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CASE STUDIES
Seminararbeit von Beatrice Hackl (mk171022)
Bachelor Studiengang Media- und Kommunikationsberatung
LV: Methoden und Instrumente der Markt- und Mediaforschung III
LV-LeiterInnen: FH-Prof. Mag. Helmut Kammerzelt, MAS,
Mag. Bettina Schuster
St. Pölten, 04.07.2019
Inhaltsverzeichnis1 EINLEITUNG........................................................................................................................................... 3
2 DEFINITION UND EINORDNUNG VON FALLSTUDIEN...............................................................................3
2.1 DER EINSATZ VON CASE STUDIES..................................................................................................................4
2.2 THEORIEANWENDUNG VS. THEORIEBILDUNG...................................................................................................5
2.3 TYPEN UND FUNKTIONEN VON FORSCHUNGSFALLSTUDIEN.................................................................................5
3 FORSCHUNGSPROZESS.......................................................................................................................... 6
3.1 PLANUNG FORSCHUNGSDESIGN UND AUSWAHL DER FÄLLE................................................................................6
3.2 DATENERHEBUNG......................................................................................................................................7
3.3 DATENANALYSE.........................................................................................................................................7
3.4 FALLSTUDIENREPORT..................................................................................................................................8
4 BEWERTUNG VON FALLSTUDIEN ALS FORSCHUNGSMETHODE...............................................................8
4.1 QUALITÄTSANSPRÜCHE...............................................................................................................................8
4.2 SICHERSTELLUNG DER QUALITÄT...................................................................................................................9
5 FAZIT..................................................................................................................................................... 9
QUELLENVERZEICHNIS................................................................................................................................. 11
2
1 EinleitungDie vorliegende Seminararbeit beschäftigt sich mit der umfangreichen Thematik der Fallstudien (im
Englischen „Case Studies“), welche üblicherweise dem qualitativen Forschungsparadigma zugeordnet
werden. Die Akzeptanz gegenüber qualitativen Forschungsmethoden war im deutschsprachigen
Raum für lange Zeit gering. Der Einsatz dieser beschränkte sich rein auf die explorative Funktion,
doch in den letzten Jahren konnte ein Umdenken in diesem Bereich verzeichnet werden. 1 Der
gesellschaftliche Wandel und die Globalisierung bringen der Marktforschung neue
Herausforderungen, welche den Einsatz qualitativer Methoden begünstigen. Mittels qualitativer
Forschung schafft man es, Gegebenheiten und Prozesse die vorerst verdeckt erscheinen zu
erforschen, sowie noch nicht untersuchte Forschungsfelder zu erkunden. In der Marketingrealität
erfolgt die Erforschung bislang unbekannter Sachverhalte oft in Form von kognitiven Einschätzungen.
Qualitative Forschungsansätze, wie beispielsweise Fallstudien, ermöglichen es, die
Erkenntnisgewinnung präziser, mit höherer Qualität und mit einem höheren Grad an
Nachvollziehbarkeit umzusetzen.2 In dieser Arbeit werden vorerst diverse Begrifflichkeiten
abgegrenzt sowie definiert, welche Ziele mit diesem Forschungsansatz verfolgt werden. Anschließend
wird näher auf den Ablauf des Forschungsprozess eingegangen. Den Abschluss dieser Arbeit stellt die
Bewertung von Fallstudien als Forschungsmethode sowie deren Qualitätsansprüche dar.
