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HUMANITÄRE HILFE – UNTERSTÜTZUNG NACH EINER KATASTROPHE INHALTSÜBERSICHT 1. Humanitäre Krisen und humanitäre Hilfe weltweit 2. Wichtige Begriffe und Akteure 3. Wie kommt es zu humanitären Krisen? 4. Wie funktioniert humanitäre Hilfe bei Caritas Schweiz? 5. Tsunami 2004: Humanitäre Hilfe und Evaluation nach 10 Jahren 6. Was kannst du tun? 7. Weiterführende Informationen INFOMAPPE: HUMANITÄRE HILFE – UNTERSTÜTZUNG NACH EINER KATASTROPHE RAHMENBEDINGUNGEN: Schulstufe: Sekundarstufe II Didaktische Ergänzungen mit Anregungen für den Unterricht als PDF-Datei: www.youngcaritas.ch/humanitaerehilfe-schule Online Infoservice: www.youngcaritas.ch/humanitaerehilfe Erscheinungsdatum: 11.12.2014

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HUMANITÄRE HILFE –UNTERSTÜTZUNG NACH EINER KATASTROPHE

INHALTSÜBERSICHT1. Humanitäre Krisen und humanitäre Hilfe weltweit2. Wichtige Begriffe und Akteure3. Wie kommt es zu humanitären Krisen?4. Wie funktioniert humanitäre Hilfe bei Caritas

Schweiz?5. Tsunami 2004: Humanitäre Hilfe und Evaluation

nach 10 Jahren6. Was kannst du tun?7. Weiterführende Informationen

INFOMAPPE: HUMANITÄRE HILFE – UNTERSTÜTZUNG NACH EINER KATASTROPHE

RAHMENBEDINGUNGEN:

Schulstufe: Sekundarstufe IIDidaktische Ergänzungen mit Anregungen für den Unterricht als PDF-Datei: www.youngcaritas.ch/humanitaerehilfe-schuleOnline Infoservice: www.youngcaritas.ch/humanitaerehilfeErscheinungsdatum: 11.12.2014

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LEBEN ERHALTEN UND LEIDEN LINDERNImmer wieder und überall auf der Welt führen Konflik-te, Erdbeben, Vulkanausbrüche, Dürren, Über-schwemmungen und andere Katastrophen zu humani-tären Krisen. Menschen verlieren ihre Angehörigen, ihr Obdach und ihre Existenzgrundlage oder werden gar in die Flucht getrieben. Sie müssen müssen ohne Wasser, Nahrung und medizinische Hilfe um das Überleben kämpfen. Die Ursachen humanitärer Not können noch so vielfältig sein, ihre Folgen sind immer die gleichen: unerträgliches menschliches Leid. Humanitäre Hilfe ist deshalb eine moralische Pflicht aller Menschen. Sie bedeutet, alles zu unternehmen, um das Leben der Menschen, die sich wegen der Katastrophe nicht mehr selber helfen können, zu schützen und ihr Leiden zu lindern.

GELEBTE SOLIDARITÄTHumanitäre Hilfe ist der konkreteste Ausdruck von Solidarität mit den notleidenden Menschen auf der Welt. Humanitäre Hilfe ist unparteilich und muss frei von Bedingungen – beispielsweise von politischen Gegenleistungen – sein. Alle Menschen in humanitä-rer Not haben ein Recht auf Hilfe und zwar ungeachtet ihrer politischen Meinung, ihrer sozialen, ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit, ihrer Sprache oder ihres Geschlechts.

HILFSFORMENSolange die Hilfe den Zielen dient, Leben zu erhalten und Leiden zu verringern, ist jede Form der Unterstüt-zung denkbar. Am häufigsten werden jedoch die folgenden Mittel eingesetzt: Verteilung von Hilfsgütern; z. B. Wasser, Lebens-

mittel, medizinisches und Hygiene-Material, Zelte, Decken.

Entsendung von Fachspezialisten und Hilfsper-sonal; z. B. aus Medizin, Logistik, Bau.

Geldbeiträge; z. B. an andere Hilfsorganisationen vor Ort.

Alle Formen können einzeln oder miteinander kombiniert angewendet werden.

