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BDI-BNetzA-Regulierungskonferenz 2008 Wettbewerb und Investitionen in der Netzindustrie, Strategieforum im Haus der Deutschen Wirtschaft

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BDI-BNetzA-Regulierungskonferenz 2008Wettbewerb und Investitionen in der Netzindustrie, Strategieforum im Haus der Deutschen Wirtschaft

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BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

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BDI-BNetzA-Regulierungskonferenz 2008Wettbewerb und Investitionen in der Netzindustrie, Strategieforum im Haus der Deutschen Wirtschaft

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3BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

VorwortIntelligente Regulierung – Ihr gutes Recht!

Über die Zukunft der netzbasierten Industrien in Deutschland und Europa entscheidet heute in großem Maße die Qualitätder Regulierung. Damit auf Märkten mit monopolen Netzstrukturen Wettbewerb entstehen kann, sind regulative Vorgabenunverzichtbar. Sie ermöglichen den Übergang in nachhaltige Wettbewerbsstrukturen und sind deshalb der Schlüssel fürwirtschaftliches Wachstum und Innovation.

Doch es kommt auf Augenmaß und klare ordnungspolitische Grundsätze an. Um bestmögliche Rahmenbedingungen zugewährleisten und nachteilige Eingriffe zu verhindern, muss auch bestehende Regulierung regelmäßig überprüft und derEntwicklung angepasst werden.

Der BDI hat diese Herausforderung aufgegriffen. Im April 2008 haben wir gemeinsam mit der Bundesnetzagentur zur 1. BDI-BNetzA-Regulierungskonferenz eingeladen, um über Ziele und Lösungswege zu diskutieren. Unser Anliegen ist dieFörderung von Investitionen, Innovation und Wettbewerb zu Gunsten von Wirtschaft und Verbrauchern in allen Netzindus-trien – bei Eisenbahn, Energie, Telekommunikation und anderen netzabhängigen Märkten. Dafür wollen wir eine breite Diskussion zwischen der Industrie, Wissenschaft, Verwaltung und Politik fördern, die zu konkreten Vorschlägen für eineintelligente Regulierung führt.

Der sektorübergreifende Blick auf unterschiedliche Netzindustrien schärft das Bewusstsein für die gemeinsamen Grundlagender Regulierung. Erfolge aus liberalisierten Netzmärkten können für andere Netzsektoren fruchtbar gemacht werden unddas Bewusstsein für die ökonomischen Grundprinzipien stärken. Zugleich ermöglicht die sektorübergreifende Perspektive,Besonderheiten innerhalb der einzelnen Sektoren zu erkennen, die unterschiedliche Regulierungswege rechtfertigen.

Die vorliegende Broschüre greift Fragestellungen auf, die auf der 1. BDI-BNetzA-Regulierungskonferenz debattiert wur-den. Die Beiträge folgen dem Ablauf der Konferenz – ohne den Anspruch einer inhaltlich umfassenden Dokumentation.Es werden Schwerpunkte gesetzt, die als Leitlinien für eine vernünftige Regulierung Geltung beanspruchen. Ein Diskus-sionspapier des BDI greift die unterschiedlichen Aspekte auf und fasst sie zu einer Gesamtschau zusammen. Es leistet da-mit einen Beitrag zum Meinungsaustausch, dem für die nächste Legislaturperiode des Deutschen Bundestages maßgebli-che Bedeutung zukommt.

Mit der 2. BDI-BNetzA-Regulierungskonferenz im nächsten Jahr setzt der BDI die sektorübergreifende Regulierungsdis-kussion für mehr Wettbewerb und Investitionen fort. Diese Publikation dient damit als Rückblick auf die diesjährige Kon-ferenz und ist Brücke zur Konferenz im kommenden Jahr. Über Ihr Interesse, Ihre Hinweise und Anregungen freuen wiruns. Denn intelligente Regulierung geht uns alle an!

Vorwort

Jürgen R. ThumannPräsidentdes Bundesverbandes der Deutschen Industrie

Dr. Werner SchnappaufHauptgeschäftsführerdes Bundesverbandes der Deutschen Industrie

Foto: BDI / photothekBDI-Präsident Jürgen R. Thumann, BDI-Hauptgeschäftsführer Dr. Werner Schnappauf

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BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

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Programm der 1. BDI-BNetzA-Regulierungskonferenz 7

Redebeitrag Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur 8

Panel-Diskussionsbeiträge

I. Brauchen wir einen europäischen Regulierer?Prof. Dr. Jürgen Kühling 12

II. Trennung von Netz und Betrieb als Königsweg? Pfadabhängigkeiten der Regulierung 15

Prof. Dr. Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff, Dr. André Uhde 15

Prof. Dr. Dr. Christian Kirchner, LL.M. (Harvard) 22

III. Anreizregulierung als Form der Entgeltregulierung am Beispiel Elektrizität und EisenbahnenProf. Dr. Kay Mitusch 25

IV. Das Verhältnis von allgemeiner und spezieller Wettbewerbsaufsicht am BeispielTelekommunikation und GaswirtschaftProf. Dr. Dr. Christian Kirchner, LL.M. (Harvard) 29

BDI-Diskussionspapier für mehr Wettbewerb und Investitionen 33

Bildergalerie 43

Vorankündigung 2. BDI–BNetzA–Regulierungskonferenz 47

Impressum 48

BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

5Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

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Prof. Dr. F. J. Säcker, Dr. H. Ungerer, M. Kurth, Dr. K.-H. Neumann (v.l.n.r.)

Haus der Deutschen Wirtschaft, Foto: BDI / Scholvien

BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

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Programm der 1. BDI-BNetzA-Regulierungskonferenz8. April 2008

09:30 Uhr EröffnungJürgen R. Thumann,Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Matthias Kurth, BundesnetzagenturDr. Herbert Ungerer, EU-Kommission, GD WettbewerbDr. Jens Weidmann, Bundeskanzleramt

11:00 Uhr Panel 1Brauchen wir einen europäischen Regulierer? – Regulierung im Spannungsfeld zwischen Zentralisierung und DezentralisierungProf. Dr. Jürgen Kühling, Universität RegensburgJohannes Mayer, Österreichische Gesellschaft für die Regulierung in der Elektrizitäts- und ErdgaswirtschaftDr. Bernd Pill, Vodafone D2 GmbHDr. Andreas Schuseil, Bundesministerium für Wirtschaft und TechnolgieDr. Rudolf Strohmeier, EU-Kommissariat Informationsgesellschaft und MedienModeration: Prof. Dr. Arnold Picot, Ludwig-Maximilians-Universität München

13:30 Uhr Panel 2Trennung von Netz und Betrieb als Königsweg? – Pfadabhängigkeiten der RegulierungImpulsreferate:Prof. Dr. Justus Haucap, Universität Erlangen-NürnbergProf. Dr. Dr. Christian Kirchner, LL.M. (Harvard), Humboldt-Universität BerlinWeitere Diskussionsteilnehmer:Dr. Ulrich Jobs, RWE AGMatthias Kurth, Bundesnetzagentur Prof. Dr. Franz Jürgen Säcker, Freie Universität BerlinDr. Herbert Ungerer, EU-Kommission, GD WettbewerbModeration: Dr. Karl-Heinz Neumann, WIK

15.30 Uhr Panel 3Anreizregulierung als Form der Entgeltregulierung am Beispiel Elektrizität und EisenbahnenDr. Friedrich von Burchard, E.ON AGJoachim Fried, Deutsche Bahn AGJohannes Kindler, BundesnetzagenturProf. Dr. Kay Mitusch, FU Berlin und IGES Institut GmbHMatthias Raith, CTL Logistics S.A.Dr. Rudolf Schulten, MVV Energie AGModeration:RA PD Dr. Marcel Kaufmann, LL.M., Freshfields Bruckhaus Deringer

15:30 Uhr Panel 4Das Verhältnis von allgemeiner und spezieller Wettbewerbsaufsicht am Beispiel Telekommunikation und GaswirtschaftHeiko Harms, EWE AGDr. Iris Henseler-Unger, BundesnetzagenturProf. Dr. Dr. Christian Kirchner, LL.M. (Harvard), Humboldt-Universität BerlinDr. Peter Klocker, BundeskartellamtWolfgang Kopf, LL.M., Deutsche Telekom AGModeration:RA Anne Federle, Linklaters LLP

17:00 Uhr Zusammenfassung und AusblickDr. Werner Schnappauf, Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.

BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

7Programm der 1. BDI-BNetzA-Regulierungskonferenz

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Redebeitrag Matthias Kurth, Präsident der BundesnetzagenturBDI-BNetzA-Regulierungskonferenz am 8. April 2008

Nach 10 Jahren blickt die Bundesnetzagentur auf unterschiedliche Ergebnis-se der Liberalisierung in den Märkten Telekommunikation, Post, Gas, Elek-trizität und Eisenbahn. Immer wieder neu stellt sich die zentrale Frage, wieviel oder wie wenig regulierende Eingriffe und Rahmenbedingungen erforder-lich sind, um Wettbewerb, neue Dienste und Investitionen zu fördern. Mitder Regulierungskonferenz setzt die Bundesnetzagentur den Dialog mit denBeteiligten fort.

SprechzettelMit dem 1. nationalen Strategieforum für Wettbe-werb veranstalten wir erstmals zusammen mit demBDI eine solche Regulierungskonferenz. DerartigeKooperationen sind hingegen für die Bundesnetz-agentur nichts Neues. Vielleicht erinnert sich dereine oder andere noch an unsere Veranstaltung mitder Britischen Botschaft zum Thema Energieregu-lierung vor 3 Jahren ebenfalls hier in Berlin.

Für uns als Bundesnetzagentur sind solche Ko-operationen wichtig, weil wir so auch Botschaftenan einen größeren Adressatenkreis richten kön-nen, die nicht täglich mit dem Thema Regulierungbetraut sind und dementsprechend nicht ständigin Kontakt mit uns stehen. Für uns ist der Dialogmit allen interessierten Kreisen sehr wertvoll, weilwir so alle Gesichtspunkte und Argumente füroder gegen Entscheidungen oder Maßnahmeneinbeziehen und gegeneinander abwägen können.So konsultieren wir die Öffentlichkeit nicht nur inden gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren z. B.unserer Beschlusskammern sondern, benutzen In-strumente wie Anhörungen, Veröffentlichungen,Workshops etc. auch in anderen Fällen. Wir ste-hen in ständigem Kontakt mit Politik, Wirtschaft,Verbrauchern und Wissenschaft, um im transpa-renten und offenen Verfahren zu gut begründetenEntscheidungen zu gelangen und die betroffenenKreise frühzeitig in unsere Entscheidungsprozesseeinzubinden. Diese Transparenz ist beispielhaftfür die Arbeit der Bundesnetzagentur in den letz-ten zehn Jahre.

Damit bin ich auch schon beim nächsten Punkt,den ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassenmöchte. Die Bundesnetzagentur feiert in diesem

Jahr ihr zehnjähriges Bestehen, wobei sie unterdem Namen Regulierungsbehörde 1998 ihre Arbeit begonnen hat. Schon diese Umbenennungund die erhebliche Erweiterung der Aufgaben um den Strom-, Gas- und Bahnmarkt zeigt ein-drucksvoll, wie dynamisch und zum Teil turbu-lent diese 10 Jahre vergangen sind. Dies Jubiläumgibt Anlass, den Blick auf die letzten 10 Jahre zurichten und eine kurze Bilanz zu ziehen. Wenndie Ergebnisse der Liberalisierung in den fünfMärkten Telekommunikation, Post, Elektrizität,Gas und Eisenbahnen unterschiedlich sind, liegtdies natürlich nicht nur oder gar in erster Liniean der Arbeit der Bundesnetzagentur, sondern anden unterschiedlichen Zeitpunkten der Marktöff-nung und an den marktspezifischen Hürden fürden Eintritt neuer Wettbewerber. SachgerechteAnalysen und faire Vergleiche sollten daher dieStrukturen der Märkte und das gesamte Umfeldbeleuchten.

Immer wieder neu stellt sich die zentrale Frage,wie viel bzw. wie wenig regulierende Eingriffe undRahmenbedingungen wir benötigen, um Wettbe-werb zu fördern und neue Dienste, Anbieter undInvestitionen in den Netzindustrien auszulösen.Auch nach 10 Jahren sind die Meinungen hierzunach wie vor kontrovers, oftmals abhängig vonder jeweiligen Position im Markt und dem jeweili-gen Geschäftsmodell.

Ende der 90-er Jahre waren der technologischeWandel, die Bereitschaft zu Infrastrukturinvesti-tionen und ein sehr offenes Modell zum Markt-eintritt in den Telekommunikationsmarkt eingünstiges Szenario, das jetzt – nach einem Zeit-raum von zehn Jahren – signifikante Erfolge zeigt.

M. Kurth,Präsident der Bundesnetzagentur

RedebeitragBDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

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BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

9Redebeitrag

Wenn wie im Postmarkt der wesentliche Teil des Brief-markts bis Ende 2007 gesetzlich als Monopol festgeschrie-ben war, dann können hier in den vergangenen Jahren un-möglich ähnliche Wettbewerbserfolge erzielt worden sein.Der Energiemarkt ist ebenfalls ein gutes Beispiel dafür,dass eine quasi zweistufige Marktöffnung Nachteile mitsich gebracht hat, weil die Privatkunden nur sehr unzurei-chend an den Errungenschaften des Wettbewerbs beteiligtwurden und weil das Modell des „verhandelten“ Netzzu-gangs untauglich war und damit Zeit verschenkt wurde.Der Energiemarkt zeigt aber auch, dass nicht nur der Netz-zugang und die Netzentgelte Markteintrittsbarrieren dar-stellen. So gestalten zum Beispiel die Beschaffungssituati-on von Strom und Gas sowie der Bau von Kraftwerkenund Übertragungsleitungen die Belebung des Wettbewerbserheblich komplexer als im Telekommunikationsmarkt.Auf den Energiemärkten ist die Netzöffnung zwar eine we-sentliche, aber keine ausreichende Bedingung, um zumZiel zu kommen. Auch der Markt des Schienenverkehrszeigt Licht- und Schattenseiten und belegt, wie sehr das Er-gebnis der gerade aktuellen Diskussion um die gesetzlichenRahmenbedingungen letztlich die Chancen des Wettbe-werbs determinieren wird.

Die Bundesnetzagentur erfüllt ihren gesetzlichen Auftragzielstrebig und engagiert. Insoweit kann sie nicht mehr errei-chen, als dies der im Gesetz ausgedrückte politische Kon-sens ermöglicht. Nach 10 Jahren verfügen wir allerdingsüber gute Erfahrungen, welche Vorteile offene, wettbewerbs-orientierte Märkte für Verbraucher und Kunden haben.Auch die Innovationsdynamik, die sie auslösen, die Kreativi-tät, die an den Rändern der Netze mobilisiert wird und dieEffizienzsteigerungen einschließlich günstigerer Angebote,die sie ermöglichen, sind keine theoretischen Behauptun-gen, sondern an Hand von Zahlen und Fakten zu belegen.

In der vergangenen Woche habe ich den Jahresbericht derBundesnetzagentur für das Jahr 2007 vorgestellt. Dort fin-det man Aussagen zu einem Produkt, das fünf Millionendeutsche Haushalte innerhalb eines Jahres zusätzlich be-stellt haben, nämlich einen breitbandigen Internetzugang.Man muss wohl lange suchen, um etwas vergleichbares inDeutschland zu finden. Ein ausgesprochen wettbewerbli-ches Umfeld und immer günstigere Preise haben diesenauch in Europa einmaligen Zuwachs ermöglicht.

Aber nicht nur die Telekommunikationsnetze und ihre Ver-änderungen, sondern auch die neuen Angebote und Inhal-te, die über sie transportiert werden, sind ein entscheiden-der Treiber für Wachstum, Investitionen und Arbeitsplätze.Der Online-Handel, Suchmaschinen, die Verbreitung von

Videos, Filmen und Musik im Internet verändern nicht nurunser Leben und unsere Konsumgewohnheiten, sondernsie lösen auch neue Produktions- und Arbeitsstrukturenaus. Alles das setzt günstige und offene Verbreitungswegein den Netzen voraus.

Viele sind der Meinung, dass bei Strom und Gas die Situa-tion diametral anders sei, weil der Verbrauch eher sinkensoll, weil wir alle Energie sparen wollen und weil hier we-nig innovative Dynamik vorhanden sei. Natürlich stehenwir angesichts der Knappheit von Primärenergie sowie derZiele des Klimaschutzes und der Förderung erneuerbarerEnergien vor anderen Herausforderungen. Aber wer sagt,dass die Instrumente des Wettbewerbs bei der Zielerrei-chung nicht ähnliche Wirksamkeit entfalten können wie inden anderen Märkten? Gerade die Vielfalt und die Dezen-tralität von Energieerzeugung und Energieverbrauch erfor-dern Innovation und Kreativität. Dem Netz kommt dabeieine entscheidende Rolle zu.

Der informierte und kritische Verbraucher, der inzwischenauch immer öfter seinen Energieversorger wechselt, ist fürdie Bundesnetzagentur auch hier das Leitbild. Nur wenndas Netz in der Lage ist, den immer komplexeren Heraus-forderungen durch die Windenergie, den Handel und dieschwankende Nachfrage Rechnung zu tragen, werden dieStabilität und die Versorgungssicherheit im Energiemarktweiter gewährleistet sein können.

Mit der heutigen Veranstaltung wollen wir aber nicht diespezifischen Anforderungen der einzelnen reguliertenMärkte separat beleuchten, sondern eher auf gemeinsameProbleme und Prinzipien schauen, ohne die Unterschiedein den einzelnen Sektoren zu negieren. Daher ist zunächstnach den Gemeinsamkeiten zu schauen:

Gemeinsamkeiten der regulierten MärkteWährend bei der Telekommunikation und im Bereich derPost auch ein Infrastrukturwettbewerb zwischen unter-schiedlichen Netzen möglich ist und in vielfältiger Weiserealisiert wurde, kamen nun Netze hinzu, die dauerhaft na-türliche Infrastrukturmonopole bleiben werden. Ein Rück-zug der Regulierung wegen funktionsfähigen Infrastruktur-wettbewerbs ist bei Schienen-, Strom- und weitgehendauch bei Gasnetzen (hier stellt sich lediglich die Frage, obim Gasfernleitungsbereich konkurrierende Netze möglichsind) nicht zu erwarten.

Die Bundesnetzagentur hat den gesetzlichen Auftrag, in al-len von ihr regulierten Sektoren durch Regulierungsmaß-

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wie die Rolle von Wettbewerb als Anreizmechanismus in-nerhalb von Organisationen (unbestreitbar ist die Produkti-vität der ehemaligen staatlichen Unternehmen DPAG undDTAG seit der Liberalisierung stetig gestiegen).

• Schließlich hat der technische Fortschritt im Bereich derNetzsteuerung dazu geführt, dass die Abwicklung kom-plexer Transaktionen auf Netzen wesentlich erleichtertwurde.

Daher fanden in den letzten beiden Jahrzehnten Reformenin verschiedenen Netzinfrastrukturbereichen wie Telefon-verkehr, Post, Strom und Gas statt. Sie basieren darauf,Dritten gegen angemessenes Entgelt nicht-diskriminierendeZugangsrechte zum Netz und damit zum Kunden zu ver-schaffen. Dieses gemeinsame Grundkonzept des Netzzu-gangs wird vor allem wegen der immanenten Größenvor-teile von Netzen verfolgt. Bei der Umsetzung muss jedochden Spezifika der jeweiligen Netzbranche Rechnung getra-gen werden. In der konkreten Ausgestaltung haben undwerden sich die Reformvorschläge daher trotz ähnlicherZielsetzung mehr oder weniger unterscheiden.

Diese Reformen erfordern, dass für neu in den Markt eintre-tende Unternehmen ein „level playing field“ durch diskrimi-nierungsfreien Netzzugang verbunden mit einer Ex-ante-Entgeltregulierung geschaffen werden muss, ohne die einchancengleicher Wettbewerb nicht möglich ist. In der Regelmuss eine Zugangsverpflichtung mit einer Ex-ante-Entgelt-regulierung einhergehen, um wirksam zu sein, da ansonstendas regulierte Unternehmen, das kein Interesse daran hat,Wettbewerbern Zugang zu gewähren, versuchen würde, denZugangsanspruch der Petenten durch prohibitiv hohe Ent-gelte zu unterlaufen bzw. durch eine Preis-Kosten-Scheredie neu in den Markt eintretenden Unternehmen im Wett-bewerb auf den Endkundenmärkten zu behindern. Um mitden regulierten Netzzugangsentgelten die in einem Wettbe-werbsmarkt vorherrschenden Preise zu simulieren, ist die-ses entsprechend den Kosten der effizienten Leistungsbe-reitstellung (einschließlich einer angemessenen Verzinsungdes Eigenkapitals) festzulegen, denn in einem Wettbewerbs-markt würde sich der Preis auf diesem Niveau einpendeln,da nur der effiziente Anbieter langfristig überlebt.

Die Rolle der Bundesnetzagentur hat hier eher steigendeals sinkende Bedeutung. Sie ist der Mittler in einem Marktmit politisch und gesellschaftlich kontroversen Themen.Der Katalog von Zielen wie Wettbewerb, Schutz der Ver-braucherinteressen, Arbeitsplatzsicherheit und Wahrungder Arbeitnehmerbelange, Umwelt- und Klimaschutz sowielangfristige Versorgungssicherheit ist eher umfangreicher

BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

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nahmen Wettbewerb zu schaffen. Da Wettbewerb dengrößten Motor für Innovationen und Investitionen dar-stellt, fördert eine am Wettbewerbsziel ausgerichtete Regu-lierung zugleich effiziente Investitionen. In allen Bereichenbestehen aufgrund der für Netzindustrien typischen Kos-tenstrukturen (hohe Anfangsinvestitionen, fallende Durch-schnittskosten aufgrund von Größen- und Verbundvortei-len) i.d.R. strukturelle Marktzutrittsbarrieren(Wettbewerbsvorteile für den „incumbent“).Dieser gesetzliche Auftrag ist auf einen generellen Paradig-menwechsel in der ordnungspolitischen Behandlung vonNetzinfrastrukturen zurückzuführen. Theoretiker undWirtschaftspolitiker waren sich lange Zeit einig, dass beiNetzinfrastrukturen und damit verbundenen Aktivitätenein natürliches Monopol vorliegt, bei dem der Wettbewerbversagt. Bei natürlichen Monopolen liegt eine subadditiveKostenfunktion vor, so dass die Versorgung des Marktesam kostengünstigsten von nur einem Unternehmen geleis-tet werden kann. Daher waren Netze überwiegend ver-staatlicht oder zumindest staatlicher Aufsicht bzw. Regulie-rung unterstellt.

