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Forschungsergebnisse · Veranstaltungen · Veröffentlichungen ZEWnews Finanzierung von Wohnimmobilien – nur wenige Marktteilnehmer haben Schwierigkeiten Kleinvermietern und privaten Selbstnutzern sind durch die Finanzmarkt- krise kaum Probleme bei der Immobilienfinanzierung entstanden. Für Wohnungsunternehmen mit überwiegendem Bestandsgeschäft haben sich die Finanzierungskonditionen ebenfalls kaum verändert. Anders sieht es teilweise für die börsennotierten Wohnungsunternehmen aus. Mit dem Ausbruch der Finanzmarktkri- se und den damit verbundenen Liquidi- tätsengpässen bei fast allen Kreditinsti- tuten haben sich die Rahmenbedingun- gen zur Finanzierung von Wohnimmobili- en verändert. Angesichts steigender ge- samtwirtschaftlicher Risiken und erhöhter Bilanzrisiken sind viele Banken bei der Kreditvergabe vorsichtiger geworden. Vor diesem Hintergrund hat das ZEW in einem Forschungsprojekt für das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und das Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS) die Finanzierung wohnungswirt- schaftlicher Akteure untersucht. Analy- siert wurde zunächst die Entwicklung des Marktes für Wohnungsbaukredite auf der Basis von Bankstatistiken und Unterneh- mensbilanzdaten. Darüber hinaus wur- den Hintergrundgespräche mit Banken und Wohnungsunternehmen geführt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Auswirkungen der Finanzmarktkrise bei den privaten Selbstnutzern und Kleinver- mietern aufgrund ihrer konservativen Finanzierungsstruktur in einem engen Rahmen gehalten haben. Auch Woh- nungsunternehmen mit überwiegendem Bestandsgeschäft hatten während der Finanzkrise kaum Finanzierungsproble- me. Unter ihnen zeichnen sich insbeson- dere die Wohnungsgenossenschaften durch konservative Finanzierungsstrate- gien aus. Die Wohnungsunternehmen der öffentlichen Hand waren aufgrund ihrer eher konservativen Finanzierungsstruktur von den Turbulenzen an den Finanzmärk- ten ebenfalls nicht wesentlich betroffen. Dieser Unternehmensgruppe halfen fer- ner ihre regionalen Verflechtungen und langfristigen Geschäftsbeziehungen zu örtlichen Kreditinstituten. Erhebliche Schwierigkeiten in Sicht Die großen börsennotierten Woh- nungsunternehmen stellen dagegen eine heterogene Gruppe dar. Für die nächsten Jahre werden bei Unternehmen, bei de- Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH www.zew.de · www.zew.eu Juni 2011 Finanzierung von Wohnimmobilien – nur wenige Marktteilnehmer haben Schwierigkeiten ......................... 1 Über alle Disziplinen hinweg – Stärkere Auflagen durch private Forschungsfinanzierung .................. 2 Steueranreize wirken sich positiv auf FuE und Patentanmeldungen aus ........... 3 Individualsoftware fördert Innovationskraft von Dienstleistungsunternehmen .......... 4 Sozialkompetentere Kinder sind im jungen Erwachsenenalter kürzere Zeit arbeitslos .... 5 Nachgefragt: Ist ein Abbau der deutschen Staatsverschuldung machbar? ............. 6 Die Überschuldung deutscher Haushalte ist im europäischen Vergleich eher gering .... 7 Konferenz zur Innovations- und Patentforschung ........................ 9 ZEW intern ............................ 10 Daten und Fakten ....................... 11 Standpunkt ........................... 12 IN DIESER AUSGABE Finanzinvestoren Projektentwickler kommunale Wohnungsunternehmen Wohnungsgenossenschaften mittlere/große Wohnungsunternehmen kleine Vermieter/ Wohnungsunternehmen Private Haushalte 29,7 % 45,6% 24,7 % 13,1% 49,7% 37,2% 21,8% 44,7% 33,5% 18,1% 58,4% 23,5% 17,5% 59,6% 22,9% 16,2% 36,6% 47,2% 21,6% 32,7% 45,7% verbessern gleichbleiben verschlechtern Langfristige Entwicklung der Bedingungen für die Immobilienfinanzierung nach Akteuren Quelle: ZEW-Finanzmarkttest September 2010

ZEWnews 06 / 2011ftp.zew.de/pub/zew-docs/zn/zn0611.pdf · ZEWnews Juni 2011 | 3 FORSCHUNGSERGEBNISSE Steueranreize wirken sich positiv auf FuE und Patentanmeldungen aus Gezielte steuerliche

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  • F o r s c h u n g s e r g e b n i s s e · Ve r a n s t a l t u n g e n · Ve r ö f f e n t l i c h u n g e n

    ZEWnewsFinanzierung von Wohnimmobilien – nur wenige Marktteilnehmer haben SchwierigkeitenKleinvermietern und privaten Selbstnutzern sind durch die Finanzmarkt-krise kaum Probleme bei der Immobilienfinanzierung entstanden. Für Wohnungsunternehmen mit überwiegendem Bestandsgeschäft haben sich die Finanzierungskonditionen ebenfalls kaum verändert. Anders sieht es teilweise für die börsennotierten Wohnungsunternehmen aus.

    Mit dem Ausbruch der Finanzmarktkri-se und den damit verbundenen Liquidi-tätsengpässen bei fast allen Kreditinsti-tuten haben sich die Rahmenbedingun-gen zur Finanzierung von Wohnimmobili-

    en verändert. Angesichts steigender ge-samtwirtschaftlicher Risiken und erhöhter Bilanzrisiken sind viele Banken bei der Kreditvergabe vorsichtiger geworden. Vor diesem Hintergrund hat das ZEW in einem Forschungsprojekt für das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und das Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS) die Finanzierung wohnungswirt-

    schaftlicher Akteure untersucht. Analy-siert wurde zunächst die Entwicklung des Marktes für Wohnungsbaukredite auf der Basis von Bankstatistiken und Unterneh-mensbilanzdaten. Darüber hinaus wur-

    den Hintergrundgespräche mit Banken und Wohnungsunternehmen geführt.

    Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Auswirkungen der Finanzmarktkrise bei den privaten Selbstnutzern und Kleinver-mietern aufgrund ihrer konservativen Finanzierungsstruktur in einem engen Rahmen gehalten haben. Auch Woh-nungsunternehmen mit überwiegendem Bestandsgeschäft hatten während der

    Finanzkrise kaum Finanzierungsproble-me. Unter ihnen zeichnen sich insbeson-dere die Wohnungsgenossenschaften durch konservative Finanzierungsstrate-gien aus. Die Wohnungsunternehmen der öffentlichen Hand waren aufgrund ihrer eher konservativen Finanzierungsstruktur von den Turbulenzen an den Finanzmärk-ten ebenfalls nicht wesentlich betroffen. Dieser Unternehmensgruppe halfen fer-ner ihre regionalen Verflechtungen und langfristigen Geschäftsbeziehungen zu örtlichen Kreditinstituten.

