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Werbe- und Konsumentenpsychologie
* Wahrnehmung und Aufmerksamkeit *
Referentin: Nancy Rögner
1. Psychophysik
Wahrnehmung setzt voraus…
– Dass Körper mit seinen Sinneszellen körperfremde physikalische Reize in körpereigene physiologische Energie umgewandelt hat
– Aus physiologischer Energie müssen dann
psychologisch gehaltvolle Größen, Empfindungen werden
1.Psychophysik
Drei Komponenten des Wahrnehmungsprozesses:
– Physikalisch (z. B. Wellenlänge des Lichts,Schallintensität)
– Physiologisch (bestimmte Tätigkeit der Nervenzellen)
– Psychologisch (z. B. Farbempfindung, Lautstärke oder Höhe eines Tones)
1.1 Empfindungsschwelle, Unterschiedsschwelle und Empfindungsmessung
Nicht alles physikalisch Messbare führt zu einer Empfindung
– Sinnesorgane qualitativ nicht ausgerüstet, z. B. Radiowellen, Röntgenstrahlen
– Physikalische Reize können zu schwach sein
1.1 Empfindungsschwelle, Unterschiedsschwelle und Empfindungsmessung
Intensität eines Reizes, bei der VP beginnen etwas wahrzunehmen absolute Empfindungsschwelle
Ab Entdeckungswahrscheinlichkeit von 50% ist
absolute Empfindungsschwelle erreicht
1.1 Empfindungsschwelle, Unterschiedsschwelle und Empfindungsmessung
Methoden zur Messung der absoluten Empfindungsschwelle nach Gustav Theodor Fechner
• Grenzmethode
• Herstellungsmethode
• Konstanzmethode
1.1 Empfindungsschwelle, Unterschiedsschwelle und Empfindungsmessung
Über alle Probanden und Durchgänge hinweg wird diejenige Reizstärke identifiziert, die Entdeckungswahrscheinlichkeit von 50% hat
Absolute Empfindungsschwelle
1.1 Empfindungsschwelle, Unterschiedsschwelle und Empfindungsmessung
Unterschiedsschwelle
– Wie stark müssen sich Reize unterscheiden, damit ein Unterschied wahrgenommen wird?
– Beispiel Stereoanlage
– Verhältnis zwischen Schallintensität und Lautheit
Allgemein: zwischen Reizintensität und Empfindung
Die Unterschiedsschwelle ist um so höher, je höher die Reizintensität ist
1.1 Empfindungsschwelle, Unterschiedsschwelleund Empfindungsmessung
„Webersches Gesetz“ Unterschiedsschwelle ist zur Reizintensität konstant proportional– Z. B. gilt für Lautstärke, dass Schallreiz um etwa 9%intensiver sein muss, um als unterschiedlich wahrgenommen zu werden– Bsp.: Stereoanlage• Regler muss zunächst nur von 10 auf etwa 11 gedreht werden• Dafür aber von 80 auf etwa 87, damit als lauter empfunden wird• Auf Basis des Weberschen Gesetzes können nunEmpfindungen in Abhängigkeit von bestimmtenReizstärken gemessen werden
1.2 Psychophysik in Werbung und Konsumentenverhalten
Beziehung zwischen Reiz- und Empfindungsstärke haben wichtige Implikationen für Konsumentenpsychologie
– Begriff „absolute Reizschwelle“ interessant im Hinblick auf unterschwellige Wahrnehmung
Unterschreiten der absoluten Reizschwelle bedeutet nicht, dass kein Mensch mehr etwas bewusst wahrnimmt
Bewusste Reizaufnahme bei Stimuli, die knapp unterschwellig dargeboten werden, nicht ausgeschlossen
Absolute Reizschwellen sehr kontextabhängig
• z. B. kurze visuelle Reize
1.2 Psychophysik in Werbung und Konsumentenverhalten
Techniken Fechners zur Schwellenbestimmung bestimmen von Preisschwellen
– Schwellen und Unstetigkeiten in der Preis-Absatz- Funktion
Wahrnehmung von Werbeanzeigen Andere ökonomische Bezüge
– Gesetz des abnehmenden Grenznutzens, d. h.