Die Vorstellung von Wettbewerbsversagen bei Netzinfra-strukturen ist im Laufe der letzten 20 Jahre von einem neuenOrdnungskonzept abgelöst worden: Dabei steht die Schaf-fung von Wettbewerbsbedingungen auch für solche Güterund Dienstleistungen im Vordergrund, die auf monopolisti-schen Netzinfrastrukturen transportiert bzw. erbracht wer-den. Für neue Anbieter, die nicht über eine eigene Transpor-tinfrastruktur verfügen, soll der Zugang zum Kunden durchZugangsrechte zur dominierenden Infrastruktur gegen Zah-lung eines angemessenen Preises ermöglicht werden.

Für diesen Wandel in der ordnungspolitischen Einstellungzu Netzindustrien spielen vor allem folgende Entwicklun-gen eine wichtige Rolle:

• Die Vernetzung der wirtschaftlichen Aktivität nimmt na-tional wie international zu. Dementsprechend steigt dieBedeutung von Netzen (vgl. z. B. das Internet). Folgtman weiter der traditionellen Auffassung vom Marktver-sagen bei Netzen, besteht die Gefahr, dass Ausnahmebe-reiche vom Wettbewerb ständig zunehmen.

• Als vornehmliche Leistungen von Wettbewerb betonenÖkonomen jedoch heute weniger das statische Konzeptder Allokationseffizienz eines Marktgleichgewichts unteridealen Bedingungen, die bei Netzen nicht erfüllt sind. Zu-nehmend stehen die dynamischen Vorteile des Wettbe-werbs im Vordergrund, seien sie auch unvollständig: Diegrößere Innovationsfähigkeit wettbewerblicher Systeme so-

Redebeitrag

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BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

11Redebeitrag

als in anderen Märkten. Unsere Aufgabe ist es, eine prakti-sche Konkordanz dieser Ziele anzustreben. Konflikte wiebeim Leitungs- und Kraftwerksbau müssen daher benanntund nicht verschwiegen werden. Lösungen können aller-dings nicht von der Netzagentur allein erreicht werden.

Europäische Dimension der RegulierungNeben der virulenten ordnungspolitischen Debatte umVor- und Nachteile des Unbundling bzw. der funktionalenSeparierung – die ja Gegenstand des zweiten Panels seinwerden – gibt es ein weiteres wichtiges Grundsatzthema,dass durch die Europäische Kommission und ihre Vor-schläge zu einem neuen Rechtsrahmen belebt wurde.Wie viel europäische Koordinierung und Harmonisierungbei Regulierungsfragen benötigen wir und mit welchen in-stitutionellen Maßnahmen wird die nötige Harmonisierungam unbürokratischsten und effizientesten gewährleistet?

Dabei wurden in den vergangenen Jahren durch eine Zusammenarbeit der europäischen Regulierer beachtlicheFortschritte erzielt. Ob die Gründung neuer Agenturenoder erweiteter Eingriffsrechte der Kommission (veto onremedies) gerechtfertigt sind, wird daher zur Zeit mit Rechtin Frage gestellt. Ich will hier nicht dem Panel 1 vorgreifen,das sich ja mit dieser wichtigen Frage befassen wird, möchteaber doch einige Gedanken hierzu einbringen.

Während es im Energiebereich signifikante, grenzüber-schreitende Problemlagen gibt (Engpässe in der Durchlei-tung an den Grenzen), geht es in der Telekommunikationim wesentlichen nur um die Frage, ob Entgelttarife bei derZusammenschaltung in allen Mitgliedsländern nach glei-chen Prinzipien berechnet werden. Dies mag für europä-isch agierende Konzerne auch nicht trivial sein, bewegtsich andererseits in einem insgesamt dynamischen Wettbe-werbsmarkt mit innovativen Angeboten und fallendenPreisen auf einer völlig anderen Ebene europäischer Pro-blemlagen. Die Erreichung konsistenter Remedies-Ent-scheidungen durch nationale Regulierungsbehörden ist zu-dem bereits im Rahmen freiwilliger Koordinierung in derGruppe der europäischen Regulierer (ERG) durch die Fest-legung einheitlicher Entscheidungsprinzipien (z. B. „Reme-dies-Handbook“) zu erzielen und wird auch bereits erfolg-reich praktiziert.

Auch bei der Debatte um die europäische Koordinationder Regulierung hat die Bundesnetzagentur die nahezu ein-malige sektorübergreifende Sichtweise, die manches relati-vieren und anderes in richtige Zusammenhänge rückenlässt.

Die Integration der Netzsektoren hat sich schon nach we-nigen Jahren nicht nur bewährt, sondern sie trägt die erstenreifen Früchte. Die Bundesnetzagentur wird zu einemKompetenz- und Wissenszentrum für Fragen der Regulie-rung von Netzindustrien, wie es in anderen Ländern nichtvorhanden ist. Wir wollen diesen Erfahrungsschatz pro-duktiv nutzbar machen und mit Wissenschaft und For-schung, aber auch mit den politischen Entscheidungsträ-gern teilen.

Transparenz in den Fakten, Dialogfähigkeit bei der Erarbei-tung von Lösungen, Glaubwürdigkeit gegenüber den Ak-teuren in Politik und Wirtschaft sind und bleiben daherwichtige Prinzipien unserer Arbeit. Auf dieser Basis wollenwir auch die Zukunft gestalten. Nicht alles aus der Vergan-genheit ist übertragbar; aber wer den Instrumentenkastenvon Netz und Wettbewerb kennt und seine technischenund ökonomischen Strukturen analysiert hat, ist auch inder Lage, langfristige Konzepte, die in sich stimmig sind, zuentwickeln und vorhandene Probleme zu bewältigen.

M. Kurth

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Im Ringen um die richtige institutionelle Ausgestaltung im Telekommunikati-ons- und Energiebereich zeigt uns die ökonomische Föderalismusforschungrecht klar die künftige Richtung an. Sie spricht gegen die beabsichtigte Stär-kung der zentralen Ebene in der Telekommunikationsordnung einerseits undumgekehrt für mehr Kompetenzen einer neu geschaffenen Zentralbehörde(ACER) in der Energiewirtschaft andererseits. Netzwirtschaft ist hier alsonicht gleich Netzwirtschaft.

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Panel I – Brauchen wir einen europäischen Regulierer?Diskussionsbeitrag: Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M.

Prof. Dr. JürgenKühling ist Inhaberdes Lehrstuhls fürÖffentliches Rechtund Immobilienrechtan der UniversitätRegensburg

Bei der Frage, ob Exekutivkompetenzen bei derRegulierung der Netzwirtschaften stärker auf eineeuropäische Behörde verlagert werden soll, musszwischen den Sektoren differenziert werden. Daszeigt besonders deutlich ein Vergleich der Regulie-rungsbedürfnisse in der Elektrizitäts- und der Te-lekommunikationswirtschaft.

Dabei sind in der ökonomischen Förderalismusfor-schung klar die Gründe herausgearbeitet worden,die für und gegen eine Ansiedlung von Entschei-dungskompetenzen auf der zentralen Ebene spre-chen.1 Für Exekutivkompetenzen auf der Ebeneder EG sprechen vier gewichtige Gründe, nämlich

• negative externe grenzüberschreitende Effekte, • Größenvorteile (economies of scale) und Ein-

sparungen von Transaktions- und Informations-kosten,

• Selbstbindungsprobleme der dezentralen Ent-scheidungsträger sowie

• ein möglicherweise „ruinöser“ Regulierungs-wettbewerb.

Prüft man die Relevanz dieser Aspekte, stellt manfest, dass der ruinöse Regulierungswettbewerb inder Telekommunikation und in der Energiewirt-schaft kaum eine Rolle spielt. Das gilt weitgehendauch für Größenvorteile und Einsparungen vonTransaktions- und Informationskosten, da die re-gulierungsbedingten Kosten vergleichsweise ge-ring sind. Für Teilbereiche wie die standardisierteBereitstellung bestimmter Frequenzen für europa-weite Diensteangebote mag das im Einzelfall an-ders sein. Im Grundsatz lassen sich durch eineZentralisierung jedoch weder auf Seiten der Regu-

lierer noch auf Seiten der Regulierten relevanteKostenvorteile erwirtschaften. Wichtig ist ferner,dass auch Selbstbindungsprobleme der nationalenEntscheidungsträger, also das ineffiziente Hinein-regieren der Tagespolitik in Entscheidungsprozes-se, angesichts der starken Unabhängigkeit dermächtigen nationalen Regulierungsbehörden inder Energie- und Telekommunikationsregulierunginzwischen keine so große Rolle mehr spielen wiezu Beginn der Liberalisierung. Entscheidend istalso die Frage, inwiefern die Regulierung in einemMitgliedstaat A zu negativen externen grenzüber-schreitenden Effekten in einem Mitgliedstaat Bführt. Hier ist nun zwischen der Elektrizitäts- undder Telekommunikationswirtschaft zu unterschei-den. Die negativen grenzüberschreitenden exter-nen Effekte sind im Elektrizitätsbereich ein we-sentliches Argument für supranationaleKompetenzen hinsichtlich der Regulierung desgrenzüberschreitenden Stromhandels. Denn dieMarktabschottung im Mitgliedstaat A durch dierestriktive Bewirtschaftung von Grenzkuppelstel-len hat negative Auswirkungen auf die Möglich-keiten der Wettbewerber im Mitgliedstaat B, dortihre Energie anzubieten und die dortigen Endkun-den entsprechend zu versorgen. Erfolgt – gegebe-nenfalls auch wegen Kompetenzstreitigkeiten undKompetenzunklarheiten zwischen den betroffe-nen nationalen Regulierungsbehörden – diesbe-züglich keine effektive Regulierung wird eine Zen-tralisierung erforderlich.

Die Dinge liegen in der Telekommunikation dage-gen fundamental anders. Telekommunikations-dienstleistungen sind weitgehend nicht internatio-nal handelbar. Vielmehr werden insbesondere dieregulierten Telekommunikationsdienste aus-

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1 Vgl. Haucap/Kühling, Wirtschaftsdienst 2007, S. 664 ff.

Panel I

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13Panel I

schließlich lokal erstellt. Telekommunikationsleistungenkönnen daher anders als Strom nicht „exportiert“ werden.Ganz plastisch ausgedrückt: Ein Telefongespräch von Ber-lin nach Warschau kann nicht in Polen produziert unddann nach Berlin transportiert werden. Deshalb gilt für dieErstellung von Telekommunikationsleistungen immer dieRegulierung „vor Ort“. Daher wurde der Binnenmarkt inder Telekommunikation auch v.a. durch den Abbau derMonopole und eine effektive Zugangsregulierung, dieMarktzutrittschancen schafft, verwirklicht. Diese Pflöckewurden jetzt aber eingeschlagen und die Wettbewerbsent-wicklung ist auf zahlreichen Märkten vergleichsweise in-tensiv, viel intensiver jedenfalls als in der Energiewirt-schaft. Vor diesem Hintergrund spricht wenig für eineweitere Zentralisierung. D.h. die von der Kommission vor-geschlagene Erweiterung ihrer Veto-Kompetenzen ist nichtsinnvoll, geschweige denn, dass wir – abgesehen von Spe-zialfragen etwa in der Frequenzregulierung – einen euro-päischen Telekommunikationsregulierer benötigen.

Denn es gibt Gründe, die gegen eine Zentralisierung spre-chen, nämlich

• Präferenzunterschiede bei den betroffenen Konsumenten • Vorteile der Informationsbeschaffung auf dezentraler

Ebene • eine Verschärfung der „Prinzipal-Agent-Probleme“ und • potenzielle Vorteile eines Wettbewerbs der Regulierungs-

systeme.

Hiervon ist gerade in der Telekommunikation der Wettbe-werb der Regulierungssysteme von Bedeutung. Um dies aneinem Beispiel zu illustrieren: Gegenwärtig befinden wiruns in der Telekommunikationsregulierung in einem „Trial-and-Error“-Prozess, wie wir den Übergang von der altenPSTN-Welt in die neue Welt der Next Generation Networks

am besten gestalten können. Dabei ist die Fortentwicklungund Anwendung der einzelnen Regulierungsinstrumenteunklar. Das gilt etwa für die Frage, ob den bislang zugangs-verpflichteten Unternehmen Informationspflichten darüberauferlegt werden sollen, wie sie ihre bisherige Netzstrukturumzubauen gedenken. Sollen die diesbezüglichen Entschei-dungen, die von einer unabhängigen nationalen Regulie-rungsbehörde gefällt werden, künftig tatsächlich einer Kon-trolle durch die Kommission unterliegen? Dabei darf mannicht vergessen, dass die Kommission gegenüber nationalenEgoismen gewiss erfrischend unabhängig ist. Aber sie bleibtein politisches Organ, das gegenüber politischen Einfluss-nahmen sicherlich nicht unabhängiger ist als die nationalenRegulierungsbehörden. Das könnte nun dafür sprechen,eine unabhängige Regulierungsbehörde auf europäischerEbene zu gründen. Aber wie gesagt: Dazu besteht – vonTeilbereichen der Telekommunikationsregulierung wie derFrequenzregulierung abgesehen – kein Bedürfnis. Die nega-tiven grenzüberschreitenden externen Effekte einer verfehl-ten nationalen Regulierung sind schwach. Und der Verlustder potenziellen Vorteile eines Wettbewerbs der Regulie-rungssysteme stark. Daher ist hier der Weg der Stärkung derERG, also der Koordination der nationalen Regulierungsbe-hörden, und eines lernenden Wettbewerbs zwischen denBehörden sinnvoll.

Anders liegen die Dinge in der Elektrizitätswirtschaft. Hierist das Problem der Hemmnisse eines grenzüberschreiten-den Stromhandels gravierend. Der Vorschlag der Kommis-sion zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeitder nationalen Regulierungsbehörden, also der „Agency forthe Cooperation of Energy Regulators“ (ACER), ist demGrunde nach genau richtig.2 Jene Institution kann zentralund damit rasch über zentralisierungsbedürftige Probleme

J. Mayer, Prof. Dr. J. Kühling, Dr. R. Strohmeier,Prof. Dr. A. Picot (v.l.n.r.)

Diskussionsrunde: Dr. K.-H. Neumann Dr. B. Pill

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2 Vgl. ausführlicher Kühling/Hermeier, IR 5/2008.

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wie den grenzüberschreitenden Stromhandel entscheiden.Zugleich wird über die Einbindung der nationalen Regulie-rungsbehörden der dezentrale Sachverstand in die ACEReingebracht. Die Einrichtung von regionalen Arbeitsgrup-pen unter dem Dach der ACER könnte dabei die bisheri-gen regionalen Entwicklungsprozesse wie etwa das Penta-laterale Forum beflügeln. Der Ansatz der Kommissions-vorschläge ist also gut. Er wird nur nicht konsequent zu Endegeführt. ACER erlangt nämlich nach den Kommissionsvor-schlägen keine relevanten Entscheidungskompetenzen.Gerade für die neu geschaffenen grenzüberschreitendenEngpassbewirtschaftungssysteme bleibt sogar weitgehendunklar, wer insoweit entscheidungsbefugt ist. Hier brau-chen wir eine deutliche Stärkung der Kompetenzen vonACER. Auch für die Überwachung des neu geschaffenen„European Network for Transmission System Operators“(also das ENTSO) bedarf es zentraler Entscheidungskom-petenzen. Während damit die Kompetenzen der ACER imgrenzüberschreitenden Stromhandel viel zu schwach aus-gestaltet sind, reichen die in den Vorschlägen vorgesehe-nen Zuständigkeiten der Kommission beim Leitlinienerlassund beim Veto-Recht hingegen ratione materiae viel zuweit. Denn sie sind keinesfalls auf Fälle mit erheblichengrenzüberschreitenden negativen Effekten wie beim grenz-überschreitenden Stromhandel beschränkt. Vielmehr er-langt die Kommission letztlich mit ihren umfassenden Leit-linienkompetenzen eine weitgehende Harmonisierungs-kompetenz, die so nicht erforderlich ist.

Zusammengefasst lässt sich demnach sagen: In der Tele-kommunikation benötigen wir abgesehen von Spezialbe-reichen wie Teilen der Frequenzregulierung keine weitereZentralisierung. Wir brauchen kein erweitertes Veto-Rechtder Kommission und wir brauchen auch keinen umfassen-den europäischen Regulierer. Eher umgekehrt sind die bis-herigen Veto-Kompetenzen der Kommission stärker aufFälle negativer grenzüberschreitender externer Effekte zubeschränken. In der Energiewirtschaft gehen die Kommis-sionsvorschläge grundsätzlich in die richtige Richtung.Aber auch hier sind die zumindest als Reserve-Kompeten-zen erforderlichen Zugriffsrechte auf der zentralen Ebenefür den Fall des grenzüberschreitenden Stromhandels zuschwach ausgestaltet und die Kompetenz zum Leitliniener-lass im Gegenzug viel zu weitreichend. In anderen Sekto-ren wie der Eisenbahnwirtschaft liegen die Dinge wieder-um anders. Hier fehlt es schon an einer hinreichendenmarktöffnenden Harmonisierung des Rechtsrahmens, aufdessen Basis eine – sicherlich indizierte – zentrale (Vor-)Steuerung zumindest des grenzüberschreitenden Eisen-bahnverkehrs erfolgen könnte. Im Übrigen hapert es leidernach wie vor an einer angemessenen Diskussion darüber,unter welchen Voraussetzungen wir eine Zentralisierungbenötigen. Die Vorschläge der Kommission sind jedenfallsweder im Review des EG-Telekommunikationsrechts nochim 3. Energiebinnenmarktpaket hinreichend zielgenau anden Dezentralisierungs- und Zentralisierungsbedürfnissenausgerichtet.

Panel I

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15Panel II

Die mögliche eigentumsrechtliche vertikale Tren-nung von Netzeigentum einerseits und Dienstean-bietern (welche diese Netze nutzen) andererseitswird momentan kontrovers in zahlreichen Netzin-dustrien diskutiert, sowohl auf politischer Ebeneals auch in akademischen Zirkeln. Für die lei-tungsgebundene Energiewirtschaft hat die EU-Kommission im September 2007 die strikte eigen-tumsrechtliche Trennung von Stromtransport-netzen und im Gastransport von den anderen Stufen der Wertschöpfungskette vorgeschlagen. Im Bahnsektor wurde im Zuge der Teilprivatisie-rung der Deutschen Bahn AG bis zu dem mittler-weile nach zähem Ringen gefundenen Kompro-miss darüber gestritten, ob die Deutsche Bahn AGals integrierter Konzern teilprivatisiert werdensollte oder aber das Schienennetz und andere In-frastruktureinrichtungen (wie Bahnhöfe) nichtbesser vom Rest des Konzerns getrennt werdensollten. Diese Diskussion wird sicherlich in derZukunft bei weiteren Privatisierungsschritten wie-der aufleben. Selbst im mittlerweile seit über 10Jahren liberalisierten Telekommunikationsmarkthat die EU-Kommission Vorschläge für eine strik-te funktionelle Abtrennung und Herauslösung desOrtsnetzes aus den vertikal integrierten ehemali-gen Monopolunternehmen unterbreitet. Und auchin der Wasserversorgung und Abwasserentsorgungzeichnet sich eine ähnliche Diskussion ab.

Diese Diskussion um die vertikale Entflechtungnetzgebundener Industrien ist oftmals ideologischaufgeladen. Die Analysen sind zumeist interessen-geleitet und wenig systematisch. Auch die von derEU-Kommission selbst beauftragten Studien vonLondon Economics erwecken nicht den Eindruckeiner ergebnisoffenen Analyse. Dies ist zwar auspolitökonomischer Sicht interessant, aus wirt-

schaftspolitischer Perspektive jedoch bedauerlich.Es ist daher sinnvoll, ein ökonomisches Prüfsche-ma zu entwickeln, anhand dessen die Vor- undNachteile einer vertikalen Entflechtung systema-tisch beurteilt werden können. Genau dies leistetder vorliegende Beitrag.

Theoretische Grundlagen der Liberalisierung netzbasierter IndustrienDie klassische ökonomische Begründung zur Re-gulierung von Versorgungsunternehmen wird ausder Theorie natürlicher Monopole abgeleitet.3 Inder ökonomischen Theorie spricht man von na-türlichen Monopolen, wenn die Kostenfunktionim relevanten Bereich subadditiv ist. Der Spezial-fall strikter Subadditivität liegt vor, wenn ein Un-ternehmen eine Leistung in bestimmtem Umfanggünstiger bereitstellen kann als zwei oder mehrUnternehmen.4 Als Ursachen subadditiver Kostenkommen unter anderem sinkende Durchschnitts-kosten aufgrund steigender Skalenerträge in Be-tracht, wobei dies eine hinreichende aber nichtnotwendigerweise notwendige Bedingung für einnatürliches Monopol ist.

Sind diese natürlichen Monopole nicht nur tem-porärer Natur und dauerhaft nicht angreifbar, sospricht man von resistenten natürlichen Monopo-len. Bei resistenten natürlichen Monopolen sindregulatorische Eingriffe regelmäßig sinnvoll, weilder aktuelle und potenzielle Konkurrenzdruck zurDisziplinierung des Monopolisten fehlt. Die we-

Panel II –Trennung von Netz und Betrieb als Königsweg? Pfadabhängigkeiten der RegulierungDiskussionsbeitrag: Prof. Dr. Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff, Dr. André Uhde

Dipl. Kfm. Ulrich Heimeshoff,WissenschaftlicherMitarbeiter

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3 Vgl. Kruse, J. (1985): Ökonomie der Monopolregulierung, Göttin-gen, sowie Train, K. (1991): Optimal Regulation: The EconomicTheory of Natural Monopoly, Cambridge.

4 Panzar, J. (1989): Technological Determinants of Firm and IndustryStructure, in: Schmalensee, R.; Willig, R. (Hrsg.): Handbook of In-dustrial Organization, Vol. I, Amsterdam, S. 3-59.

