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748 Der Praktische Tierarzt 100, Heft 08/2019, Seiten 748–765 Fortbildung DOI 10.2376/0032-681X-1918 Chirurgische und Gynäkologische Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München Peer-reviewed | Eingegangen: 03.10.2018 | Angenommen: 24.06.2019 Zehen- und Krallenläsionen bei Hund und Katze – Teil 2: Entzündliche und neoplastische Läsionen Inken Henze, Andrea Meyer-Lindenberg Korrespondenzadresse: [email protected] Zusammenfassung Dieser Artikel stellt eine Übersicht aus der Literatur über häufige Verletzungen und Erkrankungen der Zehen und Krallen vor, die oft einer chirurgischen Behandlung bedürfen. Teil 1 des zweiteiligen Artikels widmete sich hierbei den traumati- schen und degenerativen Läsionen (DOI 10.2376/0032-681X-1905), Teil 2 befasst sich mit neoplastischen und entzündlich bedingten Veränderungen. Während traumatische Läsionen der Phalangen, Interphalangealgelenke und der Weichteile oft mit wenig Aufwand gut zu diagnostizieren sind, stellen vor allem neoplastische und entzündliche Läsionen auch in ihrer Differenzierung eine Herausfor- derung dar. Die sehr häufig vorkommende traumatische Onychose, eine Verletzung des Krallenhorns, wird ebenso mitsamt relevanter Literatur beschrieben wie das benigne subunguale Keratoakanthom. Dieses tritt selten auf und gilt als wichtigste Differenzialdiagnose zum malignen subungualen Plattenepithelkarzinom. Auf die Bedeutung der Zehenamputation, welche häufig sowohl zu diagnostischen als auch zu therapeutischen Zwecken durchgeführt wird, wird ebenfalls vor dem Hintergrund relevanter Fachliteratur Bezug genommen. Schlüsselwörter: Onychose, Paronychie, digitale Neoplasie, subun- guales Plattenepithelkarzinom Digital and nail lesions in dogs and cats – Part 2: Inflammatory and neoplastic lesions Summary This article presents a survey of common injuries and diseases of the digits and claws which often require surgical inter- vention. Part 1 of the split article is dedicated to traumatic and de- generative lesions (DOI 10.2376/0032-681X-1905), while part 2 deals with neoplastic and inflammatory changes. Those last-mentioned two groups are often challenging, especially in their differentiation. Traumatic injuries of the phalanges, interphalangeal joints and the soft tissues usually require less effort in diagnosing. A very com- mon injury of the claw itself, the traumatic onychosis, is described including relevant literature as well as the benign subungual kerato- acanthoma. The latter is rather uncommonly seen, but is regarded as the most important differential diagnosis for the malignant subungual squamous cell carcinoma. The relevance of the ampu- tation of digits, which is often performed for therapeutic as well as diagnostic purposes, is also described against the background of relevant veterinary literature. Keywords: onychosis, paronychia, digital neoplasia, subungual squamous cell carcinoma Einleitung Verletzungen und Erkrankungen der Zehen und Krallen bei Hunden und Katzen sind häufig und oft eine diagnostische und therapeuti- sche Herausforderung (Carlotti 2002, Meyer-Lindenberg et al. 2017, Wilcock 2006a, b). Für die korrekte Diagnosestellung sind eine gute Anamnese, sorgfältige klinische Untersuchungen sowie angemessene begleitende Diagnostik notwendig (Wobeser et al. 2007a, b). Teil 1 dieser Übersicht befasste sich mit traumatischen und degenerativen Läsionen. In diesem zweiten Teil werden neoplastisch und entzünd- lich bedingte Erkrankungen der Zehen und Krallen besprochen. Sowohl zur Diagnostik als auch zur Therapie werden Krallen oder ganze Zehen, insbesondere in chronischen oder unklaren Fällen, häufig in der zugänglichen Literatur amputiert, da sich die Diagnostik in vivo teilweise als sehr schwierig erweisen kann. Zudem existieren nur wenige Veröffentlichungen zu Läsionen dieser Loka- lisation bei Hunden und Katzen und deren Therapieergebnissen (Carlotti 2002, Meyer-Lindenberg et al. 2017). Allgemeines Symptome digitaler Neoplasien sind häufig eine prominente Schwel- lung der betroffenen Zehe oder Phalanx, akuter oder chronischer Schmerz und eine damit assoziierte Lahmheit, Paronychie sowie ulzerative destruktive Läsionen an den Zehen. Oftmals treten sie auch als rezidivierende Wunden auf, hinter denen ursächlich ein Trauma vermutet wird. Durch die initiale Behandlung dieser Ver- dachtsdiagnose wird die zugrunde liegende Neoplasie in vielen Fällen erst spät diagnostiziert (Boston 2012, Carlotti 2002, Fossum 2007, Johnstone 2009, Kapatkin et al. 2012, van Nimwegen und Kirpen- steijn 2012). Röntgenbilder der betroffenen Zehe zeigen oft eine Osteolyse, welche allerdings noch nicht als diagnostisch für ein neo-

Zehen- und Krallenläsionen bei Hund und Katze – Teil 2 ......ausgewertet. Dabei handelte es sich bei 73 % um Neoplasien, die in mehr als der Hälfte der Fälle (77,7 %) maligne

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DOI 10.2376/0032-681X-1918 Chirurgische und Gynäkologische Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität MünchenPeer-reviewed | Eingegangen: 03.10.2018 | Angenommen: 24.06.2019

Zehen- und Krallenläsionen bei Hund und Katze – Teil 2: Entzündliche und neoplastische Läsionen Inken Henze, Andrea Meyer-Lindenberg

Korrespondenzadresse: [email protected]

Zusammenfassung Dieser Artikel stellt eine Übersicht aus der Literatur über häufi ge Verletzungen und Erkrankungen der Zehen und Krallen vor, die oft einer chirurgischen Behandlung bedürfen. Teil 1 des zweiteiligen Artikels widmete sich hierbei den traumati-schen und degenerativen Läsionen (DOI 10.2376/0032-681X-1905), Teil 2 befasst sich mit neoplastischen und entzündlich bedingten Veränderungen. Während traumatische Läsionen der Phalangen, Interphalangealgelenke und der Weichteile oft mit wenig Aufwand gut zu diagnostizieren sind, stellen vor allem neoplastische und entzündliche Läsionen auch in ihrer Diff erenzierung eine Herausfor-derung dar. Die sehr häufi g vorkommende traumatische Onychose, eine Verletzung des Krallenhorns, wird ebenso mitsamt relevanter Literatur beschrieben wie das benigne subunguale Keratoakanthom. Dieses tritt selten auf und gilt als wichtigste Diff erenzialdiagnose zum malignen subungualen Plattenepithelkarzinom. Auf die Bedeutung der Zehenamputation, welche häufi g sowohl zu diagnostischen als auch zu therapeutischen Zwecken durchgeführt wird, wird ebenfalls vor dem Hintergrund relevanter Fachliteratur Bezug genommen.

Schlüsselwörter: Onychose, Paronychie, digitale Neoplasie, subun-guales Plattenepithelkarzinom

Digital and nail lesions in dogs and cats – Part 2: Infl ammatory and neoplastic lesions

Summary This article presents a survey of common injuries and diseases of the digits and claws which often require surgical inter-vention. Part 1 of the split article is dedicated to traumatic and de-generative lesions (DOI 10.2376/0032-681X-1905), while part 2 deals with neoplastic and infl ammatory changes. Those last-mentioned two groups are often challenging, especially in their diff erentiation. Traumatic injuries of the phalanges, interphalangeal joints and the soft tissues usually require less eff ort in diagnosing. A very com-mon injury of the claw itself, the traumatic onychosis, is described including relevant literature as well as the benign subungual kerato-acanthoma. The latter is rather uncommonly seen, but is regarded as the most important diff erential diagnosis for the malignant subungual squamous cell carcinoma. The relevance of the ampu-tation of digits, which is often performed for therapeutic as well as diagnostic purposes, is also described against the background of relevant veterinary literature.

