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Zeitschrift für Kinder- und Jugendmedienforschung 2/19 9. Jahrgang ISSN 2235-1248, www.kids-media.uzh.ch Spielzeug Märchenwunderland und Fratze des Kapitals Von Kreiseln und anderen überdrehten Spielzeugen bei Hans Christian Andersen Die Puppeninsel (1879) – Ein Bilderbuch des Kaiserreichs zwischen Kinderliteratur und Kinderspielkultur Playmobil: Zur Narrativität des Spielzeugs und seiner Adaption in animierten Kurzfilmen Erzählende Steine LEGO BATMAN MOVIE und das Seriengedächtnis

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Zeitschrift für Kinder- und Jugendmedienforschung

2/19

9. Jahrgang

ISSN 2235-1248, www.kids-media.uzh.ch

Spielzeug – Märchenwunderland und Fratze des Kapitals Von Kreiseln und anderen überdrehten Spielzeugen bei Hans Christian Andersen – Die Puppeninsel (1879) – Ein Bilderbuch des Kaiserreichs zwischen Kinderliteratur und Kinderspielkultur – Playmobil: Zur Narrativität des Spielzeugs und seiner Adaption in animierten Kurzfilmen – Erzählende Steine LEGO BATMAN MOVIE und das Seriengedächtnis –

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Erzählende Steine LEGO BATMAN MOVIE und das Seriengedächtnis Von Anna Stemmann

Spiel mit dem Superheldenmythos Batman Der Superheld Batman wurde seit seiner Entstehung 1939 in diversen Comics, Filmen, Hörspielen und Videospielen aufgegriffen und weitererzählt. In diesem 80-jährigen Zeitraum des Erzählens hat sich die Figur in ihrem transmedialen Spannungsfeld zum mythischen System entwickelt.1 Ein My-thos zeichnet sich im Anschluss an Claude Lévi-Strauss „durch die Gesamtheit seiner Fassungen“2 aus, wobei es einen gleichbleibenden Kern gibt, der durch ergänzende und wechselnde „Mytheme“3 immer wieder variiert und erweitert wird. Dies gilt sowohl in diachroner als auch in synchroner Perspektive, denn nicht nur im Verlauf der Zeit hat sich die Inszenierung der Figur unterschiedlich entwickelt, sondern auch innerhalb eines Zeitraumes können verschiedene Varianten nebeneinan-der präsent sein. Batman ist damit „nicht nur Figur in einer Unzahl von Geschichten unterschied-licher Medien, sondern hat als Symbol und Signifikant auch bereits die Grenzen des Narrativen transzendiert.“4 Ein solches Spiel mit verschiedenen Ausformungen, Ausrichtungen und Aufladun-gen in transmedialer Dimension ist zentral für fortgesetzte Superheldennarrationen, die Frank Kelleter und Daniel Stein multilineare Serialität nennen. Diese bildet „im Idealtyp parallele und überlappende, oft medienübergreifend organisierte und mit narrativem Gedächtnis ausgestattete serielle Universen“5 aus. Mit dem narrativen Gedächtnis ist dabei gemeint, dass es spezifische Er-eignisse, Figurenkonstellationen oder Entwicklungen gibt, die gültig bleiben, auch wenn ein anderes Abenteuer der Figur in einem anderen Medium erzählt wird. Aus serientheoretischer Perspektive ergibt sich daraus eine Vermengung von fortgesetztem Erzählen und episodisch abgeschlossenem Erzählen, was Robin Nelson als Flexi-Narrative bezeichnet.6 An der Figur des Batman ist in dieser Hinsicht interessant, dass vor allem mit seiner Ambivalenz und den Brüchen im Heldentum gear-beitet wird, indem diese Aspekte im Seriengedächtnis als narratives Archiv in „der Wiederholung, Aneignung und symbolischen Wertschätzung immer wieder affirmiert und symbolisch aufgeladen werden.“7 Superhelden wie Batman werden immer wieder aufs Neue sowohl in Comics als auch Serien und Filmen von unterschiedlichen Autor*innen, Zeichner*innen und Regisseur*innen inszeniert. Oftmals nehmen nachfolgende Erzählungen jedoch Bezug auf frühere Fassungen der Figur, weshalb man mit Gérard Genette formulieren könnte: Die Figur selbst wird als Palimpsest bzw. „Text zweiten

1 Für die Figur Superman siehe dazu auch: Meier 2015. 2 Lévi-Strauss 2003, 71. 3 Ebd., 64. 4 Banhold 2017, 18. 5 Kelleter/Stein 2012, 264 6 Vgl. Nelson 2007. 7 Assmann 2009, 170.

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Grades“8 lesbar, „d. h. eines Textes, der […] von einem anderen, früheren Text abgeleitet ist.“9 Da-von ausgehend ist es interessant zu überlegen, wie die textuelle Präsenz früherer Batman Figuratio-nen und das damit verbundene Seriengedächtnis – gerade auch im intermedialen Spannungsfeld aus Comic, Film und Serie – aufgegriffen und sichtbar gemacht wird. Im Anschluss an Lévi-Strauss’ Mythostheorie wird im Folgenden untersucht, wie der LEGO BATMAN MOVIE (2017) Mytheme aus dem Seriengedächtnis aufgreift und verändert und welche Funktionen damit für die Inszenierung von Batman einhergehen.

Erzählende Steine – LEGO BATMAN MOVIE Eine neue Ergänzung zum mythischen System des Superhelden Batman ist die LEGO-Film Adapti-on LEGO BATMAN MOVIE von 2017. In dem Animationsfilm werden die berühmten LEGO-Spielsteine als Erzähl- und Darstellungselement genutzt. Dadurch ergeben sich spielerische Bezüge in mehrfacher Hinsicht: Die belebten Spielfiguren sind hier die Haupthandlungsträger und die Er-zählwelt Gotham Citys ist aus LEGO-Steinen in der spezifischen Blockoptik konstruiert. Die Materi-alität der Steine wird so zum zentralen Darstellungselement.10 Das damit verbundene Zusammensetzen und Zusammenbauen ist weiterhin auf einer Metaebene evident, indem „auf spie-lerische und selbstreflexive Weise die Funktionslogiken transmedialer Serialität selbst verhandelt“11 werden. Der 2017 aus dem LEGO-Franchise entstandene LEGO BATMAN MOVIE weist auf das um-fangreiche Erbe bzw. das Seriengedächtnis der Figur explizit hin und schreibt sich in die mythische Traditionslinie des Seriellen ein. Dass dabei die LEGO-Spielsteine und Figuren als Bezugsrahmen genutzt werden, um die Geschichte zu erzählen, ist zum einen ökonomisch motiviert, da bereits der Vorgängerfilm THE LEGO MOVIE (2014) ein grosser Erfolg war und somit eine weitere Serie ihre Fort-setzung findet.12 Zum anderen wird die äussere Beschaffenheit der charakteristischen Steine aber auch für die Darstellung genutzt und fruchtbar gemacht. Benjamin Beil und Hanns-Christian Schmidt beschreiben eben dieses Bausteinsystem der Lego-Steine als „Metapher für die Funktions-logik des transmedial-seriellen Weltenbaus zeitgenössischer Medien-Franchises“13, da einzelne Be-standteile aufgegriffen, miteinander verbunden und variabel arrangiert werden können. Durch die in der Materialität der nachgeahmten Steine im Filmbild bewusst sichtbar gemachte Konstruktions-weise des Zusammensteckens, verweist die Darstellungsweise selbstreflexiv auf eben solche Prozes-se des Zusammensetzens von Zeichenmaterial im Erzählen. Im LEGO BATMAN MOVIE wird insbesondere die Figur Batman zum Zeichenträger, die sich mit weiteren populärkulturellen Codes verbindet, um mit dem Mythos des Superhelden, aber auch des Erzählens darüber zu spielen.