Die Trennung von Netz und Betrieb steht nicht nur im Zentrum der politi-schen Debatte der Energiewirtschaft. Auch im Bahnsektor ist die Privatisie-rung mit oder ohne Netz ein heiß diskutiertes Thema. Und selbst in der Tele-kommunikation strebt die EU-Kommission eine weitgehende Entflechtungan. Der vorliegende Beitrag entwickelt anhand von ökonomischen Kriterienein ideologiefreies Prüfschema, wann eine Entflechtung von Netz und Be-trieb gesamtwirtschaftlich vorteilhaft ist und wann nicht.

Prof. Dr. Justus Haucap ist Inhaberdes Lehrstuhl fürWirtschaftspolitik an der Friedrich-Ale-xander-UniversitätErlangen-Nürnberg

Dr. André Uhde,WissenschaftlicherMitarbeiter

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sentliche Markteintrittsbarriere in Netzindustrien stellt da-bei der Aufbau von Netzinfrastrukturen dar, der erheblichespezifische Investitionen bedingt. Diese spezifischen Inves-titionen verursachen versunkene Kosten, die sich auch beieinem möglichen Marktaustritt nicht vermeiden lassen.

Eine disaggregierte Betrachtung der Wertschöpfungskettezeigt jedoch regelmäßig, dass nicht alle Stufen der Wert-schöpfungskette als natürliche Monopole zu charakterisie-ren sind.5 Im Rahmen des disaggregierten Ansatzes wird un-tersucht, welche Stufen der Wertschöpfungskette kompetitivausgestaltet werden können und welche resistente natürli-che Monopole darstellen, die sog. bottlenecks. Zu diesenUntersuchungszwecken werden die jeweiligen Wertschöp-fungsketten vertikal aufgegliedert. Im Anschluss kann danngrob zwischen der Infrastruktur und den mit Hilfe dieser In-

frastruktur erbrachten Diensten unterschieden werden. Et-was detaillierter kann zwischen Netzleistungen (Erstellung,Betrieb, Instandhaltung der Netzinfrastruktur), Steuerungs-leistungen (z. B. Trassenallokation, Fahrplanmanagement),vorgelagerten Leistungen (z. B. Energieerzeugung, Trinkwas-seraufbereitung, Posteinsammeln) und nachgelagerten Leis-tungen (z. B. Vertrieb, Verteilung, Entsorgung) differenziertwerden. Dabei stellen Netz- und Steuerungsleistungen oft-mals resistente natürliche Monopolbereiche dar, zu denenWettbewerber auf vor- oder nachgelagerten Märkten Zugangbenötigen. Ohne Zugriff auf die entsprechenden wesentli-chen Einrichtungen wie z. B. die Stromnetze im Elektrizi-tätsbereich oder dem Schienennetz der Bahn zu bekommen,können potenzielle Wettbewerber nicht auf den jeweiligenvor- oder nachgelagerten Märkten ihre Dienste anbieten. InAnlehnung an Kruse (1985) lässt sich eine disaggregierte Be-trachtung netzbasierter Industrien wie in Tabelle 1 darge-stellt vornehmen.

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5 Knieps, G. (1999): Zur Regulierung monopolistischer Bottlenecks, in: Zeitschriftfür Wirtschaftspolitik, 48, S. 297-304.

Panel II

Branche Produktionsstufe, Teilbereich Subadditivität* Markt-Irreversibilität Monopol-Resistenz

Telekommunikation Teilnehmeranschlussleitung noch hoch noch(Festnetz) Verbindungsnetz nein gering nein

Endgeräte nein gering nein

Strom Erzeugung nein mittel neinTransport und Verteilung ja hoch jaVertrieb nein gering nein

Gas Produktion/Import nein gering neinTransport und Verteilung ja hoch ja

Trinkwasser Gewinnung evt. evt. evt.Aufbereitung nein gering neinTransport und Verteilung ja hoch ja

Abwasser Kanalisation ja hoch jaAufbereitung nein gering nein

Briefe, Pakete Annahme, Transport nein gering neinZustellung evt. gering nein

Kabelfernsehen Programm nein gering neinDistribution noch hoch evt.

Schienenverkehr Schienennetz ja hoch ja(Eisenbahn) Personenverkehr bei:

- geringer Verkehrsdichte ja gering nein- hoher Verkehrsdichte nein gering neinGüterverkehr nein gering nein

U-/Straßen-Bahn Wege und Betriebe ja hoch ja

Flugverkehr Flughäfen evt. hoch evt.gesamtes Liniennetz nein gering neineinzelne Relationen ja gering nein

Schifffahrt Häfen evt. hoch evt.Verkehr nein gering nein

Subadditivität, Irreversibilität und Monopolresistenz zu ausgewählten Bereichen

Quelle: Prof. Dr. J. Haucap

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17Panel II

Der ordnungspolitische Rahmen liberalisierter Netzindus-trien ist dementsprechend durch weitreichende marktöff-nende Vorschriften gekennzeichnet. Eine marktöffnendeRegulierung vermeidet Eingriffe in Endverbrauchermärkteund begrenzt stattdessen die Preise für den Zugang zu we-sentlichen Einrichtungen und das damit verbundene Dis-kriminierungspotenzial, um zu verhindern, dass etablierteAnbieter durch Behinderungsmissbrauch Konkurrentenauf vor- oder nachgelagerten Märkten verdrängen.

Die Reform netzbasierter Industrien weist gegenüber her-kömmlichen Branchen daher den entscheidenden Unter-schied auf, dass Liberalisierung nicht mit Deregulierunggleichgesetzt werden kann. Stattdessen kann in netzbasier-ten Industrien treffender von einer Re-Regulierung gespro-chen werden. Damit Wettbewerb in netzbasierten Industrienüberhaupt entstehen kann, benötigen die neuen Wettbewer-ber Zugang zu den wesentlichen Einrichtungen der Ex-Mo-nopolisten. Nur so können sie Leistungen auf den vor- undnachgelagerten Märkten anbieten. Für vertikal integrierteNetzbetreiber können jedoch starke Anreize bestehen, Kon-kurrenten auf vor- und nachgelagerten Märkten den Zugangzu den „Bottlenecks“ zu verwehren und ihre Marktmacht imNetzbereich auf den nachgelagerten Markt zu übertragen.6

Diese vertikale Marktmachtübertragung kann zu einer voll-ständigen Marktabschottung („Foreclosure“) führen. Umeine solche Marktabschottung effektiv zu verhindern bzw.die vertikale Marktmachtübertragung einzudämmen, wirddie vertikale Entflechtung als strukturelle Maßnahme vorge-schlagen. Dem Vorschlag zur Entflechtung wird dann regel-mäßig das Argument umfassender Effizienzverluste in verti-kal entflochtenen Industrien entgegengehalten. Darüberhinaus könnten reduzierte Investitionsanreize Folge vertika-ler Entflechtung sein. Wie diese Argumente zu gewichtensind, werden wir im Folgenden erörtern.

Vertikale Integration und Entflechtung netzgebundenerIndustrien aus ökonomischer PerspektiveEs ist relativ unstrittig, dass die vertikale Entflechtung ambesten geeignet ist, das inhärente Diskriminierungspotenzialzu bändigen und eine vertikale Marktabschottung in netzge-bundenen Industrien zu verhindern. Was also spricht danngegen eine solche Entflechtung? Neben juristischen Argu-menten gibt es eine Reihe von ökonomischen Aspekten,welche gegen eine vertikale Entflechtung netzgebundenerIndustrien sprechen können:7

a) Zunächst ist zu betonen, dass die vertikale Entflechtungzwar das Problem der vertikalen Marktabschottung zu lö-sen vermag, doch unabhängig davon das Problem monopo-listischer Netzzugangsentgelte und somit ein prinzipiellerRegulierungsbedarf auch im Falle nicht integrierter Mono-polanbieter bestehen bleibt.

b) Ein zweites Argument gegen eine vertikale Entflechtungdes integrierten Betreibers einer wesentlichen Einrichtungist der etwaige Verlust von Verbundvorteilen. Solche Ver-bundvorteile lassen sich in vertikalen Netzindustrien oftmalsdadurch erzielen, dass vor- und nachgelagerte Stufen der Er-zeugung und Versorgung, zwischen denen sonst Marktbezie-hungen bestehen würden, in einer Wertschöpfungskette ste-hen und somit eine gemeinsame Produktion vonNetzinfrastruktur und netzgebundenen Dienstleistungen er-folgt. Zudem lassen sich je nach Grad der Unsicherheit,Häufigkeit und Faktorspezifität von Transaktionen zwischenden Wertschöpfungsstufen die hierdurch entstehendenTransaktionskosten durch eine vertikale Integration reduzie-ren.8 Im Sinne eines efficiency trade-offs sind demzufolgedie allokativ-statischen Effizienzverluste aus verlorenen Ver-bundvorteilen und Transaktionskostenersparnissen gegen-über den möglichen dynamischen Effizienzgewinnen aus ei-nem potenziellen Wettbewerb bei vertikaler Entflechtungabzuwägen.

c) Ein drittes Argument gegen die vertikale Entflechtungergibt sich aus der Möglichkeit steigender Preise infolgedes Problems der doppelten Marginalisierung, wobei dasAusmaß der Preissteigerung von der Regulierung der Netz-zugangsentgelte, von der jeweiligen Ausgestaltung der Ver-träge zwischen Netzbetreibern und Diensteanbietern undvom Grad der Imperfektion des Wettbewerbs im Endkun-denmarkt abhängt. So könnte der Netzbetreiber nach er-folgter Entflechtung und je nach Ausgestaltung der Netzzu-gangsregulierung einen über den Grenzkosten liegendenPreis (mark-up pricing) für sein Produkt, also den Zugangzu seiner Netzinfrastruktur und deren Nutzung, von denDiensteanbietern verlangen. Das wird typischerweise auchder Fall sein, da ein Grenzkostenpreis in einem so fixkos-tenintensiven Bereich wie der Netzinfrastruktur im Regel-fall nicht kostendeckend ist. Daher beinhalten die typi-schen auf Kostenbasis regulierten Zugangspreise wie z.B.die Kosten der effizienten Leistungserstellung (KEL) nachdem Telekommunikationsgesetz (TKG) Gemeinkostenzu-schläge auf die langfristigen Zusatzkosten. De facto dürften....................................................................................................................................................................................................................................

6 Vgl. en detail Haucap, J.; Heimeshoff, U. (2005): Open Access als Prinzip derWettbewerbspolitik: Diskriminierungsgefahr und regulatorischer Eingriffsbedarf,in: Hartwig, K.H.; Knorr, A. (Hrsg.): Neuere Entwicklungen in der Infrastrukturpoli-tik, Göttingen, S. 265-304.

7 Vgl. Bühler, S. (2005): Pitfalls and Promises of Restructuring Network Industries,in: German Economic Review, 2005, 6:2, 205-228.

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8 Ebenso werden die aus einer vertikalen Entflechtung resultierenden Reorganisa-tionskosten für das betreffende Unternehmens vermieden.

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mente für und gegen eine vertikale Entflechtung nicht füralle netzgebundenen Industrien gleichermaßen gelten. Pau-schale Urteile für oder gegen eine vertikale Entflechtungsind somit in jedem Fall fehl am Platz. Einen Königsweg gibtes somit nicht.

Zu prüfen ist vielmehr, inwiefern (a) Wettbewerb auf vor- undnachgelagerten Märkten überhaupt möglich ist, (b) welchesDiskriminierungspotenzial die Betreiber wesentlicher Ein-richtungen haben und wie einfach oder schwierig diesesdurch Regulierungsbehörden kontrolliert werden kann, (c) welche Verbundvorteile bei einer Entflechtung verlorengehen, (d) wie die Investitionsanreize beeinflusst werden, (e) welche einmaligen Trennungskosten entstehen und (f)welche anderen Faktoren (z. B. juristischer oder politischerNatur) es zu bedenken gilt.

Die Kernfrage in der Debatte eines Pro oder Contra vertikalerEntflechtung muss aus ökonomischer Sicht also – sofern si-chergestellt ist, dass es sich bei dem betrachteten Netz über-haupt um eine wesentliche Einrichtung handelt – zunächstlauten, welches Potenzial für einen Wettbewerb auf dem ei-nem vor- oder nachgelagerten Markt in welcher netzgebun-denen Industrie zu erwarten ist. Ist das Potenzial für Wettbe-werb auf vor- und nachgelagerten Märkten gering, gibt esaus rein ökonomischer Sicht weitaus weniger Gründe füreine vertikale Entflechtung.

Selbst wenn sich Wettbewerb auf einem Markt nicht realisie-ren lässt, kann jedoch Wettbewerb um einen Markt in Formeiner Ausschreibung sinnvoll sein, d. h. wird das Potenzialfür Wettbewerb auf einem vor- oder nachgelagerten Marktals eher gering eingeschätzt, kann ein Wett-bewerb um einenMarkt über Ausschreibungen Effizienz-potenziale heben.Hier ließen sich ggf. auch Teilleistungen ausschreiben, z. B.um den Wettbewerb um einzelne Dienste in einer Ausschrei-bung zu intensivieren. So könnte der Netz-betrieb als Leis-tung A unabhängig von der Erbringung eines Dienstes Büber dieses Netz ausgeschrieben werden. Das Problem ist je-doch, dass so ggf. Verbundvorteile nicht realisiert werden.

Besteht Unsicherheit bezüglich des Ausmaßes möglicherVerbundvorteile zwischen A und B, so könnte die Aus-schreibung den Netzbetrieb und die Dienste zusammen(A+B) oder jeweils separat als Leistung A und Leistung Bumfassen. Liegen signifikante Verbundvorteile vor, so wer-den Teilnehmer einer Ausschreibung bessere Gebote für ei-nen gemeinsamen Betrieb von Netzen und Diensten abge-ben. Sind die Verbundvorteile hingegen nicht signifikant,werden diejenigen die besten Gebote abgeben, die z. B. auf-grund von Spezialisierungsvorteilen am kostengünstigsten

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die Zugangspreise aufgrund der bekannten Fix- und Ge-meinkostenproblematik fast immer über den Grenz- oderInkrementalkosten liegen. Je nach Ausmaß des Wettbe-werbs im Endkundenmarkt werden die Diensteanbieterdann wieder einen über Grenzkosten liegenden Preisauf-schlag kalkulieren, der den Endverbraucherpreis sukzessi-ve erhöht. Insgesamt wird somit ein zweistufiger Preisauf-schlag realisiert werden, der im Fall vertikaler Integrationnur einstufig erfolgen würde.

d) Ein letztes, jedoch innerhalb der ökonomischen Fachlite-ratur zentrales Argument gegen die vertikale Entflechtung,wird in einem aus der Separation resultierenden Unterinves-titionsrisiko gesehen. Der mögliche Rückgang von Investi-tionen sowohl auf Seiten des Netzinfrastrukturbetreibers alsauch in vor- und nachgelagerten Märkten lässt sich auf fol-gende drei theoretische Ursachen zurückführen:

1. Investitionen des Netzbetreibers in die Netzinfrastruktursind als spezifische Investitionen zu bezeichnen, die zu ei-nem großen Teil marktirreversibel sind (sunk cost). ImZuge einer vertikalen Entflechtung besteht nun die Ge-fahr, dass sich der investierende Netzbetreiber zukünftignur noch einen Teil seiner Investitionsrente aneignenkann. Antizipieren rationale Investoren dieses Risiko, wer-den sie in der Folge zu wenig oder überhaupt nicht in denAufbau oder Ausbau bzw. die Erhaltung der Netzinfra-struktur investieren.

2.Der Betreiber einer wesentlichen Einrichtung verfügt imAnschluss an eine vertikale Entflechtung nur mehr übereinen begrenzten Einfluss auf die Vermarktung der Diens-te gegenüber Endkunden und die Gestaltung der Endkun-denpreise. Die Nutzung seiner Infrastrukturleistungen undsomit seine Erlöse hängen jedoch von der Gestaltung derEndkundenpreise und der Dienstevermarktung im End-kundenmarkt ab. Unter diesen Umständen dürfte die In-vestitionsbereitschaft ebenfalls sinken.

3.Eine vertikale Separation der Netzinfrastruktur erhöhtsukzessive die Koordinations- und Verhandlungskostenzwischen dem Netzbetreiber und den Diensteanbieternauf der nachgelagerten Stufe. Diese Transaktionskostenkönnen ebenso die Investitionsanreize des Netzbetreibersschmälern.

Bei einer regulatorischen oder wirtschaftspolitischen Ent-scheidung für oder gegen eine vertikale Entflechtung kommtes also darauf an zu prüfen, inwiefern die oben angeführtenVor- und Nachteile einer vertikalen Entflechtung im Einzel-fall tragen. Es muss betont werden, dass die einzelnen Argu-

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19Panel II

operieren können. Der wesentliche Vorteil eines solchenAusschreibungsverfahrens liegt dann in der Tatsache, dassetwaige Verbundvorteile durch den Bieterwettbewerb, alsoquasi „experimentell“ ermittelt werden können.

Eine differenzierte Analyse ist auch im Hinblick auf das Dis-kriminierungspotenzial von Nöten. Die Frage ist hier, wieeinfach oder schwierig es für Regulierungsbehörden auf-grund von Informationsasymmetrien ist, eine faktische Dis-kriminierung zu erkennen und effektiv zu unterbinden. Ins-besondere die nicht-preisliche Diskriminierung ist fürregulierende Instanzen schwer zu kontrollieren. So wirdz. B. im Bahnsektor berichtet, dass eine Diskriminierungdurch das gezielte Einrichten von Langsamfahrstellen, einediskriminierende Trassenvergabe und gezielte Investitions-lenkung und unterschiedliche Instandhaltung und Wartungdes Netzes diskriminiert werden kann.9 Aus theoretischerSicht ist z. B. zu erwarten, dass ein integrierter Bahnkonzerndie Netze dort besonders pflegt und dort besonders inves-tiert, wo die eigenen Tochterunternehmen den Fern- und Re-gionalverkehr betreiben, während auf Strecken, die primärvon Wettbewerbern genutzt werden (gerade im regionalenBestellverkehr) die Anreize zu Netzausbau und -instandhal-tung deutlich geringer sind. Eine ähnlich schwer zu kontrol-lierende nicht-preisliche Diskriminierung ist z. B. in derElektrizitätsbranche nicht zu finden. Natürlich sind auchdort Diskriminierungsmöglichkeiten vorhanden, diese sindjedoch vergleichsweise einfach durch eine adäquate Regulie-rung in den Griff zu bekommen.10

Auch was die Veränderung möglicher Investitionsanreizeangeht, gilt es von Fall zu Fall zu prüfen, wie diese durcheine Entflechtung tangiert werden. So spielt beispielsweisedie Reduktion der privaten Investitionsanreize im Bahnbe-reich eine nur untergeordnete Rolle, da Investitionen in dieNetzinfrastruktur zu einem überwiegenden Teil durch die öf-fentliche Hand subventioniert werden. Zudem lässt sich dieReduktion der Investitionsanreize bei vertikaler Entflech-tung durch eine adäquat ausgestaltete Regulierung mildernoder sogar beseitigen. So können z. B. Rate-of-Return- oderReturn-on-Output-Regulierungen das Unterinvestitionspro-blem reduzieren, da diese Art der Netzzugangsregulierungdie Investitionsanreize des Netzbetreibers tendenziell er-höht. Die Ausgestaltung der Entgeltregulierung ist somit

nicht unabhängig von der Frage, ob eine vertikale Entflech-tung stattfindet order nicht.

Des Weiteren sollte bedacht werden, dass nach einer verti-kalen Entflechtung typischerweise eine wesentlich wenigereingriffstiefe Regulierung notwendig wird, da das besondersschwierig zu beherrschende Diskriminierungsproblem starkgemildert wird. Daher müssen reduzierte Regulierungskos-ten ebenfalls in eine Wohlfahrtsberechnung einfließen. Aufder anderen Seite sind jedoch auch politische Transaktions-kosten zu beachten, welche durch eine Entflechtung mögli-cherweise entstehen können. Ein institutionenökonomi-scher Effizienzbegriff berücksichtigt auch politische Trans-aktionskosten und vergleicht politisch umsetzbare Lösun-gen miteinander, nicht jedoch idealtypische Lehrbuchlösun-gen, welche ggf. nicht realisiert werden können. Dies impli-ziert z. B. auch, dass bestehende grundgesetzliche Bestim-mungen (wie der Schutz des Privateigentums) zu beachtensind bzw. die Transaktionskosten zu bedenken sind, welchesich durch eine Änderung oder gar Missachtung solcher po-litisch determinierter Nebenbedingungen ergeben.

Zusammenfassend sei noch einmal betont: Eine pauschaleAussage für oder gegen die Entflechtung vertikal integrierterNetzindustrien lässt sich ökonomisch nicht herleiten. Wie sooft, kommt es auf die genauen Umstände an, welche es zuwürdigen gilt. Genau dies wollen wir im Folgenden anhanddreier Beispiele tun.

Wie wir an anderer Stelle dargelegt haben,11 ergibt eine zu-sammenfassende Würdigung der Umstände anhand der ebengenannten Kriterien (a) bis (e), dass eine Trennung von Netzund Betrieb im Schienenverkehr in Deutschland sinnvoll er-scheint, während im Bereich der Wasserwirtschaft eine for-cierte Trennung heute wenig effizient sein dürfte. Im Gegen-teil wäre ggf. sogar eine weitere Integration zwischen denBereichen Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgungdenkbar. Viel weniger klar ist hingegen der Fall der Elektrizi-tätswirtschaft, für den ja die EU-Kommission gerade die ver-tikale Entflechtung als eine Reformoption propagiert.

Für den Telekommunikationsbereich sei schließlich daraufverwiesen, dass schon die erste Vorbedingung für die Vor-teilhaftigkeit einer vertikalen Entflechtung nicht erfüllt ist.Durch die zunehmende intramodale Konkurrenz zwischender Deutschen Telekom AG und den alternativen An-

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9 Vgl. Monopolkommission (2007), Wettbewerbs- und Regulierungsversuche imEisenbahnverkehr, Sondergutachten 48, April 2007.

10 Dieser Satz wird immer wieder missverstanden, deshalb noch einmal: Hier stehtnicht, dass es in der Elektrizitätswirtschaft keinerlei Diskriminierungsmöglichkeitengibt. Im Vergleich zu anderen Netzindustrien sind diese jedoch sicher einfacherzu kontrollieren als z.B. die Diskriminierungsmöglichkeiten im Bahnsektor.

