung zu nehmen, eine gemeinsame Sprache für die Debatten zu erarbeiten und auf dieser Grundlage konkrete Ansätze zur Lö-sung der Probleme zu entwickeln. Ergebnis einer solchen Arbeit könnte bzw. müsste die Ausarbeitung einer Art Stabilitätspakt für die Schwarzmeer-Kau-kasus-Region sein. Der Gerechtigkeit halber sei jedoch hinzugefügt, dass die-ses Thema seit 1999 – zumindest mit Blick auf den Kaukasus – sowohl im Südkaukasus selbst als auch in der EU und in Russland bereits diskutiert wird. Die Idee eines solchen Stabilitätspakts findet auch die Unterstützung des Europäischen Parlaments.4 Zu erwähnen ist schließlich noch, dass der da-malige türkische Staatspräsident Süleyman Demirel im Januar 2000 einen ähnlichen Vorschlag gemacht hat, dem jedoch keine konkreten Schritte folg-ten. Mit Sicherheitskomplex ist hier ein spezieller Regulierungsmechanismus gemeint, mit dessen Hilfe sich die zwischenstaatlichen Beziehungen in einer bestimmten Region (wichtig ist daher, dass die betreffenden Staaten einem einzigen geographischem Raum angehören) so gestalten lassen, dass die Ur-sachen für Differenzen, Streitigkeiten und Konflikte zwischen den Staaten auf ein Minimum begrenzt sind. Ein solcher Sicherheitskomplex bietet zu-dem hochentwickelte, effiziente und wirkungsvolle Verfahren, Instrumente und Mechanismen zur Krisen- und Konfliktbewältigung an. Diese wiederum basieren auf einem organisatorisch und konzeptionell einheitlichen Monito-ring-System, das es ermöglicht, die Lage in allen Ländern der Region nach identischen Kriterien zu beurteilen. Wie sich weltweit in der Praxis gezeigt

2 Der BSEC gehören neben den sechs genannten Anrainerstaaten des Schwarzen Meeres

Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Griechenland, Moldau und Serbien an. 3 Als „regionalen Sicherheitskomplex” (regional security complex) definiert Barry Buzan

eine Gruppe von Staaten, deren primäre Sicherheitsinteressen so eng miteinander ver-knüpft sind, dass die jeweilige nationale Sicherheit kaum von derjenigen der anderen Staaten getrennt betrachtet werden kann. Vgl. Barry Buzan, People, States and Fear. An Agenda for International Security Studies in the Post-Cold War Era, London 1991, S. 90.

4 Ausführlich hierzu: Bruno Coppieters/Michael Emerson/Michel Huysseune/Tamara Kov-ziridze/Gergana Noutcheva/Nathalie Tocci/Mius Vahl (Hrsg.), Europeanization and Con-flict Resolution: Case Studies from the European Periphery, Gent 2004.

In: IFSH (Hrsg.), OSZE-Jahrbuch 2006, Baden-Baden 2007, S. 105-119.

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hat, führt der direkte Weg dorthin über vertrauensbildender Maßnahmen und eine möglichst breit gefächerte Zusammenarbeit. Im Falle der Schwarzmeer-Kaukasus-Region könnte ein solcher Sicherheits-komplex aus einer Kombination der bereits 1992 auf türkische Initiative hin gegründeten BSEC (als internationale Wirtschaftsorganisation mit allgemei-nen Aufgaben) mit der Donaukommission (als Organisation mit besonderen Aufgaben), gegebenenfalls unter Einbeziehung der Infrastruktur des Interna-tional Black Sea Club, entstehen. Der Teilnehmerkreis könnte somit über die Länder der Schwarzmeerregion und des Südkaukasus hinaus erweitert wer-den. Eine weitere Bedingung ist zwingend: die Beteiligung der EU. Die EU hat ein Interesse an der Sicherstellung von Frieden und Stabilität an ihrer öst-lichen Peripherie und verfolgt dieses Ziel seit einiger Zeit auch aktiv mit ihrer Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP). Der einfachste Weg zur Gewährleistung von Sicherheit in der Region wäre ihre „Vernetzung“ durch bilaterale Übereinkommen und Verträge. Dazu müssten mit Hilfe diplomatischer Verhandlungen zwischenstaatliche Bezie-hungen auf einem Niveau hergestellt werden, wie es beispielsweise in dem Vertrag über die Prinzipien der Beziehungen zwischen der Republik Türkei und der Russischen Föderation vom Mai 1992 zum Ausdruck kommt. Der Vertrag schuf politische Beziehungen auf hoher Ebene und unterfütterte sie mit einem soliden wirtschaftlichen Fundament aus engen Handelsbeziehun-gen, türkischen Geschäftsinteressen im Süden Russlands und dem Bau der weltweit einzigartigen Erdgasleitung „Blauer Strom“, die im November 2005 offiziell eingeweiht wurde. Nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Auflösung ihrer riesigen Einfluss-sphäre sind in der Schwarzmeer-Kaukasus-Region mehrere Machtzentren entstanden, die in der Lage sind, sich gegenseitig auszubalancieren und den Ambitionen eines jeden Akteurs Grenzen zu setzen. Bleibt diese Situation – die Abwesenheit einer regionalen Führungsmacht und der Zustand einer eher auf politischen denn auf militärischen Faktoren beruhenden gegenseitigen Einhegung – auch längerfristig bestehen, wäre es nur folgerichtig, in der Re-gion einen institutionellen Rahmen zum Ausgleich der nationalen Interessen aller betroffenen Staaten zu schaffen. Leider ist dies bislang aus verschiede-nen Gründen, die im Folgenden dargestellt werden sollen, nicht geschehen. Das Fehlen einer gemeinsamen regionalen Identität Eine gemeinsame regionale Identität ist entscheidend (und kennzeichnend) dafür, dass eine territoriale Einheit auch in anderer Hinsicht ein einheitliches Gebilde darstellt. Sie entsteht vor allem dann, wenn die Menschen, die in ei-nem bestimmten Gebiet leben, dieses auch als eine Einheit empfinden. Die Völker einer Region sind wirtschaftlich, sozial und kulturell eng miteinander verbunden; sie kennen sich seit langem und haben eine gemeinsame Ge-

