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PSYCHE HAARSPENDE Her mit den Zöpfen MEDIZIN KLINISCHE STUDIEN Im Dienste der Forschung SELBSTHILFE IN ZEITEN VON CORONA So fern und doch so nah Elece Altmann hat während ihrer Krebsbehandlung gelernt, loszulassen. „Ich will mein Lachen zurück!“ BEGLEITUNG BEI KREBS javita.de Dezember 2020 Ausgabe 2 EIN SERVICE DER AOK RHEINLAND/HAMBURG Titelteaser Titelbild

Wieder mittendrin im Leben - AOK · Krebs-Selbsthilfegruppen. Als JaVita 2002 das erste Mal erschien, war ich ge-spannt, wie dieses neue Medium in der Leserschaft ankommen würde

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Page 1: Wieder mittendrin im Leben - AOK · Krebs-Selbsthilfegruppen. Als JaVita 2002 das erste Mal erschien, war ich ge-spannt, wie dieses neue Medium in der Leserschaft ankommen würde

PSYCHE

HAARSPENDEHer mit den Zöpfen

MEDIZIN

KLINISCHE STUDIENIm Dienste der Forschung

SELBSTHILFE

IN ZEITEN VON CORONASo fern und doch so nah

Elece Altmann hat während ihrer Krebsbehandlung gelernt, loszulassen.

„Ich will mein Lachen zurück!“

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EIN SERVICE DER AOK RHEINLAND/HAMBURG

Titelteaser

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3 Leben & SelbsthilfePorträtElece Altmann hat nach der Behandlung ihres Lymphdrüsenkrebses wieder innere Ruhe gefunden. 4

InterviewWas ist das Hodgkin-Lymphom? 7

Selbsthilfe trotz PandemieSo fern und doch so nah 8

PatientenbegleiterKümmerer mit Leib und Seele 10

Medizin & WissenUmgang mit dem Corona-RisikoRuhe im Sturm 12

MedikamentenstudienIm Dienste der Forschung 14

Körper & SeeleHaarspendeHer mit den Zöpfen 16

QigongSanft in Schwung kommen 18

Freizeit & KulturRheinland und Hamburg erlebenGemütlich wird’s im Winter 19

Impressum 19

... Manuela Otto, Geschäftsbereichsleiterin Prävention/Gesundheitssicherung bei der

AOK Rheinland/Hamburg

Schwer Erkrankte werden ab 2021 noch besser betreut. Was ist neu?

Die AOK Rheinland/Hamburg baut ihre Angebote für schwer erkrankte Menschen durch einen neuen Bereich „Gesundheits-

management“ aus. Hier sind zukünftig auch der bewährte JaVita- Patienten-Begleitservice und das LICHTBLICK-Team angesiedelt.

In jeder Regionaldirektion wurden darüber hinaus Patienten-begleiterinnen und -begleiter speziell in der Beratung und Begleitung

schwer kranker Betroffener geschult; sie koordinieren auf Kunden-wunsch hin Leistungen, entlasten bei bürokratischem Aufwand

und haben Zeit zum Zuhören.

Wie sieht die erweiterte Unterstützung konkret aus?

In allen unseren Regionaldirektionen sind Patientenbegleiterinnen und -begleiter tätig. Sie sind eng mit Hausarztpraxen sowie

Kliniken vernetzt und kennen die Versorgungsstruktur vor Ort. Die Kolleginnen und Kollegen vereinbaren zum Beispiel Arzttermine, bieten Entlastungsangebote für Angehörige an und helfen dabei, eine

passende Selbsthilfegruppe zu finden. So sind sie Kümmerer und Lotsen und entlasten die Betroffenen, damit diese sich auf die

Bewältigung ihrer Erkrankung konzentrieren können. Das Feedback unserer Kunden überzeugt uns, dass die Etablierung der Patientenbe-

gleitung genau der Service ist, den Erkrankte in schweren Zeiten brauchen!

Wie nehmen Betroffene Kontakt auf?

Unsere Kunden können sich über unsere Geschäftsstellen vor Ort, über unsere Online-Geschäftsstelle oder jeden Mitarbeiter der AOK Rheinland/Hamburg an die Patientenbegleitung vermitteln lassen.

Was Patientenbegleiterinnen und -begleiter machen? Mehr dazu auf Seite 10/11.

JaVita/LICHTBLICK-Patienten-Hotline 0800 0 512512(kostenfrei aus dem deutschen Fest- und Mobilfunknetz)

montags bis donnerstags von 8 bis 18 Uhr und freitags von 8 bis 16 Uhr oder per E-Mail an [email protected]

Kontakt: Rufen Sie uns auch gern an!

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InhaltFRAGEN AN

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NEU IM JAVITA-TEAM

BIRGIT HOLTZ

KREBSBERATUNGSSTELLE DER UNI KÖLN

TROTZ CORONA ERREICHBAR!

Darf ich mich vorstellen? Ich bin bereits seit 40 Jahren bei der AOK tätig. Seit August dieses Jahres stelle ich mich voller Freude einer neuen Aufgabe und großen Herausforderung: Ich verstärke das JaVita-Team der AOK Rheinland/Hamburg!

Nach meiner Ausbildung zur Sozialversicherungsfach-angestellten war ich in verschiedenen Fachbereichen aktiv – unter anderem in der AOK-Geschäftsstelle

in Neuss sowie im Innen- und Außendienst. Die Kundenberatung lag mir schon immer besonders am Herzen. Deshalb war das telefonische ServiceCenter Clarimedis eine weitere berufliche Station in der Kundenberatung.

Nun kam die Chance, in der Patientenbegleitung bei JaVita mitzuwirken. Diese Arbeit ist für mich etwas ganz Besonderes, da ich schwer Erkrankten und ihren Angehörigen sehr persönlich helfen kann. Dabei hilft es mir, dass ich im Freun-des- und Bekanntenkreis Krebserkrankungen hautnah miterlebt habe. Die Tätig-keit fordert mich, aber glücklicherweise kann ich mitfühlen ohne mitzuleiden.

Bei mir melden sich auch Kunden, die ihre Diagnose gerade erst bekommen haben. Ich schaue dann, was wir ihnen als AOK an Unterstützung anbieten können. Unter anderem gebe ich Auskunft, etwa zu Krebsberatungsstellen oder Selbsthilfegruppen. Und was ich Ihnen ans Herz legen möchte: Scheuen Sie sich nicht, mich oder meine Teamkollegen anzurufen – wir sind gern für Sie da!

Aufgrund der Pandemie darf die Krebsberatungsstelle LebensWert an der Uni Köln derzeit leider keine persönliche Beratung, Gruppentherapien oder Selbsthilfegruppen-Treffen anbieten. Krebserkrankte oder ratsuchende Angehörige können sich aber weiterhin an LebensWert wenden – unter der Telefonnummer 0221 478 97 184 oder [email protected] Infos auch unter vereinlebenswert.de

Wir haben den Verlag gewechselt, auf Umweltpapier umgestellt und wollen digitale Angebote machen. Finden Sie das gut? Haben Sie Wünsche an uns? Gefällt Ihnen das Layout? Kurzum: Ihre Meinung ist gefragt. In dieser Ausgabe finden Sie daher anstelle der Abo-Karte eine Umfrage-Karte. Füllen Sie die Karte aus oder schicken Sie uns eine E-Mail an [email protected].

Wir freuen uns über Ihr vielfältiges Feedback. Ihre AOK Rheinland/Hamburg

JAVITA-UMFRAGE

Ihre Meinung ist gefragt!

UMWELTSCHUTZ BEI JAVITA

Unser Magazin:Jetzt mit Blauem EngelIst Ihnen etwas aufgefallen? Das Papier der JaVita ist jetzt umwelt-freundlich – zertifiziert mit dem Blauen Engel. Das Recyclingpapier sieht gut aus, fühlt sich gut an und ist zu 100 Prozent aus Altpapier ge-wonnen. Das schont unsere Wälder, denn so muss kein einziger Baum gefällt werden. Außerdem bleibt wertvoller Lebensraum für Tiere und Pflanzen erhalten.

Auch die Ökobilanz kann sich sehen lassen: Die Herstellung spart 70 Prozent Wasser und 60 Prozent Energie gegenüber Frischfaser-papier. Zudem werden dem Papier keine schädlichen Chemikalien oder optische Aufheller beigefügt. Schadstoffarme Farben und emissions arme Klebstoffe tragen ebenfalls zu einer umweltfreund-licheren Herstellung bei.