Logos, Musik, Paratext – Zum Intro In das Spannungsfeld aus Erzählen und Zitieren führt der Film unmittelbar in der ersten Sequenz ein. Zu sehen ist ein schwarzer Hintergrund, während leise bedrohliche Musik läuft und nach eini- 8 Genette 1993, 15. 9 Ebd., 15. 10 Vgl. Stemmann 2019, 484. 11 Beil/Schmidt 2018, 67. 12 2019 ist der zweite Teil des LEGO MOVIE erschienen und auch die Fortsetzung des Batman Spin Offs ist bereits angekündigt. 13 Beil/Schmidt 2018, 70.

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gen Sekunden die Stimme von Batman aus dem Off erklärt: „All important movies start with a black screen. And music. Edgy, scary music that would make a parent or a studio executive nervous. And logos. Really long and dramatic logos. Warner Bros. Why not Warner Brothers? I don’t know.“14 Die ersten 40 Sekunden des Films stecken so bereits programmatisch die erzählerischen Verfahren der darauffolgenden 90 Minuten ab. Im Zentrum steht ein ironisches und selbstreferenzielles Spiel, das sich aus diversen Archiven bedient. Hier wird zunächst explizit auf die konventionellen Codes von Filmanfängen und deren vermeintliche Bedeutungsschwere rekurriert, wobei sich LEGO BATMAN

MOVIE bewusst in diese Tradition einordnet und sie konterkariert, indem er eben genau solch einen Auftakt ironisch gebrochen inszeniert. Dass sich die Produzent*innen selbst nicht ernst nehmen, schwingt darin ebenso mit. Die Musik wird als weiteres Stilelement aufgegriffen und von der Erzählstimme als Stimmungs-marker benannt, aber auch mit einem weiteren Seitenhieb auf Produzent*innen und Rezipient*innen verwoben. Dabei wird sowohl auf die produzierenden Studios als auch die zuschauenden Eltern verwiesen, womit geschickt die Spezifika kindermedialer Erzählwelten als vermittelte Medien auf-gegriffen werden: Subtil kommentiert der Film die Gatekeeper-Rolle Erwachsener und macht sich darüber lustig. Im letzten Abschnitt des Intros wechselt auf der Bildebene der schwarze Hintergrund zum Warner Bros. Logo, das wiederum von Batman auf der Tonspur spöttisch begleitet wird, „Really long and dramatic logos.“15 Damit persifliert das Produktionsstudio zum einen selbstreflexiv die Darstel-lungscodes von paratextuellen Credits, die vielen Filmen vorangestellt sind. Zum anderen verdeut-licht Batmans Abschweifung über den Namen Warner Bros. noch einen weiteren zentralen Aspekt der Darstellung. Auch die Superheldenfigur selbst ist ironisch aufgeladen und in ihrer sonst oftmals grossen Ernsthaftigkeit bewusst gebrochen. Dies setzt sich im weiteren Verlauf des Intros fort, denn es folgt daraufhin ein DC Logo, das den Ursprung von Batman im Comicuniversum markiert. Dies nutzt die Erzählstimme von Batman wiederum, um Superman als seinen Konkurrenten zu inszenie-ren und auf die latenten Spannungen zwischen beiden zu verweisen: „Yeah, what, Superman? Come at me, bro. I’m your Kryptonite.“16 Um alle Bedeutungsebenen des Auftakts zu decodieren, ist damit nicht nur systemreferenzielles Wissen über Filmnarration nötig, sondern auch einzelreferen-zielles Wissen über spezifische Figuren wie Batman und Superman. Den Konventionen eines Intros folgend, wird daraufhin ein weiteres Logo der beteiligten Produkti-onsfirma RatPac gezeigt, was Batmans Erzählstimme auf der auditiven Ebene wiederum kommen-tiert und womit seiner ironischen Inszenierung weitere Kontur verliehen wird: „Hmm. Not sure what RatPac does, but that logo is macho. I dig it.“17 Auch dies gibt neben der Parodie auf Film-darstellungspraxen weiteren Einblick in die Figurenanlage von Batman und seine mitunter chauvi-nistische Vorstellung von Männlichkeit, in der „macho“ eine legitime Ordnungs- und Bewertungs-kategorie ist. Davon ausgehend ist der Übergang fliessend zur Einführung in die erzählte Welt, in der die Erzählstimme explizit auf eine Kombination aus Bild- und Schrifttext verweist: „Okay. Get yourself ready for some reading.“18 Während das Bild einen Himmel zeigt, wird ein Zitat aus Mi-chael Jacksons Song Heal the World (1991) schrittweise davor eingeblendet: „If you want to make the world a better place, take a look at yourself and make a change. Hooo.“19 Der Verweis auf das pop-

14 LEGO Batman Movie, 00:00:14. 15 Ebd., 00:00:14. 16 Ebd., 00:00:46. 17 Ebd., 00:01:00. 18 Ebd., 00:01:08. 19 Ebd., 00:01:17.

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musikalische Archiv der 1990er Jahre erfüllt dabei unterschiedliche Funktionen. Zunächst wird das erzählerische Verfahren, ein Motto bzw. langen Schrifttext wie etwa in STAR WARS (1977–1983; 1999–2005; 2015–2019) voranzustellen, persifliert. Dass hier ausserdem auf Michael Jackson und nicht auf einen literarischen Klassiker verwiesen wird, markiert auch den populärkulturellen Rah-men, auf den sich der Film in diversen weiteren Rekursen bezieht. Unmittelbar danach schränkt Batmans Erzählstimme dann aber ein, „No. I said that. Batman is very wise“20, wodurch erneut Batmans Hang zur latenten Selbstüberschätzung ausgestellt und die Figur ironisiert wird. In LEGO BATMAN MOVIE ist Batman, wie bereits sein Auftritt in THE LEGO MOVIE als Nebenfigur andeutete, als eitler und überheblicher Held inszeniert. Der Kern des Mythos wird in den wich-tigsten Elementen zwar aufgegriffen, denn Bruce Wayne leidet auch hier unter dem traumatischen Verlust seiner Eltern als Kind, der Film richtet die Figur jedoch in anderen Facetten neu aus. Dies zeigt sich in der einführenden Sequenz nicht zuletzt darin, dass Batman von sich selbst konsequent in der dritten Person spricht. Der Hang zur egozentrischen Selbstüberschätzung bündelt sich schliesslich nach der Feststellung seiner besonderen Schlauheit in der Zurschaustellung seines Kör-perideals, was im Bild mittels Zoom auf den Körper gezeigt wird und einen zusätzlichen Muskel ausstellt: „I also have huge pecs and a nine-pack. Yeah, I’ve got an extra ab.“21 Dass dabei der Block-förmige Körper der LEGO-Figur lediglich mit aufgemalten Bauchmuskeln versehen ist, fügt eine weitere ironische Färbung hinzu und verdeutlicht, wie die Materialität der Steine als erzählerisches Element genutzt wird. Das Intro des Films erfüllt damit zwei Funktionen: Zum einen wird in das referenzielle und selbst-reflexive Spiel mit Verweisen des populärkulturellen Archivs eingeführt. Zum anderen wird die Hauptfigur Batman in ihrer ironischen Aufladung des Heldenmythos konturiert. Der Schluss des Films beendet das parodistische Spiel mit filmischen Codes und greift das Verfahren vom Beginn wieder auf, indem nun ein weisser Bildschirm zu sehen ist, während Batman spricht: „White. All important movies end with a white screen. And tying up loose ends.“22 Es folgt daraufhin auf der Tonebene ein Song, der als „Robin’s happy, poppy music. The kind that makes parents and studio executives happy“23, eingeführt wird, also auch damit die Brücke zum Auftakt zurückschlägt und eine Gruppenszene folgen lässt, in der alle Figuren in weissen Abwandlungen ihrer Kostüme eine Tanzszene darbieten. Anfang und Schluss sind somit als verbundener Rahmen gesetzt, der zum einen die Art und Weise des Erzählens im Film parodiert, zum anderen aber auch auf symbolischer Ebene durch die Farbcodes von Schwarz und Weiss Einblick in die Entwicklung der Figur Batman gibt: Vom griesgrämigen und überheblichen Einzelgänger wird er zum Teamplayer und Familien-mensch.