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11 Haucap, J., U. Heimeshoff & A. Uhde, Vertikale Entflechtung netzgebundener In-dustrien: Kosten und Nutzen aus ökonomischer Sicht, S 27-65 in: Gesellschaft füröffentliche Wirtschaft (Hrsg.), Trennung von Infrastruktur und Betrieb, Beiträge zuröffentlichen Wirtschaft 25, Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft: Berlin 2008.

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schlussnetzbetreibern sowie die ebenfalls zunehmende inter-modale Konkurrenz zwischen Telefonfestnetz, Mobilfunkund Kabelfernsehen und der zunehmenden Substitutionsbe-reitschaft der Konsumenten ist die Monopolresistenz in derletzten Meile des Festnetzes zwar momentan wohl noch vor-handen, jedoch kein dauerhaftes Problem. Damit liegt dau-erhaft keine wesentliche Einrichtung vor, sodass sich einevertikale Trennung erübrigt.

Fazit und PrüfschemaEine aus ökonomischer Sicht adäquate vertikale Strukturvon Netzindustrien hängt in erheblichem Maße davon ab, inwelcher Höhe mögliche Effizienzgewinne aus der vertikalenEntflechtung monopolistischer Engpassbereiche potenziel-len Effizienzverlusten aus gesunkenen Investitionsanreizenund einem Verlust an Verbundvorteilen gegenüberstehen.Aus theoretischer Sicht gibt es gute Gründe für und gegeneine vertikale Entflechtung. Pauschale Urteile bezüglich ei-ner angemessenen Vorgehensweise sind hier strikt abzuleh-nen, da in jedem Einzelfall oder jeder Netzindustrie einesorgfältige Einzelfallprüfung notwendig ist. Aus den o. g. Überlegungen ergibt sich daher folgendes Prüf-schema:

1.Handelt es sich bei dem betrachteten Netz dauerhaft umein resistentes natürliches Monopol, das durch Subadditi-vität der Kostenfunktion sowie die Existenz von signifi-kanten natürlichen Markteintrittsbarrieren (z. B. versun-kenen Kosten) oder auch institutionellen Markteintritts-barrieren (z. B. Umweltschutzauflagen, Planungsverfah-ren) gekennzeichnet ist? Ist dies (wie z. B. im Telekommu-nikationsbereich) nicht der Fall, ist eine vertikaleEntflechtung abzulehnen, ansonsten ist zu fragen:

2.Wie viel Wettbewerb ist auf einem vor- oder nachgelager-ten Markt wahrscheinlich? Sind hier hohe Wettbewerbs-potenziale ersichtlich, bedarf es einer eingehenden detail-

lierten Betrachtung möglicher Effizienzgewinne (z. B. ausder Eindämmung von Diskriminierungspotenzialen) undEffizienzverlusten (z. B. aus der Senkung von Investitions-anreizen). Ist Wettbewerb auf vor- oder nachgelagertenMärkten möglich, so stellt sich als nächstes die Frage:

3.Welches Diskriminierungspotenzial haben die Betreiberwesentlicher Einrichtungen und wie einfach oder schwie-rig kann dies durch Regulierungsbehörden kontrolliertwerden? Letzteres wiederum hängt stark davon ab, obeine vertikale Marktabschottung eher aufgrund von preis-lichen Maßnahmen (prohibitiven Netznutzungsentgelten)wie im Energiebereich oder aufgrund nicht-preislicherDiskriminierung (wie im Fall der Bahn) entsteht. Dabei istnicht-preisliche Diskriminierung typischerweise vielschwieriger für Regulierungsbehörden zu kontrollieren.Sind die Diskriminierungsmöglichkeiten nicht-preislicherArt gravierend und schwer zu kontrollieren, so ist alsnächstes zu fragen:

4.Welche Verbundvorteile gehen bei einer Entflechtung ver-loren und sind dies auch volkswirtschaftliche Effizienzver-luste (im Gegensatz zu rein betriebswirtschaftlichen Kos-ten)? Sind diese Verluste signifikant, müssen auch die zuerwartenden Effizienzgewinne aus dem zunehmendenWettbewerb signifikant sein, um eine Entflechtung zurechtfertigen? Ist der erwartete Verlust an Verbundvortei-len vernachlässigbar, ist zu fragen:

5.Werden Anreize zu effizientem Investitions- und Innovati-onsverhalten durch eine vertikale Entflechtung negativverändert? Wenn ja, ist weiter zu fragen, ob dies durcheine geeignete daran anschließende Regulierung kompen-siert werden kann (z. B. relativ „großzügige“ Netz-nut-zungsentgelte oder Regulierungsferien). Wenn dies nichtmöglich sein sollte, müssen wie schon zuvor die zu erwar-tenden Effizienzgewinne aus dem zunehmenden Wettbe-

M. Kurth, Dr. K.-H. Neumann, Dr. U. Jobs, Prof. Dr. C. Kirchner,Prof. Dr. J. Haucap

Prof. Dr. F.-J. Säcker, Dr. H. Ungerer, M. Kurth Prof. Dr. J. Haucap

Panel II

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21Panel II

werb signifikant sein, um eine Entflechtung zu rechtferti-gen.

6.Welche einmaligen volkswirtschaftlichen Trennungskostenentstehen? Sind auch diese vernachlässigbar, stellt sichggf. die abschließende Frage:

7.Welche anderen Faktoren (z. B. juristischer oder politi-scher Natur) gilt es zu bedenken, die Transaktionskostenbei einer Trennung verursachen (z. B. Streiks)?

Die Analyse verschiedener Netzindustrien wird in diesemKontext zu differierenden Ergebnissen führen. Während imBereich der Bahn eine vertikale Separierung des Schienen-netzes sehr deutlich als vorteilhaft zu identifizieren ist, er-scheinen die Vorteile einer vertikalen Trennung im Ener-giebereich nicht so klar. Eine vertikale Separierung desWassertransport- und Wasserverteilungsnetzes in der Was-serwirtschaft erscheint aus ökonomischer Sicht in absehba-rer Zeit nur in wenigen Fällen vertretbar zu sein. Diesestark unterschiedlichen Ergebnisse verdeutlichen die Not-wendigkeit einer sorgfältigen Einzelfallanalyse, man könn-

te auch sagen einen „More Economic Approach“.Gelangt man zu dem Ergebnis, dass in einer bestimmtenNetzindustrie kein Wettbewerb auf einem Markt möglich ist,so könnte dennoch Wettbewerb um einen Markt sinnvollsein. Ein wesentlicher Vorteil eines Wettbewerbs um denMarkt ist die unter Umständen mögliche Ermittlung vonVerbundvorteilen durch adäquate Ausschreibungsverfahren.Wird sowohl eine Ausschreibung für ein integriertes Ange-bot (z. B. gleichzeitiger Betrieb des Schienenetzes sowie An-gebot der Verkehrsdienstleistung im Regionalverkehr) alsauch eine separate Ausschreibungen beider Wertschöpfungs-stufen vorgenommen, können anhand der eingegangenenGebote vorhandene Verbundvorteile abgeschätzt und durchdie Vergabe berücksichtigt werden.

Haus der Deutschen Wirtschaft, Foto: BDI / Scholvien

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Panel II –Trennung von Netz und Betrieb als Königsweg? Pfadabhängigkeiten der Regulierung Diskussionsbeitrag: Prof. Dr. Dr. Christian Kirchner, LL.M. (Harvard)

Prof. Dr. jur. Dr. rer.pol. Christian Kirch-ner, LL.M. (Harvard),ist Inhaber des Lehr-stuhls für deutsches,europäisches undinternationales Zivil-und Wirtschaftsrechtund Institutionen-ökonomik an derHumboldt-Universi-tät zu Berlin

EinführungDie Trennungsdiskussion wird in verschiedenenPhasen geführt. Soll ein Netzsektor privatisiertund liberalisiert oder auch nur dereguliert werden,stellt sich die Frage, ob eine Privatisierung mitNetz oder ohne Netz erfolgen soll. Im Fall der De-regulierung bei unveränderten Eigentumsverhält-nissen (so in Deutschland bei Strom- und Gas-märkten) wird gefragt, ob parallel zur Deregu-lierung eine Netztrennung erfolgen soll. In einerspäteren Phase konzentriert sich die Trennungsdis-kussion – wenn nämlich nicht bereits in Phase Igetrennt wurde – auf die Frage, ob die Trennungein geeignetes Instrument ist, um eine zögerlicheMarktöffnung zu beschleunigen (so heute in Bezugauf Strom- und Gasmärkte). Schließlich kann dieTrennungsdiskussion von Seiten der EuropäischenKommission strategisch geführt werden, in demweitgehende Trennungsforderungen in der Ausei-nandersetzung mit dem Ministerrat aufgegebenwerden, um andere Regulierungsinstrumentedurchsetzen zu können.

ProblemstellungDie Netztrennung wird in der Diskussion als In-strument gesehen, um den diskriminierungsfreienZugang zu betreffenden Netzen zu verbessern. Be-findet sich das Netz im Eigentum eines Anbieters,der auf nachgelagerten Märkten tätig ist, so wirddiesem unterstellt, dass er dazu neige, Wettbewer-ber auf nachgelagerten Märkten dadurch zu schädi-gen, dass er ihnen Schwierigkeiten beim Netzzu-gang bereitet. Es wird dann davon ausgegangen,dass die Netzzugangsregulierung dieses Problemnicht zufriedenstellend lösen könne. Es wird dabeiin der Regel auf eine Diskussion verzichtet, welcheRegulierungsprobleme nach Netztrennung auftau-chen, wenn ein Nachfrager mit großem Nachfrage-volumen solchen mit kleineren nachgefragten Men-gen gegenübersteht. Auch in diesem Fall ist es jadie Aufgabe der Regulierungsbehörde sicherzustel-len, dass alle Nachfrager gleich behandelt werden.

Die Problemstellung ändert sich dann, wenn grund-sätzlich der Aufbau paralleler Netze in Betrachtkommt (so etwa in der Telekommunikation undbeim Ferntransport von Erdgas). Dann ist in Rech-nung zu stellen, dass sich die Netzzugangsbedin-gungen für Unternehmen, die als potenzielle Inves-toren neuer Netze in Betracht kommen, auf dieAnreizsituation für solche Investitionen auswirken.Sind die Netzzugangsentgelte etwa extrem niedrig,wird das die Anreize, in neue Netze zu investieren,erheblich senken. Es besteht dann ein Trade-offzwischen günstigen Netzzugangsbedingungen inBezug auf existierende Netze von Altsassen (incum-bents) und den Anreizen, neue Netze zu bauen. Eskann dann zu einem Konflikt zwischen zwei Regu-lierungszielen führen, nämlich (1) der Herstellungwirksamen Wettbewerbs auf nachgelagerten Märk-ten und (2) der Herstellung von infrastrukturbasier-tem Wettbewerb und am Ende von Wettbewerb zwi-schen konkurrierenden Netzen. Gerade im Tele-kommunikationssektor spielt die zweite Art vonWettbewerb eine zunehmende Rolle.

Den möglichen Vorteilen der Netztrennung – ausder Reduktion des Diskriminierungspotenzials –sind die erwarteten Nachteile gegenüberzustellen.Wird traditioneller Weise auf die Schnittstellenpro-bleme hingewiesen, so ist dies zutreffend, erfasstaber nur einen Teil der Problematik. Entscheidendist, dass es dynamische Komplementaritäten zwi-schen Innovationen auf der Netzebene und solchenauf nachgelagerten Märkten gibt. Ein Beispiel sindInnovationen von Bahnstrecken durch neue Signal-systeme und die notwendigen Innovationen beimrollenden Material.

Schließlich ist das Problem der Pfadabhängigkeit zuberücksichtigen. Sind Netze in einer Phase ge-schützter Monopole ausgebaut worden, so bedeutetdies, dass nach einer Trennung dieser Netze, Proble-me der wirtschaftlichen Betreibung der Netze auf-

Die Diskussion um Trennung von Netz und Betrieb wird parallel für ver-schiedene Netzindustrien geführt. Die herkömmlichen Lösungsansatze ver-kürzen die Fragestellung. Es wird ein differenziertes Konzept vorgeschlagen,in dem grundsätzlich gewachsenen integrierten Lösungen der Vorzug gege-ben wird.

Panel II

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treten werden. Solche Probleme lassen sich schneller behe-ben, wenn es zu einem Aufbau paralleler Netze kommt.

Herkömmliche LösungsansätzeHerkömmliche Lösungen konzentrieren sich auf das Pro-blem des Wettbewerbs auf nachgelagerten Märkten. Es sollallen Unternehmen, die auf diesen Märkten tätig werdenwollen, ein gemeinsames Netz (common carrier) zur Verfü-gung gestellt werden. Es werden in solchen Ansätzen dieRückwirkungen auf die Qualität von Netzen vernachlässigt.Es geht dabei (1) um die Anreizproblematik, (2) die Gewäh-rung von Versorgungssicherheit und (3) um Netzinnovatio-nen. Die Anreizproblematik beschränkt sich nicht darauf,dass aus politischen Gründen dem Netzinhaber und -betrei-ber ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden (so dasProblem des Bahnnetzes in Großbritannien), sondern auf dieFrage, ob ein Netzinhaber und -betreiber ausreichende An-reize für die Erhaltung der Netzqualität hat. Zu unterschei-den ist zwischen wirtschaftlichen Anreizen und Anreizen ausRegulierung. Während die letzteren eigentlich unproblema-tisch sind, allerdings dann auch unabhängig davon, werNetzinhaber und -betreiber ist, treten bei wirtschaftlichenAnreizen deshalb Probleme auf, weil die positiven externenEffekte einer guten Netzqualität für die Unter- nehmen aufnachgelagerten Märkten nicht direkt dem Netzinhaber und -betreiber zugute kommen. Ob und wie das der Fall ist, hängtvon der Regulierung der Netzzugangsbedingungen ab. Dannist die Problematik in Bezug auf diese Regulierung aber die-selbe wie beim Verzicht auf Netztrennung. Beim Verzicht aufNetztrennung kommen die Vorteile der guten Netzqualitätdirekt dem integrierten Unternehmen zugute.

Die Frage der Versorgungssicherheit kann entweder als Re-gulierungsproblem gesehen werden oder auch wiederum alsAnreizproblem. Die entscheidende Anreizfrage ist, wen dieFolgen mangelnder Netzqualität treffen. Im Trennungsmo-dell muss hier eine ausgeklügelte Regulierungslösung entwi-ckelt werden, beim Verzicht auf Trennung treffen die Folgenmangelnder Netzqualität notwendigerweise das integrierteUnternehmen.

Im Trennungsmodell stellt sich das Anreizproblem analogder bereits durchgespielten Fallkonstellationen. Dem Netz-inhaber und -betreiber kommen die Vorteile der Netzinno-vation nur zugute, wenn die Regulierung entsprechend aus-gerichtet ist. Im integrierten Modell gibt es dann Innova-tionsanreize auf der Netzebene, wenn entsprechende Vortei-le auf der Ebene nachgelagerter Märkte auftreten.

Abgestuftes RegulierungskonzeptAngesichts der erörterten Probleme einer Trennungslösung

(oben 3.) kann man an ein abgestuftes Regulierungskonzeptdenken, in dem vom Netzeigentum der Altsassen (incum-bents) ausgegangen wird. Es sind dann Kosten und Nutzender Trennung – unter Berücksichtigung der dynamischen As-pekte – gegenüberzustellen. Die Kosten werden umso höherausfallen, wie Netzinnovationen eine Rolle spielen und wieein Wettbewerb zwischen konkurrierenden Märkten möglichist. Der Nutzen einer Trennung wird in statischen Sektorenvergleichsweise höher sein. Allerdings kann man aus der Sta-tik solcher Märkte in der Vergangenheit nicht den Schlussziehen, dass dies sich auch in Zukunft so verhält. Innovati-onspotenziale lassen sich im integrierten Modell besser he-ben, weil andere Anreizstrukturen existieren.

Für den Fall, dass unter Abwägung aller Vor- und Nachteilesich eine Netztrennung als die überlegene Lösung anbietet,ist differenziert vorzugehen. Zuerst ist zu fragen, welche An-reize für integrierte Unternehmen existieren, von sich auseine Trennung vorzunehmen. Ein wesentlicher Aspekt wirddann sein, dass möglicherweise die Intensität der Zugangsre-gulierung in dem Grade zurückgefahren wird, wie eine Tren-nung erfolgt. So arbeiten bereits heute existierende Regulie-rungskonzepte – etwa im Eisenbahnsektor – mit Modellenorganisatorischer und rechnungsmäßiger Trennung derNetzgesellschaft von den Verkehrsgesellschaften. Man kannsolche Trennungsvarianten als ‚kleine Lösung’ betrachten.Ihr eigentlicher Sinn und Zweck ist die Erleichterung einereffektiven Netzzugangsregulierung. Bei einer solchen ‚klei-nen Lösung’ ist allerdings darauf zu achten, dass integrierteUnternehmen insofern erhalten bleiben, als die Vorteile vonInvestitionen und Innovationen im Netzbereich dem Unter-nehmen erhalten bleiben. Ansonsten treten die unter 3. erör-terten Probleme auf.

Die hier angestellten theoretischen Überlegungen verweisendarauf, dass es nicht möglich ist, die unterschiedlichen Netz-sektoren einheitlich zu betrachten. Die jeweiligen Vor- undNachteile einer Netztrennung sind dann von sektorspezifi-schen Faktoren abhängig. Im Telekommunikationssektorspielt schon heute der Wettbewerb zwischen konkurrieren-den Netzen eine große Rolle. Der Sektor ist sehr dynamisch.Innovations- und Investitionspotentiale würden schnell ver-spielt, würde man hier Trennungslösungen einführen wollen.Im Bereich leitungsgebundener Energien waren die Netzin-novationen in der Vergangenheit nicht sehr erheblich. Dasschließt aber keineswegs aus, dass solche in Zukunft mög-lich sein werden. Strenge Trennungslösungen würden auchhier zu den in Abschnitt 3 genannten Problemen führen.

Einen Sonderfall bildet der Eisenbahnsektor. Hier gibt esaufgrund europäischer Regulierungsvorgaben eine ‚kleine

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Trennungslösung’, die den Zweck hat, die Zugangsregulie-rung zu erleichtern. Bezüglich einer weitergehenden Tren-nung (große Lösung) unterscheiden sich die Konzepte inden verschiedenen europäischen Ländern. In Deutschlandist im Rahmen der Teilprivatisierung der Deutschen BahnAG eine erbitterte Diskussion über eine Eigentumstrennunggeführt worden. Es wurden insbesondere die herkömmli-chen Argumente (siehe oben Abschnitt 3) vorgebracht. DieAnreizproblematik spielte in dieser Diskussion nur eine un-tergeordnete Rolle. Hinzu kam, dass die ökonomische Tren-nungsdiskussion durch eine sehr emotional geführte politi-sche Diskussion überlagert wurde, in der Ängste mobilisiertwurden, dass es bei einer integrierten Lösung zu Verschlech-terungen von Verkehrsangeboten im ländlichen Raum kom-men könnte, wenn eine (Teil-)Privatisierung ohne Trennungrealisiert würde. Es muss hier nicht im einzelnen darauf ein-gegangen werden, dass die Funktionsweise von Eisenbahn-märkten in Deutschland dabei verzeichnet worden ist. DasAngebot in der Fläche wird durch die Bundesländer gewähr-leistet, die dafür vom Bund Regionalisierungsmittel zugewie-sen bekommen. Für die Trennung von Netz und Verkehr imEisenbahnsektor ist festzuhalten, dass auch hier – insbeson-dere unter dynamischen Aspekten – erhebliche Risiken miteiner großen Trennungs- lösung verbunden wären. Die Kos-ten-Nutzen-Rechnung einer Trennung zeigt klare Vorteile ei-ner ‚kleinen Trennungslösung’, die sich mit einer organisato-rischen und rechnungsmäßigen Trennung begnügt.

Fazit und AusblickDie Trennungsdiskussion ist differenziert zu führen. Esgeht um eine Abwägung von Kosten und Nutzen unter-schiedlicher Varianten von Trennungs- und Integrations-modellen. Die Kosten-Nutzen-Relationen können sich –

insbesondere durch technologischen Fortschritt bedingt –im Zeitablauf verschieben. Dabei ist zu berücksichtigen,dass der gewählte Regulierungsansatz als solcher eine Rollespielt, jedenfalls soweit durch sehr günstige Zugangskondi-tionen Anreize für Netzinnovationen und -investitionenverringert werden. Betrachtet man drei Netzsektoren ge-trennt, nämlich den leitungsgebundener Energieversorgung(Strom und Erdgas), den Telekommunikationssektor undden Eisenbahnsektor, so sprechen im ersten und im drittenSektor gute Argumente für eine kleine Trennungslösung,nicht aber für eine große. Im Bereich der Telekommunika-tion wird sich die Trennungsdiskussion in Kürze erübrigen,wenn sich ein Wettbewerb zwischen konkurrierenden Net-zen voll entwickelt. Es wäre kontraproduktiv, in der End-phase notwendiger Netzzugangsregulierung zum Instru-ment der Netztrennung zu greifen.

Die Trennungsdiskussion ist der Ausdruck eines wohl-fahrtstheoretischen Ansatzes, der in einer statischen WeltNetze als natürliche Monopole betrachtet, zu denen alleAnbieter auf nachgelagerten Märkten diskriminierungsfrei-en Zugang haben sollten. Statische Ansätze sind nicht inder Lage, die Probleme dynamischer Technologie- undMarktentwicklungen zu erfassen oder sie gar zu lösen. Sieneigen dazu, die Anreizproblematik auszublenden. Es sindaber eben diese Anreizprobleme (oben Abschnitt 3), die ge-gen große Trennungslösungen sprechen. Diese Einsichtwird sich wohl erst dann allgemein durchsetzen, wenn dieLangfristfolgen von Trennungsmodellen in Gestalt von Ver-lusten bezüglich von Netzinnovationen und -investitionendeutlich sichtbar werden. Bisher wird hier gern auf die Pro-bleme des Eisenbahnnetzes in Großbritannien verwiesen,die allerdings eine ganze Reihe weiterer Ursachen haben.

