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Zahnarzt interdisziplinär — aber wie?

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Zahnarzt interdisziplinär – aber wie?„Einer für alles“ – das war einmal. Die moderne Zahnheilkunde ist dahingehend geprägt, dass die Zusammenarbeit nicht nur mit den Laboren, sondern mit vielen anderen Disziplinen inner- und außerhalb der Zahnheilkunde immer notwendiger und komplexer wird. Und so steigen die kollegialen Interaktionen, das „Netzwerken“ und der Bedarf an Kommunikation. Es gilt, Befunde auszutauschen, Kollegenmeinungen einzuholen oder Abklärungen zu veranlassen. Aber wie geht dieses am besten vonstatten?

Dr. Doreen Jaeschke // Zahnärztin und freie Journalistin

„Mein Zahnarzt war noch Dentist und machte von der Prothese bis zur Füllung alles selbst!“ Diese

bewundernde Aussage einer alten Dame spiegelt wider, wel-chen Wandel das Fachgebiet in den letzten 60 Jahren erlebt hat. „Dentisten“ waren bis 1952 in Deutschland sogenannte Zahnheilkundige – meist Zahntechniker nach Besuch einer Dentistenschule –, denen die Patientenbehandlung ohne

akademische Ausbildung gestattet war. Und heute? Kein Zahnarzt fertigt seine Kronen noch selbst. Zahntechnik ist quasi eine eigene Disziplin mit vielen Teilgebieten, in denen wiederum spezialisierte Techniker �ligrane Meister-leistungen vollbringen. Im Zuge der hochgradigen Spezia-lisierung wird es generell immer schwieriger, als klassische Einzelpraxis zu arbeiten – egal, ob in der Stadt oder auf ▶

dem Land. Das Generalistentum stirbt aus oder muss zumindest mit Qualitätseinbußen gegenüber der Behandlung beim Spezia-listen leben. Schließlich behandeln die einzelnen Spezialpraxen immer noch einen Menschen und den möglichst als Ganzes. Immer mehr Patienten fordern zudem bewusst ein, als Ganzes wahrgenommen, diagnostiziert und therapiert zu werden. Wie persönlich diese Interdisziplinarität in deutschen Praxen gelebt und organisiert wird, war nur eine Erkenntnis aus Gesprächen mit fünf Kollegen zwischen Bremen und Kempten.

CMD-Behandlung: Ohne Netzwerk geht gar nichtsEiner, der aufgrund seiner Ausrichtung nur mit Kollegen anderer Disziplinen erfolgreich arbeitsfähig ist, ist der Bremer Zahnarzt und Spezialist für kraniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) Dr. Christian Köneke. Er therapiert Patienten mit komplexen Funk-tionsstörungen und gibt dieses Wissen seit nunmehr 14 Jahren in einem Curriculum weiter. Dabei gilt: Die Ursachen der CMD sind so vielfältig wie ihre Symptome und Ausprägungen. „O� ist es komplex und nur im Netzwerk spezialisierter Kollegen möglich, durch präzise Koordination des Teams dem Patienten nachhaltig zu helfen“, so Köneke, der in Bremen und darüber hinaus wohl in einem der umfangreichsten Netzwerke aus nie-dergelassenen CMD-sensibilisierten Kollegen arbeitet, das er in jahrelanger Praxis und Fortbildungstätigkeit aufgebaut hat.

„Typisch ist leider die o� sehr lange Leidensgeschichte, wenn die Betroffenen zum ersten Gespräch kommen. Jahrelan-ge Schmerzen, Schwindel oder auch Tinnitus sind nur einige Aspekte einer aufgrund der Erkrankung derartig eingeschränk-ten Lebensqualität“, beschreibt Köneke. Neben dentalen Ursa-chen stehen weitere im Fokus: „Ein möglicher Weg in die CMD führt über Probleme in der Ganzkörperstatik, die zum Beispiel durch Funktionsstörungen in der Wirbelsäule, langjährige Fehl-haltungen, alte Unfälle oder sogar durch eine falsche Brille mit-erzeugt werden können.“ Deshalb gilt es, im Rahmen der auf-wendigen Diagnostik herauszu�ltern, welche Patienten primär therapiefähig sind und welche Fachrichtungen dazu eingebun-den werden müssen. „Selten ist ein Spezialist allein erfolgreich. Hier sind optimal aufeinander abgestimmte Ärzteteams in ört-lichen Netzwerken gefragt, die jenseits von Kompetenzgeran-gel patientenbezogen miteinander arbeiten und trotz hochgra-

diger fachlicher Spezialisierung eine gemeinsame Sprache spre-chen. Dann �nden wir manchmal auch bei primär nichtthera-piefähigen Patienten einen therapeutischen Zugang“, so Köne-ke. Um dieses Gedankengut zu verbreiten, richtet er seit vielen Jahren gemeinsame Veranstaltungen für Ärzte und Zahnärzte aus. Die Liste der konsultierten Fachdisziplinen beziehungs-weise Mitglieder dieses Netzwerks ist lang: Orthopäden, Oste-opathen, Physiotherapeuten, Allgemeinmediziner, Hauszahn-ärzte, Internisten, Neurologen, Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Spe-zialisten, Radiologen, Augenärzte und Optiker, Kieferorthopä-den, Kieferchirurgen, Schmerztherapeuten, Entwicklungsthe-rapeuten, Schlafmediziner, Psychologen und in manchen Fäl-len auch andere Fachdisziplinen.

