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Holzbauseminar 2005 in Eberswalde Seite 1 Dipl.-Ing. Axel Seemann Ingenieurbüro für Baustatik und Sanierungsplanung 15366 Dahlwitz-Hoppegarten Wiederbelebung einer Konstruktionsweise des Ingenieurholzbaus bei der Sicherung der Schlossruine Dahme Dipl.-Ing. Axel Seemann Kurzer geschichtlicher Abriss In seiner wechselhaften Geschichte unterlag das ehemals bedeutende Barockschloss, das in den Jahren 1713-1719 als Sitz der Herzoge von Sachsen- Weißenfels auf einer vorhandenen Burganlage errichtet wurde, unterschiedlichsten Nutzungen. So diente es nach dem Ende der Linie von Sachsen- Weißenfels ab 1747 als Witwensitz der Herzogin von Kurland. Ab 1772 wird das Schloss wiederholt als Übernachtungsort für den sächsischen Kurfürsten und späteren König Friedrich August I genutzt. 1813 wird das Schloss als preußisches Lazarett genutzt, bevor es 1815 im Zuge der territorialen Neuordnung zusammen mit der Stadt Dahme, in einem den Quellen nach sehr schlechten Zustand, an Preußen überging /2/, /3/. Für die Zeit um 1819 ist bekannt, dass die Vorderfront wegen starker Risse und Teileinstürze der Fensterbögen abgetragen und erneuert werden sollte. 1 Im Jahr 1825 erwarb das mittlerweile stark instand- setzungsbedürftige Schloss ein Berliner Bankier. 1873 1 Da dies aber offensichtlich nicht erfolgt ist, war die Sanierung der Fensterbögen des Mittelresalites eine der schwierigsten Sanierungsmaßnahmen der gegenwärtigen Ruinensicherung. wurde das bis dahin mehrfach veränderte Schloss von der Stadt Dahme erworben und in den Jahren 1878- 1881 zu einer Schule umgebaut, wobei das 2. Obergeschoss vermietet wurde. Bereits 1905 zog in Teile des Erdgeschosses das neu gegründete Stadt- museum ein. Um 1940 begann mit dem Ausbau des Schlosses für Polizeizwecke die nächste umfassende, wenn auch unvollendete Veränderung, deren Eingriffe auch heute noch an vielen Stellen ablesbar sind. Im Rahmen dieser Maßnahmen wurden bereits die beiden einspringenden Dachgeschosse abgenommen und durch flachere Dächer ersetzt. Nach Beendigung des 2. Weltkrieges erfolgte 1956 im Zusammenhang mit Bestrebungen zum Wiederaufbau, bzw. in Vorbereitung für einen Ausbau der Dach- geschosse eine Demontage der Dächer. Die geborgenen Hölzer sollten für die neuen Dachtrag- werke wieder verwendet werden. Nach zentral verordneter Einstellung aller weiteren Arbeiten ohne entsprechende Sicherungen im Jahr 1956 kam es zwangsläufig zu einem starken Fortschreiten des Zerfalls. Bis zu Beginn der 90-iger Jahre des 20.Jh. wurden an der so entstandenen Ruine keinerlei Maßnahmen, weder zum Erhalt, noch zur Sicherung, durchgeführt. Im Gegenteil, die Ruine diente u.a. auch als öffentlicher Schuttabladeplatz. Neu belebt wurden die Diskussionen um das Schloss mit dem geplanten Neubau einer Kurklinik in unmit- telbarer Nähe. Die Bauherren der Klinik, die ebenfalls die Ruine des Schlosses erworben hatten, strebten Bild 1: Das Schloss Dahme um 1914

Wiederbelebung einer Konstruktionsweise...Holzbauseminar 2005 in Eberswalde Seite 1 Dipl.-Ing. Axel Seemann Ingenieurbüro für Baustatik und Sanierungsplanung 15366 Dahlwitz-Hoppegarten

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    Dipl.-Ing. Axel Seemann Ingenieurbüro für Baustatik und Sanierungsplanung 15366 Dahlwitz-Hoppegarten