„Now, let’s start the movie“ – Handlungskonstellationen Der Auftakt der eigentlichen Handlung zwischen der Rahmung – die Batmans Erzählstimme aus dem Off entsprechend mit „Now, let’s start the movie“24 einleitet – nimmt unmittelbaren Bezug auf eine klassische Handlungskonstellation des Superhelden-Genres und persifliert subtil deren Absur-

20 Ebd., 00:01:21. 21 Ebd., 00:01:26. 22 Ebd., 01:32:04. 23 Ebd., 01:34:34. 24 Ebd., 00:01:32.

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dität. Ein grosses Lastenflugzeug, nicht zufällig betrieben von der „McGuffin Airline“25, beladen mit Dynamitstangen, C4 und Plastikbomben, bittet um Erlaubnis, Gotham City, „the most crime-ridden city in the world“26, überfliegen zu dürfen. Dieses Flugzeug wird daraufhin von Batmans Erzfeind, dem Joker, überfallen, der die Waffen in seine Gewalt bringen will, um Gotham anzugreifen. Die spannungsgeladene Szene, die in den filmischen Konventionen der bildlichen Einstellungen und der lauten Tonspur an Action-Filme angelehnt ist, ist im Aufbau vor allem eine Reminiszenz an die erste Szene aus dem Batman Film THE DARK KNIGHT RISES (2012) von Christopher Nolan. In diesem Zitat verweist der Film auf das Archiv bzw. das Seriengedächtnis der Figur, was sich in der Szene in dem Dialog zwischen Joker und Pilot des Flugzeuges fortsetzt. Der Pilot zeigt keine Angst vor dem Joker und vertraut darauf, dass Batman wie immer für die Rettung sorgen wird – die Figur ist also selbst mit einem Gedächtnis ausgestattet und kennt die Wirkungsmechanismen der Abläufe früherer Abenteuer. Erkennbar wird daran zum einen das serielle Narrativ, das einem gleichbleibenden Muster folgt: Der Schurke greift die Stadt an und der Held kommt zur Rettung. Dies wissen wie-derum fiktionsintern die Figuren und kommentieren das Geschehen entsprechend. Zum anderen wird zudem selbstreflexiv auf einen konkreten filmischen Prätext der Batman Historie und das seri-elle Gedächtnis verwiesen, wenn der Pilot den Joker fragt: „What about that time with the two boats?“27 Angespielt wird damit auf Christopher Nolans THE DARK KNIGHT (2008), indem Heath Ledger als Joker agiert und Passagiere auf zwei Schiffen vor Gotham City als Geiseln nimmt. Die äussere Erscheinung und Mimik des Jokers ist in dem LEGO-Film deutlich an die Maske Ledgers angelehnt, während seine Kleidung das Outfit von Jack Nicholson als Joker in Tim Burtons BATMAN (1989) zitiert. In der LEGO-Spielfigur vermischen sich so zwei ikonische Darstellungen des Schurken zur neuen hybriden Form. Dieses Mashup der Joker-Figurationen auf visueller Ebene spiegelt sich weiter in den inhaltlichen Rekursen. Denn auf den Burton-Prätext wird ebenso explizit von der Figur des Piloten Bezug genommen: „Like that time with the parade and the Prince mu-sic.“28 Dies verweist auf die ikonische Szene, in der der Joker ein Kunstmuseum zu den Klängen von Princes Song Partyman überfällt, fröhlich tanzend durch das Gebäude marodiert und bedeutende Werke der Kunstgeschichte von van Gogh bis Degas zerstört.29 Explizit stellt der Auftakt des Films damit das transmediale Seriengedächtnis des Batman-Mythos aus und ordnet sich im Genette’schen Sinne der „textuelle[n] Transzendenz“30 darin ein. Der Prozess des Einschreibens in eine Serientradition setzt sich in dem etablierten Handlungskon-flikt weiter fort, denn es zeigt sich, dass nicht der Joker allein Gotham City angreift, sondern dass er ein versammeltes Schurkenkollektiv der Serie um sich geschart hat. Mit dem Riddler, Scarecrow, Bane, Two-Face, Catwoman, Poison Ivy, Mr. Freeze, Penguin, Crazy Quilt, Eraser, Polka-Dot Man, Mime, Tarantula, King Tut, Orca, Killer Moth, March Harriet, Zodiac Master, Gentleman Ghost, Clock King, Calender Man, Kite-Man, Catman, Zebra-Man, Condiment King, Egghead, Harley Quinn und Clayface werden in einer schnell geschnittenen Szene die Kompagnons des Jokers mit ihren oftmals sprechenden Namen eingeführt. Die Absurdität der bizarren Benennungen von Figu-ren im Superheldengenre offenbart sich in der bewusst langen Reihung, wird aber auch von der Figur des Piloten ebenso offensiv kommentiert: „Okay, are you making some of those up?“31 Der

25 Ebd., 00:01:45. 26 Ebd., 00:01:58. 27 Ebd., 00:03:18. 28 Ebd., 00:03:31. 29 Siehe etwa hier: https://www.youtube.com/watch?v=yjD9X2mPIXY [20.02.2019]. 30 Genette 1993, 9. 31 LEGO Batman Movie, 00:04:36.

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Joker versichert, sie wären alle echt und wendet sich implizit an die mitsehenden Zuschauer*innen: „Probably worth a Google.“32 Recherchiert man tatsächlich zu den Figuren, ergibt sich daraus ein transmediales Kaleidoskop der Batman-Historie, denn die Figuren stammen sowohl aus verschie-denen Comics als auch Filmen sowie Serien, etwa der Zeichentrickserie BATMAN THE ANIMATED

SERIES (1992–1995; 1997–1999). Ganz im Sinne des spielerischen Bausteinprinzips setzt LEGO BAT-

MAN MOVIE die vorhandenen Fragmente, hier die Figuren, neu zusammen, dekonstruiert, kombi-niert und schafft ein transmediales sowie diachrones Worldbuilding, das sich nicht nur um den Batman-Mythos herum entwickelt, sondern diesen vielmehr weiterführt. Den damit verbundenen Konstruktionscharakter stellt der Film offensiv aus, indem fiktionsintern eine Nachrichtensendung geschaltet wird, die über den Status der Stadt berichtet und auf einer Metaebene auf das Baukasten-prinzip LEGO verweist: „Gotham City is built on a bunch of flimsy plates stuck together.“33 Dieses Detail wird am Ende des Films zum zentralen dramaturgischen Element, wenn eine Bombe ein Loch in die Platten reisst und die Stadt im Abgrund zu versinken droht. Zur Lösung des Konfliktes wird dafür die Besonderheit der LEGO-Figuren genutzt: Batman leitet die Bewohner Gothams dazu an, sich übereinanderzustapeln, indem sie den charakteristischen Knopf am Kopf in den Fuss eines an-deren stecken und sich verhaken: „Stick together. Build something. […] Stick together. Literally.“34 Auf der Tonebene untermalt das charakteristische Klick-Geräusch der Steine dies weiter. Das meta-phorische Zusammenstecken von semantischem Material, das der Film zuvor realisiert, wird damit auch als wortwörtliches Zusammenstecken sicht- und hörbar gemacht und stellt das poetologische Prinzip des Montierens und Zusammenfügens von Zeichenmaterial zusätzlich aus.