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schichte. Sie leben in dem klaren Bewusstsein, dass diese Region ihre Heimat bzw. mit den Worten des Eurasisten Pjotr Sawitzki ihr „Entwicklungsraum“ (mestorazvitie) ist. Obwohl sie einer einheitlichen Region im geographischen Sinne angehören, bis zu einem gewissen Grad eine gemeinsame Geschichte und durchaus auch ein Interesse an der Entwicklung von Wirtschafts- und Handelsbeziehungen sowie menschlichen Kontakten haben, bilden die Völ-ker der Schwarzmeer-Kaukasus-Region jedoch keine solche Einheit. In eth-no-nationaler, religiöser und sprachlicher Hinsicht stellt die Region vielmehr ein ziemlich komplexes Mosaik dar. Sie war stets von einer großen Dynamik gekennzeichnet (was selbstredend nicht immer nur positiv war). Nicht zu ver-gessen ist dabei, dass es sich hier um die Peripherien5 dreier großer Reiche – des Osmanischen, des Österreichisch-Ungarischen und des Russischen – handelt. In diesem Zusammenhang sei auch an die folgende These Samuel Hunting-tons erinnert:

„Regionen sind eine Grundlage zwischenstaatlicher Kooperation nur in dem Umfang, wie Geographie und Kultur sich decken. Bei kultureller Verschiedenheit erzeugt Nähe keine Gemeinsamkeit, ja sie kann sogar das Gegenteil fördern. Militärische Bündnisse und wirtschaftliche Zu-sammenschlüsse bedürfen der Zusammenarbeit unter ihren Mitgliedern, Zusammenarbeit hängt von Vertrauen ab, und Vertrauen entspringt am ehesten gemeinsamen Werten und gemeinsamer Kultur [...] ‚Monozivi-lisationale’ Organisationen leisten und bewirken im großen und ganzen mehr als ‚multizivilisationale’ Organisationen. Das gilt für politische und Sicherheitsorganisationen einerseits wie für wirtschaftliche Organi-sationen andererseits.“6

Der Erfolg der NATO erklärt sich demnach weitgehend aus der Tatsache, dass sie eine Sicherheitsgemeinschaft von Staaten mit gemeinsamen Werten und einer gemeinsamen Philosophie ist, nämlich der Staaten des euro-atlanti-schen Raumes. Es sind somit insbesondere die kulturellen Gemeinsamkeiten, die zur wirtschaftlichen Integration benachbarter Staaten und später zur Ent-stehung eines regionalen Sicherheitskomplexes führen. Geographische Nähe allein kann das jedoch keineswegs gewährleisten. In der Schwarzmeer-Kau-kasus-Region muss eine gemeinsame Identität erst noch aufgebaut werden (auch wenn sich noch nicht abzeichnet, wer diese Aufgabe übernehmen wird und in welcher Weise).

5 Die im Originaltext benutzten russischen Begriffe limesi bzw. limitrof (engl.: limitroph

bzw. rimland) bezeichnen in der Geopolitik gewöhnlich die instabilen Randgebiete großer Reiche und „Kulturräume“. Siehe ausführlicher dazu z.B.: Vadim L. Cymburski, Geopoli-tika dlja „evraziiskoi Atlantidy“ [Eine Geopolitik für das „eurasische Atlantis“], in: Pro et Contra 4/1999 (russ.).

6 Samuel P. Huntington, Der Kampf der Kulturen, München/Wien 1996, S. 203.

In: IFSH (Hrsg.), OSZE-Jahrbuch 2006, Baden-Baden 2007, S. 105-119.

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Es ist wohl eher der Wunsch der Vater des Gedanken, wenn einige Autoren so weit vorpreschen zu behaupten, die heutigen Entwicklungen in der Schwarzmeer-Kaukasus-Region seien bereits der Auftakt zur Entstehung ei-nes nicht nur geoökonomischen, sondern auch geopolitischen Raumes:

„Die Entwicklungen in diesem Raum weisen viele Gemeinsamkeiten auf. Die Unterschiede zwischen einzelnen Teilen der Makroregion ver-schwinden allmählich, ihre wechselseitigen Beziehungen werden enger und schaffen so einen riesigen einheitlichen Raum. Waren die Gemein-samkeiten in der Vergangenheit im Wesentlichen geologischer und geographischer Natur, so beruhen diese Ähnlichkeiten heute zunehmend auf geopolitischen, militärisch-strategischen, wirtschaftlichen, ökologi-schen und anderen Merkmalen.“7

Dieser Behauptung Nikolai Kowalskis ist nur unter größtem Vorbehalt zuzu-stimmen, wie im Übrigen auch derjenigen, dass „ihr historisches Gedächtnis, das vieles von dem erfasst, was sie im Laufe ihrer Geschichte gemeinsam durchgemacht haben,“ die Völker der Region einander näher bringe und dass die geopolitische Einheit der verschiedenen Teilgebiete der Schwarzmeer-Kaukasus-Region „sich bereits zur Zeit der griechischen und römischen An-tike herauszubilden begann“.8 Solche „historischen Argumente“ sollte man nicht allzu ernst nehmen. Mangelnde Zusammenarbeit Versteht man unter internationaler Zusammenarbeit die Interaktion mehrerer Akteure im Rahmen der internationalen Beziehungen, bei der die Anwen-dung militärischer Gewalt ausgeschlossen ist, politisches Handeln koordiniert wird und alle Beteiligten gemeinsam nach Wegen zur Verwirklichung ihrer gemeinsamen (kongruenten) Interessen suchen, so erfüllt die Schwarzmeer-Kaukasus-Region auch diese Bedingung nicht. Regionale Zusammenarbeit beruht u.a. auf folgenden Voraussetzungen: a) Gegenseitigkeit: Die Staaten erwarten von ihrer Kooperation klare Vorteile und fürchten die im Fall ihrer Beendigung eintretenden Verluste; b) Kontinuität: Die Zusammenarbeit be-steht aus sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden und sich wieder-holenden Handlungen, die in dauerhafte Beziehungen innerhalb der Region münden; c) eine optimale Zusammensetzung: Je weniger Akteure, desto bes-