Keywords: onychosis, paronychia, digital neoplasia, subungual squamous cell carcinoma

EinleitungVerletzungen und Erkrankungen der Zehen und Krallen bei Hunden und Katzen sind häufi g und oft eine diagnostische und therapeuti­sche Herausforderung (Carlotti 2002, Meyer­Lindenberg et al. 2017, Wilcock 2006a, b). Für die korrekte Diagnosestellung sind eine gute Anamnese, sorgfältige klinische Untersuchungen sowie angemessene begleitende Diagnostik notwendig (Wobeser et al. 2007a, b). Teil 1 dieser Übersicht befasste sich mit traumatischen und degenerativen Läsionen. In diesem zweiten Teil werden neoplastisch und entzünd­lich bedingte Erkrankungen der Zehen und Krallen besprochen.

Sowohl zur Diagnostik als auch zur Therapie werden Krallen oder ganze Zehen, insbesondere in chronischen oder unklaren Fällen, häufi g in der zugänglichen Literatur amputiert, da sich die Diagnostik in vivo teilweise als sehr schwierig erweisen kann. Zudem existieren nur wenige Veröff entlichungen zu Läsionen dieser Loka­

lisation bei Hunden und Katzen und deren Therapieergebnissen (Carlotti 2002, Meyer­Lindenberg et al. 2017).

AllgemeinesSymptome digitaler Neoplasien sind häufi g eine prominente Schwel­lung der betroff enen Zehe oder Phalanx, akuter oder chronischer Schmerz und eine damit assoziierte Lahmheit, Paronychie sowie ulzerative destruktive Läsionen an den Zehen. Oftmals treten sie auch als rezidivierende Wunden auf, hinter denen ursächlich ein Trauma vermutet wird. Durch die initiale Behandlung dieser Ver­dachtsdiagnose wird die zugrunde liegende Neoplasie in vielen Fällen erst spät diagnostiziert (Boston 2012, Carlotti 2002, Fossum 2007, Johnstone 2009, Kapatkin et al. 2012, van Nimwegen und Kirpen­steijn 2012). Röntgenbilder der betroff enen Zehe zeigen oft eine Osteolyse, welche allerdings noch nicht als diagnostisch für ein neo­

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plastisches Geschehen angesehen werden kann. Allein adspektorisch lässt sich in der Regel keine Diagnose stellen und auch Feinnadel­aspirationen sind häufig nicht aussagekräftig (Boston 2012, Carlotti 2002, Fossum 2007, Kapatkin et al. 2012, Meyer­Lindenberg et al. 2017, van Nimwegen und Kirpensteijn 2012). Das beste diagnostische Ergebnis wird durch exzisionelle Biopsie, also Amputation der Zehe, sowie die histopathologische Untersuchung erreicht (Boston 2012, Carlotti 2002, Fossum 2007, Kapatkin et al. 2012, Rouben und McKay 2016, van Nimwegen und Kirpensteijn 2012). Häufig wird standard­mäßig die Amputation durchgeführt, um Zehenläsionen sowohl zu therapieren als auch zu diagnostizieren, da hiermit auch ein Bioptat in ausreichender Größe gesichert ist (Wobeser et al. 2007a, b).

In der Arbeit von Wobeser et al. (2007a) wurden 404 einge­sandte amputierte Zehen von Hunden hinsichtlich ihrer Diagnose ausgewertet. Dabei handelte es sich bei 73 % um Neoplasien, die in mehr als der Hälfte der Fälle (77,7 %) maligne waren. Bei den anderen 27 % handelte es sich um eine entzündliche Veränderung. Bei insge­samt 85 eingesandten Katzenzehen konnten Wobeser et al. (2007b) ebenfalls häufig (74 %) neoplastische Veränderungen nachweisen, von denen 95 % als maligne eingestuft wurden. Die restlichen 22 Fälle wurden als entzündliche Veränderungen bewertet. Die Autoren merk­ten an, dass im Fall amputierter Zehen die klinische Vorgeschichte bei unterschiedlichen entzündlichen wie neoplastischen Erkrankungen bemerkenswert ähnlich sei und deshalb für die Diagnostik weniger hilfreich als bei anderen Lokalisationen im Körper.

Voges et al. (1996) werteten in einer retrospektiven Studie die Röntgenbefunde von 52 Hunden mit tumorösen und von 48 Hunden mit entzündlichen Läsionen der Pfoten aus. Die radiologischen Befunde wurden mit den pathohistologischen Diagnosen vergli­chen, um möglicherweise bereits anhand radiologischer Befunde zwischen Neoplasie und Entzündung unterscheiden zu können. Von den 52 Neoplasien waren 42 maligne, sechs benigne und vier wurden als nicht­neoplastische tumorartige Zubildungen eingeordnet. Die entzündlichen und benignen neoplastischen Prozesse konnten radiologisch nicht von den malignen unter­schieden werden, jedoch zeigte sich, dass osteolytische Prozesse signifikant häufiger mit malignen Neoplasien assoziiert waren (54,8 % im Vergleich zu 33,3 % bei den benignen Neoplasien bzw.  22,9  %  bei den Pododermatitiden). Die entzündlichen Prozesse fassten Voges et al. (1996) unter dem Oberbegriff der Pododermatitis zusammen, welche pyogranulomatöse Entzün­dungen, Zellulitis, Pyodermie, Dermatitis, Granulationsgewebe und Leckdermatitis beinhaltete. Bei den rein entzündlichen (Pododermatitis­)Läsionen war die Vorderextremität gering­gradig häufiger betroffen als die Hintergliedmaße. Radiologisch war immer eine Weichteilschwellung zu beobachten, meistens in Form unregelmäßiger Ränder des Weichteilmantels, welche auf Ulzeration oder Proliferation hindeutet. Über die Hälfte zeigte außerdem eine Beteiligung der Knochen. In einigen Fällen wurde eine Mineralisierung des Weichteilgewebes festgestellt. Es konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Lokalisation der Läsion, Weichteilschwellung, Knochenbeteiligung oder Weich­teilmineralisation im Hinblick auf die Differenzierung zwischen Pododermatitis und malignen Neoplasien gesehen werden. Wer­den Osteolysen gesehen, sollte das Vorliegen maligner Neopla­sien in Betracht gezogen werden, auch wenn sie, radiologisch

ohne Unterschied, ebenfalls bei benignen Neoplasien und auch Pododermatitis auftreten. Dass multiple Zehen betroffen waren, wurde bei Pododermatitis unwesentlich häufiger gesehen als bei Patienten mit Tumorerkrankungen.