„Let’s Get Nuts“ – Mashup der Mytheme Der Film weist ein hohes Erzähltempo auf, denn bereits ab Minute sieben zeigt der Film den ersten grossen Showdown zwischen Batman und Joker, unterlegt durch einen Song, der sich wiederum aus diversen Zitaten zusammensetzt. Der „Let’s Get Nuts Remix“35 ist angelehnt an Heavy Metal und Rap und verbindet sich im Refrain ausserdem mit dem berühmten themesong der Batman Fernsehse-rie aus den 1960er Jahren mit Adam West in der Hauptrolle: na na na na na na na na Batman. Nicht nur die erzählte Welt Gothams ist aus Bausteinen zusammengesteckt, auch die Tonspur setzt das Spiel des Montierens fort. Weitergedacht ist dies Sinnbild für postmoderne und popliterarische Erzählstrukturen des Sammelns, Generierens und Archivierens, die den Film insgesamt kennzeich-nen.36 Dass Batman die Songauswahl selbst mit einem Bildschirm im Helm steuert, verortet die Musik zum einen als Element in der Diegese, zum anderen nimmt die gezeigte Einstellung in der Mitsicht aus Batmans Helm zum Bedienfeld auf die IRON MAN TRILOGIE (2008–2013) Bezug, in der Tony Stark als Iron Man entsprechend inszeniert wird. Die Lyrics des Songs kommentieren wiederum Batmans Status als Superheld und greifen die damit verbundenen zentralen Mytheme wie die der Ausstattung, des trainierten Körpers, des Autos und der Tricks auf: „– Who has the coolest gadgets? – Batman! – Who has the tricked-out ride? – Batman!“37 Weiter zugespitzt wird aber auch hier

32 Ebd., 00:04:39. 33 Ebd., 00:06:27. 34 Ebd., 01:25:24. 35 Ebd., 00:07:41. 36 Vgl. Baßler 2003. 37 LEGO Batman Movie, 00:08:06.

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Batmans Überheblichkeit, wenn er singt: „Ladies, it‘s okay if you stare – why? – ‘cause I’m a billio-naire. […] I 100% am not Bruce Wayne!“38 Damit rekurriert der Songtext wiederum auf einen weite-ren Kernaspekt der Figur, indem die Doppelidentität von Wayne/Batman ausgestellt wird.39 Interessant ist, dass in LEGO BATMAN MOVIE das Verhältnis der Identitäten zueinander verschoben ist und die Mytheme variieren. Während beispielsweise Christian Bale in der Trilogie von Chris-topher Nolan einen Bruce Wayne gibt, der die Rolle des reichen Playboys nur als weitere Maskerade in der Öffentlichkeit spielt und eigentlich zurückgezogen lebt, weist der Wayne/Batman in der LEGO Filmfassung diese ruhige Facette nicht auf. Auch in seinem Rückzugsort Wayne Manor ist das grosse Ego der Figur stets präsent, was sich nicht zuletzt darin zeigt, dass Batman nie seine Maske absetzt, selbst wenn er im roten Morgenmantel à la Hugh Heffner nach der Verbrecherjagd seinen in der Mikrowelle wieder aufgewärmten Hummer isst. Diese Inszenierung rückt somit eine andere Facette der Figur ins Zentrum der Darstellung, womit im Verständnis von Lévi-Strauss der Mythos erweitert wird. Auf die fast 80-jährige Geschichte der Figur und die variierenden Inszenierungen wird aber an meh-reren Stellen verwiesen, beispielsweise, wenn Barbara Gordon festhält: „Batman’s on the job for a very, very, very, very, very, very, very, very long time.“40 Parallel dazu werden im Hintergrund auf einer Leinwand Comiccover sowie Ausschnitte aus Filmen abgebildet, womit die differierenden visuellen Inszenierungen Batman als wandelbare Figur zeigen. Von den Schauspielern Ben Affleck, Christian Bale und Michael Keaton bis zum Comic The Dark Knight (1986) von Frank Miller, bunten Covern aus den 1970er Jahren bis hin zur Batman Bombe der 1960er Jahr sowie dem ersten Cover von 1939 und einem Ausschnitt aus dem Movie Serial der 1940er Jahre sind sowohl alle Medien als auch alle zentralen Meilensteile der Figurenhistorie zu sehen. Diese Szenen werden jedoch in der Optik der LEGO-Figuren und -Steine nachgeahmt, womit im Modus der erzählenden Steine zitiert, montiert und neue Bedeutung generiert wird. Der Film bildet daher „nicht nur bestehende kulturel-le Enzyklopädien ab, sondern schreib[t] an ihnen mit.“41

Bat-Archiv findet Stadt – Topographie In der Topographie des Films findet der Batman Mythos in der Bat-Höhle, dem geheimen Versteck Batmans, und in Bruce Waynes Anwesen eine räumliche Entsprechung. Die Doppelidentität der Figur wird dabei ebenso spöttisch kommentiert: „Wait, does Batman live in Bruce Waynes base-ment? – No. Bruce Wayne lives in Batman’s attic.“42 Batmans Versteck liegt in einer weitläufigen Höhle unter dem Anwesen des Milliardärs und Alter Egos Batmans, Bruce Wayne, das wiederum nicht zufällig auf einer isolierten Insel Gotham City vorgelagert ist. Damit liegt Bruce Wayne alias Batman in der topographischen Ordnung ausserhalb der restlichen erzählten Welt, was seinen am-bigen Status als einsamer Rächer betont, wie Alfred der Butler herausstellt: „Master Bruce, you live on an island, figurativley and literally.“43 In der Bat-Höhle plant Batman aber nicht nur seine Schutzmassnahmen für Gotham City, sondern der Film inszeniert diesen Ort als ein Archiv der Figurengeschichte. Eingelagert sind im mit Leucht-

38 Ebd., 00:08:27. 39 Zur Doppelidentität maskierter Helden vgl. von Holzen 2019. 40 LEGO Batman Movie, 00:26:15. 41 Baßler 2005, 194. 42 LEGO Batman Movie, 00:36:40. 43 Ebd., 00:19:08.