    Erhebliche Schwierigkeiten in Sicht

    Die großen börsennotierten Woh-nungsunternehmen stellen dagegen eine heterogene Gruppe dar. Für die nächsten Jahre werden bei Unternehmen, bei de-

    Zentrum für EuropäischeWirtschaftsforschung GmbHwww.zew.de · www.zew.eu

    Juni 2011

    Finanzierung von Wohnimmobilien – nur wenige Marktteilnehmer haben Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Über alle Disziplinen hinweg – Stärkere Auflagen durch private Forschungsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Steueranreize wirken sich positiv auf FuE und Patentanmeldungen aus . . . . . . . . . . . 3Individualsoftware fördert Innovationskraft von Dienstleistungsunternehmen . . . . . . . . . . 4Sozialkompetentere Kinder sind im jungen Erwachsenenalter kürzere Zeit arbeitslos . . . . 5Nachgefragt: Ist ein Abbau der deutschen Staatsverschuldung machbar? . . . . . . . . . . . . . 6Die Überschuldung deutscher Haushalte ist im europäischen Vergleich eher gering . . . . 7Konferenz zur Innovations- und Patentforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9ZEW intern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10Daten und Fakten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11Standpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

    I N D I E S E R A U S G A B E

    Finanzinvestoren

    Projektentwickler

    kommunaleWohnungsunternehmen

    Wohnungsgenossenschaften

    mittlere/großeWohnungsunternehmen

    kleine Vermieter/Wohnungsunternehmen

    Private Haushalte 29,7 % 45,6% 24,7 %

    13,1% 49,7% 37,2%

    21,8% 44,7% 33,5%

    18,1% 58,4% 23,5%

    17,5% 59,6% 22,9%

    16,2% 36,6% 47,2%

    21,6% 32,7% 45,7%

    verbessern gleichbleiben verschlechtern

    Langfristige Entwicklung der Bedingungen für die Immobilienfinanzierung nach Akteuren

    Quelle: ZEW-Finanzmarkttest September 2010

  • 2 | ZEWnews Juni 2011

    F O R S C H U N G S E R G E B N I S S E

    nen hohe Volumina zur Refinanzierung anstehen und die gleichzeitig einen ho-hen Verschuldungsgrad aufweisen, er-hebliche Schwierigkeiten erwartet. Auf der anderen Seite ist bei Unternehmen mit soliden Bilanzstrukturen zu erkennen, dass Banken bereits wieder Kredite zur Verfügung stellen.

    Trend zu weniger Risiko

    Dagegen waren Unternehmen mit ei-nem wesentlichen Geschäftsanteil im Be-reich der Projektentwicklung und des Im-mobilienhandels von der Krise auch in der kurzen Frist unmittelbar betroffen. Aufgrund der einsetzenden Rezession konnten die kurzfristig gehaltenen Wohn-immobilien nicht wie erwartet verkauft werden. Da sich diese Unternehmen zu einem bedeutenden Teil bereits vor der

    Krise kurzfristig finanziert haben, kamen hier einige Unternehmen in Bedrängnis. Die langfristigen Perspektiven der Pro-jektentwickler hängen davon ab, wie die Nachfrage nach Wohnimmobilien künftig ausfällt. Es ist zu erwarten, dass auch hier der Trend zu weniger risikoreichen Projek-ten gehen wird, bei denen die Eigenkapi-talfinanzierung an Bedeutung gewinnt. Eine Erhebung zur langfristigen Entwick-lung der künftigen Finanzierungsbedin-gungen im Rahmen des ZEW-Finanzmarkt-tests bestätigt das in Expertengesprä-chen gewonnene Bild weitestgehend. Leicht abweichende Tendenzen zeigen sich für die kleinen Wohnungsunterneh-men und Vermieter, für die sich langfristig verschlechternde Bedingungen erwartet werden (siehe Abbildung Titelseite).

    Insgesamt lassen die Analysen derzeit aber keine massive Fehlentwicklung er-

    kennen, der wohnungs- oder kreditpoli-tisch entgegengesteuert werden müsste. Probleme sind am ehesten dort zu vermu-ten, wo das gegenwärtig äußerst niedrige Zinsniveau für Immobilienfinanzierungen genutzt wird, die in einem anderen Zins-umfeld nicht mehr tragfähig wären. So-weit diese Finanzierungen vorwiegend über die lokalen Hausbanken abgewickelt werden, welche die langfristige Kapital-dienstfähigkeit ihrer Kunden kritisch be-urteilen und im Einzelfall von zu riskanten Finanzierungen abraten, sollte auch die-ses Risikopotenzial begrenzt sein. Die Entwicklung sollte aber im Auge behalten werden: Bei deutlich anziehenden Zinsen könnten viele jetzt abgeschlossene Finan-zierungen mit geringen Tilgungsraten nach Ende der meist zehnjährigen Zins-bindungsfrist zu scheitern drohen.

    Dr. Peter Westerheide,[email protected]

    Über alle Disziplinen hinweg – Stärkere Auflagen durch private Forschungsfinanzierung Die Verbreitung von Forschungsergebnissen unterliegt gemäß einer Befragung tendenziell stärkeren Auflagen und Restriktionen, wenn die Forschung durch privatwirtschaftliche Akteure finanziert wurde und nicht durch die öffentliche Grundfinanzierung.

    Seit geraumer Zeit verzeichnen Univer-sitäten und gemeinnützige außeruniver-sitäre Forschungseinrichtungen einen sinkenden Anteil an öffentlicher Grundfi-nanzierung, während der Finanzier-ungsanteil von im nationalen wie interna-tionalen Wettbewerb eingewobenen Fi-nanzmitteln (Drittmitteln) steigt. Allein in Deutschland, das eine starke Tradition der öffentlichen Forschungsfinanzierung hat, stieg in den Jahren 1995 bis 2007 der Anteil privatwirtschaftlich finanzierter Forschung um 13 Prozentpunkte von 12 auf 25 Prozent.

    Die Veränderung der Finanzierungs-struktur in der Wissenschaft kann aber problematisch sein. Verschiedene Stu-dien gehen davon aus, dass eine Finan-zierung durch die Privatwirtschaft nicht

    einfach eine schrumpfende öffentliche Förderung ersetzt, sondern in der Regel mit bestimmten Restriktionen für die Forscher verbunden ist. Solche Finan-ziers aus der Privatwirtschaft hemmen oftmals die Verbreitung von Forschun-gsergebnissen, -methoden oder -materi-alien durch Verzögerung oder Verbot der Veröffentlichung.

    Über 1.000 Wissenschaftler befragt

    Eine Studie des ZEW (Discussion Pa-per Nr. 11-009) untersucht für Deutsch-land die Beziehung zwischen der Finan-zierung von Forschung durch die Privat-wirtschaft und den Restriktionen, denen die Verbreitung der Ergebnisse unterwor-fen ist. Sie basiert auf einer Befragung

    von über 1.000 Wissenschaftlern an deutschen Universitäten und gemeinnüt-zigen außeruniversitären Forschungsein-richtungen.

    Die Ergebnisse zeigen einen stark posi-tiven Zusammenhang zwischen den Pub-likationsrestriktionen und dem Anteil der Finanzierung durch die Privatwirtschaft. So ist der Anteil der Forscher, die sich ei-nem höheren Ausmaß an Restriktionen gegenüber sehen, mit 41 Prozent signifi-kant höher als er es für Forscher mit an-deren Finanzierungsquellen ist (sieben Pro-zent). Eine Erhöhung des Finanzierungs-anteils durch die Privatwirtschaft um zehn Prozent wirkt sich so beispielsweise durch eine um 4,4 Prozent erhöhte Wahrschein-lichkeit von Restriktionen aus. Dieser Problematik muss sich die Forschungs- und Innovationspolitik stellen, sofern sie auch weiterhin ein offenes Wissen-schaftssystem bewahren möchte.

    Prof. Dr. Dirk Czarnitzki, [email protected] Prof. Dr. Christoph Grimpe, [email protected]

    Prof. Andrew Toole, Ph.D., [email protected]

  • ZEWnews Juni 2011 | 3

    F O R S C H U N G S E R G E B N I S S E

    Steueranreize wirken sich positiv auf FuE und Patentanmeldungen ausGezielte steuerliche Anreize stärken den Forschungsstandort Deutsch-land. Sie verbessern die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und schaffen und sichern Arbeitsplätze.

    Steueranreize motivieren vor allem klei-nere Unternehmen (gemessen an der Bi-lanzsumme und der Anzahl der Mitarbei-ter), die bisher nicht forschen, zu Investi-tionen in Forschung und Entwicklung (FuE). Sie wirken aber auch generell der Verlage-rung von FuE-Aktivitäten ins Ausland ent-

    gegen, indem sie den nationalen For-schungsstandort attraktiver machen. Ak-tuelle Berechnungen (ZEW Discussion Paper Nr. 11-024) am ZEW zeigen, dass bereits eine Steuergutschrift von zehn Pro-zent auf die Ausgaben eines Unterneh-mens für FuE die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen in FuE investiert und ein Patent anmeldet, um elf Prozent erhöht.