NACHHALTIGE UNTERSTÜTZUNGWo es um Menschenleben geht, muss Hilfe rasch und gezielt geleistet werden. Humanitäre Hilfe ist weit mehr als eine kurzfristige «Feuerwehraktion»: Professionelle humanitäre Hilfe ist nachhaltig. Das heisst sie berücksichtigt auch längerfristige Über-legungen für die Bevölkerung und zukünftige Gene-rationen. So soll die Sicherheit für die Betroffenen gesteigert werden, damit sie vor neuen Bedrohungen besser geschützt sind. Neue Häuser sollen beispiels-weise so gebaut werden, dass sie bei einer nächsten Natur katastrophe nicht erneut kaputt gehen. Hierfür koordiniert die humanitäre Hilfe ihre Aktionen mit anderen Akteuren (wie u.a. der Regierung, der UNO, dem IKRK, anderen NGOs oder je nach Situation dem Militär).

NACHHALTIGE HUMANITÄRE HILFE HAT VIER AUFGABEN: Nothilfe: Leben retten und erhalten. Mit der

Abdeckung der Grundbedürfnisse das Überleben der Opfer sichern.

Wiederaufbau: Unterstützung (Hilfe zur Selbsthilfe) beim Wiederaufbau eines menschenwürdigen Daseins. Der Wiederaufbau wird so ausgerichtet, dass längerfristige Entwicklungszusammenarbeit möglich ist; das heisst es gilt die Prozesse der humanitären Hilfe und der Entwicklungs zu-sammenarbeit parallel und in gegenseitigem Zusammenhang aufzugleisen.

Advocacy (Interessensvertretung): Stärkung der Solidarität und Verantwortung gegenüber den Opfern, damit sie nicht vergessen werden; z. B. durch Öffentlichkeitsarbeit den Opfern eine Stimme geben.

Vorbeugung und Vorbereitung: Verminderung der Risiken von Natur- und technologischen Katastro-phen. Vorbeugung durch Verminderung von Risiken; z. B. Verminderung des Überschwemmungsrisikos durch Bau von Schutzdämmen. Oder Verminderung der Folgen von Ereignissen durch Schutzmass-nahmen; z. B. erdbebensicheres Bauen.

1. HUMANITÄRE KRISEN UND HU-MANITÄRE HILFE WELTWEIT

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DIE WICHTIGSTEN BEGRIFFE KURZ DEFINIERT Humanitäre Krise: Mit dem Begriff der humanitä-

ren Krise werden Situationen bezeichnet, in denen Menschen unter schwerster Not leiden: Ihr Leib und Leben ist bedroht. Im Unterschied zu Unglücken, die von den regulären Rettungskräften bekämpft werden können, sind humanitäre Krisen so schlimm, dass der betroffene Staat und die betrof-fene Gesellschaft damit überfordert sind. Humani-täre Krisen sind oft Folge von Katastrophen oder Konflikten.

Katastrophe: Als Katastrophe wird ein einschnei-dendes, folgeschweres Unglück bezeichnet, das weit über alltägliche Unfälle oder Naturereignisse hinausgeht. Eine Katastrophe gefährdet Leben und Gesundheit zahlreicher Menschen, richtet erheblichen Sachschaden an und zerstört oft die Lebensgrundlage der Bevölkerung. Stürzt eine Katastrophe die betroffenen Menschen in eine existenzbedrohende Notlage, welcher Gesellschaft und Staat nicht mehr selber begegnen können, spricht man von einer humanitären Krise.

AKTEURE Vereinte Nationen (UNO): Die Vereinten Nationen

sind ein Zusammenschluss von 193 Staaten. Ihre Aufgaben umfassen neben der Sicherung des Weltfriedens, den Schutz der Menschenrechte sowie die Einhaltung des Völkerrechts. Ebenso sind sie mit verschiedenen Teilorganisationen wichtige Akteure im humanitären Gebiet; so etwa UNHCR, die Flüchtlingsorganisation der UNO, OCHA für die Koordination von humanitärer Hilfe oder UNOPS als Büro für Projektservice.