7 Nikolai Kovalski, Restrukturizacija geopolitičeskogo prostranstva ot Gibraltara do Kaspi-

ja v 90-e godi [Die Rekonstruktion des geopolitischen Raumes von Gibraltar bis zum Kas-pischen Meer in den 90er Jahren], in: Evropa i Rossija: problemi južnogo napravlenija. Sredizemnomore-Černomore-Kaspii [Europa und Russland: Probleme des Südens. Mittel-meer – Schwarzes Meer – Kaspisches Meer], Moskau 1999, S. 20-21 (eigene Überset-zung).

8 Ebenda.

In: IFSH (Hrsg.), OSZE-Jahrbuch 2006, Baden-Baden 2007, S. 105-119.

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ser sind die Aussichten auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit; d) eine ge-wisse Machtasymmetrie: Das Zustandekommen einer – dauerhaften – zwi-schenstaatlichen Zusammenarbeit ist wahrscheinlicher, wenn ein starker Staat Interesse an ihr hat oder wenn eine Art „Kondominium“ entsteht, etwa wie die Achse Frankreich-Deutschland als Motor der EU oder die türkisch-russi-schen Beziehungen als zentrales Element der BSEC. Diese Voraussetzungen sind in der Schwarzmeer-Kaukasus-Region jedoch ebenfalls nicht erfüllt. Wenn überhaupt, dann findet zwischenstaatliche Zu-sammenarbeit in der Region lediglich auf der Ebene der so genannten „nied-rigen Politik“ („low politics“) statt. Hierbei hat, wie bereits erwähnt, die BSEC die besten Resultate erzielt. Aber auch hier ist die Situation alles an-dere als ideal. Nach der Euphorie der ersten Jahre stagnierte die wirtschaftli-che Zusammenarbeit. Es hat allerdings in letzter Zeit Versuche gegeben, den „Schwarzmeerprozess“ wiederzubeleben. Die Zahl der BSEC-Mitglieder ist mit dem Beitritt Serbiens auf zwölf gestiegen, Mazedonien hat um Mitglied-schaft ersucht. Diskutiert wurde auch die Einrichtung von „Euroregionen“ im Schwarzmeer-Kaukasus-Raum – ein von der Europäischen Union als die am weitesten verbreitete und wirksamste Form zwischenstaatlicher bzw. grenz-überschreitender wirtschaftlicher Zusammenarbeit gefördertes Konzept. An-gesichts der wachsenden Bedeutung der Schwarzmeer-Kaukasus-Region in den internationalen Beziehungen sehen europäische Organisationen die Möglichkeit, hier etwas Ähnliches zu schaffen, etwa nach dem Vorbild der bereits bestehenden Euroregion Adria. Dabei beabsichtigen die Anhänger des Euroregionalismus auch, das Konzept als Instrument zur Stärkung demokra-tischer Institutionen und Gewährleistung von Stabilität und dauerhafter Ent-wicklung in den jungen Staaten der Schwarzmeerregion und des Südkauka-sus zu nutzen.9 Die Probleme bleiben jedoch bestehen. Eines der Haupthindernisse besteht darin, dass es an der notwendigen Einigkeit unter den BSEC-Staaten fehlt. Weder ergänzen sich ihre Wirtschaftssysteme, noch haben sie die geringsten Fortschritte in Richtung auf Spezialisierung und internationale Arbeitsteilung erzielt. Darüber hinaus spielt der Handel mit „horizontalen Partnern“ für die meisten Staaten der Region in ihrer Außenhandelsbilanz keine große Rolle (die Türkei und Russland sind hier wahrscheinlich die einzigen Ausnahmen). Der Außenhandel der Länder in der Region orientiert sich vielmehr vorrangig auf Handelspartner außerhalb der Region, und hier insbesondere auf europäi-sche Länder. Angesichts dieser wirtschaftlichen Ausgangslage lässt sich na-türlich nur schwerlich vom Aufbau einer besonderen Architektur zwischen-staatlicher Zusammenarbeit im Bereich der „hohen Politik“ („high politics“) sprechen – sie ist hier heutzutage nicht einmal im Ansatz auszumachen. Die 9 Am 30. März 2006 veranstaltete der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europa-

rates gemeinsam mit dem rumänischen Außenministerium eine internationale Konferenz über regionale Zusammenarbeit im Schwarzmeerbecken in der rumänischen Stadt Con-stanza. Die Konferenz stieß in den Staaten der Schwarzmeer-Kaukasus-Region auf große Resonanz und sorgte für lebhafte Debatten unter den Experten.

In: IFSH (Hrsg.), OSZE-Jahrbuch 2006, Baden-Baden 2007, S. 105-119.

