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Heidi Schelhowe, Isabel Zorn unter Mitarbeit von Silke Jahn ZIM @ School Offene und interdisziplinäre Lernkultur mit Digitalen Medien in Schule und Universität Abschlussbericht des von der Cornelsen-Stiftung geförderten Projektes 2. Projektjahr (12/2004 – 11/2005) AG DiMeB (Digitale Medien in der Bildung) Universität Bremen, Fachbereich Mathematik/Informatik Technologie-Zentrum Informatik Postfach 330440 28334 Bremen http://www.dimeb.de Bremen, im Dezember 2005

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Heidi Schelhowe, Isabel Zorn unter Mitarbeit von Silke Jahn

ZIM @ School

Offene und interdisziplinäre Lernkultur mit Digitalen Medien in Schule und Universität

Abschlussbericht des von der Cornelsen-Stiftung geförderten Projektes

2. Projektjahr (12/2004 – 11/2005) AG DiMeB (Digitale Medien in der Bildung) Universität Bremen, Fachbereich Mathematik/Informatik Technologie-Zentrum Informatik Postfach 330440 28334 Bremen http://www.dimeb.de Bremen, im Dezember 2005

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INHALTSVERZEICHNIS

Zusammenfassung..................................................................................4

Übersicht über die Tätigkeiten im Projekt ZIM@School .....................5

1 Einleitung: Digitale Medien und Lernen..........................................6 1.1 Zur Notwendigkeit des Wandels ..........................................................................6 1.2 Digitale Medien in der Lebenswelt Jugendlicher................................................6 1.3 Digitale Medien in der Schule ..............................................................................8 1.4 Zum Charakter Digitaler Medien ........................................................................10

1.4.1 Gemachtheit von und Machbarkeiten durch Digitale Medien.........................10 1.4.2 Experimenteller und systematischer Zugang.................................................10 1.4.3 Interaktionspartner ........................................................................................10 1.4.4 Kinder und Erfahrungen mit Digitalen Medien ...............................................11 1.4.5 Digitale Medien als evozierendes Lernmaterial .............................................11 1.4.6 Digitale Medien für die Dokumentation von Lernprozessen...........................11 1.4.7 Digitale Medien für Lernprozesse..................................................................11 1.4.8 Zusammenfassung........................................................................................12

1.5 Theoretischer Rahmen und Grundlagen des Projekts .....................................12 1.5.1 Dewey, Holzkamp und Papert als Hintergrund ..............................................12 1.5.2 Grundlagen und Zielsetzungen von ZIM@School .........................................15

2 Tätigkeiten im Rahmen des ZIM@School-Projektes im zweiten Projektjahr ..............................................................................................20

2.1 Transfer und Ausbau der Kooperation..............................................................20 2.2 ZIM@School Workshops und Vernetzung ........................................................21

2.2.1 Informations- und Vernetzungs-Workshop ....................................................21 2.2.2 Plattformen und Communities für Lehrer/innen .............................................22 2.2.3 Robotik-Workshops .......................................................................................24

2.3 ZIM@School: Unterrichtsprojekte .....................................................................28 2.3.1 Projektthema: Robots im Kunstunterricht ......................................................28 2.3.2 Projektthema: Kommunikation mit Lego Mindstorms.....................................29 2.3.3 Projekte WIKI-Technologie für den Schulunterricht .......................................29 2.3.4 Projekt Blogs .................................................................................................31 2.3.5 Projekte: Videofilme mit digitaler Filmschnitt-Software ..................................31 2.3.6 Projekt Kreativrätsel zum Erklären von Aufbau von Computergraphik...........32 2.3.7 Projekt MOO/MUD im Fremdsprachenunterricht: Kooperative Entwicklung einer virtuellen Abenteuerwelt zur Vermittlung einer Fremdsprache .............................33 2.3.8 Projektthema: Entwicklung einer Lernsoftware für den Musikunterricht .........33 2.3.9 Zusammenfassung........................................................................................34

2.4 Integration von Halbjahrespraktikant/innen......................................................34

3 Digitale Medien, Lehren und Lernen: Evaluierung der Unterrichtsprojekte ZIM@School.........................................................36

3.1 Zum methodischen Vorgehen............................................................................36 3.1.1 Zum leitfadengestützten Interview.................................................................37 3.1.2 Zur Gruppendiskussion .................................................................................38 3.1.3 Fragebogen...................................................................................................39 3.1.4 Auswertungsmethode....................................................................................39