Entzündliche Veränderungen der Zehen und Krallen

ParonychieDie Paronychie (auch: Krallenbettentzündung, Panaritium) ist eine tiefe Pyodermie an einem oder auch mehreren Krallenbetten. Häufiger bei älteren Tieren beobachtet, besteht keine Rasse­ oder Geschlechts­prädisposition. Die Ätiologie ist mit Ausnahme infizierter örtlicher Verletzungen multifaktoriell und dann in fast allen Fällen sekundär. Sie tritt meistens als Symptom einer bakteriellen Pododermati­tis auf, die üblicherweise durch eine vorausgegangene parasitäre Erkrankung wie Demodikose, eine Allergie, Mykose, metabolische, neoplastische, neurologische oder Autoimmunerkrankung bedingt ist (Fossum 2007, Montavon und Voss 2003). Die Symptome variie­ren von schmerzhafter Rötung und Schwellung des Krallenbetts und Haarausfall oberhalb des Bandes der erkrankten Kralle bis hin zur Krustenbildung des Krallenfalzes mit Erscheinen käsigen Exsudates im Krallenbett (. Abb. 1). Das Krallenhorn kann normal aussehen, aber auch verdickt, brüchig oder dystrophisch sein, Formverände­rungen zeigen oder auch komplett fehlen (Fossum 2007, Montavon und Voss 2003). Die Diagnose muss ätiologisch gesichert werden. Neben diversen systemischen Ursachen (z. B. FeLV bei der Katze, Autoimmunerkrankungen, Demodikose, Dermatomykosen) kommt

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Abb. 1: Krallenbettentzündung mit schmierigem Exsudat am Krallenfalz. Der Krallensaum weist eine deutliche Rötung auf.

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medizinische Indikation für die Amputation der distalen Phalanx dar (Fossum 2007, Linek 2012).

OsteomyelitisEine Osteomyelitis ist eine Entzündung des Knochenmarks, der Kortikalis und möglicherweise des Periosts (Fossum 2007). Alle Entzündungen des Knochens spielen sich primär am Gefäß­ und Bindegewebsapparat ab, während sich die eigentliche Knochensub­stanz nur durch Veränderungen wie Nekrose, Resorption und Appo­sition am Entzündungsgeschehen beteiligt (Reinacher 2007). Die meisten Osteomyelitiden bei Hunden und Katzen sind bakteriellen Ursprungs, häufig durch Streptococcus pseudintermedius oder Staphy-lococcus aureus hervorgerufen. Anaerobier sind in bis zu zwei Dritteln der Fälle nachweisbar (Fossum 2007). Klinisch äußert sich eine akute Osteomyelitis der Phalangen zunächst durch Lahmheit, Schmerz und Weichteilschwellung ohne radiologisch sichtbare Alteration des Kno­chens (. Abb. 2). Allerdings kann eine Chronifizierung der Lahmheit in Verbindung mit chronischen Schmerzen erfolgen. Üblicherweise geschieht dies, wenn die akuten klinischen Symptome abgeklungen sind, die Entzündung sich aber weiter manifestiert. Dies ist in Form von Fistelbildungen, rezidivierender Zellulitis, Abszessbildung sowie später in progressiven, destruktiven und proliferativen Veränderungen des Knochens möglich (Fossum 2007).

Die Entzündung des Knochens wird durch bakterielle, seltener mykotische Ursachen ausgelöst und durch Persistieren der Erreger in ihrem oft chronischen Verlauf unterhalten. Als Infektionsweg kommt an den Phalangen vor allem der direkte Weg (offene Kno­chenverletzung) in Betracht. Ein Übergreifen infektiöser Prozesse aus der Nachbarschaft auf den Knochen wird ebenfalls beobachtet. Auch kann aus einer Knochennekrose oder einer aseptischen Ent­zündung durch Absiedelung von Bakterien eine infizierte septische Entzündung werden (Fossum 2007, Reinacher 2007).

Die bakteriell bedingte Osteomyelitis führt in der Regel zu einer Einbeziehung des kompakten Knochens in das Krankheitsgesche­hen. Einer Ausbreitung innerhalb des Markraumes stehen kaum Widerstände entgegen. Am ausgewachsenen Knochen kann der osteomyelitische Prozess bis unter den Gelenkknorpel der Zehen­gelenke reichen, diesen abheben und auf das Gelenk übergreifen (Fossum 2007, Reinacher 2007).

Die Therapie richtet sich nach der Ursache der Osteomyelitis und schließt fast immer eine Behandlung mit Antibiotika ein. Ob chirurgisch therapiert wird, ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Die therapeutische Zehenamputation oder ­teilamputation kann bei Ver­sagen konservativer Therapien in Betracht gezogen werden (Fossum 2007). Aufgrund der häufig zugrunde liegenden Kombination aus offener Verletzung an der Kralle und bakterieller Infektion werden die erkrankten Krallenbeine oft amputiert. Bezüglich der aktuellen Einschränkungen im Einsatz von Antibiotika kann mithilfe des ampu­tierten Krallenbeins ein Resistenztest durchgeführt werden, um das optimale Antibiotikum für die adjuvante Therapie auszuwählen.

Fibroadnexale DysplasieDie fibroadnexale Dysplasie, auch als fokale adnexale Dysplasie, fibroadnexales Hamartom oder früher auch als organoider Naevus bezeichnet, ist ein gutartiger, proliferativer Prozess lokaler Haut­strukturen (. Abb. 3). Diese können als Ort verminderter Resis­

Abb. 2: Geschwollene Zehe eines Hundes mit Osteomyelitis. Durch die starke Schwellung entstand eine so starke Reibung an der benachbarten Zehe, dass sich eine offene Druckstelle bildete.

Abb. 3: Zubildung an der Zehe eines Hundes mit zentraler Ulzeration, wel­che pathohistologisch als fibroadnexale Dysplasie diagnostiziert wurde

als wichtigste Differenzialdiagnose das Plattenepithelkarzinom in Betracht. Nur die Therapie der zugrunde liegenden Ursache ist effektiv. Die Prognose ist ursachenabhängig (Montavon und Voss 2003). Bei Versagen konservativer Therapien mit Antibiotika oder wenn sich die Entzündung bereits auf das Krallenbein in Form einer Osteomyelitis ausgedehnt hat, stellt die Paronychie eine

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Abb. 4: Zehenschwellung und Osteolyse des Krallenbeins eines Hundes mit digitalem Plattenepithelkarzinom; dorsoplantare Röntgenaufnahme

Abb. 5: Mediolaterale Projektion der Zehe von . Abb.4

tenzfähigkeit als Eintrittspforte für eine rezidivierende Entzündung angesehen werden (Weiss und Teifke 2007). Gerade interdigital sind allerdings die Adnexe und Haaranlagen gehäuft hyperplastisch. Die Therapie besteht in der chirurgischen Exzision, die meistens zur histopathologischen Diagnostik bereits erfolgt ist, um diffe­renzialdiagnostisch infrage kommende Neoplasien auszuschließen (Weiss und Teifke 2007 ).

Neoplastische Veränderungen der Zehen und KrallenInsgesamt treten maligne Neoplasien häufiger auf als benigne Veränderungen (Boston 2012, Voges et al. 1996). Beim Hund sind die vier meist vertretenen Neoplasien das Plattenepithel­karzinom, das maligne Melanom, Weichteilsarkome sowie der Mastzelltumor. Sie betreffen üblicherweise nur eine Zehe und erfordern eine großzügige Exzision (Fossum 2007 , Kapatkin et al. 2012, Kessler 2012, Meyer­Lindenberg et al. 2017, Swaim 2015, van Nimwegen und Kirpensteijn 2012, Voges et al. 1996, Weiss und Teifke 2007, Wobeser et al. 2007a). Aufgrund des anatomisch begrenzten Raums gelingt dies an der Zehe meist nur durch eine hohe Amputation.