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zur Verwirklichung ihrer Interessen von den regionalen Akteuren verfolgte Außenpolitik ist zumeist auf Staaten außerhalb der Region gerichtet und nicht ins Innere. Neben den bereits erwähnten gibt es noch eine weitere Erklärung für die mit Blick auf die eigene Region divergierenden Interessen der Staaten in der Re-gion, die sich aus den klassischen Gesetzen der Geopolitik herleiten lässt. Ei-nes der Axiome der Geopolitik lautet: Wenn ein großer Staat von Staaten umgeben ist, die klein, schwach, manchmal künstlich geschaffen und wenig integriert sind, gibt es zwei grundsätzliche Modelle für die Beziehungen zwi-schen den Akteuren: Entweder erobert der mächtige Staat seine „kleinen“ Nachbarn, unterwirft sie und herrscht (zumindest eine Zeitlang) über sie oder aber Letztere setzen sich dagegen zur Wehr. Im zweiten Fall sind die kleinen Staaten bestrebt, ihre Kräfte zu vereinen und den überlegenen Nachbarn – mit Unterstützung von außen – zurückzudrängen und zu schwächen. Die Furcht vor Unterjochung veranlasst die schwachen Staaten einen Schutzwall um sich herum zu errichten und lässt sie Schutz bei Dritten suchen. Diesen Schutz gewährleistet jedoch nicht etwa der führende Staat in der Region selbst, son-dern ein externer Akteur, eine Großmacht. So entsteht schließlich ein beson-derer (vertikaler) Typ zwischenstaatlicher Beziehungen in Form einer Patron-Klient-Beziehung. Die regionalen Akteure streben nach Unabhängigkeit von dem noch immer großen Nachbarstaat, der einst die Region dominierte, und begeben sich gleichzeitig in die Abhängigkeit von einem „neuen“ starken Staat außerhalb der Region. Mit anderen Worten: Die Außenpolitik der regi-onalen Akteure beginnt sich auf Akteure außerhalb der Region zu richten. Dieses Axiom der Geopolitik ist uneingeschränkt auf die gegenwärtige Situ-ation in der Schwarzmeer-Kaukasus-Region anwendbar. Nach dem Zerfall der Sowjetunion und dem Ende der pax sovietica wurde das geopolitische Relief dieser Region, die der Amerikaner Nicholas Spykman in seinem klas-sischen Werk zur Geopolitik „Rimland“ nannte und die der französische For-scher Jean Gottmann als „Tidal Lands“ bezeichnete, wieder sichtbar. Tat-sächlich ist zwischen den beiden großen geopolitischen Räumen – dem zwar geschwächten, territorial erheblich verkleinerten, aber immer noch riesigen Russland einerseits und dem vereinten Europa andererseits – das „große Randgebiet“ wiederentstanden, das sich einst vom Baltikum bis zur Kaspi-schen Region erstreckte und dessen wichtigster Teil heute die Schwarzmeer-Kaukasus-Region ist. Für Russland bedeutet dies, objektiv betrachtet, dass jenseits seiner westlichen und südlichen Grenzen ein neuer Cordon sani-taire10 entsteht, worüber Moskau alles andere als glücklich sein dürfte. 10 Alexander Dugin, der Begründer des zeitgenössischen russischen Eurasianismus, schreibt

in diesem Zusammenhang: „Ein ‚Cordon sanitaire’ ist ein Gebiet von Staaten und Völ-kern, das zwischen zwei großen geopolitischen Formationen liegt, deren Vereinigung oder Zusammengehen in dem geopolitischen Großraum eine gefährliche Konkurrenz für eine [dritte] interessierte Großmacht darstellen kann (früher England, heute die USA). In der Regel sind die Länder des ‚Cordon sanitaire’ gleichzeitig Ursache von Konflikten zwi-schen den beiden Kontinentalmächten; ihre geopolitische Unabhängigkeit ist dabei de facto unmöglich. Sie sind daher gezwungen, nach wirtschaftlicher, politischer und militä-

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Einmischung durch Großmächte Eine weitere Voraussetzung für die Entstehung eines regionalen Sicherheits-komplexes in der Schwarzmeer-Kaukasus-Region ist (neben der Tatsache, dass die Schaffung neuer supranationaler Strukturen natürlich größtmögliche Anstrengungen aller regionalen Akteure und die sorgfältige Abwägung poli-tisch-rechtlicher Fragen erfordert) die Nichteinmischung von Großmächten in die regionalen Angelegenheiten. Wohlwollendes Interesse, Rat und Hilfe sind willkommen – nicht aber Einmischung oder gar Widerstände gegen eine sol-che Initiative. Unter den gegebenen Bedingungen, angesichts der internatio-nalen Lage und der zunehmenden Bedeutung der Region, ist das allerdings im Prinzip unmöglich. Damit sind wir bei der dritten Hürde für die Errich-tung eines Sicherheitskomplexes in der Schwarzmeer-Kaukasus-Region an-gelangt. Es ist schwer vorstellbar, dass die Großmächte oder die Supermacht USA es begrüßen würden, wenn die Schwarzmeer-Kaukasus-Region ein ge-einter und integrierter Raum und damit ein echtes Machtzentrum wäre, da die Region in diesem Fall, d.h. als institutionalisierter „Sicherheitskomplex“, be-deutenden Einfluss auf das gesamte System der zwischenstaatlichen Bezie-hungen und bis zu einem gewissen Grade auch auf das Verhalten der globa-len Machtzentren hätte, was sowohl den nationalen Interessen der Groß-mächte als auch den Interessen transnationaler Unternehmen und der großen westlichen Finanzorganisationen ganz offensichtlicht widersprechen würde. In der Schwarzmeer-Kaukasus-Region gibt es heute schließlich einiges auf-zuteilen und jeder versucht, seinen Claim abzustecken. Abgesehen von der Aufteilung des „sowjetischen Erbes“ – in erster Linie wirtschaftliche und mi-litärische Infrastruktur – gibt es mindestens fünf noch offene geoökonomi-sche und geopolitische Fragen in der Region, die die Schwarzmeer-Kauka-sus-Region zu einem höchst interessanten Teil des globalen geopolitischen Raumes werden lassen und die Gegenstand der „games“, „Schacher“ und „Manöver“ externer Akteure sind. Dabei geht es um a) die Kontrolle über die bereits bestehenden Transportkorridore entlang

der West-Ost- und der Nord-Süd-Achse und deren Nutzung zum Vorteil der externen Akteure sowie die Förderung eigener Präferenzen bei der Verwirklichung geplanter Korridore;

