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Doris Joachim-Storch, Referentin für Gottesdienst (Texte) Ursula Starke, Referentin für das Singen mit Kindern (Musik und Musikvorschläge) Gottesdienst zum Wahltag mit den Texten der Perikopenordnung Inhalt Vorbemerkung 1. Liturgische Bausteine 2. Liedvorschläge 3. Mehrstimmige Sätze 4. Miniaturen zu Joh 15,1-8 Vorbemerkung Dieser Entwurf orientiert sich vor allem an Psalm 66 und am Predigttext Joh 15,1-8 (Der wahre Weinstock). Es wird hier kein kompletter Gottesdienst dargestellt, sondern – als Anregungen – einzelne Bausteine, die sich teilweise aufeinander beziehen. Die musikalischen Stücke der Eingangsliturgie können auch durch die in der Gemeinde üblichen Gesänge ersetzt werden. Das kabarettistische Anspiel zum Predigttext (s. die Datei „Anspiel Weinstock“) könnte im Rahmen der Predigt aufgeführt werden. Es eignet sich allerdings auch sehr gut für den Gottesdienst zur Einführung der neuen Kirchenvorstände. Die „Miniaturen zu Joh 15“ ab S. 10 verstehen sich als Bausteine und Anregungen für eine Predigt.

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Page 1: €¦ · Web viewDieser Entwurf orientiert sich vor allem an Psalm 66 und am Predigttext Joh 15,1-8 (Der wahre Weinstock). Es wird hier kein kompletter Gottesdienst dargestellt, sondern

Doris Joachim-Storch, Referentin für Gottesdienst (Texte)Ursula Starke, Referentin für das Singen mit Kindern (Musik und Musikvorschläge)

Gottesdienst zum Wahltagmit den Texten der Perikopenordnung

Inhalt

Vorbemerkung1. Liturgische Bausteine2. Liedvorschläge3. Mehrstimmige Sätze4. Miniaturen zu Joh 15,1-8

Vorbemerkung

Dieser Entwurf orientiert sich vor allem an Psalm 66 und am Predigttext Joh 15,1-8 (Der wahre Weinstock). Es wird hier kein kompletter Gottesdienst dargestellt, sondern – als Anregungen – einzelne Bausteine, die sich teilweise aufeinander beziehen. Die musikalischen Stücke der Eingangsliturgie können auch durch die in der Gemeinde üblichen Gesänge ersetzt werden.

Das kabarettistische Anspiel zum Predigttext (s. die Datei „Anspiel Weinstock“) könnte im Rahmen der Predigt aufgeführt werden. Es eignet sich allerdings auch sehr gut für den Gottesdienst zur Einführung der neuen Kirchenvorstände.

Die „Miniaturen zu Joh 15“ ab S. 10 verstehen sich als Bausteine und Anregungen für eine Predigt.

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1. Liturgische Bausteine

Bei den folgenden liturgischen Stücken sind die traditionellen Antwortgesänge ersetzt durch solche, die sich an der Antiphon des Psalms orientieren. Mehrstimmige Sätze finden Sie ab S. 8. Psalm und Gebete lassen sich aber auch ohne Weiteres in die sonst in der Gemeinde übliche Struktur (mit ihren Antwortgesängen) einfügen.

Psalm 66, 1-9 (Lutherübersetzung)Es wäre auch möglich die Antiphon nur am Anfang und am Ende des Psalms zu singen. Der Psalm kann im Wechsel gesprochen werden. Er ist Zeile für Zeile gesetzt (und nicht Vers für Vers). Damit folgt er dem Parallelismus Membrorum des hebräischen Urtextes.

Antiphon

Jauchzet Gott, alle Lande! / Lobsinget zur Ehre seines Namens;rühmet ihn herrlich!

Sprecht zu Gott: Wie wunderbar sind deine Werke!Deine Feinde müssen sich beugen vor deiner großen Macht.

Alles Land bete dich an und lobsinge dir,lobsinge deinem Namen.

AntiphonKommt her und sehet an die Werke Gottes,

der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern.Er verwandelte das Meer in trockenes Land, /sie konnten zu Fuß durch den Strom gehen.

Darum freuen wir uns seiner.Er herrscht mit seiner Gewalt ewiglich, / seine Augen schauen auf die Völker.