Die Steuerung der komplexen Behandlung liegt in der Regel in der Hand des �erapeuten, in dessen Fachgebiet das größte geschädigte Rezeptorenfeld liegt, also in der Regel das Gebiet, in dem der Patient die meisten Beschwerden merkt und wo er sich auch als Erstes vorstellt. Bei der CMD ist das o� der Zahn-arzt , manchmal auch der Orthopäde. Die Patienten werden laut Köneke zunächst genau befragt, auch um Doppelbehandlungen zu vermeiden. Wichtig ist primär eine Einstufung, ob eine �e-rapie in der eigenen Praxis begonnen werden kann oder ob mor-phologische (zum Beispiel eine Pulpitis, ein Gehirntumor oder eine psychogene Krise) oder funktionelle (zum Beispiel Dysba-lance oder Bruxismus) und strukturelle Probleme (zum Beispiel eine Kiefergelenkkapselverkürzung) in einem anderen Fachge-biet therapeutisch Vorrang haben.

Liegen keine dem entgegenstehenden morphologischen Pro-bleme vor, erfolgt die weitere Untersuchung des kraniomandibu-lären Systems (CMS) per Hand, also manuell. Bereits 2003 ver-ö�entlichte die Deutsche Gesellscha� für Funktionsdiagnostik und �erapie (DGFDT) in der Deutschen Gesellscha� für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) eine Stellungnahme, die klarlegte, wo die Unterschiede zwischen reiner Funktionsana-lyse, Strukturanalyse sowie fachübergreifender erweiterter Dia-gnostik liegen und dass eben diese interdisziplinäre Diagnos-tik und �erapie notwendig sind. Möglichst früh muss die suf-�ziente Entscheidung fallen, inwieweit der Zahnarzt überhaupt Ansprechpartner/�erapeut ist. Köneke und sein Partner Groot-Landeweer haben dies systematisiert (siehe Kasten).

CMD-Therapie: Patienten-ManagementIst diese Klarheit gewonnen, kann der Patient zielsicher und ohne Umwege die benötigte �erapie von den entsprechenden Netzwerkpartnern und damit meistens auch einen �erapie-erfolg bekommen. Bei Köneke haben die Netzwerkpartner alle eigene Praxen, sind aber speziell auf diese Patienten vorbereitet und wissen, worauf es dem Kotherapeuten ankommt und dass diese Patienten entsprechend anders behandelt werden, zum Beispiel zeitnahe Terminvergabe mit festgelegten Folgeterminen. Ein Beispiel ist die Deblockierung eines Schienenpatienten vor Bissnahme und Einsetzen der Schiene oder der zahnärztliche Termin zum Nachschleifen der Schiene direkt im Anschluss an die physiotherapeutische Behandlung. Essenziell ist hier im gesamten Verlauf die Kommunikation zwischen den Beteiligten. Könekes Patienten bekommen eine Art „Laufzettel“ in Form einer Karteikarte mit, in der alle therapeutischen Interventionen durch den jeweiligen Netzwerkpartner in jeder Sitzung doku-mentiert werden und so für alle Kotherapeuten nachvollziehbar sind. „Auch wenn wir manchmal nicht im selben Haus sitzen,

„CMD-�erapie ist nur im Netzwerk mit kompetenten und abgestimmten Netzwerkpartnern nachhaltig möglich.“

Dr. Christian Köneke // CMD-Spezialist mit weiteren Schwerpunkten Implantologie und Parodontologie, gemeinsam mit Gert Groot Landeweer Leiter des Norddeutschen CMD-Curriculums

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lässt sich so eine hoche�ziente �erapie umsetzen, die unsere Partner schätzen“, so Köneke.

Digitale Netzwerkerhilfe: CMD-SoftwareGerade weil es für CMD-Spezialisten immer wieder viele und ähnliche Interaktionen mit Kotherapeuten gibt und viele inter-disziplinäre Fragestellungen beziehungsweise Abklärungen von Diagnostik bis �erapie notwendig sind, gibt es auf diesem Gebiet seit Jahren Bestrebungen, eine computerassistierte CMD-Diagnostik voranzutreiben. Einige Produkte insbesondere mit zahnärztlichem Schwerpunkt sind bereits am Markt und haben die Papierbogen abgelöst. Köneke selbst hat in Zusammenarbeit mit dem Osteopathen und Physiotherapeuten Gert Groot Lande-weer eine Entwicklung unter dem Namen „CMD excellence“ seit Jahren immer weiter vorangetrieben und bildet möglichst viele Kotherapeuten damit ab. So kann der Nutzer mit Screening-Tests beginnen, hat aber dann viele Möglichkeiten, die verschiedenen Befunde aus dem zahnärztlichen, allgemeinmedizinischen, phy-siotherapeutischen oder zum Beispiel neurologischen Bereich je nach seinem Kenntnisstand einzup�egen oder interdisziplinär vom Netzwerkpartner einp�egen zu lassen. Das Programm ist mit seinem „Guided“-Modus (der gerade im Beta-Test läu�) in der Lage, interaktiv aus den eingegebenen Befunden herauszu�l-tern, welche weiteren Untersuchungen sinnvoll erscheinen. Auch die Schienenauswahl wird vom Programm automatisch vorge-schlagen. „Die Idee wuchs aus der Notwendigkeit“, so Köneke und konkretisiert: „Wir brauchten eine klare Systematik zur Diagnostik und zur Überweisungsentscheidung und automati-sierte �erapievorschläge. Das haben wir jetzt, und wir arbei-ten an einer weiteren interaktiven Schnittstelle, über die hier noch nicht gesprochen werden soll. Und wir haben bestmögliche Netzwerk- und Patientenkommunikation durch automatisierte Befundberichte und maximale forensische Sicherheit durch per-fekte Dokumentation.“ Alle Befunde und Berichte sind druckbar und passwortgeschützt als Datei exportierbar, sodass sie per Post oder per E-Mail versendet werden können. Es lassen sich per Schnittstelle zu allen gängigen Praxis-Verwaltung-So�warelö-sungen auch die Patientendaten importieren.