rischer Unterstützung von außen zu suchen. Die Politik der dritten geopolitischen Groß-macht besteht in dieser Situation im Wesentlichen darin, aus dem ‚Cordon sanitaire’ eine Zone der Spannungen zwischen den beiden regionalen geopolitischen Großräumen zu ma-chen, indem sie durch diplomatische Einflussnahme auf die Regierungen der „Zwischen-länder“ die Eskalation eines Konflikts provoziert. Die radikalste Variante eines ‚Cordon sanitaire’ ist eine Situation, in der ein ‚Zwischenland’ nach völliger Unabhängigkeit von beiden kontinentalen Nachbarn strebt, was praktisch bedeutet, dass es zu einer Kolonie der dritten ‚fernen’ Großmacht wird.“ Alexander Dugin, Osnovi geopolitiki [Grundlagen der Geopolitik], Moskau 42000, S. 428-429 (eigene Übersetzung).

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b) den ungehinderte Zugang zu den Öl- und Gasressourcen des Kaspischen Meeres (vor allem über kaukasisches Territorium) und deren Erschlie-ßung;

c) die Organisation und Sicherstellung des ungestörten Transports von Energierohstoffen nach Europa (und neuerdings auch nach Asien) im Rahmen verschiedener Projekte;

d) die Klärung des völkerrechtlichen Status des Kaspischen Meeres und die Einrichtung eines Regimes, das die Nutzung des Kaspischen Meeres als einzigartiges Wassertransportsystem zuließe, die Sicherstellung der störungsfreien Nutzung des Donau-Wassertransportsystems und der Meerengen des Schwarzen Meeres sowie die Lösung des Streits um den Status der Straße von Kertsch und des Asowschen Meeres und der Fra-gen bezüglich des Status der Kriegsflotten Russlands und der NATO im Schwarzen Meer;

e) die Beilegung interner Konflikte in den Staaten der Schwarzmeerregion und des Südkaukasus unter Beteiligung internationaler Vermittler, die Schaffung von dauerhaftem Frieden in der Region insgesamt sowie die Klärung des Schicksals der nichtanerkannten Staaten (sei es nach dem Modell des Kosovo oder aber umgekehrt in Form einer klaren Absage an dieses).

Die Lage in der Region wird heute vor allem durch die Verlagerung der Transportrouten und die zunehmende Bedeutung des Faktors Energie in der Geopolitik bestimmt. Die wichtigsten Entwicklungen der nächsten Jahre werden sich ganz offensichtlich in dem Gebiet zwischen Westeuropa und der Asien-Pazifik-Region abspielen. Es ist daher anzunehmen, dass transkonti-nentale Verbindungswege, insbesondere die Handelswege in Eurasien, an Bedeutung gewinnen werden. Diese waren einst gut ausgebaut, erlebten je-doch in der Frühen Neuzeit mit der Verlagerung des Schwerpunkts der Han-delsrouten vom Mittelmeer- in den Atlantikraum einen Niedergang. Dies er-klärt auch den Bedeutungszuwachs der Schwarzmeer-Kaukasus-Region als Transitgebiet.11 In der Schwarzmeer-Kaukasus-Region lassen sich in letzter Zeit verstärkt Aktivitäten der globalen Machtzentren beobachten. Dennoch ist die Region noch nicht von irgendeiner der Groß- oder Supermächte „überlagert“, etwa in der Art, wie einst Russland dort als Monopolmacht auftrat. Russland stellte seinerzeit den politischen Großraum dar, zu dem ein großer Teil der heutigen Schwarzmeer-Kaukasus-Region gehörte.

11 Ausführlicher hierzu: Güler Bilen Alkan/Asiman Bairam oglu Nabiev, Ozenka transportnich

linii Černomorsko-Kaspiiskogo baseina i regionalnaja transportnaja politika Turzii [Be-wertung der Transportwege des Schwarzmeer-Kaspischen Beckens und die regionale Transportpolitik der Türkei], Baku 2004.

In: IFSH (Hrsg.), OSZE-Jahrbuch 2006, Baden-Baden 2007, S. 105-119.

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Was ist jedoch konkret mit der „Überlagerung“ („overlay“) der Region ge-meint?12 Von einer „Überlagerung“ ist dann die Rede, wenn die Präsenz einer externen Macht in einer Region die regionale Sicherheitsdynamik unter-drückt.13 Die Präsenz ist in der Regel mit der umfangreichen Stationierung von Streitkräften der externen Macht in der Region verbunden (was aller-dings keine zwingende Voraussetzung ist), gefolgt von einer wirtschaftlichen und ideologischen Durchdringung. Dabei unterscheidet sich die Überlage-rung von der üblichen Einmischung einer Großmacht in Fragen regionaler Si-cherheit. Einmischung stärkt in der Regel die regionale Sicherheitsdynamik. Überlagerung hingegen macht die regionale Sicherheitsdynamik vom Wett-bewerb zwischen den Großmächten abhängig und kann sie unter Umständen sogar komplett zerstören. Überlagerung stellt das gesamte System zwischen-staatlicher Beziehungen der regionalen Akteure in einen weiteren – globalen – Zusammenhang. Im Kaukasus war das im Übrigen schon von jeher so. Der russische Politikwissenschaftler Andrej Subow stellt dazu fest: „Das höchst komplexe Mosaik des Kaukasus konnte gar nicht anders als Kriege und inne-re Unruhen hervorbringen. Ihr Resultat war die Unterwerfung aller Konflikt-parteien unter eine externe Macht, die an Stabilität interessiert war und im Kaukasus eine Ordnung einführte, die sie nach Kräften aufrechterhielt.“14 Die Hüter dieser Ordnung blieben dieselben, das einzige, was sich im Laufe der Zeit änderte, war ihr Name. Fast zwei Jahrhunderte lang spielte zunächst das russische Zarenreich diese Rolle. Ihm folgte die Sowjetunion. Gleichzeitig trat immer dann, wenn die externe Macht sich entweder zurückzog oder das Interesse an regionalen Angelegenheiten verlor, eine „Zeit der Wirren“ ein, in der im Kaukasus Chaos herrschte und Unruhen und lokale Kriege ausbra-chen. Aber ist nicht genau das vor kurzem hier passiert? Ging denn die Ent-stehung eines Gürtels der Instabilität in dieser geopolitischen Zone nicht ein-her mit der Schwächung des einst mächtigen „Kreml-Imperiums“ und war der Ausbruch blutiger Bürgerkriege in den neuen unabhängigen Staaten der Schwarzmeer-Kaukasus-Region nicht das Resultat seines plötzlichen Zusam-menbruchs? Mir scheint die Antwort offensichtlich. Aber die Zeiten ändern sich. Andere „Ordnungshüter“ treten heute in den Vordergrund. Es fragt sich nur, wer sich heutzutage den Luxus leisten kann, in diesem hochkomplexen Teil der Welt für Ordnung zu sorgen, denn das ist wahrlich ein teures Vergnügen. Es liegt auf der Hand, dass sich nur entweder die USA oder aber vereinte Kräfte – USA und NATO oder die NATO allein (was allerdings kein großer Unterschied ist) – eine Überlagerung der 12 Der Begriff „overlay“ wird vornehmlich von westlichen Experten und Wissenschaftlern