subjektiver Wert eines Gutes steigt nicht linear mit Menge (z. B. Tafel Schokolade)
1.2 Psychophysik in Werbung und Konsumentenverhalten
Psychophysik des Geldausgebens– Negativer Nutzen des Geldausgebens steigt beiniedrigen Beträgen wesentlich schneller an als bei hohen Beträgen viel Geld ausgegeben (hoher Ausgangsreiz) Preis eines weiteren Artikels am Ende des Kaufs wird als viel weniger gravierend wahrgenommen als zu Beginn
Studie von Christensen (1989)– Probanden sollten Stereoanlage anhand eines Kataloges zusammenstellen– Position Kopfhörer manipuliert (Anfang/Ende)– Anfang: wesentlich günstigeres Exemplar als am Ende
2. Das Sehen Gesichtssinn – wichtigster Sinn für die Wahrnehmung von
Werbung
– die meisten Informationen werden visuell aufgenommen/ verarbeitet
– Gesichtssinn dominiert andere Sinne
• Bsp.: falsche Farbe von Getränken Fovea centralis
– Punkt des „schärfsten Sehens“ auf der Netzhaut
– Wird gereizt, wenn Gegenstand im geraden Blick fixiert wird
– Rand des Blickfelds wird unscharf wahrgenommen
– Größte Dichte Rezeptorzellen
• Viele Zapfen (farbempfindlich)
• Wenige Stäbchen (Hell-Dunkel-Kontraste)
* Zylinder- Täuschung * * Hermannsche Gitter *
Bild 1 Bild 2
2.1 Tiefenwahrnehmung
Hauptproblem bei Verarbeitung von visuellen Eindrücken
– Zweidimensionale Netzhautbilder müssen in räumliche Empfindung übersetzt werden
• Zunächst werden zwei verschiedene Bilder vom Gehirn in ein einziges integriert
– Allerdings sieht auch der Einäugige räumlich
2.1 Tiefenwahrnehmung
Merkmale, die auch beim einäugigen Sehen Tiefe suggerieren
– Objekte überlappen sich teilweise gegenseitig
– Schatten
• Schatten, die eine Figur wirft
– Texturdichte
* Texturdichte *
Bild 3
2.2 Gestaltungsprinzipien der Wahrnehmung
Gestaltpsychologie– Wahrnehmungseindrücke werden als Ganzes und nicht als Teile wahrgenommen– Menschen wird Streben nach der „guten Gestalt“ unterstellt (Ordnung, Prägnanz, Einklang, Harmonie oder sinnvolle Form)
• Bsp.: Melodie, die mit anderem Instrument in anderer Tonart gespielt wird• Eigentlich ist kein Einzelelement gleich, wird dennoch erkannt
2.2 Gestaltungsprinzipien der Wahrnehmung
Reize und Reizgruppen mit „guter Gestalt“ sind beim Rezipienten im Vorteil
Werden schneller wahrgenommen, identifiziert und prägen sich besser ein
Prinzipien der Gestaltwahrnehmung– Figur und Grund
• Szene wird bei Wahrnehmung in Figur und Grund eingeteilt• Figur tritt heraus• Grund ist das, wovon sich Figur abhebt
* Rubinscher Becher *
Bild 4
2.2 Gestaltungsprinzipien der Wahrnehmung
Prinzipien der Gestaltwahrnehmung– Ähnlichkeit
• Ähnliche Figuren werden als zusammengehörig wahrgenommen
• Bsp.: Tänzer, die bei Gruppentanz gleiche Bewegung machen– Geschlossenheit
• Sehen Figuren lieber als Ganzes, selbst wenn sie Lücken aufweisen– Nähe
• Was nahe beieinander steht wird auch als zusammengehörig gesehen
*Geschlossenheit *
Bild 5
* Nähe *
N E U
A ST
S E E
E L
2.2 Gestaltungsprinzipien der Wahrnehmung
Prinzipien der Gestaltwahrnehmung
– Kontinuität
• Räumlich oder zeitlich aufeinander folgende Eindrücke werden so wahrgenommen, dass sie sich aufeinander beziehen und ein sinnvolles Ganzes ergeben
• Bsp.: Filmprojektion
– Erfahrung und Erwartung
• Wahrnehmung einer guten Gestalt hängt auch von dem ab, was
wir erwarten oder gewohnt sind
• Bsp.: Tippfehler – nicht so gut erkannt, weil richtige
Buchstabenanordnung bereits erwartet wird
3. Das Hören
Konsumenten schließen vom Klang eines Produkts auf dessen Qualität
– Bsp.: gute Kartoffelchips unterscheiden sich vom Klang her beim Kauen von schlechten
– Staubsauger muss gewisse Lautstärke haben, um nicht als zu schwach angesehen zu werden
– Akustik-Designer bzw. Lebensmittel-Akustiker
manipulieren Produkte so, dass passende Erwartungen erzeugt werden
4. Die Geruchswahrnehmung
Vergleichsweise wenig entwickelte Sinnmodalität (Mensch: 10 Mio. Rezeptorzellen)
Geruchsnerven verlaufen in das limbische System (reguliert Emotionen, Motivation und Empfindung von Lust und Unlust)
Aber: geringe Veränderungen in physikalischen Reizstärke werden bemerkt
Schnelle Adaption (Ermüdung bei längerem Reiz)
nur die Veränderung von Reizen bedeutsam, nicht die Konstanz
5. Das Zusammenspiel der Sinne:Multisensualität und der Effekt von Erwartungen
Stroop Aufgabe (Stroop, 1935)
– Probanden sollten Farbbegriffe benennen, die ihrerseits in unterschiedlichen Farben geschrieben sind– Wort Blau wurde in blauer Farbe schneller identifiziert (gelesen), als z. B. das Wort gelb in grüner Farbe Farbwahrnehmung und Semantik des Wortes werden nicht unabhängig voneinander verarbeitet
verschiedene Kanäle der Informationsverarbeitungvoneinander zu isolieren bei Produktwahrnehmung genauso schwer möglich sein
5. Das Zusammenspiel der Sinne:Multisensualität und der Effekt von Erwartungen
Marketing hat sich in der Vergangenheit
insbesondere mit Düften und Gerüchen beschäftigt
Mögliche Anwendungsbereiche
– Beduftung der Produkte selbst
– Geruchliche Gestaltung von Werbemitteln
– Ausstattung von Verkaufsräumen mit Duft
6. Aufmerksamkeit
Umgang, Steuerung und Manipulation der Aufmerksamkeit ist für Werbepsychologie zentral
großer Vorteil für Produkte, wenn sie im Bereich der Aufmerksamkeit liegen
in vielen Fällen findet bei
Kaufentscheidungen nur ein Bruchteil der Produkte Berücksichtigung
Wie kann Aufmerksamkeit gesteigert und gesteuert werden?