Implantologie: interdisziplinär von Anfang an„Für mich ist die Implantologie das Paradebeispiel für interdis-ziplinäre Zusammenarbeit!“, sagt Christian Berger mit Schwer-punkt Implantologie aus Kempten: „Anders als bei kleinen pro-thetischen Arbeiten oder Füllungen braucht man den Kontakt zum Hausarzt/Hauszahnarzt des Patienten. Implantate dienen immer der Verankerung von Zahnersatz oder Kronen, und des-halb braucht man als Überweiserpraxis von Anfang an engen Kontakt zum ausführenden zahnärztlichen Überweiser und dessen Labor oder direkt zum Zahntechniker. Das ist entschei-dend für den langfristigen Erfolg einer implantologischen Arbeit, und auf den sind wir angewiesen.“ Und Berger weiß, wovon er redet, hat er doch selbst vor seinem Studium eine Zahntechni-kerausbildung abgeschlossen. Für seine Gemeinscha�spraxis mit zwei Kollegen erklärt der Präsident des Bundesverbands der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa (BDIZ EDI) die Sorgfalt vom ersten Termin an: „Trotz fester Abläufe ist für uns jeder Patient besonders.“ An erster Stelle stehen hierbei die Abklärung des Allgemeinzustands des Patienten und damit eine genaue Anamnese, die aus Sicherheits- und forensischen Grün-den von jedem Behandler erhoben werden muss. Generell gilt:

Christian Berger // Implantologe in Gemeinschaftspraxis mit zwei weiteren Kollegen in Kempten

„Implantologie ist für mich ein Paradebeispiel interdis ziplinärer Zusammenarbeit: Hausarzt, Implantologe, Zahnarzt, Labor, Pro-thetiker …“

Der Anmelde- und Anamnesebogen unterstützt die Erhebung der für die Praxisorganisation notwendigen persönlichen Daten (Versicherung etc.) sowie der allgemein- und zahnmedizinischen Vorgeschichte in rationeller und strukturierter Form. Spezielle Bogen können beispielsweise zusätzlich eine Schmerzanamnese oder die Anamnese einer Funktionsstörung vertiefen – je nach Anforderungspro�l der Praxis. Im Bereich der Allgemeiner-krankungen stellen zum Beispiel Endokarditis-Patienten eine Risikogruppe dar, bei der besondere Vorsicht angezeigt ist. Sie bedürfen einer speziellen, meist im mitgeführten Ausweis, ein-schließlich Medikamentenschema, schri�lich �xierten Prophy-laxe. Schließlich erhöhen diese und andere Herzerkrankungen das Behandlungsrisiko, und es kann bereits durch Zahnstei-nentfernen zur Bakteriämie und zum Ausbruch einer potenzi-ell lebensbedrohenden, akuten Endokarditis kommen. Im Fall der Endokarditis achten die Betro�enen meist selbst peinlich genau auf die Einhaltung der Rahmenbedingungen, während andere Patienten o� weniger gut informiert und weitere Nach-fragen beim Internisten angeraten sind. Der Anamnesebogen als wichtiges Dokumentationsformular bietet auch die Möglichkeit, praxisrelevante Hinweise zu erteilen und rechtliche Aspekte

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Entscheidend: Welcher Patient braucht welche �erapeuten?Dr. Christian Köneke und Gert Groot Landeweer empfehlen eine Einteilung der CMD-Patienten in drei Kategorien, die sie auch mit ihrer Software CMD excellence nutzen. Die Einteilung ist jedoch allge-mein gültig: Patienten, deren Beschwerden in der eigenen Praxis nicht behandelt werden können (A), Patienten, deren Beschwerden einer differenzialdiagnostischen Abklärung bedürfen (B) und Patienten, deren Beschwerden (zum Beispiel im kraniomandibulären System, CMS) vom Untersucher selbst behandelt werden können (C). Die wesentlichen Elemente der systematischen Diagnostik dazu sind:

1. Anamnese (Erkennung A-/B-Patient), 2. orientierende allgemeine Untersuchungen (Erkennung A-/B-Patient), 3. Funktions- und Strukturanalyse (FSA) des CMS (Erkennung B-/C-Patient).