    Dies ist vor allem mit Blick auf die klei-neren Unternehmen und ihr Investitions-verhalten von Bedeutung. Sie bilden die breite Masse der deutschen Wirtschaft, sind oftmals aber nicht in FuE-Aktivitäten involviert. Wenn Steuergutschriften in dem vorab genannten Umfang dazu füh-ren, dass kleinere Unternehmen, die bis-her nicht in FuE investieren, FuE-Aktivitä-ten aufnehmen, so ist dies von großem

    Nutzen für die deutsche Wirtschaft. Es er-öffnet sich die Chance zu verstärkter Inno-vation und mit den daraus hervorgehen-den neuen oder verbesserten Produkten und Dienstleistungen werden Produktivi-tät und Wachstum gestärkt. Das Instru-ment der steuerlichen Förderung von FuE

    ist daher ohne Zweifel ein probates Mittel zur Förderung des Forschungsstandorts Deutschland, das genutzt werden sollte.

    Niedrigere Ertragssteuern

    Doch nicht nur die Einführung von Steu-ergutschriften auf FuE-Ausgaben hätten einen positiven Effekt für den Forschungs-standort Deutschland, sondern auch nied-rigere Ertragssteuern. Sie wirken sich günstig auf den Verbleib immaterieller Wirtschaftsgüter und hier vor allem von Patenten in Deutschland aus. Untersucht wurde dieser Effekt für Österreich, Belgien, Tschechien, Deutschland, Dänemark, Spa-nien, Finnland, Frankreich, Großbritanni-en, Griechenland, Irland, Portugal, Ungarn, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwe-

    gen, Polen, Schweden und die Slowakei. In sechs dieser Länder, in Deutschland, Dänemark, Finnland, Schweden, der Slo-wakei und Norwegen, gibt es keine, allen Unternehmen offen stehenden steuerli-chen Anreize für FuE.

    Steigende Patentanmeldungen

    Eine Analyse aller zwanzig Länder zeigt, dass die Verringerung des kombi-nierten tariflichen Ertragssteuersatzes für Kapitalgesellschaften um zehn Prozent-punkte die durchschnittliche Anzahl der Patentanmeldungen eines Unternehmens in diesen Ländern um 0,09 erhöht. Dies würde bedeuten, dass auf jeweils 1.000 Patentanmeldungen 90 zusätzliche Pa-tentanmeldungen kämen. Betrachtet man ausschließlich die Reaktion der Unterneh-men in den Ländern, in denen es bereits Steueranreize für FuE gibt, so fällt dieser Effekt mit 0,14 (zusätzliche 140 Paten-tanmeldungen pro 1.000) sogar noch stärker aus. Bei länderübergreifenden Forschungskooperationen liegt das Plus bei den zusätzlichen Patentanmeldungen bei rund 0,11 (110 zusätzliche Patente). Hier wirkt sich möglicherweise positiv aus, dass Erfindungen in diesen Fällen dort angemeldet werden können, wo die günstigsten steuerlichen Bedingungen gegeben sind. Am stärksten ist der Er-tragssteuereffekt mit 0,17 (zusätzliche 170 Patentanmeldungen pro 1.000) bei Firmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern. Sie sind durch ihre internationale Stand-ortverteilung bestens in der Lage, FuE-Aktivitäten und Patenterträge unter steu-erlichen Aspekten optimal zu verteilen.

    Die Berechnung der Effekte steuerli-cher Anreize auf die FuE-Investitionen und die Patentanmeldungen von Firmen basieren auf Daten der Jahre 1998 bis 2007, die das Europäische Patentamt in seinem European Patent Bulletin veröf-fentlicht, sowie Informationen der euro-päischen Firmendatenbank AMADEUS.

    Christof Ernst, [email protected] Prof. Dr. Christoph Spengel, [email protected]

    Die steuerliche Förderung von FuE würde insbesondere auch kleine Unternehmen zum Forschen motivieren.

    Foto: BASF

  • Individualsoftware fördert Innovationskraft von Dienstleistungsunternehmen Firmen, die speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Unternehmens-software einsetzen, sind innovativer als Wettbewerber, die vor allem auf standardisierte Software setzen. Dies zeigt eine Untersuchung des ZEW unter Unternehmen des Dienstleistungssektors.

    Unternehmenssoftware dient der Pla-nung, Unterstützung und Steuerung be-trieblicher Prozesse. Dabei wird in bran-chenspezifische Software (Branchensoft-ware) und unternehmensspezifische Soft-ware (Individualsoftware) unterschieden. Branchensoftware dient der Bearbeitung, Speicherung und Bildung von Wissen so-wie zur Aufbereitung und Darstellung von Informationen und ist gleichzeitig essen-tiell für die Bereitstellung von Dienstleis-tungen in bestimmten Branchen. Zu den-ken ist hier beispielsweise an spezielle Software zum Zeichnen von Plänen für Architekten oder an Software, die Steuer-berater bei der Erstellung der Steuererklä-rung unterstützt.

    Neben den Möglichkeiten dieser „standardisierten“ Branchensoftware bie-tet Individualsoftware den Unternehmen darüber hinaus die Möglichkeit, langfris-tige Erfahrungen und Wissen in die Ent-wicklung der Software einzubinden und sie dadurch optimal auf die Bedürfnisse eines Unternehmens zuzuschneiden.

    Eine Studie des ZEW (Discussion Paper Nr. 10-100) geht der Frage nach, wel-chen Einfluss Branchensoftware und In-dividualsoftware auf die Innovations-leistung von Unternehmen des Dienst-leistungssektors haben. Die Studie ba-siert auf Informationen der Konjunktur-umfrage unterv den Dienstleistern der Informationsgesellschaft, die regelmä-ßig von ZEW in Zusammenarbeit mit Cre-ditreform durchgeführt wird. Die Dienst-leister der Informationsgesellschaft um-fassen zum einen Dienstleistungsunter-nehmen der Informations- und Kommu-nikationsbranche, etwa Softwareerstel-lung, Handel mit Computern und Soft-ware sowie Telekommunikation. Zum anderen gehören Unternehmen wis-sensintensiver Branchen wie beispiels-weise Steuerberatung und Wirtschafts-prüfung oder Werbung dazu. Insgesamt wertet die Studie Informationen zu 335 Unternehmen aus.

    Die Schätzungen des ZEW zeigen, dass der Einsatz von „handelsüblicher“ Bran-

    chensoftware keinen Einfluss auf die In-novationsleistung der Unternehmen hat. Dagegen weist der Einsatz von Individu-alsoftware einen positiven und signifi-kanten Zusammenhang mit Innovationen im Dienstleistungssektor auf. Im Ver-gleich zu Firmen, die keine Individualsoft-ware nutzten, liegt die Wahrscheinlich-keit, eine Innovation hervorzubringen für Dienstleister, die speziell auf ihre Bedürf-nisse zugeschnittene Software einsetz-ten, um 19 Prozent höher.

    Aufbau eigener IT-Fachkenntnisse

    Diese Ergebnisse bestätigen die Erwar-tungen. Denn Unternehmen, die Individu-alsoftware nutzen, haben die Möglich-keit, durch die aktive Teilnahme am Her-stellungsprozess der Software, eigenes IT-Fachwissen aufzubauen. Die daraus resultierende Optimierung der betriebli-chen Prozesse und des Zeitmanagements ermöglicht wiederum eine verstärkte Fo-kussierung auf die Entwicklung neuer Dienstleistungen. Aufgrund dieser Vortei-le hat der Einsatz von Individualsoftware im Vergleich zur Branchensoftware, die als „Standardpaket“ zu haben ist, eher das Potenzial, die Innovationstätigkeit von Unternehmen zu unterstützen.