Was wir bei der Produktion dieses JaVita-Heftes eingespart haben?

• 7.834 Kilowattstunden Energie • 2,25 Tonnen Holz • 38.040 Liter Wasser • 209 Kilogramm CO²Wir hoffen, dass Sie sich mit uns über die tolle Umweltbilanz freuen und der Lesegenuss noch größer ist.

Ihr Redaktionsteam

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TEXT: OYINDAMOLA ALASHE

Als Elece Altmann vor etwa einem Jahr erfährt, dass sie an Lymphdrüsenkrebs erkrankt ist, steht ihre Welt Kopf.

Heute ist sie zuversichtlich – und fordert weniger von sich.

„Ich willmein Lachen

zurück!“

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L E B E N & S E L B S T H I L F E

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der Corona-Pandemie begann im April ihre Chemotherapie in der Uniklinik Köln, gleichzeitig nahm sie an einer Hodgkin-Studie teil.

Auf und Ab während der ChemoInsgesamt vier Zyklen Chemothera-pie von je drei Wochen brachte Elece Altmann hinter sich. Die Therapie schlug sehr gut an, verlangte der inzwischen 39-Jährigen aber auch einiges ab. Am ersten Tag kämpfte sie immer mit der Übelkeit. „An Tag zwei der Chemo war ich immer so fit und voller Leben, dass ich mich fühlte, als könnte ich Berge versetzen“, sagt sie und lacht. Tag drei brachte dann die große Müdigkeit. „Meine Augen waren unendlich schwer, aber ich habe immer gedacht: Solange es nur Müdigkeit ist, ist alles in Ordnung.“ Am vierten Tag litt sie immer unter Kreislaufproblemen. Eine Neben-wirkung irritierte Elece Altmann be-sonders: „Mein Körper arbeitete auf Hochtouren, und ich hatte alle zwei Stunden einen Bärenhunger.“

Es war Ende 2019, als Elece Altmann zum ersten Mal einen Knubbel an ihrem Hals bemerkte. Er war hart, beweglich und so groß wie eine Praline. „Ich fand das komisch, habe mir aber nicht wirklich Gedanken darüber gemacht“, erinnert sie sich. „Eigentlich ging es mir ja gut.“ Eigentlich. Die Waage im Bad zeigte schon seit Wochen an, dass die Kilos purzelten. Doch den Gewichtsverlust erklärte sich die Kölnerin als Erfolg ihrer Low-Carb-Ernährung. Beim Treppensteigen geriet sie schnell aus der Puste und litt unter Atemnot. „Aber wer denkt denn bei so was an Krebs?“, sagt sie. Doch irgendwann war ihr die Situation nicht mehr ge-heuer: Nachts plagten sie Alpträume und sie wechselte manchmal mehr-fach den Pyjama, weil sie so schwitz-te. Ständig fühlte sie sich erschöpft.

Trotz Diagnose normal lebenDa war Elece Altmann gerade einmal 38 Jahre alt. Seit fünf Jahren lebte sie mit ihrem Partner Eddy zusammen, war sehr glücklich mit ihm. Wenige Monate zuvor hatte die Bauingeni-eurin eine neue Stelle in Düsseldorf angenommen. Ein Traumjob mit einem tollen Team. Und dann das:

Schon bei der ersten Untersuchung sprach der Arzt von drei möglichen Diagnosen. „Und alle Optionen be-deuteten Krebs“, erzählt sie. Eine schreckliche Vorstellung. Sie habe einfach nicht mehr klar denken kön-nen und bewegte sich wie in einem Film, erinnert sie sich. Aber schnell stand für sie fest, dass sie bis zur end-gültigen Diagnose ein ganz normales Leben führen wollte. Also arbeitete sie weiter und besuchte Yoga- und Pilates-Kurse. „Das war für mich ein wichtiger Halt und Ablenkung.“

Nach einer Punktion bekam sie nach wenigen Wochen Klarheit: Die Ärzte diagnostizierten ein Hodgkin-Lym-phom, Stadium IV B. Auch heute, Monate später, muss sie schlucken, als sie das erzählt. Denn das bedeu-tete, dass der Lymphdrüsenkrebs bereits weit fortgeschritten war und verschiedene Begleitsymptome zu beobachten waren. Die behan-delnden Ärzte zögerten nicht und entschieden sich anstelle einer Ope-ration für eine Chemotherapie. „Die betroffenen Lymphknoten waren mit zu vielen Organen verbunden, eine OP viel zu riskant“, erläutert Elece Altmann. Mitten in der Hochphase

Ich habe Glück im Unglück:

Die Heilungschancen bei Hodgkin sind

sehr hoch.

Wie ein Leistungssportler habe sie sich gefühlt und viel Eiweißshakes und Bananen zu sich genommen. Jeder Chemo-Zyklus brachte andere Nebenwirkungen wie Mundschleim-hautentzündung, Verdauungs-probleme und Taubheitsgefühle in den Fingerspitzen. Sie trug es mit Fassung und hielt sich so gut es ging mit gesunder Ernährung und Sport fit. Immer wieder tröstete sie sich: „Ich habe Glück im Unglück: Die Heilungschancen bei Hodgkin sind sehr hoch.“

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JaVita/LICHTBLICK- Patienten-Hotline

Buchtipp

Information

Das JaVita-Team beantwortet Fragen zum Thema Lymphdrüsenkrebs unter der kosten-freien Servicenummer: 0800 0 512512

Mehr zum „Hamburger Modell“ unter einfach-teilhaben.de } Suche „Hamburger Modell“

Der Blaue Ratgeber Nr. 21 Hodgkin Lymphom der Deutschen Krebshilfe bietet umfassende Informationen rund um die Erkrankung für Betroffene, Angehörige und andere Interessierte. Kostenfrei telefonisch bestellbar unter 0228 72990-0 oder online herunterladen unter krebshilfe.de

Ihr Partner: Tag und Nacht für sie daElece Altmann macht keinen Hehl daraus, dass die Krebsdiagnose in ihr Ängste aufkommen ließen. Sie war verunsichert, in ihrem Kopf schwirr-ten unzählige Fragen. Was bedeutete die Krankheit für ihre Arbeit? Wie würde sich ihr Körper durch die Che-motherapie verändern? Was würde der Krebs mit ihrem Leben machen? Die wichtigste Stütze in den ver-gangenen Monaten war ihr Partner Eddy. Er ließ sie niemals an seiner Liebe zweifeln. Seine Firma unter-stützte den Bauingenieur sehr und gestand ihm flexible Arbeitszeiten zu. Dank Corona war es kein Problem, dass er im Homeoffice war, sich um seine Partnerin kümmerte und sie zu Arztterminen begleitete. Alle zwei Stunden sorgte er dafür, dass Eleces Hunger gestillt wurde – Tag und Nacht. „Aber er hat mir nie das Ge-fühl gegeben, als wäre das eine große Sache“, sagt sie. „Er war so fürsorglich und toll wie immer. Nie gab er mir das Gefühl, anstrengend zu sein“, sagt sie und lächelt. Er habe ihr von Anfang an alle Sorgen genommen. Insbeson-dere, als es um eine grundsätzliche Frage ging: ihre Familienplanung.

Der Wunsch nach einem Baby„Meinen Kinderwunsch habe ich lange hintenangestellt“, sagt Elece Altmann, und es schwingt Bedauern in ihrer Stimme mit. Denn die Che-motherapie verringert die Chancen auf eine natürliche Schwangerschaft deutlich. „Dieses Wissen hat mich schon belastet“, gibt sie zu. Sie ent-schloss sich, Eizellen einfrieren zu lassen, um vielleicht später durch künstliche Befruchtung schwanger werden zu können. Auch dabei nahm ihr Partner ihr schnell jeden Druck. Beide wollen die Dinge auf sich zukommen lassen. Eleces Gesund-heit ist nun das Wichtigste. Was die Krankheit bisher für ihre Partner-schaft bedeutet habe? „Es war schwer,

aber das alles hat uns einander noch viel näher gebracht“, sagt sie. Und die Chemotherapie hat bei ihr trotz des fortgeschrittenen Krankheitssta-diums sehr gut angeschlagen. Deshalb brauchte sie keine anschließende Be-strahlung. „Das ist natürlich eine tolle Nachricht“, sagt die Kölnerin. „Aber ich bleibe skeptisch und habe nicht zu große Erwartungen – ich will nicht enttäuscht werden.“

Corona und Reha: Einfach RuheNach der Chemotherapie fuhr Elece Altmann im August 2020 drei Wochen in die Reha. Das war nötig. „Ich habe immer versucht, positiv zu bleiben“, sagt sie. Auch als Wimpern und Haare ausfielen und ihr Körper sich „so kaputt und zerfallen“ an-fühlte, versuchte sie, es mit Fassung zu tragen. Dass das gesellschaftliche Leben wegen COVID-19 mehr oder weniger zum Erliegen kam, machte es ihr leichter. „Ich hatte eben nicht das Gefühl, Partys zu verpassen oder neben schönen Frauen mit langen Haaren bestehen zu müssen.“ Statt-dessen konzentrierte sie sich auf ihre Genesung. „Aber meine Seele hat ge-litten und braucht Heilung.“ Manch-mal wenn sie von ihren Erfahrungen erzählt, kommen ihr die Tränen. Das müsse raus, sagt sie bestimmt. Die Reha habe ihr Raum gegeben, über Ängste und Sorgen zu sprechen. Immer nur stark zu sein, sei eben nicht möglich. Und bei Angeboten wie der Maltherapie merkte sie: Hier konnte sie loslassen und wurde von niemandem bewertet.