A-Patient: Wird anamnestisch oder in orientierenden allge-meinen Untersuchungen klar, dass der Patient ein morpholo-gisches Problem in sich trägt, für das die Behandlung in der eigenen Praxis wahrscheinlich nicht ausreichend oder sogar kontraindiziert sein wird, erfolgt umgehend die Überweisung an den dafür zuständigen Fachkollegen. In CMD excellence erfolgt der sofortige Wechsel zum Karteiblatt „Netzwerk“. Der Befundbericht wird unmittelbar gedruckt und für den Kollegen mitgegeben. Weitere zeitraubende und gegebenen-falls auch teure Untersuchungen oder Berichte erübrigen sich sofort.

B-Patient: Stellt sich anamnestisch oder im Laufe der wei-teren allgemeinen Untersuchungen heraus, dass zwar in der eigenen Praxis das Problem im CMS behandelbar scheint und

zusätzlich di�erenzialdiagnostisch weitere Untersuchungen notwendig sind, erfolgt in CMDexcellence ebenfalls schnell und sicher die Überweisung per Karteiblatt „Netzwerkpart-ner“. Der Befundbericht mit den eigenen �erapievorschlä-gen für das CMS und den Fragen an den Kotherapeuten wird gedruckt und für den Kotherapeuten mitgegeben.

C-Patient: O�enbart sich anamnestisch und in den Scree-ningtests mit hoher Wahrscheinlichkeit das Vorliegen einer in der eigenen Praxis behandelbaren Erkrankung bei Fehlen der Hinweise zur ersten und zweiten Patientengruppe (A und B), kann die weitere Diagnostik im Rahmen der Funktions- und Strukturanalyse des CMS und bei Bestätigung dieser Annah-me auch die Behandlung ohne Überweisung in der eigenen Praxis erfolgen.

Fachübergreifende Symptomabklärung ist im Rahmen der computerassistierten CMD-Diagnostik strukturiert und einfach. Die Entscheidung, ob überwiesen oder wie weit selbst untersucht wird, liegt beim Behandler. Das Programm gibt Vorschläge

aufzunehmen wie ha�ungsrelevante Au�lärungen, ein Abtre-tungsverbot oder Regelungen zum Ausfallhonorar.

Schnittstelle zum Hausarzt: Die Anamnese zählt„Es ist gar nicht selten, dass Patienten beim Hauszahnarzt Aller-gien oder Medikamente nicht angeben, weil sie diese für unwich-tig halten. Kurz vor einer Operation bekommen diese Informa-tionen aber Relevanz“, so Berger. Jeder Einzelfall wird auch nach zehn Jahren in Behandlung neu betrachtet und die Anamnese-

bogen routinemäßig jedes Halbjahr zum Beispiel auf Medika-mentenwechsel nachgefragt. Viele ältere Patienten bedingen eine breitere Schnittstelle zur Allgemeinmedizin. Insbesondere auf dem Sektor der Medikamente zur Blutverdünnung bewegt sich derzeit viel laut Berger. „Gerade bei immunsupprimierten Pati-enten oder Patienten unter Gerinnungshemmern wird der Kon-takt zum Hausarzt oder Internisten hergestellt und abgeklärt, ob der Eingri� möglich ist. Der Hausarzt trägt die Verantwortung dafür, dass der Patient am Tag des chirurgischen Eingri�s auch

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tatsächlich behandelt werden kann“, betont Berger. Für ihn zählt bei der Anamnese aber auch, „dass der Patient durch die Ana-mnese erkennt, in dieser Praxis wird nichts so eben im Vorbei-gehen erledigt.“Und als Netzwerker ergänzt er: „Natürlich stelle ich meinen Anamnesebogen meinen überweisenden Praxen zur Verfügung und schicke nach jeder Aktualisierung einen neuen.“

ABC-Risiko-Score – sichere PrognoseUm anhand der wichtigen und wissenscha�lich belegten Risiko-faktoren die Prognose einer Implantation besser abzuschätzen, hat der BDIZ EDI aktuell einen Risiko-Score (Tab. 1) heraus-gegeben, der alle Teilbereiche, auch die Anamnese, betri�. Ob Osteoporose, Allergien oder Medikamente – alle anerkannten Ein�ussfaktoren sind erfasst. Aber gerade zum �ema Risiko-faktoren bei Periimplantitis gibt Berger zu bedenken: „Mir fällt auf, dass wir uns als Zahnärzte viel über Bisphosphonate und Gerinnungshemmer unterhalten. Dann reden wir aber nur über den sichtbaren Teil des Eisbergs. Viel größere Risiken wie Paro-dontitis und Rauchen sprechen wir noch zu wenig an.“ Darüber hinaus erfasst der Score andere Kontraindikationen wie zum Beispiel eine bestehende oder nichttherapierte Taschentiefe von mehr als 5 mm und arbeitet mit einem Ampelsystem. Berger hält ihn insbesondere auch für junge Kollegen für eine gute Hilfe.

Auch Leitlinien werden fachübergreifender„Gerade zu den Bisphosphonaten gibt es eine Leitlinie, die schon auf relativ hoher Ebene anzusiedeln ist“, strei� Berger die Ent-wicklung von Empfehlungen. Im Vorfeld werden Nachbardiszi-plinen heute deutlich mehr einbezogen als noch vor zehn Jahren.