Bei Katzen sind Plattenepithelkarzinome ebenfalls die am häu­figsten vorkommenden digitalen Neoplasien, wobei in der weiteren Reihenfolge das Fibrosarkom, das Adenokarzinom, das Osteosar­kom, der Mastzelltumor und das Hämangiosarkom vertreten sind (Wobeser et al. 2007b). Speziesunabhängig treten Neoplasien der Zehen und Krallen häufiger an den Vorder­ als an den Hinterextre­mitäten auf (Carlotti 2002, Marino et al. 1995, Rouben und McKay 2016).

Henry et al. (2005) konstatierten in einer retrospektiven Studie an 64 Hunden, dass eine frühzeitige chirurgische Intervention einen positiven Effekt auf die mittlere Überlebenszeit der Patien ten habe. Unabhängig vom Tumortyp und dem Vorhandensein von Metastasen ergaben frühzeitige Amputationen der Zehen bei Hunden mit Tumo­ren im Frühstadium die beste Prognose für das Tier. Die Autoren schlussfolgern daraus, dass eine frühe chirurgische Intervention zur Behandlung von Hunden mit Zubildungen an den Zehen zu empfehlen ist, selbst wenn bereits Metastasen nachweisbar sein sollten. Eine genaue Diagnose, an welche die weitere adjuvante Therapie angelehnt sein sollte, lässt sich allerdings nur histopa­thologisch stellen (Henry et al. 2005, Meyer­Lindenberg 2017, Wilcock 2006a).

Die Übereinstimmung der Diagnose von Zehentumoren von verschiedenen Pathologen wurde ebenfalls von Wobeser et al. (2007c) untersucht. In 79,7 % wurde eine komplette Überein­stimmung der gestellten Diagnose verzeichnet. Lediglich im Fall des kaninen Keratoakanthoms gab es in 90,4 % der Fälle Unstim­migkeiten, womit dessen Diagnosestellung einzigartig häufig umstritten ist.

Maligne Neoplasien beim HundEtwa 12 % aller kaninen Krallen­ und Krallenbettläsionen sind neoplastischen Ursprungs und häufig Gründe für Onychose oder Onychomadese beim alten Hund (Carlotti 2002, Marino et al. 1995, Meyer­Lindenberg et al. 2017, Rouben und McKay 2016). Trotzdem existieren nur wenige veröffentlichte Studien über das Vorkommen

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kaniner und feliner digitaler Neoplasien sowie deren wichtigster Differenzialdiagnose, der Entzündung.

Subunguales PlattenepithelkarzinomDie häufigste maligne digitale Neoplasie des Hundes, das subungu­ale Plattenepithelkarzinom, macht 47,4 % aller malignen digitalen Läsionen des Hundes aus (Belluco et al. 2013, Yoo et al. 2015). Es gilt als Erkrankung des Krallenbetts, nicht der Haut selbst, und resultiert fast immer in einer Lyse des Krallenbeins (Kessler 2012, van Nimwegen und Kirpensteijn 2012). Schwarze Pudel, Rottweiler sowie Mittel­ und Riesenschnauzer haben eine starke Prädisposition für multiple digitale Plattenepithelkarzinome (Fossum 2007, Kessler 2012, Meyer­Lindenberg et al. 2017, Swaim 2015, van Nimwegen und Kirpensteijn 2012, Weiss und Teifke 2007, Wilcock 2006a). Warum die Farbe Schwarz einen solchen Risikofaktor hierfür darstellt, ist allerdings bis heute nicht bekannt.

Subunguale Plattenepithelkarzinome des Krallenbettes gleichen im Frühstadium dem klinischen Bild einer Nagelbettentzündung, im weiteren Verlauf auch dem einer Osteomyelitis mit Lyse des Kral­lenbeins. Anfänglich zeigt sich eine Krallenmissbildung (gespalte­nes, „hohles“ und gekrümmtes Krallenhorn), später kommt es zur schmerzhaften Schwellung des Zehenendgliedes mit Verlust der Kralle und Zerstörung des Knochens durch Tumorinvasion. Der Tumor kann an mehreren Zehen gleichzeitig oder nacheinander auftreten und neigt zur Metastasierung in die tributären Lymphknoten (Ln. popliteus bzw. Lnn. axillares und praescapulares, zirka 30 %), seltener auch in die Lunge (Kessler 2012, Voges et al. 1996, Weiss und Teifke 2007). Oft betrifft er aber nur eine Zehe (Voges et al. 1996).

Wegen des oberflächlichen Zerfalls können Plattenepithel­karzinome mit chronischen Entzündungen und drainierenden Abszessen verwechselt werden. Maligne Melanome, Sarkome, benigne subunguale Keratoakanthome und Mastzelltumoren des Krallenbeins oder der Haut können ähnlich aussehen. Die Diag­nosesicherung, Differenzierung sowie das Staging erfolgen durch histologische Untersuchung des Tumors und zytologische Untersu­chung der regionären Lymphknoten auf Metastasen (Boston 2012, Kapatkin et al. 2012, Kessler 2012, Meyer­Lindenberg et al. 2017, van Nimwegen und Kirpensteijn 2012, Weiss und Teifke 2007). Die typische klinische Vorgeschichte ist die einer chronisch geschwol­lenen, schmerzhaften Zehe, welche sich als therapieresistent auf eine längere antibiotische Therapie hin erwiesen bzw. darauf nur minimal angesprochen hat. Als wichtigste Differenzialdiagnose gilt das benigne kanine Keratoakanthom (Wobeser et al. 2007a, c). Eine Röntgenuntersuchung dient zur Feststellung der Osteolyse des Krallenbeins und zur Diagnose von Lungenmetastasen (Bos­ton 2012, Kapatkin et al. 2012, Kessler 2012, Rouben und McKay 2016, van Nimwegen und Kirpensteijn 2012). Röntgenologisch lässt sich immer eine Weichteilschwellung feststellen, fast immer mit Knochenbeteiligung (überwiegend Osteolyse, aber auch peri­ostale Proliferationen) (Voges et al. 1996, Wilcock 2006a). Eine Weichteilmineralisierung kann ebenfalls auftreten. Radiologisch zeigten sich in der Studie von Voges et al. (1996) zwei unter­schiedliche Erscheinungsbilder: eine primär destruktive Läsion unter Einbeziehung der Phalanx distalis (. Abb. 4 und 5) oder diffuse Weichteilschwellung mit periostaler Proliferation (Voges et al. 1996).

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Therapeutisch muss eine von einem Plattenepithelkar­zinom befallene Zehe mindestens im Zehengrundgelenk abge­setzt werden, die Exzision des Krallenbeins alleine ist als nicht kurativ anzusehen (. Abb.  6). Bei 5–29  %  von Hunden mit Plattenepithelkarzinom an den Zehen traten Metastasen nach chirurgischer Behandlung auf, die mittlere Zeit bis zur Metas­tasierung betrug 309 Tage. Bei Lymphknotenmetastasen ist eine Chemotherapie angezeigt (Boston 2012, Henry et al. 2005, Kess­

ler 2012, van Nimwegen und Kirpensteijn 2012, Wobeser et al. 2007a). Eine positive zytologische Untersuchung der tributären Lymphknoten auf Metastasen sollte die Resektion des oder der Lymphknoten zur Folge haben.

Die Prognose ist vorsichtig bis günstig, je nach Tumorsta­dium, Differenzierungsgrad, Metastasenbildung, Lokalisation (Resezierbarkeit) und angewandter Therapie (Boston 2012, Carlotti 2002, Kapatkin et al. 2012, Kessler 2012, van Nimwe­

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Abb. 6: Zustand nach hoher Amputation der Zehe mit Plattenepithel­karzinom von . Abb. 4 und 5

Abb. 7: Pfote eines Hundes mit multiplen radiologischen Befunden. Die erste Zehe mit der massiven destruktiven Läsion des Krallenbeins wurde amputiert und pathohistologisch als malignes Melanom befundet.