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buchstaben entsprechend beschrifteten „Batman’s Trophy Room“44 diverse Trophäen, Anzüge, Ve-hikel und Gadgets, die in der 80-jährigen Geschichte der Batman-Narration sowohl in Comics als auch Filmen gezeigt wurden. Eine eigene Sektion ist „Batman’s Confiscated Bomb Storage“45, wo nicht nur alle von Batman stillgelegten Bomben aufbewahrt werden, sondern diese enorme An-sammlung auch nonchalant auf die immer ähnlichen Handlungskonflikte der seriellen Narration verweist. Auf die bisweilen absurden Ausformungen der Batman Darstellungen deuten die unter-schiedlichsten Gefährte vom Bat-U-Boot, über das Bat-Space-Shuttle bis zum Bat-Zug, Bat-Buggy und Bat-Kajak hin46, was schliesslich in einer Szene gipfelt, in der Batman in einem Schwimmring sitzend in einem Wasserbecken umgeben von diversen Bat-Booten sein Abendessen zu sich nimmt. Auf die Filmgeschichte der Figur nimmt innerhalb der Diegese weiterhin Batmans Butler und Assis-tent Alfred unmittelbaren Bezug. Er macht sich Sorgen um die psychische Gesundheit von Batman und konstatiert: „I’ve seen you go through similar phases in 2016 and 2012 and 2008 and 2005 and 1997 and 1995 and 1992 and 1989 and that weird one in 1966.“47 Damit sind alle Erscheinungsjahre von Batman-Filmen aufgelistet, begleitet wird diese Aufzählung der Tonspur auf der Bildebene von Einblendungen zu ikonischen Szenen aus den jeweiligen Filmen und den wechselnden Batman-Darstellern in ihren Charakteristika. Dass Alfred dabei von ähnlichen Phasen spricht, rekurriert wiederum auf den immer wieder verhandelten psychischen Prozess des Traumas der Figur, der als zentrales Mythem der Seriennarration aufgegriffen wird. „That weird one in 1966“ meint dabei Adam West als Batman, der in einer skurrilen und knallbunten Szenerie in Camp-Ästhetik in Gotham City lebt und diese abgründigen Facetten der Figur nicht auslotet. Als einzige Batman-Figuration wird diese hier daher auch nicht in LEGO-Optik nachgeahmt, sondern in der Medien-kombination48 aus animiertem und Realfilm ein tatsächlicher Filmausschnitt gezeigt bzw. in die Darstellung eingebettet. Dies ist, indem das ursprüngliche Filmmaterial aufgegriffen wird, eine wei-tere Strategie des Überschichtens und Überlagerns. Auf die Variante der Batman Inszenierung der 1960er Jahre wird noch an weiteren Stellen des Films hingewiesen bzw. mit dem damit verbundenen semantischen Material gespielt. Ein legendäres – und wegen seiner Absurdität im Batman Fandom zum Kult gewordenes – Beispiel ist etwa das Anti-Shark-Batspray, das 1966 in dem Film BATMAN (deutscher Titel: BATMAN HÄLT DIE WELT IN ATEM) zum Einsatz kam.49 Hier wird es nun auf einem Sockel im Spotlight präsentiert, aber von Batman in seinem Kommentar ironisch verspottet, da es zu nichts nutze sei. Dass am Ende des Films im finalen Showdown ein Hai auftritt und das Spray doch noch eine Funktion bekommt, markiert einen der vielen ironischen Twists des Films: „Das Anti-Hai-Spray kann [...] als Kennzeichen der Batman-Cartoon-Modalität begriffen werden.“50 Mit ironischem Ton wird ausserdem das äussere Erscheinungsbild Batmans seit den 1930er Jahren bis in die Gegenwart thematisiert. Diverse Kostümvariationen hängen, mit der jeweiligen Bezeich-nung auf einem Schild darüber, in einem grossen Kleiderschrank. Die 80-jährige Geschichte der Fi-gur wird so geschickt in einer Szene kondensiert, wenn von „Easter Bat“ mit Plüschohren bis zu „Bat-Ryshnikov“ im Ballettoutfit absurdeste Variationen an einer beweglichen Kleiderstange vorbei-

44 Ebd., 00:14:31. 45 Ebd., 00:14:33. 46 Ebd., 00:37:00. 47 Ebd., 00:18:29. 48 Rajewsky 2002, 19. 49 In der Episode Large Marge (Season 14, Episode 4) der Serie THE SIMPSONS findet auch dieses Spray Erwähnung, womit es Ein-gang in das popkulturelle Archiv gefunden hat. 50 Rauscher 2018, 319.

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fahren.51 Fragt man nach der Funktion dieser Darstellung, können zwei Beobachtungen gemacht werden: Zum einen ist diese Form der Inszenierung ein Marker für Komik, wenn der dunkle Held Batman plötzlich in bunten Kostümen zu sehen ist, zum anderen greift die Szene aber auch die Ab-wandlungen des Figuren-Mythos auf, zeigt die differierenden Mytheme und schreibt sich in die Geschichte der Batman-Darstellung bewusst ein. So nehmen viele der gezeigten Kostüme Bezug auf tatsächliche Kostüme, die vor allem auf Covern der 1960er und 70er Jahre zu sehen waren. In ande-ren der gezeigten Kostüme ergeben sich weitere Schlaufen der Bezüge zur Popkultur, etwa wenn Batman als „Jamaican Caper“52 im Anzug des „Reggae Man“53 erscheint oder in Manier der Gruppe Kiss eine E-Gitarre spielt. Die Art und Weise, wie die Kostüme beschaffen sind, nutzt wiederum die Spezifika der LEGO-Optik. Als Robin beispielsweise die Hose eines Kostüms auszieht, hält er da-nach keinen dünnen Stoff in der Hand, sondern den gesamten Klotz, womit die Materialität der Steine deutlich zu sehen ist.54

Bat-Parade, Merchandise und Verehrung – Heldenmythos Eng verbunden mit der äusseren Inszenierung von Batman, sowohl in seiner Kleidung und der Maskierung als auch des Körpers, ist sein Heldenkonzept. Batman changiert dabei seit jeher zwi-schen Gut und Böse, denn er agiert mit seinen ruppigen Methoden immer wieder am Rande der Legalität zur Selbstjustiz. In LEGO BATMAN MOVIE wird er anfangs jedoch als Held gefeiert, dem zu Ehren eine eigene Parade ausgerichtet wird.55 Besonders persifliert wird die überhöhte Verehrung Batmans in einer Szene, in der Batman im Siegesrausch zum Waisenhaus fährt, um mit einer „Merch-Gun“56 die komplette Bat-Fanausstattung vom T-Shirt mit der Aufschrift „Batman Begins by brushing his teeth“57, über Kaffeebecher bis hin zu abstrusen Dingen wie einer Säge mit Bat-Logo zu verteilen. Fiktionsintern stützt diese Darstellung das Bild von Batman als selbstverliebtem Helden, darüber hinaus ist dies aber auch als Verweis auf die extratextuelle Ebene und die ökonomische Vermarktung zu lesen. Problematisiert bzw. satirisch kommentiert wird so die ausufernde Produk-tion von Fanartikeln sowie eine blinde Heldenverehrung. Dass Batmans Dasein als rächendem Vigilanten auch eine problematische Dimension inhärent ist, thematisiert der Film im weiteren Verlauf und setzt damit eine Konfliktkonstellation fort, wie sie z. B. bereits in BATMAN BEGINS (2005) oder THE DARK KNIGHT (2008) verhandelt wurde. Die Stim-mung in der Gesellschaft Gotham Citys wandelt sich, als der alte Commissioner Jim Gordon in den Ruhestand geht und seine Tochter Barbara Gordon ihm nachfolgt. Sie plädiert für eine Verbrechens-bekämpfung mit „actual laws“58, ohne die Selbstjustiz eines Vigilanten zu tolerieren. Ihren Vor-schlag „to team up with Batman“59, lehnt dieser zunächst ab und pflegt weiter seinen Status als Einzelkämpfer. Dieses Abschotten ist symptomatisch für die Figur, worauf eingangs bereits mit Batmans isolierter topographischer Lage auf der Insel vor Gotham hingewiesen wurde. Im übertra-

51 LEGO Batman Movie, 00:38:38. 52 Ebd., 00:38:50. 53 Ebd., 00:38:47. 54 Ebd., 00:39:03. 55 Vgl. ebd., 00:11:03. 56 Ebd., 00:12:56. 57 Ebd., 00:13:02. 58 Ebd., 00:27:25. 59 Ebd., 00:27:27.