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3.2 Empirische Ergebnisse aus den ZIM@School Unterrichtsprojekten: Zwischen Lebenswelt und Schule..................................................................................................40 3.3 Empirische Ergebnisse aus den ZIM@School Unterrichtsprojekten: Eigene Projekte durchführen und das Lernen lernen ..............................................................43 3.4 Empirische Ergebnisse aus den ZIM@School Unterrichtsprojekten: Was kann mit Digitalen Medien gelernt werden? ..........................................................................48 3.5 Empirische Ergebnisse aus den ZIM@School Unterrichtsprojekten: Lehrer/innen und Lehramtstudierende in einer (neuen) Lernkultur mit Digitalen Medien.............................................................................................................................51 3.6 Empirische Ergebnisse aus den ZIM@School Unterrichtsprojekten: Medienbildung ................................................................................................................54

4 Zusammenfassung, Konsequenzen und Empfehlungen............58 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse...................................................................58 4.2 Konsequenzen und Empfehlungen ...................................................................61

Literatur ..................................................................................................63

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Zusammenfassung Aus dem Projekt ZIM@School haben wir deutliche Hinweise gewonnen, dass Kinder und Jugendliche Digitale Medien dort, wo sie ihnen in der Schule begegnen, mit neuen Formen von Lernen verbinden. Dies wird jedoch häufig nicht als Lernen wahrgenommen, weil es Spaß macht und weil die Lerninhalte unklar sind. Die kulturellen Zuschreibungen und Praxen, wie sie im Medienhandeln außerhalb der Schule entstehen, aber auch die Potenziale dieser Medien selbst dringen mit ihnen auch in die Schule ein. Dort treffen sie allerdings häufig auf eine pädagogische Praxis, die entfernt davon ist, dies als Heraus-forderung begreifen und aufgreifen zu können im Sinne eines in der wissenschaftlichen Pädagogik fast schon zur Selbstverständlichkeit gewordenen neuen Paradigmas des konstruktivistischen Lernens. Mit dem Projekt ZIM@School haben wir versucht, Kooperationen zwischen der Universität und verschiedenen Schulen in Bremen aufzubauen und für die Entwicklung pädagogischer Umgebungen zu nutzen, in denen die Innovation und die Besonderheiten der Digitalen Medien reflektiert und damit für einen bewussten Prozess positiver Veränderung schulischer Lernprozesse genutzt werden können.

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Übersicht über die Tätigkeiten im Projekt ZIM@School Laufzeit des Projekts: 1. Phase (abgeschlossen mit dem Projektbericht

(Schelhowe, 2005) September 2003 – August 2004 2. Phase: Dezember 2004 – November 2005 Berichtszeitraum: 2. Phase. Dezember 2004 – November 2005 Projektleitung: Prof. Dr. Heidi Schelhowe Auf dem Projekt der 2. Phase war Isabel Zorn mit einer ganzen Stelle BAT IIA beschäftigt vom 1.12.2004 bis 30.11.2005 Als Studentische Mitarbeiterin war Silke Jahn beschäftigt vom 1.12.2004 bis 30.11.2005 Im Rahmen des Projekts wurden folgende Arbeiten durchgeführt:

• Vertiefung bestehender und Aufbau neuer Kooperationen, besonders mit neuen Schulen und Lehrer/innen und dem Landesinstitut für Schule, aber auch mit universitären Einrichtungen

• Konzeption und Durchführung von fünf Workshops zur Weiterbildung für die Zielgruppen Lehrer/innen, Schüler/innen, Studierende

• Recherche Lehrer-Online-Communities und Verbreitung der Ergebnisse unter Lehrer/innen

• Web-Site zu Robots mit Community-Unterstützung • Organisation und Beratung von 12 studentischen Unterrichtsprojekten und

Vermittlung an bremische Schulen • Unterstützung des Halbjahrespraktikums für Lehramtsstudierende, und Einrichtung

des Schwerpunktthemas „Digitale Medien“ • Wissenschaftliche Erhebung und Auswertung zum Lehr- und Lernverhalten von

Schüler/innen, Studierenden, Lehrer/innen mit Digitalen Medien Wir danken der Cornelsen-Stiftung ganz herzlich dafür, dass sie uns und den beteiligten Schüler/innen, Lehrer/innen und Lehramtsstudierenden ermöglichte, faszinierende Erfahrungen zu machen und interessante neue Einsichten zu gewinnen.

