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WWW.WELTHUNGERHILFE.DE 4. QUARTAL 2011 | 40. JAHRGANG DIE ZEITUNG DER WELTHUNGERHILFE WELTERNÄHRUNG PERU Bioanbau ermöglicht Bauern in einer Kokaregion ein ruhigeres Leben – und schont den Boden. SEITE 6 MOSAMBIK Eine Theaterregisseurin kämpft für mehr Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie. SEITE 7 DOSSIER Die 17. Klimakonferenz im südafrikanischen Durban kann armen Ländern nicht wirklich Hoffnung machen. SEITEN 9–12 WELTHUNGERHILFE AKTUELL ONLINE SPENDEN: www.welthungerhilfe.de chon die erste Afghanistan-Kon- ferenz kurz nach dem Einmarsch der Truppen war auf dem Peters- berg abgehalten worden. Die Konferenz endete mit der Verabschiedung des so- genannten Petersberger Abkommens, das einen Stufenplan zur Machtüber- gabe an eine demokratisch legitimierte Regierung nach der Entmachtung der Taliban vorsah. Auch auf der diesjährigen Konferenz wurden Weichen gestellt. Die Konferenz fand zu einem Zeitpunkt statt, an dem die Strategie der internationa- len Gemeinschaft zu Afghanis- tan vor einem gravierenden Wendepunkt steht: Bis Ende 2014 sollen die Afghanen nach und nach die Sicherheits- verantwortung für ihr Land übernehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen auch alle NATO-Kampf- truppen Afghanistan verlassen haben. Schon Ende 2011 sollen insgesamt 33 000 US-Soldaten abgezogen werden. Bis Ende 2013 will auch die Bundeswehr ihre Truppe von aktuell 5350 Soldaten auf bis zu 4400 Soldaten verkleinern. Die Gründe für diese Truppenreduzie- rung sind vielfältig. Zum einen hat sich offensichtlich die Einsicht verbreitet, dass der Krieg in Afghanistan nicht mi- litärisch zu gewinnen ist. Zum anderen spielen innenpolitische Erwägungen, et- wa die Präsidentschaftswahlen 2012 in den USA eine entscheidende Rolle. Die Bilanz des internationalen En- gagements in Afghanistan ist ernüch- ternd. Die Sicherheitslage im Land hat sich eher verschlechtert als verbessert, und weiterhin gehört Afghanistan zu den ärmsten Ländern der Welt. Noch immer stirbt jedes fünfte Kind, bevor es seinen fünften Geburtstag erreicht. Die Analphabetenrate besonders un- ter Frauen ist nach wie vor extrem hoch. Weniger als 15 Prozent der Frau- en können lesen und schreiben. Ob die afghanische Regierung in der La- ge sein wird, die Sicherheit im Land herzustellen, ist äußerst ungewiss. Dass alle am Konflikt beteiligten Gruppie- GEFäHRLICHE MISSION: Bundeswehrsoldaten befragen einen Mann im Distrikt Char Darreh bei Kundus. Die 10. Internationale Afghanistan-Konferenz auf dem Bonner Petersberg Zehn Jahre nachdem die internationale Gemeinschaft nach den Anschlägen des 11. September im Jahr 2001 militärisch in Afghanistan intervenierte, fand Anfang Dezember auf dem Petersberg in Bonn die 10. Internationale Afghanistan-Konferenz unter Vorsitz der afghanischen Regierung statt. Es wurden Weichen für die Zeit nach dem Abzug der Truppen gestellt. Von Katrin Radtke Afghanistan braucht Hilfe pflichteten sich, ihre Unterstützung für Afghanistan zu erhöhen. Für die meisten anderen Länder, darunter auch Deutschland, fehlen klare Ver- pflichtungen, wer sich wie ab 2014 engagiert. Erst bei der Geberkonfe- renz im Juli 2012 in Tokio sollen kon- krete Zusagen folgen, und erst dann wird sich zeigen, wer trotz Finanzkrise Geld überweisen wird. Deutschland sollte, wie es der Sicherheitsberater des afghanischen Präsidenten, Rangin Spanta, gefor- dert hat, einen Teil der Mittel, die durch den Abzug der Truppen frei werden, für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Lan- des bereitstellen. Das Land braucht unseren Beistand. Die afghanische Regierung muss weiterhin bei der Schaffung von Arbeits- und Einkom- mensmöglichkeiten unter- stützt werden, aber auch Basisdienste wie Schulen und Ge- sundheitseinrichtungen müssen wei- terhin gefördert werden. Mechanis- men müssen entwickelt werden, damit die Hilfe in transparenter Weise ge- leistet und Korruption unterbunden wird. Angela Merkel und ihr Außenmi- nister werden sich schon bald an ih- ren Versprechungen messen lassen müssen. Die Welthungerhilfe jeden- falls wird sie daran erinnern. Dr. Katrin Radtke ist Mitarbeiterin der Welthungerhilfe in Bonn. Schlechte Noten BERLIN | Die Hilfswerke terre des hommes und Welthungerhilfe haben im November ih- ren 19. Bericht »Die Wirklichkeit der Entwick- lungshilfe« herausgegeben. Darin stellen die Organisationen der deutschen Entwicklungs- hilfe ein schlechtes Testat aus. Während für die Unterstützung von Banken und den Euro- Rettungsschirm innerhalb weniger Tage Mil- lionenbeträge zur Verfügung stehen, sieht die mittelfristige Finanzplanung des Bundes bis 2014 einen deutlichen Rückgang der Ausga- ben für die Entwicklungshilfe vor. Bestellung des Berichtes: siehe Seite 15. pas Ulrich Post wieder VENRO-Vorstand BONN | Auf der Mitgliederversammlung des Verbandes Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) wur- de Ulrich Post von der Welthungerhilfe für weitere zwei Jahre in seinem Amt als Vorsit- zender bestätigt. Zu seinen Stellvertretern wur- den Dr. Bernd Bornhorst vom Bischöflichen Hilfswerk MISEREOR, Prof. Dr. h. c. Christa Randzio-Plath vom Marie-Schlei-Verein und Jürgen Reichel vom Evangelischen Entwick- lungsdienst gewählt. Auf der Mitgliederver- sammlung wurde neben einer Bilanz des Jah- res 2011 über den Aufbau der Servicestelle für bürgerschaftliches Engagement und das ent- wicklungspolitische Konzept des Bundes- ministeriums für wirtschaftliche Zusammen- arbeit und Entwicklung diskutiert. pas Welthungerhilfe begeht 50. Jubiläum BONN | Am 14. Dezember 2012 wird die Deut- sche Welthungerhilfe e. V. 50 Jahre alt. Im Ju- biläumsjahr wird es viele bundesweite Veran- staltungen, Aktionen und Kampagnen geben. Anfang Dezember 2011 eröffnete Welthunger- hilfe-Präsidentin Bärbel Dieckmann das Jubiläumsjahr. 2012 werden unter anderem eine 10-Euro-Gedenkmünze und eine Sonder- briefmarke erscheinen. Die Kampagne unter dem Motto »Es ist möglich«, die 2012 startet, soll die Menschen aufrütteln. Experten und Querdenker wollen ab Februar neue Perspek- tiven der Entwicklungszusammenarbeit auf- zeigen. pas S © picture-alliance/dpa rungen zunehmend in Verhandlungen einbezogen werden, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Vor diesem Hintergrund ist es nur begrüßenswert, dass Bundeskanzle- rin Angela Merkel auf der Konferenz ankündigte, Deutschland werde Af- ghanistan auch nach dem Abzug der Truppen nicht allein lassen. Doch was heißt das? Viele Afghanen befürch- ten, dass mit dem Abzug der Trup- pen das zivile Engagement in Afgha- nistan sinken wird. Zu Recht. Auf der Konferenz setzten lediglich Schwe- den und Finnland ein Signal und ver- Mehr zum Thema Das Positionspapier der Welthungerhilfe zu Afghanistan können Sie im Internet lesen unter: www.welthungerhilfe.de/venro-afghanistan.html Die »Welternährung« wünscht allen Leserinnen und Lesern ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr. SONDERSEITEN 50 Jahre Welthungerhilfe im Überblick: Die wichtigsten Etappen, die größten Erfolge, die neuen Aufgaben SEITE I–IV © Zanetti

Zeitung Welternährung 4/2011

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4. Ausgabe 2011 der Zeitung der Welthungerhilfe

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www.welthungerhilfe.de 4. Quartal 2011 | 40. Jahrgang D i e Ze i tung Der Welthungerh ilfe

WelternährungperuBioanbau ermöglicht Bauern in einer Kokaregion ein ruhigeres Leben – und schont den Boden.

Seite 6

MosaMbikEine Theaterregisseurin kämpft für mehr Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie.

Seite 7

DossierDie 17. Klimakonferenz im südafrikanischen Durban kann armen Ländern nicht wirklich Hoffnung machen.

Seiten 9–12

WeltHungerHilfe aktuell

online spenDen: www.welthungerhilfe.de

chon die erste afghanistan-Kon-ferenz kurz nach dem einmarsch der truppen war auf dem Peters-

berg abgehalten worden. die Konferenz endete mit der Verabschiedung des so-genannten Petersberger abkommens, das einen Stufenplan zur Machtüber-gabe an eine demokratisch legitimierte regierung nach der entmachtung der taliban vorsah.

auch auf der diesjährigen Konferenz wurden weichen gestellt. die Konferenz fand zu einem Zeitpunkt statt, an dem die Strategie der internationa-len gemeinschaft zu afghanis-tan vor einem gravierenden wendepunkt steht: Bis ende 2014 sollen die afghanen nach und nach die Sicherheits-verantwortung für ihr land übernehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen auch alle natO-Kampf-truppen afghanistan verlassen haben. Schon ende 2011 sollen insgesamt 33 000 uS-Soldaten abgezogen werden. Bis ende 2013 will auch die Bun deswehr ihre truppe von aktuell 5350 Soldaten auf bis zu 4400 Soldaten ver kleinern. die gründe für diese truppenreduzie-rung sind vielfältig. Zum einen hat sich offensichtlich die einsicht verbreitet, dass der Krieg in afghanistan nicht mi-litärisch zu gewinnen ist. Zum anderen spielen innenpolitische erwägungen, et-wa die Präsidentschaftswahlen 2012 in den uSa eine entscheidende rolle.

die Bilanz des internationalen en-gagements in afghanistan ist ernüch-ternd. die Sicherheitslage im land hat sich eher verschlechtert als verbessert, und weiterhin gehört afghanistan zu den ärmsten ländern der welt. noch immer stirbt jedes fünfte Kind, bevor es seinen fünften geburtstag erreicht. die analphabetenrate besonders un-ter frauen ist nach wie vor extrem hoch. weniger als 15 Prozent der frau-en können lesen und schreiben. Ob die afghanische regierung in der la-ge sein wird, die Sicherheit im land herzustellen, ist äußerst ungewiss. dass alle am Konflikt beteiligten gruppie-

gefäHrlicHe Mission: Bundeswehrsoldaten befragen einen Mann im Distrikt Char Darreh bei Kundus.

Die 10. Internationale Afghanistan-Konferenz auf dem Bonner Petersberg

Zehn Jahre nachdem die internationale Gemeinschaft nach den Anschlägen des 11. September im Jahr 2001 militärisch in Afghanistan intervenierte, fand Anfang Dezember auf dem Petersberg in Bonn die 10. Internationale Afghanistan-Konferenz unter Vorsitz der afghanischen Regierung statt. Es wurden Weichen für die Zeit nach dem Abzug der Truppen gestellt.

Von Katrin Radtke

afghanistan braucht Hilfepflichteten sich, ihre unterstützung für afghanistan zu erhöhen. für die meisten anderen länder, darunter auch deutschland, fehlen klare Ver-pflichtungen, wer sich wie ab 2014 engagiert. erst bei der geberkonfe-renz im Juli 2012 in tokio sollen kon-krete Zusagen folgen, und erst dann wird sich zeigen, wer trotz finanzkrise geld überweisen wird.

deutschland sollte, wie es der Sicherheitsberater des afghanischen Präsidenten, rangin Spanta, gefor-dert hat, einen teil der Mittel, die durch den abzug der truppen frei werden, für die wirtschaftliche und

soziale entwicklung des lan-des bereitstellen. das land braucht unseren Beistand. die afghanische regierung muss weiterhin bei der Schaffung von arbeits- und einkom-mensmöglichkeiten unter-stützt werden, aber auch

Basisdienste wie Schulen und ge-sundheitseinrichtungen müssen wei-terhin gefördert werden. Mechanis-men müssen entwickelt werden, damit die hilfe in transparenter weise ge-leistet und Korruption unterbunden wird.

angela Merkel und ihr außenmi-nister werden sich schon bald an ih-ren Versprechungen messen lassen müssen. die welthungerhilfe jeden-falls wird sie daran erinnern.

Dr. Katrin Radtke ist Mitarbeiterin der Welthungerhilfe in Bonn.

schlechte notenberlin | die hilfswerke terre des hommes und welthungerhilfe haben im november ih-ren 19. Bericht »die wirklichkeit der entwick-lungshilfe« herausgegeben. darin stellen die Organisationen der deutschen entwicklungs-hilfe ein schlechtes testat aus. während für die unterstützung von Banken und den euro-rettungsschirm innerhalb weniger tage Mil-lionenbeträge zur Verfügung stehen, sieht die mittelfristige finanzplanung des Bundes bis 2014 einen deutlichen rückgang der ausga-ben für die entwicklungshilfe vor. Bestellung des Berichtes: siehe Seite 15. pas

ulrich post wieder Venro-Vorstand bonn | auf der Mitgliederversammlung des Verbandes entwicklungspolitik deutscher nichtregierungsorganisationen (VenrO) wur-de ulrich Post von der welthungerhilfe für weitere zwei Jahre in seinem amt als Vorsit-zender bestätigt. Zu seinen Stellvertretern wur-den dr. Bernd Bornhorst vom Bischöflichen hilfswerk MiSereOr, Prof. dr. h. c. Christa randzio-Plath vom Marie-Schlei-Verein und Jürgen reichel vom evangelischen entwick-lungsdienst gewählt. auf der Mitgliederver-sammlung wurde neben einer Bilanz des Jah-res 2011 über den aufbau der Servicestelle für bürgerschaftliches engagement und das ent-wicklungspolitische Konzept des Bundes-ministeriums für wirtschaftliche Zusammen-arbeit und entwicklung diskutiert. pas

Welthungerhilfe begeht 50. Jubiläumbonn | am 14. dezember 2012 wird die deut-sche welthungerhilfe e. V. 50 Jahre alt. im Ju-biläumsjahr wird es viele bundesweite Veran-staltungen, aktionen und Kampagnen geben. anfang dezember 2011 eröffnete welthunger-hilfe-Präsidentin Bärbel dieckmann das Jubiläumsjahr. 2012 werden unter anderem eine 10-euro-gedenkmünze und eine Sonder-briefmarke erscheinen. die Kampagne unter dem Motto »es ist möglich«, die 2012 startet, soll die Menschen aufrütteln. experten und Querdenker wollen ab februar neue Perspek-tiven der entwicklungszusammenarbeit auf-zeigen. pas

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rungen zunehmend in Verhandlungen einbezogen werden, ist ein Schritt in die richtige richtung.