    Benjamin Engelstätter, [email protected] Miruna Sarbu, [email protected]

    4 | ZEWnews Juni 2011

    F O R S C H U N G S E R G E B N I S S E

    Maßgeschneiderte Software verbessert die Innovationfähigkeit der Unternehmen im Dienstleistungsbereich.

    Foto: Digitalstock

    D I S C U S S I O N P A P E R S

    Nr. 11-033, Friedhelm Pfeiffer, Karsten Reuß: Human Capital Investment Strate-gies in Europe.Nr. 11-032, Irene Bertschek, Daniel Cer-quera, Gordon Jochem Klein: More Bits – More Bucks? Measuring the Impact of Broadband Internet on Firm Perfor-mance.Nr. 11-031, Wolfgang Buchholz, Michael Schymura: Intertemporal Evaluation Cri-teria for Climate Change Policy: The Basic Ethical Issues.

  • Sozialkompetentere Kinder sind im jungen Erwachsenenalter kürzere Zeit arbeitslosKindern mit höheren sozialen und geistigen Fähigkeiten im Grundschul-alter fällt es im jungen Erwachsenenalter leichter, aus Phasen der Arbeits-losigkeit wieder in Beschäftigung zu kommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung des ZEW.

    Eine Studie des ZEW (Discussion Paper Nr. 10-104) erforscht die Rolle von sozia-len und kognitiven Kompetenzen im Alter von sieben Jahren für die Fähigkeit, im späteren Erwerbsleben die Phase der ers-ten Arbeitslosigkeit zu überwinden. Hier-zu nutzt die Untersuchung Daten einer Langzeitstudie aus dem Vereinigten Kö-nigreich. Insgesamt werden Informatio-nen von 4.287 Personen des Jahrgangs 1958 ausgewertet, die zu verschiedenen Zeitpunkten im Leben, etwa im Alter von sieben, elf, 16 und 23 Jahren, untersucht und befragt wurden. Alle untersuchten Personen wurden noch vor dem 23. Le-bensjahr zum ersten Mal arbeitslos. Auf-schluss über die sozialen Kompetenzen der Untersuchten, etwa über das Verhal-ten gegenüber Mitschülern und Erwach-senen, geben Beurteilungen des Lehrers. Das Maß für die kognitiven Fähigkeiten, beispielsweise zu logischem Denkvermö-gen, Sprachkompetenz und der Fähigkeit, Informationen aufzunehmen und zu ver-arbeiten, setzt sich aus speziellen, in der Schule absolvierten Tests zusammen.

    Siebenjährige Mädchen mit höheren sozialen und kognitiven Fähigkeiten

    Eine erste deskriptive Analyse zeigt, dass die Mädchen im Alter von sieben Jahren tendenziell über stärker ausge-prägte gemessene soziale und auch kog-nitive Fähigkeiten verfügen. Im Durch-schnitt lag die Dauer der ersten Arbeits-losigkeit – auf die sich die Studie bezieht – für Frauen bei 4,7 Monaten und für Män-ner bei 4,3 Monaten. Die ökonometri-schen Berechnungen des ZEW machen deutlich, dass die Wahrscheinlichkeit, schneller eine Phase der Arbeitslosigkeit zu überwinden, höher ist, wenn bereits im Alter von sieben Jahren ein hohes Maß

    an sozialen und kognitiven Fähigkeiten ausgeprägt ist. Das Resultat bleibt auch dann bestehen, wenn Unterschiede in Bil-dungsabschlüssen, die ebenfalls mit hö-heren Fähigkeiten im Kindesalter zusam-

    menhängen, berücksichtigt werden. Dies gilt für Männer und Frauen. Bei Jungen ist dieser Zusammenhang am deutlichsten, wenn sie sehr niedrige soziale Kompeten-zen haben, wohingegen er bei Jungen mit hohen sozialen Fähigkeiten nicht mehr vorhanden ist.

    „Substitutionseffekt“ bei Männern

    Darüber hinaus zeigt sich bei Männern eine Art „Substitutionseffekt“. Je geringer die kognitiven Kompetenzen im Alter von sieben Jahren sind, umso stärker gehen hohe soziale Fähigkeiten in diesem Alter mit der Fähigkeit einher, als junger Er-wachsener wieder in Beschäftigung zu gelangen, und umgekehrt. Dieser positive

    Zusammenhang kann viele Ursachen ha-ben. Zum einen haben Studien gezeigt, dass Personen mit hohen Fähigkeiten in der Kindheit auch im Erwachsenenalter meist höhere Fähigkeiten haben, und diese könnten wiederum die Arbeitslosig-keitsdauer verkürzen. Zum anderen könn-te aber beispielsweise auch die Unter-stützung der Familie sowohl die Fähigkei-ten in der Kindheit als auch den Erfolg bei der Arbeitsplatzsuche beeinflussen. Um

    dieser Frage nachzugehen, werden unter anderem Informationen genutzt über den Bildungshintergrund der Eltern, die Fami-liengröße sowie gemeinsame Aktivitäten von Vätern und Müttern mit ihren Kindern. Die Ergebnisse bleiben jedoch auch unter Berücksichtigung von Unterschieden in diesen Familieneigenschaftn und beob-achtbaren Schulcharakteristika bestehen. Im Lichte der Debatten über das Ab-schneiden in internationalen Schülerleis-tungstests, die sich häufig auf Unter-schiede in kognitiven Fähigkeiten kon-zentrieren, liefert diese Studie somit wei-tere Hinweise darauf, dass auch die sozi-alen Fähigkeiten von Kindern nicht außer Acht gelassen werden dürfen.

    Verena Niepel, [email protected]

    ZEWnews Juni 2011 | 5

    F O R S C H U N G S E R G E B N I S S E

    Soziale Fähigkeiten von Kindern sollten nicht außer Acht gelassen werden.

    Foto: Digitalstock

  • 6 | ZEWnews Juni 2011

    Nachgefragt: Ist ein Abbau der deutschen Staatsverschuldung machbar?

    „Keynes ist im Aufschwung oft vergessen“ Deutschlands Konjunktur läuft wie geschmiert. Der Export bricht alle Rekor-de, der Aufschwung lässt die Arbeitslosigkeit weiter sinken und der Fiskus kann sich auf Steuermehreinnahmen in Milliardenhöhe einstellen. Wie realistisch die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte vor diesem Hin-tergrund ist, erklärt Dr. Friedrich Heinemann.

    Während der Wirtschaftskrise wurde das Wachstum mit milliardenschweren Konjunkturpaketen stimuliert. Warum muss der Staat nun den Hebel umlegen und in guten Zeiten sparen?

    Die deutsche Volkswirtschaft erlebt gerade das zweite Jahr mit einer außer-gewöhnlich hohen Wachstumsrate. Der daraus resultierende starke Zuwachs der Einnahmen ist erfreulich, kann aber nicht fortgeschrieben werden. Die europäi-schen und weltwirtschaftlichen Risiken bleiben hoch und Deutschland ist über den Euro-Rettungsschirm zum unver-zichtbaren Stabilitätsanker der Eurozone geworden. Daher müssen Bund und Län-der weiterhin die Defizite senken, auch um Vorsorge für schlechtere konjunk- turelle Zeiten zu schaffen. Es ist schon interessant, dass man von keynesiani-schen Ökonomen derzeit wenig hört: Eigentlich müssten die ja nun umfassen-de Sparprogramme fordern. Aber Keynes ist offenbar nur eine Leitfigur für den Ab-schwung („höhere Defizite!“), dessen Botschaft im Aufschwung („Schulden til-gen!“) dann vergessen wird.

    Wie sollten die Steuermehreinnahmen verwendet werden?