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1 Einleitung: Digitale Medien und Lernen

Das Kriterium für den Wert der schulischen Bildung ist der Umfang, in welchem sie ein Verlangen

nach fortgesetztem Wachstum erzeugt und die Mittel zur Verfügung stellt,

um dieses Verlangen tatsächlich wirksam zu machen. (John Dewey)

Also vorher, da kannte ich mich überhaupt nicht mit Robotern aus. Ich dachte, es gibt eigentlich nur so Roboter für Wissenschaftler und so. Und dass man selber einen bauen

kann, und mit Computern so was einstellen kann. Das hab ich halt da gelernt, dass man das auch selber machen kann, nicht als Wissenschaftlerin, auch als normaler Mensch

sozusagen. Das wusste ich vorher nicht. (Schülerin, 14 Jahre)

1.1 Zur Notwendigkeit des Wandels Die Notwendigkeit eines grundlegenden Wandels des Bildungswesens in Deutschland ist kaum umstritten. Dass eine Gesellschaft, die sich selbst in epochalen Veränderungsprozessen der Umwälzung von einer Industriegesellschaft zu einer Informations- oder Wissensgesellschaft sieht, ihre Bildungsvorstellungen nicht an den alten Einschätzungen und Werten ausrichten kann, liegt nahe. Was jedoch sind die zentralen Ideen für eine solche Veränderung? Wo knüpfen sie an? Welchen Ballast müssen sie über Bord werfen? Wie und wo können wir Anhaltspunkte dafür finden, wie Lernen für die Zukunft aussehen kann? Die Suche nach neuen Lehr- und Lernformen für die Schule ruft nach einer neuen Lernkultur. Dies scheint nach (Arnold 1999) aus drei Gründen berechtigt. Es handelt sich nicht nur um die Reform einzelner Unterrichtsmethoden, sondern um den Gesamtzusammenhang und ein neues Zusammenspiel zwischen Unterricht, Lehren und Lernen. Dabei gewinnt zweitens die Betrachtung des Lernens gegenüber dem Lehren an Bedeutung (vgl. Lehr-Lern-Kurzschluss (Holzkamp 1993)). Und drittens ist mit den Bemühungen um eine neue Lernkultur auch eine nicht nur institutionelle sondern auch gesellschaftliche Perspektive verbunden, wenn gesellschaftliche Hintergründe und Entwicklungserfordernisse einer Wissensgesellschaft einbezogen werden. Veränderungen in der Wissensproduktion und Wissensspeicherung, aber auch der Weitergabe und der Suche nach Wissen und Informationen, Ansprüche an Pluralität und Flexibilisierung setzen dabei neue Ansprüche an das Individuum. Selbstgesteuertes Lernen, lebenslanges Lernen, offene Lernkulturen sind Stichworte, die den bildungspolitischen wie bildungspraktischen Übergang von einer an Lehre orientierten Didaktik zu neuen Sichtweisen des Lernens charakterisieren. Es geht in diesem Bericht um die Frage, welche Rolle Digitale Technologien in den Bildungsprozessen spielen und spielen könnten und welches Innovationspotenzial sie für neue Lernformen in Schule und universitärer Lehramtsausbildung in sich tragen.

1.2 Digitale Medien in der Lebenswelt Jugendlicher Der beschworene Wandel scheint sich gegenwärtig weniger in der Schule und in den Bildungsinstitutionen abzuzeichnen, sondern vielmehr in der Freizeit, in der Lebenswelt von Jugendlichen. Wir sehen Spuren in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen, in ihren Interaktionen mit Digitalen Medien, wo sich Veränderungen andeuten, wo sie Erfahrungen