Mit weniger Leistungsdruck leben Zaghaft träumt sie von der Zu-kunft. Von mehr Zeit mit Eddy, einer Familiengründung mit ihm, einem Haus und der Rückkehr ins Arbeitsleben. Inzwischen fühlt sie sich dafür wieder fit genug. Mit dem „Hamburger Modell“ startetet sie ihre Wiedereingliederung in die Firma in den ersten zwei Wochen mit vier Arbeitsstunden täglich. Yoga habe ihr sehr geholfen, mehr innere Ruhe zu finden. „Ich bin immer sehr selbstkritisch gewesen, arbeite aber daran, mich so zu akzeptieren, wie ich bin“, sagt sie. Was ihr besonders wichtig ist? „Ich will mein Lachen zurück!“ Seit sie mit Anfang 20 nach Deutschland gekommen sei, habe sie sich vor allem auf das Nachholen von Schulabschlüssen, das Studium und den Beruf konzentriert. Vieles habe sich um Leistung gedreht, sie sei streng mit sich gewesen. „Darüber habe ich ein wenig vergessen, was mir wirklich wichtig sein sollte“, sagt sie nachdenklich. Künftig will sie mehr Zeit mit Freunden und schönen Dingen verbringen. Und sie macht sich selbst Mut: „Ich kann viel und habe viel erreicht. Darauf kann ich stolz sein.“ z

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Interview

Prof. Andreas Engert ist Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie an der Uniklinik Köln. Er ist Experte für das sogenannte

Hodgkin*-Lymphom und leitet die Deutsche

Hodgkin-Studiengruppe (GHSG).

Herr Prof. Engert, wie häufig tritt das sogenannte Hodgkin-Lymphom, also Lymphdrüsenkrebs, auf?Deutschlandweit erkranken jedes Jahr ungefähr 2.500 bis 2.800 Menschen neu daran. Die meis-ten Patienten sind etwa zwischen 30 und 35 Jahren alt.

Wodurch wird die Krankheit ausgelöst?Eindeutige Auslöser sind nicht bekannt, deshalb ist es auch nicht möglich, der Erkrankung durch einen bestimmten Lebenswandel vorzubeugen. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass das Ep-stein-Barr-Virus (EBV) das Risiko erhöht, an einem Hodgkin-Lym-phom zu erkranken. Bei vielen Patienten wurde EBV in den Lymphom-Zellen nachgewiesen. Eine EBV-Infektion erfolgt in der Regel im jungen Kin-desalter, verläuft meist ohne Symptome und bleibt häufig folgenlos. Bei Jugendlichen und jungen Er-wachsenen mündet es manchmal in ein Pfeiffer-sches Drüsenfieber.

Wie macht sich Lymphdrüsenkrebs bemerkbar?Viele Patienten ertasten stark angeschwolle-ne Lymphknoten selbst. Die harten, aber meist schmerzfreien Knoten treten oft am Hals, aber auch in den Achselhöhlen oder in der Leistengegend auf. Wer so etwas bei sich feststellt, sollte sofort zum Arzt gehen. Aber auch Symptome wie Abgeschla-genheit, Nachtschweiß, erhöhte Temperatur von etwa 38 Grad Celsius, Appetitlosigkeit, Gewichts-verlust oder Juckreiz sollten ernst genommen wer-den und machen es nötig, einen Arzt aufzusuchen.

Welche Untersuchungen sind dann nötig?Gibt es nach einer Ultraschalluntersuchung den Verdacht auf ein Hodgkin-Lymphom, wird ver-dächtiges Gewebe entnommen und mikroskopisch untersucht. Ein vergrößerter Lymphknoten wird

entfernt. Ein wichtiges Instrument der Diagnostik ist ein sogenanntes PET/CT – ein bildgebendes Ver-fahren, das Stoffwechselvorgänge sichtbar macht, die auf das Hodg-kin-Lymphom hinweisen können. Steht die Diagnose, ist die Stadien-einteilung, so nennt man den Aus-breitungsgrad des Krebses, für die Wahl der Therapie wichtig. Das Stadium I bis IV beschreibt, wel-che Lymphknotengebiete genau befallen sind und ob bereits ande-re Organe betroffen sind. Weiter gibt es Zusatzbezeichnungen wie A (keine Begleitsymptome), B (Be-gleitsymptome) und E (über einen Lymphknoten hinaus in anderes Gewebe einwachsend).

Wie sieht die Therapie aus?Das hängt immer vom einzelnen Patienten und vom Stadium der Erkrankung ab. In der Regel ist aber eine Kombination aus Chemotherapie und anschließender Bestrahlung erfolgreich. Der Krebs ist glücklicherweise sehr gut behandelbar. Über 80 Prozent der Betroffenen können geheilt werden – in frühen Stadien bis zu 95 Prozent.

Wie können Patienten die Heilung positiv beeinflussen?Indem sie auf Zigaretten und Alkohol verzichten. Eine ausgewogene Ernährung, Bewegung und leichter Sport an der frischen Luft sind wichtig, vor allem bei stark übergewichtigen Menschen oder Menschen mit Diabetes. Manchen Patienten hel-fen Selbsthilfegruppen oder Reha-Angebote, die körperlichen und seelischen Anstrengungen zu verarbeiten. Grundsätzlich empfehle ich meinen Patienten, für sich selbst ganz persönlich herauszu-finden, was ihnen in dieser Zeit guttut.

*Das Hodgkin-Lymphom wurde nach dem britischen Arzt und Pathologen Sir Thomas Hodgkin benannt, der die Erkrankung 1832 erstmalig beschrieben hatte.

DAS IN TERVIEW FÜHRTE OYINDAMOLA ALASHE

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Kontaktverbote und Social Distancing stellen die Selbsthilfe in Zeiten der Corona-Epidemie vor große Hürden. Trotz-dem sind viele Gruppen für ihre Mitglieder da – wenn auch aus der Ferne.

TEXT: LISA-MARIE STRÖHLEIN

Ihre Selbsthilfegruppe war der erste Ort, an dem Birgit Jorzick nach ihrer Krebsdiagnose wieder lachen konnte. Die 58-Jährige erkrankte 2016 an Brustkrebs. Sechs Wochen nach der Diagnose besuchte sie die Frauen-selbsthilfe Krebs in Bergisch Glad-bach: „Zum ersten Mal wurde meine Krebserkrankung nicht mit Leiden, Schmerz und Tod gleichgestellt“, erzählt sie.

Seit anderthalb Jahren ist Birgit Jor-zick Leiterin dieser Gruppe, vorher war sie deren Stellvertreterin. Ein-mal im Monat trifft sie sich mit rund 15 Frauen, um sich über Krebs und das alltägliche Leben auszutauschen. Darüber hinaus gehören Workshops und Seminare mit Ärzten, Ernäh-rungsberatern oder Physiotherapeu-ten zum festen Programm der Frau-enselbsthilfe. Unabhängig davon gibt es auch einen monatlichen Stamm-tisch, eine Gesangsgruppe und ein jährliches Gesundheitswochenende in einem ruhig gelegenen Kloster.

SO FERN UND DOCH

SO NAH

GRUPPENLEITUNGSTEAM DER BERGISCH GLADBACHER GRUPPEPetra Kuhlmann, Birgit Jorzick, Sabine Rohde-Meyer und Brigitte Lonnemann (v. l. n. r.)