    Wiederbelebung einer Konstruktionsweise des Ingenieurholzbaus bei der Sicherung der Schlossruine Dahme Dipl.-Ing. Axel Seemann Kurzer geschichtlicher Abriss In seiner wechselhaften Geschichte unterlag das ehemals bedeutende Barockschloss, das in den Jahren 1713-1719 als Sitz der Herzoge von Sachsen-Weißenfels auf einer vorhandenen Burganlage errichtet wurde, unterschiedlichsten Nutzungen. So diente es nach dem Ende der Linie von Sachsen-Weißenfels ab 1747 als Witwensitz der Herzogin von Kurland. Ab 1772 wird das Schloss wiederholt als Übernachtungsort für den sächsischen Kurfürsten und späteren König Friedrich August I genutzt. 1813 wird das Schloss als preußisches Lazarett genutzt, bevor es 1815 im Zuge der territorialen Neuordnung zusammen mit der Stadt Dahme, in einem den Quellen nach sehr schlechten Zustand, an Preußen überging /2/, /3/. Für die Zeit um 1819 ist bekannt, dass die Vorderfront wegen starker Risse und Teileinstürze der Fensterbögen abgetragen und erneuert werden sollte.1 Im Jahr 1825 erwarb das mittlerweile stark instand-setzungsbedürftige Schloss ein Berliner Bankier. 1873

    1 Da dies aber offensichtlich nicht erfolgt ist, war die Sanierung der Fensterbögen des Mittelresalites eine der schwierigsten Sanierungsmaßnahmen der gegenwärtigen Ruinensicherung.

    wurde das bis dahin mehrfach veränderte Schloss von der Stadt Dahme erworben und in den Jahren 1878-1881 zu einer Schule umgebaut, wobei das 2. Obergeschoss vermietet wurde. Bereits 1905 zog in Teile des Erdgeschosses das neu gegründete Stadt-museum ein. Um 1940 begann mit dem Ausbau des Schlosses für Polizeizwecke die nächste umfassende, wenn auch unvollendete Veränderung, deren Eingriffe auch heute noch an vielen Stellen ablesbar sind. Im Rahmen dieser Maßnahmen wurden bereits die beiden einspringenden Dachgeschosse abgenommen und durch flachere Dächer ersetzt. Nach Beendigung des 2. Weltkrieges erfolgte 1956 im Zusammenhang mit Bestrebungen zum Wiederaufbau, bzw. in Vorbereitung für einen Ausbau der Dach-geschosse eine Demontage der Dächer. Die geborgenen Hölzer sollten für die neuen Dachtrag-werke wieder verwendet werden. Nach zentral verordneter Einstellung aller weiteren Arbeiten ohne entsprechende Sicherungen im Jahr 1956 kam es zwangsläufig zu einem starken Fortschreiten des Zerfalls. Bis zu Beginn der 90-iger Jahre des 20.Jh. wurden an der so entstandenen Ruine keinerlei Maßnahmen, weder zum Erhalt, noch zur Sicherung, durchgeführt. Im Gegenteil, die Ruine diente u.a. auch als öffentlicher Schuttabladeplatz. Neu belebt wurden die Diskussionen um das Schloss mit dem geplanten Neubau einer Kurklinik in unmit-telbarer Nähe. Die Bauherren der Klinik, die ebenfalls die Ruine des Schlosses erworben hatten, strebten

    Bild 1: Das Schloss Dahme um 1914

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    einen Abriss der Reste und einen „originalgetreuen“ Wiederaufbau an. Nach z.T. heftigen, auch öffentlich geführten Auseinandersetzungen der Beteiligten, wurde die Klinik gebaut und die Ruine lag weiter brach und fiel wieder in die Verantwortung der Stadt Dahme. Als Vorstufe einer Sicherung wurde 1995 lediglich eine ca. 25 m hohe Stahl-Rahmen-Konstruktion zur Sicherung des sich von den anderen Gebäudeteilen lösenden Mittelresalites eingebaut. Gleichzeitig wurden die Fensteröffnungen mit Kalksandstein-mauerwerk geschlossen und das noch vorhandene Wappen mit Spanplatten geschützt. In diesem Zusammenhang wurden sehr umfangreiche bauhistorische und restauratorische Dokumentationen erstellt /2/, /3/, /4/, /5/. Bis 1999, dem Beginn ernsthafter Bestrebungen wenigstens eine Sicherung des Zustandes zu erreichen, verschlechterte sich der Zustand ohne weitere Maßnahmen natürlich auch weiterhin.