NGO: Eine Nichtregierungsorganisation, oft auch nach der Abkürzung des englischen Begriffes Non-Governmental Organization als NGO bezeich-net, ist eine nicht gewinnorientierte Organisation, die nicht von staatlichen Stellen organisiert ist.

Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung: Die Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung setzt sich weltweit für den unabhängigen Schutz von Men-schen in Not ein. Dazu gehören neben dem IKRK für humanitäre Hilfe in Konfliktgebieten, die internatio-nale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegungen sowie die nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften für Hilfe nach Katast-rophen.

Die Glückskette - Die solidarische Schweiz: Die Stiftung Glückskette ist die humanitäre Sammel-plattform der SRG SSR, welche Spenden für Hilfsprojekte sammelt. Die erfahrenen und der Stiftung angeschlossenen Schweizer Hilfsorgani-sationen setzen diese Projekte vor Ort um. Die Glückskette prüft und begleitet die Hilfsprojekte bis zu ihrem erfolgreichen Abschluss.

Rettungskette Schweiz: Die Rettungskette Schweiz ist auf die Ortung, Rettung und medizinische Erstversorgung von Verschütteten in Erdbeben im Ausland spezialisiert. Sie umfasst rund 100 Personen (Hundeführer, Retter und Notärzte), 12 Katastrophenhunde und 17 Tonnen Material. Die Rettungskette ist innerhalb von 8 bis 12 Stunden nach Einsatzentscheid abflugbereit und hat so in mehreren Ländern der Welt schon wertvolle Soforthilfe geleistet.

2. WICHTIGE BEGRIFFE UND AKTEURE

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Auf den Philippinen führte der Tropensturm Haiyan im November 2013 zu einer humanitären Krise: Nach Angaben der UNO wurden 16 Millionen Menschen betroffen und über eine Million Häuser zerstört.

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PRINZIPIEN Code of Conduct: Unter dem Eindruck verschiede-

ner problematischer Entwicklungen, beschlossen die etablierten humanitären Organisationen Mitte der Neunzigerjahre, Qualitätsstandards für huma-nitäre Hilfe einzuführen. Herausforderungen stellten eine mögliche Vereinnahmung der humani-tären Hilfe durch die Politik (bsp. durch die Ver-folgung von politischen Interessen bei staatlicher Hilfe) oder einer stetigen Zunahme der Zahl von NGOs dar. Ausserdem wuchs das Bewusstsein um die mitunter auch negativen Auswirkungen humani-tärer Aktionen (bsp. Steigerung einer Empfänger-mentalität oder eine einseitige Hilfe in Konfliktsitua-tionen). Verschiedene Organisationen entwickelten daher gemeinsam einen Code of Conduct, einen Verhaltenskodex für humanitäre Organisationen. Das Ziel des Code of Conduct ist es, einen gemein-samen Standard für humanitäre Hilfe zu setzen und die Qualität der humanitären Hilfe zu erhöhen.

The Sphere Project: Ein weiteres Mittel zur Qualitätssicherung und -steigerung ist das Sphere Project. Ziel des Projektes und des daraus entstan-denen Handbuches ist es, die Qualität und die Zuverlässigkeit der Unterstützung von Katastro-phen- und Krisenbetroffenen zu verbessern und die Transparenz, die Rechenschaft und die Verantwort-lichkeiten der humanitären Organisationen zu erhöhen.

Konfliktsensitives Arbeiten und «Do no Harm»: Nicht nur die Anzahl, sondern auch die Bedeutung der NGOs hat in den letzten Jahrzehnten zugenom-men. Wichtig ist dabei, dass sie nicht instrumentali-siert werden oder Konflikte noch mehr schüren, indem beispielsweise im Einsatzgebiet die falschen Akteure unterstützt werden. Im Fokus des Do-no-Harm Prinzipes steht das Bestreben, unbeabsichtigte negative Nebenwirkungen von Projekten zu minimieren und sich fortlaufend zu überlegen, was in der Situation auch noch passieren könnte. Wird z. B. die vor der humanitären Krise vorhandene Struktur der Freiwilligenarbeit in der Gesellschaft durch die Hilfe zerstört? Zudem müssen mögliche positive Auswirkungen auf die Friedensförderung erkannt und gefördert werden.