Auditorium

Panel II

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Panel III – Anreizregulierung als Form der Entgeltregulierung am BeispielElektrizität und EisenbahnenDiskussionsbeitrag: Prof. Dr. Kay Mitusch

Prof. Dr. Kay Mitusch lehrt an derTechnischen Univer-sität Berlin im Fach-gebiet Wirtschafts-und Infrastrukturpoli-tik (WIP)

Eine Besonderheit des Sektors Eisenbahn im Ver-gleich zu anderen regulierten Sektoren liegt in derumfassenden Involviertheit des Staates – insbe-sondere des Bundes, aber auch der Länder undKommunen – und in Verbindung damit der hohenAufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit für die-sen Sektor. Der Staat besitzt sowohl die großenEisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) alsauch die großen Eisenbahnverkehrsunternehmen(EVU), die im DB Konzern zusammengefasstsind. Der Staat finanziert die EIU der DB direktmit 3,5 bis 4 Mrd. EUR pro Jahr, und er finanziertden Regionalverkehr mit etwa 7 Mrd. EUR proJahr. Neu- und Ausbauinvestitionen der DB Netzbeeinflusst der Staat im Wege der Bundesver-kehrswegeplanung (BVWP). Umgekehrt nimmtaber auch die DB AG Einfluss auf die Entschei-dungen des Staates. Die Verkehrspolitik steht seitlangem unter dem Dogma „mehr Verkehr auf dieSchiene“, das sich auch ordnungspolitisch aus-wirkt.

Daneben gibt es weitere öffentliche Akteure, dieEinfluss auf die Bahn nehmen, insbesondere dieEU und das 1994 geschaffene Eisenbahnbundes-amt. Seit Beginn 2006 ist auch die Bundesnetz-agentur für den Sektor Eisenbahn als Reguliererzuständig. Ihre Kompetenzen bei der Entgeltregu-lierung sind allerdings deutlich schwächer als bei-spielsweise im Telekommunikations- oder Elektri-zitätssektor. Deshalb ist derzeit eine Fortentwick-lung der Entgeltregulierung im Eisenbahnsektorim Gespräch.

Um die Rolle der Regulierung im Eisenbahnsektoreinzuschätzen, ist insbesondere ihre Rolle im Ge-füge der anderen Formen staatlicher oder behörd-licher Einflussnahmen zu bestimmen. Ist die Bun-desnetzagentur nur „eine weitere Behörde, diealles noch undurchschaubarer macht“, oder ist sie

„die Institution, die Ordnung in das Gefüge staat-licher Steuerung bringt“? Ich bin der Meinungund Hoffnung, dass letzteres der Fall sein kann.Dazu muss jedoch die seit 2006 geltende Rechts-grundlage, die derzeit erst nach und nach in einetatsächliche Regulierungspraxis umgesetzt wird,überarbeitet werden in Richtung einer Anreizregu-lierung nach modernen Standards. Im Folgendensoll anhand von fünf Thesen die Notwendigkeitund das Potenzial einer Anreizregulierung der Ei-senbahninfrastruktur – teils auch im Vergleichzum Elektrizitätssektor – dargestellt werden.

These 1: Die Notwendigkeit einer Regulierung der Eisenbahninfrastruktur ist auch eine Folge der Involviertheit des Staates

Die Notwendigkeit einer Regulierung ist dann ge-geben, wenn ein wichtiges Gut von einem Unter-nehmen in monopolartiger Stellung angebotenwird, ohne dass Aussicht auf substanziellen Wett-bewerb besteht.

Dies ist bei Eisenbahninfrastrukturunternehmender Fall, auch und insbesondere wegen der Invol-viertheit des Staates. Eisenbahninfrastruktur ist einGut, das nicht von einem privaten Wettbewerberkonkurrierend errichtet und angeboten werdenkann (hohe Kosten mit Eigenschaften eines „na-türlichen Monopols“, exklusive Wegerechte, hohestaatliche Zuwendungen für die „Eisenbahnen desBundes“). Obwohl es intermodalen Wettbewerbmit Straße, Luftfahrt und Binnenschifffahrt gibt,wird die Eisenbahn von Gesellschaft, Wirtschaftund Politik als sehr wichtig und einzigartig einge-stuft. Dies zeigt sich nicht nur an Slogans wie„mehr Verkehr auf die Schiene“, sondern auch anhandfesten ökonomischen Entscheidungen wiedem Verbot von Busverkehren, die mit dem Schie-

Nach der - hoffentlich gelingenden - Teilprivatisierung der Mobility LogisticsAG brauchen auch Infrastrukturunternehmen eine effizienzorientierte Steue-rung. Notwendig ist eine moderne Anreizregulierung (Price Cap-Regulie-rung), die sich auch auf die Verwendung der LuFV-Mittel erstreckt und miteiner Qualitätsregulierung gekoppelt sein muss.

Panel III

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nenpersonenverkehr konkurrieren würden, oder den 7Mrd. EUR Regionalisierungsmitteln pro Jahr, die weit über-wiegend für den Schienenpersonennahverkehr ausgegebenwerden. Eine derart intensive Förderung darf nicht von ei-nem einzigen, monopolistischen Unternehmen abgeschöpftwerden. Vielmehr muss durch Regulierung der Infrastrukturund intramodalen Wettbewerb zwischen verschiedenenEVU auf der Schiene ein maximaler Nutzen aus der Förde-rung gezogen werden.Darüber hinaus gibt es wichtige Verkehrssegmente, in de-nen die Bahn ausgeprägte komparative Vorteile im inter-modalen Wettbewerb hat. Beispielhaft seien genannt: imPersonenfernverkehr Verbindungen mittlerer Entfernungwie Berlin-Hamburg, im Personennahverkehr viele Ein-zugsbereiche mit hoher Bevölkerungsdichte, im Güterver-kehr langlaufende Seehafenhinterlandverkehre. In diesenSegmenten ähnelt die Marktstellung der Eisenbahn derjeni-gen der Elektrizitätsversorger, die zwar langfristig auch ei-ner gewissen Substitutionskonkurrenz durch z. B. Strom-sparmaßnahmen ausgesetzt sind, die aber dennochreguliert werden müssen, da die Substitutionskonkurrenzzu schwach ist.

These 2: Im Eisenbahnsektor spielen Investitions- und Innovationsanreize eine geringere Rolle als insbesondereim Elektrizitätssektor. Wichtiger sind bei der EisenbahnAnreize zur Kostensenkung und zur effizienten Vermark-tung der Infrastruktur. Dies spricht für eine Anreizregu-lierung, insbesondere eine Price-Cap-Regulierung im Eisenbahnsektor, die mit einer Qualitätsregulierung ge-koppelt sein muss.

Neuinvestitionen und Innovationen sind im Bahnsektorweitgehend fremdbestimmt: Neu- und Ausbauinvestitionenwerden überwiegend vom Staat finanziert und deshalb auchvon ihm gelenkt (BVWP), wichtige Systeminnovationen und-investitionen müssen aufgrund der Interoperabilitätserfor-dernisse EU-weit geplant und angeschoben werden, die For-schung und Entwicklung im Bahnsektor findet heute weitüberwiegend in der Industrie statt, die international aufge-stellt ist. Aus diesen Gründen sind die Einflüsse einer Regu-lierung auf Investitions- und Innovationsanreize (Aspekteder „dynamischen Effizienz“) im Bahnsektor zwar auch zuberücksichtigen, aber von untergeordneter Bedeutung.

Dies ist ein besonders auffälliger Unterschied zum Elektrizi-tätssektor, der keine nennenswerten staatlichen Investitions-mittel erhält. Die richtige Verzinsung des Kapitals, die derRegulierer gewährt, spielt dort eine entscheidende Rolle fürdie Investitionsanreize. Daher muss eine Anreizregulierung

im Elektrizitätssektor die Einflüsse auf Investitions- und In-novationsanreize vorrangig berücksichtigen, zumal das In-vestitionsthema aktuell eine besonders hohe Bedeutung hat.

Die Qualitätssicherung sollte in beiden Sektoren einewichtige Rolle für die Regulierung spielen. Im Elektrizitäts-sektor ist die „Qualitätsregulierung“ ein flankierendes Ele-ment der Anreizregulierung – zum einen wird die Einhal-tung von Qualitätsstandards separat überwacht, zumanderen gibt es Anreizelemente in Form von Bonus/Malus-Systemen in der Entgeltregulierung. Im Unterschied dazusoll im Eisenbahnsektor eine Leistungs- und Finanzie-rungsvereinbarung (LuFV) zwischen dem Bund und denEIU der DB abgeschlossen werden, wonach der Staat 2,5Mrd. EUR jährlich zahlt und die EIU sich verpflichten, eindefiniertes Qualitätsniveau aufrechtzuerhalten. Es stelltsich aber die Frage, ob nicht auch im Eisenbahnsektor eineflankierende Qualitätsregulierung durch den Regulierernotwendig ist, zusätzlich zu den Qualitätskriterien derLuFV. Denn die LuFV ist als eine sehr langfristige, stabileGrundlage des Verhältnisses Bund-Bahn gedacht, die sichauf wesentliche Kernfragen konzentrieren sollte. Qualitäts-regulierung sollte jedoch umfassend sein, die Interessen derNutzer berücksichtigen und zeitlich flexibel an den Standder Wissenschaft angepasst werden können. Dies kann derRegulierer (Bundesnetzagentur) vermutlich besser leistenals ein vom Eisenbahnbundesamt überwachtes Grundla-genvertragswerk.

Die zentralen Themen einer Regulierung der Eisenbahnin-frastruktur sind die der Kostensenkung (damit Preissen-kung), der Infrastrukturnutzung und des Infrastrukturer-halts. Dies sind zugleich die Themen, in denenAnreizregulierung ihre besondere Stärke entfaltet (Aspekteder „statischen Effizienz“). Aufbauend auf der vom Staatim Rahmen der LuFV festgelegten Zahlung legt der Regu-lierer für eine Regulierungsperiode von etwa fünf Jahreneine verbindliche Preisobergrenze für die EIU fest. Diessetzt Anreize zur Kostensenkung der EIU. Der Price Capsoll normale Gewinne, aber keine überhöhten Gewinne er-lauben. Denn ein möglichst geringes Trassen- und Stations-preisniveau wirkt auf eine hohe Netznutzung hin. Die Vor-gabe einer Preis-Obergrenze („Price Cap“) setzt außerdemVermarktungsanreize für die EIU, da diese durch eineMengenausweitung ihren Gewinn erhöhen können. Diesist im Eisenbahnsektor besonders wichtig, da die „Ver-marktung“ von Trassen ein aufwändiger Prozess ist, tat-sächlich handelt es sich um die komplizierte Konstruktioneines Jahres-Netzfahrplans. Eine Preisregulierung setzt An-reize, möglichst viele Trassen im Netz unterzubringen unddamit die Netzauslastung – ein zentrales Thema der Wirt-schaftlichkeit der Bahn – zu erhöhen.

Panel III

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27Panel III

These 3: Die Anreizregulierung muss sich auf alle wichtigen Aktivitäten der EIU beziehen, die mit dem Betrieb undUnterhalt (= Instandhaltung und Ersatzinvestitionen) des Netzes verbunden sind – unabhängig davon, ob sieals „vom Staat“ oder „durch Trassenpreise“ finanziertgelten (integriertes Konzept der Anreizregulierung). DieRegulierung der Preise kann dann mögliche Diskrepan-zen zwischen der Kostenentwicklung und den staatli-chen Zuwendungen kompensieren.

Eine Separierung der Aktivitäten eines EIU in „staatlich fi-nanzierte“ und „trassenpreisfinanzierte“ Aktivitäten wärevöllig künstlich und würde zu Verwerfungen, Missbrauchund Starrheiten führen. Mit der LuFV will man eine solchebisher existierende künstliche Trennung überwinden (diezwischen Instandhaltung und Ersatzinvestitionen). In derAnreizregulierung darf man solche Trennungen nicht er-neut etablieren. Einzige Ausnahme: Der Aus- und Neubauvon Strecken, der einem eigenen umfassenden Regelwerkunterliegt, sollte separat behandelt werden.

Eine Stärke dieser integrierten Herangehensweise liegt da-rin, dass die Anreizregulierung die gesamte Kostensituationeines EIU betrachtet und in allen Bereichen, auch beimNetzunterhalt, Produktivitätsfortschritte aufdecken kann.Eine weitere Stärke liegt darin, dass sie den Price Cap stetsso ausrichten kann, dass das EIU keine Verluste und auchkeine Übergewinne macht. Dadurch werden die staatlichenZuwendungen an das EIU sinnvoll eingebettet. Wenn zumBeispiel die Kosten des EIU aufgrund der Inflation zuneh-men, die staatlichen Zuwendungen aber konstant bleiben(„reale Degression der Zuwendungen“), dann muss der Pri-ce Cap stärker angehoben werden als die Inflation, damitdas Unternehmen nicht in Verlustgefahr gerät. Wenn umge-kehrt die gesamten Kosten aufgrund von Produktivitätsver-besserungen gesenkt werden können, die staatlichen Zu-wendungen aber konstant bleiben, dann sollte der PriceCap noch stärker abgesenkt werden, um mehr Verkehr aufdie Schiene zu ziehen. Die jeweils richtige Anpassung desPrice Cap lässt sich mit einer einfachen Formel, die diestaatlichen Zuwendungen berücksichtigt, berechnen.

These 4:Separate Price-Caps für die Trassenpreise des SPNV,SPFV und SGV („Körbe“) verstetigen und stabilisierendas gegenwärtige Trassenpreissystem, indem sie verhin-dern, dass die EIU einseitig politisch sensible Verschie-bungen zwischen den Belastungen dieser Marktsegmen-te vornehmen können.

Generell liegt ein Vorteil der Price-Cap-Regulierung darin,dass das EIU die Preisstruktur frei gestalten kann. Diesmuss aber Grenzen finden, wenn die relative Belastung derdrei wichtigen Marktsegmente SPNV (Schienenpersonen-nahverkehr), SPFV (Schienenpersonenfernverkehr) undSGV (Schienengüterverkehr) betroffen ist. Insbesonderedarf das EIU nicht beliebige Freiheit haben, den subventio-nierten SPNV abzuschöpfen. Dies muss zusammen mit derHöhe der Regionalisierungsmittel politisch entschiedenwerden. Auch der Regulierer kann dies nicht allein ent-scheiden, er kann aber hierfür einen Rahmen bieten.

Eine Verstetigung der derzeitigen Belastungen der einzel-nen Marktsegmente durch Regulierungs-Körbe hat auchden Vorteil, dass das derzeitige Trassenpreissystem ohneBruch in die Phase der Anreizregulierung übernommenwird. Mittel- und langfristig werden sich dann die Vorteileder Anreizregulierung auf die Trassenpreise auswirken. DieMarktteilnehmer (die EVU) können also von einer stabilenund generell positiven Entwicklung dieser für sie beson-ders wichtigen Inputpreise ausgehen.

These 5: Nach der Teil-Privatisierung der EVU der DB muss dieBahnreform auch im Infrastrukturbereich Fortschrittemachen, indem LuFV und Regulierung weiterentwickeltwerden. Wenn die Eisenbahnregulierung zur Anreizregu-lierung fortentwickelt wird, kann sie Erfahrungen und Pa-rallelen aus anderen, weniger politisierten Sektoren ingeeigneter Weise übertragen und damit zugleich in Rich-tung auf eine rationalere Gestaltung der Bahnpolitik hin-wirken. Zudem würde sie helfen, das Verhältnis zwischenden Teil-Holdings der DB zu regeln.

Der Beschluss zur Teilprivatisierung der Verkehrsspartender DB bedeutet einen Schritt voran in der Bahnpolitik.Dieser Schritt betrifft aber nur die Verkehrssparten. Auchdie Infrastruktursparten brauchen einen Schritt voran – al-lerdings nicht in Richtung auf eine Privatisierung, dazu eig-net sich dieses natürliche Monopol nicht, sondern in Rich-tung auf eine rationalere Steuerung durch die öffentlichenInstitutionen.

Aufgrund der hohen staatlichen Zuwendungen und An-sprüche an die Eisenbahninfrastruktur haben Einfluss undLobbying der Politik herausragende Bedeutung – nicht im-mer zum Besten für Bahn und Steuerzahler. In diesem Zu-sammenhang hätte eine unabhängige und professionelleAnreizregulierung – gemeinsam mit einer LuFV – auch dieFunktion, auf eine rationalere Bahnpolitik und eine Be-schränkung des Lobbying hinzuwirken.

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Anreizregulierung und LuFV passen ideal zueinander. DieLuFV setzt in einer klar fixierten Form die langfristigenGrundbedingungen für das Verhältnis Bund-Bahn, die An-reizregulierung setzt unmittelbar darauf auf und fixiert fürdie Dauer einer Regulierungsperiode die Preisobergrenze fürdas Unternehmen. Dabei berücksichtigt der Regulierer so-wohl die Anforderung des EIU, langfristig verlustfrei alsWirtschaftsunternehmen agieren zu können, als auch die In-teressen der EVU, keinen Monopolpreisen ausgesetzt zusein. Der Regulierer würde damit auch eine wichtige Funkti-on im Holding-Modell erfüllen, indem er im Verhältnis zwi-schen den privaten Investoren der DB-EVU und dem Mehr-heitseigentümer Bund der DB-EIU ausgleichen könnte.

Man sollte die sich derzeit bietende Möglichkeit nutzen,die Regulierung der Eisenbahn zur Anreizregulierung fort-zuentwickeln.

Panel III

Dr. C. Rolle, Dr. K. Lindemann, Dr. C. Kreklau, Dr. H. Ungerer, Dr. J. Weidmann, M. Kurth (v.l.n.r.)

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29Panel IV

Panel IV – Das Verhältnis von allgemeiner und spezieller Wettbewerbsauf-sicht am Beispiel Telekommunikation und GaswirtschaftDiskussionsbeitrag: Prof. Dr. Dr. Christian Kirchner, LL.M. (Harvard)

Prof. Dr. jur. Dr. rer.pol. Christian Kirch-ner, LL.M. (Harvard),ist Inhaber des Lehr-stuhls für deutsches,europäisches undinternationales Zivil-und Wirtschaftsrechtund Institutionen-ökonomik an derHumboldt-Universi-tät zu Berlin

Einführung ‚Spezielle Wettbewerbsaufsicht’, auch ‚sektorspezifi-sche Regulierung’ genannt, ist in Europa ein Kindder Deregulierung nationaler Monopole – oft beglei-tet von Privatisierung – und einer Reregulierung aufeuropäischer Ebene. Die Reregulierung wurde undwird in der Regel damit gerechtfertigt, dass der Über-gang von einem Monopol zu einem Markt mit wirk-samem Wettbewerb in Netzsektoren eine Netzzu-gangsregulierung voraussetzt. Ohne eine solchekönnte der Altsasse (incumbent) als Netzinhaberund -betreiber Unternehmen, die auf nachgelagertenMärkten mit ihm in Wettbewerb stehen, diskriminie-ren. Er besäße auf diesen Märkten eine netzbasierteMarktmacht. Diese ließe sich nicht wirksam mit denInstrumenten der allgemeinen Wettbewerbsaufsicht– also den Instrumenten des allgemeinen Wettbe-werbs- und Kartellrechts – bekämpfen.

Wird die Entscheidung für eine ‚spezielle Wettbe-werbsaufsicht’ in Netzsektoren für eine Anfangs-phase nach der Deregulierung weithin geteilt, soscheiden sich die Geister an der Frage, ob dies einedauerhafte sektorspezifische Regulierung zur Folgehaben sollte oder aber eine zeitlich befristete Regu-lierung (sunset regulation). Wenn man das Beispieldes Sonnenuntergangs bemüht, streitet man sichüber die Länge des Tages (vor Sonnenuntergang).Die Befürworter einer dauerhaften Regulierungmöchten den Tag in alle Ewigkeit verlängern.

Die Diskussion der genannten Streitfrage soll zumeinen Telekommunikationsmärkte, zum anderenGasmärkte betreffen. Während in den ersten einzunehmender Wettbewerb zwischen konkurrieren-den Märkten zu verzeichnen ist, zeichnen sich letz-tere dadurch aus, dass zwar im Ferntransport eingewisser Wettbewerb herrscht, nicht aber auf derEbene der Verteilung an die Endkunden. Hier gibtes monopolistische Engpässe (bottlenecks).

ProblemstellungWenn sich sektorspezifische Regulierung nicht nurauf die Regulierung des Zugangs zum Netz erstreckt,sondern auch auf die Marktaktivitäten des Altsassenauf nachgelagerten Märkten, ergibt sich folgendeProblemstellung: Zuerst ist nach dem Abbau der Re-gulierung der zweiten Kategorie zu fragen. Das Argu-ment, das dafür genannt wird, bezieht sich auf die In-tensivierung des Wettbewerbs, die unter anderemdurch das Instrument der Zugangsregulierung be-wirkt wird. Die Vorteile des Altsassen schmelzen mitzunehmendem Marktzutritt von Wettbewerbern ab.Hier ist ein Auslaufen der Regulierung also im Grun-de nicht problematisch. Es wird gegenwärtig im Rah-men der Regulierung von Telekommunikationsmärk-ten darauf abgestellt, ob es auf den nachgelagertenMärkten zur Herausbildung wirksamen Wettbewerbskommt.

Das Kernproblem betrifft dann das Zurückfahren derNetzzugangsregulierung. Das Problem ist insofernkomplex, als dann auf eine Netzzugangsregulierungverzichtet werden kann, wenn sich ein Wettbewerbzwischen konkurrierenden Netzen herausbildet. Obund in welcher Geschwindigkeit dies allerdings derFall ist, hängt unter anderem von den Zugangsbedin-gungen zum Netz des Altsassen ab. Sind diese Zu-gangsbedingungen für die zugangsbegehrenden Un-ternehmen sehr günstig, erlahmen die Anreize, inneue Netze zu investieren. Das Problem des Auslau-fens der Zugangsregulierung ist damit – auch – einesder Ausgestaltung der Zugangsregulierung in einerZeit, in der ein Aufbau konkurrierender Netze nochnicht in Betracht kommt.

Das Problem stellt sich dann nicht, wie oft unter-stellt, als das eines einfachen Vergleiches sektorspe-zifischer Regulierung und der Anwendung allgemei-nen Wettbewerbs- und Kartellrechts – also der

Das Auslaufen sektorspezifischer Regulierung für den Telekommunikations-sektor wird heute von mehr und mehr Experten gefordert. Der Beitrag setztsich mit den Argumenten für und gegen diesen Ansatz der Sunset-Regulie-rung auseinander und kommt zum Schluß, daß ein baldiger Sonnenunter-gang geboten ist. Für den Gassektor gilt diese Argumentation nicht, da derAufbau konkurrierender Netze hier schnell an Grenzen stößt.