    Sanierungsziel Da ein Wiederaufbau des Schlosses in seiner ursprünglichen Form sowohl aus Kostengründen (veranschlagt waren ca. 15-20 Mio. DM) als auch mangels Nutzer unrealistisch war, wurde die Erhaltung des Schlosses als gesicherte Ruine unter Beachtung folgender Prämissen vorangetrieben: 1. Das vorrangigste Ziel der Maßnahmen bestand

    zunächst in der Verhinderung des progressiv fort-schreitenden Zerfalls der Ruine.

    2. Gleichzeitig sollte durch die Sicherung der gefährdeten Bauteile eine Begehbarkeit der Ruine

    ermöglicht werden.

    3. Generell waren alle Eingriffe in die Konstruktion so zu planen und auszuführen, dass ein Wiederaufbau des Schlosses, so unwahrscheinlich er auch erscheinen mag, prinzipiell möglich bleibt.

    4. Durch die Einbeziehung des Umfeldes war, als eine Voraussetzung für die Nutzung der Ruine, eine Einbindung in das Stadtbild zu erreichen.

    5. Aus der Sicht der Denkmalpflege kam der Sanierung des Mittelresalites eine besondere Bedeutung zu.

    Auf Grundlage dieser Aufgabenstellung sollte ein Sicherungskonzept Wege im Umgang mit der Ruine auf Grundlage des vorhandenen Bauzustandes und der baugeschichtlichen und restauratorischen Befunds-lage aufzeigen. Gleichzeitig sollten Aussagen über die zu erwartenden Kosten getroffen werden. Nach einer ersten, gemeinsam mit der Stadt Dahme und dem Brandenburgischem Landesamt für Denkmalpflege durchgeführten Objektbegehung, schien es für eine Bewertung des Bauzustandes unerlässlich, eine Einteilung in Schadensgruppen vorzunehmen. Die Besonderheit bei der an sich üblichen Verfahrensweise bestand aber darin, dass auf Grund der starken Schädigungen die „beste“ Kategorie „starke Schäden I“ hieß. Die Einteilung erfolgte demzufolge in vier Gruppen (Tabelle 1). Alle noch vorhandenen Räumlichkeiten wurden anhand dieser Schadensgruppen zugeordnet. Gleich-zeitig zeichnete sich aus der Zuordnung zu den Schadenskategorien auch der zu erwartende Sicherungsaufwand immer klarer ab. So ist bau-technisch und kostenmäßig der Umgang mit einzelnen, losen Gesimsziegeln anders zu bewerten als die Sicherung von ca. 1m breiten Mauerwerksblöcken, die sich über Fensteröffnungen bereits 10 cm nach unten und ca. 8 cm nach außen verschoben haben und dennoch im Bestand saniert werden sollten. Baumaßnahmen Nach Vorlage des Sicherungskonzeptes /1/, detail-lierter Kostenberechnungen und den entsprechenden Abstimmungen mit dem Bauherren und den zuständigen Behörden der Denkmalpflege ergab sich im Jahr 2000 die Möglichkeit im Rahmen des Förderprogramms „Dach und Fach“ und der finanziellen Unterstützung durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, einen ersten Bauabschnitt zu finanzieren. Mit Beginn dieses ersten Abschnittes im September 2000 konzentrierten sich die Arbeiten zunächst auf die Schaffung von Zugänglichkeiten, die Entfernung des in riesigen Mengen vorhandenen Bewuchses, der Bergung von sicherungsfähigen Bauteilen und letztlich den Beginn der Arbeiten an der Mauerkrone.