„Wir sind im Umfang und in der Art unseres Angebots einzigartig, weil wir auf dem Land die ganze Zahnheilkunde mit höchster Quali-tät unter einem Dach anbieten.“

Dr. Rainer Kreuzkamp (rechts, hier mit Vater Dr. Hubert Kreuzkamp und Bruder Dr. Hubertus Kreuzkamp) // Generalist mit Schwerpunkt Implantologie/Laserzahnheilkunde in einer Praxisgemeinschaft in Damme, Niedersachsen, mit insgesamt sieben Zahnärzten

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Damals sei zum Beispiel eine Leitlinie Myoarthropathie von Psychologen und Psychotherapeuten herausgegeben worden. „Nur eine Ärztegruppe allein – so etwas würde es heute nicht mehr geben.“ Derzeit seien vermutlich so viele Leitlinien von der Fissurenversiegelung bis zur Weisheitszahnentfernung in Überprüfung wie nie zuvor. Das Zahnärztliche ist dabei nach Bergers Einschätzung gut vertreten. Die DGZMK sei dabei in der Arbeitsgemeinscha� der Wissenscha�lichen Medizinischen Fachgesellscha�en (AWMF) nur eine der Fachgesellscha�en.

Oder so: alles unter einem Dach„Wir decken fast alle Teilgebiete der Zahnheilkunde ab und sind damit als Landpraxis quasi einzigartig interdisziplinär und auf einem Niveau, dass wir außer großer Chirurgie tatsächlich alles

Unterabschnitt 1: Anamnese

Gesundheitszustand ASA-Klassifikationa ASA 1, 2

ASA 3

ASA 4

Vorerkrankungen keine

Diabetes mellitus gut eingestellt

nicht gut eingestellt (HbA1c

)

bestrahlter Kiefer <50 Gy

>50 Gy

in den vergangenen neun Monaten

Parodontopathie keine Parodontopathie

therapierte PD, Taschentiefe ≤5,5

therapierte PD, Taschentiefe ≥5,5

unbehandelte Parodontopathie

Medikamente keine Medikamenteneinnahme

Immunsuppression „Low-dose”-Steroidtherapie

zytotoxische Medikation

Bisphosphonate oral (Osteoporose)

intravenös bei Malignom

Bisphosphate + Immunsuppressoren.

Rauchen Nichtraucher

schwacher Nikotinkonsum <10 Zigaretten/Tag

starker Nikotinkonsum >10 Zigaretten/Tag

Patientenanspruch angemessen

nicht angemessen

Bruxismus nein

ja

aASA-Klassifikation, Schema der American Society of Anesthesiologists zur Einteilung von Patienten in verschiedene Gruppen („ASA physical status) bezüglich des körperlichen Zustands: ASA 1: normaler, gesunder Patient, ASA 2: Patient mit leichter Allgemeinerkrankung, ASA 3: Patient mit schwerer Allgemeinerkrankung, ASA 4: Patient mit schwerer Allgemeinerkrankung, die eine ständige Lebensbedrohung ist.

Always Between Complex

Tab. 1 // Ausschnitt aus dem Kölner ABC-Risiko-Score für die Implantatbehandlung. Die Bewertung erfolgt wie bei den Kriterien farblich in grün (günstige Risikoeinschätzung), gelb (mittleres Risiko) oder orange (erhöhtest Risiko). Rot bleibt ausschließlich der Risikoeinschätzung vorbehalten, bei der die Therapie möglicherweise nicht empfehlenswert erscheint (nicht mit Kontraindikation gleichzusetzen).

machen.“ So beschreibt Dr. Rainer Kreuzkamp, MSc Parodonto-logie, aus Damme am Dümmer die Praxisgemeinscha�, in der insgesamt drei Kreuzkamp-Doctores und sechs weitere Ärzte arbeiten. Alle sind grundsätzlich allgemeinzahnärztich versiert, und die Arbeit wird entsprechend der Spezialisierungen verteilt. Im Fall von Rainer Kreuzkamp sind das Implantologie, Parodon-tologie und Laserzahnheilkunde. Bruder Dr. Hubertus Kreuz-kamp hat sich der Endodontologie verschrieben, und die aktuelle Spezialisierung von Vater Dr. Hubert Kreuzkamp besteht laut Rainer Kreuzkamp in „Erfahrung, mit der er sich in Teilzeit um Patienten, Helferinnen und die Behandlung kümmert.“

Die tägliche interdisziplinäre Praxis beschreibt er als Team zum Anfassen: „Eine apikale Au�ellung bei alter Wurzelfül-lung geht zu meinem Bruder, dem Endodontologen, dafür kom-