Vor diesem hintergrund ist es nur begrüßenswert, dass Bundeskanzle-rin angela Merkel auf der Konferenz ankündigte, deutschland werde af-ghanistan auch nach dem abzug der truppen nicht allein lassen. doch was heißt das? Viele afghanen befürch-ten, dass mit dem abzug der trup-pen das zivile engagement in afgha-nistan sinken wird. Zu recht. auf der Konferenz setzten lediglich Schwe-den und finnland ein Signal und ver-

Mehr zum themaDas Positionspapier der Welthungerhilfe zu Afghanistan können Sie im Internet lesen unter: www.welthungerhilfe.de/venro-afghanistan.html

Die »Welternährung« wünscht allen Leserinnen und Lesern ein frohes

Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr.

sonDerseiten 50 Jahre Welthungerhilfe im Überblick: Die wichtigsten Etappen, die größten Erfolge, die neuen Aufgaben Seite i–iV

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Page 2: Zeitung Welternährung 4/2011

2 W e lt e r n ä h r u n g 4. Quartal 2011n ac h r i c h t e n

50 Jahre bMZ berlin | das Bundesministerium für wirtschaftli-che Zusammenarbeit und entwicklung wird 50 Jah-re alt. aus diesem anlass hat das Ministerium die Kampagne »50 Jahre BMZ. wir machen Zukunft. Machen Sie mit.« gestartet. Sie beschäftigt sich mit neuen Konzepten für die Zukunft der deutschen ent-wicklungspolitik. im Mittelpunkt der Kampagne ste-hen 14 Veranstaltungen zu fragen der deutschen entwicklungspolitik. als geburtstag des BMZ gilt der 14. november 1961, der tag, an dem walter Scheel zum ersten Bundesminister für wirtschaftliche Zu-sammenarbeit ernannt wurde. eine wirklich eigen-ständige entwicklungspolitik gestalten konnte das BMZ, als es 1972 die Zuständigkeit für die finanzielle Zusammenarbeit mit Partnerländern und internati-onalen Organisationen erhielt. Weitere informationen unter: www.bmz.de/de/ministerium/50JahrebMZ/ jubilaeumskampagne/index.html cas

schulwettbewerb berlin | »was siehst du, was ich nicht sehe? – Per-spektive wechseln!«, heißt der diesjährige wettbe-werb des Bundespräsidenten zum thema entwick-lungspolitik. Kinder und Jugendliche sollen durch den wettbewerb dazu angeregt werden, die welt aus der Sicht des gegenübers zu betrachten. Beteiligen können sich Schulklassen. einsendeschluss ist der 7. März 2012. Weitere informationen unter: www. eineweltfueralle.de cas

Zehn Jahre bio-siegel berlin | »wo Bio draufsteht, ist auch Bio drin« – mit dieser klaren Botschaft ging das Bio-Siegel nach eu-Öko-Verordnung 2001 in deutschland an den Start. Zehn Jahre später tragen über 62 000 Produk-te im handel dieses label. Mehr als 3900 unterneh-men verwenden es. Seit Sommer 2010 gibt es zu-sätzlich ein eu-Bio-logo, das ein stilisiertes Blatt aus eu-Sternen zeigt. neben dem eu-Siegel gibt es weitere Siegel von anbauverbänden, die eigene, in der regel strengere richtlinien aufgestellt haben. Weitere informationen unter: www.bio-siegel.de cas

1 titel Die Zukunft Afghanistans nach 2014

2 nachrichten

3 reportage In den Minen im Ostkongo ver-bessern sich die Arbeitsbedingungen

4 partner & projekte Nassreis soll Laoten satt machen

5 fotoreportage Kenias Regenfänger

6 partner & projekte Bio statt Koka in Peru

7 interview In Mosambik kämpft eine Theater- regisseurin für mehr Gerechtigkeit

8 kontrovers Entwicklung auf Pump ist eine Sackgasse

9 Dossier Klimawandel

13 Hintergrund Windkraftprojekte in Indien zerstören die Lebensgrundlage vieler Bauern

14 Medien & informationen

16 unterhaltung

i–iV beilage 50 Jahre Welthungerhilfe

inHalt

kurZ notiert

bewusst essen schützt das klima berlin | ernährung ist bundesweit für 15 Prozent der jährlichen emissionen an treibhausgasen ver-antwortlich. der neue KonsumCheck auf der internetseite »Klima und Schutz« von co2online in-formiert über die Kohlendioxidbilanz von lebens-mitteln. dort gibt es auch tipps für eine nach- hal tige, gesunde und schmackhafte ernährung. Weitere informationen unter: www.klima-sucht-schutz.de/energiesparen/energiespar-ratgeber/konsumcheck. html cas

auf schnelles ergebnis ausWie wirkt deutsche Entwicklungshilfe? Welthungerhilfe und terre des hommes bewerten die Politik

bericHt | wie soll entwicklungszu-sammenarbeit aussehen? welche re-geln, welche moralischen grundsät-ze, welche Ziele soll sie verfolgen? in den vergangenen Jahrzehnten gab es immer wieder andere antworten auf diese fragen. Politische interessen und die globale wirklichkeit verän-derten sich – und mit ihnen die grundsätze der entwicklungszusam-menarbeit. nun scheinen die indust-rienationen wieder an einem wende-punkt angekommen zu sein, an dem ihre Solidarität mit ärmeren ländern auf der Probe steht und sie sich ent-scheiden müssen: wie soll die Zu-sammenarbeit künftig aussehen?

Globalisierung ist überall

finanzkrise, währungskrise, nah-rungsmittelkrise, Klimakrise: 2011 ist das Jahr der Schocks und der erkennt-nisse. niemand kann mehr leugnen, dass sich die welt gewandelt hat. die globalisierung ist überall: China in-vestiert Milliardenbeträge in das kri-sengeplagte griechenland, Brasilien hält mehr uS-amerikanische Staats-anleihen als deutschland und die Schweiz zusammen. dabei ist der wil-le zum wandel da: Millionen Men-schen überall auf der welt protestie-ren gegen unmoralisches Verhalten von finanzakteuren, die Mehrzahl der abgeordneten im deutschen Bundes-tag setzen sich öffentlich dafür ein, dass deutschland das Ziel erreicht, 0,7 Prozent seines Bruttonationalein-kommens in entwicklungs hilfe zu in-vestieren. auch das Bundesministeri-um für wirtschaftliche Zusammenar-beit und entwicklung (BMZ) scheint sich gedanken zu machen: in kaum einem anderen Jahr wurden so viele neue Strategie- und Positionspapiere veröffentlicht wie 2011.

doch wie sieht die wirklichkeit der entwicklungshilfe aus? welthunger-hilfe und terre des hommes haben ih-ren alljährlichen Bericht zu dieser frage veröffentlicht. demnach folgt die deutsche entwicklungspolitik mit der unterzeichnung internationaler abkommen wie der Pariser erklärung

ZaHlen & fakten

ZaHlen & fakten

Wie viel Hilfe kommt im süden an?

auf halber strecke

1 Official Development Assistance (Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit) Quelle: OECD-Datenbank

Bruttoauszahlungen, in Milliarden US-Dollar Anteil der länderprogrammierbaren Hilfe, in Prozent anteil der länderprogrammierbaren Hilfe1 an der gesamten bilateralen oDa Deutschlands 2003–2009

Deutsche oDa1-Quote 1960 – 2010 und szenario 2011 – 2015Finanzielle, technische oder personelle Hilfsleistungen in Prozent des Bruttonationaleinkommens

und dem aktionsplan von accra zwar dem allgemeinen Paradigmenwechsel hin zu einer verstärkten wirksamkeit von entwicklungshilfe. doch gleich-zeitig widerspricht sich die deutsche Politik in eben dieser frage. nämlich dann, wenn es um die ausweitung der multilateralen als alternative zur bilateralen hilfe geht – also um die frage, ob gemeinschaftlich oder allein gehandelt wird. Oder welche Mittel der entwicklungshilfe in die eigene wirtschaft fließen dürfen. Bei den lieferbindungen ist deutschland negativer Spitzenreiter: 2009 waren 27 Prozent der entwicklungsprojekte deutschlands liefergebunden, weit mehr als der durchschnitt aller west-lichen geber. im technischen Bereich waren es sogar 51 Prozent.

Zudem scheint das BMZ einem neuen trend zu folgen, der zu kurz greift: ergebnisorientierte entwick-lungsfinanzierung. Zwar muss ent-wicklungshilfe, um wirksam zu sein, ergebnisse erzielen – das liegt auf der hand. doch welche sind das? und wie

bewertet man sie? das BMZ scheint der Meinung zu sein, dass nur schnell erreichbare und zählbare ergebnisse gute ergebnisse sind. wie sonst lässt sich der trend zu Projekten mit mög-lichst einfachen und leicht überprüf-baren resultaten erklären? das nach-sehen haben fast ausschließlich die empfängerländer: feste Zielvorgaben verhindern die aktive einbeziehung demokratischer akteure, die erfolgs-kontrolle ist enorm aufwendig und ressourcenintensiv, und das ausfall-risiko der Projekte tragen die regie-rungen der (»Partner-«)länder.

Weiche Ziele unbeliebt

im jährlichen abschlussbericht der Bundesregierung macht sich die Zahl gebohrter Brunnen oder neu erbauter Schulgebäude gut. Projekte mit schwieriger zu erfassenden Zielen sind eher unbeliebt: denn wie zeigt man, dass entwicklungsprojekte die demokratie in einem land gefördert haben? Oder die gleichberechtigung

von frauen? doch für eine langfris-tig stabile und wirksame entwicklung sind solche strukturellen ergebnisse entscheidend. und noch ein Problem zeigen die welthungerhilfe und terre des hommes in ihrem Bericht: die fehlende abstimmung zwischen den einzelnen deutschen Politikressorts. dabei sind der Zusammenhang von agrarpolitik, energiepolitik, Klimapo-litik, finanzpolitik, außenwirtschafts-politik und den entwicklungserfolgen der entwicklungsländer lange be-kannt. 2011 wurde er der globalen Öff entlichkeit besonders deutlich: da peitschten entfesselte Spekulanten die Preise für nahrungsmittel an den in-ternationalen Börsen in die höhe. Veraltete industrieanlagen stoßen weiterhin unmengen an CO2 in die luft, grundnahrungsmittel fließen tonnenweise in den tank europä-ischer autos.

das hat auswirkungen auf die Menschen in den entwicklungs-ländern. die ursachen der dürre in Ostafrika sind nicht zuletzt hohe nahrungsmittelpreise, der veränderte Klimawandel und das »Versagen der internationalen gemeinschaft, auf die warnsignale der sich abzeichnenden Krise frühzeitig zu reagieren«, so die autoren des Berichts.

Klare Forderungen

als fazit haben die welthungerhilfe und terre des hommes konkrete for-derungen an die deutsche entwick-lungshilfepolitik: mehr Mittel im ent-wicklungsetat, weniger lieferbindung zum Vorteil der deutschen wirtschaft, mehr engagement in multilateralen Programmen, transparenz und eine kohärente Politik, die den entwick-lungsländern wirtschaftlich, sozial und ökologisch keinen Schaden zu-fügten.

Tanja Beck ist freie Journalistin in Hattingen.

www.welthungerhilfe.de/ wirklichkeit-entwicklungshilfe 19.html

Weitere informationen:

Deutsche ODA-Quote 1960-2010 und Szenario 2011-2015

(ODA in Prozent des Bruttonationaleinkommens)

Quelle: OECD-Datenbank

0,7

0,6

0,5

0,4

0,3

0,2

1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015

1 Länderprogrammierbare Hilfe (Country Programmable Aid, CPA) ist ein neues Konzept des Entwicklungshilfe-Ausschusses (DAC) der OECD, um das Niveau der Hilfe zu messen. Es entspricht den ODA-Gesamtleistungen nach Abzug anderer Arten von Entwicklungszusammenarbeit wie Nothilfe, Schuldenerlass und sonstige Leistungen. Quelle: OECD-Datenbank und eigene Berechnungen

Bilaterale ODA (brutto) CPA Bilaterale ODA (brutto) CPA

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

10,0

7,5

5,0

2,5

0,0

5,29

48,2 53,1 29,8 30,434,8

38,555,9

2,55 2,78 2,67 2,633,25

4,254,68

5,24

8,96 8,65

9,44

8,36

11,04

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

Page 3: Zeitung Welternährung 4/2011

W e lt e r n ä h r u n g 34. Quartal 2011 r e p o r tag e

Grubenunglücke, Korruption, Überfälle – Minenarbeiter im zentralafrikanischen Bürgerkriegsland leben gefährlich. Experten aus Deutschland arbeiten seit zwei Jahren an der Einführung von Zertifizierungsstandards mit. Ob es helfen wird? Beobachter sind skeptisch.

usoko Charles Mwenelambo steht am rande einer traube von Menschen. Sei-ne Kollegen graben konzentriert an der

flanke des Berges. Vor ein paar tagen hat es in die-ser goldmine im Osten der demokratischen repu-blik Kongo einen erdrutsch gegeben, vier Menschen sind dabei ums leben gekommen. die leichen sind immer noch in dem Stollen, der bei dem unglück eingebrochen ist. »hier passieren ständig unfälle«, sagt der 25-jährige goldgräber Mwenelambo. »die arbeit ist extrem gefährlich, das weiß jeder.« er und tausende andere arbeiten trotzdem weiter, mit Spitzhacke, Schaufel und taschenlampe. Obwohl sie wissen, dass die arbeit so gefährlich ist, haben Mwenelambo und seine Kollegen keinen Schutz-helm auf. der 25-Jährige trägt eine Baseballkappe, ein lehmverschmiertes hemd und gummistiefel, letztere, weil die Stollen zum teil unter wasser stehen.

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»ich mache das nur, weil es im Kongo keine an-dere arbeit gibt«, sagt auch Mwenelambo. dabei macht er mit der Schürferei im Moment sogar Schul-den. Bei den händlern der gegend ist er schon mit umgerechnet 2400 uS-dollar im Minus: geld, das er für werkzeug investieren musste, in den vergan-genen Monaten für das tägliche Überleben ver-braucht hat und an Schmiergeld und gebühren zah-len musste. den meisten seiner Kollegen hier geht es nicht anders: die demokratische republik Kon-go ist zwar ein mit Bodenschätzen gesegnetes land, dennoch lebt die Bevölkerung in absoluter armut. in zwei Provinzen im Osten des landes hält die ge-walt weiterhin an, obwohl der mehrjährige Krieg im Kongo seit 2002 offiziell beendet ist. Mehrere be-waffnete gruppen kämpfen um die Kontrolle der wertvollen Minen in dieser region, um den Zugriff auf gold, Coltan, Kassiterit und andere Bodenschät-ze. die Stadt Kamituga liegt auf einem reichhalti-gen goldgürtel in der Provinz Süd-Kivu und damit in einer der beiden Provinzen, in denen gewalt bis heute weitverbreitet ist.

Die Arbeiter sind überschuldet

»Mindestens 85 Prozent der goldgräber sind völlig überschuldet«, sagt léonard Kabungulu, der für die kongolesische Menschenrechtsorganisation riO (netzwerk für die erneuerung der institutionen) hier in Kamituga arbeitet. das liege zum einen an der langen Kette der Zwischenhändler, die alle am reichtum mitverdienen, zum anderen an den vie-

Von Bettina Rühl

len, überwiegend illegalen »Steuern« und abgaben, die jeder goldgräber zahlen muss. »Vielen bleibt nichts zum leben übrig«, bestätigt thierry Babin-gua. er ist der Vorsitzende der genossenschaft, zu der sich 4800 Schürfer von Kamituga zusammenge-schlossen haben. während heftiger regen auf das wellblech prasselt, sitzt er mit einigen anderen goldgräbern um den tisch in einer hütte aus holz-planken, dem Büro der genossenschaft.

wer schürfen will, muss sich hier und bei den lo-kalen repräsentanten des Bergbauministeriums re-gistrieren lassen und bekommt dann für insgesamt 75 uS-dollar im Jahr einen goldgräberausweis. laufende abgaben gehen monatlich oder jährlich an mehrere regionale Vertretungen der staatlichen Bergbauaufsicht, traditionelle autoritäten und Chefs, außerdem an ein unternehmen, das Strom für die wasserpumpen liefert, und vor allem an die Po-lizisten und Soldaten. dabei haben die nach kongo-lesischem gesetz in den Minen nichts zu suchen. »aber sie kommen regelmäßig und fragen nach es-sen«, erzählt Babingua. »Sie behaupten, sie könnten sonst nicht überleben.« laut Babingua verlangen die Soldaten jeden Monat von jedem goldgräber zehn gramm des edelmetalls – bei einem Verkaufswert von 50 uS-dollar.

in den Provinzen nord- und Süd-Kivu werden neben gold vor allem Zinnerze, Coltan und wolfra-mit abgebaut, die beispielsweise bei der Produktion von handys und Computern benötigt werden. die informationen über die Zustände in den kongolesi-schen Minen haben im laufe der Jahre starken öf-

Weitere informationen unter:

www.welthungerhilfe.de/ kongo-hilfsprojekt-strassenbau.html

JeDer ein kleinunterneHMer: In Kongos Minen (hier: Goldminen) schürfen häufig auch Kinder. Eine gefährliche Arbeit, wie Musoko Charles Mwenelambo (Foto unten rechts) weiß.

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Druck schafft bewegungOstkongo: Die Arbeitsbedingungen in den Minen sollen sich verbessern

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www.welthungerhilfe.de/whi2011.html

0 wenig Hunger

WeltHunger-inDex rang 81/122 ländern

fentlichen druck aufgebaut. unter dem Motto »Kein Blut am handy« wiesen Menschenrechtsgruppen in den vergangenen Jahren immer wieder auf den Zu-sammenhang zwischen dem Verbraucherverhalten im westen und dem Konflikt im Kongo hin. Mit er-folg: anfang 2012 tritt in den uSa der dodd–frank act in Kraft. Künftig müssen uS-unternehmen nachweisen, dass die von ihnen verwendeten roh-stoffe aus einer konfliktfreien Zone kommen. händ-ler in nord- und Süd-Kivu berichten, dass ihre ge-schäfte deutlich zurückgegangen seien. Viele Käu-fer achten offenbar schon heute darauf, keine Mineralien aus Konfliktgebieten in umlauf zu brin-gen, weil die in Kürze nur noch schwer zu verkau-fen sein werden. weil das gesetz auch für endpro-dukte gilt, wird es voraussichtlich trotz der tatsa-che greifen, dass derzeit die meisten kongolesischen Mineralien nach asien exportiert werden. und in der europäischen union wird über die Vorbereitung eines ähnlichen gesetzes diskutiert.

Exportverbot verhindern

um einem faktischen exportverbot zuvorzukom-men, bemüht sich die kongolesische regierung in-zwischen um mehr transparenz im Bergbausektor. dabei bekommt sie hilfe von deutschen experten. die Bundesanstalt für geowissenschaften und roh-stoffe (Bgr) ist seit 2009 im Kongo, um der regie-rung beim aufbau eines Systems zur Zertifizierung der Mineralien zu helfen. »Vor einem Jahr habe ich noch relativ schwarzgesehen«, sagt uwe näher, der für die Bgr im Kongo ist. »aber jetzt bin ich recht optimistisch. durch den internationalen druck sind die dinge hier sehr schnell in Bewegung geraten.« das vom deutschen Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit finanzierte Projekt hat mehrere Komponenten. der erste Schritt ist abgeschlossen: der Kongo hat nun ein Zertifizierungssystem, an-hand dessen näher und seine Kollegen die Minen für gold, Zinnerz, Coltan und wolframit in der Pilotregion Süd-Kivu begutachten. werden die ins-gesamt 21 Standards erfüllt, bekommt die Mine ein Zertifikat. »die wichtigste Voraussetzung dafür ist natürlich, dass keine bewaffnete gruppe in der Mi-ne ist und illegale abgaben eintreibt«, sagt näher. Kamituga würde die Kriterien also nicht er-füllen. die anderen normen beziehen sich auf trans-parenz, arbeitsbedingungen, Sicherheit, umwelt-schutz und die entwicklung der umgebenden dörfer oder Städte.

