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29 MMW-Fortschr. Med. Nr. 13 / 2013 (155. Jg.) AKTUELLE MEDIZIN LESERFORUM An alle Abiturienten, die mit einem Medizinstudium liebäugeln: Werdet lieber Heilpraktiker oder Tierarzt! Wer sich 30 Jahre lang mit der zu- nehmenden Bürokratisierung des Arztberufes herumgequält hat (so wie dieser Leser), darf auch einmal ordentlich Dampf ablassen: _ Jahrtausende lang hat die Medizin überwiegend mit zwei Faktoren funktio- niert: 1) dem Placeboeffekt und 2) der Droge Arzt. Zu 1: Es ist bekannt, dass bei man- chen Krankheitsbildern bis zu 50% der Patienten von Placeboeffekten profitie- ren. Das bedeutet, eine an sich wir- kungslose Maßnahme, z. B. ein Schein- medikament, hilft dem Patienten. Vo- raussetzung ist, dass der Patient nicht weiß, dass es sich um ein Placebo han- delt, und dass er ein Grundvertrauen zum Behandler hat. Diese Voraussetzungen waren im ärztlichen Bereich bis vor drei oder vier Jahrzehnten gegeben. Dann fing irgend- wann das Ärztebashing an. Die Presse fand ein neues lukratives Thema in der Verunglimpfung von Ärzten, die Politi- ker seit Seehofer sprechen vom Ärzte- pack und überhäufen die Ärzteschaft mit Misstrauen und Missgunst, und die Krankenkassen übergießen die Kas- senärzte regelmäßig mit Gülle, um vom eigenen Saustall abzulenken. All das hat das Grundvertrauen in die Ärzte tief erschüttert und die „Droge Arzt“ weitgehend unwirksam gemacht. Bei Heilpraktikern gibt es nur Privat- patienten ... Juristen haben dafür gesorgt, dass Placebos weitgehend abgeschafft wur- den: Patienten müssen heute bis ins De- tail über die Behandlung aufgeklärt wer- den. Wenn der Arzt dann gezwungener- maßen gesetzestreu sagt: „Ich gebe dir ein Placebo“, ist die Sache gelaufen. Da- rüber hinaus gibt es auch einen Nocebo- effekt. An sich unwirksame Heilmittel können krank machen, wenn der Pati- ent dies erwartet. Und genau diesen No- ceboeffekt erzeugen die in Deutschland einmalig dämlichen Beipackzettel, die von unbelehrbaren Bürokraten aus- schließlich nach juristischen Gesichts- punkten gemacht werden. Das ist heute die Welt des Arztes oder Mediziners, der jahrtausendealte Heil- maßnahmen nicht mehr anwenden kann. Und nun die Welt des Heilpraktikers: Er lebt überwiegend vom Placeboeffekt, er wird von der Presse nicht attackiert, von den Politikern begünstigt, von Ju- risten weitgehend verschont und kann ungehindert Pillen verteilen, die keinen Beipackzettel haben und an deren Heil- kraft die Patienten gerne glauben (denn es gibt ja keine Nebenwirkungen): Droge Heilpraktiker und Placebo voll wirksam! Nun gibt es noch ein paar weitere Gründe, nicht Arzt sondern Heilprakti- ker zu werden: Arzt werden bedeutete zu meiner Zeit 13 Schuljahre bis zum Abitur (bzw. heute 12), sechs Jahre Hochschulstudium, mindestens fünf Jahre Facharzt = 24 Jahre Ausbildung. Heilpraktiker bedeutet: Neun Jahre Grundschule. Die Zeit für die Ausbil- dung ist nicht festgelegt, es gibt keine vorgeschriebene Ausbildung, nur eine Prüfung, ob der Heilpraktiker eine Ge- fahr für die Volksgesundheit darstellt. Der Arzt verdient frühestens mit 24 Jahren sein erstes Geld. Er unterliegt bei all seinen Handlungen strengsten ge- setzlichen Vorschriften, muss bei jeder Verordnung damit rechnen, in Regress genommen zu werden und muss ständig gegen Misstrauen ankämpfen. Jede The- rapie wird grundsätzlich juristisch als Körperverletzung gewertet, die nur bei Erfüllung strenger Vorgaben (z.B. gründliche Aufklärung über Risiken und Alternativen) straffrei bleibt. Der Heilpraktiker kann weitestgehend unabhängig von Zwängen machen, was er will, und kann auch bei Fehlverhalten nur in seltensten Fällen juristisch belangt werden. Die Patienten bringen ihm ein großes Grundvertrauen entgegen. Der Heilpraktiker kann heute noch so arbeiten, wie es sich jeder Arzt für sich und seine Patienten wünschen wür- de, und verdient damit noch ein Viel- faches (Abrechnung wie bei Privatpa- tienten). Also mein ernst gemeinter Rat (nach über 30 Berufsjahren) an alle Abiturien- tinnen und Abiturienten: Wenn Ihr in der Medizin tätig werden wollt, dann werdet Heilpraktiker. Für mich wäre auch Tierarzt eine schöne Alternative. DR. MED. HENNING FISCHER, HERFORD Im Pharmaforum der MMW Nr. 9/2013, S. 72, ist ein Bericht missver- ständlich formuliert. Wir weisen deshalb darauf hin, dass es sich bei Ranolazin (Ranexa®) um einen selek- tiven Inhibitor des späten Natrium- einstroms handelt. Ranolazin wirkt im Gegensatz zu anderen Standard- medikationen hämodynamisch neu- tral und lässt Blutdruck und Herzfre- quenz somit unberührt. RED Erratum

Werdet lieber Heilpraktiker oder Tierarzt!