    Bild 2: Zustand Mittelresalit 1999

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    Die Schwerpunkte der Bauabschnitte in den Jahren 2001-2003 beinhalteten die Sicherung der Mauer-kronen, der Herstellung der Abdeckungen für die Mauervorsprünge und die Sicherung von Gewölbe-teilen. Gleichzeitig präzisierten sich die Anforde-rungen für zukünftige Nutzungen. Neben der Erschließung der Kellerräume und der Ebene des 1.Obergeschosses durch Stahlkonstruktionen trat zunehmend eine Entscheidung zum Schutz der relativ gut erhaltenen Gewölbekonstruktionen, sowohl über dem Keller, als auch über Teilen des Erdgeschosses in den Vordergrund. Allen an der Planung Beteiligten war zu einem sehr frühen Zeitpunkt bewusst, dass die sich daraus ergebenen Konsequenzen für das Erscheinungsbild der Ruine aber auch für die Nutzungsmöglichkeiten richtungweisend waren. Aus diesem Grund soll auf diesen Aspekt der Ruinen-sicherung im Folgenden näher eingegangen werden. Die vorangestellten Darstellungen sollen zeigen, dass die Besonderheit bei der Sanierung der Schlossruine in

    der Entwicklung der Nutzungsanforderungen erst während der Bauphase bestand. Überlegungen zur Überdachung Eine für den Planungs- und Sanierungsprozess wesentliche Problemstellung bestand in dem Schutz der im Verhältnis zur Bausubstanz der Obergeschosse gut erhaltenen Kellergewölbe vor der Niederschlags-feuchtigkeit. Wenn auch die z.T. 40-50cm starke Bewuchsschicht (siehe Tabelle 1 Kategorie IV) auch eine gewisse Schutzfunktion vor Feuchtigkeit und insbesondere vor Schäden durch Frost-Tau-Wechsel gewährleisteten, so war von vorn herein klar, dass nach Freilegung und Sanierung der Schäden, insbesondere der starken Wurzeldurchwachsungen, die Gewölbe durch geeignete Maßnahmen vor Witterungseinflüssen geschützt werden mussten. Zwei grundsätzliche Vorgehensweisen bildeten für den umfangreichen Diskussionsprozess die Grundlage.

    Tabelle 1: Einteilung in Schadengruppen aus /1/ Kat. Bezeichnung Beschreibung Beispiel

    I Starke Schäden I

    Die Tragkonstruktion steht als Ganzes ohne größere Risse. Ein Herabstürzen einzelner Ziegel ist möglich; Arbeiten können durch eine Fachfirma ausgeführt werden.

    II Starke Schäden II

    Die Tragkonstruktion steht als Ganzes mit relativ geringen Rissen in Wänden und Decken. Ein Herabstürzen einzelner Ziegelgruppen bzw. Bauelemente (Brüstungen, Stürze o.ä.) ist möglich. Arbeiten können nach einfachen Sicherungsmaßnahmen durch eine Fachfirma ausgeführt werden.

    III Sehr starke Schäden

    Die Tragkonstruktion steht nur noch teilweise. Durch starke Rissbildung ist das Gefüge gestört. Neben einzelnen Bauteilen droht die Konstruktion als Ganzes zu versagen. Es können keine Arbeiten ohne gesonderte Sicherungsmaßnahmen ausgeführt werden.

    IV Versagenszustand bereits eingetreten

    Bauteile haben versagt, jede Veränderung der Konstruktion kann zum Einsturz führen. Betreten verboten! Arbeiten sind nur nach Abbruch bis zu tragfähigen Elementen möglich.