2 Definition und Einordnung von FallstudienFallstudien werden wie oben angedeutet der qualitativ empirischen Sozialforschung zugeordnet, mit
dem eine Vielzahl von Anwendungsgebieten und sozialwissenschaftlichen Disziplinen arbeiten.3
Borchardt und Göthlich beschreiben sie als komplexen und offenen Forschungsansatz. Doch oftmals
wird der Begriff der Fallstudie unpräzise verwendet und Gütekriterien nicht ausreichend
berücksichtigt. Es ist von Relevanz den Einsatz von Fallstudien als wissenschaftliche Methode von der
umgangssprachlichen Verwendung (Anekdoten, Fallbeispiele, Storytelling oder Business Cases zu
Lehrzwecken) abzugrenzen.4 In der Literatur trifft man auf verschiedenste Definitionen, daher ist es
für die Forschungspraxis wichtig zu Beginn jeder Fallstudie offen zu legen, welcher Definition gefolgt
wird. Weiters lässt sich feststellen, dass der Begriff Fallstudie oft missverstanden wird. Ein Grund
dafür ist, dass Fallstudien genau genommen keine eigene Methode darstellen sondern eine
1 Vgl. Mruck/Mey (2007), S. 23.2 Vgl. Buber/Holzmüller (2007), S. 6 f. 3 Vgl. Hering/Schmidt (2014), S. 529.4 Vgl. Borchardt/Göthlich (2009), S. 33 f.
3
Metamethode, die unterschiedlichste Erhebungsverfahren und Datenquellen auf einen Fall bezogen
kombiniert.5 Häufig trifft man auf die Definition von Yin, welche Fallstudien als bevorzugte Wahl
definiert, wenn Forschungsfragen mit „Wie“ oder „Warum“ gestellt werden, die Ermittler wenig
Einfluss auf die Ereignisse haben und der Fokus auf einem zeitgemäßen Phänomen in einem realen
Kontext vorliegt.6 Gary sieht Fallstudien als Methode, um Forschungsprobleme in ihrer
Vollständigkeit zu beschreiben und von verschiedensten Blickwinkeln zu betrachten.7 Ein
wesentlicher Aspekt der Fallstudienforschung besteht darin, unterschiedliche Hilfstechniken
(qualitativ und quantitativ) im Rahmen eines übergeordneten Untersuchungskontextes zu vereinen.
Die Generierung der forschungsleitenden Hypothese kann auf Basis der Auswertung einzelner im
empirischen Prozess vorangestellter Fallstudien basieren.8
2.1 Der Einsatz von Case Studies
Der Bedarf an Fallstudien ergibt sich aus dem Wunsch, komplexe soziale Phänomene zu verstehen.
Diese Methode ermöglicht es, ganzheitliche und aussagekräftige Merkmale realer Ereignisse
beizubehalten.9 Fallstudien können universell und in einem weiten Spektrum verwendet werden.
Man kann Antworten auf explorative, deskriptive oder besonders komplexe Forschungsfragen
erhalten. In komplett neuen Forschungsfeldern können Fallstudien eingesetzt werden, um sich einen
besseren Überblick zu erarbeiten, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden und von
neuem Wissen auf bereits Bestehendes zurückführen.10 Case Studies können sich auf
Abläufe/Ereignisse, Personen, Organisationen oder soziale Einheiten beziehen. Um den spezifischen
Fall umfassend zu analysieren, werden wie oben bereits erwähnt, verschiedene Datenquellen und
Erhebungsmethoden herangezogen. Besonders aussagekräftig sind Fallstudien in der
Marktforschung, wenn es sich um das Verständnis neuer Prozesse handelt oder zur Analyse und zum
Vergleich extremer Fälle. Für derartige Analysen sind sonst übliche Methoden der Marktforschung
nicht ausreichend.11 Die Limitation von Fallstudien, wie auch von anderen qualitativen Methoden,
liegt darin, dass sie keine statistischen Induktionsschlüsse auf die Grundgesamtheit erlauben. Der