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Alles auf StoppAll das wurde abrupt gestoppt, als das Coronavirus in Deutschland aus-brach. Zunächst machte das Kontaktverbot weitere Treffen unmöglich. Danach fehlte der Ort dafür: Der Schulungsraum im Ma-rien-Krankenhaus, in dem sich die Gruppe sonst immer traf, blieb aus Sicherheitsgründen geschlossen. „Wir alle waren sehr traurig darüber – gerade in dieser schwierigen Zeit brach für uns eine wichtige Anlauf-stelle weg.“ Birgit Jorzick und ihre Teamkolleginnen bleiben jedoch telefonisch erreichbar. Ihre Num-mern stehen auf einem Flyer der Frauenselbsthilfe, den Ärzte an ihre Patienten verteilen. Deshalb melden sich nicht nur die festen Gruppen-mitglieder – auch neue Patienten rufen an, um sich Rat zu holen oder Mut zusprechen zu lassen.

Virtuelles BeisammenseinSo wie die Frauenselbsthilfe blieb auch die Vereinigung für Menschen mit Darmkrebs und künstlichem Darmausgang (Stoma) namens ILCO vorerst nur telefonisch erreichbar sowie über die Internetseite. Dort finden Betroffene Infomaterial über die sogenannte Stomaversorgung so-wie Antworten auf rechtliche Fragen, etwa zum Schwerbehindertenausweis oder zur Pflegeversicherung. Ein Forum bietet zudem die Möglichkeit, anonym Fragen zu stellen oder mit anderen Betroffenen zu diskutieren. Die Selbsthilfevereinigung für Stoma-träger und Menschen mit Darmkrebs sowie deren Angehörige fand jedoch auch neue Wege, um miteinander in Kontakt zu bleiben. Anfang Mai ver-schickte Bernd Krämer, Regionalspre-cher der ILCO, einen ersten News-letter an alle Mitglieder in der Region Düsseldorf-Neuss, in dem er zu einem Online-Gruppentreffen einlud.

Lösungen mit ZukunftEtwa vier Menschen folgten dieser Einladung. Das erste Treffen verlief jedoch holprig, die Software machte Probleme. „Ich hatte mir mehr davon erhofft“, erinnert sich Bernd Krämer. Doch er gab nicht auf. Beim zweiten Treffen mit neuer Software fanden sich schon mehr Menschen ein. Heute wählen sich alle 14 Tage, immer mittwochs um 18 Uhr, vier bis sieben Gruppenmitglieder ein, um sich online über ihre Erkrankung und den Alltag damit zu unterhalten. „Diese Art der Kommunikation war für viele Gruppenmitglieder neu und für einige fühlte sie sich zunächst befremdlich an. Doch viele erkennen mittlerweile auch die Vorteile“, sagt Bernd Krämer. Vor allem für Men-schen, die aufgrund ihrer Erkran-kung nicht mehr mobil sind oder für die die Anfahrt zu einem Gruppen-treffen ein zu großes Risiko bedeuten würde, sind die Videokonferenzen eine gefahrlose und niederschwellige Alternative. „Aus diesem Grund wol-len wir weiterhin daran festhalten, selbst wenn persönliche Treffen bald wieder möglich sind.“ So kann Bernd Krämer sich zum Beispiel gut vor-stellen, den Besucherdienst der ILCO durch digitale Angebote zu ersetzen. „Es gehört zu unseren Aufgaben, Patienten am Krankenbett aufzu-suchen und zu beraten – ein Service, der aufgrund der aktuellen Besucher-regeln im Krankenhaus derzeit nicht möglich ist.“ Er hat bereits Flyer an Ärzte und Pflegepersonal verteilt, die auf die Website der ILCO verweisen und hofft, dass die ersten Patienten das Angebot bald annehmen werden.

Immer daOnline-Treffen gab es für die Frau-engruppe in Bergisch Gladbach nicht. „Dafür sind wir alle wohl zu alt“, sagt Birgit Jorzick mit einem

Schmunzeln. Ihre Gruppe hat sich in-zwischen zwei Mal wieder persönlich getroffen. Mit Abstand und Masken kamen sie im Garten einer der Frauen und draußen in einer Eisdiele zu-sammen. Auch der Stammtisch fand wieder statt – im Biergarten eines Restaurants. „Es war schön, sich wiederzusehen, auch wenn nicht alle dabei waren“, sagt sie. Sie hofft, für die nächsten Treffen weitere Teil-nehmer mobilisieren zu können, ob-wohl sie natürlich niemanden zwin-gen möchte. Was im Winter passiert, wenn das Wetter keine Treffen im Freien mehr zulässt, ist noch unklar. Sie und ihre Guppenteamleiterinnen versuchen, mit allen „Alteingesesse-nen“ irgendwie Kontakt zu halten. Denn jeder soll wissen, dass sie da sind – auch, wenn man sich gerade nicht persönlich sehen kann. z

Die Frauenselbsthilfe Krebs wurde zwar von Frauen gegründet – steht aber allen Geschlechtern offen. In elf Landesverbänden und vielen Regionalgruppen bietet sie Krebskranken deutschlandweit Rat und Hilfe. frauenselbsthilfe.deBundesgeschäftsstelle Telefon0228 338 894 00 (Mo-Do 9–15 Uhr, Fr 8–12 Uhr)

Die Deutsche ILCO ist Anlaufstelle für Stomaträger und Darmkrebspatienten. Online-Treffen bietet derzeit die Region Düsseldorf-Neuss an. Weitere Informationen dazu gibt es unter nrw.ilco.de } Regionen } Düsseldorf-NeussLandesverbandsgeschäftsstelle Telefon 0231 993 697 25 (Mo 8–12.30 Uhr)

Gruppentermine für Hamburg: sh-hh.ilco.deLandesverbandsvorsitzender Arno Bräun Telefon 01511 573 1828

BERND KRÄMERRegionalsprecher der Deutschen ILCO e. V. Region Düsseldorf-Neuss, stellv. Vorsitzender des ILCO-Landesverbandes NRW

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Die Patientenbegleiterinnen und -begleiter der AOK Rheinland/Hamburg stehen Betroffenen mit Krebs und ihren Angehörigen unterstützend zur Seite – nicht nur kurz nach der Diagnose. Wir stellen zwei Engagierte aus Oberhausen und Hamburg vor.

sie Krankengeld beantragt und denkt über den Antrag einer Schwerbehin-derung nach. Auch eine Reha hat er organisiert. Einen 17-Jährigen mit einer an Gebärmutterhalskrebs er-krankten Mutter unterstützte er bei der Suche nach einem Ausbildungs-platz, für ein Kind mit einer neuro-logischen Erkrankung fand er eine spezielle Klinik. „Meine Arbeit macht mir Spaß, aber natürlich ist nicht immer alles eitel Sonnenschein“, sagt Tim Stotzem. Er habe gelernt, sich abzugrenzen. Dabei hilft ihm seine Familie, aber auch der Austausch mit seinen Oberhausener Kollegen und die vierteljährliche psychologische berufsbezogene Unterstützung.

Andere Stadt, gleicher ServiceÄhnliche Erfahrungen hat Maria de Lurdes Sousa gemacht. Die gebürtige Portugiesin ist AOK-Patientenbeglei-terin in Hamburg – und das mit Leib und Seele. Ihr gefällt es, gezielt hel-fen zu können und feste Ansprech-partnerin zu sein. Die ausgebildete Fachkrankenschwester wechselte vor rund 20 Jahren zur AOK und bildete sich zur zertifizierten Pflegeberaterin fort. Die heute 52-jährige Patienten-begleiterin ist seit der Einführung des Patientenbegleitung bei der AOK vor zwei Jahren im Team der Hanse-stadt. Nach einer Krebsdiagnose gäbe es für Betroffene so viel Alltägliches zu regeln, sagt sie. „Es ist schön, für die Menschen, die ich betreue, so viel bewegen zu können.“ Sie vermittelt Pflegekräfte, plant und koordiniert praktische und finanzielle Hilfen, informiert über AOK-Angebote wie den Zweitmeinungsservice.