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men Patienten mit Lücken zu mir. Alle Kinder gehen automisch zur Kinderzahnärztin, und bei Notwendigkeit wir� die Kiefer-orthopädin (KFO) auch gleich einen Blick auf den Patienten. Aufgrund der Alterspyramide ist immer mehr Prothetik gefragt und damit auch die perfekte Zusammenarbeit mit einem guten Labor. Das beginnt bei der Farbbestimmung im Labor eine Trep-pe höher und geht weiter mit Gerüstanprobe oder Rohbrand.“ Das Labor in Damme hat dafür einen eigenen zahnärztlichen Behandlungsstuhl. So ist der Patient rundherum bedient, hat sich selbst für die Farbe entschieden und reklamiert entsprechend weniger. Eingesetzt wird übrigens erst nach Unterschri�, dass er mit Form und Farbe zufrieden ist. Für Kreuzkamp ist die Labor-frage ganz einfach: „Ich will Kompetenz und Abstimmung hin-sichtlich Form und Farbe, denn wenn Du dort nicht eine ver-nün�ige Zusammenarbeit hast, geht das in die Hose. Deshalb haben wir ein gewerbliches Labor im Haus mit zwei Zahntech-niker-Meistern, die bis zu gefrästen ‚abutments‘ alles im Haus realisieren, einschließlich CAD/CAM-Fräsen.“

Schriftliche Kommunikation – ein Muss?„Bei uns dominiert die kurze Absprache. Alle Patientendaten sind im Verwaltungsprogramm digital erfasst und stehen damit an jedem Arbeitsplatz zur Verfügung. Alle nutzen das gleiche System, einschließlich Befunde oder Notizen“, erklärt Rainer Kreuzkamp die Abläufe, die unter dem Slogan „dentistry of pas-sion“ �rmieren. Wenn ein El�ähriger aus der Prophylaxe heraus ein KFO-Konsil benötigt, geht das innerhalb von kurzer Zeit zum gleichen Termin, oder es wird beim nächsten Mal gleich ein kombinierter Termin mit der KFO vereinbart. Geschichtet wird von sieben bis 19 Uhr, früher auch am Freitag oder Sams-tag, aber für viele Zimmer braucht es auch einen stark besetz-ten Rezeptionsbereich sowie viel Manpower, und das sei nicht immer e�zient. „E�zienz ist heute Hauptproblem in den Pra-xen: Länger als 30 Minuten für eine zweikanalige Wurzelfüllung zu benötigen, wird unwirtscha�lich, gerade auf dem Land mit kleinerem Privatanteil“ erklärt Rainer Kreuzkamp und charak-terisiert: „Schnell, akkurat und klar in der Diagnose sowie im Arbeiten bei gutem Management und Controlling. Das lernt man leider nicht an der Uni.“

„Du kannst als Landzahnarzt allein nicht alles abdecken, die fachlichen Anforderungen immer auf dem aktuellen Stand der Wissenscha� halten und dabei noch den hohen Erwartungen der Patienten gerecht werden. Wer ist schon geriatrisch ausge-bildeter Prothetiker, Oralchirurg und Kieferorthopäde in einer

Person?“, so Kreuzkamp zu seinen Überlegungen bezüglich der Zukun� des Fachgebiets. Bei den Entfernungen zum nächsten Spezialisten sei eine Einzelpraxis auf dem Land noch schwe-rer umzusetzen als in der Stadt, wo an der nächsten Ecke dann doch der Spezialist sitzt.

Kinderzahnfee für spezielle PatientenInterdisziplinär geht es inzwischen auch in der Kinderzahlheil-kunde zu. Längst gibt es insbesondere in spezialisierten Praxen ein viel breiteres Spektrum von der kindgerechten ganz norma-len Füllungstherapie bis zu Hypnose, Lachgassedierung oder auch der klassischen Narkosesanierung. In Regensburg bietet Dr. Sandra Herbrig dieses Spektrum gemeinsam mit ihren zwei Kolleginnen als Spezialpraxis an und erläutert: „Unser Konzept sieht bei jeder Neuaufnahme ein ausführliches Au�lärungs- und Anamnesegespräch mit Einschätzung des Kindes nach Alter und Compliance, Befunderhebung, Umfang der Behandlungs-maßnahmen und gegebenenfalls akuten Schmerzen und unter kinderpsychologischem Aspekt im Hinblick auf die mögliche Kooperation vor“, erklärt die sympathische Regensburgerin. Dann erst wird entschieden, welche �erapiemaßnahmen von der fast normalen Behandlung bis zur Narkosesanierung sinn-voll erscheinen. Durch zahlreiche Fortbildungen in Gebieten wie zahnärztliche Hypnose, Lachgassedierung oder auch Homöo-pathie hat sich die engagierte Kinderzahnärztin weitergebil-

„Die Chemie muss stimmen, gerade wenn es mal um heikle �emen geht.“

Dr. Sandra Herbrig // Kinderzahnärztin in Gemeinschaftspraxis mit zwei weiteren Kolleginnen in Regensburg

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kretisiert: „Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist ein Muss für Überweiserpraxen in der KFO oder MKG-Chirurgie, schließlich kommen 70 Prozent unserer Patienten auf diesem Weg und nur die Übrigen über Mundpropaganda.“ Die Kollegen kennen die Praxis und die Arbeit, und Rolo� vermisst kaum ein Teilgebiet der Zahnmedizin als Überweiser: ob das Aufrichten von Zähnen vor Implantationen, kieferorthopädische Maßnahmen oder die Bewegung vor endontischer beziehungsweise konservierender Behandlung oder Zahnersatz oder eben die Behandlung von Kie-fergelenkpatienten. „Wir sind zentrale Schnittstelle und Adresse zur Abklärung. Das gilt auch für HNO-Ärzte oder Orthopä-den, die viele Patienten mit Kiefergelenkproblemen schicken“, so Rolo�. Geht es in den therapeutischen Bereich, sind Haus-zahnärzte, Physiotherapeuten oder auch Osteopathen wichtige Kotherapeuten. Für die bessere Kommunikation organisiert der gebürtige Berliner mit Studium in Berlin und Edinburgh gemeinsame Fortbildungen, die sein Netzwerk stärken.