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kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle – unter den Aspek-ten Kosten und Wirksamkeit der jeweiligen Instrumente dar.Es geht um einen Vergleich unterschiedlicher Regulierungs-konzepte, bei dem die Dynamik der betreffenden Märkte ei-nen wesentlichen Faktor bildet.

Herkömmliche LösungsansätzeDie Diskussion erschöpft sich oft auf zwei Fragen, nämlicheinmal den Abbau sektorspezifischer Regulierung der nach-gelagerten Märkte und auf die ‚überlegene Effektivität’ sek-torspezifischer Regulierung. Das erste Problem ist im Vorab-schnitt angesprochen worden. Die praktischen Probleme, diebei einem Auslaufen dieser Variante der sektorspezifischenRegulierung auftauchen, sind Prognoseprobleme. Denn eskann nicht darauf ankommen, ob sich bereits in der Vergan-genheit auf den betreffenden Märkten wirksamer Wettbewerbeingestellt hat, sondern es muss um die doppelte Frage ge-hen, ob sich in der Folgeperiode ein solcher einstellen wird,und ob – selbst wenn das nicht der Fall ist – die Anwendungdes allgemeinen Wettbewerbs- und Kartellrechts ausreicht,um die Probleme zu lösen. Der letztere Aspekt ist durch Er-wägungsgrund 27 der so genannten Rahmenrichtlinie desRichtlinienpakets zur Telekommuniktionsregulierung ausdem Jahre 2002 eingeführt worden. Im Grunde geht es da-rum, wie mit Prognoseunsicherheiten umzugehen ist, ob imZweifel an der sektorspezifischen Regulierung festzuhaltenist oder genau umgekehrt im Zweifel der Anwendung des all-gemeinen Wettbewerbs- und Kartellrechts der Vorrang einzu-räumen ist. Da sektorspezifische Regulierung im Vergleichzur Anwendung des allgemeinen Wettbewerbs- und Kartell-rechts die einschneidendere und belastendere Maßnahmedarstellt, ist im System einer freien Marktwirtschaft im Zwei-fel für den geringfügigeren Eingriff in die Freiheit der Betrof-fenen zu entscheiden, also für das Auslaufen der sektorspezi-fischen Regulierung (‚in dubio pro lege generale’ und nicht‚in dubio pro regulatione’).

Die Frage nach der Überlegenheit sektorspezifischer Regu-lierung wird gern mit dem Hinweis auf den ex-ante-Cha-rakter der sektorspezifischen Regulierung und auf den Zu-griff auf alle Marktaktivitäten beantwortet. Wettbewerbs-und Kartellrecht greife ex post ein und erfasse nur einzelneFälle, von denen dann gegebenenfalls generalpräventiveWirkungen ausgingen. Die Schwächen dieser Argumentati-on betreffen zum einen die Fehleinschätzung der kartell-rechtlichen Missbrauchskontrolle. Arbeitet diese mit demVerbotsprinzip, dann ist der Missbrauch der marktbeherr-schenden Stellung schon ex ante verboten. Das ist so imdeutschen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. DerHinweis auf den umfassenderen Ansatz der sektorspezifi-schen Regulierung gilt dann, wenn monopolistische Engpäs-

se (bottlenecks) vorliegen, wenn es also um netzspezifischeMarktmacht geht. Wird diese aber durch aufkommendenWettbewerb zwischen konkurrierenden Netzen abgebaut, istdiese Argumentation nicht mehr einschlägig.

Traditioneller industrieökonomischer HintergrundDie traditionellen Lösungsansätze stützen sich interessanter-weise auf zwei miteinander konkurrierende industrieökono-mische Ansätze, nämlich einmal auf den Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Ansatz (Strukturansatz) undden ‚ökonomischeren Ansatz’ (more economic approach)(Ansatz der Neuen Industrieökonomik).

Im Strukturansatz kommt existierenden Marktstrukturenentscheidende Bedeutung zu. Erfordern diese flächende-ckende ex-ante-Eingriffe, wird sektorspezfische Regulie-rung gerechtfertigt. Im Ansatz der Neuen Industrieökono-mik werden die Auswirkungen von Wettbewerbs-beschränkungen auf die Wohlfahrt gemessen. Dabei wirdnicht auf die allgemeine Wohlfahrt, sondern auf die Konsu-mentenwohlfahrt abgestellt. Die Entscheidung zwischensektorspezifischer Regulierung und der Anwendung allge-meinen Wettbewerbs- und Kartellrechts ist dann im Lichteder jeweiligen Effekte für die Konsumentenwohlfahrt zutreffen. Entscheidend ist dann aber, dass die Neue Indus-trieökonomik einen komparativ-statischen Ansatz verwen-det, also dynamische Effekte grundsätzlich ausklammert,und dass mit relativ kurzen Zeitspannen gearbeitet wird.

Netzspezifische Marktmacht und sektorspezifische RegulierungEs ist bereits auf die Unterscheidung zwischen Wettbewerbauf nachgelagerten Märkten mit Netzzugang der Wettbe-werber zu einem vorhandenen Netz (Intranetzwettbewerb)und einem Wettbewerb zwischen Netzen (Internetzwettbe-werb) hingewiesen worden (oben in Abschnitt 2). Im Inter-netzwettbewerb fehlt es an netzspezifischer Marktmacht.Dann entfällt die Rechtfertigung für sektorspezifische Re-gulierung. Es wurde auch bereits darauf abgestellt, dass dieEntwicklung von Internetzwettbewerb eine Funktion dersektorspezifischen Regulierung in der Anfangsphase derRegulierung ist. Gewährt die Regulierungsbehörde in die-ser Phase den Zugangspetenten sehr günstige Zugangsbe-dingungen, wird dadurch Internetzwettbewerb behindertoder unmöglich gemacht mit der Folge der Zementierungder sektorspezifischen Regulierung. Besteht Interesse ander Entwicklung von Internetzwettbewerb – wie im Tele-kommunikationssektor –, hat die Regulierung so anzuset-zen, dass sie sich selbst überflüssig macht. Das ist ein nichtsehr einfaches Vorgehen für eine Behörde, die sich nichtselbst abschaffen will.

Panel IV

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31Panel IV

Funktionsvergleich zwischen sektorspezifischer Regulie-rung und kartellrechtlicher MissbrauchsaufsichtSektorspezifische Regulierung zeichnet sich durch einen vor-beugenden Schutz des Wettbewerbs auf nachgelagertenMärkten aus. Es wird dabei auf die historisch begründeteMarktmacht des Altsassen (incumbent) verwiesen. Deshalbsei eine flächendeckende Regulierung – im Unterschied zupunktuellen Eingriffen – erforderlich. Das setze eine entspre-chende Ausstattung einer Regulierungsbehörde mit personel-len und sachlichen Mitteln voraus.

Die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle stellt sich als einex-ante-Verbot dar, das ex post entweder von einer Kartellbe-hörde oder privaten Klägern durchgesetzt wird. Dieses Kon-zept wird gerechtfertigt für solche Märkte, in denen dankfunktionierender Zugangsregulierung die netzspezifischeMarktmacht des Altsassen (incumbent) neutralisiert ist. BeiWegfall netzspezifischer Marktmacht durch die Entstehungvon Internetzwettbewerb entfallen die monopolistischenEngpässe (bottlenecks). Mißbrauchsfälle können nunmehrvon Fall zu Fall aufgegriffen werden. Das adäquate Instru-ment dafür ist die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle.

Bisher beschränkte sich der Vergleich zwischen einer sektor-spezifischen Regulierung und der kartellrechtlichen Miss-brauchsaufsicht auf eine statische Sichtweise. Diese ist aufzu-geben, wenn man den Wettbewerb – mit Hayek – alsEntdeckungsverfahren begreift. Diese Entdeckungsfunktionkann der Wettbewerb aber nur dann erfüllen, wenn derGrundsatz gilt ‚in dubio pro libertate’ (vgl. oben Abschnitt 3).Nun ist bezüglich der Entdeckungsfunktion des Wettbewerbsein infrastrukturbasierter Wettbewerb einem Intranetzwettbe-werb deutlich überlegen. Es bedingen sich Netzinnovationenund Innovationen auf nachgelagerten Märkten gegenseitig.Diese Effekte können mit einem komparativ-statischenStrukturansatz genau so wenig erfasst werden wie ein Ansatzder Neuen Industrieökonomik, der auf kurzfristige Effekteder Konsumentenwohlfahrt abstellt.

Ein Vergleich sektorspezifischer Regulierung und kartell-rechtlicher Missbrauchsaufsicht sollte auch Aspekte der Neu-en Politischen Ökonomie (public choice) sowie auch solchedes rechtlichen Rahmens (also der Meta-Institutionen) einbe-ziehen. Unter public-choice-Aspekten geht es zum einen umResistenz existierender Behörden gegen Stellenverlagerun-gen, also etwa um solche von einer Regulierungs- zu einerKartellbehörde. Außerdem ist in Rechnung zu stellen, dassRegulierung nachgefragt wird, insbesondere dann, wenn eineexistierende Zugangsregulierung im Effekt nicht nur Wettbe-werb, sondern auch Wettbewerber schützt. Bezüglich desRechtsrahmens ist zu berücksichtigen, dass die EuropäischeUnion einen stärkeren Zugriff auf nationale sektorspezifische

Regulierung hat, als auf die Anwendung der nationalen Miss-brauchskontrolle. So wird erklärlich, weshalb auf europäi-scher Seite eine gewisse Zurückhaltung in Bezug auf ein Aus-laufen sektorspezifischer Regulierung festzustellen ist.

Das Konzept dynamischer Regulierung Stellt man die genannten Fakten und Argumente in Rech-nung, handelt es sich bei der Problematik eines Auslaufenssektorspezifischer Regulierung von Netzindustrien nichtum eine Frage, die in einem bestimmten Zeitpunkt beant-wortet werden kann. Es geht letztlich um ein dynamischesKonzept der Regulierung. Dann sind drei Phasen zu unter-scheiden. In Phase I tritt neben einer sektorspezifischenNetzzugangsregulierung eine kartellrechtliche Miss-brauchsaufsicht über nachgelagerte Märkte. Auf diesenMärkten besteht dann, wenn die Zugangsregulierung effek-tiv funktioniert, keine netzspezifische Marktmacht. In Pha-se II entwickelt sich wirksamer Wettbewerb auf den nach-gelagerten Märkten und, je nach der Art der Netze,beginnender Wettbewerb zwischen Netzen. Das bedeutetdann ein Rückfahren der kartellrechtlichen Missbrauchs-aufsicht mit einer Modifizierung der Zugangsregulierung,die nunmehr mit Blick auf einen sich möglicherweise ent-wickelnden Wettbewerb zwischen Netzen erfolgen kann.Ein Beispiel ist hier die Telekommunikationsregulierung.In Phase III hat sich, je nach Art der Netze, sowohl derWettbewerb auf nachgelagerten wie auch der Wettbewerbzwischen den Netzen zu einem wirksamen Wettbewerbentwickelt. Sektorspezifische Regulierung ist nunmehr zubeenden. Eine kartellrechtliche Missbrauchskontrolle istnur noch in Sondersituationen erforderlich.

Fazit und AusblickDie ausgeführten Überlegungen zeigen, dass ein Auslaufensektorspezifischer Regulierung sehr stark von der Art derNetze abhängig ist. Der Möglichkeit von Wettbewerb zwi-schen Netzen kommt entscheidende Bedeutung zu. ImGassektor wird davon nur im Bereich des Ferntransportsauszugehen sein, nicht bei der Verteilung an Endkunden.Hier kann von einem dauerhaften regulierungsbedürftigenmonopolistischen Engpass (bottleneck) ausgegangen wer-den. Ganz anders sieht die Erforderlichkeit des Auslaufens,also des ‚Sonnenuntergangs’ sektorspezifischer Regulie-rung auf Telekommunikationsmärkten aus. Hier ist derSonnenuntergang mit der Entstehung von Wettbewerb zwi-schen konkurrierenden Netzen angesagt. Eine regionaleDifferenzierung wird insofern erforderlich sein, weil sichein solcher Wettbewerb eher in Ballungsgebieten einstellenwird und nicht in ländlichen Regionen.

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33BDI - Diskussionspapier für mehr Wettbewerb und Investitionen

I. Einführung: Intelligente Regulierung für netzbasierte Märkte 34

II. Status Quo der Netzmarktregulierung 35Liberalisierungsstatus 35Zwischenergebnis 36

III. Sektorübergreifende Regulierungsstrategien 36Netzzugang 37Entgelt für die Netznutzung 37Vertikal integrierte Unternehmen 38

IV. Besondere Regulierung und allgemeine Wettbewerbsaufsicht 39

V. Prozedurale Regelungsfragen 40Nationaler und Europäischer Regulierer 40Regulierungskompetenzen auf nationaler Ebene 41

VI. Ergebnis und Ausblick 42

BDI - Diskussionspapier für mehr Wettbewerb und InvestitionenInhaltsverzeichnis

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I. Einführung: Intelligente Regulierung für netzbasierteMärkteDer Übergang von Monopolstrukturen netzbasierter Wirt-schaftsbereiche in einen fairen Wettbewerbsmarkt ist ab-hängig von den staatlich gesetzten Rahmenbedingungen.Zugleich muss ein Marktumfeld entstehen, das für die erfor-derlichen Investitionen und Innovationen dauerhaft Anrei-ze schafft. Für die Bereiche Energie, Eisenbahn, Telekom-munikation und andere netzabhängige Industriesektorensteht der Staat damit vor einer anspruchsvollen Aufgabe:Durch intelligente Regulierung müssen Wettbewerbsstruk-turen ermöglicht oder aufrechterhalten werden, die im Er-gebnis eine bestmögliche Versorgung der Bürger und Unter-nehmen gewährleisten. Die Qualität der staatlichenRegulierung ist damit ein entscheidender Faktor für die Zu-kunft der Netzmärkte.

Intelligente Regulierung erfordert in erster Linie eine klareZiel setzung. Unabhängig von den sektoralen Besonderhei-ten der jeweiligen Netzmärkte muss als gemeinsames Fun-dament die Schaffung wirksamer Investitionsanreize undfairen Wettbewerbs das bestimmende Moment bleiben.Eine Regulierungspraxis, die sich an anerkannten Maßstä-ben orientiert, bietet die Chance zur adäquaten Ausgestal-tung von Rahmenbedingungen. Die sektorübergreifendePerspektive macht auch Unterschiede zwischen den Netz-wirtschaften erkennbar, die bei vergleichbaren Fragestel-lungen abweichende Regulierungsmaßnahmen rechtferti-gen können.

Das aktuelle Regelungsfeld der Netzmärkte gleicht heuteeinem Flickenteppich, der von historischen Zufällen, sek-toral gewachsenen Marktkonstellationen und situativ ge-prägten Kompromissen geprägt zu sein scheint. Zugleichwerden Analogien zwischen den Netzsektoren im öffentli-chen Diskurs nur selten systematisch, sondern eher zurUntermauerung partikularer Anliegen angestellt. Dem wirdnicht gerecht, dass verbindende Elemente einerseits sowiesektorspezifische Unterschiede auf den Netzmärkten ande-rerseits Ausdruck einer gleichlaufenden Herausforderungsind.

Vor diesem Hintergrund setzt die sektorübergreifende Zu-ständigkeit der Bundesnetzagentur ein richtiges und wich-tiges Signal, das es kraftvoll aufzugreifen und fortzuentwi-ckeln gilt. Die sektorübergreifende Perspektive auf diegemeinsamen Herausforderungen verbessert die Chancezur systematischen und konsistenten Gestaltung von Netz-marktregulierung – auch durch gegenseitige Lerneffekte.Einzelne Netzbranchen sollen von den – guten undschlechten – Erfahrungen anderer Sektoren lernen, derenLiberalisierung schon weiter entwickelt ist.

Der BDI unterstützt eine sektorübergreifende Regulie-rungsdiskussion der netzbasierten Industriebereiche. Aus-gangspunkt dafür ist eine Bestandsaufnahme der Unter-schiede und Gemeinsamkeiten der betroffenen Sektorensowie der unterschiedlichen Entwicklungsstände bei derNetzmarktregulierung (II). Die anschließende Betrachtungvon sektorübergreifenden Regelungsstrategien gründet aufdem gemeinsamen Ziel zu fairem und nachhaltigem Wett-bewerb. Dieses Ziel konkretisiert sich zum Beispiel in derFrage des Netzzugangs, der Nutzungspreise sowie demUmgang mit vertikal integrierten Unternehmen (III). Darü-ber hinaus stellt sich als gemeinsame Frage das Verhältnisvon spezieller (ex-ante) Regulierung und allgemeiner (ex-post) Wettbewerbsaufsicht (IV) sowie das Problem, welcheInstitutionen auf welcher Ebene in welchem Umfang undVerfahren regulatorisch tätig werden sollen (V).

Der BDI möchte anregen, das Bewusstsein in Politik undWirtschaft für den konzeptionellen Zusammenhang derNetzmarktregulierung zu schärfen. Das sektorübergreifendeFundament ermöglicht die konsistente Weiterentwicklungdes Regulierungsregimes. Die gewonnenen Erkenntnissekönnen der Liberalisierungsagenda für die netzbasierten In-dustrien neue Schwungkraft zum Wohle der Verbraucherund der gesamten Wirtschaft verleihen.

BDI-Diskussionspapier für mehr Wettbewerb und Investitionen

Die Liberalisierung der Netzindustrien basiert auf gemeinsamen Grundprin-zipien der Regulierung, die bei monopolen Strukturen zur Entstehung vonWettbewerb beitragen. Intelligente Regulierung und De-Regulierung mussdiese Regeln beachten, um für die gesamte Wirtschaft den größten Nutzen zuerzielen.

BDI-Diskussionspapier für mehr Wettbewerb und Investitionen34 BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

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BDI-Diskussionspapier für mehr Wettbewerb und Investitionen 35BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

II. Status Quo der NetzmarktregulierungDie gemeinsame Zielsetzung für die netzbasierten Wirt-schaftsmärkte liegt in der Herstellung eines unverfälschtenund selbsttragenden Wettbewerbs. Zugleich sollen Anreizefür Innovation und Investition der Unternehmen in die In-frastrukturnetze geschaffen werden. Sicherheit und Versor-gungsqualität sowie auch Kostenbewusstsein und Umwelt-verträglichkeit gehören zu den weiteren Zwecken derRegulierung. Während sich diese Regelungsziele sektor-übergreifend gut vergleichen lassen, bestehen in der Quali-tät ihrer Umsetzung noch erhebliche Unterschiede. DieGründe dafür sind vielfältiger Natur und zeigen zugleichunterschiedliche Liberalisierungsstadien der jeweiligenMärkte für Eisenbahn, Elektrizität, Gas und Telekommuni-kation auf.Die unterschiedlichen Entwicklungsstadien sind Ausdruckeines dynamisch verlaufen den Liberalisierungsprozesses.Der Übergang zu funktionierenden Wettbewerbsstrukturenkann in drei Regelungs phasen unterteilt werden. In einerersten Phase wird eine möglichst effektive Regulierung zurFörderung des Wettbewerbs eingeführt („Implementie-rung“). In einer zweiten Phase werden die Wirkungen derRegulierung beobachtet und – soweit erforderlich – durchflankierende bzw. korri gierende Eingriffe ergänzt („Effekti-vierung“). Für den Fall, dass selbsttragende Wettbewerbs-strukturen entstanden sind, schließt sich die dritte Phaseder „Deregulierung“ an. Hier wird das spezielle Regulie-rungsregime in das allgemeine Wettbewerbsrecht zurückge-führt, soweit natürliche Monopole keine dauerhafte Regu-lierung erfordern.Diese modellhafte Beschreibung ist für eine „regulatorischeStandortbestimmung“ der jeweiligen Sektoren nützlich. Esveranschaulicht zudem einen allgemeinen Lernfluss vonRegulierungserfahrung zwischen den jeweiligen Sektoren:Je fortgeschrittener der Liberalisierungsprozess eines Sek-tors gediehen ist, desto eher ist zu erwarten, dass seine Er-fahrungen für andere Sektoren nutzbar gemacht werdenkönnen. Umgekehrt erscheinen Netzsektoren in einem frü-hen Liberalisierungsstadium prinzipiell ungeeignet, Auf-schluss über eine intelligente Regulierung für Sektoren ineiner späteren Liberalisierungsphase zu vermitteln.

Eine sektorübergreifende Betrachtung der netzbasiertenIndustrien schafft die Voraussetzung für eine konsistenteund intelligente Regulierung. Der BDI fordert Politikund Wissenschaft auf, den Blick für das verbindendeFundament der Regulierung zu schärfen und dadurch zueiner konsistenten Regulierung für mehr Wettbewerbund Investitionen zu gelangen.

LiberalisierungsstatusZum 1. Januar 1998 erfolgte eine schrittweise Öffnung derSprachtelefoniemärkte durch europäische Regelungen, diein den Folgejahren auf weitere Bereiche der Telekommuni-kation ausgeweitet wurden. Im Jahre 2002 wurden die Li-beralisierungsregelungen durch fünf EU-Richtlinien imheute geltenden TK-Rechtsrahmen zusammengefasst, des-sen Umsetzung in Deutschland durch das Telekommunika-tionsgesetz (TKG) erfolgte. Sein wesentliches Merkmal istdas Prinzip der Technologieneutralität, wodurch alle For-men elektronischer Kommunikation erfasst werden. DieRegulierung unterliegt dabei einem Kooperationsverfahrenzwischen nationaler Regulierungsbehörde und EU-Kom-mission, in dem Unternehmen mit beträchtlicher Markt-macht ermittelt werden. Für diese Unternehmen verfügt dieRegulierungsbehörde über ein abgestuftes System von di-versen Möglichkeiten zur Durchsetzung von diskriminie-rungsfreien Netzzugängen und Netzentgelten. Darüber hi-naus verpflichtet die Regulierung zu Universaldiensten undentbündelten Zugängen zu Teilnehmeranschlussleitungen.Auf dieser Grundlage konnte sich im Laufe der Jahre invielen Bereichen der Telekommunikation ein nachhaltigerWettbewerb entwickeln. 75 Prozent der Auslandstelefona-te, ca. 43 Prozent der Inlandsverbindungen sowie 46 Pro-zent der Breitbandanschlüsse werden heute von Wettbe-werbern bereitgestellt. In anderen TK-Bereich wie zumBeispiele dem Mobilfunkmarkt verfügten die Wettbewerbervon vornherein über einen größeren Marktanteil als der In-cumbent. Dagegen bestehen im Vorleistungsmarkt zum Teilnoch Risiken für den Wettbewerb wie Quersubventionenund Preis-Kosten-Scheren. Gegenwärtig findet eine Über-arbeitung des Europäischen Rechtsrahmens statt, der biszum Jahre 2010 in Kraft treten soll.