Eine Krebsdiagnose wirft viele Menschen aus der Bahn. Dem ersten Schock folgen oft Ängste und Sorgen – und Fragen über Fragen. Wie gut, dass es Tim Stotzem gibt. Er ist einer unserer vielen Patientenbeglei terinnen und -beglei-ter der AOK Rheinland/Hamburg. Der 41-Jährige von der Regional-direktion Oberhausen ist ein „echtes AOK-Gewächs“. Vor rund 20 Jahren zum Sozialversicherungsfachange-stellten aus gebildet, wechselte er vor mehr als zweieinhalb Jahren in die AOK-Patientenbegleitung und betreute unter anderem auch Krebs-patienten. Sich selbst bezeichnet er als Kümmerer. „Es bedeutet mir viel, mich für unsere schwer erkrankten Kunden einzusetzen“, sagt er. Deren aktuelle Situation richtig zu erfassen und sie über eine längere Zeit zu begleiten, ist genau seine Sache. Die Aufgaben sind vielfältig: Er informiert über die Leistungen der Kranken- und Pflegeversiche-rung, ermittelt, was die Kunden im Rahmen ihrer Erkrankung im Verlauf benötigen, unterstützt beim Ausfüllen von Formularen und hilft, Kliniken, Ärzte, Pflegedienste, Selbsthilfegruppen oder andere Institutionen zu kontaktieren.

Jeder Fall ist andersDie Krankengeschichten sind für Tim Stotzem immer wieder heraus-fordernd, denn er ist nicht nur für die Erkrankten, sondern auch für deren Familien da. Manche Erlebnisse haben sich ihm tief eingeprägt. So die Begegnung mit einem zehnjährigen an Leukämie

erkrankten Mädchen. Dessen Vater hatte sich vor zwei Jahren in der AOK-Geschäftsstelle gemeldet. Seine Tochter litt sehr unter der für die Behandlung der Leukämie wichtigen Chemo therapie. Tim Stotzem kümmerte sich um die Einstufung in einen Pflegegrad, or-ganisierte die Physiotherapie, einen Roll- und einen Toilettenstuhl. Er habe versucht, für die Kleine alles so angenehm wie möglich zu gestalten, sagt er rückblickend. Inzwischen ist sie genesen, und Tim Stotzem unter-stützt sie, an einer Ferienfreizeit von LICHTBLICK teilnehmen zu können, ein AOK-Serviceangebot für krebskranke Jugendliche. Seit einem Jahr begleitet er auch eine Lungen-krebspatientin. Mit seiner Hilfe hat

Kümmerer mit Leib und Seele

TIM STOTZEM Patientenbegleiter aus Oberhausen

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JaVita/LICHTBLICK- Patienten-Hotline

Kontakt

TEXT: MARION FISCHER

Kümmerer mit Leib und Seele

Die Patientenbegleitung der AOK Rheinland/Hamburg

AOK-Patientenbegleiterinnen und -begleiter kümmern sich um schwer Erkrankte und ihre Angehörigen sowie Familien mit schwerkranken Kindern. Ein Rückruf eines Patientenbegleiters oder einer -begleiterin wird gern über Ihre Geschäftsstelle vor Ort oder auch durch JaVita vermittelt.

Montags bis donnerstags von 8 bis 18 Uhr, freitags von 8 bis 16 Uhr unter der kostenfreien Servicenummer 0800 0 512512

MARIA DE LURDES SOUSAPatientenbegleiterin

aus Hamburg

Seit Anfang dieses Jahres betreut sie unter anderem eine Familie mit einer schwerstbehinderten sechsjährigen Tochter. Die Mutter bekam mit 30 Jahren Brustkrebs, das jüngere Kind konnte nicht allein zu Hause bleiben. „Ich habe umgehend eine Haushalts-hilfe organisiert und freue mich mit der Mutter, dass sie eine gute Pro-gnose hat.“ Dass sie auch portugie-sisch, spanisch und englisch spricht, erleichtert die Zusammenarbeit mit Menschen aus anderen Kulturen enorm: Erst kürzlich betreute sie eine Familie, die nur portugiesisch spricht.

In der Regel kommen die AOK-Patientenbegleiterinnen und -begleiter auf Wunsch ins Haus. Aufgrund der Corona-Pandemie sei leider dieser Service derzeit ausgesetzt, weil direkter Kontakt zu riskant sei, erläutert Tim Stotzem. Dass Gespräche seitdem nicht persönlich stattfinden können, be-dauert auch Maria de Lurdes Sousa. Sie greift daher beherzt zum Telefon. Für Fragen hat sie weiterhin ein offenes Ohr und setzt sich für ihre Kunden ein – genug Sprachen spricht sie ja. z

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Silke Euskirchen war mitten in der Chemotherapie, als im Februar 2020 die ersten Coronavirus-Infektionen in Deutschland bekannt wurden. Das darf doch nicht wahr sein, dachte die 46-jährige Brustkrebspatientin und Mutter dreier Kinder aus Bonn-Duisdorf. Durch die Chemo-therapie war ihr Immunsystem für die nächsten Monate geschwächt. „Mir gingen tausend Fragen durch den Kopf: Wie schütze ich mich? Kann ich noch einkaufen gehen? Muss ich meine Behandlung jetzt abbrechen?“ Selbst die einfachsten Alltagsaktivitäten schienen plötzlich mit einem ungewissen Risiko be-haftet. So wie Silke Euskirchen ging es im Jahr 2020 vielen Menschen mit Krebs. Dr. med. Sabine Forsch, Onkologin bei JaVita, informierte insbesondere in der Phase des Shutdowns vermehrt ratsuchende Patienten. Sie stellte fest: Strategien zur Angstbewältigung, die Menschen im Rahmen ihrer Krebserkrankung lernen, helfen auch, die Angst vor dem Coronavirus im Zaum zu halten.

Vertrauen und sich gut informieren„Krebspatienten wissen, wie es ist, einer unbekannten Bedrohung aus-

geliefert zu sein und sich auf die Aus-sagen und Einschätzungen anderer verlassen zu müssen“, erklärt Dr. Forsch. Das Vertrauen in die Emp-fehlungen der behandelnden Ärzte ist deshalb ein wichtiger Schritt, um der Angst zu begegnen. Es ist sinn-voll, sich selbst über das Coronavirus zu informieren – aber im richtigen Maß und mithilfe seriöser Quellen. Ständig die neuesten Nachrichten zu verfolgen, kann die Angst erhöhen und zuweilen sogar lähmend wirken.

Auf sich selbst achtenGegen das Gefühl der Ohnmacht hilft es, selbst aktiv zu werden, rät Dr. Forsch. Hilfreiche Maßnahmen kennen viele Patienten bereits aus der Chemotherapie: „Hygiene-maßnahmen wie Händewaschen, Mundschutz tragen und Abstand zu anderen einhalten, schützen auch vor dem Coronavirus.“ Wer auf gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf achtet, stärkt sein Immunsystem. „Versuchen Sie, feste Strukturen in Ihrem Alltag beizubehalten, etwa indem Sie zur selben Zeit aufstehen, Ihren Hobbys nachgehen oder sich draußen bewegen – sofern Ihre The-rapie und Ihr Befinden das zulassen.“

All dies, so Dr. Forsch, kann das Gefühl von Kontrolle zurückgeben.

Isolation: Fluch oder Segen?Auf persönliche Treffen mit Men-schen, die nicht im eigenen Haus-halt leben, sollte man wegen der Ansteckungsgefahr verzichten.

Ruhe im Sturm

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M E D I Z I N & W I S S E N

DR. MED. SABINE FORSCHFachärztin für Innere Medizin, Hämatologie und internistische Onkologie; Teamleiterin Serviceteam Fachärzte AOK Clarimedis; Ärztin bei JaVita

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Menschen mit Krebs können bei einer COVID-19-Erkrankung einen besonders schweren Verlauf erleiden. Wie sie mit diesem Risiko umgehen und was eine Expertin rät.

Dies kommt manchen Patienten sogar gelegen. Sie empfinden den sozialen Rückzug als Erleichterung. Silke Euskirchen etwa, die sich wäh-rend ihrer Chemotherapie schwach und ausgelaugt fühlte, tat es gut, sich mit ihren Kindern eine Weile von der Außenwelt abzuschirmen – ohne, dass sie extra Entschuldigungen dafür finden musste. Wieder anders geht es vielen Menschen in der Nachbehandlung oder mit fortge-schrittenen Krebserkrankungen. Sie fühlen sich durch die Isolation unter Umständen eher eingeschränkt. Zum Beispiel Björn Rönnau aus Swisttal. Er hat Prostatakrebs mit Metastasen in den Knochen und ist dadurch geschwächt. Jetzt in der Corona-Pan-demie sind Alltagsaktivitäten wie Einkaufen oder Sport in seinem Fitnessstudio für ihn fast unmöglich geworden – und das liegt hauptsäch-lich an seinen Mitmenschen. Zu viele halten keinen Abstand oder tragen die Schutzmasken nicht beziehungs-weise falsch. Dieses Verhalten macht Björn Rönnau traurig – und wütend. „Ich weiß nicht, wie lange meine Me-dikamente noch wirken. Ich möchte mein Leben genießen, meine Kinder sehen – Menschen, die sich nicht

an die Hygienevorschriften halten, schränken mich ein.“ Auf keinen Fall möchte er jetzt im Krankenhaus oder Hospiz landen, wo ihn aufgrund der Ansteckungsgefahr fast niemand besuchen darf.