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gen und Kirpensteijn 2012). Im Fall subungual lokalisierter Plattenepithelkarzinome betrugen die mittlere Ein­Jahres­ Überlebensrate  95  %, die mittlere Zwei­Jahres­Überlebens­rate 75 %. Waren die Plattenepithelkarzinome an anderen Stel­len der Zehe lokalisiert als dem Krallenbett, reduzierte sich die Überlebensrate für ein Jahr auf 60 % und für zwei Jahre auf 40 % (Marino et al. 1995). In der Studie von Henry et al. (2005) wur­den 33 Hunde mit digitalem Plattenepithelkarzinom vorgestellt, von denen 31 bei Vorstellung metastasenfrei waren. 26 Hunde wurden dem Stadium T4 zugeordnet, vier Hunde dem Stadium T3, drei Hunde dem Stadium T2 und kein Hund dem Stadium T1. Bei 24 Hunden wurde die betroffene Zehe amputiert, bei fünf Hunden fand nur eine lokale Exzision des Tumors statt und bei zwei Hunden wurde die gesamte Gliedmaße amputiert. Zwei Hunde erhielten keine Therapie und jeweils zwei Patienten adjuvant Chemo­ oder Strahlentherapie. Die mittlere Überlebensrate in dieser Studie betrug für ein Jahr 50 % und für zwei Jahre 18 %. Bei 28 Patienten waren zum Zeitpunkt des Todes beziehungs­weise der letzten dokumentierten Untersuchung keine Metas­tasen vorhanden, bei den restlichen fünf wurden Metastasen registriert.

Malignes MelanomDas maligne Melanom als zweithäufigste maligne digitale Neo­plasie des Hundes zeigt bei Lokalisationen an der Zehe mit einer Metastasierungsrate von 38–58 % eine höhere Malignität als bei anderen Lokalisationen und metastasiert üblicherweise in Lunge und regionale Lymphknoten (Kessler 2012, Meyer­Lindenberg et al. 2017, Rouben und McKay 2016, van Nimwegen und Kirpen­steijn 2012, Weiss und Teifke 2007). Es tritt im späteren Lebens­alter (Durchschnittsalter neun Jahre) auf und wird besonders häufig bei dunkel pigmentierten Hunden angetroffen. Rasseprä­dispositionen bestehen für den Scottish Terrier, den Mittel­ und Zwergschnauzer, den Irish Setter, den Golden Retriever und den Rottweiler (Boston 2012, Kapatkin et al. 2012, Kessler 2012, Rou­ben und McKay 2016, van Nimwegen und Kirpensteijn 2012, Weiss und Teifke 2007).

Wenn die Knoten rasch wachsen, eine Größe von zwei Zentime­tern überschreiten, von dunkler Farbe sind, oberflächlich zerfallen und/oder unverschieblich sind, spricht dies für ein malignes Mela­nom. Die Pigmentierung kann jedoch auch fehlen (amelanotisches Melanom). Melanome befallen üblicherweise nur eine Zehe und gehen immer mit einer Weichteilschwellung und Knochenbeteili­

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gung einher (. Abb. 7). Häufig treten sowohl Osteolyse als auch periostale Proliferation auf, selten kann auch nur eine Form der Knochenbeteiligung gesehen werden (Kessler 2012, van Nimwegen und Kirpensteijn 2012, Voges et al. 1996). Der klinische Befund und die Feinnadelaspiration sind bei pigmentierten Melanomen diagnostisch. Bei vollständig amelanotischen Formen entspricht das Zellbild dem eines hochmalignen Rundzelltumors (Kessler 2012). Grundsätzlich sind die tributären Lymphknoten sorgfältig klinisch und aspirationszytologisch oder histologisch zu untersuchen. Die histologische Untersuchung der exstirpierten Melanome ist zur Bestimmung des Mitoseindexes und Feststellung der kompletten Exzision wichtig.

Therapeutisch wird bei Melanomen des Krallenbetts wie bei Plattenepithelkarzinomen vorgegangen. Krallenbettmelanome haben eine vorsichtige Prognose (Kessler 2012). Schultheiss (2006) untersuchte kanine Melanome des Krallenbetts, wel­che alle histologischen Malignitätskriterien aufwiesen; bei allen waren auch die Krallenbeine betroffen. Nach hoher Amputation

der betroffenen Zehe waren nur sechs von 14 Hunden mindestens ein Jahr metastasenfrei. Andere Studien geben Metastasierungs­raten von 38–58 % sowie eine mittlere Ein­Jahres­Überlebensrate von 42–70 % an. Die mittlere Zwei­Jahres­Überlebensrate betrug hier nur 11–36 % (Henry et al. 2005, Marino et al. 1995, Wobeser et al. 2007a).

FibrosarkomDas Erscheinungsbild des digitalen Fibrosarkoms besteht in einer solitären proliferativen osteolytischen Läsion, je nach Kollagen­gehalt weiche bis derbe subkutane Masse, die üblicherweise nur eine einzelne Zehe betrifft und auf ihrer Unterlage verschieblich ist. Die Stellen sind haarlos und ulzeriert. Ein Teil wächst scharf begrenzt, fast expansiv, ein Teil kleinknollig, die Umgebung infilt­rierend (. Abb. 8). Der Tumor weist eine hochgradige Malignität auf (Kessler 2012, Wilcock 2006a).

Bei Verdacht auf ein Weichteilsarkom sollte für die anschlie­ßende Operations­ bzw. Therapieplanung immer eine präoperative Diagnosestellung erfolgen. Die Diagnosestellung erfolgt mittels Fein­nadelaspiration. Beim Fibrosarkom ist immer auch eine Metasta­sensuche (Lungenröntgen, regionäre Lymphknoten) anzuraten.

Die Therapie besteht in der radikalen Exstirpation des Tumors im gesunden Gewebe. Die Prognose ist vorsichtig bzw. bezüglich einer Rezidivierung schlecht (Kessler 2012). Van Nimwegen und Kirpensteijn (2012) beschreiben das Verhalten von Weichteilsar­komen an der Zehe als vergleichbar zu anderen Lokalisationen am Körper. In der Studie von Wobeser et al. (2007a) entwickelten zwei von 30 Hunden Metastasen (wobei ein Follow­up nur für 17 der 30 Hunde verfügbar war), einer an Tag 274 nach Diagnose­stellung, der andere an Tag 577. Letzterer wurde noch am gleichen Tag euthanasiert, der andere erst an Tag 608, knapp ein Jahr nach Diagnose der Metastasierung.

HämangioperizytomHämangioperizytome werden auch der Gruppe der peripheren Ner­venscheidentumoren zugeordnet (Kessler 2012). Sie treten vor allem bei älteren Hunden auf (Weiss und Teifke 2007 ).

In der Studie von Voges et al. (1996) gingen sie beim Hund immer mit einer Weichteilschwellung einher, jedoch nie mit Kno­chenbeteiligung und stets ohne Weichteilmineralisation.

Eine Metastasenbildung ist selten (Kessler 2012). Beim Häman­gioperizytom sind Rezidive häufig maligner als der Primärtumor, weshalb eine adäquate Therapieplanung wichtig ist. Die Prognose ist als vorsichtig zu bewerten (Kessler 2012). Weiss und Teifke (2007) sprechen von einer lokalen Rezidivrate bis 50 %, jedoch einer seltenen Metastasierung.