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Im Nordirak wird mit Zelten und Nothilfepaketen Soforthilfe für die Flüchtlinge geleistet.

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Der knapp vier Jahre dauernde Bürgerkrieg in Syrien trieb bereits fast 10 Millionen Menschen in die Flucht: Unter schwierigsten Umständen kämpfen sie ums Überleben wie in diesem Flüchtlingslager im Libanon.

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Es gibt viele Gründe, weshalb Menschen in humani-täre Not geraten können. Folgende Faktoren führen oft zu humanitären Krisen und können isoliert oder in Kombination auftreten.

KONFLIKTEAls Konflikte werden Kriege und kriegsähnliche Auseinandersetzungen bezeichnet. Bei Konflikten geraten die Opfer meist schnell in Vergessenheit, wenn die Medien nicht mehr von ihnen berichten. Humanitäre Hilfe bei Konflikten ist aus Sicherheits-gründen oft nur eingeschränkt möglich, weil die Hilfskräfte direkt von den Auseinandersetzungen bedroht werden können und um ihr eigenes Leben fürchten müssen.

NATURKATASTROPHENErdbeben, Wirbelstürme, Flutwellen, Überschwem-mungen, Dürren, Vulkanausbrüche oder auch Lawi-nenniedergänge mit schweren Folgen sind Naturer-eignisse, welche die Menschen gefährden. Allerdings hat auch bei Naturkatastrophen zunehmend der Mensch die Hand im Spiel. Durch die Übernutzung der natürlichen Ressourcen, etwa die Abholzung des tropischen Regenwalds oder die Belastung des Klimas durch Umweltgifte, aber auch durch das Bauen in Risikobereichen, haben Naturkatastrophen in den letzten Jahren zugenommen und ihre Folgen sind schwerwiegender geworden. Zusätzlich führt der Klimawandel zu einer Ver stärkung von Naturereignis-sen und Veränderungen der natürlichen Lebens-grundlagen.

TECHNISCHE KATASTROPHENDie Chemieunfälle im norditalienischen Seveso 1976 respektive im indischen Bhopal 1984 oder der Atomun-fall von Tschernobyl in der heutigen Ukraine 1986 waren von Menschenhand verursachte Katastrophen, die unsägliches Leid brachten und die bis heute nachwirken. Mit der immer rasanteren technologischen Modernisierung steigt auch – insbesondere in Ländern mit niedrigen Sicherheits- und Kontrollstandards – die Gefahr von Unfällen und Katastrophen. Ebenso kann es zu Kombina tionen von Natur- und technischen Katast-rophen kommen, wie etwa der durch ein Erdbeben ausgelöste Atomumfall von Fukushima 2011.

ARMUT, SOZIALE INSTABILITÄT, STAATSZERFALL Oft werden Menschen in humanitäre Not gestürzt, weil staatliche Ordnung zerfällt, die Sicherheit der Menschen nicht mehr gewährleistet ist, soziale oder staatliche Strukturen instabil werden, Misswirtschaft zu Armut führt oder Epidemien die Gesundheit von ganzen Bevölkerungsteilen gefährden. Da derartigen Notlagen keine spektakulären Ereignisse vorausge-hen, werden die Opfer und deren Bedürfnisse oft schnell wieder vergessen. Dies ist auch der Fall bei kleineren bis mittleren Katastrophen, welche es nicht bis in die Medien schaffen und für deren Hilfe es folglich häufig an Geld mangelt.

3. WIE KOMMT ES ZU HUMANITÄREN KRISEN?

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Langanhaltende Dürren und Ernteausfälle führen oft zu Hungersnöten, wodurch die Menschen in humanitäre Not geraten können.

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SCHRITTE, DIE DAS AUSMASS EINER HUMANITÄREN KRISE LINDERN Die Medien führen es uns täglich vor Augen: Krisen und Katastrophen gehören zur Realität des Lebens. Den Opfern muss schnell und unbürokratisch gehol-fen werden. Damit dies geschehen kann, unternimmt Caritas Schweiz folgende Schritte:

1. Krisen-Disposition nutzen Meist wenige Stunden nach einer Katastrophe trifft sich der Caritas-Katastrophenhilfe-Stab. Die Beteiligten tauschen Informationen aus, definieren erste strategische Schritte und sprechen finanzielle Unterstützung für die Soforthilfe aus.