wesentliche Vorteil jedoch ist, dass ein umfassenderes Abbild der sozialen Wirklichkeit geschaffen
wird. Der Output ist nicht auf Momentaufnahmen beschränkt, sondern erlaubt es Prozesse,
Entwicklungen und Zusammenhänge nachzuvollziehen.12
5 Vgl. Rimscha/Sommer (2016), S. 372.6 Vgl. Yin (2008), S. 59.7 Vgl. Gary (2011), S. 23., zit. n. Rimscha/Sommer (2016), S. 373. 8 Vgl. Tomczak/Schögel (2009), S. 79 f.9 Vgl. Yin (2008), S. 67.10 Vgl. Borchardt/Göthlich (2009), S. 35.11 Vgl. Kuß/Wildner/Kreis (2018), S. 57 f. 12 Vgl. Borchardt/Göthlich (2009), S. 36
4
2.2 Theorieanwendung vs. Theoriebildung
Aus dem bereits Gesagten lässt sich schließen, dass die Einsatzbereiche von Fallstudien, im
Wesentlichen in die Theorieanwendung sowie in die Theoriebildung unterschieden werden. Bei der
Theorieanwendung werden diese als didaktisches Instrument der akademischen Ausbildung
eingesetzt. Bei der Theoriebildung hingegen werden Case Studies als Methode der qualitativen
Forschung eingesetzt. Das Besondere bei dieser Technik ist, dass nicht nur eine einzige Erhebungs-
oder Auswertungstechnik in den Vordergrund gestellt wird, sondern ein ganzer Prozess. Es handelt
sich um die Erfassung und Beschreibung konkreter praktischer Herausforderungen, die realitätsnah
und umfassend durchleuchtet werden. Der Forschungsprozess bei Fallstudien ist durch hohe
Flexibilität gekennzeichnet. Dies wird unter anderem dadurch bemerkbar, dass die Bereiche der
Theoriebildung und der Überprüfung in einem wechselseitigen Verhältnis zueinanderstehen.13 Der
Einsatz von Fallstudien ist also besonders am Beginn und am Ende von Forschungsprogrammen gut
geeignet. Für neue Thematiken liefern sie spezifische Analysen von Zusammenhängen und dienen
damit zur Förderung der Theorienbildung. Besteht bereits quantitatives Wissen kann mittels
Fallstudien eine detaillierte Ausdifferenzierung und somit die Genauigkeit der Erkenntnisse erhöht
werden.14
2.3 Typen und Funktionen von Forschungsfallstudien
In der Literatur kristallisieren sich unterschiedlichen Typen von Fallstudien heraus. Je nachdem
welche Erkenntnisse man erzielen will, werden andere Formen eingesetzt. Schögel definiert drei
Typen von Fallstudien, welche die: eher deskriptiven Charakter, eher analytischen Charakter oder
eher explorativen Charakter vorweisen.15 Die Einteilung von Fallstudien zu einem bestimmten Typ,
hängt also maßgeblich von der Forschungsfrage ab. Beschreibende Fallstudien erforschen Was der
Fall ist. Erklärende wiederrum Warum etwas der Fall ist. Was künftig der Fall sein wird kann als
Prognosefallstudie beschrieben werden. Wie man deutlich erkennen kann, kann diese Art der
Forschung Antworten auf die verschiedensten Forschungsfragen liefern: „Warum entscheidet ein
Konsument so und nicht anders? Was macht ein Unternehmen in einem bestimmten Markt so
erfolgreich? Welche Werbung ist angemessen, um eine Zielgruppe bestmöglich zu erreichen?“16
„Cross-Case-Analysen“ entstehen durch die Entwicklung weiterführender Forschungsfragen, die aus
dem Vergleich der unterschiedlichen Fälle resultieren. Hierbei werden die Ergebnisse der einzelnen
Fälle auf Unterschiede, Gemeinsamkeiten sowie Zusammenhänge untersucht.17
13 Vgl. Tomczak/Schögel (2009), S. 81 f. 14 Vgl. Heimerl (2007), S. 38315 Vgl. Tomczak/Schögel (2009), S. 84 f.16 Heimerl (2007), S. 388.17 Vgl. Eisenhardt (1989), S.540 f., zit. n. Tomczak/ Schögel (2009), S. 85.