Im Bereich der Strom- und Gasversorgung führte dieWettbewerbsdiskussion auf europäischer Ebene zu Beginnder neunziger Jahre zu den grundlegenden Richtlinien von1998. Ihre Umsetzung in deutsches Recht bewirkte dieAufhebung der Gebietsmonopole in der Strom- und Gas-versorgung und brachte dem Energieverbraucher grund-sätzlich die freie Wahl des Lieferanten. Gleichwohl begrün-dete das natürliche Monopol der netzbetreibendenUnternehmen nach wie vor erhebliche strukturelle Diskri-minierungspotenziale. Die Weiterentwicklung der Binnen-marktrichtlinien für Strom und Gas im Jahre 2003 schriebden regulierten Netzzugang vor, der mit der Novelle desEnergiewirtschaftsgesetzes 2005 in Deutschland umgesetztwurde. Zu diesem Zeitpunkt lag die Wettbewerbsintensitätfür Strom gemessen an der Entnahmemenge im Bereichder Industrie bei rund elf Prozent, im Bereich der sonstigenEndverbraucher bei acht Prozent. In der Gasversorgung

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wurden Wechselquoten von lediglich 0,1 bzw. 0,4 Prozenterzielt (vgl. Jahresbericht 2006 der Bundesnetzagentur).Die Bundesnetzagentur wurde damals beauftragt, das Re-gelwerk für Netzzugang und Entgeltbestimmung durchzu-führen und die Anreizregulierungsverordnung vorzuberei-ten. Seit Mitte 2007 ist diese Anreizregulierungsverordnungin Kraft und wird ab 2009 angewendet werden. Auf ihrerBasis sollen statt einer kostenbasierten EntgeltregulierungErlösobergrenzen für eine Regulierungsperiode festgelegtwerden. Anreize für Kostensenkungen und einer entspre-chenden Steigerung des Wettbewerbs werden geschaffen.Bislang teilen sich wesentliche Marktanteile auf vier großeUnternehmen sowie einige lokal begrenzte Anbieter auf.

Mit der schrittweisen Liberalisierung der europäischenSchienenverkehrsmärkte seit Beginn der neunziger Jahreund der Reform der Eisenbahn in Deutschland (1994) ha-ben sich die Wettbewerbs bedingungen im Schienen verkehrgrundlegend verbessert. Zugleich führte die Umsetzung desersten Eisenbahnpakets von 2001 in Deutschland zu einerStärkung des Regulierungsregimes. Basis der Öffnung dereuropäischen Eisenbahnmärkte war die Richtlinie91/440/EG über die organisatorische Trennung von Trans-port und Infrastruktur, die durch weitere Regelungen überdie Genehmigung von Eisenbahnverkehrsunternehmenund die Zuweisung von Fahrwegkapazitäten sowie die Be-rechnung von Wegeentgelten ergänzt wurde. Diese wurdenim Jahr 2001 durch das so genannte erste Eisenbahnpaketneu gefasst und weiterentwickelt. Auf nationaler Ebene hatmit der dritten Novelle des Allgemeinen Eisenbahngesetzes(AEG) die Bundesnetzagentur zum 1. Januar 2006 die Auf-sicht über den Wettbewerb auf der Schiene übernommen.Während die wettbewerbliche Entwicklung vor Beginn derLiberalisierung vor allem durch anhaltende Markt anteils-verluste der Eisenbahn am gesamten Verkehrsmarkt ge-kennzeichnet war, haben zunehmend wettbewerblicheMarktbedingungen und insbesondere eine stetig wachsen-de Zahl von Wettbewerbern der Deutschen Bahn AG inden vergangenen Jahren zu einer Ausweitung des Marktvo-lumens beigetragen. Die Entwicklung in den einzelnenMarktsegmenten des Schienenverkehrs – Personennahver-kehr, Personenfernverkehr und Güterverkehr – stellt sichdabei unterschiedlich dar. Insbesondere im Schienengüter-verkehr konnten private Wettbewerber der DeutschenBahn AG seit 2000 ihren Marktanteil mittlerweile auf rund20 Prozent (2007) steigern. Die Wachstumsraten der Wett-bewerber der Deutschen Bahn AG von fast 30 Prozentjährlich (2006, 2007) lassen dabei eine ausgeprägte Markt-dynamik im Schienengüterverkehr erkennen. Im Bereichdes Schienenpersonennahverkehrs ist die Entwicklung desWettbewerbs in besonderem Maße von der Vergabepraxis

der öffentlichen Hand abhängig. Bei im Wettbewerb neuvergebenen Verkehren lag der Anteil privater Eisenbahn-verkehrsunternehmen höher. Der gesamte Anteil der Wett-bewerber liegt heute bei knapp über 16 Prozent (2007). ImFernverkehr besteht mit Ausnahme vereinzelter Angeboteprivater Unternehmen kein intramodaler Wettbewerb zurDeutschen Bahn AG. Auch mit Blick auf die hohen Markt-eintrittsbarrieren und dem intermodalen Wettbewerb aufder Straße und Luftverkehr sind hier keine Markteintritteneuer Wettbewerber zu verzeichnen. Insgesamt zeigt dieMarktanteilsverteilung damit trotz einer positiven Entwick-lung eine nach wie vor marktbeherrschende Posi tion derDeutschen Bahn AG. Gleichwohl ist der Trend positiv undsollte durch eine wirkungsvolle Regulierung unterstütztwerden.

ZwischenergebnisAnhand dieser Darstellung ist unbeschadet der notwendi-gen Vereinfachung eine Zuordnung der Netzbranchen aufdie drei Entwicklungsphasen der Liberalisierung möglich.Danach befindet sich der Telekommunikationssektor imfort geschrittensten Stadium der Liberalisierung (3. Phase),bei der das Thema der Deregulierung den Schwerpunkt derLiberalisierungsagenda bestimmt oder bestimmen sollte.Die Eisenbahnmärkte dagegen befinden sich in der 1. Re-gulierungsphase, die eine möglichst effektive Wettbewerbs-regulierung erfordert. Die Märkte Gas und Elektrizitätkönnen dagegen der 2. Phase zugeordnet werden, bei derdie Wirkungen der implementierten Regelung abzuwartenund durch flankierende Korrekturen zu ergänzen sind.Entsprechend verhalten sich die Lernflüsse zwischen denSektoren, die bei einer sektorübergreifenden Betrachtungzu erwarten sind. Im Bewusstsein dieser Standort bestim-mung der jeweiligen Sektoren können die Regelungsstrate-gien und –instrumente in ein angemessenes Verhältnis zu-einander gebracht werden.

III. Sektorübergreifende RegulierungsstrategienVerbindende Zielsetzung aller Netzindustrien für eine sek-torübergreifende Regelungsstrategie ist die Ermöglichungunverfälschten Wettbewerbs im Netz als Basis für einefunktionierende Marktwirtschaft. Soweit natürliche Mono-

Die einzelnen Sektoren befinden sich in unter-schiedlichen Stadien der Liberalisierung. Während sichim Telekommunikationssektor nachhaltige Wettbewerbs -strukturen etabliert haben, bestehen im Energie- undEisenbahnmarkt noch zum Teil erhebliche Wettbewerbs -hindernisse. Jedoch sind positive Marktentwicklungenzu beobachten.

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pole wie das Eisenbahnnetz einen „Wettbewerb der Netze“dauerhaft ausschließen, gelten für die Schaffung eines sichselbst tragenden Wettbewerbs auf den vor- und nachgela-gerten Märkten zusätzliche Anforderungen.

Die netzbasierten Industrien sind wirtschaftlich abhängigvon einer dauerhaften Nutzbarkeit des Netzes (Schiene,Leitung etc.). Befinden sich Netze in der Hand von Unter-nehmen, die gleichzeitig als Anbieter auf vor- und nachge-lagerten Märkten auftreten, besteht ein systemimmanenterAnreiz, potenziellen oder tatsächlichen Wettbewerbern dieNetznutzung zu erschweren. Das ordnungspolitische Kern-ziel einer sektorübergreifenden Regulierung ist daher diewettbewerbliche Nutzung des Netzes in einem attraktiven,investitionsfreundlichen Marktumfeld zu gewährleisten.Weist ein Netz die Eigenschaft eines „Flaschenhalses“ aufund kommt der Aufbau konkurrierender Netze wegen pro-hibitiver Kosten nicht in Betracht, gilt die Forderung nacheinem diskriminierungsfreien Netzzugang und angemesse-nen Netznutzungsentgelten. Es stellt sich dann auch dieFrage, inwieweit natürliche Anreize vertikal integrierterUnternehmen Diskriminierungsanreize strukturell verhin-dert werden können. Weitere Zielsetzungen betreffen dieSicherheit und Versorgungsqualität, Weiterentwicklung derInfrastruktur, Kostenbewusstsein und Umweltverträglich-keit sowie die Schaffung von Investitionsanreizen, die ineinen angemessenen Ausgleich mit dem Liberalisierungs-ziel zu bringen sind.

NetzzugangDas Erfordernis diskriminierungsfreier Zugangs- und An-schlussmöglichkeiten bei nicht duplizierbaren Netzen istgrundsätzlich anerkannt. Im Bereich der Telekommunika-tion und Energie ist die tatsächliche Nutzbarkeit der Netzedurch Dritte unbeschadet vereinzelter Schwierigkeiten lautden Ergebnissen der Monopolkommission heute in weitenTeilen gewährleistet. Dabei kommt der Gewährleistungausreichender Transparenz durch das Unternehmen eineerhebliche Bedeutung zu. Demgegenüber sind im Bereichder Eisenbahn Beschwerden zur Fahrplangestaltung sowieder Zuweisung von Zugtrassen und Rangiereinrichtungenan Wettbewerber zu beobachten. Dies gilt unabhängig vonder zusätzlichen Frage einer diskriminierungsfreien Nut-zung im Bereich sonstiger „Flaschenhälse“ wie Stations-und Serviceeinrichtungen.

Sektorübergreifend könnte ein klares Zeichen für mehr Wett-bewerb gesetzt werden, in dem Sanktionen für (versuchte)Diskriminierungen ein Vielfaches des angestrebten Nutzensübersteigen. Im Sinne der Wettbewerbsförderung sollte – beinicht duplizierbaren – Netzen wie der Eisenbahn und der

Energie zudem der Grundsatz gelten, dass die Kapazitätsnut-zung durch Betriebe des Netzinhabers keinen Vorrang gegen-über Dritten genießt, sondern in frühen Marktentwicklungs-stadien diesen gegenüber im Zweifel zurückstehen.

Regelungsentscheidungen im Energiesektor könnten fürden Eisenbahnsektor eine zusätzliche Hilfestellung aufzei-gen. Die Vergleichbarkeit beider Sektoren ergibt sich ausder mangelnden Duplizierbarkeit beider Netze (Schiene,Energieleitung) sowie den potenziellen Kapazitätsengpäs-sen, die in beiden Netzindustrien entstehen können. Zu-sätzliche Transparenzpflichten nach dem Vorbild der Ener-giemärkte könnten auch im Bereich der Eisenbahnsicherstellen, dass ungerechtfertigte Zugangsentscheidun-gen durch die Einsicht in entscheidungserhebliche Infor-mationen für Wettbewerber und zuständige Behörden ver-hindert werden.

Entgelt für die NetznutzungAls weiteres Feld einer sektorübergreifenden Betrachtungbietet sich die Regulierung der Netznutzungsentgelte an.Bei Vorliegen einer Monopolstellung könnte ein Netzbe-treiber theoretisch beliebig hohe Preise setzen, die demWettbewerber eine Marktteilnahme erheblich erschwerenoder im Ergebnis ganz verbieten („Monopolpreise“). Befin-det sich ein Unternehmen in einem Verbund mit dem mo-nopolistischen Netzbetreiber, können die überhöhten Prei-se innerhalb des Konzernverbundes ausgeglichen werden,in dem der Netzbetreiber die überhöhten Entgelte verbund-intern weiterreicht. Diese Möglichkeit haben Wettbewerberdagegen nicht, so dass überhöhte Preise nachteilig auf Ge-schäftsverläufe und damit auf den Wettbewerb insgesamtwirken. Einen solchen Missbrauch gilt es durch eine intel-ligente Preisregulierung auszuschließen.

Um diese Risiken bei der Nutzungsentgeltung zu vermei-den, wurden bei den Endkundentarifen im Telekommuni-kationssektor Preisregelungen eingeführt, die den nichtexistierenden Wettbewerb der Netze durch Höchstpreisvor-gaben simulierten. Dabei wurde der Netzbetreiber gezwun-gen, „wettbewerbsanaloge“ Preise anzubieten. Nur soweitseine Kosten unter dieser Preisgrenze lagen, erhöhte sichdie Rendite. Mit einem solchen Price Cap erhalten Netzbe-treiber Anreize zur internen Kostenoptimierung. Bei demVollkostenprinzip besteht das Risiko, dass ungerechtfertig-te auf den Wettbewerber umgelegt werden können. Demge-genüber ist der Netzbetreiber bei der Anreizregulierung ge-zwungen, zur Erzielung von Renditen die Netzkosten zuverringern. Mit Wirkung zum 1. Januar 2009 gilt die An-reizregulierung in Form einer Erlösobergrenze für die Netz-entgelte auch im Bereich der Energie.

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Das Beispiel der Energiewirtschaft zeigt allerdings, dasseine auf Kostensenkung ausgerichtete Regulierung die In-vestitionsfähigkeit nicht gefährden darf. Die vorhandeneInfrastruktur muss erhalten und für neue Anforderungenbedarfsgerecht ausgebaut werden können. Es ist unstrittig,dass der politisch gewünschte und geförderte Umbau desEnergiesystems (Integration erneuerbarer Energien, Erhö-hung der grenzüberschreitenden Leitungskapazitäten) ei-nen massiven Netzausbau erfordert. Eine Regulierung, diedie dazu notwendigen erheblichen Investitionen nicht er-möglicht, gefährdet die Versorgungssicherheit und verfehltihre Aufgabe.

Insoweit bietet sich eine vernünftige Anreizregulierung, dieauch Investitionen sicherstellt, sektorübergreifend als einden Wettbewerb stimulierendes Instrument an. Im Falle derEisenbahn hätte dies positive Auswirkungen auch auf dieKosten der öffentlich geförderten Netzunterhaltung. Um denEigenheiten bei der Eisenbahn gerecht zu werden und eineKostenverlagerung zwischen verschiedenen Strecken zu ver-hindern, könnten – nach dem Vorbild aus der Telekommuni-kation – bei der Anreizregulierung zudem einzelne Preiskör-be für den Personennah und -fernverkehr sowie für denGüterverkehr gebildet werden. Unabhängig von der disku-tierten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung würdendurch eine Anreizregulierung der Trassennutzungsentgeltebestehende Effizienzpotenziale in der Infrastrukturbewirt-schaftung gehoben und der Wettbewerb weiter simuliert. Mitder Einführung einer Leistungs- und Finanzierungsvereinba-rung könnten sowohl für die institutionell-politische alsauch die unternehmerische Steuerung der Eisenbahninfra-strukturen weitere Effizienzpotenziale erschlossen werden.

Vertikal integrierte UnternehmenEin sektorübergreifendes Kernproblem bei natürlichen Mo-nopolen entsteht, wenn das Netz von derselben Hand bereit-gestellt werden soll, die zugleich im Wettbewerb mit anderenNutzern steht und die Wettbewerber keine eigenen Netzeaufbauen können. Solche vertikal integrierten Unternehmenverfügen über das einzige Netz und zugleich über Unterneh-men, die das Netz für nachfolgende oder vorgelagerte Märkteselbst nutzen. Damit hat das vertikale Unternehmen einensystemimmanenten Anreiz, dritte Nutzer zu diskriminieren.Dieser Interessen konflikt, Dienstleister und Wettbewerber ineiner Hand zu sein, begründet die besondere Regulierungs-notwendigkeit für vertikal integrierte Unternehmen.

Sektorübergreifend stellt sich die Frage, ob und inwieweitdieser Konflikt aufgelöst oder zumindest entschärft werdenkann. In der Diskussion steht eine Separierung des Netz-betriebs vom Unternehmen (organisatorische, rechtliche

oder sogar eigentumsrechtliche Trennung). Diese zielen inunterschiedlichem Maße auf die Unabhängigkeit des Netz-betreibers vom Verbund. Durch eine Trennung könnte derNetzbetreiber sein Netz gleichermaßen für alle Unterneh-men öffnen, ohne dadurch seine eigene Marktposition zubeeinträchtigen. Im Gegenteil könnte die Rendite derNetzgesellschaft steigen, je mehr Unternehmen das Netzkünftig nutzen. Diesen prinzipiellen Vorteilen für denWettbewerb durch Aufhebung des Interessenkonflikts ste-hen aber auch potenzielle Nachteile gegenüber, deren Aus-wirkungen einer differenzierten Betrachtung für die jeweili-gen Sektoren bedürfen. Durch eine Abspaltung der Netzevom Unternehmen könnte der Anreiz für Wettbewerberverloren gehen, in eigene Netze zu investieren. Ein effi-zienzsteigernder „Wettbewerb der Netze“ könnte unterbun-den werden. Als weiterer Nachteil könnte eine Separierungbeim Unternehmen zum Verlust vertikaler Synergien, zuPlanungsunsicherheit und hohen Transaktionskosten füh-ren, die zu jahrelangen Investitionsverzögerungen führen.Schließlich könnten durch die Separierung dominanterUnternehmen Nachteile für den gesamten Sektor entste-hen, soweit dieser mit Geschäftsmodellen anderer Sekto-ren konkurrieren muss („intersektoraler Wettbewerb“).

In der Telekommunikation erfolgte der Liberalisierungs-prozess ohne Durchführung einer operationellen bzw. ei-gentumsrechtlichen Trennung (funktionelle bzw. struktu-relle Separierung). Obwohl zum Zeitpunkt derLiberalisierung im Jahre 1998 im Hinblick auf das über-nommene Kupferkabelnetz keine der drei benanntenNachteile einschlägig erschien, unterblieb damals ausgrundsätzlichen volkswirtschaftlichen Erwägungen eineTrennung des Netzbetriebs. Eine Trennung zum heutigenZeitpunkt erscheint nachteilhaft. So hat sich in der Zwi-schenzeit eine Vielzahl von Unternehmen entwickelt, dieebenfalls vertikal aufgestellt sind und mit dem früherenMonopolisten in einem breit aufgestellten Wettbewerb ste-hen. Durch eine Separierung könnte der entstandene Wett-bewerb gerade im Bereich der hochmodernen Netzinfra-strukturen einen Rückschlag erleiden. Zusätzlich stehendie Festnetze in einem intermodalen Wettbewerb mit eben-falls vertikal integrierten Unternehmen der funk basiertenTeledienste. Der ehemalige Monopolist befindet sich heutezudem in der Hand von privaten Eigentümern, so dass –gegenüber Unternehmen im Staatseigentum – zusätzlicheAnforderungen an die Rechtfertigung einer eigentums-rechtliche Trennung zu stellen sind. Die Diskussion in deraktuellen Überarbeitung des EU-Rechtsrahmens, eine orga-nisatorische Separierung als Instrument der Regulierungeinzuführen, erscheint für den deutschen Telekommunika-tionsmarkt daher anachronistisch.

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Bei Gas und Elektrizität fällt dieser Befund weniger deut-lich aus. Eine rechtliche Entflechtung wurde bereits durch-geführt. Gegen die eigentumsrechtliche Entflechtung spre-chen auf den ersten Blick ökonomische und rechtlicheRisiken. Eine mit langjährigen Rechtsstreitigkeiten verbun-dene Zwangsentflechtung erscheint risikoreich. Dies wür-de erschweren, erforderliches, privat aufgebrachtes Kapitalfür die notwendigen Investitionen zu sichern. Die Sorgevor abnehmenden Investitionen in den Aus- und Neubauvon Leitungsnetzen ist erheblich. Darüber hinaus ist aufeuropäischer Ebene eine Ungleichbehandlung zwischenprivaten und öffentlichen Unternehmen zu befürchten. Sowären öffentliche Unternehmen in der Hand von Mitglied-staaten nach der Entflechtung nicht zu einer Privatisierungverpflichtet. Es würde ausreichen, dass die neuen Eigentü-merpositionen von zwei verschiedenen Ministerien geführtwürden. Vor diesem Hintergrund wäre eine Kompromisslö-sung vorstellbar, die auf eine Effektuierung der rechtlichenund organisatorischen Entflechtung abzielt. (Verbot vonBeherrschungsverträgen, personelle Unabhängigkeit desNetzmanagements, Corporate Governance Regelungen,eigenständige Tarifverträge, Mindestlaufzeit der Manage-mentverträge – vgl. ausführlich dazu das BDI-Positionspa-pier vom 4. Februar 2008). Entscheidet sich ein Verbund-unternehmen dagegen ohne gesetzliche Verpflichtungtatsächlich zu einem Verkauf seines Netzbetriebes, so istdies eine unternehmerische Unterscheidung. Sie hat kei-nen Einfluss darauf, dass die Energieunternehmen zum ge-genwärtigen Zeitpunkt nicht gezwungen werden sollten,ihr Eigentum verkaufen zu müssen. Zwingend abzulehnensind in jedem Falle Vorschläge, die auf eine Verstaatli-chung der Energienetze zielen. Andernfalls würden dieVorteile eines effizienten Netzbetriebes auf der Grundlageprivater Kapitalgeber sowie die notwendigen Netzinvesti-tionen in Frage gestellt.

Bei der Eisenbahn schließlich sind keine prinzipiellenNachteile einer autonomen Infrastruktur ersichtlich. Ge-genüber dem Energie- und Telekommunikationssektor be-steht ein wesentlicher Unterschied darin, dass der Staat alsalleiniger Eigentümer der Deutschen Bahn AG volle Hand-lungssouveränität besitzt. Diese Handlungssouveränitätwird und sollte auch nach der – richtigen und wichtigen –Privatisierung der Deutschen Bahn AG erhalten bleiben,da es schon jetzt politischer Konsens ist, dass die Beteilungprivater Investoren sich nicht auf die Infrastrukturbereicheder Bahn beziehen wird. Zugleich liegen Risiken eines In-vestitionsabbaus nur begrenzt vor, da Infrastrukturinvesti-tionen schon jetzt weitgehend über öffentliche Mittel erfol-gen. Zudem ist bei der Schiene als einem nicht duplizier-baren Netz zu beachten, dass eine vertikale Integration der

Deutschen Bahn dauerhaft mit zusätzlichen, hohen Kostenfür die Allgemeinheit verbunden bliebe. Eine Abwande-rung auf andere Verkehrsträger als Folge einer Separierungwäre dagegen nicht zu erwarten.