MastzelltumorMastzelltumoren treten vor allem bei älteren Hunden auf, aber auch bei Junghunden ist ein Vorkommen möglich (Couto 2006, Kessler 2012). Prädisponiert sind Boxer bzw. alle brachyzephalen Rassen, Dackel, Berner Sennenhunde und Labrador Retriever. Nach histologischen Kriterien teilt man Mastzelltumoren in unterschied­liche Grade ein (Weiss und Teifke 2007). Diese Einteilung stimmt weitgehend mit dem biologischen Tumorverhalten (lokale Infil­trationstendenz und Metastasierungsneigung) überein. Patnaik

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Abb. 8: Fibrosarkom auf der Pfote eines belgischen Schäferhundes. Die betroffene Zehe wurde hoch amputiert und die Pfote anschließend einer Strahlentherapie unterzogen.

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et al. (1984) untersuchten die Korrelation zwischen befundetem histologischem Grad von insgesamt 83 kaninen kutanen Mastzell­tumoren und der Überlebenszeit der 83 Patienten. Die Ergebnisse zeigten signifikante Unterschiede zwischen den drei Gruppen (Grad I bis Grad III). Von 30 Hunden mit einem Mastzelltumor Grad I überlebten 28 Hunde mindestens 1.500 Tage. Von den 36 Patienten mit einem als Grad II eingestuften Mastzelltumor überlebten nur 16 diesen Zeitraum und von insgesamt 17 Hunden aus der Grad­III­Gruppe überlebte nur einer den Untersuchungs­zeitraum von 1.500 Tagen.

Kiupel et al. (2011) verglichen die Patnaik­Einstufung von 95 kaninen kutanen Mastzelltumoren der Grade I bis III durch 28  Veterinärpathologen aus 16  verschiedenen Instituten. Sie bemerkten dabei vergleichsweise hohe Abweichungen, speziell in den Graden I und II. Um die Übereinstimmung zwischen ver­schiedenen Untersuchungen zukünftig zu steigern, schlugen sie eine Differenzierung in nur mehr zwei Grade vor: low­grade und high­grade. In einer weiteren Untersuchung erzielten sie hier­mit höhere Übereinstimmungsquoten bei der Einstufung von Mastzelltumoren.

Das Erscheinungsbild ist variabel, weshalb Mastzelltumoren mit zahlreichen anderen Tumorarten verwechselt werden können. Sie treten als Knoten, Papeln oder Plaques auf. Ihre Konsistenz kann von weich bis zu derb­knotig reichen (Couto 2006, Kessler 2012, Weiss und Teifke 2007). Mastzelltumoren zeigen meistens eine Weichteilschwellung. Eine Knochenbeteiligung oder Weich­teilmineralisierung wurde bisher nicht beobachtet (Voges et al. 1996).

Anzeichen einer gesteigerten Malignität sind rasches Wachstum, Ulzeration, das Auftreten von Satellitenknoten, eine Vergrößerung der regionären Lymphknoten und die scheinbar rasche Tumorvergrößerung, die auf einer sekundären Ödembil­dung und Entzündung beruht (Darier­Phänomen) (Couto 2006). Eine spätere Metastasierung in Leber, Milz und Knochenmark ist möglich, Lungenmetastasen treten in der Regel nicht auf. Bei Tumormanipulation können Histamin, Heparin sowie weitere Mediatorstoffe freigesetzt werden, welche lokale Erscheinungen wie Juckreiz, Rötung und Schwellung, aber auch systemische paraneoplastische Syndrome (allergische und anaphylaktische Reaktionen, Magenulzera mit Meläna und/oder Hämatemesis)

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Abb. 9: Laterolaterale Röntgenaufnahme des Thorax einer fünf Jahre alten Katze mit Lung­digit­Syndrom. Aufgrund der infausten Prognose wurde die Katze euthanasiert.

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hervorrufen können. Daher sollte der Tumor möglichst wenig manipuliert werden.

Die Feinnadelaspiration erlaubt in nahezu allen Fällen die sichere Diagnosestellung. Die histologische Untersuchung des Tumorexstirpats ist für die Gradeinteilung des Tumors unent­behrlich. Von den regional tributären Lymphknoten sollte eine Feinnadelaspiration entnommen werden.

Die Therapie besteht in der Tumorresektion weit im Gesun­den. Lokalisationen im Krallenbett haben eine schlechte Prognose (Couto 2006, Kessler 2012). Von 20 Hunden mit diagnostizier­ten digitalen Mastzelltumoren in der Studie von Wobeser et al. (2007a) waren nachfolgende Informationen über acht Hunde verfügbar. Von diesen wurden bei drei Hunden Metastasen an den Tagen 3, 152 und 486 nach initialer chirurgischer Therapie festgestellt. Alle drei Hunde starben oder wurden aufgrund der Metastasierung an den Tagen 182, 152 sowie 486 euthanasiert. Die Ein­Jahres­Überlebensrate für diese Gruppe liegt damit bei 75 %, die Zwei­Jahres­Überlebensrate bei 62,5 %.

Maligne Neoplasien bei der KatzeBei Katzen sind Neoplasien, die die Zehen betreffen, insgesamt sel­ten und werden vor allem bei älteren Tieren gesehen. Die Neoplasien können primär oder sekundär sein, wobei sekundäre Neoplasien durch Metastasen von Primärtumoren anderer Organsysteme ent­stehen (Johnstone 2009).

PlattenepithelkarzinomDas Durchschnittsalter für Plattenepithelkarzinome bei der Katze liegt bei 8,3 Jahren, wobei die Tumoren in Einzelfällen schon mit drei Jahren beobachtet wurden. In anderen Populationen wurde ein Durchschnittsalter von elf Jahren angegeben (Bomhard und Bomhard 2003). Die Therapie besteht in der hohen Amputation der betroffenen Zehe. Bei Metastasierungsverdacht sollte der regionäre Lymphknoten entweder zytologisch untersucht oder exstirpiert und histologisch untersucht werden. Die Prognose ist nach vollständiger Exstirpation und nachgewiesener Metastasenfreiheit von Lunge und regionären Lymphknoten günstig (Bomhard und Bomhard 2003).

FibrosarkomDas Fibrosarkom wird meistens bei älteren Katzen diagnostiziert, stellt sich als proliferative osteolytische Läsion dar und betrifft übli­cherweise nur eine Zehe (Meyer­Lindenberg et al. 2017, Wobeser et al. 2007b). Es wird mit dem felinen Sarkomvirus in Verbindung gebracht (Bomhard und Bomhard 2003, Kessler 2012, Wilcock 2006b, Weiss und Teifke 2007). Zwar sind üblicherweise ältere Tiere betroffen, im Einzelfall tritt der Tumor auch schon früher, ab dem ersten Lebensjahr, auf. Eine Rasse­ und Geschlechtsprädisposition besteht nicht (Bomhard und Bomhard 2003). Das Erscheinungsbild ähnelt dem des digitalen Fibrosarkoms des Hundes. Der Tumor weist eine hochgradige Malignität auf (Bomhard und Bomhard 2003, Johnstone 2009, Kessler 2012, Wilcock 2006b).

Wie auch beim Hund sollte bei Verdacht auf ein Weichteil­sarkom für die anschließende Operations­ bzw. Therapieplanung immer eine präoperative zytologische Diagnosestellung erfolgen. Diese erfolgt mittels Feinnadelaspiration. Es sollte immer auch eine Metastasensuche (Lungenröntgen, regionäre Lymphknoten) durchgeführt werden.