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machen, die sie mit in die Schule mitbringen und die von der Erwachsenenwelt und von Pädagog/innen aufmerksam verfolgt werden sollten. Seit geraumer Zeit ist bekannt, dass Medien in der Sozialisation von Jugendlichen eine ebenso wichtige – in bildungsfernen Milieus, stärker bei Jungen als bei Mädchen, sogar eine wichtigere – Rolle spielen als Elternhaus und Schule. Nicht nur Erwachsene, auch Kinder und Jugendliche verbringen einen erheblichen Teil ihrer Zeit mit und in den „virtuellen Welten“. In der Sozialisation von Kindern und Jugendlichen bieten Soaps und Reality-Shows, Action-Filme, Sport- und Musiksendungen eine bedeutsame Ebene ihrer Erfahrungen, sie begeben sich in eine medial erzeugte Welt, in der man zuschaut und miterlebt, sich Vorbilder sucht, sich identifiziert und abgrenzt und etwas über die Welt erfährt – in einer Vielfalt und Intensität, die die sächliche und die soziale Umwelt nur selten zu bieten haben. „In einer Gesellschaft, in der öffentliches wie individuelles Leben von Medien mitgestaltet wird, tragen diese auch in erheblichem Maße zur sinnhaften Interpretation der Wirklichkeit bei... Virtuelle Welten sind vor diesem Hintergrund integrierter Bestandteil der Lebenswelt.“ (Theunert & Eggert 2003, S.5) Freizeitaktivitäten verlagern sich bei Jugendlichen, im Moment (noch?) stärker bei männlichen als bei weiblichen Jugendlichen, zunehmend auf den Computer. Die JIM-Studie, die jährlich auf der Grundlage einer repräsentativen Erhebung Auskunft über das Medienverhalten von 12-19jährigen Jugendlichen in Deutschland gibt, sagt für 2004, dass in 98 % der Haushalte, in denen Jugendliche aufwachsen, ein Computer vorhanden ist, dass 64 % der Jungen und 43% der Mädchen über einen eigenen Computer verfügen und dass 78% der Jungen und 64 % der Mädchen sich täglich bzw. mehrmals pro Woche mit dem Computer beschäftigen (JIM-Studie 2004). Eine gewisse Anzahl von Jugendlichen scheint sich jedenfalls am Computer und im Internet besser zu fühlen als mit Eltern und Lehrer/innen. Das Internet scheint ihnen, im Unterschied zu den häufig als eindimensional, beschränkt, borniert empfundenen Ratschlägen Erwachsener, die noch in der alten Welt sozialisiert sind, vielfältige und neue unermessliche Möglichkeiten und Perspektiven zu bieten. Sherry Turkle beschreibt in Life on the Screen sehr anschaulich die Faszination einer „multiplen“ Persönlichkeit, für die „Real Life“ „nur eine Fenster unter vielen“ ist und wo das Internet den Zugang zu vielfältigen parallelen Identitäten und parallelen Lebenswelten eröffnet (Turkle 1995, S.9ff). Findet hier, im Computernetz, die gesellschaftliche Integration statt, auf die Erziehung immer zielte? Eines jedenfalls versprechen das Netz und die Bilderwelten: dass diese Integration ohne die Anstrengung der Theorie und des systematischen Zugangs möglich sei, dass sich die Welt unmittelbar im Konkreten über die eigene Praxis des Schauens und Interagierens mit den von anderen hergestellten, selbst jedoch auch mit erzeugten Bildern erfahren lasse. Manuela Bois-Raimund stellt in einer „europäischen Perspektive“ fest: „Es fällt auf, dass Schüler und Jugendliche in der Ausbildung nie über zuviel Praxisunterricht klagen, sondern immer über zuviel Theorie. Woher kommt diese durchgängige Ablehnung, nicht nur derer mit wenig Schulbildung, sondern auch derer, die höhere Schulzweige besuchen? Es scheint, dass die junge Generation über Klassen- und Ländergrenzen hinweg (wenngleich in der Phänomenologie der Kritik sehr wohl spezifisch) den Wissensbeständen der älteren Generation nicht mehr traut“ (Bois-Reymond 2004, S.153). Dies mag – wie Bois-Reymond im Folgenden dann interpretiert – von den unzuverlässigen Chancen herrühren, die der Erwerb formalen Wissens für die Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt bietet. Eine zunehmende Zahl von Wissenschaftler/innen interessiert sich in jüngster Zeit für die Frage, was Jugendliche eigentlich beim Umgang mit Computern lernen, was ihnen Schule nicht beibringt, nicht beibringen kann bzw. nicht (mehr) beizubringen braucht. Das „implizite“ Lernen, insbesondere auch mit dem Computer, bekommt in der Forschung zunehmende Aufmerksamkeit, z.B. (Tully 2004).