Kontrollfahrten oft nicht möglich

angesichts der unübersichtlichen Sicherheitslage im Kongo hält mancher Beobachter das Vorhaben für geradezu naiv. allein in Süd-Kivu gibt es viele hun-dert Minen, von denen etliche schon mangels Stra-ßen nicht zu erreichen sind. und häufig ist die fahrt schlicht zu gefährlich. im vergangenen Jahr zum Bei-spiel wollte näher mit Kollegen die Kassiteritmine nyabibwe an der grenze zwischen nord- und Süd-Kivu besuchen. »aber die dortigen Milizionäre ließen uns mitteilen, sie würden uns erschießen, sobald wir dort auftauchen.« in diesem Jahr sei der Besuch in nyabibwe kein Problem mehr gewesen, die Bewaff-neten hätten die Mine geräumt. aus solchen entwick-lungen schöpft näher hoffnung für die Bergarbeiter vor Ort. auch wenn sich die Verhältnisse im Kongo täglich wieder ändern können.

Bettina Rühl ist freie Journalistin in Nairobi.

Page 4: Zeitung Welternährung 4/2011

pa r t n e r & p r o j e k t e 4. Quartal 20114 W e lt e r n ä h r u n g

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in khaysone wächst die HoffnungLaos: Gerade ein halbes Jahr reicht der Reis für die Menschen im Bergdorf bisher. Doch bald soll niemand mehr hungern müssen

rühmorgens um vier ist der himmel über dem kleinen dorf Khaysone im nong-distrikt noch tiefschwarz. die junge Mutter aleang steht

als erste auf. Sie erhitzt das wasser, das sie am abend zuvor mit Kalebassen aus dem fluss ge-schöpft hat, um den reis für den tag zu dämpfen. eine spärliche tagesration muss vier Kinder und drei erwachsene den ganzen tag satt machen. reis ist

Zwischen Mai und Oktober herrscht in Laos Regenzeit. Für die Bauern im Nong-Distrikt bedeuten diese Monate Entbeh-rungen und Hunger. Denn die Reisernte vom Oktober reicht in den meisten Fami-lien höchstens für sechs Monate. Nong liegt im Bergland der Provinz Savannak-het im südlichen Laos. Seine Dörfer ge-hören zur ärmsten Region in einem der ärmsten Länder der Erde.

Von Christiane Zander

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das hauptnahrungsmittel im dorf Khaysone, doch reis ist schon lange knapp.

gerade die Bergvölker leiden in laos oft große not. Sie leben weltabgewandt, und nur mühevoll lassen sich die hänge bearbeiten. die kleinen ethni-schen gruppen sind Minderheiten im eigenen land. nur wer das große glück hat, ein paar Jahre zur Schule zu gehen, spricht neben seiner Stammesspra-che auch die landessprache laotisch. aleang und ihr Mann talong waren sich deshalb von anfang an einig: Jedes ihrer Kinder soll die Schule besuchen. adeu, der älteste Sohn, geht schon in die 4. Klasse. er ist zehn Jahre alt, liebt Mathematik und Malen und will unbedingt lehrer werden.

doch adeu hat jeden tag vor dem unterricht noch zu tun, denn in den Bauernfamilien trägt je-des Kind so gut es geht zum Sattwerden bei. adeu ist der fischer in seiner familie. Mit dem Paddel läuft er ein paar hundert Meter zum ufer des Sela-nong, wo schon das Boot auf ihn wartet. es gehört nicht seiner familie allein, sondern geht im dorf von hand zu hand. flussaufwärts holt der Zehnjäh-rige schließlich sein netz ein – drei winzige fische haben sich während der nacht verfangen. doch

trotz der mageren ausbeute ist adeu zufrieden, denn die drei fische reichen, um fischpaste herzu-stellen. am ufer übergibt er das Boot dem nächsten Jungen und nimmt dann erst einmal sein Morgenbad.

Bergreis wirft wenig ab

nach dem frühstück ruft die Schulglocke. adeus el-tern machen sich mit Körben, hacke und Sichel auf den zweieinhalbstündigen fußweg zum feld. Berg-reis macht viel arbeit. denn schon bald nach der aussaat im april sprießt auch das unkraut, und wer nicht ständig jätet, büßt die hälfte der ernte ein. nassreis dagegen ist mindestens doppelt so ertrag-reich wie Bergreis, und in den überfluteten feldern gedeiht unerwünschtes Kraut eher selten. nassreis-felder gehören deshalb zum Programm der welthun-gerhilfe in Khaysone. Schon bald sollen die ertrag-reicheren reissorten angebaut werden. doch zuerst müssen die experten von handicap international das land von versteckten Minen befreien. die hilfsorga-nisation hat t-Shirts im dorf verteilt. unter dem aufdruck »Bei Berühren lebensgefahr« sieht man

kleine Bomben unterschiedlicher gestalt. damit sol-len die Menschen vor der gefahr gewarnt werden, denn viele sammeln die Blindgänger auf, weil alt-metall geld bringt. es sind amerikanische Blindgän-ger aus dem Vietnamkrieg, die noch vier Jahrzehn-te später explodieren (siehe linken Kasten).

das dorf Khaysone wird heute von ausgedehn-ten Kautschukplantagen gesäumt. Vietnamesische firmen haben sie 2009 angelegt. die große euka-lyptusplantage des schwedischen Papierkonzerns Stora enso ist schon zwei Jahre älter. »es gibt hier immer weniger land, um reis anzubauen«, klagt Bauer talong. »uns gehört gerade mal ein halber hektar.« Zu wenig, um die ganze familie bis zur nächsten ernte zu versorgen: der Vorratsspeicher am dorfrand ist nach einem halben Jahr leer.

Zusatzverdienst im Kautschuk

talong und die meisten anderen Bauern in Khayso-ne sind deshalb auf reishändler aus der Stadt angewiesen – und abhängig von ihren Preisen. »270 000 Kip [circa 24,20 euro, anmerkung der re-daktion] muss ich in diesem Jahr für einen 30-Ki-lo-Sack bezahlen«, sagt talong. auch das Benzin ist teurer geworden, und die wege sind weit – die Pro-vinzhauptstadt Savannakhet liegt 270 Kilometer entfernt. talong verdient das geld für den reis als arbeiter auf der vietnamesischen Kautschukplanta-ge – 25 000 Kip am tag, etwa 2,15 euro.

erst am nachmittag kehren adeus eltern zurück, in den Körben haben sie etwas gemüse und Kräuter, die gut zwischen den reispflanzen gedeihen, und ein paar wilde Mangos aus dem wald. wenn die unter-gehende Sonne den dachrand berührt, setzt die jun-ge Mutter aleang wieder den wassertopf aufs feuer. das letzte licht des tages reicht für das abendessen in der hütte. einfache Solarsysteme zur Stromgewin-nung können sich nur wenige familien leisten. ale-ang verteilt die reste des Klebreises. wie viele Müt-ter in Khaysone hofft aleang, dass ihre familie durch die Zusammenarbeit mit der welthungerhilfe schon im nächsten Jahr mehr zu essen haben wird.

Christiane Zander ist freie Journalistin in Hamburg.

Magerer fang: Vor der Schule holt Adeu am Fluss das Netz ein. In der Nacht haben sich nur drei Fische verfangen.

ein paar HänDe Voll reis: Die Familie von Adeu beim Abendessen in ihrer Hütte.

Die Welthungerhilfe hat gerade begonnen, den Menschen im bitterarmen Nong-Distrikt den Weg aus der Hungerkrise zu zeigen. Nassreis-felder und Fischteiche werden angelegt. Zu-dem soll sich die Ernährungssituation durch den Anbau von Gemüse und Obst verbessern. Die Menschen leben im Nong-Distrikt bislang von der Hand in den Mund, haben kaum Geld, sich Reis zu kaufen, wenn die Ernte nicht reicht. Geplant ist auch eine »Reisbank«; dort können sich die Bauern in der Not Reis leihen und später wieder »einzahlen«. Ein Dorfkredit-fonds soll den Familien ermöglichen, Saatgut oder Tiere zu kaufen. »Wir müssen uns im Nong-Distrikt langfristig engagieren«, sagt Projektleiter Holger Grages. »Nur so können wir den Bedürfnissen der Menschen in den Bergdörfern gerecht werden.«

Mehr als drei Millionen Tonnen Bomben warfen die US-Amerikaner im Vietnam-krieg über Laos ab, einem Land, mit dem sie offiziell keinen Krieg führten. Es war ein heimlicher Krieg des Geheimdiensts CIA, um den Ho-Chi-Minh-Pfad im laotischen Grenzgebiet zu zerstören. Aus 2,4 Meter langen Bomben fielen jeweils 650 tennis-ballgroße »Bombies«. 30 Prozent dieser kleinen Bomben explodierten nicht und lie-gen nun als Blindgänger in der Erde. Durch Feuer oder Schläge mit Ackergeräten zün-den sie. Die Hilfsorganisation Handicap In-ternational bildet für Räumung und Ent-schärfung einheimische Spezialisten aus.Erst wenn ein Gelände geräumt ist, gibt die Welthungerhilfe für ihre Projekte grünes Licht.

Den Hunger beenden: die projekte der Welthungerhilfetod im reisfeld

länDerinforMation

Vientiane

Thailand

KambodschaVietnam

Laos

Myanmar

China

WissensWertes

WeltHunger-inDex rang 57/122 ländern

0 wenig Hunger gravierend 40

www.welthungerhilfe.de/whi2011.html

20,2 (sehr ernst)

Weitere informationen unter:

www.welthungerhilfe.de/ laos-frauenfoerderung.html

Page 5: Zeitung Welternährung 4/2011

f o t o r e p o r tag e4. Quartal 2011 W e lt e r n ä h r u n g 5

1 Massai vor einem Wassertank der Welthungerhilfe in Maparasha. 2 Blick auf die Tanks des Olivio Rock Catchments in Mtito Andei. 3 In Eimern bringen die Massai Wasser von Maparasha zu ihren Familien und ihren Tieren. 4 Massai vor einem Wassertank der Welthungerhilfe, der rund um einen Felsen in Maparasha gebaut wurde. 5 Teures Nass: Am Wasserkiosk lassen sich Kinder Kanister füllen.

Die regenfängerIn Kenia machen sich die Menschen Felsen und Dächer zunutze

ie dürre im Jahr 2011 ist nicht die erste, mit der Kenia zu kämpfen hat: Zwischen 2004 und 2006 litt das land unter einer

anhaltenden trockenheit. auch 2007 und 2009 fiel der regen in manchen regionen nur spärlich. in Kajiado, wo die welthungerhilfe besonders ak-tiv ist, haben die ansässigen Massai 2004 bis 2006 mehr als zwei drittel ihres Viehbestands verloren und damit auch ihre lebensgrundlage.

die dürren kann die welthungerhilfe zwar nicht stoppen, aber sie kann der Bevölkerung da-bei helfen, sie besser zu überstehen. in den ver-gangenen Jahren hat die welthungerhilfe gemein-sam mit den Massai Methoden entwickelt, wie sie einfach regenwasser sammeln können. dank die-ser neuen Methoden haben 72 000 Menschen auch in der dürre 2011 sauberes trinkwasser für sich, ihre tiere und die Bewässerung der felder.

das wasser wurde gesammelt mit sogenann-ten felsregenfängen. dieses System ist ebenso simpel wie effektiv: ein hoher und kahler felsen wird von einer Mauer eingefasst. Bei regen läuft

das wasser den Stein hinab und fließt in ein Sammelbecken. dort befindet sich ein Kiesfil-ter, durch den das wasser in rohren zu einem oder mehreren meist 150 Kubikmeter großen Speichertank geleitet wird. ein anderer teil fließt in die offenen Becken, an denen die Massai ihr Vieh tränken. So werden trink-wasser für Mensch und Vieh hygienisch ge-trennt, und die Menschen werden nicht krank.

außer felsregenfängen baut die welt-hungerhilfe gemeinsam mit den Menschen vor Ort auch dachregenfänge an grund-schulen, außerdem Brunnen und dämme. die Bevölkerung stellt nicht nur das Mate-rial zur Verfügung – Sand, Steine, wasser -, sondern arbeitet auch selbst auf den Bau-

stellen und verwaltet später die einrichtun-gen. für ihre Mitarbeit bekommen sie von der welthungerhilfe einen lohn ausgezahlt, mit

dem sie während der Bauarbeiten ihre familien ernähren können. Jeder, der mithilft, teilt den nutzen der wasserstellen.

Text: Katharina Philipps, Fotos: Jens Grossmann und Daniel Pilar

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Page 6: Zeitung Welternährung 4/2011

6 W e lt e r n ä h r u n g pa r t n e r & p r o j e k t e 4. Quartal 2011

grosse ausWaHl: Julia Daza Crisolo und ihr Mann Alberto Hilario Ribadeneira präsentieren verschiedene Kartoffel-sorten auf dem »Festival der einheimischen Kartof-fel«. Dort treffen Produ-zenten der Region zusam-men, um ihre Produkte auszustellen und unterei-nander zu tauschen.

Im peruanischen Millenniumsdorf Riberas del Huallaga bei Huánuco setzen Bauern auf den Anbau von Biolebensmitteln und leben seitdem besser, ruhiger und sicherer als mit der Droge Koka. Auch der Boden profitiert: Vielfalt ersetzt nun Monokul-turen, die nur mit teurem Dünger Erträge brachten und die Erde auslaugten.

usebio ruíz tolentino benötigt in der regel 20 Minuten, um morgens von seinem lieb-lingsplatz neben dem herd zu seinem feld

zu gelangen. an diesem Sonnabend allerdings braucht er länger für seinen fußmarsch – auf dem Marktplatz von Vinchos, einem kleinen weiler an der feuchten rückseite der peruanischen anden, herrscht dichtes gedränge. Mehrere dutzend Män-ner, frauen und Kinder warten auf die vier Pick-ups, die sie nach huánuco bringen sollen. dort, in der Provinzhauptstadt der gleichnamigen region,

eVon Martina Hahn

Mit bio besser leben als mit kokaIm peruanischen Millenniumsdorf Riberas del Huallaga setzen Bauern auf den Anbau von Biolebensmitteln und tun damit auch viel für die Umwelt

einer der ärmsten im ganzen land, ist einmal in der woche Ökomarkt. und die Bauern von Vinchos sind die wichtigsten lieferanten der frischen Biokost.

aus den lehmhütten rund um die Plaza dringen Salsarhythmen und das geklimper kitschiger an-denschlager. an den rissigen Mauern lehnen Säcke mit der ware für den Biomarkt: Kartoffeln, Mais, Bohnen, avocados, Mangos oder Bananen. euse-bio, 60 Jahre alt, aber agil wie ein Mittdreißiger, grüßt nach links, lächelt nach rechts, klopft Schul-tern und greift nach ausgestreckten händen, wäh-rend er sich seinen weg durch die Menge bahnt. er kennt die anderen alle beim namen. Sie sind seine nachbarn. Viele auch seine freunde. und er ist ihr Mentor, ihr Vorbild. er hat sie beraten – schließlich war er einer der ersten Bauern im Ort, die auf den feldern den Sack mit synthetischem dünger gegen Kompost tauschten und jetzt Obst und gemüse in Bioqualität anbauen.

das Klima hier, auf 2600 Metern höhe, gilt als eines der besten der welt. doch die Böden sind arm an nährstoffen, die dichten wälder längst abge-holzt, die wege zu den Märkten der großen Städte weit. rund 200 familien leben in Vinchos. die meisten von ihnen bauten Jahrzehnte lang nur Kar-

Weitere informationen unter:

www.welthungerhilfe.de/ millenniumsdoerfer.html

Pazif ischerOzean

KaribischesMeer

PANAMA

KOLUMBIEN

PERUBRASILIEN

BOLIVIEN

CHILE

ECUADOR

Lima

WissensWertes

5,9 (mäßig)

gravierend 40

www.welthungerhilfe.de/whi2011.html

0 wenig Hunger

Riberas del Huallaga in Peru gehört zu den Millenniumsdörfern der Welthungerhilfe. Diese weltweite Initiative leistet einen wichtigen Bei-trag zum Erreichen der Millenniumsziele der Vereinten Nationen: Hunger und Armut sollen bis 2015 deutlich verringert werden, Bil - dung, Gesundheit und sauberes Trinkwasser keine Luxusgüter bleiben. Darauf haben sich 189 Staats- und Regierungschefs im Jahr 2000 geeinigt. In Afrika, Lateinamerika und Asien nehmen die Bewohner der Millenniums-dörfer ihr Leben selbst in die Hand, finanziel-le und fachliche Unterstützung erhalten sie von der Welthungerhilfe. Das Millenniumsdorf Riberas del Huallaga in Peru umfasst 17 Dör-

fer. Etwa 600 Familien profitieren direkt, über 2000 Kleinbauern indirekt über die Workshops und Hilfen im Rahmen des Projektes. Ziel in Riberas del Huallaga sind die Entwicklung ei-ner nachhaltigen Landwirtschaft mit dem Schwerpunkt Bioanbau, die optimierte Nut-zung einheimischen Saatguts sowie eine bes-sere Gesundheitsvorsorge und Ernährungssitu-ation in dem Millenniumsdorf. Die Umstellung auf Bio ist eine Investition in die Zukunft und lohnt sich: Peru hat sich zu einem wichtigen Lieferanten von Bioprodukten entwickelt. Um 20 Prozent sind allein 2011 die Exporte von Biolebensmitteln aus Peru gestiegen, so die Exportvereinigung ADEX.