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    Eine Möglichkeit besteht darin, die sanierten Gewölbe durch eine neu zu bildende Nutzschicht abzudecken. Die Anforderungen an eine derart bewitterte Ausführung kommen praktisch einem Terrassenboden gleich. Während ein denkmalgerechter Aufbau mittels Lehm-schicht und darauf verlegten Ziegelplatten durchaus denkbar und einfach herzustellen ist, bereitete die Planung der Wasserableitung erhebliche Probleme. Sie hätte in der Ebene des Geländeniveaus nach außen geführt werden müssen. In Teilen des Gebäudes wären damit Durchdringungen der Gewölbekappen ver-bunden, da über den Scheitelpunkten kein ausreichen-der Platz zur Verfügung steht. Dafür würde der beeindruckende Charakter der nach oben offenen Räumlichkeiten erhalten bleiben. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Errichtung geeigneter Überdachungen von Teilen des Gebäudes. Unabhängig von der Art der Ausführung der Überdachung würde eine einfache Verlegung der Ziegelfußböden in ein Kiesbett die Maßnahmen an den ca. 1200 m² umfassenden Fußböden erheblich vereinfachen. Ausschlaggebend für die Entscheidung zugunsten einer Überdachung einzelner Gebäudeteile waren letztlich auch die noch reichlich vorhandenen farblichen Befunde aus der Barockzeit (Bild 3), die insbesondere in den Fensterlaibungen zumindest fragmentarisch erhalten sind und unter restaura-torischer Begleitung auch gesichert werden konnten. Unter freier Bewitterung würden aber auch die gesicherten Fassungen nur eine sehr begrenzte Haltbarkeit aufweisen.

    Im Nachhinein stellt sich dieser Weg auch im Hinblick auf die Nutzungsmöglichkeiten der gesicherten Ruine als richtige Entscheidung dar. Wahl der Dachkonstruktion Wesentlich komplizierter als die Frage, ob überhaupt eine Dachkonstruktion errichtet werden soll, ist die Frage nach der Ausbildung der Dächer. Um den lichtdurchfluteten Charakter der über zwei Geschosse nach oben offenen Räume zu bewahren, lag es nahe, zunächst an eine Glaskonstruktion zu denken.

    Obwohl es verschiedene moderne Beispiele für die Verbindung von modernen Glaselementen mit historischen Gebäuden bzw. Gebäudeteilen gibt, wurde schnell klar, dass eine derartige Konstruktion den zur Verfügung stehenden finanziellen Rahmen bei weitem übersteigen würde.

    Eine weitere zu beachtende Randbedingung bestand darin, dass 3 der 5 Bauabschnitte nur mit einer Finanzierung im Rahmen von Arbeitsförderungs-programmen ermöglicht werden konnten. Nach umfangreichen Abstimmungen mit dem Bauherrn und insbesondere mit den zuständigen Denkmalschutzbehörden lagen der Planung der Dach-konstruktion folgende Grundsätze zugrunde: a) Die einzelnen Dächer sollen das Erscheinungsbild

    der Ruine nicht oder nur unwesentlich beeinträch-tigen.

    b) Ganz bewusst wurde nach einer Form gesucht, die weder von Innen noch von Außen den Eindruck des Nachbaus der ehemaligen Dachkonstruktion vermittelt.

    c) Es wurden nur die Räume überdacht, unter denen zu schützende Gewölbe liegen. Dies bedeutet, dass nicht unterkellerte Räume nicht überdacht werden.

    Einen wesentlichen Ausschlag für die Wahl der Kon-struktion gab letztlich die Anfrage des Amtes Dahme an das Planungsbüro, ob Holz, das im amtseigenen Forst zu Verfügung steht und eingeschlagen werden kann, für die Baumaßnahmen verwendet werden kann. Aus der Kombination vorhandenen Holzes mit den Arbeitskräften vor Ort ergab sich die Idee der Verwendung von Bohlenbindern. Das Grundprinzip der Bohlenbögen besteht darin, dass hochkant stehende, nach der Bogenlinie des Binders ausgeschnittene, Bretter zu einem Bogen zusammen-

    Bild 4: Vorentwurf einer gläsernen Überdachung

    Bild 3: Reste barocker Farbfassungen in den Fensterlaibungen

  • Holzbauseminar 2005 in Eberswalde Seite 5

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    genagelt werden und geht auf den französischen Hofarchitekten Philibert de l´Orme zurück, der es erstmals bereits 1561 für den Bau einer Halle in Paris anwendete.2 In /6/ beschreibt de l´Orme das von ihm entwickelte Konstruktionsprinzip und gibt zahlreiche Beispiele für die Anwendung an (Bilder 5 und 6). Während in der einschlägigen Literatur durch Stade /8/, Baudouin /9/, Gründling /10/ und Schübler /11/ die Verwendung der Bögen hinlänglich mit Beispielen belegt ist, werden das Prinzip, die konstruktive Ausbildung und Bemessungswerte bei Gesteschi /7/ sehr detailliert beschrieben.