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Diana Oblinger zeigt, dass in der Tat viele der Dinge, die vom Lernen in der Wissensgesellschaft erwartet werden wie Engagement, Sozialverhalten, Übertragbarkeit von Wissen usw. sich über Computerspiele lernen lassen (Oblinger 2004). Brigitte Sørensen fasst schließlich als Ergebnis eines 5jährigen dänischen Projekts über Medienaktivitäten Jugendlicher zwischen 11 und 15 Jahren zusammen: “…that many of the skills which are essential in the information society, where virtual places play an important part in education and work, are acquired in children’s off-school participation in virtual space.” (Sørensen 2003, S.36). Zumindest Teile der Jugendlichen scheinen in ihrer Freizeit schon verstanden zu haben, wie sie sich auf die Zukunft vorbereiten, im Unterschied zur Schule, wo es eine „Computer“ausbildung gibt, die jedenfalls nach Meinung deutscher Jugendlicher nicht zufriedenstellend ist (Prenzel & Deutsches PISA-Konsortium 2004) – und jedenfalls keinen Spaß macht.

1.3 Digitale Medien in der Schule Soll man also lieber ganz aufhören, sich über Digitale Medien in der Schule Gedanken zu machen und den Umgang mit ihnen der Selbstregulierung in der Freizeit überlassen? Soll man sich in den Institutionen wieder auf die „wesentlichen“, d.h. die traditionellen Inhalte und Methoden besinnen, mit denen man Erfahrung hat? Oder muss „Edutainment“ in die Schulen einziehen, bei dem Lernen hinter dem Rücken der Schüler/innen stattfinden kann und wo die Lernenden jeder Mühsal und Anstrengung enthoben sind? Es lassen sich einige Argumente dagegen anführen:

• Noch immer gibt es eine beträchtliche Anzahl von Jugendlichen – die PISA-Studie bezeichnet sie als „Risikogruppe“ von 16% der Mädchen und 24% der Jungen (Prenzel & Deutsches PISA-Konsortium 2004) - die in ihrer Freizeit kein Interesse oder keinen Zugang zu Computern finden. 82% der in PISA 2000 getesteten SchülerInnen haben einen oder mehr Computer zu Hause zur Verfügung, aber 46% benutzen ihn so gut wie nie zum Recherchieren im Internet oder zum Senden von E-Mails. 63% nutzen in der Schule so gut wie niemals das Internet (Berechnungen des ifo Instituts anhand der PISA-Mikrodaten, s. (Fuchs & Wößmann 2005))

• Die in der PISA Studie gemachten Aussagen über einen negativen Zusammenhang

zwischen Computerverfügbarkeit/-nutzung und Schulleistungen kritisieren Fuchs/Wößmann. In detaillierteren multivariaten Analysen der Daten werden der sozioökonomische Hintergrund der Eltern herausgerechnet sowie die institutionelle Gestaltung der Schulen berücksichtigt. Dann wird der Zusammenhang zwischen Computern und PISA-Leistungen statistisch insignifikant. In einer Schätzanalyse zeigen (Fuchs & Wößmann 2004, für Details), dass eine häufige Nutzung des Computers für Internetrecherche, E-Mail-Kommunikation, Lernsoftware und ein zu Hause vorhandener Internetzugang einen signifikant positiven Zusammenhang mit den PISA-Leistungen aufweise. Insofern muss von Schulen gefordert werden, den SchülerInnen ein neues weiteres Verständnis für Nutzungsmöglichkeiten und für das Anwendungsspektrum von Computern zu vermitteln, allen, v.a. auch denen, die selber keine Nutzungsmöglichkeiten zu Hause haben.

• Deutsche Schüler geben seltener als Schüler aus anderen Ländern an, dass sie den

Umgang mit dem Computer in der Schule gelernt haben. Auch die regelmäßige Computernutzung in deutschen Schulen unterscheidet sich stark von anderen Ländern („regelmäßige Nutzung“ geben in Deutschland 21% der Schüler an, im OECD-Durchschnitt wird dies von 39% der Jugendlichen angegeben (PISA Konsortium Deutschland 2005)). Jugendliche mit unzureichenden häuslichen Zugangsbedingungen zu neuen Medien weisen in ihrem Computerwissen deutliche

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Defizite gegenüber Jugendlichen mit guter häuslicher Computerausstattung auf. • Die Institution Schule trägt in Deutschland insgesamt wenig zur Förderung eines

kompetenten Umgangs mit dem Computer bei, was bei den vergleichsweise geringen Zugangsmöglichkeiten und einer entsprechend seltenen Nutzung des Computers in der Schule (vgl. Abb. 1–3) nicht verwundern kann. Die stärkste prädiktive Kraft bei der Erklärung der Computerfähigkeiten der Schülerinnen und Schüler hat die Nutzungshäufigkeit des Computers zu Hause (PISA Konsortium Deutschland 2000)