    Ein Schuldenabbau ist leider noch in weiter Ferne, es geht weiterhin um den Abbau von Defiziten, also um eine Ver-ringerung in den Fehlbeträgen der öffent-lichen Haushalte. Noch so hehre Ziele wie Bildung oder Energiesicherheit sind in Boomjahren keine Legitimation für neue Schulden. Die Interessen der jun-gen und nachfolgenden Generationen müssen in der Finanzpolitik genauso wie in der Umwelt- oder Bildungspolitik ge-wahrt bleiben.

    Die Schuldenkrise einiger Länder im Euroraum dauert an. Mit welchen Belas-tungen müsste der deutsche Steuerzah-ler rechnen, sollte es tatsächlich zur Um-schuldung einiger Länder kommen?

    Das kommt auf den Zeitpunkt an. Je länger die am Ende unausweichliche Umschuldung hinaus geschoben wird, desto höhere Kosten kommen auf die Steuerzahler in der gesamten Eurozone zu. Monat für Monat tilgen Griechen-land, Irland und Portugal derzeit Alt-schulden, die dann durch Kredite aus

    dem Griechenland-Kreditpaket und dem Euro-Rettungsschirm mit Garantien der Euro-Mitgliedstaaten und ihrer Steuer-zahler refinanziert werden. Monat für Monat wird somit das Risiko vom priva-ten in den öffentlichen Sektor verlagert. Ist am Ende eines Prozesses der ständig neuen Kreditlinien, etwa im Fall Grie-chenlands, die gesamte Schuld des Lan-des europäisiert und kommt dann erst

    ein Schuldenschnitt, dann kann das den deutschen Steuerzahler einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag kosten.

    Wie kann vermieden werden, dass die Schuldenkrise im Euroraum Deutsch-lands Wachstum und den Abbau der ei-genen Staatsverschuldung gefährdet?

    Es muss endlich zumindest für Grie-chenland eine geordnete Umschuldung in Angriff genommen werden, solange priva-te Gläubiger überhaupt noch in nennens-wertem Umfang Forderungen gegen die Problemstaaten haben. Sollte es dabei zur Gefährdung von einzelnen Banken kom-men, dann müssen diese eben wieder ge-stützt werden. Eine Stützung einzelner Kreditinstitute ist am Ende deutlich preis-werter zu haben als ein durch den Steuer-zahler finanzierter Schuldenerlass.

    Kathrin böhmer, [email protected] Friedrich Heinemann, [email protected]

    W I R T S C H A F T S P O L I T I S C H E A N A LY S E

    PD Dr. Friedrich Heinemann ist Leiter des Forschungs-bereichs Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft am ZEW. Seine Forschungsschwerpunk-te liegen im Bereich der empirischen Finanzwissenschaf-ten. Darüber hinaus untersucht er Fragestellungen des Fiskalwettbewerbs und Föderalismus in Europa. Von der Universität Heidelberg wurde Heinemann im Jahr 2010 die Lehrbefugnis im Fach Volkswirtschaftslehre erteilt. Neben seinem Engagement in verschiedenen wissen-schaftlichen Arbeitsgemeinschaften ist Heinemann un-ter anderem Vorstandsmitglied des Arbeitskreises Europäische Integration e.V. und Mitglied im Wissenschaftlichen Direktorium des Instituts für Europäische Politik, Berlin.

    Foto: ZEW

    Foto: Digitalstock

    Der Staat darf nicht länger das Geld mit vollen Händen ausgeben.

    Foto: Digitalstock

  • ZEWnews Juni 2011 | 7

    W I R T S C H A F T S P O L I T I S C H E A N A LY S E

    Die Überschuldung deutscher Haushalte ist im europäischen Vergleich eher geringZwar wird die Überschuldung privater Haushalte häufig thematisiert. Dennoch sind länderübergreifende Aussagen schwierig zu treffen, da der Sachverhalt europaweit nicht einheitlich definiert und gemessen wird.

    Um die Überschuldung privater Haus-halte zu erfassen, können grundsätzlich objektive, subjektive sowie administrati-ve Maße herangezogen werden. Objektive Maße setzen häufig Kredit und Einkom-men der Haushalte ins Verhältnis, für sub-jektive Kennzahlen werden Haushalte di-rekt zu ihren Einschätzungen über ihre finanzielle Situation befragt. Administra-tive Verschuldungsmaße ergeben sich aus amtlichen Statistiken, beispielsweise zu Gerichtsverfahren, haben aber den Nachteil, dass nur die gravierendsten Fäl-le erfasst sind. Ein Haushalt ist streng ge-nommen aber schon dann zu hoch ver-schuldet, wenn die Einkommensströme und das Vermögen nicht genügen, um den Zahlungsverpflichtungen bei Beibehal-tung des gewohnten Lebensstandards nachzukommen.

    Beurteilt man die Überschuldung in verschiedenen Staaten anhand des An-teils privater Haushalte, die mit verschie-denen Zahlungsverpflichtungen im Ver-zug sind (objektiver Indikator), wird die Auswirkung der Finanzmarktkrise deut-

    lich: das gesamteuropäische Bild hat sich leicht verschlechtert (siehe Abbildung 1). Der mit Bevölkerungszahlen gewichtete Durchschnitt der Zunahme der Überschul-dung für die Länder der EU-15 beläuft sich auf 0,6 Prozentpunkte. Für die Beitritts-

    länder der EU-Osterweiterung ist die Lage sehr gemischt. Grundsätzlich sind die Haushalte in den neuen Mitgliedstaaten doppelt so häufig überschuldet wie die Haushalte in den Ländern der EU-15. So betragen die mit den Einwohnerzahlen gewichteten mittleren Überschuldungs-quoten 18,4 Prozent für die im Jahr 2004 der EU beigetretenen Länder und 9,3 Pro-zent für die Länder der EU-15.

    Subjektive Überschuldung abhängig von Einstellung zu Konsum auf Kredit

    Die Überschuldungszunahme fällt mit durchschnittlich 3,2 Prozentpunkten für die Beitrittsländer höher aus. Dies hängt vorwiegend mit der Einkommenssituation der Haushalte zusammen. Jedoch spielen auch weitere Faktoren eine Rolle, denn wäre das Einkommen die einzige Einfluss-größe, müsste die subjektive Überschul-dung immer geringer sein, wenn das Ein-kommen höher ist. Wie in Abbildung 2 erkennbar, ist dies jedoch nicht immer der Fall. Beispielsweise ist das Bruttoin-landsprodukt (BIP) pro Kopf in Österreich gemessen in Kaufkraftstandards höher als das Pro-Kopf-BIP in Deutschland. Den-noch fühlen sich mehr Österreicher als

    Abbildung 1: Anteil der überschuldeten Haushalte in den EU-Staaten Vergleich der Jahre 2009 und 2008

    Lesehilfe: Etwa sechs Prozent der privaten Haushalte in Deutschland sind überschuldet. Als überschuldet werden die Haushalte berücksichtigt, die mit ihren fälligen Zahlungen für Ratenkäufe, Bankkredite, Hypotheken- oder Mietzahlungen und Zahlungen an Energieversorger aufgrund finanzieller Schwierigkeiten in Rückstand gekommen sind. Die Farben fassen Länder in Überschuldungsklassen zusammen. Je dunkler, je höher der Anteil der überschuldeten Haushalte. Quelle: ZEW, EU-SILC.

    In Deutschland stehen die Konsumenten dem Einkauf auf Kredit eher ablehnend gegenüber.

    Foto: Digitalstock

  • 8 | ZEWnews Juni 2011

    Deutsche unfähig, finanziell zurechtzu-kommen. Ein anderer Faktor, der die sub-jektive Überschuldung beeinflussen kann, ist beispielsweise die Einstellung der Verbraucher gegenüber der Finanzie-rung des Konsums auf Kredit. So halten gemäß einer Umfrage von Eurobarometer drei Viertel der deutschen Haushalte Ein-kaufen auf Kredit eher für gefährlich als nützlich. Lediglich in den Niederlanden

    wird diese Meinung noch häufiger vertre-ten (von 87 Prozent der Niederländer), wohingegen etwa im Vereinigten König-reich mehr als die Hälfte der Konsumen-ten Kredite als eher nützlich einschätzt.