2. Soforthilfe organisieren Nahrung, Kleider, Zelte, Küchensets und sogenannte «Shelterkits» (Blachen, Nägel, Hammer...) werden so schnell wie möglich vor Ort gekauft und in die Notregionen entsandt. Sauberes Wasser und Medikamente werden ebenfalls zur Verfügung gestellt, damit der Ausbruch von Krankheiten vermieden werden kann.

3. Weltweites Netz als Infoquelle nutzen Caritas Schweiz nutzt das Netzwerk von 165 Caritas-Länder-Organisationen und holt u.a. bei der lokalen Caritas im betroffenen Land weitere Informationen ein. Dank diesem guten Netz weiss Caritas Schweiz innert Kürze, welche Soforthilfe vor Ort die erste Not lindern kann und ist durch die Partnerorganisationen schnell direkt bei den Betroffenen.

4. Eigenes Personal entsenden Caritas Schweiz entsendet schnell eigenes Personal in die Krisenregion. Bereits vor der Abreise wird ein Netzwerk aufgebaut. Dies sind andere Schweizer und internationale Organisationen, die Schweizer Botschaft, lokale Partnerorganisationen des Caritas Netzwerkes und allfällige informelle Beziehungen. Vor Ort werden weitere Kontakte geknüpft sowie Informationen über die aktuelle Situation und die Aufgabenteilung in Erfahrung gebracht. Anschlies-send erstellt die Fachperson eine erste Bedarfs-analyse, ein sogenanntes «Assessment».

5. Unter Zeitdruck Entscheide treffen In Krisensituationen sind Entscheidungen oft auf der Basis von wenigen Informationen und unter hohem Zeitdruck zu treffen. Humanitäre Hilfe ist immer in politische Spannungsfelder eingebunden,

die keine Patentlösungen zulassen. Trotz aller Dringlichkeit und Hektik verpflichtet sich ein Hilfswerk, die Arbeit sorgfältig auszuführen sowie die eingeleiteten Schritte laufend zu überprüfen und zu koordinieren.

6. Projekte vor Ort definieren Projektanträge werden verfasst und zur Finanzie-rung bei der Glückskette oder bei internationalen Partnerorganisationen eingereicht. Bei der Planung ist zu beachten, für den Wiederaufbau wenn immer möglich die lokalen Ressourcen (Wissen, Materia-lien, Manpower) zu nutzen (Hilfe zu Selbsthilfe). Das heisst die lokalen Bedürfnisse müssen beachtet und integriert werden; die lokale Bevölkerung soll mitbestimmen (Partizipation). Zudem ist die Katastrophenursache in Betracht zu ziehen. In einem Erdbebengebiet wird erdbeben-sicher wiederaufgebaut, in einem Gebiet mit wiederkehrenden Überschwemmungen muss mit angepassten Massnahmen gebaut werden.

7. Monitoring (Projektbegleitung) Mit dem Monitoring überprüft Caritas Schweiz kontinuierlich die professionelle Umsetzung der geplanten Aktivitäten: Werden die Hilfsgüter von der Bevölkerung genutzt? Erreichen sie die bedürftigen Personen? Stimmt die Qualität und entspricht die Hilfe den internationalen Standards? Entstehen keine ungewollten Abhängigkeiten? Ist die Langfristigkeit gegeben? Durch dieses Monito-ring können Unsicherheiten schnell erkannt und es kann unmittelbar darauf reagiert werden.

8. Abschlussbericht Nach Beendigung des Projektes führt Caritas eine Projektevaluation und ein Finanzaudit (= Finanz-kontrolle) durch. Daraus werden sogenannte Lessons Learned abgeleitet, damit positive Erkenntnisse in weitere Projekte einfliessen und gemachte Fehler nicht mehr wiederholt werden.

9. Teamwork entscheidet In all diesen Aufgaben werden die Angestellten von der Geschäftsstelle in Luzern unterstützt: sei dies in strategischen Fragen, bei logistischen und personellen Herausforderungen oder zum Thema Sicherheit. Teamarbeit ist in solch schwierigen und hektischen Situationen absolut notwendig.