Die Abtrünnigen können sich nicht erheben. Antiphon

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Lobet, ihr Völker, unsern Gott,lasst seinen Ruhm weit erschallen,

der unsre Seelen am Leben erhältund lässt unsere Füße nicht gleiten.

Antiphon

Psalm 66 (Zürcher Bibel)Die Übersetzung der Zürcher Bibel ist näher am hebräischen Text. Interessant ist vor allem die Übersetzung des Wortes nora (von jara) in den Versen 3 und 5. Luther übersetzt mit wunderbar, die Zürcher mit furchterregend. jara heißt fürchten. Gemeint ist vielleicht so etwas wie Ehrfurcht gebietend. So überträgt es die Bibel in gerechter Sprache. Auf jeden Fall wird die Ambivalenz des Tuns Gottes deutlicher. Das könnte auch eine Anregung sein, über diesen Text zu predigen.

Antiphon (s.o.)Jauchzet Gott, alle Länder.

Singt zur Ehre seines Namens,macht herrlich sein Lob.

Sprecht zu Gott: Wir furchterregend sind deine Werke.Deiner gewaltigen Macht schmeicheln deine Feinde

Alle Länder werfen sich nieder vor dirUnd singen dir, singen deinem Namen.

AntiphonKommt und seht die Taten Gottes,

er waltet furchterregend über die Menschen.Das Meer wandelt er in trockenes Land,

zu Fuß schritten sie durch den Strom;wir wollen uns seiner freuen.

Ewig herrscht er in seiner Macht,seine Augen prüfen die Nationen;die Empörer können sich nicht erheben.

AntiphonPreist ihr Völker, unseren Gott,

lasst laut sein Lob erschallen,der uns das Leben gab

und unseren Fuß nicht wanken ließ.

Antiphon

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Hinführung zum KyrieGott, manchmal ist es nicht so wie in dem Psalm.Da kommst du uns so klein vor.Hilflos. Oder bedeutungslos.Wo bist du in dieser Welt?Das Jubeln erreicht unser Herz nicht.Das Jauchzen erstickt in Tränen.Die Freude versandet in Zweifeln.Gott, erbarme dich.

oder

Jubeln, jauchzen, singen, beten.Wenn nur das Herz nicht so schwer wäre,die Hoffnung so klein,der Atem so kurz.Gott, in der Stille sagen wir dir, was uns niederdrückt.

StilleGott, erbarme dich.

Kyrie-Gesang

Hinführung zum GloriaSo spricht Gott:Es soll geschehen: Ehe sie rufen, will ich antworten;wenn sie noch reden, will ich hören. (Jes 65,24)Lobsingt Gott! Preist den Heiligen Namen!

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Gloria-Gesang auf Seite 10 gibt es den Gloria-Gesang noch einmal einen Ton tiefer gesetzt.

GebetGott, hier sind wir.Verschieden. Vergnügt oder unsicher.Aufgeregt oder gelassen.Sei du jetzt auch hier.In diesem Gottesdienst.An diesem ganzen Wahltag, Mache unsere Herzen weit.Dies bitten wir dich, dem die Engel jubeln und singen,von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Gemeinde: Amen.

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Fürbitten mit Liedruf (z.B. Kyrierufe aus dem EG oder „Nimm du dich ihrer an“)

Du, Gott, hältst unsere Seelen am Leben.Das hast du versprochen.Im Leben und im Sterben, hältst du uns,die ganze Welt.

Darum:Falle denen in die Arme, die deine Welt leichtfertig aufs Spiel setzen.Den Regierungen in (aktuelle Krisenregionen),den Fanatikern in allen Religionen,auch den rechten Radikalen bei uns in Deutschland.Wir rufen zu dir:

Liedruf

Stütze die Menschen, die die Hoffnung auf Frieden nicht aufgeben.Die Diplomaten der Vereinten Nationen.Die Friedensorganisationen der Kirchen.Die Ärzte ohne Grenzen.Alle, die sich für Flüchtlinge einsetzen.Wir rufen zu dir:

Liedruf

Begleite die Menschen, die sich unbehaust fühlen.Kinder ohne Liebe.Alte ohne Sicherheit.Traurige ohne Hoffnung.Wir rufen zu dir:

Liedruf

Stärke alle, die in deiner Kirche arbeiten.Die die Kranken besuchen,die die Kinder lehren,

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die die Feste organisieren,die für den Kirchenvorstand kandidieren,die die Kirche leiten.Wir rufen zu dir:

Liedruf

In der Stille nennen wir dir die Menschen, die uns besonders am Herzen liegen:

Stille

Wir rufen zu dir:

Liedruf

Vaterunser

2. Liedvorschläge

Die Vorschläge für die Wochenlieder im neuen Perikopenordnungsentwurf, der zurzeit erprobt wird, stehen in Klammern.