    Um den Grad der Überschuldung ein-zudämmen, gibt es verschiedene regula-torische Maßnahmen. In einer Befragung verschiedener Interessengruppen*, wird die Effektivität dieser Maßnahmen je-

    doch unterschiedlich beurteilt. So waren sich Kreditanbieter und Verbraucherorga-nisationen lediglich darüber einig, dass die Möglichkeit, Kredite immer wieder zu verlängern, eingeschränkt werden sollte, um dadurch das Abdriften in die Über-schuldung zu verringern. Nach Einschät-zung der befragten Verbraucherorganisa-tionen stellen auch alle anderen Maß-nahmen, etwa Zinsobergrenzen, die Aus-weitung der Angabepflichten über die Kreditkonditionen, die Möglichkeit zur Privatinsolvenz und höheren Standards für die verantwortungsvolle Kreditverga-be, wirksame Instrumente zur Eingren-zung von Überschuldung dar. Die Mei-nungen der Anbieter von Krediten hinge-gen sind weniger eindeutig. Teils werden die Maßnahmen schlicht als weitgehend nutzlos eingestuft oder sogar als nach-teilig eingeschätzt.

    Lena Jaroszek, [email protected]

    W I R T S C H A F T S P O L I T I S C H E A N A LY S E

    Michael Schröder, Marcus Kappler, Friedrich Heinemann, Khaled Al Syed Desouki, Rashed Ali Al Zaabi, Stephan Reichert, Shorooq Abdulla Al Zaabi, Holger Bonin und Wolfgang Franz (von links).

    Foto: ZEW

    *Die Befragung war Teil der Studie „ Study on Interest Rate Restrictions in the EU“, die das ZEW und das institut für finanzdienstleistungen (iff) im Auftrag von der Europäischen Kommission erstellt haben. Die Studie findet sich im Internet unter: http://ec.europa.eu/internal_market/finservices-retail/docs/credit/irr_report_en.pdf

    Wissenschaftsdelegation aus Abu Dhabi zu Gast am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

    Das ZEW begrüßte Mitte Mai 2011 eine dreiköpfige Delegation des Abu Dhabi De-partment of Economic Development aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Delegation diskutierte mit dem Präsiden-ten des ZEW, Prof. Dr. Dr. h.c. mult Wolf-gang Franz und den Leitern der ZEW For-schungseinheiten Internationale Finanz-märkte und Finanzmanagement, Arbeits-märkte; Personalmanagement und Sozi-ale Sicherung, Unternehmensbesteue-rung und Öffentliche Finanzwirtschaft so-wie Wachstums- und Konjunkturanalysen. Ziel des Gesprächs war es, gemeinsame Forschungsgebiete und -interessen zu identifizieren sowie mögliche künftige Kooperationsfelder in der wissenschaft-lichen Arbeit auszuloten.

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    Abbildung 2: Eigene Einschätzung der Haushalte finanziell über die Runden zu kommen (2009)

    Lesehilfe: Obwohl in den baltischen Staaten das BIP pro Kopf ähnlich gering ausfällt, haben die Letten (LAT) größere Probleme, mit ihrem Einkommen auszukommen als etwa die Menschen in Estland (EST). Quelle: ZEW, EU-SILC, Eurostat

  • ZEWnews Juni 2011 | 9

    K O N F E R E N Z E N

    Konferenz zur Innovations- und Patentforschung Am 19. und 20. Mai 2011 fand zum vierten Mal die Konferenz zur Inno-vationsökonomik und Patentforschung am Zentrum für Europäische Wirt-schaftsforschung statt. Es war gleichzeitig die Abschlusskonferenz des von der EU finanzierten COST Forschungsnetzwerks STRIKE.

    Mehr als 110 Wissenschaftler aus Euro-pa, Nordamerika, Asien und Australien besuchten die Konferenz. Die hohe Repu-tation, die die sie in der Fachwelt genießt, spiegelte sich in den über 170 eingereich-ten Forschungsbeiträgen wider, von de-nen 48 zur Vorstellung auf der Konferenz ausgewählt wurden.

    Die Konferenz deckte ein breites The-menspektrum an theoretischen und em-pirischen Beiträgen ab. Es reichte von der Finanzierung und den Anreizen zur Durch-führung von Innovationsaktivitäten in Un-ternehmen über Einflussgrößen auf den Innovationserfolg bis zur Analyse koope-rativer Forschung durch Unternehmen mit wissenschaftlichen Einrichtungen. Weite-re Vorträge beschäftigten sich mit der Rol-le des Wissenschaftlers als Erfinder und untersuchten Motivation, Produktivität und andere Einflussgrößen. Ein vom Co-Reach Netzwerk organisierter Workshop fokussierte verschiedene Aspekte von In-novationsaktivitäten in China. Darüber hinaus wurden der Wert von Patenten, das strategische Verhalten von Unterneh-men hinsichtlich ihrer Patentanmeldun-gen sowie eine effiziente Ausgestaltung

    des Patentwesens diskutiert. Im Rahmen von Plenumsvorträgen stellten führende Wissenschaftler ihre neuesten Forschungs-ergebnisse auf dem Gebiet der Innovati-onsökonomik vor. Mark Schankerman von der London School of Economics zeigte am Beispiel der Vereinigten Staaten, dass sich von Universitäten generiertes Wissen häufig lediglich lokal verbreitet. Paula Stephan von der Georgia State University stellte in ihrem Vortrag neue Forschungs-ansätze im Bereich der Wissenschafts-ökonomie vor, etwa auf dem Gebiet der bisher weitgehend unbekannten Rolle von Ausstattung und Material für die For-schungspraxis.

    Strategien etablierter Unternehmen

    Frank T. Rothaermel (Georgia Institute of Technology) referierte über die Innova-tionsstrategien von etablierten Unterneh-men, mit deren Hilfe auf technologische Entwicklungen im Markt reagiert werden soll. Einen Überblick über die 20 wichtigs-ten Entwicklungen in der Innovationsfor-schung der vergangenen 50 Jahre gab Ben Martin (Science and Technology Policy

    Research, Brighton). Ferner lieferte er einen Abriss über den Einfluss von wis-senschaftlichen Studien auf die Wissen-schaftspolitik. Im Rahmen einer Diskussi-onsrunde wurde der Prozess von der Lissa-bon-Strategie zu „Europa 2020“ erörtert.

    Von „Lissabon“ zu „Europa 2020“

    Im Mittelpunkt standen dabei vor allem Möglichkeiten für die Verwirklichung eines europäischen Forschungsraums. Walter Mönig (Bundesministerium für Bildung und Forschung) diskutierte aus der Perspektive eines Mitgliedsstaates, Agust Ingthorsson (Universität Island) vertrat die Sicht eines Drittstaates, Christian Tidona (Biotech Cluster Heidelberg) die Unternehmenssicht und Reinhilde Veugelers (Katholieke Uni-versiteit Leuven) sprach aus ökonomischer Perspektive. Moderiert wurde die Diskus-sion von Marianne Paasi (EU Kommission).

    Die Harmonisierung des europäischen Patentsystems mit einem Schwerpunkt auf dem von der EU geplanten Gemeinschafts-patent war Gegenstand einer weiteren Dis-kussionsrunde, die von Dietmar Harhoff (Ludwig-Maximilians-Universität München und Expertenkommission Forschung und Innovation) moderiert wurde. Als Teilneh-mer konnten die Chefökonomen von drei Patentämtern gewonnen werden: Nikolaus Thumm (Europäisches Patentamt), Tony Clayton (Britisches Patentamt) und Stuart Graham (US Patentamt). Die Diskussion zeigte, dass es noch erheblichen Harmo-nisierungsbedarf hinsichtlich der Aufga-benteilung von nationalen und europäi-schen Patentämtern gibt.