    2 Gesteschi verweist darauf, dass es durchaus Hinweise gibt, dass Bohlenbögen auch schon vor ca. 200 Jahren, also im 14. Jh. Anwendung fanden.

    Die Verbindung der einzelnen Bretter erfolgte nach Gesteschi /7/ durch eine Kombination von eisernen und hölzernen Nägeln, wobei die Holznägel aus trockenem Tannenholz mit ovalem Querschnitt ausgeführt werden sollten. Gleichzeitig werden Richtwerte für die Dicke der Bretter und die Anzahl der Brettlagen in Abhängigkeit von der Spannweite angegeben. Bereits aus den Darstellungen de l´Orme´s in /6/ wird ersichtlich, dass das Ziel der Entwicklung der Bohlen-binder die stützenfreie Überspannung großer Räume gewesen ist. So werden in /9/ für Bögen nach l´Orme Spannweiten bis zu 18 m angegeben. Ein weiteres wesentliches Merkmal der Bohlenbinder besteht darin, dass für die Herstellung geringere Holzmengen als für vergleichbare Holzkonstruktionen benötigt werden. So ergibt sich z.B. für die gewählte Konstruktion in Dahme ein Holzverbrauch von 0,021 m³/m². Dem stehen, bei vergleichbaren Spannweiten, 0,123 m³/m² (~ 580%) für ein klassisches Kehlbalkendach mit zweifach liegendem Stuhl und 0,065 m³/m² (~ 310%) für ein Pfettendach mit zweifach stehendem Stuhl gegenüber. Zu bemerken ist in diesem Zusammen-hang, dass zur damaligen Zeit weit gespannte Dächer üblicherweise durch schwere Hängewerke, z.T. drei- und vierfach, ausgeführt wurden. Als Beispiel sei auf die Ausbildung der Decken über die in den Schlössern und großen Gutshäusern vorhandenen Festsälen verwiesen, die in den meisten Fällen als Hängewerke mit Holzquerschnitten von bis zu 24/28 ausgebildet worden sind. In Deutschland wurde dieses Konstruktionsprinzip durch den Baumeister und Lehrer K.F. Schinkels Friedrich Gilly verbreitet. Für die Bohlenbinder nach dem System Emy aus dem Jahr 1826 hingegen wurden flach übereinander gelegte Bretter mit wechselnden Stößen zusammengefügt. Daraus wird ersichtlich, dass das Prinzip von de l´Orme Ausgangspunkt für eine Reihe weiterführender Entwicklungen, letztlich bis zu den modernen Brettschichtholzkonstruktionen, gewesen ist. Aus den angeführten Gründen kann die Konstruktion der Bohlenbinder zu Recht als Beginn des Ingenieurholzbaus bezeichnet werden.

    Bild 7: Bohlenbinder nach Philibert de l´Orme /8/

    Bild 6: Faksimile der Veröffentlichung von Philibert de l´Orme über die Bohlenbinder /7/

    Bild 5: Faksimile der Veröffentlichung von Philibert de l´Orme über die Bohlenbinder /7/

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    Interessanterweise waren es gerade die hohen Arbeits-kosten und der nicht unerhebliche Holzabfall der dieser Bauweise Grenzen setzte. Genau diese Aspekte spielten aber unter den gegebenen Voraussetzungen im vorliegenden Fall nur eine untergeordnete Rolle. Der für die Ausbildung der Bohlenbinder wichtigste Parameter, der Radius des Bogens, wurde als der Abstand der Mauerkrone zur halben Raumbreite des „Saales“ definiert (Bild 8). Um ein einheitliches Bild der Binder zu gewährleisten, wurde festgelegt, dass der Radius von 10m für alle Dachbereiche gilt. Die damit verbundene Konsequenz der verschiedenen Stichhöhen bei unterschiedlichen Raumbreiten hat auf das Gesamterschienungsbild der ohnehin stark gegliederten Schlossruine keinen Einfluss.