Warten auf den ImpfstoffSilke Euskirchen hat mittlerweile ihre Chemotherapie und eine am-bulante Reha abgeschlossen. Ihre Kinder gehen wieder in die Schule. Björn Rönnau meidet Menschen-mengen weiter und fährt vormittags mit dem Fahrrad ins Grüne, um raus zu kommen. Über Telefon und Inter-net hält er Kontakt zu seiner Familie. Einen Impfstoff scheint es bald zu geben. Wann genau er kommt, ist un-gewiss – aber Ungewissheit kennen sie ja. z

TEXT: LISA-MARIE STRÖHLEIN

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BJÖRN RÖNNAU (70) aus Swisttal ist pensionierter Abteilungsleiter Personal und an Prostatakrebs erkrankt.

Der Krebsinformationsdienst beantwortet wichtige Fragen zum Coronavirus: krebsinformationsdienst.de } Leben mit Krebs } Alltag und Krebs } Krebs und Corona

Rat und Hilfe erhalten Menschen mit Krebs beim JaVita-Team unter der kostenfreien Servicenummer 0800 0 512512

JaVita/LICHTBLICK- Patienten-Hotline

Information

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TEXT: KATJA WINCKLER

Weltweit suchen Krebsforscherinnen und -forscher nach neuen Behandlungsmethoden oder Medikamenten zur Vorbeugung, Früherkennung, Diagnostik oder Behandlung von Krebs. Bevor diese zum Einsatz kommen können, muss aber gewährleistet sein, dass sie wirksam sind und den Patienten keinen Schaden zufügen. Das passiert in klinischen Studien.

Klinische Studien zu Krebs finden in Deutschland meist an medizinischen Krebszentren, bei niederge lassenen Onkologen oder an onkologischen Kliniken statt. Vor Beginn einer Studie muss sie genehmigt sein – vom Paul-Ehrlich-Institut oder dem Bundesinstitut für Arz-neimittel und Medizinprodukte. Eine Ethikkommission aus Medizinern, Experten für Recht, Theo logie und Ethik muss der Studie zustimmen.

Es gibt verschiedene Methoden, eine Studie durchzu-führen. Wie eine Studie methodisch aufgebaut ist, hängt von der jeweiligen Fragestellung ab. Wird ein neues Medikament getestet, geschieht dies in einer sogenannten Interventionsstudie (Intervention bedeutet: Eingriff in ein Geschehen). Es gibt auch Beobachtungsstudien, bei denen Patienten unter regulärer Therapie ohne eine bestimmte Fragestellung untersucht werden. Kontrollierte Studien vergleichen Patienten, die eine neue Therapie er-halten haben mit solchen, die beispielsweise die Standard-therapie erhalten haben. In Kohortenstudien hingegen wird untersucht, wie sich eine bestimmte Behandlung hinsichtlich des weiteren Krankheits verlaufs ausgewirkt hat – oft über viele Jahre. Studien umfassen in der Regel vier Phasen (siehe Kasten).

IM DIENSTE DER

FORSCHUNG

Krebsmedikamentenstudien: Die vier Studienphasen

Phase I Das zu testende Arzneimittel wird erstmalig an einer kleinen Anzahl Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung unter kontrollierten Bedingungen angewandt, um erste Daten über Verträglichkeit, Aufnahme und Abbau, Verteilung im Körper und Wirksamkeit zu erfahren.

Phase II Das zu testende Arzneimittel wird einer begrenzten Anzahl Patienten verabreicht, bei denen man eine Wirkung bei der Krebsbehandlung annimmt. Es wird die Dosierung definiert, Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Schädlichkeit (Toxizität) werden ermittelt.

Phase III Das zu testende Arzneimittel wird einer größeren Anzahl von Patienten verabreicht, bei denen die Wirksamkeit bestätigt werden soll. Gleichzeitig sollen die Nebenwirkungen und auch die Schädlichkeit besser beurteilt werden, damit die von der Zulassungsbehörde vorgegebene Arzneimittelsicherheit erreicht wird. Sie ist die Basis für die Zulassung des Arzneimittels.

Phase IV Das Arzneimittel wurde zur Therapie von bestimmten Krebsarten mit vorgegebenen Dosierungsgrößen und Form der Einnahme zugelassen. Es wird nun bei Menschen mit entsprechender Indikation zur Therapie angewendet. Ziel dieser Phase ist es, Langzeitnebenwirkungen zu erfassen.

Klinische Studien tragen dazu bei, die Krebsbehandlung und -diagnostik zu verbessern. Wer daran teilnimmt, kann von einer intensiven Betreuung profitieren.

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M E D I Z I N & W I S S E N

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Information

Mehr Informationen zu Klinischen Studien bietet u. a. das Informationsblatt „Was sind klinische Studien? Soll ich teilnehmen?“:

krebsinformationsdienst.de } Service } Krebs von A–Z } Klinische Studiendimdi.de } Suche } Studienphasenonkologie-partner.de } Forschung } Studienphasen

Sicherheit für die Patienten

Natürlich lässt sich nicht vorhersagen, ob das zu testende Medikament gut vertra-gen wird oder ob die gewünschte Wirkung eintritt. Sollte es innerhalb einer Studie Probleme geben oder der Patient durch eine Prüfsubstanz Schaden erleiden, tritt eine spezielle Patientenschutzversicherung des Auftraggebers der Studie in Kraft, die Entschädigungszahlungen garantiert.

nicht mehr wirkt, Patienten es nicht (mehr) vertragen oder aus anderen Gründen nicht mehr teilnehmen möchten. Eine Studie wird nicht beendet, wenn Patienten das Medi-kament noch benötigen.

Bekomme ich Geld für die Teilnahme?Es gibt Wegegeld, damit den Teilnehmern durch die Anfahrt keine Kosten entstehen. In sehr wenigen Fällen gibt es eine kleine Aufwandsentschädigung.

Warum raten Sie Krebserkrankten, an Studien teilzunehmen?Wer an einer Studie teilnimmt, hat den Vorteil, besonders intensiv und engmaschig ärztlich betreut zu werden. Sie erhalten Zugang zu neuen Verfahren in der Diag-nostik und neue Medikamente, die mög-licherweise helfen, die Krebserkrankung noch besser in den Griff zu bekommen. Das kann eine ungeheure Chance sein.

Und was ist mit denen, die nur ein Scheinmedikament erhalten?Da wir die Patienten immer eingangs darüber informieren, dass es im Rahmen von Studien auch diesen Fall gibt, sind sie sich dessen bewusst. Aber selbst für diejenigen, die das neue Medikament nicht erhalten, bekommen die Standardtherapie. Die Teilnahme ist also kein Verlust.

Gibt es auch Nachteile?Natürlich können wir nicht vorhersehen, ob und wie stark das neue Medikament Nebenwirkungen auslöst oder ob es den gewünschten Effekt hat. Darüber sprechen wir in dem Eingangsgespräch. Ich habe jedoch noch keinen Teilnehmer erlebt, der die Studienteilnahme bereut hat.

Einer, der täglich mit Studien zu tun hat, ist Dr. Sebastian Michels. Er ist Assistenzarzt an der Klinik I für Innere Medizin der Uni-klinik Köln und als Studienarzt in der Lung Cancer Group Cologne, der Lungen-krebs-Studiengruppe der Klinik für die Be-treuung von Lungenkrebspatienten in und außerhalb von Studien zuständig.

Herr Dr. Michels, wie wird man Studienteilnehmer und wie läuft eine Studie ab?Die Teilnahme ist freiwillig und kann jeder-zeit vom Patienten beendet werden. Wenn Patienten in einem Krebszentrum behandelt werden, kann es sein, dass Mediziner sie ansprechen, ob sie Interesse an der Studienteilnahme haben. Dann werden sie eingängig über die Studie und den Ablauf informiert. Sie erhalten Infomaterial und eine Einverständniserklärung, die Arzt und Patient später unterschreiben. Es folgen Eignungsuntersuchungen, bei denen man genau schaut, ob der Patient zur Studie „passt“. Kriterien sind etwa Tumorart, Erkrankungsgrad und Laborwerte. Ein Team aus Arzt, Studienassistent/in und einer koordinierenden Person betreut die Teilnehmer während der Studie.