    Die Konferenz fand mit finanzieller Un-terstützung der Europäischen Forschungs-netzwerke STRIKE (Science and Technolo-gy Research in a Knowledge-Based Eco-nomy) und CAED (Comparative Analysis of Enterprise Data) statt. Darüber hinaus unterstützte das Mannheimer Netzwerk MACCI (Mannheim Centre for Competition and Innovation) die Veranstaltung.

    Die Konferenzbeiträge finden sich im Internet unter: www.zew.de/innovation-patenting2011

    Dr. Birgit Aschhoff, [email protected] Christian Köhler, [email protected]

    Agust Ingthorsson, Reinhilde Veugelers, Marianne Paasi, Walter Mönig und Christian Tidona (von links) diskutierten über den Weg von der Lissabon-Strategie der EU zu „Europa 2020“.

    Foto: ZEW

  • 10 | ZEWnews Juni 2011

    ZEW-Wissenschaftler mit Klaus-Liebscher-Preis der Oesterreichischen Nationalbank ausgezeichnet

    Das am ZEW entstandene Papier „Can Regional Transfers Buy Public Support? Evidence from EU Structural Policy“ wur-de mit dem Klaus-Liebscher-Preis der Oesterreichischen Na-tionalbank (OeNB) ausgezeichnet. Der Preis wurde dem Au-tor Steffen Osterloh im Rahmen der 39. Volkswirtschaftlichen Tagung der OeNB in Wien durch deren Präsidenten Claus J. Raidl übergeben. Der Klaus-Liebscher-Preis ist die höchste Auszeichnung der OeNB für Nachwuchswissenschaftler und wird jährlich an maximal zwei Arbeiten vergeben, die sich mit Themen aus den Bereichen der europäischen Integration und der Wirtschafts- und Währungsunion beschäftigen. Er ist mit einer Prämie von je 10.000 Euro verbunden. In seinem Papier untersucht Osterloh den Einfluss der Regi-onaltransfers im Rahmen der EU-Kohäsionspolitik auf die Zustimmung der Bürger zur Europäischen Union. Er findet heraus, dass die Bevölkerung in stärker geförderten Regionen eine positivere Einstellung zur EU aufweist. Die Wahrnehmung dieser För-derung hängt jedoch stark von dem Bildungshintergrund der Bürger ab und sie schlägt sich, in Abhängigkeit von ihrer Informationsquelle, in unterschiedlichem Ausmaß auf ihre Meinung nieder.

    Z E W I N T E R N T E R M I N E

    Konferenz des Leibniz-Netzwerks ReCapNetAm 14. und 15. Oktober 2011 findet die dritte interdisziplinäre Konferenz des Leibniz-Netzwerks „Immobilienmärkte und Kapitalmärkte“ (ReCapNet) am ZEW in Mannheim statt. ReCapNet untersucht die Wechselwirkungen zwischen Immo-bilienmärkten und Kapitalmärkten. Die englischsprachige Konferenz richtet sich an Wissenschaftler aller Disziplinen, die zum genannten Themenfeld forschen. Im Mittelpunkt der Konferenz stehen unter anderem die Verflechtung von Immobil-ienmärkten und Kapitalmärkten, das Fi-nanzverhalten und die Stabilität von Im-mobilienmärkten, die Regulierung von Kapitalmarktinstrumenten des Immobil-ienmarktes sowie neue Eigentumsstruk-turen auf dem Wohnungsmarkt.

    Informationen zur Konferenz und zum Netz-werk finden sich unter www.recapnet.org

    Gerechtigkeitswahrnehmung von Steuer- und Sozialsystem- reformenAngesichts des demografischen Wandels und der Globalisierung besteht ein enor-mer Reformdruck im Bereich der Steuer- und Sozialsysteme. Jedoch stoßen Refor-men häufig auf Widerstand seitens der Wähler. Vor diesem Hintergrund befasst sich die Studie mit der Relevanz der Ge-rechtigkeitsdimension bei der Beurtei-lung von Reformmaßnahmen. In einer Viel-zahl von Experimenten und ökonometri-schen Analysen wird nachgewiesen, dass die wahrgenommene Gerechtigkeit einen wesentlichen Beitrag zur Erklärung von Reformwiderständen leistet. Die empi-rischen Einsichten zeigen aber auch, auf welche Weise die Gerechtigkeitsdimen-sion stärker in die wirtschaftspolitische Debatte und auch in die Analysen und die Kommunikation von Reformprozessen ein-fließen kann.

    ZEW Wirtschaftsanalysen, Band 100, Nomos-Verlag, Baden-Baden, 2011,ISBN 978-3-8329-6650-8

    Z E W W I R T S C H A F T S A N A LY S E N

    Prof. Dr. Thomas Glauben, Prof. Dr. Karl Ulrich Mayer (Präsident der WGL ), Prof. Dr. Heiderose Kilper, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Franz (von links).

    Foto: ZEW

    Foto: ZEW

    Prof. Dr. Heiderose Kilper zur neuen Sprecherin der Sektion B der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz gewählt

    Anlässlich der Sitzung der Sektion B der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wil-helm Leibniz (WGL) am ZEW in Mannheim, fanden Ende Mai turnusgemäß die Neu-wahlen der Sprecherin und des stellvertretenden Sprechers der Sektion statt. Der der-zeitige Sektionssprecher und Präsident des ZEW, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Franz wird nach zweijähriger Amtszeit ausscheiden. Ab Mitte des Jahres wird die Sprecher-funktion von Frau Prof. Dr. Heiderose Kilper, Direktorin des Leibniz-Institut für Regio-nalentwicklung und Strukturplanung in Erkner, ausgeübt. Das Amt des Stellvertreten-den Sektionssprechers wird ab diesem Zeitpunkt von Herrn Prof. Dr. Thomas Glauben, Geschäftsführender Direktor des Leibniz-instituts für Agragrentwicklung in Mittel- und Osteuropa in Halle (Saale) wahrgenommen.

  • ZEWnews Juni 2011 | 11

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    Laufende Ausgaben für Innovationen (in Mrd. €)

    Investive Ausgaben für Innovationen (in Mrd. €)

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    Saldo der positiven und negativen Einschätzungen bezüglich der kurzfristigen Zinsen im Euro-raum in sechs Monaten. Quelle: ZEW

    Saldo der positiven und negativen Einschätzungen bezüglich der Konjunkturerwar tungen im Euroraum. Quelle: ZEW

    Quelle: ZEW * Planzahlen vom Frühjahr/Sommer 2010 Quelle: ZEW, Mannheimer Innovationspanel

    D A T E N U N D F A K T E N

    ZEW-Finanzmarkttest im Mai 2011

    EZB: Restriktive Geldpolitik erwartetÜber neunzig Prozent der vom ZEW befragten Experten rechnen damit, dass in der Eurozone die kurzfristigen Zinsen auf Sicht ei-nes halben Jahres wieder steigen. Damit sind die Erwartungen be-züglich einer Zinserhöhung durch die EZB deutlich ausgeprägter als beispielsweise in Bezug auf die US-amerikanische Notenbank Federal Reserve. Eine Konsequenz der restriktiveren Haltung, die der EZB im Vergleich zu ihrem amerikanischen Pendant zuge-schrieben wird, dürfte sich in den unterschiedlichen Inflationser-wartungen für diese beiden Währungsräume manifestieren.