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29MMW-Fortschr. Med. Nr. 13 / 2013 (155. Jg.)

AKTUELLE MEDIZIN–LESERFORUM

An alle Abiturienten, die mit einem Medizinstudium liebäugeln:

Werdet lieber Heilpraktiker oder Tierarzt!Wer sich 30 Jahre lang mit der zu-nehmenden Bürokratisierung des Arztberufes herumgequält hat (so wie dieser Leser), darf auch einmal ordentlich Dampf ablassen:

_ Jahrtausende lang hat die Medizin überwiegend mit zwei Faktoren funktio-niert: 1) dem Placeboeffekt und 2) der Droge Arzt.

Zu 1: Es ist bekannt, dass bei man-chen Krankheitsbildern bis zu 50% der Patienten von Placeboeffekten profitie-ren. Das bedeutet, eine an sich wir-kungslose Maßnahme, z. B. ein Schein-medikament, hilft dem Patienten. Vo-raussetzung ist, dass der Patient nicht weiß, dass es sich um ein Placebo han-delt, und dass er ein Grundvertrauen zum Behandler hat.

Diese Voraussetzungen waren im ärztlichen Bereich bis vor drei oder vier Jahrzehnten gegeben. Dann fing irgend-wann das Ärztebashing an. Die Presse fand ein neues lukratives Thema in der Verunglimpfung von Ärzten, die Politi-ker seit Seehofer sprechen vom Ärzte-pack und überhäufen die Ärzteschaft mit Misstrauen und Missgunst, und die Krankenkassen übergießen die Kas-senärzte regelmäßig mit Gülle, um vom eigenen Saustall abzulenken.

All das hat das Grundvertrauen in die Ärzte tief erschüttert und die „Droge Arzt“ weitgehend unwirksam gemacht.

Bei Heilpraktikern gibt es nur Privat-patienten ...

Juristen haben dafür gesorgt, dass Placebos weitgehend abgeschafft wur-den: Patienten müssen heute bis ins De-tail über die Behandlung aufgeklärt wer-den. Wenn der Arzt dann gezwungener-maßen gesetzestreu sagt: „Ich gebe dir ein Placebo“, ist die Sache gelaufen. Da-rüber hinaus gibt es auch einen Nocebo-effekt. An sich unwirksame Heilmittel können krank machen, wenn der Pati-ent dies erwartet. Und genau diesen No-ceboeffekt erzeugen die in Deutschland einmalig dämlichen Beipackzettel, die von unbelehrbaren Bürokraten aus-schließlich nach juristischen Gesichts-punkten gemacht werden.

Das ist heute die Welt des Arztes oder Mediziners, der jahrtausendealte Heil-maßnahmen nicht mehr anwenden kann.

Und nun die Welt des Heilpraktikers: Er lebt überwiegend vom Placeboeffekt, er wird von der Presse nicht attackiert, von den Politikern begünstigt, von Ju-risten weitgehend verschont und kann ungehindert Pillen verteilen, die keinen Beipackzettel haben und an deren Heil-kraft die Patienten gerne glauben (denn es gibt ja keine Nebenwirkungen): Droge Heilpraktiker und Placebo voll wirksam!

Nun gibt es noch ein paar weitere Gründe, nicht Arzt sondern Heilprakti-ker zu werden: Arzt werden bedeutete zu meiner Zeit 13 Schuljahre bis zum Abitur (bzw. heute 12), sechs Jahre Hochschulstudium, mindestens fünf Jahre Facharzt = 24 Jahre Ausbildung.

Heilpraktiker bedeutet: Neun Jahre Grundschule. Die Zeit für die Ausbil-dung ist nicht festgelegt, es gibt keine vorgeschriebene Ausbildung, nur eine Prüfung, ob der Heilpraktiker eine Ge-fahr für die Volksgesundheit darstellt.

Der Arzt verdient frühestens mit 24 Jahren sein erstes Geld. Er unterliegt bei all seinen Handlungen strengsten ge-setzlichen Vorschriften, muss bei jeder Verordnung damit rechnen, in Regress genommen zu werden und muss ständig

gegen Misstrauen ankämpfen. Jede The-rapie wird grundsätzlich juristisch als Körperverletzung gewertet, die nur bei Erfüllung strenger Vorgaben (z.B. gründliche Aufklärung über Risiken und Alternativen) straffrei bleibt.

Der Heilpraktiker kann weitestgehend unabhängig von Zwängen machen, was er will, und kann auch bei Fehlverhalten nur in seltensten Fällen juristisch belangt werden. Die Patienten bringen ihm ein großes Grundvertrauen entgegen.

Der Heilpraktiker kann heute noch so arbeiten, wie es sich jeder Arzt für sich und seine Patienten wünschen wür-de, und verdient damit noch ein Viel-faches (Abrechnung wie bei Privatpa- tienten).

Also mein ernst gemeinter Rat (nach über 30 Berufsjahren) an alle Abiturien-tinnen und Abiturienten: Wenn Ihr in der Medizin tätig werden wollt, dann werdet Heilpraktiker. Für mich wäre auch Tierarzt eine schöne Alternative.

DR. MED. HENNING FISCHER, HERFORD ■

Im Pharmaforum der MMW Nr. 9/2013, S. 72, ist ein Bericht missver-ständlich formuliert. Wir weisen deshalb darauf hin, dass es sich bei Ranolazin (Ranexa®) um einen selek-tiven Inhibitor des späten Natrium -einstroms handelt. Ranolazin wirkt im Gegensatz zu anderen Standard-medikationen hämodynamisch neu-tral und lässt Blutdruck und Herzfre-quenz somit unberührt. RED ■

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