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genen Sinne ist diese versuchte Isolation als ein Abwehrmechanismus zu deuten, mit dem Batman seinem erlebten Verlust entgegen zu wirken sucht. Damit greift der Film einen zentralen Aspekt des Batman-Mythos auf und zeigt eine Figur, die als Kind ihre Eltern verloren hat und seitdem keine Gefühle mehr zulässt, um nicht wieder verletzt zu werden. Auch wenn der Film vordergründig vor allem Komik erzeugt und sich auch über die merkwürdigen Facetten von Batmans Heldentum lus-tig macht, liegt dahinter eine vielschichtige Auseinandersetzung mit den seelischen Prozessen der Figur. Entsprechend gestaltet sich um diesen Kern herum der weitere Handlungsverlauf, indem Batman zunächst selbst im Gefängnis eingesperrt wird, als er in einem letzten Akt der Selbstjustiz seinen Erzfeind Joker in die Phantom Zone teleportiert. Dass er dafür zunächst in Supermans Ge-heimversteck einbrechen muss, um den Phantom Zone Projector zu stehlen und seinen Sidekick Robin zum Diebstahl anstiftet, zeigt nochmals, dass Batmans moralischer Kompass durchaus flexibel ist. Er selbst verweist im vermeintlichen Rekurs auf Gandhi auf die Legitimation von unorthodoxen Me-thoden: „we have to right a wrong. And, sometimes, in order to right a wrong, you have to do a wrong right. Gandhi said that. […] I’m paraphrasing.“60 Als Batman schliesslich selbst in die Phantom Zone verschickt wird, wo nur Erzschurken ihr Dasein fristen, ist die einweisende Instanz zunächst überrascht, Batman zu sehen. Sie stellt bei einem Scan seiner Taten jedoch fest: „You’re not a traditional bad guy. But you’re not exactly a good guy, either.“61 Ebendiese Ambivalenz macht das Heldentum von Batman aus und LEGO BATMAN MOVIE

greift die Vielschichtigkeit Batmans geschickt auf. Um die damit verbundene Frage, welche Metho-den man noch anwenden darf, um gegen Verbrecher vorzugehen, kreisen viele Batman Narratio-nen, womit die LEGO Adaption sich auch in diese Traditionslinie einschreibt. Immer wieder wird und wurde die Frage verhandelt, wie Batmans Taten zu rechtfertigen seien. LEGO BATMAN MOVIE

findet dafür eine neue Lösung, indem eine Partnerschaft zwischen der staatlichen Gewalt – vertreten durch Barbara Gordon – und Batman realisiert wird. Gordons Motto „It takes a village, not a Bat-man“62, findet im finalen Kampf um die Stadt schliesslich eine Entsprechung, wenn alle gemeinsam im Kollektiv gegen den Joker und seine Schurkenvereinigung kämpfen. Der Anfang und das Ende des Films – gerahmt durch das bereits besprochene Intro und Outro – nehmen deutlichen Bezug aufeinander bzw. bespiegeln sich. So steht der Joker am Schluss Batman erneut als Gegner gegenüber, jener wird nun aber von seinem Team unterstützt. In der dramaturgi-schen Anlage wird damit ein weiterer Kernkonflikt, das ewige Gegeneinander von Batman und Jo-ker, ausgestellt.

Batman versus Joker – Amouröser Kernkonflikt Batman und Joker sind nicht nur zwei Figuren, die in der Serienhistorie Batmans immer wieder als Gegner aufeinander getroffen sind, sondern sie stehen in einer reziproken Beziehung zueinander: Der eine kann ohne den anderen nicht existieren, bzw. braucht der eine den anderen, um sich gegen ihn aufzulehnen oder ihn zu bekämpfen. Beide Charaktere verlieren ohne ihren Gegenpart ihre Handlungsmacht. Im Figurenmythos ist diese enge Kopplung häufig in verschiedenen Varianten durchgespielt und inszeniert worden. Immer wieder wird thematisiert, dass der Joker sein entstell-tes Gesicht in Teilen auch Batman zu verdanken hat, während der Joker als früherer Kleinkriminel-ler die Eltern von Batman/Bruce Wayne überfallen und ermordet hat. Tim Burtons Film BATMAN

60 Ebd., 00:38:07. 61 Ebd., 01:15:38. 62 Ebd., 01:20:53.

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(1989) stellt diese Ausformung der Beziehung beispielsweise ins Zentrum und kreist um die daraus resultierenden Spannungen. Zum einen ergibt sich daraus ein gleichbleibendes narratives Muster, das in Comics und Filmen aufgegriffen wird, wenn der Joker immer wieder Gotham City und damit im übertragenen Sinne Batman angreift; auf der blossen Handlungsebene sind viele der erzählten Geschichte in ihren Abläufen ähnlich. Zum anderen ergibt sich daraus aber auch ein interessanter Kernkonflikt, der immer wieder die nicht eindimensional zu beantwortende Frage nach Schuld und Verantwortung aufgreift. Diesen Narrationsmechanismus und die damit verbundene wechselseitige Beziehung von Batman und Joker zeigt LEGO BATMAN MOVIE ebenso und parodiert in einer geschickten Zuspitzung des Mythems ihr Mit- und Gegeneinander in amouröser Aufladung. Bereits beim ersten Zusammentref-fen am Beginn des Filmes muss Batman sich entscheiden: „Save the city, or catch your greatest enemy.“63 Dieser ewige Kampf zwischen Batman und Joker wird dann als eine Paarbeziehung aus Jokers Sicht inszeniert: „what we have is special.“64 Joker fordert von Batman ein, dass er ihn als seinen grössten Feind wahrnimmt und ihm ein ‚I hate you‘ zugesteht. Batman weist dies jedoch zu-nächst brüsk mit einem „Batman doesn’t do ships. […] There is no ‚us‘. Batman and Joker are not a thing“65 ab. Die Parallelen zu einem gewünschten ‚I love you‘ in einer Beziehung sind eindeutig und werden noch offensichtlicher, als Batman behauptet: „I’d say that I don’t currently have a bad guy. I am fighting a few different people. […] I like to fight around.“66 Das Miteinander der beiden Figuren wird somit als zunächst dysfunktionale Paarbeziehung inszeniert, in der der Joker sich eine feste Bindung wünscht, während Batman noch nicht dazu bereit ist. Im Verlauf der Handlung wird Batman sukzessive offenbar, wie wichtig der Joker für ihn ist, was sich zunächst darin zeigt, dass Batman sich ohne seinen Erzfeind langweilt und traurig wird.67 Am Schluss des Films gesteht Batman dem Joker – analog zu den Happy Endings in Romantic Comedies – seine Abneigung in einer grossen (un)romantischen Szene, bei der sich ihre Gesichter fast wie bei einem Kuss annähern: „If there’s no Gotham, then I’ll never get to fight you again. […] You are the reason why I get up at 4:00 in the afternoon and pump iron until my chest is positively sick. […] I’m just gonna come right out and say it. I hate you Joker.“68 In dieser Aufladung als ro-mantische Paarbeziehung und einem möglichen queer reading nimmt der LEGO-Film nicht nur auf das Mythem der Beziehung zwischen Batman und Joker Bezug, sondern spitzt dieses weiter zu und stellt damit die unauflösliche Reziprozität beider Figuren in einem homoerotischen Subtext aus. Somit greift der Film einen zentralen Baustein des Batman-Seriengedächtnisses auf und transfor-miert diesen gleichzeitig in der gezeigten Variation. Das Montieren, Überschichten und Zitieren erweist sich damit als „spielerische Textstrategie[]“69, um mit den Einschreibungen der Figur Bat-man zu arbeiten. Das Spiel mit den erzählenden und erzählten LEGO Steinen ist Sinnbild für ein postmodernes Geschichtenerzählen – als das „Spiel mit Zitaten, Traditionen, Genres und Figuren“70.

63 Ebd., 00:10:14. 64 Ebd., 00:10:49. 65 Ebd., 00:11:05. 66 Ebd., 00:10:40. 67 Vgl. ebd., 00:32:20. 68 Ebd., 01:26:14. 69 Glasenapp 2014, 5. 70 Dettmar 2013, 47.