Damit liegen zur Frage der Separierung von vertikal inte-grierten Unternehmen in den jeweiligen Sektoren unter-schiedlichen Ergebnisse vor. Bei der Eisenbahn überwiegendurch die erwartete Auflösung von langfristigen Interessen-konflikten die Vorteile einer eigentumsrechtlichen Separie-rung. Demgegenüber stehen bei der Telekommunikationund wohl auch bei der Energie – hier aber zu einem gerin-geren Anteil – die mit einer Separierung verbundenenNachteile im Vordergrund.

IV. Besondere Regulierung und allgemeine Wettbewerbs-aufsichtDie sektorübergreifende Forderung nach einem funktionie-renden Wettbewerb ist eng verbunden mit der Frage nachdem Verhältnis von vorausgreifender (ex-ante) Regulierungeinerseits und zurückblickender (ex-post) Aufsicht ande-rerseits. Vielmehr liegen hier grundsätzlich unterschiedli-che Konzeptionen zu Grunde. Während die kartellrechtli-che Missbrauchsaufsicht einer missbräuchlichenAusnutzung von Marktmacht nachträglich entgegenwirkensoll, zielt Regulierung in der Netzwirtschaft darauf ab, na-türliche Monopole zu neutralisieren und einen unver-fälschten Wettbewerb über das Netz zu ermöglichen. Wieam Beispiel der Entgeltregulierung dargestellt, soll (ex-ante) Regulierung die Entstehung von Wettbewerbsstruktu-ren aktiv fördern. Zugleich kann sie Klarheit und Kalkula-tionssicherheit der betroffenen Unternehmen durch stabileVorgaben schaffen.

Das Verhältnis zwischen allgemeiner und spezieller Regu-lierung richtet sich also nach den jeweiligen Wettbewerbs-strukturen eines Marktes. Daraus rechtfertigt sich in der 1. Phase der Liberalisierung der Aufbau einer (ex-ante)

Das gemeinsame Ziel, systemimmanente Diskrimi-nierungspotenzial des Netzbetreibers zu neutralisieren,manifestiert sich in sektorübergreifenden Regulierungs-strategien. So könnten Anreizentgelte sektorübergreifendüberhöhten Kosten im Bereich der Entgeltregulierungentgegenwirken. Die Strategien können dabei auf jedender Netzsektoren angewendet und anhand der beson-deren Umstände überprüft werden. Unterschiede zeigensich aber im Ergebnis. So ist eine umfassendeSeparierung vertikal integrierter Unternehmenkeineswegs in allen Sektoren ein geeignetes Mittel fürmehr Wettbewerb und Investitionen.

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Regulierung, die nach einer erfolgreichen Entstehung vonWettbewerbsstrukturen in der 2. Phase schließlich wiederin das allgemeine Wettbewerbsrecht im Sinne der 3. Phasezurückgeführt werden soll. Letztes gilt, wenn und soweitkeine natürlichen Monopole vorliegen und eine Rückfüh-rung in die allgemeine Wettbewerbs aufsicht keine Remono-polisierung befürchten lässt. In einem natürlichen Mono-pol bleibt dagegen Regulierung notwendig, soweit derAufbau einer den Wettbewerb herstellenden Parallelstruk-tur nicht möglich ist. Das Ziel beschränkt sich dann auf dieHerstellung nachhaltiger Wettbewerbsstrukturen auf denvor- und nachgelagerten Infrastrukturmärkten.

Mit beiden Arten der Regulierung verbinden sich aber auchRisiken. Bei einer ex-ante-Regulierung drohen einerseitsnicht notwendige oder unverhältnismäßige Regulierungs-eingriffe sowie andererseits erhebliche Verzögerungen beider Aufhebung von Regelungen, die durch die Schaffungvon Wettbewerbsstrukturen am Markt überflüssig gewor-den sind (3. Phase der De-Regulierung). Zusätzlich könnenex-ante-Vorgaben gerade auf dynamischen Märkten dieFlexibilität und Spontaneität von Unternehmen beein-trächtigen. In diesen Fällen entstehen Kosten bzw. Wohl-fahrtsverluste. Andererseits drohen auch bei einer nach-träglichen Wettbewerbsaufsicht Risiken, insbesondere sinddie zeitlichen Verzögerungen problematisch, mit denen dieWettbewerbsbehörde auf Missstände reagieren kann.

Insgesamt erscheint aus diesen Erwägungen keine Regulie-rungsart (ex-ante oder ex-post) per se vorzugswürdig. MitBlick auf die konzeptionellen Unterschiede sollen vielmehrdie jeweiligen Marktstrukturen über ihre Anwendung ent-scheiden. Als allgemeiner Grundsatz kann dabei festgehal-ten werden, dass zur Etablierung von wettbewerblichenMarktstrukturen eine ex-ante Regulierung erforderlich seinkann. Bestehende Regulierung muss dagegen regelmäßigauf Erforderlichkeit überprüft und mögliche Beharrungs-tendenzen entgegengewirkt werden.

Vor diesem Hintergrund ist insbesondere im Telekommuni-kationssektor zu hinterfragen, inwieweit bestehende Regu-lierung noch erforderlich und eine Überführung in das all-gemeine Wettbewerbsrecht geboten ist. Erfolgreiche undstabile Wettbewerbsstrukturen rechtfertigen den konse-quenten Abbau von Regulierung. Eine Regionalisierung derRegulierung nach englischem Vorbild ist dabei eine zusätz-liche Option. Insoweit geht die aktuelle Diskussion zurÜberarbeitung des europäischen TK-Rechtsrahmens ineine falsche Richtung, da klare Signale für eine schrittweiseDeregulierung fehlen und stattdessen zusätzliche Regulie-rungselemente eingeführt werden.

V. Prozedurale RegelungsfragenDie Herausforderung einer intelligenten Regulierung um-fasst auch die Frage, welche Institutionen auf welcher Ver-antwortungsebene in welchem Umfang tätig werden sollen.Dies gilt insbesondere für den komplexen Liberalisierungs-prozess der netzbasierten Märkte: heterogene Interessen-strukturen und ein dynamisches Marktumfeld erfordernverlässliche und zugleich kompetente Entscheidungsvorga-ben. Als Entscheidungsträger kommen grundsätzlich fünfInstanzen in Betracht: neben den privaten Unternehmensind dies die nationale Regulierungs behörde, die Fach- undMinisterialverwaltung sowie die Regulierungs instanz aufeuropäischer Ebene. Ihre jeweilige Eignung muss an demsektorübergreifenden Regelungsanspruch gemessen wer-den, unabhängig und kompetent mit der notwendigen Fle-xibilität auf die Regelungsbedürfnisse reagieren zu können.Sektorübergreifend verbinden sich mit jeder Regelungsin-stanz dabei prinzipielle Vor- und Nachteile die gegeneinan-der abzuwägen sind. Sie sind nicht zuletzt an der regulato-rischen Maxime zu messen, nach Herstellung nachhaltigerWettbewerbsstrukturen eine zügige Rückführung derMarkteingriffsregelungen in das allgemeine Wettbewerbs-recht zu ermöglichen.

Nationaler und Europäischer Regulierer Bei einer sektorübergreifenden Betrachtung von nationalerund europäischer Regulierungsinstanz stehen prinzipielleErwägungen im Vordergrund. Schon kleine Veränderungenim Regulierungsregime können erhebliche (Fehl-)Wirkun-gen für die Entwicklung der betroffenen Märkte entfalten.Daher sind eine umfangreiche Informa tions versorgung und-verarbeitung und ein fundiertes Verständnis für die (fachli-chen und regionalen) Eigenheiten des jeweiligen Sektorsals Entscheidungsgrundlage von existenzieller Bedeutung.Dabei gilt: Je näher der Regulierer an der Informationsquel-le steht, desto besser sind grundsätzlich seine Chancen füreine fundierte Informationsgrundlage mit wirksamen undschnellen Reaktionschancen. Demgegenüber sind länder-übergreifende Sachverhalte, die einer einheitlichen Regu-

Spezielle (ex-ante) Regulierung und allgemeine (ex-post)Wettbewerbsaufsicht verbindet zwar das gemeinsameZiel eines funktionierenden Wettbewerbs. Während Wett -bewerbsaufsicht aber von einem funktionierenden Marktausgeht, zielt Regulierung in einer monopolähnlichenMarktsituation erst auf die Durchsetzung wettbewerbs-fördernder Strukturen. Dieser konzeptionelle Unter-schied ist für die Entscheidung zwischen beiden Artender Regulierung zu beachten und anhand der konkretenMarktsituation gesondert zu berücksichtigen.

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lierung zugänglich sind, auf EU-Ebene besser aufgehoben.Hier können insbesondere Rahmenvorgaben eine langfris-tige und länderübergreifende Planungs- und Investitionssi-cherheit auf europäischer Ebene vermitteln. Dagegen sollteder europäische Regulierer nicht für kleinteilige Detaillent-scheidungen in den jeweiligen Märkten zuständig sein(Subsidiaritätsprinzip). Insoweit bietet das Instrument derEuropäischen Richtlinien grundsätzlich die Möglichkeit,einer Feinjustierung auf nationaler Ebene noch genügendRaum zu lassen. Soweit ein länderübergreifender Abstim-mungsbedarf für Einzelfragen der Regulierung besteht, bie-tet sich zudem eine Kooperation zwischen den nationalenBehörden an. Einen richtigen Ansatz dafür bietet die Euro-pean Regulators’ Group (ERG) im Telekommunikationsbe-reich sowie die European Regulators’ Group for Electricityand Gas (ERGEG).

Innerhalb der jeweiligen Regelungsebene könnte eine sek-torübergreifende Bündelung von Zuständigkeiten der Kon-sistenz bei der Netzmarktregulierung spürbar zu Gutekommen. Als Regelungsgegenstand bietet sich auf europäi-scher Ebene zum Beispiel die einheitliche Ausgestaltungder nationalen Regulierer an, deren sektorübergreifendeKompetenzen dadurch einheitlich ausgestaltet werdenkönnte. Vor diesem Hintergrund gehen jüngste Vorschlägeder Kommission einer Europäische Regulierungsbehördefür Telekommunikation einerseits und einer weiteren – da-von getrennten – Behörde für Energieregulierung anderer-seits in doppelter Hinsicht in eine falsche Richtung: Sieziehen regulatorische Kompetenzen auf eine Ebene, diedurch ihre Entfernung zu den entscheidungserheblichenInformationen prinzipiell als Regulierungsinstanz schlech-ter geeignet ist als eine nationale Einrichtung. Zum ande-ren verfestigen sie die sektorspezifische Betrachtung, an-statt durch eine sektorübergreifende BündelungKompetenzen in einer Behörde für mehr Konsistenz undTransparenz zu sorgen.

Regulierungskompetenzen auf nationaler Ebene Die dargestellten Vorteile einer nationalen Zuständigkeitim Bereich der sektoralen Regulierung lässt noch offen,wie hier die Kompetenz aufteilung zwischen eigenständigerRegulierungsbehörde, der Fachverwaltung sowie ministe-rialer Weisungsbefugnis verlaufen soll.

Als sektorübergreifender Grundsatz sollten der Fachver-waltung nach Möglichkeit ordnungsrechtlichen Aufgabenohne eigentliche Regulierungsfragen zugewiesen werden,auf die sich die Regulierungsbehörde konzentrieren kann.Diese Aufteilung findet im Bereich der Telekommunikationund Post nicht statt, wo beide Aufgaben unter dem Dach

der Regulierungsbehörde vereint sind. Auch bei der Eisen-bahn findet eine Vermischung von Regulierungs- und ord-nungsrechtlichen Aufgaben zwischen der Regulierungsbehörde und dem Eisenbahn-bundesamt statt. Dadurch entsteht das Risiko, dass inner-halb eines gleichartigen Aufgabenspektrums von zwei Be-hörden einander widersprechende Entscheidungengetroffen werden. Die ministerielle Weisungsbefugnis ge-genüber der Regulierungsbehörde ist als strenge Ausnahmezu konzipieren, um die Ausrichtung der Regulierungsbe-hörde auf wettbewerbliche und marktwirtschaftlicheGrundsätze zu gewährleisten und dabei eine (politische)Gewichtung der unterschiedlichen Regelungsziele zu er-möglichen.

Mit Ausnahme der Fachverwaltung ist der Gedanke einersektorübergreifenden Bündelung von Zuständigkeit auchinsgesamt zu stärken. Dieser Ansatz findet sich bei derBundesnetzagentur in weiten Teilen verwirklicht, der abernoch durch weitere Sektoren ergänzt werden könnte (Was-ser, Abfall etc.). Aber auch im Bereich der ministeriellenZuständigkeit sollte die Bündelung unter einem Ressortforciert werden, um konsis tente Regulierungsentscheidun-gen zu fördern. Bereits die Einrichtung von ressortübergrei-fenden Koordinierungsgremien könnte hier schon vonNutzen sind. Ferner lassen sich dadurch sowohl fachlichesowie personelle Ressourcen bündeln. Bearbeiter von Re-gulierungsfragen könnten zwischen den einzelnen Sekto-ren wechseln und damit das Problem einer sektoralen Ver-einnahmung („Regulatory Capture“) zu Gunsten einzelnerIndustrieinteressen reduziert werden. Die Regulierungsbe-hörden sind mit ausreichenden Kompetenzen und Infor-mationsrechten auszustatten, um Ihre Aufgaben wie zumBeispiel bei der Nach prüfung von unternehmerischen Ent-scheidungen im Bereich der Preis gestaltung und Netzzu-gänge angemessen erfüllen zu können. Für die einzelnenSektoren sollte die institutionelle Ausgestaltung der Regu-lierungsbehörde grundsätzlich übereinstimmen, so dassetwa die fehlende Einrichtung einer Beschlusskammer beider Eisenbahn nachzuholen ist.

Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Regulierungsbehör-de und Kartellamt sollte grundsätzlich der materiellen Auf-gabenteilung von Regulierungsrecht und Wettbewerbsauf-sicht folgen. Insoweit kann auf die Ausführungen unter IV.verwiesen werden.

Weitere sektorübergreifende Fragen des prozeduralen Re-gelungsrahmens beziehen sich auf die Fragen des Rechts-schutzes betroffener Akteure und Dritter. Dabei sollte sek-torunabhängig der Grundsatz gelten, notwendigen

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Rechtschutz zu gewährleisten, ohne dabei eine wirksameund zügige Durchsetzung richtiger Entscheidungen in Fra-ge stellen zu können.

VI. Ergebnis und AusblickNetzindustrien weisen trotz sektoraler Unterscheide ge-meinsame Grundstrukturen auf, deren Beachtung für eineverbesserte und konsistente Regulierung hilfreich ist. Mitdiesem Papier unterstützt der BDI die Diskussion für eineintelligente Regulierung durch sektorübergreifende Be-trachtungen der netzbasierten Industrien. UnterschiedlicheStadien des Liberalisierungsprozess können dabei nachdrei Phasen unterschieden werden: Implementierung, Ef-fektuierung, Deregulierung. Die drei Phasen stellen insbe-sondere unterschiedliche Anforderung beim Ausgleich zwi-schen wettbewerbsfördernden Regulierung undunternehmerischer Handlungsfreiheit (Deregulierung).

Die dargestellten Regulierungsfragen stellen eine Auswahlaus der aktuellen Diskussion dar. Beispielhaft wurden dieZugangs- und Entgeltregulierung und Fragen zu vertikal in-tegrierten Unternehmen behandelt. Hier könnte eine ver-besserte Transparenz künftig die Durchsetzung von fairenZugangsbedingungen erleichtern. Im Bereich der Entgelt-frage bietet sich die Anreizregulierung als sektorübergrei-fende Strategie zur Durchsetzung von mehr Wettbewerban. Dabei müssen geeignete Investitionsanreize zugleichden Erhalt und Ausbau der Infrastruktur gewährleisten.

Die übergreifende Perspektive zeigt auch Besonderheitender jeweiligen Sektoren auf. Solche besonderen Umständekönnen sektoral unterschiedliche, aber ordnungspolitischgleichwohl konsistente Regulierungsmaßnahmen rechtfer-tigen, wie dies bei der Behandlung von vertikal integriertenUnternehmen vorliegt. Auch das Verhältnis von ex-anteund ex-post Regulierung ist dieser Betrachtung zugänglich:

Unterschiedliche Regelungsebenen erfüllen die Ansprücheeiner intelligenten Regulierung wie Konsistenz und Treffge-nauigkeit in unterschiedlichem Maße. Dem Subsidiaritä ts -prinzip folgend, sind die Chancen einer wirksamen undflexiblen Regulierung besser, je näher der Regulierer an derInformationsquelle steht. Demgegenüber sind länderüber-greifende Sachverhalte besser auf europäischer Ebeneaufgehoben. Innerhalb der jeweiligen Regelungsebenekönnte eine sektorübergreifende Bündelung vonZuständigkeiten der Konsistenz bei der Netzmarktre- gulierung spürbar zu Gute kommen. Darüber hinaus gilt es,die Regelungskompetenzen auf nationaler Ebene zwischenFach-, Regulierungs- und Ministerialverwaltung sektor über-greifend durch klare Vorgaben zu ordnen.

Konzeptionelle Unterschiede zwischen spezieller Regulie-rung und allgemeiner Wettbewerbsaufsicht zeigen, wonachbei der Wahl zwischen beiden Instrumenten sektorüber-greifend zu achten ist.

Aus der sektorübergreifenden Perspektive folgen auchEmpfehlungen für die Zuweisung von Regelungskompeten-zen. Die Schaffung einer sektorübergreifenden Kompetenzermöglicht erhebliche Synergieeffekte. Dies ist bei der Bun-desnetzagentur in weiten Teilen bereits verwirklicht, wäh-rend die europäische sowie die nationale Ebene noch vonzersplitterten Zuständigkeiten geprägt sind. Hier ist auchdie Diskussion über einen „europäischen Regulierer“ vonBedeutung, die den unbedingten Vorzügen der unteren Re-gelungsebene gegenübersteht – nicht zuletzt mit Blick aufeine bessere Informationsversorgung und flexibleren Reak-tionsmöglichkeiten. Der aktuelle Kommissionsvorschlageiner europäischen Regulierungsbehörde geht damit indoppelter Hinsicht in eine falsche Richtung, indem dasZiel einer sektorübergreifenden Zuständigkeit sowie dieVorzüge des Subsidiaritätsprinzips nicht ausreichend ge-würdigt werden.

Politik, Wissenschaft und Unternehmen bleiben aufgefor-dert, sich der Diskussion für eine intelligente Regulierunganzuschließen, um das Bewusstsein für die Grundprinzi-pien der Netzmarktregulierung zu schärfen. Diese Diskus-sion zielt auch auf die Schaffung von Anreizen für mehrInvestitionen in die Infrastrukturmärkte als Voraussetzungfür Wachstum und Beschäftigung. Sie dient dem Meinungs-austausch, dem in der nächsten Legislaturperiode desDeutschen Bundestages sowie der künftigen EU-Politikmaßgebliche Bedeutung zukommt. Der BDI setzt dieseDiskussion am 19. Mai 2009 mit der 2. BDI-BNetzA-Regulierungskonferenz fort.

BDI-Diskussionspapier für mehr Wettbewerb und Investitionen42 BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

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43BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

M. Kurth, J. R. Thumann

Diskussionsrunde Dr. H. Ungerer

Dr. B. Pill, Dr. A. Schuseil (v. l. n. r.)

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J. Mayer, Prof. Dr. J. Kühling, Dr. I. Henseler-Unger, Dr. R. Strohmeyer (v. l. n. r.)

Diskussionsrunde: J. Fried Dr. A. Schuseil

44 BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

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BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

45

Prof. Dr. A. Picot, Dr. B. Pill, Dr. A. Schuseil (v. l. n. r.)

Prof. Dr. J. Kühling Dr. J. Weidmann

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46 BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

C. Schwarz-Schilling, M. Kurth, J. R. Thumann (v.l.n.r.)

Eröffnungsrede J. R. Thumann Prof. Dr. F. J. Säcker

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Impressum

Vorankündigung

Bitte merken Sie sich schon jetzt die nächste Konferenz vor:

2. BDI-BNetzA-Regulierungskonferenz „Intelligente Regulierungspolitik –

Strategien für mehr Wettbewerb und Investitionen“

am

19. Mai 2009– Haus der Deutschen Wirtschaft, Berlin –

In einem branchenübergreifenden Ansatz diskutieren wir über intelligente Re-gulierung zur Förderung von Wettbewerb und Investitionen in netzabhängigenIndustrien wie Energie, Telekommunikation und Schienenverkehr. Dazu brin-gen wir Entscheider aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Verwaltung zu-sammen, ihre Erfahrungen mit regulierten Märkten auszutauschen und ge-meinsam Strategien für die Zukunft zu entwickeln.

Wir freuen uns auf Sie!

Ansprechpartner:

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

Dr. Michael Littger, LL.M.

[email protected]

T: 030.2028-1416

F: 030.2028-2419

BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

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BDI-Drucksache Nr. 416Stand: Oktober 2008ISSN 0407-8977

HerausgeberBundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI)Breite Straße 2910178 BerlinTelefon: 030.2028-0www.bdi.eu

Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und EisenbahnenPostfach 80 0153105 Bonn Telefon: 0228.14-0 Telefax: 0228.14-8872

GesamtredaktionDr. Michael Littger, LL.M.Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI)Abteilung Infrastruktur, Verkehr und TelekommunikationBreite Straße 2910178 Berlinwww.bdi.eu Telefon: 030.2028-1416Telefax: 030.2028-2419Email: [email protected]

VerlagIndustrie-Förderung Gesellschaft mbH

FotosCover: VTG AG, Axel Nickolaus, adpicFotos der Veranstaltung: Axel Nickolaus, www.fotodesign-nickolaus.de

GestaltungskonzeptFactor Design

GesamtherstellungKÖLLEN DRUCK + VERLAG GMBH

Impressum

BDI – Bundesverband der Deutschen IndustrieBNetzA – BundesnetzagenturRegulierungskonferenz 2008

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