5
3 Forschungsprozess Ein systematisch-strukturierter Prozess stellt die Basis für eine transparente Forschung dar. Die
Schritte sind allerdings nicht zwingend immer in derselben Reihenfolge abzuarbeiten, vielmehr
stellen diese einen Anhaltspunkt dar.18
3.1 Planung Forschungsdesign und Auswahl der Fälle
Zu Beginn der Forschung ist ein passendes Forschungsdesign zu entwerfen. Es werden die Fälle sowie
die Analyseeinheiten ausgewählt. Ein Fall stellt die Untersuchungseinheit einer Fallstudie dar. Hierbei
kann es kann sich um Personen, Gruppen, Kulturen, Organisationen oder sogar Verhaltensmuster
handeln. Neben dem intensiv untersuchten Fall gibt es auch implizite (ähnliche) Fälle, die weniger
intensiv untersucht werden. Die Untersuchungseinheit in Fallstudien kann frei skaliert werden. Je
größer die Einheit, desto mehr Untersuchungseinheiten sind vorhanden.19 Zunächst legt man die
Anzahl der zu untersuchenden Fälle fest. Yin unterscheidet hinsichtlich der Fallauswahl zwei Arten
von Fallstudien: die Einzelfallstudie (single-case design) sowie die vergleichende Fallstudie (multiple-
case design).20 Einzelfallstudien konzentrieren sich auf kritische, extreme, typische oder bisher nicht
zugängliche Fälle. Vergleichenden Fallstudien versuchen, bereits gewonnene Erkenntnisse durch
Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen mehreren Fällen kritisch zu hinterfragen. Weitere Fälle
werden so ausgewählt, dass sie bisherige Erkenntnisse bestätigen oder andere Ergebnisse erzielt
werden sollen. Richtwert für die Anzahl sind vier bis zehn Fälle. Dies stellt neben hohem Zeitaufwand
auch enorme Kosten dar.21 In den letzten Jahren haben jedoch die vergleichenden Fallstudien massiv
an Bedeutung gewonnen. Die Ergebnisse dieser werden durch Ihre größere Robustheit sowie die
bessere Überprüfbarkeit favorisiert. Die Anzahl der Analyseebenen hängt maßgeblich davon ab, ob
es notwendig ist den Fall in sich aufzusplittern.22 Während des Planungsprozesses ist das Ziel die
Entwicklung eines Forschungsprotokolls, dass die weitere Untersuchung leitet. Festzulegen sind, die
anzuwendenden Datenerhebungsmethoden, eine Beschreibung der ausgewählten Fälle sowie die
Darlegung der Problemstellung und Zielsetzung der Analyse. Hier wird zwischen Holistischen Designs,
die den Fall ganzheitlich analysieren und Eingebetteten Fallstudien, die Teilaspekte differenzieren,
unterschieden. 23
18 Vgl. Tomczak/Schögel, S. 85 f. 19 Vgl. Rimscha/Sommer (2016), S. 374.20 Vgl. Yin (2003), S. 39 ff., zit. n. Borchardt/Göthlich (2009), S. 36. 21 Vgl. Borchardt/Göthlich (2009), S. 36.22 Vgl. Tomczak/Schögel (2009), S. 88 f.23 Vgl. Mayring (2016), S. 43 f.
6
3.2 Datenerhebung
Nachdem die Planung des Forschungsdesigns abgeschlossen ist, erfolgt die Auswahl der
Erhebungsmethoden, je nach Zielsetzung der Forschung und Ableitung dieser aus der Fragestellung.