EG 108 Mit Freuden zart zu dieser Fahrt (Wochenlied bisherige Perikopenordnung)EG 268 Strahlen brechen vieleEG 279 Jauchzt, alle Lande, Gott zu EhrenEG 316 Lobe den Herren, den mächtigen König (Wochenlied Erprobung)EG 322 Nun danket all und bringet EhrEG 326 Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut, 1-3, 7EG 331 Großer Gott, wir loben dichEG 358 Es kennt der Herr die SeinenEG 361 Befiehl du deine Wege, 1, (2), (3), 4, 8EG 406 Bei dir, Jesu, will ich bleibenEG 409 Gott liebt diese WeltEG 432 Gott gab uns Atem (Wochenlied Erprobung)EG 503 Geh aus, mein Herz, 6, 13, 14EG 506 Wenn ich, o Schöpfer, deine Macht, 1, 4, (5), 6EG 631 In Gottes Namen wolln wir finden

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3. Mehrstimmige Sätze

Antiphon

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Kyrie-Gesang

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Gloria-Gesang (ein Ton tiefer)

4. Miniaturen zu Joh 15,1-8

Die folgenden Miniaturen sind eher Blitzlichter als eine zusammenhängende Predigtmeditation, zumal es zum Sonntag Jubilate weitere Predigthilfen gibt. Diese kurzen Sequenzen verstehen sich als Fundgrube zum Stöbern. Wie das so bei Fundgruben ist, passt nicht alles zusammen. Es lassen sich nicht alle Ideen in einer Predigt unterbringen. Aber vielleicht finden Sie hier auch Anregungen für weitere Anlässe, wie z.B. Gemeindebriefartikel zum Bonhoeffer-Gedenken.

Ich kann ohne (?)„Ohne mich könnt ihr nichts tun“, sagt Jesus. Da regt sich in mir Widerstand. Ich kann ohne. Ohne Stützräder, ohne Gehhilfe, ohne Brille (allerdings nicht mehr so gut), auch ohne Gott. Denke ich mal. Es ist mir wichtig, ohne (…) zu können. Selbstständig. Selbstbestimmt. Für die Selbstachtung brauche ich das.

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„Ich kann ohne Freunde sein“, sagt mir ein kleiner Junge im Kindergottesdienst. Er ist Zehn. Ich sehe seinen Trotz. Er muss ohne Freunde leben, weil er jeden, der ihm nahe kommt, abweist. Oft prügelt er sich. Er kann ohne, weil er muss. Große Einsamkeit.

„Ohne mich könnt ihr nichts tun“, sagt Jesus. Mein Widerstand schmilzt etwas. Es stimmt: Ohne Liebe geht gar nichts. Ohne wenigstens etwas Liebe stirbt ein Kind. Wer wenig Liebe erlebt, verkümmert seelisch. Das ist vielleicht gemeint: Ohne die Liebe Gottes geht nichts. Er hat sich mit uns verbunden wie ein Weinstock mit seinen Reben. Eng, liebevoll, sich selbst verströmend. Eine natürliche Verbindung, organisch gewachsen. Mit einem jeden Menschen auf der Welt. Ja, mit jedem. Das wäre mir wichtig. Dass Christus sich mit allen Menschen verbindet. Inklusiv. Wie sollte er das auch nicht tun, wenn durch ihn die Welt geschaffen wurde?