benutzt. In der traditionellen russischen geopolitischen Forschung ist er praktisch unbe-kannt. Die hier verwendete Interpretation des Begriffs beruht auf Buzan, a.a.O (Anm. 3), S. 219-221.

13 Vgl. ebenda, S. 219-220. 14 Andrej Subow, Buduščee Rossii na Kavkaze v svete istoričeskogo opita [Die Zukunft

Russlands im Kaukasus im Lichte historischer Erfahrungen], in: Socialno-političeskaja situacija na Kavkaze: istorija, sovremennost’, perspektivi [Die sozialpolitische Lage im Kau-kasus: Geschichte, Gegenwart und Perspektiven], Moskau 2001, S. 17; vgl. auch S. 27.

In: IFSH (Hrsg.), OSZE-Jahrbuch 2006, Baden-Baden 2007, S. 105-119.

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Schwarzmeer-Kaukasus-Region leisten können. Experten sind sich jedoch darin einig, dass dies ein schwieriges Unterfangen ist, dem gleich eine ganze Reihe von Akteuren Hindernisse in den Weg legen: a) Russland, das zuneh-mend stärker wird und allmählich seine Systemkrise überwindet, b) die EU, die mit Sorge auf die außergewöhnlichen Aktivitäten Washingtons blickt und um die eigene Energiesicherheit fürchtet, c) der Iran, der sich selbst gerade als starke Regionalmacht positioniert, d) China, das (über Zentralasien) zu-nehmend in die Kaspische Region und an den Persischen Golf vordringt, und e) so genannte „islamische Partisanen“,15 die ihre militärisch-politischen Ak-tivitäten im Kaukasus, im Nahen Osten und in Zentralasien unvermindert fortsetzen. Während die USA und die Nordatlantische Allianz auf dem Balkan nach wie vor eine aktive Politik verfolgen, hat Russland sich aus der Region praktisch zurückgezogen. Die USA sind bereits seit langem in der Kaspischen Region (die seit 1997 der Sphäre der vitalen Interessen der Vereinigten Staaten zuge-rechnet wird) und inzwischen auch im Südkaukasus präsent und haben ihre strategische Position in Zentralasien gefestigt. In der Schwarzmeerregion war Washington bis vor kurzem nicht direkt in Erscheinung getreten; das hat sich jedoch inzwischen buchstäblich vor unseren Augen geändert. Im August 2004 haben die USA – unter dem Deckmantel des „Kampfes gegen den inter-nationalen Terrorismus“ – damit begonnen, ihre Streitkräfte in großem Um-fang in Europa und Asien umzugruppieren und verlagern sie dabei immer nä-her an die Grenzen Russlands. So werden beispielsweise militärische Kontin-gente von Deutschland nach Südosteuropa verlegt – und in Zukunft vermut-lich auch in den Südkaukasus. Seit dem Abschluss zweier Abkommen mit Rumänien im Dezember 2005 und Bulgarien im April 2006 zur Einrichtung von Militärstützpunkten in diesen Ländern haben die USA nun auch direkten Zugang zum Schwarzen Meer. Washington ist also ganz offensichtlich bestrebt, zu einer härteren Variante der Vorherrschaft in diesem strategisch wichtigen Teil der Welt überzugehen, was zunehmend auf russischen Widerstand stößt. Russland scheint die Peri-ode seiner partiellen Auflösung (erst Tatarstan, später dann Tschetschenien) überwunden zu haben. Nach seiner finanziellen Stabilisierung und seiner Po-sitionierung als „Energiesupermacht“ wird Russland nun politisch in zwei Richtungen gleichzeitig aktiv – in Richtung Europa (Deutschland) und in 15 Der Begriff „Partisan“ wird hier im Sinne der Definition von Carl Schmitt verwendet. „Is-

lamische Partisanen“ ist ein Sammelbegriff für verschiedene Arten von extremistischen und terroristischen Organisationen und Gruppen in der arabisch-muslimischen Welt. Es handelt sich um geschlossene Gruppen und Organisationen mit folgenden Merkmalen: a) Sie treten im Kampf mit anderen Akteuren als Initiatoren auf, b) sie agieren außerhalb des (sowohl nationalen wie internationalen) Rechts; c) sie organisieren sich in und neigen zur Bildung von Netzwerken; d) sie führen gemeinsam mit ihren Komplizen in muslimischen Ländern irreguläre militärische (einschließlich informations-psychologischer) Operatio-nen gegen „Juden und Kreuzritter“ in der ganzen Welt durch. Die Handlungslogik der Partisanen, die asymmetrische militärische Operationen gegen die Streitkräfte der „westli-chen Weltordnung“ durchführen, indem sie plötzliche gezielte Angriffe auf ihre Gegner durchführen, ist die des totalen Krieges.