Gemäß dem Prinzip der Triangulation sollte ein ausgleichendes Verhältnis qualitativer und
quantitativer Methoden bedacht werden. Oft bietet sich vor der tatsächlichen Datenerhebung, die
Durchführung einer Pilotstudie an, um die Forschungsfrage zu optimieren und die weitere Forschung
zu unterstützten. Der Einsatz mehrerer Forscher ist empfehlenswert, um die Objektivität zu
erhöhen.24 Zu den gängigen Methoden der Datensammlung zählen: die Befragung, die Beobachtung
sowie die Inhaltsanalyse (von Dokumenten oder Archivmaterialen). Bei der Auswahl der für den
spezifischen Fall passenden Methode, sind deren individuellen Stärken und Schwächen zu
berücksichtigen. Die erhobenen Daten sollten in einer Datenbank ableget werden, da dies dem
Forscher die Arbeit erleichtert und die Nachvollziehbarkeit gezogener Schlüsse vereinfacht. 25
3.3 Datenanalyse
Die Auswertung gestaltet sich oft komplex und schwierig, da es kein fest gefahrenes Vorgehen gibt,
dem es immer zu folgen gilt, sondern sich am individuellen Verlauf der Studie zu orientieren ist. Die
Umsetzung bleibt dem Forscher überlassen. Es existieren mehrere Analysetechniken, denen man
folgen kann. Der Ausgangspunkt ist aber immer die Sortierung und Strukturierung des
Datenmaterials mit dem Ziel der Erstellung eines Fallstudienreports.26 Zunächst werden die
einzelnen Fälle getrennt analysiert und anschließend untereinander verglichen. Hierbei kann auf die
Bestimmung von Gemeinsamkeiten (homogene Gruppen erstellen), Paarvergleiche (zwischen den
Fällen) oder auf die genutzten Datenquellen (Unterschiede) bezuggenommen werden.27 Bei einer
hypothesenüberprüfenden Fallstudie ist das Ziel die Überprüfung der Hypothesen anhand der
empirischen Ergebnisse. Die hypothesengenerierende Fallstudie hingegen hat Ursache-Wirkungs-
Ketten, die Entwicklung logischer Modelle sowie schlussendlich die Ableitung von Hypothesen als
Ziel.28 Danach werden die gewonnen Daten und die aus der Analyse entstandenen Erkenntnisse
interpretiert und in einen größeren Zusammenhang gestellt und schlussendlich in einem Report
niedergeschrieben.29
24 Vgl. Tomczak/Schögel (2009), S. 90.25 Vgl. Borchardt/Göthlich (2009), S. 37.26 Vgl. Ebd., S. 37.27 Vgl. Tomczak/Schögel (2009), S. 92.28 Vgl. Borchardt/Göthlich (2009), S. 37. 29 Vgl. Rimscha/Sommer (2016), S. 380.
7
3.4 Fallstudienreport
Dieser Report stellt den Abschluss der Forschungsarbeit dar und ist eine zentrale Voraussetzung für
die Überprüfung durch Außenstehende. Alle wichtigen Informationen wie die Arbeits- und
Vorgehensweise, die wichtigsten Erkenntnisse und Annahmen sollen hier dokumentiert sein.30
Idealerweise soll eine kritische Betrachtung des Reports durch mehrere Forscher erfolgen. Die Form
betreffend richtet sich nach dem untersuchten Phänomen und muss passend gewählt werden. Die
Möglichkeit der direkten Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Fallstudien ist dennoch wichtig.31
4 Bewertung von Fallstudien als Forschungsmethode
4.1 Qualitätsansprüche
Sowohl bei quantitativer als auch bei qualitativer Forschung müssen die Untersuchungen eine Reihe
von Gütekriterien erfüllen, um die Qualität zu sichern. Bei Fallstudien sind vor allem die
Konstruktvalidität, die interne Validität sowie die externe Validität solche zentralen Kriterien. Die
Reliabilität qualitativer Methoden stellt in der Literatur ein Streitpunkt dar. Da Forschende stark in
die Fälle involviert sein können, muss darauf geachtet werden, ausreichend Objektivität zu
gewährleisten. 32 Die Anforderungen an die Forschenden sind fundierte Methodenkenntnisse, die
Bereitschaft „ins Feld“ zu gehen und soziale und kommunikative Fähigkeiten. Der hohe Zeitaufwand
sowie die Gefahr des Versinkens in die Daten sind ebenso zu berücksichtigen.33
4.2 Sicherstellung der Qualität
Durch den Einsatz unterschiedlicher Maßnahmen kann jedes dieser Kriterien sichergestellt bzw.