Wie viel Zeit muss ich mitbringen?Das hängt von der jeweiligen Therapie und Studienphase ab: Die Phase I ist aufwen-diger als eine Standardtherapie, die Phase III in der Regel ähnlich aufwendig wie eine Standardtherapie.

Wann ist eine Studie beendet?Das ist im Studienaufbau genau vorge-geben. Die Untersuchung kann jederzeit beendet werden, wenn das Medikament

Habe ich Anspruch auf das Medikament der Studie?Viele Patienten hoffen, im Rahmen einer Studie das neue Medikament zu erhalten. Gerade wenn sie an einer Phase-III-Studie teilnehmen, können Patienten davon aber nicht ausgehen. Fast immer wird per Los entschieden, ob ein Patient das Medikament erhält (s. Kasten) oder ob er in die sogenannte Kontrollgruppe kommt und damit die Standardtherapie bzw. ein Placebo (Scheinmedikament) erhält. Oftmals erfolgt die Zuteilung sogar doppelblind: Das bedeutet, dass weder Arzt noch Patient wissen, welche Teilnehmer zu welcher Grup-pe gehören. So wird sichergestellt, dass die Studie nicht durch große Erwartungen seitens der Patienten oder Behandler beeinflusst wird.

Studienteilnehmer tragen dazu bei, dass Medikamente sicherer und wir-kungsvoller werden. Krebspatienten hören immer wieder, dass es sich für sie selbst lohnen kann, an klinischen Studien teilzunehmen. Wichtig ist es, sich keine übersteigerten Hoff-nungen zu machen, aber zuversicht-lich an die Sache heranzugehen. Gute Aufklärung ist der erste Schritt. z

Fragen an Dr. Sebastian Michels

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TEXT: MARION FISCHER

Diverse Initiativen sammeln Haar, um Perücken für krebserkrankte Kinder und Jugendliche herstellen zu lassen. Zwei Mitarbeiterinnen der AOK Rheinland/Hamburg waren von dieser Idee begeistert und haben ihre Haare gespendet.

das ein sehr emotionaler Tag. Im-merhin habe sie fünf Jahre lang auf diesen Moment hingearbeitet. „Ich war sehr aufgeregt, aber es hat sich sehr gut angefühlt“, sagt sie. Ganze 35 Zentimeter lang war der Zopf, den sie an die Initiative spenden konnte, und sie sich, dass ihre Haare einem jungen Menschen zu einer schönen Perücke verhelfen konnten.

Schicksal einer FreundinÄhnlich ging es der ebenfalls 29-jäh-rigen Mira Lieven. Sie kam im Juni 2019 „unter die Schere“. Die brünette Teamleiterin im Bereich Vertrieb der AOK Rheinland/Hamburg war im August 2018 das letzte Mal beim Friseur gewesen, bis er im darauf folgenden Sommer fünf Zöpfe à 35 Zentimeter abschneiden konnte. Auf die Idee, ihre Haare zu spenden, ist die Mönchengladbacherin ge-kommen, nachdem eine Freundin aus Kindergartentagen 2013 an Leu-kämie erkrankt war. „Da befanden wir uns gerade in der Ausbildung, eine Zeit, in der man eigentlich er-wartungsfroh in die Zukunft blickt“, erinnert sie sich. „Die Erkrankung meiner Freundin hat mich sehr be-rührt.“ Glücklicherweise fand sich ein passender Knochenmarkspender. Bis dahin hatte sie mitbekommen, wie ihre Freundin ihre Haare verlor und versuchte, mit schönen Tüchern ihren Kopf zu umhüllen. Auch erfuhr sie, dass eine Echthaarperücke 1.000 Euro und mehr kostet. Sie ließ sich bei der DKMS registrieren und dachte erstmalig darüber nach, Haare zu spenden.

Haare wachsen in der Regel im Monat rund einen Zentimeter. Wer es damit eilig hat, braucht vor allem eines: Geduld. Nicole Zajac hat einen langen Atem bewiesen und fünf Jahre lang ihre Haare „gezüchtet“, wie sie sagt – für einen guten Zweck. Auf die Idee kam sie im Rahmen ihrer Arbeit bei der AOK Rheinland/Hamburg, bei der sie im Bereich Krankengeld tätig ist. Vor Jahren beriet sie eine Patientin mit einer Krebserkran-kung, die eine Perücke benötigte und über eine Spendenaktion eine Echt-haarperücke bekam. Der Gedanke daran ließ die Dormagenerin nicht mehr los. „Ich spende regelmäßig Blut und bin bei der DKMS als Stammzellspenderin registriert“, sagt sie. Da habe sie überlegt, warum nicht auch Haare spenden. Die heute 29-Jährige suchte im Internet nach einer Möglichkeit und wurde unter haare-spenden.de fündig, eine Ini-tiative, die mit der Deutschen Krebs-hilfe kooperiert. Gefragt sind – am besten – ungefärbte Haare mit guter Struktur. Nicole Zajac hat schönes Haar, glatt und blond.

Sie ging noch einmal in sich und beschloss Anfang 2014, ihr Ziel anzu-gehen. Ihr „Hausfriseur“ kannte die Initiative und plante mit ihr, einmal im Jahr nur die Spitzen zu schnei-den. Im Mai 2019 war es schließlich so weit, und dann ging alles ganz schnell. Die Haarpracht wurde mit einem Zopfgummi zusammengefasst und dann mit Haarschneidema-schine sowie Schere überkinnlang abgeschnitten. Für Nicole Zajac war

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Information

Wenige Jahre später kam ihr das Thema wieder in den Sinn. Im Internet fand sie die österreichische Initiative „Die Haarspender“. Diese unterstützt Kinder und Jugendliche, die keine passenden Perücken finden oder deren Eltern sich die Kosten nicht leisten können. Publik auf InstagramNachdem sich Mira Lieven auf der Vereinsseite schlaugemacht hatte, ging sie zu ihrem Friseur und erklärte ihm die Bedingungen. Die Mindest-länge war gegeben, ihre Haare nicht gefärbt, mit guter Struktur. Das „Unternehmen Haarspende“ konnte starten. Ihr Friseur Marc Hellwig fand die Sache unterstützenswert, daher ging das Abschneiden der Haare „aufs Haus“. Mit ihrer Erlaub-nis veröffentlichte er die Aktion auf Instagram – und konnte auf diese Weise eine weitere Haarspenderin gewinnen.

Jetzt geht es gleich weiterNicole Zajac und Mira Lieven wissen nicht, wer ihre Haare erhalten hat. Der Grund: Eine Perücke entsteht aus mehreren Haarspenden. „Das ist aber nicht schlimm“, finden sie. Die Hauptsache sei doch, dass ihre Haare dafür sorgen, dass sich Kinder oder junge Menschen wieder besser fühlen. Den Rheinländerinnen hat die Aktion Spaß gemacht. Auch ihr Umfeld zeigte sich begeistert. „Meine Kollegen und Freunde haben ständig gefragt, wann der Friseurtermin ist“, erzählt Nicole Zajac lachend. Bei Mira Lieven war es ähnlich. „Meine Schwägerin hat sich sogar anstecken lassen und auch ihre Haare wachsen lassen.“ Mira Lieven überlegt, wann sie die Sache nochmalig angeht. Nicole Zajac ist bereits Wiederho-lungstäterin. Sie ist gerade dabei, sich erneut eine lange Mähne zu züchten. 2023 könnte es so weit sein, dass die Haarschere ihres Friseurs wieder klappert. z

Die Initiative haare-spenden.de Informationen, Fotos, Bedingungen und Anleitungen unter haare-spenden.de sowie weitere Infos unter: krebshilfe.de/blog/haare-spenden/

Zopfversand Rieswick & Partner GmbH Hüpohl 5+7 46342 Velen-Ramsdorf Telefon: 0178-4372197

Der Verein Die Haarspender Informationen, Fotos, Bedingungen und Anleitungen unter: diehaarspender.at

ZopfversandVerein Die Haarspender Postfach 036 A-1239 Wien Österreich

Worauf ist bei einer Haarspende zu achten?

Länge: In der Regel sollten die gespendeten Haare 25, besser 30 oder mehr Zentimeter lang sein, da bei der Perückenherstellung Haarlänge verloren geht.

Die Haare: am besten ungefärbt; falls gefärbt, nicht zu häufig gefärbt und strukturell gesund.

Form: als geflochtener Zopf; bei dickem Haar in mehrere Zöpfe geteilt.