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Bonusmaterial – Populärkulturelles Patchwork Die Bezugnahmen beschränken sich aber nicht allein auf inhaltliche Aspekte um Batman, sondern greifen auch auf Darstellungsweisen und Merkmale aus anderen Medien zurück. Barbara Gordon wird als neue Polizeipräsidentin mit einem Festakt geehrt und in das Amt eingeführt. Dieser grosse Empfang ist von einer medialen Berichterstattung begleitet, die die Abläufe am roten Teppich bei der Oscar Verleihung parodiert. Entsprechend inszeniert sich Bruce Wayne für die wartenden Foto-grafen und zitiert dabei wiederum aus Popsongs, um seine Posen zu beschreiben: „Oops, I did it again. And the Bad Boys. What you gonna do?“71 Im unmittelbar darauffolgenden Schnitt zur ei-gentlichen Gala ist wiederum eine Jazz-Kapelle zu sehen, die eine Variation von Michael Jacksons Man in the Mirror (1987) spielt. Die gesamte Szenerie ist in der Ausstattung des Raumes sowie dem Gebaren der darin handelnden Figuren eine Persiflage auf Preisverleihungen und stellt deren Ab-surdität aus. Die eigentliche Vorstellung von Barbara Gordon für das anwesende Publikum erfolgt durch einen kurzen Filmclip, der sie in Actionfilm-Manier inszeniert.72 Unterlegt ist das Video mit dem Uptempo Popsong Invincible von Kirsten Arian, dessen Lyrics den Charakter der Figur Gordon verdeutlichen: „Cause I’m invincible, unbreakable, unstoppable. Nothings gonna shake me. I play by the rules, and I never lose.“ Auf der Bildebene ist das Video zum einen schnell geschnitten und mit Textbausteinen verbunden, die ihre Fähigkeiten zusätzlich benennen: „top of her class!! A+++, Harvard for Police, clean streets, statistics!!!, compassion!!!“73 Zum anderen ist das Video am Beginn als Splitscreen ar-rangiert, sodass Barbara Gordon in rasantem Tempo bei vielen verschiedenen Tätigkeiten gezeigt wird. Dass sie neuen Wind nach Gotham City bringen wird, verdeutlicht diese Einführung unmit-telbar. In der Art und Weise der Darstellung handelt es sich wiederum um eine Parodie solcher kur-zen Vorstellungsvideos. Bruce Wayne ist von Barbara Gordons Auftritt begeistert und verliebt sich auf den ersten Blick in sie, was sowohl auf der Ton- als auch Bildebene plakativ ausgestellt wird: Während seine subjektive Mitsicht durch einen glättenden Filter im Bildton bzw. in den Farben als eine plötzlich verklärte Perspektive dargestellt wird, läuft der Song I just died in your arms tonight von Cutting Crew (1986) und untermalt sein Verliebtsein auf der Tonspur.74 Musik bzw. die musikalischen Referenzen wer-den so zum ergänzenden Zeichensystem, das die Handlungskonflikte aufnimmt und unterstützend darstellt. Insbesondere das Popmusik Archiv der 1980er Jahre ist dabei zentral gesetzt, nicht nur laufen mehrfach Michael Jackson oder Cutting Crew, sondern auch Wham! und Rick Astley werden angespielt.75 Variationen von bekannten Songs finden sich ebenso, beispielsweise wenn Robin das plötzliche Auftauchen von zwei neuen Adoptivvätern mit „It’s raining dads“76 kommentiert. Neben der Musik und dem Comic werden ausserdem andere Filme als weitere Referenzmedien eingesetzt. So schaut Batman beispielsweise in seinem Heimkino heimlich Romantic Comedies wie JERRY MAGUIRE (1996). Gezeigt wird die Szene, in der Tom Cruise Renée Zellweger gesteht „You complete me“77, was mit doppelter semantischer Bedeutung aufgeladen ist, da dieser Satz bereits vom Joker in THE DARK KNIGHT zitiert wurde. Als Blu-Ray-DVDs sind viele weitere Filme, etwa

71 LEGO Batman Movie, 01:22:11. 72 Ebd., 00:24:45. 73 Ebd., 01:24:54. 74 Vgl. ebd., 00:23:30. 75 Ebd., 01:21:31. 76 Ebd., 00:40:04. 77 Ebd., 00:16:49.

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MARLEY & ME (2009), gestapelt und damit physisch als Medienprodukt in Wayne Manor präsent. Als weiteres Medium wird ausserdem das iPhone verwendet, das in wenig dezentem Product Placement, mehrfach genutzt wird, damit die Figuren Selfies von sich anfertigen können. Diese Fo-tos tragen dann zum Teil aber auch zum weiteren Handlungsverlauf bei und haben damit auch eine erzählerische Funktion. Ausserdem werden Spezifika des Comics als Erzählmedium mit den Mitteln des Films nachgeahmt. Onomatopoetika bzw. die sogenannten Soundwords sind ein schrifttextuelles Darstellungselement, mit dem im Comic Geräusche, Klänge und Lautstärken nachgeahmt werden. LEGO BATMAN MOVIE

nimmt dieses Verfahren auf, wenn in einem Kampf von Batman und Robin gegen eine Gruppe An-greifer Soundwords wie „BAP!“, „BAM!“ oder „KAPOW!“78 im Hintergrund eingeblendet werden. Dies ist zusätzlich auf der Tonebene mit einem Soundfile unterlegt. Nicht zufällig tauchen dabei die oben genannten Soundwords auf, denn diese sind sowohl in ihrem Klang als auch in der Gestaltung der Schrift und Anordnung im Bildraum wiederum ein direktes Zitat aus dem Film der 1960er Jah-re, BATMAN HÄLT DIE WELT IN ATEM mit Adam West. Auch dort sind die Soundwords als Schrift-textelement in das Filmbild montiert, zusätzlich unterlegt mit einem Soundfile, das in LEGO

BATMAN MOVIE ebenso zitiert wird. Als Variation ist hier bei genauerem Hinsehen jedoch zu erken-nen, dass das Schriftbild der Soundwords in der äusseren Kontur verpixelt erscheint und aus LEGO-Steinen zusammengesetzt ist. Damit werden die Steine erneut zum sichtbaren, aber ebenso meta-phorischen Zeichenträger für den Prozess des Montierens und Verknüpfens von Bezügen. Die besonderen Darstellungsweisen aus BATMAN HÄLT DIE WELT IN ATEM werden in LEGO BATMAN

MOVIE noch in zwei weiteren Varianten zitiert und bearbeitet. Zum einen spricht Batmans Sidekick Robin unter ständiger Verwendung des Begriffs ‚Holy‘ als Präfix am Satzanfang, wie es Burt Ward als Robin an der Seite von Adam West getan hat. Zum anderen wird in einer Szene in der Bat-Höhle das alte Logo der 1960er Jahre eingeblendet und in gleicher Weise zum Übergang zwischen den Schnitten über das Bild gelegt wie in BATMAN HÄLT DIE WELT IN ATEM, was wiederum auch auf der klanglichen Ebene von der entsprechenden Musik begleitet ist.79 Es ergeben sich also auf allen Dar-stellungskanälen Reminiszenzen an frühere Batman Darstellungen. Der Butler Alfred schwelgt wie-derum selbst in Erinnerungen an die 1960er Jahre, verkleidet sich in einem Bat-Anzug, der an Adam Wests Outfit angelehnt ist, und ordnet diese Kostümierung wiederum selbstreflexiv mit den Worten „I miss the ’60s“80 in das Seriengedächtnis ein. Das Spiel mit Zitaten setzt sich auch im Hinblick auf weitere Figuren fort: Batmans Sidekick Robin hat sich in einigen Comicfassungen beispielsweise selbst zum Superhelden Nightwing weiterentwi-ckelt. Dies thematisiert LEGO Batman Movie in der weiter oben bereits genannten Kostümszene nebenbei, wenn Robin verschiedene Anzüge durchprobiert, ohne dass konkret gesagt wird, dass er zu Nightwing wird. Daran zeigt sich noch eine weitere Form der Verweisfunktion: Eine solche An-spielung trägt keine narrative bzw. handlungsstützende Bedeutung, sondern liefert nur einen un-terhaltsamen Bonus für Kenner des Batman Universums. Ähnliches gilt für die Hinweise auf Superman, der hier als Batmans Antipode inszeniert wird. Sein Versteck, das berühmte Fortress of Solitude, wird umgedeutet und ist Basisstation der jährlich stattfindenden Party der Justice League. Eigentlich ist Batman Teil dieses Superhelden Kollektivs, wird hier aber ausgeschlossen, womit sein solitärer Status weiter betont wird. Superman taucht noch an weiteren Stellen auf, etwa als Batman eine Fernsehsendung bei GCN schaut und Superman in einer Talkshow über das Verhältnis zu sei-