4. WIE FUNKTIONIERT HUMANITÄRE HILFE BEI CARITAS SCHWEIZ?

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VERHEERENDE KATASTROPHE – AUSSERGEWÖHNLICHE SOLIDARITÄTDas Seebeben und die verheerende Flutwelle (Tsuna-mi) am 26. Dezember 2004 hatten in 13 Ländern fast 215 000 Todesopfer gefordert und 1.7 Millionen Menschen obdachlos gemacht. Die Solidarität in der Schweiz nach dieser Jahrhundertkatastrophe war einmalig: 227.7 Millionen Franken wurden an die Glückskette gespendet. Damit hat die Stiftung in der Folge 183 Hilfsprojekte von 26 Schweizer Partner-hilfswerken in den am meisten betroffenen Ländern Indonesien, Sri Lanka, Indien, Thailand und Somalia unterstützt.

PROJEKTBEISPIEL VON CARITAS SCHWEIZ IN MEULABOH, INDONESIENIn Meulaboh (Indonesien) übernahm Caritas Schweiz den Wiederaufbau von drei zerstörten Quartieren. Nur ein kleiner Teil der Häuser, nämlich 201, konnten am ursprünglichen Ort wiederaufgebaut werden. Die meisten Betroffenen mussten gemäss Vorgabe der Regierung rund zehn Kilometer Land einwärts umsiedeln. Dort baute Caritas Schweiz 1048 erdbe-bensichere Häuser. Die 45 Quadratmeter grossen Wohneinheiten bestehen aus einem Wohnzimmer, einem Esszimmer, zwei kleinen Schlafzimmern und einem Badezimmer. Das ganze Umsiedlungsgebiet umfasst insgesamt 2077 Häuser, die von verschiedenen Hilfsorganisa-tionen gebaut wurden. Die Einwohnerzahl der beste-henden Dörfer hat sich dadurch in kurzer Zeit mehr als verfünffacht. Für dieses Wachstum verfügten die Dörfer nicht über die nötige Infrastruktur, welche es in Koordination mit der Regierung und den anderen Hilfsorganisationen aufzubauen galt. So entstanden Strassen und Abwasserkanäle, eine Primar- und Sekundarschule, ein Kindergarten, ein Basisgesund-heitszentrum und ein psychologisches Zentrum. Zusammen mit der Bevölkerung erstellte Caritas Schweiz eine Markthalle sowie verschiedene Gemein-schaftszentren und richtete ein Abfallentsorgungs-system ein. Die bereits ansässige Bevölkerung der Dörfer wurde durch eine Optimierung ihres Reisan-baues ebenso in die Projekte einbezogen, damit keine Benachteiligung gegenüber den Neuzugezogenen entstehen konnte.

5. TSUNAMI 2004: HUMANITÄRE HILFE UND EVALUATION NACH 10 JAHREN

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Michael Nayagam hat beim Tsunami alles verloren. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen fünf Kindern im neuen Haus in Südindien.

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QUALITÄTSSICHERUNG UND WIRKUNGS-ANALYSE: 10 JAHRE NACH DEM TSUNAMIDie Glückskette hat 10 Jahre nach dem verheerenden Tsunami erstmals eine breit angelegte Wirkungs-analyse (Impact Evaluation) durchgeführt. Ein externes Expertenteam ist nochmals in das Katastro-phengebiet zurückgekehrt und hat untersucht, wie es den Menschen dort heute geht: ob die Menschen nach der Katastrophenhilfe in

ihrem neuen Leben wieder Fuss gefasst haben; ob sich in den neu aufgebauten Dörfern eine

positive Dynamik entwickeln konnte; in welcher Form die Hilfe von damals die Armuts-

bekämpfung beeinflusst hat.

Die Evaluation dient in erster Linie der Rechen-schaftsablegung, da Glückskette wie auch Partner-hilfswerke den Spendern und Begünstigten gegenüber dazu verpflichtet sind. Zudem sollen die Erkenntnisse aus dieser Evaluation auch aufzeigen, wie in Zukunft Hilfsprojekte noch effizienter und wirkungsvoller umgesetzt werden können. Evaluationen sind Teil der Qualitätssicherung der Glückskette.