Die Therapie besteht in der radikalen Exstirpation des Tumors im gesunden Gewebe, bei digitalen Lokalisationen also in der hohen Amputation der betroffenen Zehe. Die Prognose ist vorsichtig bzw. bezüglich einer Rezidivierung schlecht (Bomhard und Bomhard 2003, Kessler 2012).

Adenokarzinom bzw. metastatisches digitales KarzinomMetastatische Tumoren der Zehen (Sekundärtumoren) sind bei der Katze ein relativ häufiges Syndrom, über welches berichtet wird (Meyer­Lindenberg et al. 2017, Swaim 2015, Wilcock 2006b). Es handelt sich um maligne Neoplasien in der Haut, die auf metasta­tischem Weg aus anderen Organen (Primärorgan) hierher gelangt und zum Wachstum gekommen sind. Betroffen sind insbesondere alte Katzen mit einem Durchschnittsalter von 13 Jahren (von Bom­hard und von Bomhard 2003) bzw. 14 Jahren (Wilcock 2006b) mit asymptomatischen Karzinomen der Bronchien oder Plattenepit­helkarzinomen der Lunge (. Abb. 9). Die Läsionen können meh­

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rere Zehen an mehr als einer Pfote betreffen und treten klinisch meistens als Lahmheit in Erscheinung (Bomhard und Bomhard 2003, Swaim 2015). In einigen Fällen werden die Patienten wegen progressiver Lahmheit vorgestellt, da vor allem das bronchiogene Karzinom die Eigenheit besitzt, in die Zehen zu metastasieren (auch bekannt als „Lung­digit­Syndrom“). Charakteristisch sind dabei eine Schwellung der Zehen, Hautulzera oder purulentes Exsudat; entweder kommt es zum „Ausschuhen“ der Krallen, einer Deviation oder zum Verlust der Kralle (. Abb. 10) (Bomhard und Bomhard 2003). Häufig besteht das klinische Bild auch in multiplen schmerzhaften und geschwollenen Ballen an mehreren Pfoten, vor allem bei alten Katzen, die ansonsten gesund erscheinen. Der sich ausbreitende Tumor ruft eine Fibrose im Ballen hervor, durch welche dieser geschwollen und verhärtet wird (. Abb. 11) (Wilcock 2006b).

Die Veränderungen an der oder den Zehen geben oft Anlass zum Lecken und zur sekundären Entzündung. Die Therapie ist abhän­gig vom Primärtumor, wobei die Prognose in aller Regel ungünstig

ist, wenn eine weitläufige Metastasierung bereits eingesetzt hat (Bomhard und Bomhard 2003, Wilcock 2006b, van Nimwegen und Kirpensteijn 2012). In einer Studie an 36 Katzen zeigte sich, dass die Zehenamputation nicht zur Linderung beitrug, da im weiteren Verlauf die respiratorischen Probleme zunahmen oder der Tumor in weitere Zehen metastasierte (Bomhard und Bomhard 2003, van Nimwegen und Kirpensteijn 2012).

OsteosarkomOsteosarkome speziell der Phalangen werden beschrieben, sind aber selten. Sie treten deutlich häufiger weiter proximal an der Gliedmaße auf.

Die durch das Osteosarkom hervorgerufene Symptomatik stellt sich relativ spät ein und ist abhängig von der Lokalisation. Die Tumo­ren können zu Lahmheiten führen oder pathologische Frakturen hervorrufen. Häufig kann eine Osteolyse beobachtet werden, die zum Knochenumbau ganzer originärer Knochenbereiche führen kann. Osteosarkome gehen häufig mit einer Weichteilschwellung einher,

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Abb. 10: Foto der Pfote der bei . Abb. 9 beschriebenen Katze mit Lung­digit­Syndrom. Das oberflächliche Muster auf der Haut entstand durch die beim Pfotenverband verwendete Wundauflage.

Abb. 11: Röntgenbild der bei . Abb. 10 beschriebenen Katzenpfote in anterior­posteriorer Projektion. Die Schwellung sowie die Zunahme der Weichteildichte lassen sich am betroffenen Ballen nachvollziehen.

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aber zeigen immer eine Knochenbeteiligung (Couto 2006, Voges et al. 1996). Osteosarkome zeichnen sich durch rasches Wachstum sowie starke Massenzunahme aus und haben eine besondere Nei­gung, in die Lunge zu metastasieren (zirka 40–60 %), dagegen nur selten (zirka 5 %) und spät in die regionalen Lymphknoten (Couto 2006, Reinacher 2007).

Die Therapie von Osteosarkomen an der Zehe besteht nach Bestätigung der Metastasenfreiheit der Lunge üblicherweise in einer hohen Amputation der Zehe. Während die Prognose bei Hun­den schlecht ist, metastasieren Osteosarkome der Phalangen bei der Katze in weniger als 10 % der Erkrankungsfälle (Bomhard und Bomhard 2003, Couto 2006). In der Studie von Wobeser et al. (2007a) stellten sich bei sieben von 428 eingesandten Hundeze­hen die Läsionen als Osteosarkome heraus. Bei Katzen dagegen (Wobeser et al 2007b) war das digitale Osteosarkom bei fünf von insgesamt 85 Zehen eine vergleichsweise häufige Diagnose

(7,9 % der befundeten Neoplasien). Leider war initial nur von zwei dieser fünf betroffenen Katzen eine Verlaufsverfolgung mög­lich, wobei von einer Katze an Tag 758 der Verlauf verloren ging. Die zweite Katze entwickelte Metastasen und wurde an Tag 152 euthanasiert.

Zum Vergleich: Von den sieben betroffenen oben genannten Hunden wurde von vier Patienten der Verlauf protokolliert. Hier entwickelte die Hälfte Metastasen und wurde jeweils am Tag des Metastasenfundes euthanasiert (Tag 584 und 714). Der Verlauf der anderen beiden Hunde riss an Tag 184 beziehungsweise 547 nach Amputation ab. In der Studie von Henry et al. (2005) waren vier der 64 untersuchten digitalen Neoplasien Osteosarkome. Zum Zeitpunkt der Erstvorstellung wies ein Hund Metastasen auf, die anderen drei waren metastasenfrei. Bei drei Hunden wurde eine Amputation der betroffenen Zehe durchgeführt, ein Hund erhielt keine Therapie. Die Ein­Jahres­Überlebensrate dieser Population lag bei 33 %, die Zwei­Jahres­Überlebensrate bei 0 %.

Benigne digitale NeoplasienSubunguales KeratoakanthomKeratoakanthome des Krallenbetts sind die wichtigste Diffe­renzialdiagnose zum Plattenepithelkarzinom beim Hund (Yoo et al. 2015). Sie werden bei Hunden zwischen drei und 14 Jahren gesehen und zeigen keine eindeutige Rasse­ oder Geschlechts­disposition. Die Zubildung zeigt sich üblicherweise als einzelne vergrößerte und verdrehte Kralle; die anliegende Epidermis kann ulzeriert, das Krallenhorn möglicherweise frakturiert sein (. Abb. 12). Betroffene Hunde zeigen eine Schmerzhaftigkeit mit einhergehender Lahmheit (Meyer­Lindenberg et al. 2017, Yoo et al. 2015).

Das kanine subunguale Keratoakanthom ist selten und wurde bisher in nur sehr wenigen Studien beschrieben. Die Diagnostik von Zubildungen an der Zehe ist insbesondere in der Differenzierung zwischen Keratoakanthom und Plattenepithelkarzinom schwie­rig. In 19 von 21 Fällen sind Unstimmigkeiten unter Pathologen hinsichtlich der Diagnose eines Keratoakanthoms beschrieben (Meyer­Lindenberg et al. 2017, Yoo et al. 2015). Therapeutisch wird üblicherweise die betroffene Zehe amputiert, oft schon aus Gründen der Diagnostik. Die Prognose ist günstig.