• Wie weit – trotz der Verbreitung – das tatsächliche Wissen um Computer reicht, darf

nach einer Studie von Sven Kommer und Ralf Biermann in Zweifel gezogen werden (Biermann & Kommer 2005). Selbst dort, wo Jugendliche viele Stunden am Computer verbringen und den Expertenhabitus pflegen, fehlen die einfachsten mentalen Modelle über die im Rechner ablaufenden Prozesse, z.B. eine Unterscheidung von Hard- und Software, von Betriebssystem und Interface. Was also gilt als Computerkompetenz? Die Anerkennung von Computerexpertentum fußt teilweise auf nicht mehr als der Erreichung hoher Scores im Computerspiel.

Das Erlernen der Bedienung des Computers, so etwas wie ein Computer„führerschein“, was die übliche Vorstellung vom Einsatz des Computers im Unterricht häufig meint, interessiert nur wenige Bildungsbeflissene; die meisten Jugendlichen aber wissen, dass sie sich Nutzungskompetenz effektiver und rascher durch Learning-by-doing erwerben können, zumal die Lehrer/innen teilweise weniger Fertigkeiten mitbringen als viele der Schüler/innen. Gegen diese Art von Computerunterricht hat Hartmut von Hentig zurecht eingewandt, dass er in keiner Weise dazu beitrage, „der technischen Zivilisation gewachsen zu bleiben“. Wenn es darum gehe, den Computer bedienen zu lernen für den Eintritt ins Berufsleben, so könne man dies am besten durch einen zweiwöchigen Kurs vor Beginn der Berufstätigkeit erlernen. Dann seien die Programme auch aktuell, die man erlernt, und man müsse dies dann nicht unbedingt die Lehrer/innen machen lassen, die dafür denkbar schlecht geeignet und ausgebildet seien (Hentig 2002). Mit populären Kampagnen greifen derzeit plakative Aussagen in der Presse genau an diesem Punkt den „Computerunterricht“ an, z.B. als eine geschickte Masche großer Computerfirmen, die Bedienung ihrer Produkte als Unterrichtsinhalt eingeführt zu haben (beispielhaft (Spitzer 2005). Diese Kritik trifft in ihrem Kern insofern zu, als für viele der schulischen Anwendungen nach wie vor davon ausgegangen wird, dass es „nur“ um die Einführung eines neuen Gerätes gehe, das man nutzen lernen müsse, um für den Arbeitsmarkt gewappnet zu sein. Wenig verbreitet ist bis heute das Bewusstsein, dass mit dem Computer in die Schule, ebenso wie dies in der Arbeitswelt der Fall war, neue Lern- und Spielkulturen, die in der Freizeit längst gang und gäbe sind, Einzug halten. Ein solches Bewusstsein aber, so vermuten wir, ebnet erst den Weg für sinnvolle, und im Hinblick auf die Transformation zur Wissensgesellschaft notwendige Einsatzmöglichkeiten von Digitalen Medien. Wie könnte also eine neue Pädagogik mit Digitalen Medien aussehen, die Medienhandeln in der Freizeit, Medienbildung und schulische Allgemeinbildung zusammen denkt und die Schwächen ihrer Separierung vermeidet? Wie vor allem – und darauf kommt es uns im Folgenden an – verarbeiten und reflektieren Jugendliche ihre Interaktionserfahrungen mit diesem neuen, dem „instrumentalen Medium" (Schelhowe 1997) im Hinblick auf ihre eigene Identitätsentwicklung und ihre Vorstellungen von der Welt, in der sie leben (werden)? Schulen und Lehrer/innen, aber auch Lehrerausbildungsstätten wie Universitäten stehen vor großen Herausforderungen. Wie können derzeitige und angehende LehrerInnen motiviert und ausgebildet werden, um diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden? Wie können sie ermutigt und motiviert werden, innovative Unterrichtsmethoden gestützt oder initiiert durch Digitale Medien auszuprobieren und anzuwenden?

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Welche Lernprozesse werden angeregt, wenn Schüler/nnen selber Digitale Medien erstellen? Welches Potenzial bergen Digitale Medien damit für dringend notwendige Innovation in Schulen? Diese Fragen waren Ausgangspunkt für die Konzeption des Projektes ZIM@School, und sie sollen anhand der erzielten Ergebnisse diskutiert werden.