    Christian D. Dick, [email protected]

    Eurozone: Wirtschaftliche Lage hellt sich aufDer Saldo zur Einschätzung der aktuellen Lage in der Eurozone ist im Mai um 8,0 Punkte auf 13,6 Punkte gestiegen. Dass die vom ZEW befragten Experten die Lage der Eurozone wieder positiver bewerten, dürfte mit den guten Wirtschaftsdaten des ersten Quar-tals 2011 aus Deutschland zusammenhängen: Die deutsche Wirt-schaft ist nach ersten Schätzungen im ersten Quartal 2011 um 1,5 Prozent gewachsen. Der Ausblick für die Entwicklung der Konjunk-tur in der Eurozone auf Halbjahrssicht fällt indes gedämpft aus: der entsprechende Indikator sinkt um 6,1 Punkte auf 13,6 Punkte.

    Christian D. Dick, [email protected]

    Moderate Entwicklung bei der Binnenschifffahrt

    Elektroindustrie bleibt auch in der Krise auf Innovationskurs

    Die Binnenschifffahrt ist traditionell der Transportmarkt, dessen Wachstumsperspektiven eher zurückhaltend eingeschätzt wer-den. Aktuell erwarten rund 45 Prozent der befragten Experten im Binnen- und im Westeuropaverkehr stabile Mengen. Rund 46 Prozent rechnen mit einem schwachen Wachstum. Nur im Ver-kehr mit Osteuropa sind die Erwartungen deutlich moderater. Hier gehen 66 Prozent der Befragten von stabilen Mengen aus. Auch bei den Frachtraten in der Binnenschifffahrt erwartet eine deutliche Mehrheit der Experten weiterhin stabile Preise: Im Binnenverkehr 55 und im Osteuropaverkehr sogar 62 Prozent.

    Dr. Claudia Hermeling, [email protected]

    Trotz des starken Umsatzeinbruchs in der Elektroindustrie im Krisenjahr 2009 wurde bei den Innovationsausgaben nur wenig gespart. Die laufenden Ausgaben für neue Produkte und Prozes-se, die vor allem Ausgaben für Forschung und Entwicklung um-fassen, lagen 2009 mit 10,7 Milliarden Euro sogar über Vorjah-resniveau. Gekürzt wurden die investiven Ausgaben für neue Anlagen und Geräte. Gemessen als Anteil am Umsatz stieg die „Innovationsintensität“ auf 9,6 Prozent kräftig an. Für 2010 war ein Anstieg der Innovationsausgaben auf Vorkrisenniveau in Aussicht gestellt worden. 2011 sind weitere Zuwächse geplant.

    Dr. Christian Rammer, [email protected]

  • 12 | ZEWnews Juni 2011

    KlimaNicht nur Prognosen über die künftige wirtschaftliche Entwicklung unterlie-gen erheblichen Unsicherheiten, son-dern Vorhersagen seitens der Natur-wissenschaften ebenso und mit viel-leicht noch dramatischeren Konse-quenzen auf Grund von Fehleinschät-

    zungen. Wahre Horrorgemälde fertigten seinerzeit beispiels-weise Epidemiologen über die Verbreitung von Rinderwahnsinn und Schweinegrippe über die zu erwartenden Todesopfer an. Nachher las man es Gott sei Dank anders.

    Sollten wir bei den Vorausberechnungen über das Eintreten und die Folgen eines anthropogen verursachten Klimawandels da-rauf setzten, dass sich die Naturwissenschaftler abermals irren, zumal ihre Erkenntnisse hinsichtlich der Folgen des Klimawan-dels unter den Experten nicht unumstritten sind? Das wäre eine zu riskante Strategie. Denn falls die Mehrheit der Klimaforscher recht behält und wir nichts tun, kommt uns das vermutlich teu-rer zu stehen als wenn wir etwas unternehmen, das sich später als unnötig herausstellt.

    Wenn es darum geht, die Herausforderungen des Klimawandels zu meistern, verfügen wir über zwei Optionen, die sich indessen nicht ausschließen. Die Vermeidungsstrategie wird derzeit be-trieben und hat die Verhinderung des Klimawandels zum Ziel. Hingegen besteht der Zweck einer Anpassungsstrategie in der Minimierung der Schäden des Klimawandels.

    Das Problem mit der Vermeidungsstrategie folgt daraus, dass die Reduzierung des weltweiten Temperaturanstiegs ein globales öffentliches Gut darstellt, von dessen Nutzung niemand ausge-schlossen werden kann. Das erhöht die Gefahr eines Trittbrett-fahrerverhaltens einer Reihe von Staaten. Von Lippenbekennt-nissen abgesehen unterlassen sie kostspielige Maßnahmen des Klimaschutzes und kommen gleichwohl in den Genuss der Be-mühungen anderer Länder. Das erklärt, warum es mit interna-tionalen Klimavereinbarungen nicht vorangeht, wie die beiden vergangenen Treffen in Cancun und Kopenhagen belegen. So gesehen birgt die Vorreiterrolle für ein Land erhebliche Risiken, wenn die Verursacherbetriebe in Länder mit geringeren Kli-

    maschutzauflagen abwandern. Dann aber erwischt das Vorreit-er-Land die schlechteste aller Welten, nämlich Beschäftigungs-verluste bei weltweit unverändertem CO2-Ausstoß. Schließlich zeichnet sich die derzeitige CO2-Vermeidung durch horrend kostenträchtige Ineffizienzen aus. Zwar wurde löblicherweise ein Handel mit Emissionszertifikaten eingeführt, der jedoch ei-gentlich diverse andere Maßnahmen, wie etwa die Solarener-gieförderung, weitestgehend redundant macht, von der lächerli-chen Regulierung bezüglich Glühbirnen erst gar nicht zu reden.

    Die Anpassungsstrategie besitzt den Vorzug, lokale öffentliche Güter bereitzustellen, indem beispielsweise Deiche, Flutrinnen und Abwasserkanäle ausgebaut werden, die dann in erster Li-nie der betreffenden Region zugute kommen. Mitunter ist die Nutzung sogar ein privates Gut, wenn etwa Hausbesitzer Vor-sorge gegen Sturmschäden treffen. Damit geht vermutlich eine höhere Akzeptanz der Lasten von Anpassungsmaßnahmen ein-her. Allerdings werden Länder wie unter anderem mehrere afri-kanische Länder oder Bangladesch durch Dürre- beziehungs-weise Hochwasserkatastrophen besonders hart von der Klimaer-wärmung betroffen, einige werden schlicht untergehen, woran Vertreter der 83 pazifischen Inseln von Vanuatu die Staatenge-meinschaft seit längerem flehentlich erinnern. Die entwickelten Staaten werden sich dem Ruf nach Hilfeleistungen nicht ver-schließen können und dürfen.

    Vermeidungs- und Anpassungsstrategien schließen einander nicht aus. Ihre Kombination hängt mit der Einschätzung der Er-folgschancen der nächsten internationalen Klimaverhandlungen ab. Da hier ein gerüttelt Maß an Skepsis angebracht ist, sollte Deutschland mehr auf die Entwicklung einer Anpassungsstrat-egie setzen. Wenn andere Staaten mit einer ähnlichen Haltung aufwarten, veranlasst dies vielleicht die bisherigen Verweigerer-staaten eines wirksamen internationalen Klimaschutzabkom-mens zum Einlenken. Wie dem auch sein mag, eine Diskreditier-ung der Anpassungsstrategie als Feigheit oder schierer Egoismus ist von vorneherein abwegig.

    ZEW news – erscheint zehnmal jährlichHerausgeber: Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW) Mannheim, L 7, 1, 68161 Mannheim · Postanschrift: Postfach 103443, 68034 Mannheim · Internet: www.zew.de, www.zew.eu Präsident: Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Franz · Kaufmännischer Direktor: Thomas KohlRedaktion: Kathrin Böhmer · Telefon 0621/1235-103 · Telefax 0621/1235-222 · E-Mail [email protected] Gunter Grittmann · Telefon 0621/1235-132 · Telefax 0621/1235-222 · E-Mail [email protected] druck und son sti ge Ver brei tung (auch aus zugs wei se): mit Quel len an ga be und Zusen dung eines Beleg ex em pla rs © Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW), Mannheim, 2011

    S T A N D P U N K T