In: IFSH (Hrsg.), OSZE-Jahrbuch 2006, Baden-Baden 2007, S. 105-119.

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Richtung Asien (China). In seinem „nahen“ und auch dem etwas ferneren Ausland fühlt Russland sich zunehmend sicher. Gerade dieser Umstand er-klärt auch Moskaus Wunsch, seinen Einfluss in der Schwarzmeer-Kaukasus-Region wiederherzustellen – dies umso mehr, als dieser Einfluss in den ver-gangenen 15 Jahren zwar abgenommen hatte, aber nie ganz verschwunden war. Die NATO ist in allen drei Gebieten aktiv, in der Kaspischen Region, im Südkaukasus und seit noch nicht allzu langer Zeit (seit dem NATO-Gipfel-treffen in Istanbul 2004) auch direkt in der Schwarzmeerregion. Nach offi-ziellen Angaben der Allianz ist ihr Engagement in dieser Region eine wich-tige Ergänzung ihres Mittelmeerdialogs. Es ist kein Zufall, dass die USA seit einiger Zeit Russland auch aus dem nördlichen Schwarzmeerraum (Trans-nistrien) vertreiben, die NATO-Ambitionen der heutigen ukrainischen Elite schüren und militärpolitisch in Georgien ausgesprochen aktiv sind. Brüssel schenkt dem Südkaukasus heute insgesamt mehr Aufmerksamkeit. So stellte Zbigniew Brzezinski beispielweise fest, dass „die Stabilisierung des Kauka-sus zunehmend als Aufgabe der NATO betrachtet werden kann und muss“.16 Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass selbst ein solch großer und mächtiger Akteur wie das Nordatlantische Bündnis die Region tatsächlich „überlagern“ kann. Denn dazu müssten alle Staaten der Schwarzmeer-Kaukasus-Region, einschließlich Russlands, ihre Kooperation mit der Allianz im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden (oder bilateraler Beziehungen) zugunsten einer gleichberechtigten Vollmitgliedschaft in der NATO aufgeben. Das jedoch ist höchst unrealistisch. Zentrifugale Tendenzen und Heterogenität Noch ein weiterer wichtiger Faktor verhindert die Entwicklung eines regio-nalen Sicherheitskomplexes. Seit einiger Zeit nehmen zentrifugale Tenden-zen in der Region zu. Die Zahl der verschiedenen Interaktionsachsen (sowohl kooperativer als auch konfrontativer) steigt; die Region ist zerrissen in Alli-anzen, Koalitionen und blockähnliche Strukturen. Diese werden zwar von regionalen Akteuren gebildet, allerdings de facto unter der politischen Auf-sicht der Großmächte und an diese gekoppelt. Mit anderen Worten: Die Schwarzmeer-Kaukasus-Region wird geopolitisch immer heterogener. Folgende Interaktionsachsen lassen sich in der Region ausmachen: Partner-schaftliche Beziehungen verbinden die Türkei, Georgien und Aserbaidschan (Aserbaidschan und die Türkei sind de facto Verbündete). Eine enge Zusam-menarbeit ist auch zwischen Ankara und Kiew zu beobachten (obwohl die Türkei mit stillschweigender Duldung Kiews auch auf der Krim aktiv ist). Russland und Armenien können ebenfalls als Verbündete betrachtet werden, 16 Zbigniew Brzezinski, The Choice: Global Domination or Global Leadership, New York

2004, S. 100 (eigene Übersetzung).

In: IFSH (Hrsg.), OSZE-Jahrbuch 2006, Baden-Baden 2007, S. 105-119.

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was durch ihre Mitgliedschaft in der Kollektiven Sicherheitsvertragsorgani-sation (Collective Security Treaty Organization, CSTO) noch verstärkt wird. Die Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine tragen den Charakter einer formalen Partnerschaft, wobei Kiew allerdings nicht bereit ist, diese Beziehungen weiter zu vertiefen – was zuweilen von unverhüllter Russopho-bie und entsprechenden Demarchen an die Adresse Moskaus begleitet wird, in denen Kiew Moskau u.a. den Verstoß gegen den Vertrag über den Gas-transit vorwirft, fortwährend Ansprüche auf die Schwarzmeerflotte erhebt oder die Russifizierung im Südosten der Ukraine beklagt. In jüngster Zeit haben die USA ihre Aktivitäten zur Unterstützung der Re-gion merklich gesteigert. Washington protegiert vor allem die Staaten, die die Achse Ankara-Tiflis-Baku bilden. Es ist außerdem an der Weiterentwicklung der GUAM-Gruppe (Georgien, Ukraine, Aserbaidschan, Moldau; bis zum Austritt Usbekistans: GUUAM) interessiert, obwohl sich dieses 1997 ge-gründete „Konsultationsforum“, dessen Gründer ihre Absicht, eine Alterna-tive zu dem „prorussischen Gürtel“ der nicht anerkannten Republiken im nördlichen Schwarzmeergebiet (Transnistrien) und im Südkaukasus (Abcha-sien, Südossetien und Berg-Karabach) zu schaffen, nie verheimlicht haben, heute bekanntlich auf der Stelle tritt. In der Schwarzmeer-Kaukasus-Region ergibt sich insgesamt ein sehr interes-santes Bild. Die Türkei, Rumänien und Bulgarien einerseits sind Mitglieder der NATO. Georgien und Aserbaidschan streben die Mitgliedschaft an. Kiews NATO-Ambitionen, die von Brüssel geschürt werden, werden größer. Ähnliche Ambitionen hegt Moldaus heutige politische Elite, die – offensicht-lich Weisungen aus dem Ausland folgend – gemeinsam mit der ukrainischen Führung die Blockade gegen Transnistrien betreibt. Auf der anderen Seite befindet sich Russland. Selbstverständlich setzt Russland seine Arbeit im Rahmen des NATO-Russland-Rates (vormals „Rat der Zwanzig“) fort, sieht in der Existenz dieses Konsultationsgremiums jedoch für sich keinen beson-deren Nutzen.17 Russland hat die Führungsrolle innerhalb der CSTO inne, der wie bereits er-wähnt, auch Moskaus strategischer Verbündeter Armenien angehört. Die CSTO ist de facto ein eurasisches regionales Sicherheitssystem, zumindest wird dies in Moskau, Minsk und Astana so gesehen.18 Russland, die Ukraine, Georgien und Moldau sind formal Mitglieder der GUS, einer Organisation, die, um ehrlich zu sein, nicht sehr effektiv ist – ein Umstand, der von Mos-kaus Kritikern, allen voran Georgien, geschickt ausgenutzt wird.