    Die Bemessung der Binder erfolgte als räumliches Stabwerk, in dem die Brettlängen von 200 cm als Stablänge für die biegesteif zu einem Bogen ver-bundenen Einzelstäbe angesetzt worden sind (Bild 9).

    Die gewählte Brettlange liegt somit zwischen der in /7/ empfohlenen Länge von 1,5 bis 2,5 m. Ein Normalbinder besteht aus drei Brettern mit einem Querschnitt von 3 x 3,8/20 cm. Die Stöße wurden zur Gewährleistung einer gleichmäßigen Verteilung um 67cm versetzt angeordnet. Der Binderabstand wurde mit 1,25 m festgelegt. In den für die Stoßbemessung

    maßgebenden Stäben beträgt die Druckkraft des Bogens 10,8 kN. Die Zugkraft der Spannstähle ∅ 38 mm St 37 wurde mit 47,6 kN ermittelt. Abweichend von den historischen Vorgaben wurden die einzelnen Bretter nicht entsprechend der Bogenlinie ausgeschnitten. Damit konnte der Fertigungsprozess, der im Übrigen auf der Baustelle erfolgte, wesentlich vereinfacht und der Verschnitt verringert werden. Die Hölzer wurden sägerau verbaut (Bild 10), wobei die Unterkanten der Binder leicht angefast worden sind. Das sich aus der erforderlichen Anzahl der Verbindungsmittel ergebene Nagelbild wurde im Maßstab 1:1 aufgetragen und anschließend auf Schablonen aus Spanplatten übertragen. Die Abdeckung der Binder wurde durch eine 32 mm starke Rauhspundschalung realisiert, die so ange-ordnet worden ist, dass sie nach DIN 1052 als aus-steifend angesetzt werden konnte.

    Stand der Nutzung der gesicherten Ruine Schon frühzeitig wurde sich mit Nutzungsmöglich-keiten der gesicherten Ruine auseinandergesetzt. Diskussionsrunden im Rahmen der regelmäßig statt-findenden Sanierungsrunden und professionell erstellten Nutzungskonzepte näherten sich dieser Problematik von verschiedenen Seiten.

    Bild 11: Fertiggestellte Dachkonstruktion

    Bild 10: Montage der vorgefertigten Binder

    Rad

    ius 10 m

    Bild 8: Festlegung des Radius für den Binder

    Bild 9: Statisches System der Binder

  • Holzbauseminar 2005 in Eberswalde Seite 7

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    Einig waren und sind sich alle Beteiligten, dass die Impulse für eine Nutzung der gesicherten Ruine von den Bürgern der Stadt Dahme selbst kommen müssen. Für die Planung bedeutete dies, für möglichst viele Nutzungsmöglichkeiten offen zu stehen, ohne die Grundsätze der Sicherung zu verlassen. Als richtungweisend hat sich die Entscheidung der Stadt Dahme erwiesen, die Ruinenbaustelle noch während des 1. Bauabschnittes in das jährlich statt-findende Maifest einzubeziehen. Unter dem Motto „Das Schloss lebt!“ wurde eine professionelle Licht-show im Schloss organisiert, die es erstmals nach langer Zeit wieder in das Blickfeld eines großen Teils der Bevölkerung rücken ließ, auch wenn in dieser frühen Phase der Sanierung eine Begehbarkeit noch nicht gewährleistet werden konnte. Nach diesem Erfolg fanden jährlich Veranstaltungen zum Tag des offenen Denkmals statt, auf denen die jeweils fertig gestellten Abschnitte der Bevölkerung präsentiert werden konnten. Mit der Fertigstellung des Nordflügels wurde es dann auch möglich, kleinere private Veranstaltungen durchzuführen. Einen weiteren Höhepunkt stellte der Tag des offenen Denkmals 2004 dar. Erstmalig diente die Schlossruine als Kulisse für eine Theaterveranstaltung, die sich neben der im großen Saal errichteten Bühne auch auf andere Bereiche des Schlosses und des Umfeldes erstreckte.