78 Ebd., 01:23:33. 79 Ebd., 00:39:20. 80 Ebd., 01:00:28.

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nem Erzgegner Zod spricht und ihre unauflösliche Verbindung reflektiert.81 Auch dies ist wieder ein doppelt codierter Verweis. Zum einen werden der Sender CNN und insbesondere das Format der Talkshow persifliert. Zum anderen eröffnet Supermans Interview die deutliche Parallele zum Ver-hältnis von Batman und Joker. Dies wird filmisch entsprechend durch wechselnde Schnitte zu bei-den Figuren – Batman und Joker –verdeutlicht, die jeweils vor dem Fernseher sitzen und das Interview schauen. Neben den Referenzen zum Seriengedächtnis der Figur Batman im Besonderen sowie zu Superhel-dennarrationen im Allgemeinen etabliert der Film somit ein weit gestricktes Netz an diversen popu-lärkulturellen Rekursen und amalgamiert diverse Fragmente miteinander bzw. verbindet diese mit dem Batman-Mythos. In der Phantom Zone tummeln sich beispielsweise diverse Bösewichte der Film- und Literaturhistorie, die nicht nur aus kindermedialen Erzählwelten stammen und unter der Führung des Jokers am Ende gemeinsam gegen Batman antreten. Mit Lord Voldemort, Sauron, Godzilla, den Gremlins, Dinosauriern aus JURASSIC PARK, dem weissen Hai aus JAWS, der Wicked Witch of the West aus THE WIZARD OF OZ, Dracula, Agent Smith aus Matrix, King Kong, Medusa und den British Robots aus DOCTOR WHO, sieht Batman sich mit einer breit aufgestellten Armada von Schurken konfrontiert. Diese bildet eine Bandbreite populärer Formate ab, greift mit der Me-dusa aber ebenso eine antike Figur auf, die wiederum ebenso in Filmen und Comic immer wieder neu inszeniert wurde. Diese Szene verdeutlicht, aus welchen vielseitigen und umfangreichen Archi-ven sich der Film bedient und damit am Mythos Batman arbeitet.

Literaturverzeichnis Primärliteratur LEGO BATMAN MOVIE. USA 2017. Chris McKay (DVD: Warner Bros.) Sekundärliteratur Assmann, Aleida: Archive im Wandel der Mediengeschichte. In: Knut Ebeling, Stephan Günzel

(Hg.): Archivologie. Theorien des Archivs in Wissenschaft, Medien und Künsten. Berlin: Kadmos 2009, 165–175.

Banhold, Lars: Batman. Re-Konstruktion eines Helden. Berlin: Christian A. Bachmann Verlag 2017. Baßler, Moritz: „Das Zeitalter der neuen Literatur“. Popkultur als literarisches Paradigma. In: Cori-

na Caduff, Ulrike Vedder (Hg.): Chiffre 2000 – Neue Paradigmen der Gegenwartsliteratur. Mün-chen: Fink 2005, 185–199.

Baßler, Moritz: Sammeln und Generieren. Aktuelle Archivierungsverfahren in Pop-Literatur und Kulturwissenschaft. In: Reto Sorg, Adrian Mettauer, Wolfgang Proß (Hg.): Zukunft der Literatur – Literatur der Zukunft. Gegenwartsliteratur und Literaturwissenschaft. München: Fink 2003, 155–165.

Beil, Benjamin, Hanns Christian Schmidt: Die Bausteine transmedialer Serialität. Das Lego-Franchise. In: Der Deutschunterricht Jg. LXX, H.6/2018, 67–76.

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Genette, Gérard: Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1993.

81 Vgl. ebd., 00:20:45.

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Glasenapp, Gabriele von: Spielen mit und in der Fiktion. In: Buch & Maus H. 3/2014, 2–5. Lévi-Strauss, Claude: Die Struktur der Mythen. In: Wilfried Barner, Anke Detken, Jörg Wesche

(Hg.): Texte zur modernen Mythentheorie. Stuttgart: Reclam 2003, 59–74. Kelleter, Frank, Daniel Stein: Autorisierungspraktiken seriellen Erzählens. Zur Gattungsentwick-

lung von Superheldencomics. In: Frank Kelleter (Hg.): Populäre Serialität: Narration – Evolu- tion – Distinktion. Zum seriellen Erzählen seit dem 19. Jahrhundert. Bielefeld: transcript 2012, 259–290.

Meier, Stefan: Superman transmedial. Eine Pop-Ikone im Spannungsfeld von Medienwandel und Serialität. Bielefeld: transcript 2015.

Nelson, Robin: State of Play: Contemporary ‘high-end’ TV Drama. Manchester 2007. Rajewsky, Irina O.: Intermedialität. Tübingen: Francke 2002. Rauscher, Andreas: Die Cartoon-Modalitaten des Batman-Franchise und die Gemachtheit von Go-

tham City. In: Hans-Joachim Backe, Julia Eckel, Erwin Feyersinger, Véronique Sina, Jan-Noël Thon (Hg.): Ästhetik des Gemachten. Interdisziplinäre Beiträge zur Animations- und Comicfor-schung. Berlin/Boston: De Gruyter 2018, 305–334.

Stemmann, Anna: Erzählte Nerdkultur. Selbstreferenzielles Spiel mit dem (populär)kulturellen Ar-chiv. In: Ute Dettmar, Ingrid Tomkowiak (Hg.): Spielarten der Populärkultur. Kinder- und Ju-gendliteratur und -medien im Feld des Populären. Berlin: Peter Lang 2019, 473–492.

von Holzen, Aleta-Amirée: Maskierte Helden. Zur Doppelidentitat in Pulp-Novels und Superhel-dencomics. Zürich: Chronos 2019.

Zusammenfassung Die Figur Batman unterliegt seit ihrer Erfindung in den 1930er Jahren einem konstanten Wandel und wurde bis heute in diversen Medien wie Comic, Film oder Hörspiel aufgegriffen und neu in-szeniert. Der Aufsatz widmet sich dem daraus resultierenden Seriengedächtnis (Kelleter/Stein) und diskutiert zentrale Mytheme (Lévi-Strauss), um vor dieser Folie den Film LEGO BATMAN MOVIE (2017) zu analysieren. Der Film erweist sich als multireferenzielle Konstruktion, die bewusst die intermediale Geschichte der Batman-Figur aufgreift und ausstellt. Immer wieder wird auf frühere Batman-Inszenierungen angespielt und diese Referenzen werden mit der Gegenwart der Figur ver-knüpft. Zentrale Stellung nehmen dafür die LEGO-Bausteine und die LEGO-Optik des Filmes ein, denn dies verweist metaphorisch auf den Prozess des Zusammensteckens, was hier vor allem als ein erzählerisches Zusammenfügen von Verweisen zu deuten ist. Darüber hinaus parodiert der Film, neben der Figur Batman selbst, immer wieder auch die Mechanismen filmischer Narration. Damit wird der Animationsfilm auch als Beispiel für die sogenannte Mehrfachadressiertheit lesbar, indem auf verschiedene Wissensarchive und Erfahrungshorizonte Bezug genommen wird. Das Setting im Spielzeugkosmos der LEGO-Steine wird damit zum erzählenden Element, um vielschichtige Facet-ten der Figur Batman auszustellen.