Hunger und armut verringern

WeltHunger-inDex rang 9/122 ländern

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toffeln und Bohnen an. das hat den Boden ausge-laugt. Zum Verkauf blieb wenig – man war froh, wenn die Kinder einigermaßen satt wurden. Be-drohte ein Schädling die Monokulturen, griff man zur Chemiekeule. die familien wurden damit noch ärmer, sagt der peruanische agraringenieur andrés fernández Maldonado: »Pestizide und Kunstdünger sind so teuer, dass vom einkommen durch die ern-te kaum etwas übrig blieb.«

Biosetzlinge sind robuster

dass es anders geht, dass sie mit landwirtschaft auch zu geld und gesunden Böden kommen kön-nen, haben die Bauern von Vinchos erst 2007 durch das von der welthungerhilfe und der europäischen union finanzierte Programm »rurandes« sowie die ernennung zum Millenniumsdorf erfahren. dadurch bekamen sie von leuten wie andrés, dem Koordi-nator des Projektpartners institut für entwicklung und umwelt (idMa), aber auch von eusebio rat und hilfe. denn nicht jede familie kann an den idMa-workshops teilnehmen. und so gibt eusebio sein wissen gern an seine nachbarn weiter – auch aus Selbstschutz. »früher wurden viele meiner Bio-

setzlinge herausgerissen und gestohlen – sie waren ja robuster. heute passiert das nicht mehr. denn selbst Bauern, die nicht direkt am Projekt teilneh-men, achten nun darauf, eine Vielfalt anzubau-en und keine Chemie und insektizide einzusetzen.«

Über das Projekt der welthungerhilfe erhielten die Bauern auch Samen für die neuen, widerstands-fähigeren Biosorten. denn einfach die Chemie weg-zulassen – »damit ist es nicht getan«, sagt herman guerra, andrés Kollege bei idMa. »es braucht für Bio auch bestimmte techniken, um etwa wasser effizient zu nutzen oder um Biodünger selbst her-stellen zu können. den zu kaufen, kann sich hier kein Mensch leisten.« heute sorgt in Vinchos der fruchtwechsel dafür, dass die Böden gesunden. terrassen und Mauern verhindern, dass der regen die wertvolle erde ins tal spült. Vor allem aber, sagt herman, bedeute Bioanbau das ende der jahrzehn-telang praktizierten Monokulturen. »unter nachhal-tiger landwirtschaft verstehen wir auch, dass die Bauern das ganze Jahr über früchte ernten, sich damit gesund ernähren und auch geld einnehmen können.«

Koka bringt sechsmal mehr Geld

auf die neue Biosaat und umweltfreundlichen dün-ger setzt seit drei Jahren auch Mercedes Solorzano falcón in Pacapucro, einem nachbarort von Vin-chos und ebenfalls teil des Millenniumsdorfs. Seit-dem, sagt sie, »plagen uns die Schädlinge seltener. und die früchte halten länger«. Bohnen baut sie, anders als ihr Vater und großvater, nur noch in ei-ner kleinen ecke ihres feldes an. auf dem gros des landes erntet sie Biobananen, Biomais, Bioavoca-dos oder Biomangos sowie Ökogras für ihre Meer-schweinchenzucht. die kleinen tiere hält sie in ei-nem durch Bambusstämme und Mauern vom haus abgetrennten gebäude. das weiße fleisch der Meer-schweinchen ist extrem cholesterinarm, außerdem sind Meerschweinchen in Peru eine teure delikates-se. während Mercedes früher in fünf Monaten um-gerechnet 60 euro für ihre Bohnen bekam, verkauft sie heute pro woche allein 40 Meerschweinchen – und verdient damit über 100 euro. Mit dem geld kann sie ihre beiden enkel zur universität schicken. »ich selbst habe die Schule nur bis zur dritten Klas-se geschafft«, sagt Mercedes.

doch der weg hin zu Bio war schwer. und ge-fährlich. riberas del huallaga liegt keine 200 Ki-lometer von tingo Maria entfernt, einem hauptan-baugebiet von Koka. aus den Blättern wird Koka-in hergestellt, und Peru gilt inzwischen als größter Produzent der droge – noch vor Kolumbien. der anbau von Koka ist rentabel und leicht, die Blät-ter können fünfmal im Jahr geerntet werden – und die Preise sind so hoch wie noch nie. für ein Kilo-gramm Kartoffeln bekommen die Bauern auf dem Markt umgerechnet zwei euro, für ein Kilogramm Kokablätter das Sechsfache. »damit«, sagt andrés, »kann kein gemüse konkurrieren.«

und doch kehren immer mehr Bauern aus Vin-chos oder Pacapucro der Koka den rücken zu – aus angst um ihr leben und das der familie. »Viele Bauern aus unserer region sind zwar in den dschungel gegangen, um dort Koka anzubauen«, sagt andrés. »doch manche kehrten im Sarg zu-rück.« denn im dschungel haben bis heute die narco-Mafia, Kriminelle und terroristen des leuch-tenden Pfads das Sagen. auch eusebio baute jah-relang Koka an. »ich hatte eine höllenangst«, sagt eusebio. »Jetzt lebe ich sicherer und ruhiger.«

entscheidend für den erfolg der umstellung von Koka auf landwirtschaft sei die unterstützung der frauen. und die lokale Vermarktung der Biopro-dukte, denn viele Projekte des alternativen anbaus in Peru, Bolivien oder Kolumbien scheitern daran, dass die transportwege zu weit sind.

Martina Hahn ist freie Journalistin in Berlin.

Page 7: Zeitung Welternährung 4/2011

4. Quartal 2011 i n t e r V i e W W e lt e r n ä h r u n g 7

»theater ist hier immer politisch« Mosambik: Über 35 Jahre nach der Unabhängigkeit arbeitet die Leiterin des Teatro Avenida weiter für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit

Vielfalt: Neben vielen sozialkritischen Stücken werden am Teatro Avenida auch Klassiker von Henrik Ibsen oder Tennessee Williams aufgeführt.

WelternäHrung: in diesen tagen feiert Mosambik den 25. todestag des nationalhelden samora Machel. Was ist aus den Werten des befreiungs-kampfes wie gleichheit, freiheit und solidarität geworden?Manuela soeiro: Samora Machel war ein Symbol ge-gen Korruption und Machtmissbrauch. er hat gegen die unterdrückung der Portugiesen gekämpft und sich für freiheit und gerechtigkeit eingesetzt. Seine Prinzipien haben sich aber leider nicht durchgesetzt. es gibt heute sehr viel ungleichheit und armut in Mosambik. die Korruption ist in unserem land eine unbestrittene tatsache. Viel geld der internationa-len institutionen und nichtregierungsorganisatio-nen ist in falsche Kanäle geflossen. es läuft vieles schief, aber das ist kein grund, nicht weiterzu-kämpfen.

Welche Ziele verfolgen sie?ich kämpfe noch immer für gerechtigkeit und Soli-darität in der gesellschaft. ich setze mich für die gleichstellung der frauen ein, für Bildung, für ech-te Chancengleichheit. diesen traum hatten wir schon während der portugiesischen herrschaft. Mein Vater hatte sich bereits während der Kolonialzeit gegen die ungerechtigkeiten der portugiesischen Beamten gestellt. er war Schreiner in der Stadtver-waltung, und wenn der Bürgermeister ihn auf Por-tugiesisch angesprochen hatte, so antwortete er grundsätzlich in seiner Muttersprache. ich habe al-so von Kind auf vorgelebt bekommen, sich aufzu-lehnen, und bin selbst immer rebellisch gewesen.

sind sie heute noch immer kämpferisch?absolut. alles, was wir tun, muss eine richtung haben. Jeder Mensch sollte das Beste aus seinem

leben machen und sich für seine Visionen einsetzen. Jeder Mensch sollte seine eigene Mission verfolgen, das gibt dem leben erst farbe. Mein leben leuchtet voller bunter farben, denn ich verfolge meine eige-ne Mission: eine welt voller Solidarität und gerech-tigkeit. dieses Ziel motiviert mich weiterzumachen. es treibt mich an. ich mag keine routine, es muss immer etwas neues kommen, und so ist das leben ein ständiger fluss. das theater ist mein leben, aber ich verfolge auch andere Projekte wie ein Kulturzen-trum, das die verschiedenen Kulturen Mosambiks be-wahrt und junge Künstler fördert.

Welche aufgabe hat das theater in ihrem land?theater ist in diesem land immer politisch. in Mo-sambik leben viele analphabeten, die kein Portugie-sisch können. in den Zeitungen und dem fernsehen herrscht jedoch das Portugie-sische vor. das bedeutet, dass viele Mosambikaner uninfor-miert sind, nicht wissen, was um sie herum geschieht. wir machen viel Straßentheater, gehen in die Stadtteile, treten in Schulen und gefängnissen auf. wir wollen inhalte über das theater vermitteln. das geschieht auf unterhaltsame art und weise und be-handelt themen, die die Menschen bewegen. es sind immer politische Stücke: gegen Korruption, gegen gewalt in der familie, gegen Machtmissbrauch, vie-le Männer-frauen-themen.

nach welchen kriterien wählen sie ihre stücke aus?aktualität ist für mich das wichtigste Kriterium. aidS ist bei uns zum Beispiel allgegenwärtig, aber es ist schwierig, darüber zu informieren. Sexualität ist in Mosambik sehr widersprüchlich: auf der ei-nen Seite ist es ein absolutes tabuthema, gerade, wenn es um hiV und aidS geht. auf der anderen Seite gibt es bei uns sehr viele freiheiten. diese wi-dersprüche greifen wir auf, indem wir ein abstrak-tes thema auf den alltag der Menschen herunter- brechen, denn wir können sie nur erreichen, wenn wir auch ihre Sprache sprechen.

Welche themen behandeln ihre stücke?ich rede gerne über das alltägliche leben und die mosambikanische geschichte. das große Problem meines landes ist, dass wir über 500 Jahre lang por-tugiesische Kolonie waren. während all dieser Jah-re wurde die mosambikanische geschichte nicht er-zählt. Sie fand auch in den Schulbüchern nicht statt. doch diese geschichten müssen erzählt werden! Zum Beispiel über die Minenarbeiter in Südafrika.

Manuela Soeiro (66) leitet das Teatro Avenida in Maputo, das durch die Kooperation mit dem schwedischen Bestsellerautor Henning Mankell zu Weltruhm gelangte. In diesem Jahr feiert ihr En-semble Mutumbela Gogo sein 25-jähriges Beste-hen. Ein Gespräch über den Verfall sozialistischer Werte, die gesellschaftspolitische Aufgabe von Theater und den Traum von Veränderung.

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die arbeitskräfte aus Mosambik haben das geld in Südafrika erarbeitet, den Staatshaushalt aufgebes-sert. natürlich thematisiert solch ein Stück auch die frauen, die im land zurückgeblieben sind und das leben hier allein bewältigt haben.

sie inszenieren aber auch klassische stücke wie beispielsweise ibsen.die Stücke von ibsen sind ganz klar ein Beitrag von henning [Mankell, anmerkung der redakti-on]. wir haben uns 1987 über einen Bekannten kennengelernt. er mochte meine art, theater zu spielen, und seitdem unterstützt er uns. Zurzeit proben wir gerade »hedda gabler« von henrik ib-sen für unsere 25-Jahr-feier. das Stück hat hen-ning inszeniert, und ich bin in diesem fall seine assistentin. wir haben auch schon woyzeck auf-

geführt oder ibsens norma, alles unter der führung von henning. hedda gabler ist die tochter eines generals. hier geht es um Korruption und um die rolle der frau, beides eindeutig aktuelle themen in Mosambik. hen-ning hat das Stück komplett transformiert und auf die

mosambikanische realität übertragen. es hat kaum mehr etwas mit dem Original zu tun, aber das hauptthema bleibt erhalten.

Wie sind sie zum theater gekommen?Mein Vater war ein geschichtenerzähler – ich lieb-te diese geschichten und konnte ihm stundenlang zuhören. als ich dann in ein katholisches Mädchen-internat in namaacha kam, erzählte ich meinen freundinnen geschichten. dort bin ich auch zum ersten Mal in einem theaterstück aufgetreten. es war »Quo Vadis«, und ich hatte überhaupt nicht ver-standen, worum es in diesem Stück ging. das erleb-nis war aber großartig, und dieses gefühl kann ich noch heute spüren.

Das Interview führte Constanze Bandowski, freie Journalistin in Hamburg.

[[ »Wir brechen ein abstraktes thema auf den alltag der

Menschen herunter.«

Henning Mankell: Der Chronist der Winde, dtv-Taschen-buch, München 2007. Mankell beschreibt das Schicksal des Straßenjungen Nelio, der angeschos-sen wurde, auf dem Dach eines verfallenen Theaters Unterschlupf findet und von einem Bäcker gepflegt wird. Der Roman erzählt zugleich die Geschichte von Manuela Soeiro und ihrem Teatro Avenida.

Zum Weiterlesen

Ind.Ozean

Maputo

MOSAMBIK

SÜDAFRIKA

SIMBABWE

MADAGASKAR

TANSANIA

länDerinforMation

22,7 (sehr ernst)

gravierend 40

www.welthungerhilfe.de/whi2011.html

0 wenig Hunger

WissensWertes

Manuela Soeiro wurde 1945 auf der Insel Ibo im Norden der portugiesischen Kolonie Mosambik geboren. Manuela ist eines von sechs Kindern. Ihr Vater konnte die große Familie als Schreiner kaum ernähren. So kam Manuela mit zwei Schwestern in den 50er-Jahren in ein Mädcheninternat des Salesianerinnen-Ordens in Namaacha, das heute als Waisenheim von der Welthunger-hilfe unterstützt wird. Während des Unab-hängigkeitskampfes (1964–1975) unter-stützte sie die sozialistischen Freiheits-kämpfer der Frente da Libertação de Moçambique. Sie gewannen 1975 die ers-ten freien Wahlen der unabhängigen Repu-blik Mosambik. Nach der Unabhängigkeit arbeitete Soeiro als Sportlehrerin sowie in der staatlichen Frauenorganisation in der Hauptstadt Maputo. In ihrer Freizeit spielte sie Straßentheater in den armen Stadttei-len. 1986 gründete sie die erste profes-sionelle Schauspielgruppe des Landes, Mutumbela Gogo. Heute reist die Theater-direktorin mit ihrem Ensemble durch die ganze Welt.

Zur person

WeltHunger-inDex rang 65/122 ländern

Page 8: Zeitung Welternährung 4/2011

8 W e lt e r n ä h r u n g k o n t r oV e r S 4. Quartal 2011

unMut: Mit meinem kleinen Einkommen werde ich nicht die Schulden der Großen zahlen – schrieb diese Argentinierin bei einer Demonstration in Buenos Aires.

ie »große weltwirtschaftskrise« fing 1929 an und dauerte bis weit in die 30er-Jahre. 80 Jahre später sind wir in einer Krise, die al-

le Chancen hat, die von 1929 zu übertreffen. Sie be-gann 2007 mit der immobilienkrise in den uSa, als zwei Millionen familien mit billigen Krediten häuser kauften, die sie dann nicht abzahlen konnten. dann kam die Bankenkrise, an deren anfang die westlB und lehman Brothers standen, und die vor allem durch verantwortungslose Spekulationen ausgelöst wurde. Parallel dazu, heute fast schon wieder verges-sen, die Krise der autoindustrie. die neueste Phase ist die Staatsverschuldungskrise. Jetzt geht es nicht mehr um hauskäufer oder Banken oder einzelne industrie-zweige, die bankrott gehen, jetzt geht es um ganze Staaten. griechenland, italien. wer noch?

deutschland wird von allen Seiten als anker, als die stabilste Volkswirtschaft europas betrachtet. aber auch wir sind verschuldet bis über beide Oh-ren, in einer höhe von 2054 Milliarden euro. Mehr als zwei Billionen. es gab eine Zeit, in der die Bun-deskasse nicht Schulden, sondern Überschüsse ver-buchte: fritz Schäffer, der finanzminister Konrad adenauers, hatte bis 1956 ein guthaben von sieben Milliarden Mark angespart. »Juliusturm« nannte das der Volksmund – darin hatte einst das Kaiserreich seinen Kriegsschatz aufbewahrt. nach Schäffer be-gann in der deutschen Politik das große Borgen.

die Schulden der Mitgliedstaaten der europäi-schen union erreichen zusammen unfassbare 9828 Billionen euro. auch die uSa, der weltweit immer noch größte wirtschaftsraum, haben auf Pump ge-lebt. das war einfach, weil der uS-dollar die welt-reservewährung ist und von allen Staaten gebun-kert wird. Man kann uS-dollars in beliebiger Men-ge neu drucken, sie verschwinden einfach in den tresoren der staatlichen Zentralbanken. 87-mal seit dem Zweiten weltkrieg hat der Kongress dem Prä-sidenten erlaubt, die Schuldenobergrenze heraufzu-setzen, und nur die immensen währungsreserven Chinas (in uS-dollar) haben bisher verhindert, dass die uSa von den wogen einer inflation über-schwemmt wurden.