Nicht geeignet: Dreadlocks, Haare mit chemischer Dauerwelle oder dauerhaft geglättetes Haar.

Übrigens: Wer noch alte, abge schnit-tene Zöpfe in der Schublade oder im Schrank von seiner Mutter oder Großmutter findet, kann diese ebenfalls spenden. Sie sind bis zu 70 Jahre verwendbar.

NICOLE ZAJAC

MIRA LIEVEN

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Information Die AOK-Patientenbegleitung

Fernöstliche Entspannungsmethoden wie Yoga oder Thai-Chi, also Schattenboxen, sind weltweit beliebt. Weniger bekannt ist Qigong – eine Mischung aus Bewegungs-, Atem- und Meditationsübungen aus der Traditionellen Chinesischen Medizin. Die jahrtausendalte Methode soll helfen, Kör-per und Geist zu stärken und so mit dem eigenen Körper in Einklang zu kommen.

Qigong bedeutet „Arbeit am Qi“. Qi (auch Chi genannt, ausgesprochen „tschi“) betrachtet die Traditionelle Chi-nesische Medizin als Lebensenergie des Menschen. Die ist nach einer Krebsbe-handlung oft ziemlich geschwächt: Ope-rationen, Chemo- und Strahlentherapie sorgen dafür, dass sich Betroffene müde oder ausgelaugt fühlen.

Die Entspannungsmethode eignet sich auch für ältere sowie körperlich einge-schränkte Menschen und ist mit etwas Übung gut zu erlernen. Die Übungen des Qigong sind darauf ausgerichtet, die Lebensenergie anzuregen und wieder in

Sie möchten an einem Qigong-Kurs teilnehmen? Ihre AOK bietet im Rahmen der Gesundheitskurse unter aok.de } Leistungen & Services } Leistungen von A–Z } Gesundheitskurse welche an.

Das JaVita-Team hilft Ihnen gern bei der Suche nach einem passenden Qigong-Kurs oder anderen Entspannungskursen unter der kostenfreien Servicenummer: 0800 0 512512

TEXT: KATJA WINCKLER

Sanf t in Schwung kommenDie chinesische Entspannungsmethode Qigong beruhigt Körper und Geist. Und sie kann bei Krebspatienten Fatigue und depressive Verstimmungen lindern.

Schwung zu bringen, den eigenen Kör-per positiv wahrzunehmen und mögliche Ängste zu mildern.

Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass Qigong die Symptome einer chro-nischen Erschöpfung (Fatigue) deutlich verbessern und depressive Verstimmungen lindern kann. Darüber hinaus wirken sich die langsamen Bewegungen im Zeitlupen-tempo, die Namen wie zum Beispiel „Kra-nich“, „Spiel der fünf Tiere“ oder „Großer Tanz“ tragen, auch bei einer Krebserkran-kung positiv auf das Wohlbefinden aus.

Qigong kann im Sitzen, Stehen oder Lie-gen ausgeführt werden. Bei den meditati-ven Übungen geht es darum, die Atmung bewusst wahrzunehmen und zu steuern. Ebenso ist es möglich, sich auf bestimmte Organe oder Bereiche des Körpers zu konzentrieren.

Interesse bekommen? Qigong lässt sich am besten in einem Kurs unter qualifizier-ter Anleitung erlernen.

Als Vorgeschmack eine einfache Grundübung:*• Stellen Sie sich entspannt hin• Füße schulterbreit auf den Boden,

Knie leicht beugen• Wirbelsäule aufrichten (Ihr Kopf wie

von einem Faden hochgezogen), Becken leicht vorschieben

• Kinn leicht zur Brust senken• Schultern und Arme entspannt hängen

lassen• Durch Mund ein- und durch Nase

wieder ausatmen • Auf den Atemfluss konzentrieren• Hände auf den Bauch, unterhalb des

Nabels, legen. Männer die linke Hand auf den Körper und die rechte auf die linke. Bei Frauen andersherum

• Übung zwei Minuten lang ausführen

*Wichtiger Hinweis

Sprechen Sie vorher mit Ihrem behan-delnden Arzt, ob sich Qigong für Sie eignet. Auch ist es zu empfehlen, einen zertifizierten Kurs zu besuchen.

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Dieses Druckerzeugnis wurde mit dem Blauen Engel ausgezeichnet

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Allein sein mit der Natur und in der klirrenden Kälte zur Ruhe kommen. Weit-ab von Ortschaften und Straßen dringt kein Lärm in die zauberhafte Winterlandschaft von Kalterherberg. Die leicht begehbaren Pfade werden im Winter für Wanderer geräumt. Diese und weitere Winterwander-routen im Nationalpark Eifel gibt es unter:eifel.info } Suche: Winterwandern Eifel

Ob mit Karten oder auf dem Brett: Gesellschaftsspiele sind ein tolles Unter-haltungsprogramm für kalte, regnerische Tage und liegen momentan wieder voll im Trend. In vielen deutschen Städten gibt es Verleihge-schäfte, wo Sie Spiele gegen eine kleine Gebühr ausleihen und ausprobieren können, zum Beispiel in der Spielerei in Düsseldorf oder in den Hamburger Bücherhallen:spielerei-duesseldorf.debuecherhallen.de/games

Strandspaziergänge im Winter? Na klar. In der Lübecker Bucht ist das Klima weniger rau als an der

Nordsee, sodass man hier auch im Winter durch den Sand pflügen kann. Die kalte klare Luft und die

Weite sind die perfekte Umgebung, um den Kopf freizubekommen. Hinterher lässt es sich mit warmen

Decken und Tee aus der Thermoskanne im Strand korb kuscheln. Routenempfehlungen gibt es hier:

luebecker-bucht-ostsee.de/wandern

DRINNEN

SPIELEN

IM SCHNEE

WANDERN

Singen verbessert die Haltung, stärkt die Abwehrkräfte und macht glücklich. Genug

Gründe, um nicht nur in der Weihnachtszeit öfter mal die Stimme zu erheben – am besten mit

anderen: Beim PopUpChoir treffen sich Hobby-sänger im Netz und lernen zusammen ein Lied. Anschließend können Teilnehmer ihre Stimme

aufnehmen und einschicken – aus den Einsendungen wird dann ein Chorvideo gebas-

telt, aufdem alle gemeinsam singen.popupchoir.de

ONLINE

SINGEN

AM MEER

SPAZIEREN

I M P R E S S U MJaVita wird herausgegeben von der AOK Rheinland/Hamburg – Die Gesundheitskasse, Kasernenstraße 61, 40213 Düssel-dorf. Koordination AOK Rheinland/Hamburg: Heike Rubbert, Svetlana Dornhof, Dr. med. Sabine Forsch, Katrin Lorenz, Helene Berger. Verlag und Redaktion: KomPart Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Rosenthaler Str. 31, 10178 Berlin; 20-0463; Katja Winckler (verantwortlich), Lisa-Marie Ströhlein. Autorinnen: Oyindamola Alashe, Marion Fischer, Lisa-Marie Ströhlein, Katja Winckler. Creative Director: Sybilla Weidinger. Grafik: Silvia Pipa. Titelfoto: privat. Druck: Albersdruck GmbH & Co. KG. Vertrieb: AOK Rheinland/Hamburg. Erscheinungsweise: zweimal jährlich. Der Bezugspreis ist im Mitglieds-beitrag enthalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Gemäß § 13 SGB 1 sind die Sozialversicherungsträger verpflich tet, die Bevölkerung im Rahmen ihrer Zuständigkeit aufzuklären. In JaVita genannte geschützte Produktnamen sind, unabhängig davon, ob sie als solche gekennzeichnet sind, Marken und/oder Warenzeichen der jeweiligen Rechteinhaber und somit nicht frei verwendbar. Auf Kennzeichnung der Produktnamen mit einem Warenzeichen wird daher verzichtet. Informationen zum Datenschutz finden Sie unter aok.de/rh/datenschutzrechte

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Ich bin für Sie da, in einer Zeit, die von vielfältigen Belastungen geprägt ist.Als Patientenbegleiter helfe ich Ihnen persönlich vor Ort in der Region Köln. Ich höre zu, Ihre Fragen und Sorgen stehen im Mittelpunkt der Beratung. Wir besprechen gemeinsam Lösungen und finden einen Weg – auch wenn anfangs vielleicht nicht so klar ist, wohin er führt.

Marius Schruffarbeitet in der Regionaldirektion Köln als Patientenbegleiter.

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Gesundheit in besten Händen.