Kein exklusiver Club für Insider„Wer in mir bleibt und ich in ihm“, sagt Jesus, „der bringt viel Frucht. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie müssen brennen.“ Ich frage mich, wer „man“ ist. Wer wirft hier wen ins Feuer? Und dann auch diese strengen „Wer-der-Sätze“. Wenn du das und das machst, dann… Drohungen schwingen da mit. Wer anders ist, wird hinausgeworfen, ausgegrenzt, gehört nicht dazu. Ein exklusiver Club für christliche Insider? Mit Gesinnungskontrolle? Und: Gibt es keine fröhlichen „Heiden“? Keine anständigen Leute unter den Nichtchristen? Dieses Bibelwort klingt exklusiv und ganz und gar nicht evangelisch. Und so wurde es auch manchmal verstanden: Wir Christen und die anderen. Wagenburgmentalität. Wir sind die, die am Weinstock geblieben sind. Treu zur Kirche halten. Wir sind die wirklichen Christen, Reben am Weinstock des Herrn. Da werden dann manchmal nicht nur Reben ins Feuer geworfen, sondern auch Bücher und Menschen. Fanatiker gab und gibt es nicht nur in anderen Religionen, sondern auch bei uns. Ich finde: Das mit dem Feuer hätte Johannes nicht schreiben dürfen. Viele Schriftworte haben Kummer und Elend über Menschen gebracht. Wir sollten das in unseren Predigten nicht verschweigen oder schön zu reden versuchen.

Nun hatte der Evangelist Johannes sicher nicht im Sinn, zur Gewalt gegen Andersglaubende aufzurufen. Er wollte seine Gemeinde stärken und trösten. Die drohte nämlich auseinanderzufallen. Eine Minderheit in feindlicher Umwelt. Von ihren jüdischen Geschwistern waren sie ausgeschlossen worden. Sie mussten eine eigene Identität finden, sich gegen die Juden und andere abgrenzen, um nicht auseinanderzufallen. Und: Sie brauchten Trost und Stärkung in Verfolgungszeiten. Kraftquelle war Christus. Das Bild vom Weinstock und den Reben bildet diese Verbindung ab. Dass die johanneische judenchristliche Gemeinde ihre Identität auf Kosten anderer fand, sollte uns kein Vorbild sein. Dennoch ist das Bild vom Weinstock zu schön, um es rechts liegen zu lassen.

Was es heißt, als Rebe am Weinstock zu bleiben wird bei Johannes spätestens ab Vers 9 deutlich: „Bleibt in meiner Liebe“, sagt Jesus. In Christi Liebe bleiben – ohne die können wir nichts wirklich Gutes tun. Es geht um eine Atmosphäre von Liebe, ein Raum, ein Energiefeld – wie auch immer wir das benennen wollen. Liebe kann eine Kategorie in alltäglicher Kirchenvorstandsarbeit sein. Lieben Sie ihre Konfirmanden? frage ich manchmal. Lieben Sie einander? Das heißt: Strahlen Sie als Kirchengemeinde, als Vorstand oder im Mitarbeitendenkreis Liebe aus? Das klingt vielleicht etwas merkwürdig – aber wir haben das biblische Liebesgebot in unserem „Programm“. Und auch wenn

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Martin Luther uns die Lehre von den zwei Reichen (dem weltlichen und dem geistlichen) hinterlassen hat – die Liebe als Christen muss sich auch in Fragen von Personalentscheidungen im Kindergarten und bei der Haushaltsplanung bemerkbar machen. Wo welches Geld hingeht – das soll unter dem Gesichtspunkt der Liebe beraten werden.

Wenn wir als Reben leben, die Kirche leiten, den Kindern von Gott erzählen, die Kollektenkasse verwalten oder den Seniorenausflug planen, dann tun wir das als Reben, die am Weinstock hängen, als Christen, die an Gott hängen. Den hängen wir nicht ab, wenn wir uns über die Frage streiten, ob die Würstchen beim Gemeindefest vom Großhandel oder vom örtlichen Metzger kommen sollen oder ob es überhaupt Würstchen geben soll. Das alles tun nichtchristliche Menschen übrigens auch. Gott sei Dank! Als Gemeinde ist es nicht unsere Aufgabe, die Menschheit einzuteilen in solche, die in Christus sind und solche, die sich anders verstehen. Das gebührt nur dem Weingärtner, dessen Liebe unsere Liebesfähigkeit allemal übersteigt.