Überall Schulden. aber vor gut einem Jahrzehnt gab es doch schon einmal eine große debatte darü-

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Reinold E. Thiel ist freier Journalist und Autor. Von 1971 bis 1989 arbeitete er für Organisationen der Entwicklungs zusammenarbeit in Afrika und Nahost. Von 1992 bis 2003 war er Chefredakteur der Zeitschrift »Entwicklung und Zusammen arbeit«. In der »Welternährung« kommentiert er regelmäßig kontroverse Themen.

Meinung

ber, erinnert sich noch jemand? da ging es um die entwicklungsländer. ende der 90er-Jahre war eine große Zahl dieser länder so stark in den roten Zah-len, dass sie zusammenzubrechen drohten. der welt-kirchenrat kramte alttestamentarische traditionen heraus, wonach in jedem 50. Jahr alle Schulden erlassen werden sollten. Showprominente unter an-führung von Bono und Bob geldof sammelten 20 Millionen unterschriften. 1997 schlossen sich in deutschland 850 entwicklungspolitische Organisa-tionen zur »aktion erlassjahr« zusammen. das war auch der name, auf den das Jahr 2000 getauft wur-de. 1998 beliefen sich die Schulden, nach dem weed-Schuldenreport, für alle entwicklungsländer zusammen auf 2171 Milliarden uS-dollar. unter dem druck der Öffentlichkeit beschlossen weltbank und internationaler währungsfonds eine initiative zur reduzierung der Schuldenlast. auf dem g7-gip-fel in Köln 1999, angesichts einer Menschenkette mit 40 000 teilnehmern, wurde die hiPC-initiative beschlossen (hiPC steht für hoch verschuldete arme

nord wie süd leben auf pumpBei der Entwicklung eines Landes massiv auf Kredite zu setzen, ist eine Sackgasse

länder). Von immerhin 80 Prozent der Schulden war die rede, die erlassen werden sollten, anderswo nur von 70 Milliarden uS-dollar, einer läppischen Sum-me im Vergleich zu den gesamtschulden. heute weiß niemand genau, wie hoch die erlässe waren, aber tatsache ist, dass viele arme länder wieder so hoch verschuldet sind wie vorher. Sie haben neue Kredite aufgenommen. Schon 2002 hat der wäh-rungsfonds den Vorschlag aufgegriffen (der aus richtung der nichtregierungsorganisationen kam), ein insolvenzverfahren für Staaten einzurichten. heute wird wieder danach gefragt.

Kann man mit Krediten eigentlich entwicklungs-hilfe leisten, wenn so die folgen sind? in der wirt-schaft ist der klassische fall für einen Kredit, dass man eine investition tätigen will, neue Maschinen kaufen oder eine fabrikhalle bauen, um die Produktion zu erwei-tern. da kann man vorausse-hen, um wie viel die Produk-tion und der gewinn steigen werden, und entsprechend die tilgungsrate berechnen. das gleiche ist sinnvoll in der entwicklungshilfe. wer Cashewnüsse oder Kup-fererz produziert und diese weiterverarbeiten will, wer ein elektrizitätswerk baut, der wird etwas pro-duzieren, das er verkaufen kann. er tätigt eine pro-duktive investition, er wird erträge haben, aus de-nen er seine Kredite zurückzahlen kann. und der Kredit wird einen Beitrag zur entwicklung des lan-des leisten.

was aber, wenn eine Schule gebaut werden soll? Zweifellos sind Schulen eine Voraussetzung für die wirtschaftsentwicklung, aber sind sie »produktive« investitionen? Schütten sie einen gewinn aus, um die rückzahlung eines Kredites zu erwirtschaften? der finanzminister mag sagen, dass die Schule da-zu beiträgt, die wertschöpfung des landes insge-samt zu steigern, aber das ist langfristig und weni-ger berechenbar als bei einer fabrikhalle. anders

könnte es schon beim Bau einer Straße liegen; aber das setzt voraus, dass man für deren Benutzung ei-ne Maut erhebt. das wäre vielleicht denkbar in in-dien mit seinem hohen Motorisierungsgrad, aber nicht im autoleeren Kongo oder in liberia. diese art von Krediten für infrastruktur, für Schulen und Krankenhäuser, für alle nicht direkt produktiven investitionen, sind es, die sich zu Schuldenbergen auftürmen. in deutschland wie in entwicklungs-ländern.

investitionskredite sind ein instrument der Be-triebswirtschaft. der glaube, es lasse sich auf das allgemeine Staatsbudget übertragen, ist ein sträfli-ches Missverständnis. in der entwicklungspolitik hat das zur Konsequenz, dass nur im engen wirtschaft-

lichen Bereich hilfe durch Kredite geleistet werden soll-te, alles andere ist nur sinn-voll, wenn es durch verlore-ne Zuschüsse finanziert wird. die Bundesrepublik hat die-ser einsicht rechnung ge-tragen, als sie 1978 für die ärmsten länder früher zuge-sagte Kredite nachträglich in

Zuschüsse umwandelte. aber weder taten wir dies mit der nötigen Konsequenz, noch taten es andere geber: die Überschuldung blieb ein Problem.

heute leben wir unter dem druck der Schulden, hier wie dort. in deutschland betrugen 1970 die Staatsschulden 20 Prozent des Bruttoinlandspro-dukts, 2010 waren es 80 Prozent, und wer weiß, wie viel es heute sind. wir brauchen den überwiegen-den teil der jährlich neu aufgenommenen Schulden, um die Schulden aus früheren Jahren zu tilgen. die hiPC-initiative von 1999 hätte uns eine warnung für unseren eigenen umgang mit Krediten geben können, aber seit die Zentralbanken keine geldmen-gensteuerung mehr betreiben und die geldschöp-fung den Privatbanken überlassen, haben wir nicht mehr auf warnungen gehört. wie werden wir ein-mal diese Krise nennen?

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[[»kredite für nicht direkt produktive investitionen sind es, die zu schulden-

bergen werden.«

gigantiscH: Im Juli 2011 zeigte die Schul-denuhr in New York noch rund 14 Billionen US-Dollar Staatsver-schuldung an. Mittler-weile ist die 15-Billi-onen-Grenze über-schritten.

Page 9: Zeitung Welternährung 4/2011

4. Quartal 2011 D o S S i e r W e lt e r n ä h r u n g 9

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er Klimawandel wird heute weltweit als das zentrale umweltproblem wahrgenommen, das die existenz, zumindest aber die ge-

wohnte lebensweise in den gegenwartsgesellschaf-ten in allen regionen der welt ernsthaft bedroht. Zu ernsthaften Klimaschutzmaßnahmen hat das aber bislang nicht geführt.

die auswirkungen des Klimawandels verstärken den ohnehin hohen druck auf die erneuerbaren und nicht erneuerbaren ressourcen des Planeten. Sieben Milliarden Menschen bevölkern inzwischen die er-de, und alle 14 Jahre kommt eine weitere Milliarde hinzu. 1,1 Milliarden Menschen haben heute noch keinen Zugang zu ausreichend sauberem trinkwas-ser, über zwei Milliarden Menschen stehen keine Sanitäreinrichtungen zur Verfügung. Knapp eine Milliarde hungert.

trotz des wissens um die Klimaschädlichkeit der Verbrennung von Öl und die endlichkeit der Vor-kommen ist die nachfrage ungebrochen. waren vor zehn Jahren die industrieländer die hauptemitten-ten (circa 80 Prozent des weltweiten ausstoßes an Kohlendioxid – CO2), sind es heute zunehmend die Schwellenländer, die durch stetig wachsenden ein-satz fossiler energieträger die globalen emissionen in die höhe schnellen lassen. 2010 ist der ausstoß von CO2 um insgesamt 512 Millionen tonnen im Vergleich zu 2009 gestiegen. das ist mehr als je zu-vor und entspricht einem Plus von sechs Prozent.

hauptverursacher von treibhausgasen (global, nicht pro Kopf) ist China, gefolgt von den uSa und indien. allein die treibhausgasemissionen, die 2010 durch Verbrennung von Kohle entstanden sind, stie-gen um acht Prozent. damit sind wir, was die re-duktion von CO2 betrifft, nicht »on track«, wie es in der Sprache der Klimadiplomaten heißt, und steu-ern bis zum ende des Jahrhunderts auf eine erd-erwärmung um bis zu fünf grad Celsius zu. unter diesen Bedingungen steht nicht nur die armuts-

Unter den gegenwärtigen internati-onalen Rahmenbedingungen ist es eine Herkulesaufgabe, Armut und Hunger erfolgreich zu bekämpfen. Grund ist nicht nur, dass immer noch viele strukturelle Probleme im Wege stehen wie eine ungerechte Welthandelsordnung, fehlgeleitete Subven tionen oder die Spekulation mit Nahrungsmitteln. Vielmehr erschweren eine Vielzahl anderer globaler Bedrohungen wie der Klimawandel die Bekämpfung von Armut zusätzlich.

Wenn Staaten beim Klimaschutz versagen, muss sich die Zivilgesellschaft stärker einmischen

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geld oder leben?bekämpfung vor enormen herausforderungen: es geht für viele Menschen um die existenz. in den rei-chen ländern kosten unwetter geld, in den armen leben. diese ungerechtigkeit erfordert die besonde-re Verantwortung jener länder, vor allem der reichen industrieländer, die mit ihren nicht nachhaltigen Produktions- und Konsummustern die Klimaände-rung verursacht und die grenzen des wachstums längst überschritten haben.

an den vergeblichen Versuchen, den Klimawan-del politisch zu regulieren, erkennt man nicht nur die grenzen des wachstums, sondern zunehmend auch die grenzen des politischen handels. die Staa-tenwelt steckt in der Krise, die alten globalen Mäch-te verlieren an einfluss, die neuen haben sich in der welt noch nicht wirklich positioniert, viele aufstre-bende Staaten wie China, indien, aber auch Süd-afrika, Brasilien und Südkorea sind dabei, ihr terrain abzustecken. wir werden uns an eine neue interna-tionale Staatenarchitektur gewöhnen müssen.

Eigeninteresse geht vor

Bei aller dramatik ist es keine wirkliche Überra-schung, dass bei den Klimaverhandlungen in dur-ban keine bahnbrechenden ergebnisse zum Klima-schutz vorzuweisen sind. Zu sehr sind die einzelnen Staaten und Staatengruppen in ihren eigenen inter-essen verfangen, und zu wenig übernehmen sie die initiative, um – wie in diesem fall – ernsthaften Kli-maschutz zu betreiben. Zu weit entfernt sind wir noch davon, in großem Stile wirtschaftliche ent-wicklung und wohlstand abzukoppeln von dem Ver-brauch fossiler energien. armuts- und hunger-bekämpfung unter diesen Bedingungen wird so zu einem sehr anspruchsvollen unterfangen.

wenn aber auf die entscheidungen der Staaten kein Verlass ist und eine globale regelung zum Kli-maschutz nicht in reichweite ist, kommt der arbeit der Zivilgesellschaft zwangsläufig eine zunehmend bedeutendere rolle zu. Sie muss sich nicht nur bei internationalen Verhandlungen besonders stark en-

Überlagert von der Europa-, Euro-, Griechenland- und Italienkrise hat im Dezem ber zum 17. Mal die Vertrags-staatenkonferenz der UN- Klimarahmenkonvention statt-gefunden. Über 190 Staaten waren diesmal in Durban (Süd-afrika) vertre ten. Doch eine garan tierte Beschränkung der Erwärmung der Erde bis 2100 auf unter zwei Grad Celsius ist nach wie vor in weiter Ferne. Für Entwicklungsländer ist dies eine Katastrophe. Denn sie leiden am stärksten unter den Auswirkungen des Klimawan-dels und haben am wenigsten Mittel zur Verfügung, um ihre Einwohner vor den lebensbe-drohlichen Folgen zu schützen.D

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erauf Hilfe angeWiesen: Äthiopien ist eines der ärmsten Länder der Erde – auch diese Frau in Borena ist auf Lebensmittelhilfen angewiesen.

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Von Michael Kühngagieren, sondern auch in ihrer alltäglichen Projekt-arbeit. die welthungerhilfe als Organisation der entwicklungszusammenarbeit sieht jeden tag, wie gerade die ärmsten länder der welt von den aus-wirkungen des Klimawandels am stärksten betrof-fen sind. Ob durch Überschwemmungen ernten ver-nichtet werden, die landwirtschaftliche Produktion durch ausfallenden regen zurückgeht oder fischer durch zunehmende extremwetterereignisse ihre Boote verlieren – die Menschen in diesen ländern werden zunehmend ihrer lebensgrundlage beraubt und sehen sich zur Migration gezwungen.

für die welthungerhilfe sind Klimawandel und entwicklung zwei politische handlungsfelder, die nicht isoliert voneinander betrachtet werden kön-nen. daher setzt sich die welthungerhilfe für effizi-ent und sozial gerecht gestalteten Klimaschutz und die durchsetzung von klimafreundlichen entwick-lungsmodellen, die zugleich die Bevölkerung ein-binden, in allen regionen der erde ein.

damit die an armut und hunger leidenden Men-schen mittelfristig ihre ernährung sichern können, fördert die welthungerhilfe deren Selbsthilfepoten-zial und den erhalt der natürlichen ressourcen. da-bei konzentriert sie sich auf die ländlichen gebiete und arbeitet mit der Bevölkerung und mit lokalen Partnerorganisationen zusammen.

die welthungerhilfe selbst ist gefordert, ihre ak-tivitäten mittel- und langfristig so zu gestalten, dass diese den neuen herausforderungen in ihrer Viel-fältigkeit gerecht werden. Sie müssen dazu beitra-gen, das Menschenrecht auf nahrung für heutige und zukünftige generationen zu sichern sowie de-mokratisierte lebensmittelsysteme zu fördern und die Menschen darin zu unterstützen, ernährungs-souveränität zu entwickeln. es ist nötig, einen sys-tematischen ansatz zur nachhaltigen ernährungs-sicherung zu entwickeln und Programme und Pro-jekte daran auszurichten.

Michael Kühn ist Mitarbeiter der Welthungerhilfe in Bonn.

Weitere informationen unter:

www.welthungerhilfe.de/ klima-spezial.html

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industrielle landwirtschaft emittiert gewaltige Mengen treibhausgase auf mehreren wegen – in-dem sie viel energieintensiven synthetischen dün-ger und Pestizide verbraucht und von fossilen energien abhängige Maschinen einsetzt. auch der transport und die Verarbeitung von lebensmitteln sowie die entwaldung in großem Stil, zum Beispiel für den Zuckerrohr- und Sojaanbau, spielen eine wichtige rolle. um eine lebensmittelkalorie her-zustellen, verbraucht die industrielle landwirt-schaft sechs bis acht Kalorien aus überwiegend fossiler energie. die bäuerli-che low-input-landwirt-schaft wendet dafür nur 1,5 bis zwei Kalorien auf.

unberechenbare klimaschwan-kungen treffen bauern in ent-wicklungsländern viel härter als in industrieländern ...... zum Beispiel in indien: Zu hohe nachttemperaturen führten im vergangenen Jahr zu einem ernteverlust bei wintergetreide von zwei Prozent, das waren 4,5 Millionen tonnen. in einer unserer Studien berichteten Kleinbauern aus den distrikten Kangra und Mandi im Bundesstaat himachal Pradesh von Produktivitätsverlusten von 20 Prozent in den letzten sechs Jahren. in distrik-ten des Bundesstaats uttarakhand wurde dieses Jahr die ernte von Kidneybohnen, die zum Verkauf gedacht sind, von ungewöhnlich starken Oktober-regenfällen beeinflusst. das ist verheerend für die-se familien, die ohnehin kaum mehr erwirtschaf-ten, als sie selbst verbrauchen.

auf der einen seite zerstören extreme Wetterereig-nisse agrarland, auf der anderen seite muss die land-wirtschaft produktiver werden, um die wachsende Weltbevölkerung zu sättigen. Wie soll das gehen?Zuallererst muss die ursache des Klimawandels – exzessive treibhausgasemissionen – an der Quelle bekämpft werden. Keine noch so große Klimaan-passung oder neue farmtechnologie kann das leis-ten. lebensmittelverschwendung, sowohl in form von nachernteverlusten als auch durch lange liefer- und Verarbeitungsketten in den industrie-ländern, muss minimiert werden. die extrem un-gleiche Verteilung und der ungleiche Zugang zu lebensmitteln sind ein anderer wichtiger Punkt. Bauern entwickeln und praktizieren zudem lokal angepasste Methoden, um höhere erträge mit we-niger input zu erzielen.