Stichwort: Ganzheitliche KFO„Das Ganzheitliche kommt immer mehr und wird für einen demnächst für unsere Praxis gesuchten Kollegen auch Voraus-setzung sein“, so Rolo�. O� kommen Eltern von einem ganz-heitlich arbeitenden Arzt, Physiotherapeuten oder Osteopathen und möchten diesen Ansatz jetzt auch in der KFO vertreten wissen. Neben den Zahnärzten und Kinderärzten gibt es zudem viel Kontakt zur HNO- oder auch Schlafmedizin. Bei den eher konservativ orientierten Patienten stellt Rolo� Alternativen vor: „Nach wie vor kann man mit apparativer konventioneller KFO fantastische Ergebnisse erzielen. Mit alternativer Herangehens-weise bei rechtzeitigem Beginn und gemeinsamer �erapie im Netzwerk ist das Ergebnis jedoch ganzheitlicher und nicht nur auf die Zähne beschränkt“, erklärt Rolo�. Teils wird die physio-therapeutische beziehungsweise osteopathische Befundaufnah-me gleich in der Praxis angeboten, und erst wenn alle Befunde zusammengetragen sind, erfolgt die �erapiebesprechung mit beiden Alternativen: konventionell oder ganzheitlich. Die Ent-scheidung liegt bei den Patienten, und dann erst beginnt die �erapie, die ebenso interdiszplinär mit regelmäßigen Checks der dysbalancierten Bereiche und damit viel Kommunikation o� schri�lich mit den Kollegen abläu�.

WebtippsPrinzipiell empfehlenswert: die jeweilige Fachgesellscha�, in der der gesuchte �erapeutenkreis organisiert ist! Hier werden häu�g anhand entsprechender fachbezogener und Zerti�zierungen Einschätzungen/Empfehlungen/Speziali-sierungen angegeben.

www.dgzmk.de/zahnaerzte/wissenschaft-forschung/ leitlinien.htmlwww.bdizedi.orgwww.praxiskreuzkamp.dewww.kinderzahnfee.dewww.koeneke-schroeder.dewww.cmd-therapie.dewww.cmd-excellence.dewww.roloff-kfo.dewww.arzt-auskunft.dewww.awmf.orgwww.schmerzakademie.dewww.zahn.org (Zahnärztlicher Arbeitskreis Kempten e.V)

det, um ein kindgerechtes Behandlungskonzept in der Praxis umzusetzen. Falls notwendig existiert jedoch eine routinierte Zusammenarbeit mit einer Tagesklinik mit Anästhesist und eigens für die Kinderzahnärzte optimiertem OP. Auf zwei Dinge legt Herbrig dann besonderen Wert: Vorerkrankungen müssen genauestens mit Kinder- oder Hausarzt auch im Hinblick auf Narkose- oder Lachgasfähigkeit abgeklärt werden. Bei Vorlie-gen von Epilepsie, Asthma, Muskelerkrankungen, Herzerkran-kungen wird gemeinsam mit Hausarzt und Anästhesist entschie-den. Verstop�e Nasenatmung und Mittelohrentzündung lassen ein Kind ebenso wieder vom OP-Plan verschwinden. „Zweite Voraussetzung ist, dass wir einen Befund aufnehmen und die nötigen Maßnahmen vor der Operation abschätzen können“, erklärt die erfahrene Kinderzahnärztin und gibt zu bedenken, dass dieser Punkt o� erst mit viel Erfahrung und den passenden Tricks gelingt. „Keine �erapie ohne Diagnose, ohne wird nicht behandelt, auch nicht in Vollnarkose“, betont Herbig.In der Kinderzahnheilkunde gibt es zudem Schnittstellen zur Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Ärzten, Logopäden, Kinderpsycholo-gen, zur Kinderklinik KUNO und Klinik St. Hedwig in Regens-burg sowie o� auch zu Mund-Kiefer-Gesichts-(MKG)Chirurgen bei Kindern mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten oder für chirur-gische Eingri�e wie die Entfernung von Zysten, Odontomen, verlagerten Zähne, Mesiodentes und anschließend die kiefer-orthopädische Behandlung. Schlafmediziner, Osteopathen und Heilpraktiker ergänzen die Liste je nach Fall. „Wenn dann noch die Chemie stimmt und man die gleiche Sprache wie der Kon-silpartner spricht, ist der Grundstein für eine o�ene vertrauens-volle Zusammenarbeit gelegt“, so Herbrig.