1.4 Zum Charakter Digitaler Medien 1.4.1 Gemachtheit von und Machbarkeiten durch Digitale Medien Digitale Medien versprechen einfachen und schnellen Zugriff auf Informationen ebenso wie die einfache Herstellung und Produktion von Inhalten. Ein wichtiges Charakteristikum von Digitalen Medien gegenüber den traditionellen analogen Medien ist, dass bestehende Inhalte, aber auch das Medium selbst von den Nutzer/innen handelnd verändert werden können. Das hat für Lernen eine wichtige Bedeutung, denn es weckt Interesse am Gestalten von Inhalten und Material. Es braucht damit aber auch ein Verständnis für die Gestalt Digitaler Medien, für ihr Wesen, für ihre Gemachtheit und damit auch neuer Fähigkeiten, die über das Medium gewonnenen Inhalte zu beurteilen. 1.4.2 Experimenteller und systematischer Zugang Die Digitalen Technologien unterstützen in ihrem spezifischen Charakter, was in der soziologischen und philosophischen Literatur seit Längerem beschrieben wird: die Infragestellung der in der Industriegesellschaft klar gezogenen Grenzen zwischen Arbeit, Lernen und Spiel. Sherry Turkle hatte schon 1984 beschrieben, wie die „Bricoleurs“, die sich dem Computer experimentell, durch Basteln, spielerisch nähern, genauso erfolgreich oder sogar erfolgreicher sein können beim Programmieren wie diejenigen, die zielstrebig, geplant, strukturiert vorgehen (Turkle 1984). Ein Wechsel zwischen strukturiertem Vorgehen und Ausprobieren ist ein naheliegendes Verfahren sowohl in der Systementwicklung und Programmierung als auch in der Nutzung. Fehler machen und dadurch lernen, ist fundamental, Struktur wird (dadurch) erfahrbar, und – ergänzt durch systematisches Wissen – zum nicht mehr zwischen Theorie und Praxis, zwischen Systematik und Ausprobieren, zwischen Abstraktion und Erfahrung separierbaren erfolgreichen Wissen. Die Vorstellung vom Wissen in der Industriegesellschaft beruhte demgegenüber gerade auf der Trennung: Lernen wurde als Erwerb systematischer Kenntnisse in von der unmittelbaren Erfahrung und von der Praxis getrennten Orten (Schule, Hochschule) organisiert und schien im Wesentlichen seinen Abschluss zu finden mit dem Eintritt ins Berufsleben. Spiel war dagegen wiederum von der Arbeit und vom Lernen getrennt und im Bereich des „unbeschwerten“ Kind-Seins (vor bzw. außerhalb der Schule) und in der Frei-Zeit angesiedelt (Schelhowe erscheint 2006). 1.4.3 Interaktionspartner (aus (Schelhowe erscheint 2006)) Ihre Fähigkeit, Daten zu verarbeiten, macht aber die Digitalen Medien zu besonderen Medien, die nicht nur Mittler sind, nicht nur als Hilfsmittel benutzt werden, um z.B. zwischen Menschen zu kommunizieren. Gleichzeitig werden sie selbst zu einer Art Interaktionspartner, man kann den Eindruck gewinnen, mit ihnen selbst zu kommunizieren. Eingaben werden durch Computerprogramme nach bestimmten (meist nicht direkt durchschaubaren und auf der Hand liegenden) Regeln verarbeitet. Der Computer scheint nicht nur zu „re“agieren, sondern in gewisser Weise aus sich selbst heraus zu agieren. Damit fordern Computerprogramme meine eigene Aktivität heraus, sie fordern auch mich wiederum zum (erneuten) Handeln auf. Sherry Turkle hat darauf schon in ihrem ersten Buch „The Second Self“ (in Deutsch: „Die Wunschmaschine“) von 1984 hingewiesen. Sie prägte die Vorstellung vom Computer als evokativem Objekt (Turkle 1984). Computer wirken aufgrund dieser ihrer medialen und instrumentalen Qualitäten mehr als andere Artefakte als Gegenstände, „die Reflexionen, Wünsche, Fantasien hervorrufen, die ‚weit in die Welt hinaus’ und ‚tief in die