WelternäHrung: auf die landwirtschaft entfällt fast ein Drittel des vom Menschen verursachten treibhauseffekts, wenn man die entwaldung zur land nutzung berücksichtigt. Warum wird die land-wirtschaft in den internationalen klimaverhandlun-gen vernachlässigt?soumya Dutta: die angaben zu treibhausgasemis-sionen von landwirtschaft und entwaldung sind etwas überhöht, und der positive Beitrag der land-wirtschaft zur Speicherung von Kohlenstoff wird nicht berücksichtigt. die landwirtschaft wurde in den Klimaverhandlungen vernachlässigt, weil die Chancen, durch die eindämmung des Klimawan-dels geld zu verdienen, nicht sehr klar waren. nun, da landwirtschaftlich genutzter Boden als Klima-schutzinstrument im rahmen des Clean develop-ment Mechanism (CdM) stärker berücksichtigt wird, verändert sich die Situation – zum Schlech-teren. Kurz gesagt, erlaubt CdM den industrie-ländern und ihren unternehmen, Klimaschutz-projekte dort zu verwirklichen, wo es für sie am billigsten ist, zum Beispiel in entwicklungsländern, ohne selbst emissionen zu senken. Zudem waren die entwicklungsländer, die zivilgesellschaftlichen Organisationen und die Bauernorganisationen nicht in der lage, klare forderungen zur finanzie-rung der Klimaanpassung in der landwirtschaft zu formulieren.

Welche rolle spielt die industrialisierte landwirt-schaft für den klimawandel?

Soumya Dutta ist Mitbegründer und Füh-rungsmitglied des India People’s Science Forums (Bharat Jan Vigyan Jatha, BJVJ), einer Basisbewegung, die sich der Auf-klärung vor allem in den Bereichen Klima-wandel, Wasser, angepasste Technologien und Gesundheit widmet. Das BJVJ trat – wie die Welthungerhilfe – bei der UN- Klimakonferenz in Durban auf. Der frühere Computerspezialist und Wissenschafts-journalist Soumya Dutta baute in ganz Indien People’s-Science-Gruppen auf, führte mehr als 100 Workshops für Lehrer durch und initiierte den jährlichen Natio-nal Children’s Science Congress mit.

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HöHere Qualität: Im Millenni-umsdorf Gandhiji Songha wird Reis nach dem System of Rice Intensification angebaut, die Qualität über Quantität stellt.

Der Klimawandel bedroht die Nahrungsmit-telproduktion und damit die Ernährungssi-cherheit weltweit. Am verwundbarsten sind Kleinbauern. Die industrialisierte Agrarwirt-schaft hingegen trägt maßgeblich zum Treibhausgasausstoß bei. Die Welthunger-hilfe fordert deshalb, die Emissionen zu senken, die durch die Landwirtschaft und durch die Gewinnung von Agrarflächen ent-stehen. Zugleich sollen Kleinbauern befä-higt werden, sich dem Klimawandel anzu-passen und das Ökosystem zu stabilisieren,

zu dem sie gehören. Genauso funktionieren die Projekte der Welthungerhilfe: Sie schüt-zen vorhandene Ackerflächen vor Wetterex-tremen und Erosion, sichern das Wasser, setzen auf Diversifizierung und lokal ange-passte Methoden wie integrierten Pflanzen-schutz, schonende Waldnutzung und Agro-forstwirtschaft. So steigen Erträge und Einkommen; Boden- und Wasser verlust werden gestoppt. Richtig gefördert sind kleinbäuerliche Betriebe der Schlüssel zur klimafreundlichen Entwicklung.

Methodenmix ist der schlüssel

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Welche rolle sollten kleinbauern spielen?Kleinbäuerliche landwirtschaft mit ihrem geringen treibhausgasausstoß kann beträchtlich zur de-ckung des globalen lebensmittelbedarfs beitragen. aber die Kleinbauern brauchen viel unterstützung, um sich entsprechend zu entwickeln und anzupas-sen. das System of rice intensification ist ein Bei-spiel. dabei wenden indische Bauern in mehreren Bundesstaaten von Bauern entwickelte Methoden an und erreichen mit weniger wasser und Chemi-kalien bessere ernten. das funktioniert auch bei anderen anbauprodukten. andererseits: Senfbau-ern in rajasthan waren nicht in der lage, sich an den ungewöhnlichen Bodenfrost anzupassen und erlitten im ungewöhnlich kalten winter 2009 gro-ße Verluste.

Was könnte in den industrieländern getan werden?industrieländer und sich industrialisierende gesell-schaften müssen schnell den wandel zu einer integrierten landwirtschaft mit niedrigen emissi-onen schaffen. dabei gilt es, lokal angepasste lö-sungen neu zu entdecken. die hohen Subventionen für industrielle landwirtschaft müssen jetzt aufhö-ren. der Konsum regionaler Produkte – dieser trend beginnt ja schon – sollte vergrößert werden. der anteil industriell verarbeiteter lebensmittel hingegen sollte drastisch gesenkt werden. diese Maßnahmen werden große Mengen lebensmittel freisetzen, die derzeit noch verschwendet werden.

Welche politischen instrumente halten sie für geeignet, welche nicht?

der emissionshandel in der landwirtschaft wird für die Kleinbauern unheil bedeu-ten, weil die Märkte große Kapazitäten und großes geld bevorzugen. emissionssteu-ern auf alle energie- und treibhausgasintensiven Pro-zesse sind ein richtiger Schritt. aber auch hier muss

der entwicklungsstand eines landes berücksichtigt werden. Kleinbäuerliche landwirtschaft mit allen Mitteln zu fördern – durch besser geeignete Me-thoden und technologien, geld zur anpassung an den Klimawandel und politische unterstützung –, wird zu höherer ernährungssicherheit führen, mehr einkommen schaffen und die treibhausgasemissi-onen reduzieren.

Verbraucher sind sich oft nicht bewusst, welchen klimaeffekt die landwirtschaft hat. Würde aufklä-rung etwas bewirken?ein besseres Verbraucherbewusstsein und aufklä-rung werden helfen, aber nur unter förderlichen politischen rahmenbedingungen, sowohl wirt-schaftlich als auch sozial. die nationale und die in-ternationale wirtschaftspolitik werden sich von der landwirtschaft als profitorientiertem geschäftsfeld verabschieden und sie zu einem Bereich entwickeln müssen, der die lebensmittelversorgung und die einkommen für die Menschen in der welt sichert.

Das Interview führte Elke Bieber, freie Journalistin in Troisdorf.

Die kleinbauern stärkenHohe Treibhausgasemissionen und Lebensmittelverschwendung durch lange Lieferwege könnten reduziert werden

23,7 (sehr ernst)

gravierend 40

www.welthungerhilfe.de/whi2011.html

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WeltHunger-inDex rang 67/122 ländern

[[»Der emissionshandel in der landwirtschaft

wird für die kleinbauern unheil bedeuten.«

Page 11: Zeitung Welternährung 4/2011

4. Quartal 2011 D o S S i e r W e lt e r n ä h r u n g 11

ie viele rettungssanitäter gibt es in león? wohin evakuie-re ich bei einer naturkata-

strophe die Menschen aus la estanzu-ela? wer ist der leiter des Katastro-phenstabs von estelí? welche dörfer der gemeinde rivas an der Pazifikküste nicaraguas sind besonders überschwem-mungsgefährdet? Carlos rodriguez herrera hat auf alles eine antwort – und das innerhalb von Sekunden. ein paar Mausklicks, ein paar eingaben ins Suchfeld auf der internetsei-te des nicaraguanischen Katastrophen-schutzes – und schon leuchtet die antwort am Computerbildschirm auf.

Seit zwei Jahren bastelt der informatiker im auftrag der welthungerhilfe an einer datenbank, die im falle einer Katastrophe den helfern und politischen entscheidern so schnell wie möglich in-formationen liefert. »das ist ungemein wichtig, weil man nach einem unglück rasch handeln muss. in den ersten 72 Stunden können noch Menschenle-ben gerettet werden«, weiß der junge techniker. des-halb werden die daten gehütet wie ein goldschatz. Zur Sicherheit steht ein zweiter Server bei der re-gierung in der hauptstadt Managua – angeschlos-sen an einen notfallgenerator.

Carlos Programm hat bereits geschichte ge-schrieben. anfänglich skeptisch wie bei jeder neu-erung, sind die nutzer inzwischen begeistert. der wetterdienst, die universitäten, staatliche Stellen in einem land, in dem verlässliches statistisches Material sonst Mangelware ist, greifen alle gern auf die datenbank zurück, die vor Ort von den gemein-den gespeist und aktualisiert wird. Vorerst begrenzt auf 153 gemeinden, soll mittelfristig ganz nicara-gua katalogisiert werden. auch die nachbarländer haben interesse an dem Programm angemeldet.

1200 Millimeter Regen

was auf den ersten Blick anmutet wie die Spielerei eines technikfans, ist für ein vom Klimawandel und von naturkatastrophen besonders häufig betroffe-nes land wie nicaragua überlebenswichtig. nicht nur nothilfe kann so viel besser organisiert werden, auch die erfassung der Schäden wird präziser und erleichtert nichtregierungsorganisationen und der regierung den wiederaufbau und die effiziente Ver-wendung von ressourcen. die datenbank ist nur ein aspekt eines viel umfassenderen Konzepts des Ka-tastrophenschutzes.

Maria gilma rosales aus dem kleinen Bergdorf San Juan de limay im norden nicaraguas ist eine zupackende, energische frau. Sie hat 1998 den ver-heerenden hurrikan Mitch miterlebt, der allein in nicaragua 3800 Menschen in den tod riss. in zehn tagen, die die hurrikanausläufer über der region verharrten, ergossen sich 1200 Millimeter nieder-schlag auf die von der regenzeit längst gesättigten Böden. Berge rutschten ab, flüsse schwollen zu rei-ßenden Strömen an, Straßen, Brücken, häuser wur-den zerstört. das traumatische erlebnis und das völ-lige Versagen der staatlichen institutionen prägten eine ganze generation.

»in limay schwoll der fluss enorm an, es war ein dumpfes grollen. er riss alles mit sich, auch eine nachbarfamilie ertrank darin«, schildert die 59-Jäh-rige. noch Jahre später stehen ihr dabei die tränen in den augen. das dorf war tagelang von der au-ßenwelt abgeschnitten, es gab keine Verbindung, weder Strom noch telefone funktionierten. die Ver-letzten wurden von den nachbarn notdürftig ver-sorgt, es gab weder rettungsbrigaden noch wusste

irgendjemand, was zu tun sei. um die ersten lebens-mittelpakete in empfang zu nehmen, mussten die dorfbewohner 22 Kilometer zu fuß gehen. das nachbardorf hingegen, deutlich weniger zerstört, bekam ständig unterstützung von diversen Organi-sationen – weil es näher an der Straße lag. als Maria gilma 2005 Bürgermeisterin von San Juan de limay wurde, gehörte der Katastrophenschutz zu ihren Pri-

oritäten. »in nicaragua gibt es alles: erdbe-ben, Vulkanausbrüche, wirbelstürme,

dürreperioden und Überschwemmun-gen«, sagt sie. »darauf muss man sich vorbereiten.«

Sie tat sich mit der welthungerhil-fe zusammen, und gemeinsam bauten sie ein umfassendes frühwarnsystem

auf. heute existieren rettungsbrigaden mit über 7000 Mitgliedern, bestehend aus Sanitätern, feuerwehrleuten, Polizis-

ten und freiwilligen, die für den notfall ausgebildet wur-den. und entlang des flusses

gibt es von den anwohnern be-triebene Messstationen. Jeden tag notieren

freiwillige den Pegel des flusses und die nie-derschlagsmenge und geben die daten mit-

tels eines solarbetriebenen funkgeräts an den Katastrophenschutz der regionalmet-ropole estelí weiter. »hier können wir die daten auswerten und gefährdete Viertel evakuieren, bevor die flutwelle kommt«, sagt Oberstleutnant alvaro rivas, der leiter des Katastrophenstabs von estelí.

Katastrophen nehmen zu

normalerweise ist der estelí-fluss ein flaches, träges rinnsal, bequem zu durchwaten an den vie-

len Passagen, die von den Behörden mit Zement be-festigt wurden. Brücken gibt es nur sehr wenige. Sie sind für das bitterarme land zu teuer, ebenso wie dämme. in der regenzeit kann sich der estelí inner-halb kürzester Zeit in ein reißendes gewässer ver-wandeln, jede Überquerung wäre lebensgefährlich. hinter der Mündung in den Coco-fluss vervielfacht sich die wassermenge. rund 170 000 der 525 000 einwohner sind laut Katastrophenschutz im norden von Überschwemmungen gefährdet; 25 000 von erdrutschen, hundert dörfer von waldbränden. und die Katastrophen sind häufiger und extremer gewor-den, hat alvaro rivas festgestellt.

doch nicht nur Zahl und Stärke der naturgewal-ten macht die Menschen so verletzlich, sondern die prekären umstände, in denen sie leben: häuser aus Spanplatten mit Zinkdächern, ohne fundamente, er-richtet auf gestampftem lehmboden drängen sich irgendwo illegal am flussufer oder an hängen. 27 Prozent der nicaraguaner verdienen weniger als einen uS-dollar am tag und leben in absoluter Misere. naturkatastrophen treffen die allerärmsten besonders häufig.

Ablesen und funken

im Vergleich zu ihnen lebt rosario ruiz in bescheide-nem wohlstand. ihr Steinhaus steht in despoblado, dem letzten Ort an der Schlaglochpiste, die von estelí in die Berge führt. rosarios haus liegt in der nähe des friedlich dahinplätschernden Bergbachs. Überschwem-mungen hat rosario selten erlebt. dennoch hat sie sich bereit erklärt, die wetterstation der welthunger-hilfe in ihrem Vorgarten zu installieren. Jeden Mor-gen um sieben uhr liest sie die niederschlagsmenge ab und funkt den Stand nach estelí. »wenn ich damit den Menschen helfen kann, die weiter unten am fluss leben, mache ich das gerne«, sagt die 43-Jährige. »wir sitzen doch alle im selben Boot.«

Sandra Weiss ist freie Journalistin in Brasilien.

Nicaragua wird immer wieder von Natur-katastrophen wie Wirbelstürmen, Erdbe-ben und Vulkanausbrüchen heimgesucht. Ein umfassendes Katastrophenfrühwarn-system soll helfen, das Schlimmste zu verhindern.

»Wir sitzen alle im selben boot«Nicaraguas Landbevölkerung rüstet sich gegen Naturkatastrophen – Messstationen und eine umfassende Datenbank wurden aufgebaut

Weitere informationen unter:

www.welthungerhilfe.de/ nicaragua-hilfsprojekt-fruehwarn.html

Von Sandra Weiss

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iM laufscHritt: Mitglieder von Bürgerwehr, Feuerwehr, Militär, Rotem Kreuz und Polizei trainieren Notfallmaßnahmen im Fall einer Überschwemmung.

lanD unter: Auch 2011 gab es im Norden Nicaraguas Überschwemmungen.

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Page 12: Zeitung Welternährung 4/2011

12 W e lt e r n ä h r u n g D o S S i e r 4. Quartal 2011

klimawandel und projektarbeit

Der Klimawandel trifft die Menschen in Entwicklungslän-dern am stärksten. Denn klimatische Veränderungen wie zum Beispiel Dürren

oder Überschwemmungen haben di-rekten Einfluss auf die Verfügbarkeit von Wasser und auf die Landwirt-schaft. Nachhaltige Ernährungssiche-rung bedeutet, sich den Herausforde-rungen des Klimawandels zu stellen. Die Broschüre zeigt, wie man schon in der Projektplanung Erfolg verspre-chende Strategien zur Anpassung an den Klimawandel definieren kann und was bei der Planung von Einzelprojek-ten berücksichtigt werden muss.

Die broschüre können sie kostenlos bestellen unter: [email protected] oder telefon: (0228) 22 88-454.

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ben muss, das alle emittenten erfasst. Bis zur letz-ten Stunde war dieser Standpunkt für die eu unverhandelbar. die indische umweltministerin hingegen pochte darauf, dass die industrieländer ihre historische Schuld an den emissionen beglei-chen müssen, während ihr land noch das recht auf entwicklung habe, und wies nebenbei darauf hin, dass ihr land bereits erfolgreich und mit eigenen Mitteln Klimaschutz betreibe. im norden gehe es um die aufrechterhaltung des lifestyles, in indien um die nachhaltigkeit der Überlebenssicherung. Starke worte, die auf das versammelte Plenum ein-druck hinterließen.

trotzdem konnte die eu mit unterstützung der weniger entwickelten länder aller Kontinente sowie der gruppe der kleinen inselstaa-ten (im un-Jargon aOSiS-Staaten) letztlich ein globa-les abkommen durchsetzen. Bis zum Jahr 2015 soll ein neues rechtlich verbindliches Klimaabkommen erarbeitet werden, das aber erst 2020 in Kraft tritt. unmittelbar nach der Konferenz gab Ka-nada seinen rückzug vom Kyoto-Protokoll be-kannt.

große euphorie aufseiten der Zivilgesellschaft und selbst der entwicklungsländer stellt sich aus zwei gründen nicht ein. Zum einen enthält die zwei-te Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls noch große lücken und erfasst nur 15 Prozent der globa-len emissionen. Zum Zweiten gibt es für alle übri-gen Staaten bis 2020 keinerlei Verpflichtungen zum Klimaschutz, und die freiwilligen Verpflichtungen reichen bei weitem nicht aus, das Zweigradziel auch nur annähernd zu erreichen. wir bewegen uns bis zum ende des Jahrhunderts nach jetzigem Stand weiter auf eine erderwärmung von drei bis vier grad zu. Selbst eine wirklich erfolgreiche Klimapolitik wird das wohl kaum noch beeinflussen können.

da hilft es auch nicht, dass in durban der green Climate fund formal eingerichtet wurde, der gelder

für Klimaschutz und anpassungsmaßnahmen in den entwicklungsländern zur Verfügung stellen soll. er bleibt erst einmal leer. daran ändern auch die von der deutschen Bundesregierung in aussicht gestell-ten 40 Millionen euro nichts. Sie sollen in erster linie für den aufbau von Kapazitäten zur nutzung des fonds in entwicklungsländern bereitgestellt werden. woher das geld für den fonds aber kommt, wie viel und wann der fonds seine arbeit aufneh-men wird, ist noch völlig unklar.