17 Diesen Schluss lässt beispielsweise der letzte informelle Gipfel des NATO-Russland-Rats

im April 2006 in Sofia zu. Gesprächen über die Notwendigkeit der Schaffung gemeinsa-mer schneller Eingreiftruppen zur Bekämpfung des Terrorismus und die Schaffung der hierfür notwendigen Voraussetzung der „operativen Kompatibilität“ folgten bislang kei-nerlei Taten.

18 Der CSTO gehören Russland, Belarus, Armenien, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und (seit 2006) Usbekistan an.

In: IFSH (Hrsg.), OSZE-Jahrbuch 2006, Baden-Baden 2007, S. 105-119.

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Diese faktische Konfrontation setzt sich im wirtschaftlichen Bereich in der Rivalität zwischen der GUAM-Gruppe und der Eurasischen Wirtschaftsge-meinschaft (Eurasian Economic Community, EURASEC) fort, in der Russ-land den Vorsitz hat und der u.a. Armenien und seit kurzem Usbekistan an-gehören.19 Hier hat sich in letzter Zeit einiges bewegt: Das politische Ge-wicht der EURASEC und ihr Einfluss nehmen zu, was sich insbesondere an der Übernahme der Zentralasiatischen Organisation für Zusammenarbeit (Central Asian Co-operation Organization, CACO) im Februar 2006 gezeigt hat. Ebenfalls erst vor kurzem wurde ein Abkommen zur Schaffung einer Zollunion zwischen Russland, Belarus und Kasachstan geschlossen. Der Uk-raine stehen die Türen offen. All dies beunruhigt natürlich den „Kurator“ der GUAM-Gruppe, Washing-ton. Es ist sicher kein Zufall, dass eine neue und eindeutig antirussische Alli-anz der GUAM „zur Hilfe“ eilte: die „Gemeinschaft Demokratische Wahl“, der ursprünglich Litauen, Polen, die Ukraine und Georgien angehörten; der Kreis ihrer Mitglieder hat sich jedoch inzwischen erweitert. Polen erhebt zu-nehmend Anspruch auf die Rolle als regionaler „Schutzherr“ der Baltikum-Schwarzmeer-Allianz. Die diesbezüglichen Ambitionen der polnischen Füh-rung werden von der Möglichkeit geschürt, sich in dem wiedererstandenen „Großen Randgebiet“ zu etablieren. Diese Aussicht dürfte dem Kreml wohl kaum recht sein. Schlussbemerkungen Für die Stabilisierung, Demokratisierung und nachhaltige Entwicklung der Staaten der Schwarzmeer-Region und des Südkaukasus wäre die Schaffung einer supranationalen Institution in der Schwarzmeer-Kaukasus-Region, d.h. einer internationalen Sicherheitsorganisation – quasi einer „Mini-OSZE“ –, die auf der BSEC aufbaut, ein optimales Entwicklungsszenario. Nur ein sol-ches Szenario würde den tatsächlichen Bedürfnissen und Erwartungen der Menschen, die in diesem einzigartigen Teil der Welt leben, gerecht – auch wenn die Eliten, die sie in den internationalen Beziehungen vertreten, oftmals diametral entgegengesetzte Ansichten und Interessen haben. Es wäre die einmalige Chance, einen einheitlichen geopolitischen Raum in diesem Teil Eurasiens zu schaffen und ein gemeinsames „Schwarzmeer-Kaukasus-Haus“ zu bauen. Die Realität sieht heute jedoch anders aus: Großmächte und andere globale Akteure „reißen“ die Region in alle Richtungen auseinander, die für sie von Vorteil sind. Leider ist die Region nicht zu einem einheitlichen Segment des globalen geopolitischen Raumes zusammengewachsen. Bislang haben sich hier keine tragfähigen bilateralen und multilateralen Beziehungen zwischen 19 Weitere Mitglieder der EURASEC sind: Kasachstan, Kirgisistan, Moldau (mit Beobach-

terstatus), Tadschikistan, die Ukraine (mit Beobachterstatus) und Belarus.

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den Nachbarstaaten herausgebildet. Stattdessen ist die Region nach wie vor eine bloße Ansammlung von Staaten, in der sich externe Akteure als diejeni-gen positionieren, die Ordnung schaffen, die jedoch auf die wirklichen Inte-ressen der Staaten in der Region wenig Rücksicht nehmen. Derzeit gibt es also keinen gewichtigen Grund, die Schwarzmeer-Kaukasus-Region nicht dem „Bogen der Instabilität“, der sich vom Kosovo bis nach Xinjiang er-streckt, zuzurechnen. Zumindest in naher Zukunft wird sich an der Situation in der Region auch nichts ändern. Hier entsteht eine neue Zone der Desinteg-ration.

In: IFSH (Hrsg.), OSZE-Jahrbuch 2006, Baden-Baden 2007, S. 105-119.