6.1 Aufmerksamkeitssteuerung
Durch selektive Aufmerksamkeit bzw.
Aufmerksamkeitssteuerung möglich Ist im Prinzip die akustische Version der
Figur-Grund-Wahrnehmung
6.1 Aufmerksamkeitssteuerung
Aufmerksamkeit ist begrenzt nicht unbegrenzt viele Dinge gleichzeitig beachten
Durch Aufmerksamkeit wird versucht, die Menge der verarbeiteten Informationen gegenüber der Menge der verfügbaren Informationen klein zu halten- einerseits offen für bestimmte Stimuli- andererseits verengt sich
Aufnahmebereitschaft für andere Reize
6.2 Reizverarbeitung ohne Aufmerksamkeit
je größer Aufmerksamkeit, desto besser Einschränkungen
- ggf. bei Beeinflussungsversuch gar nicht gut, wenn volle Aufmerksamkeit des Publikums
- Grund: mittleres Aufmerksamkeitsniveau besser, da
Gegenargumente nicht so leicht aktualisiert werden
auf Werbung übertragen werden
ggf. gar nicht so ungünstig, wenn Werbung nicht mit voller Aufmerksamkeit rezipiert wird
6.3 Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung
Techniken zur Aufmerksamkeitssteigerung Grundsätzlich gilt für Werbeanzeigen:
- um so bessere Chancen auf Aufmerksamkeit, je stärker sie sich von anderen Anzeigen unterscheiden
- Geht also weniger um isolierte Einzelmerkmale, sondern mehr um Kontraste zu anderen Anzeigen
6.3 Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung
Farbe:- bunte Anzeigen, mit Kontrasteffekten- in Praxis häufig einen Farbton dominieren lässt
Mehrdeutigkeit und Neuartigkeit: - einer der wichtigsten aufmerksamkeitssteuernden
Mechanismen- Rufen Orientierungsreaktion hervor alles Neue oder auch Unklares, insbesondereVerstöße gegen Gestaltgesetze- Mehrdeutigkeit wirkt nur in Kontext von Vertrautem
6.3 Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung
Intensität und Menge
- Viel, laut, grell, schrill… - bindet Aufmerksamkeit
La Barbara & Mac Lachlan (1979)
- Setzten VP verkürzten Werbespots im Radio aus
- Kürzten dabei Sprechpausen und Länge der Vokale
- Konnte so das 1,3fache an Information in Werbespots packen
- Komprimierte Spots erhielten mehr Aufmerksamkeit und wurden besser erinnert
6.3 Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung
Größe:- Je größer, desto mehr Aufmerksamkeit- Aber: Aufmerksamkeitssteigerung entspricht Wurzel aus Betrag des Mehraufwands
Bsp.: doppelt so große Anzeige entspricht 1.4facher Aufmerksamkeitssteigerung- innerhalb Anzeige: je größer Abbildung im Verhältnis zum Text, desto größer Aktivierungspotenzial- Nahaufnahmen bzw. überdimensionierteDarstellungen von Gegenständen wirken besser
6.3 Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung
Bewegung:- besonders wirksam, weil sie geradezu unwillkürlich zu Orientierungsreaktionen führt- Z. B. spezielle Anordnungen in Schaufenstern, an Häuserfassaden oder im Verkaufsraum von Kaufhäusern- Abbildungen können grafisch durch Mittel wie Spiralen oder Wellenlinien Bewegung suggerieren
Platzierung:- Gegenstände, die ohne Aufwand wahrgenommen größte Chance auf Aufmerksamkeit(z.B. Supermarkt)
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!!