Mit der durchsetzung ihres Verhandlungspa-ketes haben die eu-länder erwartungen geschaf-fen, an denen sie künftig gemessen werden. das betrifft vor allem die finanzielle unterstützung bei

der anpassung an den Kli-mawandel in den entwick-lungsländern, aber auch die Bereiche technologietrans-fer und Kapazitätenaufbau. werden sie nicht erfüllt, war das mit Sicherheit die letzte allianz der willigen, und die entwicklungsländer werden sich für ihre Belan-

ge in Zukunft andere alliierte suchen. in durban wurde vor allem über eine neue las-

tenumverteilung gesprochen. das ist neu und gut. dafür wurde die hülle geschaffen. das wichtigste, der verbindliche inhalt, fehlt noch. die angst der internationalen Staatengemeinschaft vor einem Scheitern des Klimagipfels war letztlich größer als der wille zu einem erfolgreichen Beschluss. nach-teilig wirkt sich das mal wieder für die vom Klima-wandel am stärksten betroffenen entwicklungslän-der aus. den Menschen im Pazifik, an den Küsten indiens oder Bangladeschs steht das wasser sinn-bildlich bereits bis zum hals. Sie haben in durban bunt und eindringlich demonstriert, wie dringend notwendig echter Klimaschutz und anpassung heute sind.

dass aus der Ziege vielleicht einmal ein Kamel wird, ist eher unwahrscheinlich, aber wenigstens ge-sund sollte sie sein.

enn du eine Ziege willst, musst du ein Kamel verlangen! So lautet das somali-sche Sprichwort, das Vertreter von über

190 Staaten zu einem gemeinsamen nachfolgeab-kommen rechtlich verbindlicher Klimaschutzziele in durban verlocken sollte. endlos zog sich die finale Phase des Klimagipfels hin. das ergebnis: eine schwächelnde und kränkelnde Ziege.

der bislang längste Klimagipfel wurde am Mor-gen des 11. dezember 2011 abgeschlossen. die süd-afrikanische Präsidentschaft hat es wider erwarten geschafft, die internationale Staatengemeinschaft zu einem gemeinsamen Beschluss zu führen. Mit emotionalen Kernbotschaften und viel diplomati-scher Körpersprache wurde ein durban-fahrplan verabschiedet, der unter anderem eine zweite Ver-pflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls nach 2012 vorsieht. das war so nicht unbedingt erwartet wor-den. neben russland und Japan drohte auch die eu, einer zweiten Verpflichtungsperiode nicht zu-zustimmen. Sie knüpfte ihre Zustimmung zu einer Verlängerung an die Bedingung, dass es mindes-tens ein Mandat für ein global verbindliches ab-kommen zur reduzierung von treibhausgasen ge-

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feilschen im namen des klimasDie Ergebnisse von Durban schließen die großen Verursacher mit ein – aber der Inhalt fehlt und muss dringend nachgeliefert werden

stanDpunkt

Jasmin Arickal ist bei der Welthungerhilfe für das Projektland Pakistan zuständig und befasst sich im Rahmen ihrer Arbeit mit verschiedenen Klimafra-gen. Michael Kühn ist Klimareferent der Welthun-gerhilfe und hat bereits die vorherigen Klimagipfel für die Welthungerhilfe kritisch mitverfolgt. Beide waren in Durban als Vertreter der Welthungerhilfe vor Ort und haben von dort aus berichtet.

Weitere informationen unter:

www.welthungerhilfe.de/durban- abschluss-klimakonferenz.html

[[ein sprichwort besagt: »Wenn du eine Ziege willst, musst du ein kamel verlangen!«

gooDbye kliMa-

scHutZ: Greenpeace-aktivisten verkleideten sich in Durban als Bäume und demons-trierten für verbindli-che Klimaziele. Leider brachte die Konferenz nicht die dringend nötigen Ergebnisse.

Page 13: Zeitung Welternährung 4/2011

4. Quartal 2011 h i n t e r g r u n D W e lt e r n ä h r u n g 13

Windräder statt bäumeIndien: Windkraftprojekte zerstören eine »grüne Lunge« und die Lebensgrundlage vieler Kleinbauern

Indien will seinen Energiehunger auch mit erneuerbaren Energien stillen. Ein guter Plan, doch scheint er nicht immer sinnvoll umgesetzt zu werden. Nördlich von Mumbai wird Regenwald gerodet, Lastwagen wirbeln Staubschwaden auf die Felder, die die Ernte ersticken. Die Bewohner der anliegenden Dörfer versuchen sich zu wehren – bislang ohne Erfolg.

s ist kühl unter dem dichten Blätterdach, gro-ße Steine in einem trockenen flussbett laden zur rast ein. die dichte Krone des immergrü-

nen regenwaldes bietet Schutz vor der sengenden Sonne. grillen zirpen, Vögel rufen, lautes rascheln und Schreie verraten eine horde affen im Kronen-dach. das 130 Quadratkilometer große wildschutz-gebiet Bhimashankar, rund 100 Kilometer nördlich von Mumbai (früher: Bombay), liegt fast 1000 Meter hoch in den Bergen der westghats. es ist ein refugi-um für die seltenen rieseneichhörnchen, für Pfauen, affen und leoparden. Von einer anhöhe schweift der Blick kilometerweit über eine braune, mit grünen waldstücken gescheckte Berglandschaft. in der fer-ne blitzen einige dutzende windkrafträder in der Sonne, die sich über die bewaldeten Bergkuppen er-heben – eine fata Mor gana?

»was von weitem so schön aussieht, ist bei nä-herem hinsehen ein ausgewachsener Skandal«, sagt atul Kale, grundbesitzer und engagierter Journalist. »die lokale Bevölkerung war von anfang an gegen das windkraftwerk. die sind ganz schön wütend. während die forstbehörde zum Beispiel strikt da rüber wacht, dass die dorfbewohner keine Bäu-me fällen, zerstört die windkraftfirma den wald in großem Stil!«

18 Bergdörfer sind betroffen

das dorf Kude, nur wenige Kilometer außerhalb der grenzen des wildschutzgebietes wird von 15 schlan-ken windkraftanlagen überragt, die entlang der Kup-pe eines nahen Berges stehen. Kude ist einer von drei Standorten des andhra-lake-windparks bei Bhima-shankar. die firma enercon india stellt hier 142 wind-

Von Rainer Hörig

Das andhra-lake-Wind-farm-projekt

Die Andhra Lake Wind Farm ist auf 142 Wind-kraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 113 Megawatt projektiert. Die indische Forst-behörde hat dafür 194 Hektar Waldland zur Nutzung freigegeben. Der Investor China Light and Power, ein in Hongkong ansässiger Ener-gieriese, lässt in Indien Windkrafträder aufstel-len, die in Deutschland entwickelt und erprobt wurden. Die ausführende Firma ist ein Tochter-unternehmen des deutschen Windkraftherstel-lers Enercon. Doch die Deutschen verloren

WissensWertes

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den Protest erstickt, meint atul Kale. gegen einige der aktivisten habe man konstruierte anklagen vor gericht eingereicht, um sie zum Schweigen zu zwingen. »der abgeordnete, der die region im lan-desparlament vertritt, trat zunächst vehement ge-gen die windfarm auf, heute ist er ein glühender Befürworter. alle politischen Parteien unterstützen das windprojekt. Vielleicht werden sie von der fir-ma bezahlt?«

etwa zehn Kilometer von Kude entfernt liegt die 500-Seelen-gemeinde Karpud auf einem windigen hochplateau. die Bevölkerung besteht fast aus-schließlich aus nachfahren indischer ureinwohner, hier adivasi genannt. für sie stelle der nahe wald eine lebenswichtige ressource dar, sagt ganpat Ma-dage, ein dorfältester. »unsere frauen gehen täglich zum feuerholzsammeln in den wald. dort finden wir auch heilkräuter, wildfrüchte und honig für den eigenbedarf und zum Verkauf.«

Fünfmal so weit zum Wald

ganpat Madage läuft zehn Minuten über abgeern-tete reisfelder zur grenze des gemeindelandes, dann steht er vor einer grünen wand, der grenze zum Bhimashankar-wildschutzgebiet. Saftiges grün erstreckt sich von hier einen benachbarten hang hin auf. dort oben hüllen Staubwolken die Bäume ein. auf einer neu angelegten, ungepflas-terten Straße kriechen Betonmischer und schwere lastwagen bergauf. an vielen Stellen liegt die Ve-getation unter geröllhalden begraben, der wald lässt sich nur noch erahnen. »die firma hat bereits sehr, sehr viele Bäume gefällt«, erklärt ganpat Ma-dage. »wir dürfen diesen wald nicht mehr betre-ten. die wachleute der firma verweigern uns den Zutritt.«

die frauen von Karpud müssten nun fünf statt einen Kilometer zurücklegen, um im wald feuer-holz zu sammeln. neben dem Verlust des waldes sorgen sich die Bewohner vor allem um die riesigen geröllhalden, die nun den hang bedecken, sagt ganpat Madage. »am fuße dieses hanges liegen un-

nach eigenen Angaben bereits 2008 die Kont-rolle über den indischen Ableger. Im Dezember 2010 erklärte ein indisches Gericht einige Patente der Mutterfirma Enercon für un gültig. Zur Andhra Lake Wind Farm erklärt Enercon: »Enercon hat von diesem Thema selbst erst aus den Medien Kenntnis erhalten ... Mangels Einfluss auf Enercon Indias unternehmerische Entscheidungen trägt Enercon keine Verant-wortung für das wirtschaftliche Handeln von Enercon India und dessen Folgen.«

protest: Ganpat Madage (links), einer der Dorfältes-ten im Adivasi-Dorf Karpud, und Journalist Atul Kale kämpfen gegen die Eingriffe in die Natur.

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Das Dorf karpuD: Im Hintergrund der fast fertiggestellte Bauabschnitt des Andhra-Lake-Windparks bei Kude.

sere reisfelder. Bald wird der Monsun einsetzen, und hier in den Bergen regnet es sehr heftig. wir be-fürchten, dass das lose gestein dann bergab gespült wird und unsere felder begräbt.«

Trotz Baustopp geht es weiter

die meisten der vom windpark betroffenen dorfbe-wohner sind analphabeten, kennen kaum ihre rech-te, können nicht auf augenhöhe mit der einfluss-reichen windkraftfirma verhandeln. das unterneh-men macht sich diesen umstand zunutze, um den widerstand zu brechen, meint der aktivist atul Kale. »wer einwände vorbringt, wird zum Schwei-gen gebracht. lokale Politiker spielen dabei eine tra-gende rolle. wahrscheinlich sind sie in irgendeiner form an dem Projekt beteiligt.« atul Kale organi-siert den widerstand gegen das Kraftwerk, gibt den dorfbewohnern eine Stimme. im vergangenen Jahr reichte er Klage beim hohen gericht in Mumbai ein. die richter ordneten im dezember 2010 einen Bau-stopp an. doch die Bauarbeiten gehen weiter, ener-con india schafft tatsachen.

wenn die indische wirtschaft weiter wachsen soll, benötigt sie vor allem viel energie. heute wird das gros der Stromproduktion aus heimischer Koh-le gewonnen. aber auch bei der nutzung erneuer-barer energiequellen mischt indien ganz vorn mit. Bei der nutzung von windenergie beispielsweise liegt in dien weltweit auf rang fünf. aber macht es Sinn, schützenswerten regenwald abzuholzen, um umweltschonende windkraftanlagen aufzustellen? atul Kale: »ich bin natürlich auch für umweltscho-nende energiegewinnung, wie beispielsweise durch windkraftanlagen. aber warum muss man sie aus-gerechnet hier, im dichten regenwald, aufstellen? warum baut man sie nicht dort, wo das land sowie-so brachliegt?«

Rainer Hörig ist freier Journalist in Indien.

www.welthungerhilfe.de/whi2011.html

kraftanlagen auf. 18 Bergdörfer sind von dem ener-gieprojekt betroffen. im März 2010 begannen die Bau-arbeiten. Mit dynamit und Bulldozern werden Zufahrtsstraßen in die Berghänge getrieben und fun-damente für die windräder ausgehoben. damit Schwertransporter die riesigen rotorenblätter und ge-neratoren an entlegene Orte bringen können, mussten die Straßen verbreitert werden. die Bauarbeiten ma-chen der Bevölkerung das leben schwer. »der Straßen-verkehr ist sprunghaft gewachsen«, klagt die Bäuerin Suman Kanaskar. »tieflader, Betonmischer und last-wagen brausen durch unser dorf. der Staub, den sie aufwirbeln, setzt sich auf den feldern ab, behindert die Bestäubung und verdirbt die ernte. normalerwei-se kann ich fünf Säcke hirse ernten, aber in diesem Jahr habe ich nicht einmal einen Sack bekommen!«

die Bauern von Kude protestierten gegen die Zerstörung ihrer umwelt, aber der Bauherr habe

gravierend 400 wenig Hunger

WeltHunger-inDex rang 67/122 ländern23,7 (sehr ernst)

Page 14: Zeitung Welternährung 4/2011

14 W e lt e r n ä h r u n g M e D i e n & i n f o r M at i o n e n 4. Quartal 2011

kino | koMöDie uM beinaHekrieg iM libanonkino | krieg uM Wasser in boliVien

kolumbus und andere kolonialisten DraMa | als ein spanisches film-team in Bolivien einen film über Christoph Kolumbus drehen will, ge-rät es in Schwierigkeiten: die sozia-len unruhen in der Stadt Cochabam-ba weiten sich zu einer rebellion aus, weil die regierung die wasserversor-gung der region an einen Multi ver-kauft hat. der regisseur erweist sich zudem als ausbeuter. ein film über den wasserkrieg im april 2000.

koMöDie | ein kleines dorf im liba-non: muslimische und christliche Menschen leben friedlich zusammen – bis die Männer kurz davorstehen, in den Bürgerkrieg zu ziehen. der Kir-che und ihrem glauben zum trotz be-schließen die frauen des dorfes, sich zu verbünden, um ihre ehemänner und Väter mit unorthodoxen Mitteln von dem bevorstehenden Kampfein-satz abzuhalten. eine Komödie, eine tragödie und ein musikalischer film.

pfiffige friedensstifter

»Wer Weiss, WoHin?«frankreich 2012, regie: nadine labaki, kinostart: 22. März 2012.

»taMbién la lluVia – unD Dann Der regen« spanien, frankreich, Mexiko 2010, regie: icíar bollaín, kinostart: 29. Dezember 2011. ©

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roMan | im frisiersalon von Mrs. Khumalo trifft sich alles, was rang und namen hat in harare. So-gar die Ministerin schaut regelmäßig vorbei, um sich die haare machen zu lassen – natürlich nur von Vindai, die mit ihren 26 Jahren die beste friseurin der Stadt ist. dann stellt sich dumisani vor, ein charmanter junger Mann mit begnadeten fähigkei-ten als friseur. er schafft es, dass jede frau sich schön und anerkannt fühlt, und so dreht sich im fri-siersalon von Mrs. Khumalo bald alles nur noch um ihn. Vindais wut auf diesen eindringling schwin-det, als er auf der Suche nach einer wohnung in ih-rem haus ein Zimmer mietet.

fast wäre eine liebesgeschichte daraus geworden, doch dumi ist homosexuell – etwas undenkbares, furchtbares, »Schweinisches« in Simbabwe. als Vindai davon erfährt, ist sie außer sich. Sie macht einen fehler, der dumi fast das leben kostet.

der alltag in dieser chaotischen Stadt wird mit leichtigkeit und witz geschildert. wer sich fragt, wie die Menschen in harare mit Stromausfall, nah-rungsmittelknappheit und einer wahnwitzigen in-flation überleben können – hier findet er die ant-

wort. Beschönigt wird nichts, weder die hochemo-tionalen Beziehungen in der großfamilie noch der Konkurrenzkampf im frisiersalon oder die obszönen unterschiede zwischen der reichen Oberschicht und den normalen Stadtbewohnern, die nicht wissen, wie sie Miete, Strom und nahrung bezahlen sollen. trotzdem ist dieses Buch ein lesevergnügen, eine erzählung von Mut, freundschaft und einem un-bändigen lebenswillen. rr

tendai Huchu, »Der friseur von Harare«, peter Hammer Verlag, Wuppertal 2011, 300 seiten, gebunden, 19,90 euro.

bucHbesprecHung

ein blick in den alltag des modernen simbabwe

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Dumisani, eine Hauptfigur des Romans, ist homo-sexuell, ein Tabu – selbst in der Hauptstadt.