unterstützt werden. Die Konstruktvalidität kann durch den Aufbau von Beweisketten, den Rückgriff
auf bereits bestehende relevante Literatur oder durch die kommunikative Validierung sichergestellt
werden. Bei der kommunikativen Validierung werden den jeweiligen ProbandInnen die Reporte zur
Überprüfung zugesendet, um von Ihnen als wahrheitsgemäß identifiziert zu werden. Zur Absicherung
der internen Validität können mögliche Kausalzusammenhänge vergleichbarer Fallbeispiele
herangezogen werden, um Beziehungsmuster und Zeitreihenanalysen zu erstellen. Die Sicherung der
externen Validität gestaltet sich bei qualitativen Untersuchungen als schwierig, da reale Situationen
kaum ein zweites Mal in demselben Kontext wiederholt werden können. Die Notwendigkeit, die sich
30 Vgl. Tomczak/Schögel (2009), S. 92. 31 Vgl. Borchardt/Göthlich (2009), S. 37.32 Vgl. Yin (2009), S. 27, zit. n. Rimscha/Sommer (2016), S. 378.33 Vgl. Borchardt/Göthlich (2009), S. 46.
8
somit für Fallstudien ergibt, ist die umfassende Beschreibung und Analyse der konkreten Situation. 34
Für Tomczak und Schögel liegen die wesentlichen Vorteile von Fallstudien darin die Nähe zur realen
Situation zu haben und somit neue Einsichten direkt aufzudecken. Weiters wird der hohe
Innovationsgrad der Ergebnisse sowie die tendenziell höhere interne Validität der Ergebnisse
geschätzt.35
5 FazitZusammenfassend lässt sich sagen, dass Fallstudien eine oftmals unterschätzte Forschungsmethode
darstellen. Sie sind ein Zugang der empirischen Sozialforschung, welcher sich maßgeblich von
anderen Methoden unterscheidet. Case Studies lassen sich im Gegensatz zu den herkömmlichen
Methoden vielmehr als umfassende Strategie, die unterschiedliche Techniken und Methoden als
Komponente hat, verstehen. Es liegt in der Hand der Forschenden welche Methoden angewendet
werden, um die Fragestellung mittels einer Fallstudie bestmöglich beantworten zu können.
Erkennbar ist, dass Fallstudien keine standardisierte Methode mit Gebrauchsanweisung darstellen,
sondern dass der individuelle Fall viele Herausforderungen bei der Konzeption aber auch bei der
Durchführung mit sich bringen kann. Der Forschungsprozess kann individuell gestaltet werden,
startet aber üblicherweise mit der Kreation eines Forschungsdesigns sowie der Auswahl der Fälle.
Anschließend folgt die Datenerhebung, wobei hier das Prinzip der Triangulation berücksichtigt
werden muss. Den Abschluss stellen die Datenanalyse sowie der Fallstudienreport dar. 36
Grundsätzlich lassen sich drei Blickwinkel bezüglich des Einsatzes von Fallstudien erkennen:
Fallstudien als Lehrmethode, als qualitative Forschungsmethode und als Hilfsmethode quantitativer
Forschung.37 In Forschungsbereichen mit wenig bestehendem Wissen, bei Bedarf nach Exploration
und bei einer starken Beeinflussung des Erkenntnisobjektes durch das menschliche Verhalten, liefern
Fallstudien erheblichen Erkenntnisbeitrag. 38 Das Leitmotiv für die Durchführung einer Case Study ist
es, in Erhebung, Auswertung und Interpretation stets den individuellen Facetten des Falls zu folgen
um diesen in seiner Komplexität umfassend zu beschreiben.39 Fallstudien lassen sich grundsätzlich in
allen Teilbereichen der Medien- und Kommunikationsforschung einsetzen. Das Hauptziel von
Fallstudien stellt die Veranschaulichung einer gewissen Thematik dar. In der Medienforschung hat
der Einsatz von Case Studies meist etwas mit Marken und Unternehmen zu tun. Zusammenhänge
34 Vgl. Tomczak/Schögel (2009), S. 93 f. 35 Vgl. Ebd., S. 98. 36 Vgl. Rimscha/Sommer (2016), S. 382.37 Vgl. Rimscha/Sommer (2016), S. 370. 38 Vgl. Tomczak/Schögel (2009), S. 81. 39 Vgl. Hering/Schmidt (2014), S. 530.