Die Wirkungsanalyse hat unter anderem gezeigt: Die Menschen sind wieder zufrieden mit ihrem

Leben: Verglichen mit der Zufriedenheit unmittelbar nach dem Tsunami, fühlen sich die Menschen wieder besser. Fast 90 % der Begünstigten können heute ihre Grundbedürfnisse wieder gut abdecken. Etwas mehr als zehn Prozent bekunden hingegen noch erhebliche Schwierigkeiten.

Für die vom Tsunami betroffenen Menschen trug der Wiederaufbau ihrer Häuser massgeblich zur Entspannung der Situation bei. Sie konnten sich vor allem darauf konzentrieren, das Einkommen für den Lebensunterhalt wieder selbständig zu erwirtschaf-ten. Wie erfolgreich sie damit waren, hängt jedoch sehr stark von ihren bisherigen Kompetenzen und Erfahrungen ab. Dort wo Geschäftsstrukturen für Handwerker und Kleinunternehmen beispielsweise bereits vor dem Tsunami bestanden, war die Hilfe erfolgreich und konnten nicht nur Arbeitsplätze erhalten, sondern auch neue geschaffen werden.

Nach der Katastrophe wurden einige Dörfer aus Sicherheitsgründen nicht wieder am Ursprungsort an der Küste aufgebaut. Fast die Hälfte der

Betroffenen konnte ihr Haus in unmittelbarer Nähe oder im Umkreis von einem Kilometer wiederauf-bauen und ein Drittel im Umkreis von weniger als fünf Kilometern. Wichtig war in diesem Zusammen-hang für das Wohlbefinden aber auch, dass über die Hälfte der Menschen nach dem Wiederaufbau wieder mit denselben Nachbarn zusammenleben konnten.

Die Glückskette wird in den kommenden Monaten die Ergebnisse auswerten und mit den Partnerhilfs-werken mögliche Schlussfolgerungen ziehen.

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Wie funktioniert eine Wirkungsanalyse am Beispiel der Glückskette?Unabhängige Expertinnen und Experten einer Beratungsfirma führten diese Wirkungsana lyse im Auftrag der Glückskette von April bis Dezem-ber in den vom Tsunami am stärksten betroffe-nen Ländern Indien, Indonesien und Sri Lanka durch. Sie führten 374 vertiefte Interviews mit mindestens 700 Personen. Diese Informationen wurden durch die Auswer-tung von 600 Fragebögen ergänzt.

Die Spezialwebsite tsunami.glueckskette.ch informiert detailliert über die Tsunami-Hilfe, alle mitfinanzierten Hilfsprojekte und die Resultate der Wirkungsanalyse.

Für die Wirkungsanalyse wird in Begleitung einer Übersetzerin mit einem Familienvater ein Interview geführt. In einer Neubausiedlung in Indonesien berichtet er über seine Lebensumstände.

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INFORMIEREN UND SENSIBILISIERENHäufig wird die Komplexität von humanitären Krisen in den Medien nur einseitig dargestellt. Dabei gilt es genau hinzuschauen, unsere eigene Rolle zu überden-ken und insbesondere längerfristig zu informieren. Die Opfer werden nach einer gewissen Zeit schnell vergessen: Du kannst ihnen mit der Information deines Umfeldes eine Stimme geben oder beispiels-weise über die sozialen Medienkanäle darauf aufmerksam machen.

AKTIV WERDEN UND BENEFIZ-PROJEKTE INS LEBEN RUFENIn den meisten Krisen ist es für einzelne Personen unmöglich, selber vor Ort aktiv zu werden. Für diese Aufgaben gibt es professionelle und kompetente Hilfsorganisationen, welche in Krisenregionen mit der Unterstützung von ortsansässigen Partner-organisationen Sofort- und Wiederaufbauhilfe leisten. Mit kreativen Sammelaktionen kannst du diese Organisationen unterstützen.