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JubiläuM | »ein großer teil der Menschheit lebt nur eine dürre, eine Überflutung, einen ernteausfall vom hungertod entfernt.« das sagte dr. Binay ranjan Sen (1898–1993), ge-neralsekretär der ernährungs- und landwirtschaftsorganisation der Ver-einten nationen (faO). damit wollte er sich nicht abfinden und setzte al-les daran, dem Kampf gegen den hunger weltweit Vorrang zu geben. im Jahr 1960 startete er deshalb die »freedom from hunger«-Kampagne.

in deutschland stieß diese idee auf konkretes interesse. auf initiative des damaligen Bundespräsidenten hein-rich lübke wurde 1962 der »deutsche ausschuss für den Kampf gegen den

hunger« als teil der wegweisenden globalen Kampagne gegründet. er nahm 1967 die form eines Vereins an: die deutsche welthungerhilfe e. V. Seit dieser Zeit hat der Bundespräsi-dent die Schirmherrschaft inne. Zu den Mitgliedern des Vereins gehören die Bundestagsfraktionen, die Kirchen und großen Verbände. weltweit tra-gen nicht nur regierungen, sondern auch nichtregierungsorganisationen, institutionen des öffentlichen lebens, Vertreter der religionen und enga-gierte einzelpersonen die Kampagne.

»hilfe zur Selbsthilfe« ist 50 Jahre nach der gründung noch immer der gedanke, der die arbeit der welthun-gerhilfe prägt. er ist zum leitsatz der

Projektarbeit geworden, und starke Partnerschaften mit den Menschen im Süden sind eine ihrer grundfesten.

im Jubiläumsjahr möchte sich die welthungerhilfe bei freunden und unterstützern bedanken. das Zusam-mensein steht dabei im Mittelpunkt, und für ausreichend gelegenheit da-zu ist gesorgt! So kommen auf einer fachtagung im frühjahr 2012 Partner aus dem Süden und dem norden zu-sammen und beschäftigen sich mit der frage, wie soziale gerechtigkeit und nachhaltige entwicklung tat-sächlich erreicht werden können. neue Synergien und ideen wird es auch während eines ganz besonderen ereignisses geben: der Zukunftswerk-

statt. unter dem Motto »Searchers unlimited« diskutieren Kreative und Querdenker über neue wege in der entwicklungszusammenarbeit. und was wird am ende des Jahres bleiben? enorm viel! neben greifbaren dingen wie einem Bildband, einer gedenk-münze und einer Sonderbriefmarke zählen wir fest darauf, dass das ge-fühl des Zusammenhalts und der So-lidarität weiter erstarkt sein wird. wir werden Sie in der »welternährung« laufend über unsere aktivitäten im Jubiläumsjahr informieren.

Weitere informationen zum Jubiläum finden sie in der sonderbeilage zu dieser Zeitung.

eine idee macht geschichte!

Wie es begann: 1963 wurde die The Freedom from Hunger Campaign auf dem World Food Congress in Washington D. C. beschlossen. Teilnehmer waren unter anderem (von links): der amerikanische Abgeordnete Orville L. Freeman, der indische Präsident Sarvepalli Radhakrishnan, der US-amerikanische Präsident John F. Kennedy, UN-General sekretär S. U. Thant und Dr. Binay Ranjan Sen, der indische Generaldirektor der Welternährungsorganisation.

2012 feiert die Welthungerhilfe ihren 50. Geburtstag

Page 15: Zeitung Welternährung 4/2011

M e D i e n & i n f o r M at i o n e n W e lt e r n ä h r u n g 154. Quartal 2011

MaineuerscHeinungen | inforMationsMaterialien

Materialvorstellung

unterricHt | ende Oktober erschien eine 30-seitige unterrichtsbroschüre zum welthunger-index 2011. das heft richtet sich an Oberstufenschüler und die erwachsenenbildung und behandelt den einfluss von nahrungsmittelspeku-lationen, Biosprit und Stromverbrauch auf die nahrungsmittelpreise. außer-dem wird gefragt, ob hungerbekämp-fung aussichtslos ist. als Beispiel für einen erfolgreichen Kampf gegen den hunger wird tadschikistan vorgestellt.

internet | für das Jubiläumsjahr hat die welthungerhilfe eine Microsite ein-gerichtet. Sie ist ein zentrales informa-tionsmedium für aktionen und Veran-staltungen und stellt zudem fakten zur geschichte der welthungerhilfe bereit. ein Projektstrahl dokumentiert heraus-ragende Projekte und erfolge der letzten 20 Jahre. Videoclips, facebook-Verlin-kungen und Blogs bringen Mehrwert.

www.50jahre.welthungerhilfe.de

stuDie | Zusammen mit terre des hommes veröffentlicht die welthunger-hilfe jährlich den Bericht »wirklichkeit der entwicklungshilfe«. er analysiert die entwicklungspolitik der Bundesregie-rung und skizziert quantitative und qua-litative aspekte der leistungen vor dem hintergrund der regierungsziele. die ausgabe 2011 befasst sich mit der wir-kung der deutschen entwicklungszu-sammenarbeit, zieht Schlussfolgerungen und gibt empfehlungen an die Politik.

2012Veranstaltungskalender

Januar

Jubiläums- Microsite

teure nahrungsmittel

Wirklichkeit der entwicklungshilfe

20.–29.01. grüne Woche

berlin | Ende Januar findet die weltgrößte Messe zu Ernährungs- und Landwirtschaft sowie Gartenbau statt. Die Welthungerhilfe stellt ihre Arbeit in Gesprä-chen, bei Podiumsdiskussionen, Buchvorstellungen und an Verkaufs- und Informationsständen vor und fordert die Besucher auf, sich aktiv zu beteiligen.

28.01.

bekonD | Der Verein »Bekond aktiv e. V.« veranstaltet einen LebensLauf in der Nähe von Trier. Zwei Strecken werden angeboten: eine mittelschwere, sechs Kilometer lange Route, die auch für Walker geeignet ist, und eine schwierige, zwölf Kilometer lange Runde mit Berglaufcharakter. Der Lauf führt am historischen »Zitronenkrämer-kreuz« vorbei. Das freiwillige Startgeld kommt der Welthungerhilfe zugute, die der Verein seit über 20 Jahren unterstützt. Weitere Informationen: www.bekond. wordpress.com/tag/zitronenkramer

februar

bis 29.02. Wettbewerb

bonn | »Wie können wir im Alltag dazu beitragen, dass der Hunger in der Welt besiegt wird?« Unter diesem Motto steht der Schülerwettbewerb der Welthungerhilfe in Kooperation mit »ZEIT für die Schule«. Bis 29. Februar können Schüler Doku-mentationen, Präsentationen, Blogs, Songs und andere Beiträge einreichen – wichtig ist, dass das Motto möglichst kreativ aufgegriffen wird. Das Siegerteam wird zur Fachtagung »Move! United for Sustainable Development« eingeladen, Ent-wicklungszusammenarbeit mit Teilnehmern aus aller Weltdirekt zu diskutieren. Weitere Informationen: www.face-hunger.de

2012–2013

bis 23.06.2013 erlebnisausstellung

berlin | In Kooperation mit der Welthungerhilfe ist für das JuniorMuseum des Ethnologischen Museums in Berlin-Dahlem die Ausstellung »Das essen wir. Wir essen Reis« entstanden. Zwei Journalistinnen waren Mitte 2011 zu einem Welt-hungerhilfe-Projekt nach Laos gereist und porträtierten Adeu, einen Jungen aus einer Familie von Reisbauern. In Kürze wird eine Broschüre mit Texten zu Laos, Adeus Dorf und seiner Familie entstehen. Der Erlös aus dem Verkauf wird direkt dem Projekt in Laos zugutekommen. www.smb.museum

kino | leben in kuba fernseHen | kliMaWanDel

DokuMentation | Über ein halbes Jahrzehnt begleitete regisseur rena-to Martins die kubanische familie torres mit der Kamera. er filmte den alltag der Viergenerationenfamilie, teilweise in hochwertiger Qualität, teilweise mit amateurhaften aufnah-men. So erzeugte er einen persönli-chen, sympathischen und bewegen-den einblick in 50 Jahre geschichte des sozialistischen und dem westen weitgehend unbekannten landes.

reportage | der kirgisische hirte Ba-chit hat vom Klimawandel profitiert. weil die gletscher der bis 7000 Meter aufragenden Berge im Vergleich zu früher viel schneller tauen, treibt er seine Viehherde früher auf die Sommeralm. doch auch Bachit denkt weiter und fragt sich, welche auswir-kungen das fortschreiten der glet-scherschmelze zukünftig haben wird.

»Die neuen noMaDen Von kirgisistan«frankreich/Deutschland 2009, regie: Wolfgang Mertin, arte, 23. Dezember 2011, 16.50 uhr.

alltag einer familie Die Hirten und die gletscher

alle Materialien können sie kostenlos bestellen unter: [email protected], telefon: (0228) 22 88-454 oder per post: Welthungerhilfe, Zentrale informationsstelle, friedrich-ebert-straße 1, 53173 bonn.

»letter to tHe future« kuba 2011, regie: renato Martins, kinostart: 29. Dezember 2011.

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peru | WeltHungerHilfe auf Der uMWeltMesse

Minister lobt projektpräsentation | ende november fand in lima, der hauptstadt Perus, die um-weltmesse »fiMa 2011« statt. Bei der dreitägigen Veranstaltung wurden an-wendungsnahe Projekte und Produkte aus dem Bereich umwelt, nachhaltiges ressourcenmanagement und Biodiver-sität präsentiert. neben nationalen und internationalen ausstellern aus den Bereichen Politik, wissenschaft und wirtschaft war auch die welthunger-hilfe präsent. Sie stellte ein Projekt vor, das sich mit dem Schutz von zwei Bio-

HoHer besucH: Perus Umweltminister Ricardo Giesicke (Mitte) besucht den Stand der Welthungerhilfe.

sphärenreservaten im amazonasgebiet befasst. Ziel des länderübergreifenden Projektes ist es, die fortschreitende ent-waldung in den Schutzzonen zu redu-zieren. der neu gewählte umweltminis-ter Perus ricardo giesicke und Perus eu-Botschafter hans allden besuchten den Stand der welthungerhilfe. giesi-cke hob die Bedeutung der innovativen ansätze des Projektes für den natur-schutz und die nachhaltige entwicklung der durch den Klimawandel besonders gefährdeten regionen hervor. lap

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Zitronenkrämerlauf

Page 16: Zeitung Welternährung 4/2011

16 W e lt e r n ä h r u n g 4. Quartal 2011

eh bloß nicht zum arzt«, sag-te meine indonesische Mitbe-wohnerin, als ich in indonesi-

en zum ersten Mal Bauchschmerzen bekam, »der verschreibt dir nur teure Medikamente, die nichts helfen. trink lieber Jamu und ruh dich aus!« Jamu, so viel wusste ich damals schon, ist die traditionelle javanische Medizin. na-türlich ging ich doch zum arzt. der verschrieb mir antibiotika, ohne die untersuchungsergebnisse abzuwarten. als ich diverse Packungen antibiotika später immer noch nicht wusste, was eigentlich nicht stimmte (die diagno-sen reichten von Blasenentzündung bis Paratyphus), fand ich mich in der altertümlichen Praxis eines Jamu-hei-lers wieder. er fühlte meinen Puls, be-trachtete meine Zunge und verordne-te mir Kräuterkapseln und wurzeltees, die er im eigenen garten produzierte. dazu ein bisschen akupressur und vor allem: entspannung. Zwei wochen später waren meine Bauchkrämpfe dauerhaft verschwunden. Ob es an Ja-mu lag, vermag ich nicht zu sagen.

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bittere MedizinneulicH in ... inDonesien

Von Christina Schott

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DeutscHe WeltHungerHilfe e. V. | Redaktion »Welternährung« Friedrich-Ebert-Straße 1, 53173 Bonn | Telefon: (0228) 22 88-429 | Telefax: (0228) 22 88-99 429 | E-Mail: [email protected]

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Herausgeber: Deutsche Welthungerhilfe e. V., Friedrich-Ebert-Straße 1, 53173 BonnRedaktion: Patricia Summa (Leitung), Beate Schwarz, Camilla v. Heumen, Elke Weidenstraß (muehlhausmoers)V.i.S.d.P.: Simone PottTelefon: (0228) 22 88-429 Telefax: (0228) 22 88-99 429Internet: www.welthungerhilfe.de E-Mail: [email protected]: querformat editorial design, Hamburg/Aline Hoffbauer, Ingrid NündelLayout: muehlhausmoers kommunikation, Köln/ Tobias Heinrich, Sabine SchiemannDruck: Joh. Heider Verlag GmbH, Bergisch GladbachGedruckt auf chlorfrei gebleichtem RecyclingpapierBestellnummer: 460-9385

Die »Welternährung« erscheint vierteljährlich. Die Her-ausgabe der Zeitung wird aus Haushaltsmitteln des Bun-desministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-braucherschutz unterstützt. Namensbeiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Nach-druck erwünscht mit Quel-lenangaben und Belegexem-plar. Redaktionsschluss der vorliegenden Ausgabe ist der 16. Dezember 2011.

Viele indonesier schwören auf Ja-mu, schon weil sie sich eine Behand-lung mit westlicher Medizin nicht leisten können. Krankenversichert sind in indonesien nur Beamte oder angestellte großer unternehmen, be-sonders arme bekommen eine staat-liche gesundheitskarte. wie viel die-se Versicherungen wert sind, zeigt sich in der notaufnahme: Oft geht die tür erst auf, wenn eine Kreditkarte gezückt wird. wer als zahlungsfähig eingestuft ist, wird allen möglichen und unmöglichen tests unterzogen. antibiotika gehören dazu, ob es sich nun um einen Schnupfen oder dengue-fieber handelt.

wer es sich leisten kann, folgt deshalb – wie die touristen – lieber der empfehlung in indonesien-rei-seführern, bei ernsthaften erkran-kungen nach Singapur auszureisen – eines der weltweit wichtigsten Ziele für Medizintourismus. dem Vorbild möchte indonesien nacheifern. wenn ein neues Krankenhaus eröffnet wird, schlagen die herzen einiger Politiker höher: etwa im Juli, als der indone-sische Präsident eine 140 Millionen uS-dollar teure Krebsklinik in Ja-

karta eröffnete. die hoffnung war groß, dass endlich ausländische Patienten zur Behandlung hierher kommen und dem indonesischen ge-sundheitssektor devisen und Presti-ge bringen.

doch das gestaltet sich schwierig. Jedes Jahr reisen mehrere hundert-tausend indonesische Medizintouris-ten nach Malaysia und Singapur – darunter auch Politiker. ich kann es ihnen nicht verdenken, nachdem ich bei einer amöbenerkrankung meinen Blinddarm loswurde, bevor die Para-siten entdeckt wurden.

Seither bin ich Stammkunde einer Jamu-heilerin. Mit meditativer ruhe mischt sie die frisch zerriebenen Kräuter und wurzeln zusammen, während ihre Patienten manchmal stundenlang warten, weil der an-drang so groß ist. angesichts der Be-liebtheit sollte sich die indonesische regierung überlegen, ob sie nicht lie-ber mehr in die traditionelle Medizin investiert statt in teure elitekliniken, die hinterher halb leer stehen.

Christina Schott ist freie Journalistin in Indonesien.

u n t e r h a lt u n g

iMpressuM

Nach dem Desaster der UN-Klimakonferenz 2009 besteht große Skepsis, dass die Erwärmung der Erde bis 2100 auf unter zwei Grad Celsius be-schränkt werden kann. Dies wäre laut Klimawis-senschaftlern aber nötig, um vor allem die Men-schen in den armen Regionen der Welt vor den katastrophalen Folgen zu bewahren. Diskutieren Sie mit unseren Experten, was getan werden müsste, um das Schlimmste zu verhindern.

WWW.WeltHungerHilfe-blog.De

klimawandel

reDen sie Mit!

folgende 15 grenzflüsse waren in der ausgabe 3/2011 gesucht: Mekong, Okpara, ubangui, Kongo, Senegal, limpopo, guapo-re, uruguay, Yavarí, Orino-co, Putumayo, San Juan, rio grande, Coco, Pilcoma-yo. und das richtige lösungswort lautete: Jor-dan. Jeweils ein Kartenset haben gewonnen: Christa Becker (dexheim), Marion Karmann (Bonn) und Marion Munz-Krines (Bamberg).

unter den richtigen einsendungen des rätsels »inselstaaten« verlost die welthun-gerhilfe dieses Mal die Cd »Märchenwel-ten«. in Kooperation mit dem Zdf und dem Münchner hörverlag entstand eine doppel-Cd mit Märchen aus aller welt, gelesen von

prominenten frauen, unter anderen den Journalistin-nen Marietta Slomka und Petra gerster, der Sängerin nicole und den Schaupiele-rinnen Barbara auer und ulrike Kriener.

Senden Sie die lösung bis zum 27. Januar 2012 an folgende ad-resse (es gilt das datum des Poststempels):Deutsche Welthungerhilfe e. V. patricia summa, friedrich-ebert-straße 1, 53173 bonn.Oder schicken Sie ein fax: (0228) 22 88 99-429 oder eine e-Mail: patricia.summa@welt hungerhilfe.de.

die lösung finden Sie in der nächsten ausgabe der »welternährung«.

Verlosung und lösung

© K

aufh

old/

Wel

thun

gerh

ilfe

in dieser Buchstabensuppe sind die namen von 13 inselstaaten versteckt. Bei richtiger lösung bleiben 13 Buchstaben übrig, aus denen die namen zweier weiterer inselstaaten gebildet werdet können.

inselstaaten

s n e D r e V p a k

u e s a M o a i s o

i u n g t V n t r M

t g n a u r u a i o

i u u a l r a b l r

r i a g n o t i a e

u n u a D a u r n n

a e a J a M a i k a

M a D a g a s k a r

n e i s e n o D n i