KFO: Da ist Zusammenarbeit selbstverständlich„Für mich als ganzheitlich arbeitenden Kieferorthopäden ist interdisziplinäre Zusammenarbeit selbstverständlich“, erklärt Dr. Mathias Rolo�, Kieferorthopäde in Kau�euren. Mitten im Stadtzentrum von Kau�euren betreibt er mit zwei weiteren Kol-legen und 25 Mitarbeitern eine Gemeinscha�spraxis und kon-

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Formblatt oder persönlicher Brief? Computer oder „handmade“?Ob Konsilbriefe, Überweisungen, Anfragen oder Standardkor-respondenz – das muss heute jedes Abrechnungsprogramm leisten und ist angesichts der notwendigen Dokumentation sowie Schri�lichkeit in den Praxen zumindest für Standard-prozesse eine Erleichterung. „Aber ich wäre vorsichtig bei vorgefertigten Anamnesebogen“, warnt Implantologe Ber-ger. Ein Abrechnungsprogramm sei nicht automatisch ein Dokumentationsprogramm. Berger führt neben der digitalen Leistungserfassung eine Patientenakte, in der Schri�stücke, Erklärungen et cetera au�ewahrt werden. Ähnlich sehen das auch die anderen Kollegen, die im Zweifelsfall lieber selbst zur Feder als auf Mundgefertigtes zurückzugreifen. In Rolo�s KFO-Praxis werden standardisiert diagnostische Unterlagen angefertigt, gegebenenfalls ein Parodontologe oder Protheti-ker auf dem kurzen Dienstweg nur in einem kurzen Gespräch hinzugezogen. Schwierige Fälle werden auch mal auf einer Fortbildung erörtert. „Mit hauseigenen Fortbildungen für unsere zuweisenden Kollegen konnten viele sensibilisiert wer-den, und die Zusammenarbeit läu� nun runder,“ so Rolo�. Formblätter nutzt er übrigens nur für Standardsituationen und schreibt 95 Prozent aller Arztbriefe selbst: Man kann nicht jeden komplexen Fehlbiss in eine festes Schema pressen; manchmal muss di�erenzierter formuliert werden.“

Kollegensuche: Wie finde ich den Richtigen?Selbstverständlich gibt es sie, die Empfehlungen und Informatio-nen über das World Wide Web. Aber: Wie viel kann man diesen Informationen trauen, wie sie überprüfen? Auch hier bieten Stan-desorganisationen inzwischen zahlreiche Suchmöglichkeiten, in denen die Mitglieder nach ihrem Kenntnisstand unterschie-den gelistet sind, beispielsweise die Seite des BDIZ EDI oder der DGZMK und ihrer Fachverbände. Trotz Google, Facebook und Ärzteportalen – eines bestätigten alle befragten Kollegen: Der persönliche Kontakt mit dem Kollegen der anderen Fachrich-tung ist nicht nur beim Erstkontakt entscheidend, sondern auch Voraussetzung für eine gute, stabile Zusammenarbeit.

Geht es darum, bezüglich der eigenen Patienten Entschei-dungshilfen nachzufragen oder mit einer Empfehlung aktiv zu werden, nutzen die meisten Kollegen ihr Netzwerk bezie-hungsweise dessen Empfehlungen. „Wenn man auf dem Land ist, dann kennt man sich, insbesondere die Doctores unterei-nander“, bringt Kreuzkamp seine dahingehend komfortable Situation in Damme auf den Punkt. „Man hat die Nummer

des Kollegen oder wird gleich durchgestellt, kurze Wege eben.“ Implantologe Berger rät: „Ganz o�en aufeinander zugehen! Man kennt sich doch von Fortbildungen und Stammtischen vor Ort. Persönlicher Kontakt steht im Vordergrund, und man muss die gleiche Sprache sprechen. Was zählt, ist der vertrau-ensvolle persönliche Kontakt – ob mündlich oder schri�lich.“

Auf Fortbildungen trifft man auf GleichgesinnteEin anderer Weg zu Kollegen seien Fortbildungen. Regelmäßiger Besuch generiert neue, sehr wertvolle Kontakte, insbesondere mit den Kollegen, die fortbildungsinteressiert und damit meist o�ener für interdisziplinäre Zusammenarbeit sind. Diesen Gedanken ver-folgen regionale Netzwerke o� sehr erfolgreich und mit viel Enga-gement. Ein Beispiel seit den 1960er Jahren in Süddeutschland ist der Zahnärztliche Arbeitskreis Kempten e.V. Der gemeinnützige Verein organisiert Fortbildung in wissenscha�licher Zahnheil-kunde für Zahnärzte, Zahntechniker und zahnmedizinische Assi-stentinnen. Sein Credo: „Wissen ist das einzig Kostbare, das sich vermehrt, wenn man es mit anderen teilt“. Sein Ziel: Zahnheilkun-de auf höchstem Niveau lehren und Vorbeugung wie Behandlung mit ein Höchstmaß an Qualität zu erreichen. Interessant speziell für Kolleginnen sind zahleiche frauenbezogenen Netzwerke (zum Beispiel Dentista Club), in denen über Fachgrenzen hinweg auf vielen Ebenen vernetzt wird. Auch Labornetzwerke oder Bestell-gemeinscha�en können Kollegenkontakte vermitteln und damit Initialzündung für ein neues Netzwerk sein. ■

„Für mich als ganzheitlich arbei-tenden Kieferorthopäden ist inter-disziplinäre Zusammenarbeit selbstverständlich.“

Dr. Matthias Roloff // Fachzahnarzt für Kieferorthopädie in Gemeinschaftspraxis zu dritt in Kaufbeuren

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41DER JUNGE ZAHNARZT 04 | 2013