Kutanes bzw. extramedulläres PlasmozytomDas extramedulläre Plasmozytom kommt beim Hund häufiger als bei der Katze vor. Es ist allgemein als benigne anzusehen. Unter anderem wird es bevorzugt an den Phalangen gesehen (van Nimwe­gen und Kirpensteijn 2012, Weiss und Teifke 2007). Ältere Hunde (Durchschnittsalter neun bis zehn Jahre) sowie Hunde großer Ras­sen sind prädisponiert. Neben der Lokalisationspräferenz an den Phalangen wird es häufig am Kopf beobachtet.

Es handelt sich um einen mesenchymalen Tumor aus ext­ramedullären Plasmazellen, der als solitäre, domartig über die Haut vorragende, manchmal ulzerierende, frei bewegliche Knoten, die selten größer als ein bis zwei Zentimeter sind, gesehen wird. Die Diagnose erfolgt mittels Feinnadelaspiration, die Therapie besteht in der chirurgischen Exstirpation mit guter Prognose (Kessler 2012).

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Abb. 12: Röntgenbild der Pfote eines Hundes mit benignem Kerato­akanthom. Weder Adspektion der Pfote noch die Röntgenaufnahme mit sichtbarer Osteolyse ließen eine definitive Diagnose zu. Nach der Amputa­tion der Zehe wurde der Tumor pathohistologisch als Keratoakanthom befundet.

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(Inverses) PapillomPapillome werden durch zahlreiche, in der Regel streng wirtsspe­zifische Papillomviren verursacht und kommen in der Haut und kutanen Schleimhäuten vor. Beim Hund sind Papillome in der Regel gutartig und häufig selbstlimitierend. Es sind vom Oberflä­chenepithel ausgehende, benigne Tumoren mit papillärem Aufbau und unterschiedlich hohem Bindegewebsanteil. Man unterscheidet die bei jungen Hunden (jünger als vier Jahre) durch ein spezies­spezifisches Papillomavirus verursachten Papillome von den im Alter anzutreffenden, solitären oder multiplen kleinen (weniger als 0,5 cm im Durchmesser) Hautpapillomen. Virusassoziierte Papil­lome des Junghundes werden bis zu ein bis zwei Zentimeter groß, sind häufig multipel und treten, neben mukokutanen Übergängen und am Kopf, an den Pfoten auf (Kessler 2012, van Nimwegen und Kirpensteijn 2012). Es handelt sich um reine Weichteilzu­bildungen ohne Knochenbeteiligung (Voges et al. 1996). Klas­sische Papillome zeigen sich meist als weißliche, der Haut breit aufsitzende, domförmig vorragende oder blumenkohlähnliche, zum Teil oberflächlich zerfallende oder gestielte Gebilde, die gut abgegrenzt und verschieblich sind. An exponierten Stellen werden sie leicht traumatisiert. Junghundpapillome heilen oft spontan, können aber auch chirurgisch oder kryotherapeutisch entfernt werden. Sie entarten selten zu Plattenepithelkarzinomen. Die Prognose ist gut (Kessler 2012).

Rezidive nach operativer Entfernung sind nicht selten. Bei jüngeren Hunden finden sich als Besonderheit vom Krallenbett­

epithel ausgehende, endophytisch knopfartig zentral eingedellte, sogenannte invertierte Papillome, die ebenfalls Papillomvirus­as­soziiert sind (Weiss und Teifke 2007).

Adenom der ekkrinen SchweißdrüsenTumoren der ekkrinen Schweißdrüsen (Adenome, seltener Ade­nokarzinome) treten insgesamt extrem selten auf (Carpenter et al. 1987, Kessler 2012, van Nimwegen und Kirpensteijn 2012, Weiss und Teifke 2007). Sie kommen hauptsächlich beim Hund, nur gelegentlich bei der Katze vor und werden sehr selten an der Pfote beschrieben. Es handelt sich meistens um gut abge­grenzte solitäre benigne Knoten, wobei Adenome als einfache oder komplexe Tumoren in papillärer oder zystischer Wuchsform auftreten. Eine wichtige Differenzialdiagnose ist die zystische Hyperplasie (Kessler 2012, Weiss und Teifke 2007). Die The­rapie besteht in der chirurgischen Exstirpation, wobei die kor­rekte Diagnose erst pathohistologisch am eingesandten Amputat gestellt wird.

Conflict of InterestDie Autoren erklären, dass keine geschützten, finanziellen, beruf­lichen oder anderweitigen Interessen an einem Produkt oder einer Firma bestehen, welche die in dieser Veröffentlichung genannten Inhalte oder Meinungen beeinflussen können.

Autorenbeitrag ɓ Idee der Arbeit: AM-L ɓ Konzeption der Arbeit: IH/AM-L ɓ Datenerhebung/Literaturrecherche: IH ɓ Manuskriptentwurf: IH ɓ Kritische Revision des Artikels: AM-L ɓ Endgültige Zustimmung der für die Veröffentlichung vorgesehe-

nen Version: AM-L W

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Fazit für die PraxisDie klinische Diagnosestellung entzündlicher oder neoplas-tischer Veränderungen der Zehen und Krallen ist schwierig, da Adspektion, Palpation und bildgebende Verfahren alleine oft nicht aussagekräftig genug sind. Eine Feinnadelaspiration mit zytologischer Beurteilung kann zielführend sein, ist unter Umständen jedoch nicht ausreichend. Die Zehenamputation wird häufig sowohl als diagnostisches als auch als therapeuti-sches Mittel genutzt, da endgültige Diagnosen oft erst pathologisch am eingesandten Amputat gestellt werden können.

Für die Heilung sowohl bei konservativen als auch bei chirurgischen Therapieansätzen gilt, dass das darauf lastende Gewicht sowie die Bewegung wesentliche Faktoren sind. Wie auch in Teil 1 beschrieben, sollte im Rahmen der Tierhal-ter-Compliance stets eine Ruhighaltung des Patienten erfolgen. Die Dauer dieser Bewegungseinschränkung wird in Abhän-gigkeit von der Schwere der Läsion festgelegt. Ein stützender Verband, ggf. unter Verwendung einer Schiene, kann Gewicht von der heilenden Zehe nehmen und so die Regeneration des Gewebes unterstützen. Ebenso muss auf ausreichenden Leck-schutz sowie ein Trockenhalten der Verletzung (falls vorhan-den) geachtet werden, um Komplikationen zu vermeiden.

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Inken HenzeStudium der Veterinärmedizin in Berlin und Zürich von 2007–2014. Internship an der Tierklinik Kaufungen. Assistenz-tierärztin mit Schwerpunkt Anästhesie, Notfall- und Intensivmedizin an der Chirurgischen und Gynäkologischen Kleintierklinik der Lud-wig-Maximilians-Universität München. Parallel Promotion zum Thema „Läsionen der Zehen und Krallen bei Hund und Katze“. Seit 2019 Residency des European College of Veterinary Anaesthesia and Analgesia am Tierspital der Universität Zürich, Abteilung für Anästhesiologie.

Korrespondenzadresse: Inken Henze und Prof. Dr. med. vet. Andrea Meyer-Lindenberg, Ludwig-Maximilians-Universität München, Zentrum für Klini-sche Tiermedizin, Chirurgische und Gynäkologische Kleintier-klinik, Veterinärstr. 13, 80539 München, [email protected]

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