9
und Teilaspekte werden abgeleitet, um herauszufinden wie mit gewissen Dingen umgegangen wird.
Beispielsweise können vorhandene Marken herangezogen und analysiert werden, ob diese
funktionieren oder nicht. Es werden Hintergründe aufgedeckt wie der gesellschaftliche Wandel oder
eine Änderung der Werte. Auch im Studiengang der Media- und Kommunikationsberatung werden
Einblicke in die Thematik der Fallstudien gegeben. Beispielsweise bei Kamingesprächen, wo anhand
von früheren Kampagnen die drei verschiedenen Typen von Fallstudien analysiert (deskriptiv,
explorativ und analytisch) werden. Zu Beginn wird die Ausgangssituation dargelegt, gefolgt von
Dialoggruppen, Rahmenbedingungen und durchgeführten Maßnahmen. Aber auch hier gilt es, sich
stets dem individuellen Verlauf der Fallstudie sowie dessen Besonderheiten hinzugeben. In Zukunft
ist es also wichtig, dass Forschende sich den Herausforderungen der Fallstudienforschung stellen, um
neues Wissen komplexer Phänomene sicherzustellen.
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Quellenverzeichnis
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der empirischen Forschung, 3. Auflage, Wiesbaden: Gabler Fachverlage GmbH, S. 33-49.
Buber, Renate /Holzmüller, Hartmut (2007): Optionen für die Marketingforschung durch die
Nutzung qualitativer Methodologie und Methodik in: Qualitative Marktforschung, Wiesbaden: Gabler
Fachverlage GmbH, S. 5-20.
Heimerl, Peter (2007): Fallstudien als forschungsstrategische Entscheidung in: Buber, Renate /
Holzmüller Hartmut (Hrsg.): Qualitative Marktforschung, Wiesbaden: Gabler Fachverlage GmbH, S.
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Hering, Linda / Schmidt, Robert (2014): Einzelfallanalyse in: Baur, Nina/ Blasius, Jörg (Hrsg.):
Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung, Wiesbaden: Springer VS, S. 529- 541
Kuß, Alfred/ Wildner, Raimund, Kreis/Henning (2018): Marktforschung – Datenerhebung und
Datenanalyse, 6. Auflage, Wiesbaden: Springer Gabler
Mayring, Philipp (2016): Einführung in die qualitative Sozialforschung, 6. Auflage, Weinheim: Basel,
Beltz
Mruck, Katja /Mey, Günther (2007): Der Beitrag qualitativer Methodologie und Methodik zur
Marktforschung in: Buber, Renate / Holzmüller Hartmut (Hrsg.): Qualitative Marktforschung,
Wiesbaden: Gabler Fachverlage GmbH, S. 21-40.
Rimscha, Bjørn/ Sommer, Christoph (2016): Fallstudien in der Kommunikationswissenschaft in:
Averbeck-Lietz, Stefanie / Meyen, Michael (Hrsg.): Handbuch nicht standartisierter Methoden in der
Kommunikationswissenschaft, Wiesbaden: Springer VS, S. 269-384.
Tomczak, Torsten / Schögel, Marcus (2009): Fallstudie in: Baumgarth, Karsten / Eisend Heiner
Evanschitzky, Martin (Hrsg.): Empirische Mastertechniken: Eine anwendungsorientierte Einführung in
die Marketing- und Managementforschung, Wiesbaden: Gabler Fachverlage GmbH, S. 79-101.
Yin, Robert (2008): Case Study Research: Design and Methods, 4. Auflage, Kalifornien: Sage Ltd.
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