    Zusammenfassung Durch die Anwendung eines historischen, in der heutigen Zeit kaum noch verwendeten Konstruktions-prinzips, konnte die Gratwanderung zwischen architektonischer Gestaltung und begrenzten materiellen Möglichkeiten beschritten werden. Im Ergebnis entstand eine eigenständige, konsequent durchgestaltete Konstruktion ohne das Gesamtbild der Schlossruine zu verändern bzw. historisierend zu verfälschen. Die vielschichtige Nutzung und die breite Annahme durch die Bevölkerung stellen den wichtigsten Erfolg der Sicherungsmaßnahmen dar. Literatur /1/ Seemann, Axel ; Konzept zur Sicherung der Schlossruine Dahme; Gutachten ; Dezember 1999 /2/ Salge, Christiane; Das Schloss in Dahme (Mark); Abschlussarbeit im Rahmen der Magisterprüfung des Faches Kunstgeschichte; Freie Universität Berlin (1994) /3/ Salge, Christiane; Das Barockschloss in Dahme – Ein Frühwerk des sächsischen Architekten Christoph Schütze (1687-1765); in : Formen der Visualisierung von Herrschaft – Studien zu Adel, Fürst und Schlossbau vom 16. bis zum 18.Jahrhundert / Peter-Michael Hahn/Helmut Lorenz (Hrsg.) – 1. Aufl. – Potsdam :Verlag für Berlin- Brandenburg 1998 /4/ Heinrich/Rohrmüller; Arbeitsbericht zur bauhistorischen Untersuchung der Schlossruine in Dahme; Oktober 1994 /5/ Schwarzer/Ricken; Restauratorische Untersuchungen der Schlossruine in Dahme ; Oktober 1994 /6/ Delorme, Philibert; Nouvelles inventions pour bien bastir et à petits fraiz, trouvées n’a guères par Philibert de l’Orme Lyonnois, architecte, conseiller & aulmonier ordinaire du feu Roy Henry, & abbé de S. Eloy lez Noyon. - Paris : De l’imprimerie de Federic (sic) Morel, rue S. Iean de Beauuais au franc Meurier, 1561. - In-fol., [VI]-61 ff. : pl. et fig. gravées sur bois ; sign. A-K6 L4 M4 ; 32,7 x 23,3 cm Quelle : www.cesr.univ-tours.fr/architectura/Traite/liste.asp /7/ Gesteschi, Th.; Der Holzbau; Springerverlag Berlin 1926

    Bild 12: Nutzung des Saales

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    /8/ Stade, Franz; Die Holzkonstruktionen; - Reprint des Originals- Ausgabe Leipzig Schäfer 1904 Werner-Verlag GmbH, Düsseldorf 1989 /9/ Baudouin, Andreas; Die Bauelemente und Konstruktionen für Zimmermeister auf 300Tafeln; - Reprint des Originals von 1906, 1907, 1908 Edition »libri rari « im Verlag Th. Schäfer, Hannover 1998 /10/Gründling, Paul; Der Zimmermeister; sechste Auflage; Verlag von Bernhard Friedrich Voigt, Leipzig

    /11/Schübler, Johann Jacob; Zimmermannkunst - Reprint des Originals von 1736 - Edition »libri rari « im Verlag Th. Schäfer, Hannover 1999 /12/Warth, Otto Dr.: - Reprint des Originals von 1900 - Edition »libri rari « im Verlag Th. Schäfer, Hannover 1994 /13/www.culture.gouv.fr/culture/sites-sdaps/sdap14/

    Bild 13: Ansicht der Schlossruine 2005