Vom Frucht bringen und dem LeistungsdruckSo kann man den Text auch lesen: „Du, Mensch, bringe Frucht, leiste was. Dann darfst du bleiben. Wenn du nicht Frucht bringst, wenn du als Christ oder Christin versagst, wirst du abgeschnitten und ins Feuer geworfen.“ Warum steht da nicht: Ein dürrer Ast knickt irgendwann von selbst ab? Ein Christ, der keine Frucht bringt, trennt sich von selbst von der Gemeinde Christi? Es gefällt mir nicht, dass Gott als Weingärtner aktiv strafend eingreift. Das passt doch nicht zum Evangelisch-Sein? Wo wir doch allein aus Gnade und vorbehaltlos geliebt werden? Hat Luther das Höllenfeuer nicht abgeschafft? Oder doch zumindest die Angst davor? Andererseits: Das Wesen der guten Früchte ist, dass sie nicht gemacht werden, sondern einfach wachsen, solange sie am Weinstock hängen. Ein ganz natürlicher Vorgang. Keine Leistung, die man erbringen oder verweigern kann. Es geschieht einfach. Die Liebe bringt das Gute hervor.

Gott verlangt keine Vorleistungen für seine Liebe. Aber er erwartet Nachleistungen. Er wartet auf eine Antwort auf seine Liebe. Wir lieben unsere Kinder ja auch vorbehaltlos, normalerweise jedenfalls. Und es ist eigentlich ganz natürlich und selbstverständlich, wenn sie diese Liebe beantworten. Wir sollen unseren Kindern mit unserer Liebe ein Fundament geben, auf dem sie einen guten Weg durchs Leben finden: Gelassenheit, Fröhlichkeit und die Fähigkeit, Gutes zu tun.

Von der Vielfalt der Reben – oder die Gemeinde als CuvéeBleiben in Christus heißt nicht reglos sein, nicht: erstarrt in Traditionen oder Strukturen. Bleiben in Christus ist ein Bleiben in der Liebe. Und das ist Bewegtsein an sich. Da geht es lebendig zu, manchmal auch unruhig (v.a. in den Bankreihen der Konfirmandinnen und Konfirmanden). Da wird gelacht und geweint. Da wird diskutiert und sich engagiert. Da wird gebetet und getanzt. Und da wächst oft zusammen, was auf den ersten Blick nicht zusammen gehört. In der Liebe ist viel Spielraum für Vielfalt, auch im Kirchenvorstand. Gut, wenn es solche Vielfalt gibt. Um im Bild zu bleiben und es gleichzeitig zu überschreiten: Christus als Weinstock hat die wunderbare Eigenschaft, verschiedene Rebsorten hervorzubringen (was ein realer Weinstock nicht fertigbringt): Trockener Riesling, lieblicher Muskat, milder Grauburgender, schwerer Bordeaux, feuriger Rioja, würziger Spätburgunder – um nur ein paar zu nennen. Da lohnt sich eine gemeindliche Weinverkostung… Und

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der Cuvée, das heißt die Mischung aus verschiedenen Rebsorten, kann besonders köstlich sein. Es ist ja interessant, dass zum Beispiel im Weinland Frankreich der Cuvée viel weiter verbreitet und beliebter ist als in Deutschland und Österreich. Bei uns spricht man vom „Verschnitt“, hält die Vermischung für weniger gut und bevorzugt die „reinsortigen“ Weine. Aber eine sorgfältige und ausgewogene Mischung der Rebsorten steigert die Qualität des Weines, sicher auch der Gemeinde.

Eine Kirche, die lebt, spaltet sichEintracht unter Christen ist schön. Manchmal aber auch ganz schön schwierig. Wenn’s eng wird zum Beispiel. Eng im Geist. Engstirnig. Wenn manche glauben, die wahren Reben am wahren Weinstock zu sein und die Wahrheit zu kennen und meinen, die besten Früchte zu bringen. Schnell kann es passieren, dass man andere als faule Früchtchen abschneiden und ins Feuer werfen will. Hat’s alles gegeben in der Christentumsgeschichte, leider. Eintracht unter Christen ist schön. Aber manchmal ist Streiten nötig, auch wenn’s weh tut.