SORGE TRAGEN ZUR UMWELTWie ein Blick auf die Statistiken des letzten Jahr-zehnts zeigt, nimmt die Bedrohung durch Naturge-fahren stetig zu. Menschliches (Fehl-)Verhalten scheint diesen Anstieg mitverursacht zu haben. Die exzessive Nutzung der natürlichen Lebensgrundlagen (Abholzungen, Verkürzung der Brache-Phase usw.) führt dazu, dass die Böden erodieren, sich Wüsten bilden, Niederschläge nicht mehr gespeichert werden und oberirdisch abfliessen. Überschwemmungen, Erdrutsche und Ernteausfälle sind mögliche Folgen. Der globale Temperaturanstieg – ausgelöst durch vielfältige Faktoren wie eine Zunahme der Treibhausgasemissionen, aber auch möglichen natürlichen Ursachen – führt zu verschiedenen klimatischen Veränderungen. Der Meeresspiegel steigt an und extreme Witter-ungen (ausbleibende oder starke Niederschläge, Kälte- oder Hitzeperioden, starke Winde) nehmen zu. Die Folgen sind u.a. Dürren, Stürme, Überflutungen und Buschfeuer. Besonders hart treffen diese Ereignisse die Entwicklungsländer, deren Krisen-bewältigungsmöglichkeiten aufgrund von Armut und

fragilen gesellschaftlichen Verhältnissen ohnehin schwach sind. Du kannst einen Beitrag zur Besserung leisten, indem du: nach Möglichkeit fair gehandelte Produkte und

Bio-Produkte, welche im Einklang mit der Natur hergestellt wurden, kaufst;

das Fliegen möglichst sein lässt und mit dem Zug in die Ferien fährst;

den öffentlichen Verkehr nutzt, statt im Stau zu stehen;

sorgfältig mit Wasser umgehst.

PARLAMENTARIERINNEN UND PARLAMENTARI-ER ZUM HANDELN AUFFORDERNDer Schutz der globalen öffentlichen Güter gehört auf die politische Agenda. Die Sicherung dieser Güter – sowohl der natürlichen Güter (Luft, Trinkwasser, Wald, Meer usw.) als auch der von Menschen geschaf-fenen Güter (Frieden, Sicherheit, Herrschaft des Rechts, Gesundheitsversorgung usw.) – ist ein wesentlicher Beitrag zur Verhinderung möglicher humanitärer Krisen. Äussere deine Meinung und deine Ideen z. B. in einem Brief an Parlamentarierin-nen oder Parlamentarier oder mache in einem Blog auf deine Anliegen aufmerksam.

6. WAS KANNST DU TUN?

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Auf den Philippinen versuchen die Menschen nach dem Tropensturm Haiyan in den Trümmern ihrer Häuser zu überleben.

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WEITERFÜHRENDE LITERATUR

Jan Davis, Robert Lambert (2002): «Engineering in emergencies – a practical guide for relief workers»

Practical Action Publishing

Christian Varga, Geert van Dok, Romain Schroeder (2005): «Hilfe in Not, politische Spannungsfelder der humanitären Hilfe»

Campus Verlag

WEBHINWEISE:

www.alnap.org Active Learning Network for Accountability and Performance

in Humanitarian Action (nur Englisch)

www.caritas.ch Informationen zu aktuellen Projekten, aber auch zur

Positionierung von Caritas Schweiz

www.deza.admin.ch Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit

www.icrc.org Internationales Komitee vom Roten Kreuz

www.reliefweb.int Informationen zu aktuellen humanitären Aktionen

(Webseite der Vereinten Nationen) (nur Englisch)

www.sphereproject.org Standards, um die Qualität und die Zuverlässigkeit der

Unterstütz ung von Katastrophen- und Krisenbetroffenen

zu verbessern

ANGEBOTE VON YOUNGCARITAS:youngCaritas wendet sich an junge Leute, die sich für eine solidarischere Welt einsetzen und etwas bewirken wollen. Die Website www.youngcaritas.ch bietet fundierte Informationen zu aktuellen sozialen Themen und gibt Einblick in weitere spannende Angebote. U.a. bietet youngCaritas interessierten Schülerinnen und Schülern sowie Lehrpersonen weitere Infomap-pen zu unterschiedlichen Themen an. Weitere Infos unter www.youngcaritas.ch/school

7. WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN

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Die Infomappe entstand in Kooperation mit der Glückskette: www.glueckskette.ch