Davon erzählt der niederländische Schriftsteller Maarten T’Hart in seinem Roman „Jakobsleiter“: „Wo Menschen sich für ein Ideal einsetzen, entstehen Parteien, da entsteht Streit und Zwietracht.“ Und er erzählt von den vielen Kirchenspaltungen in den Niederlanden. Augenzwinkernd tut er das, mit einer großen Portion Selbstironie. „Spaltungen sind der Beweis für einen lebendigen Glauben“, schreibt er. „Eine Kirche, die lebt, spaltet sich.“ Da muss man schon schlucken. Kirchenspaltungen sollen gut sein? Gestritten haben wir Christen von Anfang an, auch zur Zeit des Evangelisten Johannes. Selbst Jesus führte Streitgespräche. Und nicht immer hatte er Recht! Manchmal hat er sich von anderen überzeugen lassen (Mt 15,21ff). Auch gespalten hat sich die Kirche von Anfang an.

Eine Kirche, die lebt, spaltet sich. Denn sie sucht nach dem, was für die Menschen gut ist, nach Idealen, mit Leidenschaft und Energie. Dem Romanautor Maarten T’Hart ist zu viel Einheit verdächtig. Weil verschiedene Menschen immer auch verschiedene Meinungen haben darüber, wie Gott ist und wie Menschen sich verhalten sollen. Und deshalb muss auch Platz sein für einen Streit. Dann werden wir bunt, verschieden, manchmal auch entschieden im Streit, aber doch friedlich. Denn den Rahmen um den Streit bildet die Liebe, von der der Evangelist Johannes meint, dass aus ihr die Freude kommt. Ein wunderbares Programm für die Arbeit im Kirchenvorstand. Und ein bisschen gelassene Selbstironie wie bei Maarten T’Hart täte uns auch ganz gut.

Sein, wo Christus ist – Zum Gedenken an den Todestag Dietrich Bonhoeffers vor 70 Jahren„... wir sollten uns nur dort finden lassen, wo Christus ist.“ Das schrieb Dietrich Bonhoeffer im Juni 1939 in sein Tagebuch. Er war auf dem Weg in die USA. Ein Weg in die Sicherheit. Amerikanische Freunde hatten ihn eingeladen, den streitbaren Pfarrer der Bekennenden Kirche, der sich offen gegen Hitler aussprach. Sie wollten ihn vor der Verfolgung durch die Nazis retten. Einige Wochen später aber war Bonhoeffer wieder zurück in Deutschland. Er wollte sein, wo Christus für ihn war. Bonhoeffer hat sich überreden lassen, nicht von Menschen - von Gott. „Man kann sich den Ort der Gegenwart Christi nicht beliebig aussuchen“ – das war seine tiefe Überzeugung. „Wer sich einmal auf Gott einließ, wer sich einmal von ihm überreden ließ, der kommt nicht mehr los“, schrieb Bonhoeffer schon 1934. „Wie ein Kind nicht mehr loskommt von seiner Mutter.“

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Bonhoeffer kam von Gott nicht mehr los. Christsein, Nachfolge, ein Leben mit Gott - das war für ihn nicht nur Trost und Geborgenheit. Es war auch Verpflichtung und Gefahr. Er wollte sein, wo Christus ist. Und das war in Hitler-Deutschland an der Seite der Juden. Christus ist im Widerstand. Er ist bei den Leidenden, bei denen, die unter die Räder kommen. Und deshalb musste und wollte Bonhoeffer dort hin, wenn er bei Christus bleiben wollte.

Dabei war er immer wieder unsicher, ob er den richtigen Weg ging. Oft war er auch verzweifelt. „Von Gott nicht mehr loskommen, das bedeutet viel Angst“, schreibt er. Aber es „bedeutet doch auch, im Guten und im Bösen nie mehr gott-los sein können. Es bedeutet: Gott mit uns auf allen unseren Wegen ... in Verfolgung, Verspottung und Tod.“ „Wir sollten uns nur dort finden lassen, wo Christus ist.“ Bonhoeffers Weg an der Seite Christi führte ihn an den Galgen. Vor 70 Jahren, am 9. April 1945, wurde er im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet. Aus den Briefen, die er in den zwei Jahren seiner Haft schrieb, wissen wir: Er hat es nicht bereut, nach Deutschland zurückgekehrt zu sein. Drei Monate vor seinem Tod dichtete er im Gefängnis: „Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen. Und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Als er zur Hinrichtung abgeholt wurde, hat er gesagt: „Das ist das Ende - Für mich der Beginn des Lebens.“

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