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Seele’ hinabreichen“ (Schachtner 2002, S. 111). 1.4.4 Kinder und Erfahrungen mit Digitalen Medien Viele Kinder kommen heute bereits mit Digitalen Medien in Berührung lange bevor sie ihnen auch in der Schule als Lern- und Arbeitsmittel vorgestellt werden. Vermittelt durch die Möglichkeit zum Spielen, Internetsurfen und dem Kommunizieren mit Freunden (Chat, E-Mail) entwickeln sie ein Interesse an diesem Medium und in der Auseinandersetzung mit Computern auch Nutzungskompetenzen. Das Wissen, das sie im Umgang mit Digitalen Medien eher nebenbei als gezielt erwerben, steht dem ihrer Eltern oftmals in nichts nach. Durch die angstfreie und unbekümmerte Nutzungsweise, dem forschenden Suchen nach neuen und spannenden Funktionen und nicht zuletzt der Zeit, die sie haben, um sich mit dem Medium und seinen Funktionen vertraut zu machen, sind Kinder auch nicht selten die Computerexperten im Haushalt. Wir glauben, dass es diese Erfahrungen sind, die zu einer besonderen Besetzung, einem Symbolcharakter Digitaler Medien führen. Kinder assoziieren entsprechend ihres persönlichen Erfahrungsraums Digitale Medien mit einer selbstständigen und eigenverantwortlichen Nutzung. Das setzt sich auch in der Schule fort. 1.4.5 Digitale Medien als evozierendes Lernmaterial Digitale Medien haben ein Potenzial für die Gestaltung konstruktivistischer Lernprozesse, in denen Lernende angeregt werden, selber Wissen zu konstruieren und über diese Konstruktion selbstinitiierte Lernprozesse zu vollziehen. Dabei bieten Digitale Medien oft verschiedene Problemlösungen und Lösungsprozesse an. Durch trial-and-error, in selbstdirigierten Versuchen, können Annahmen überprüft, gegebenenfalls verworfen und neue Thesen über Funktion und Verhalten aufgestellt werden. Das Digitale Medium gibt oft direktes Feedback, ob eine Aufgabe richtig gelöst wurde (z.B. Robot), ohne dass eine dritte Instanz zur Überprüfung einspringen muss. Es ist zu vermuten, dass sich in solchen Szenarien durch das Medium neue Austauschformen zwischen den Lernenden und neue Rollen zwischen Lernenden und Lehrenden ergeben. 1.4.6 Digitale Medien für die Dokumentation von Lernprozessen Digitale Medien können aufgrund ihrer Speicherfähigkeit und ihrer Möglichkeit, direktes Feedback zu geben, gleichzeitig Lernmittel und Mittel zur Dokumentation von Lernprozessen sein. Sie können nicht nur jeden Schritt aufzeichnen, sondern machen auch dem Lernenden durch die Planung und Anpassung seiner Handlungen und Eingaben seine eigenen Denkschritte deutlich. Ebenso können diese Denkprozesse auch anhand des Materials bei einer erklärenden Präsentation den Zuhörenden verständlich gemacht werden.

Eine abstrakte Idee, ein Modell, letztendlich ein Denkvorgang, kann durch die Konstruktion eines Programms und seiner Implementierung sichtbar gemacht werden. Wo sonst von den LehrerInnen die Aufteilung in didaktische Schritte benötigt wird, bricht sich das Kind im Konstruktionsprozess teilweise selber die Verfolgung und Herstellung seiner Idee in kleine Teilschritte. Das Material gibt direktes Feedback – entweder die Idee funktioniert wie beabsichtigt oder nicht.

Digitale Medien bieten sich somit an für Reflexionen von Lernprozesses und können so genutzt werden, um Lernen zu lernen.

1.4.7 Digitale Medien für Lernprozesse „Digitale Medien und Lernen“ lässt sich unter drei Gesichtspunkten betrachten: a) Lernen über Digitale Medien Hierzu zählen Ansätze, die zum Nutzen und Gestalten Digitaler Medien befähigen, Ansätze, die die Bedeutung Digitaler Medien in der Gesellschaft reflektieren und zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen sowie Ansätze, die den Herstellungsprozess Digitaler Medien reflektieren. Medienkonzepte für die Medienbildung in Schulen zielen darauf, die Schüler/innen zu gesellschaftlich handlungsfähigen Subjekten (Groeben & Hurrelmann 2002,

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S. 301) zu machen. b) Lernen mit Digitalen Medien Durch den Einsatz Digitaler Medien wird eine bessere Gestaltung von Lernprozessen und der Vermittlung von Fachwissen erwartet, u.a. durch die mediale Aufbereitung von Lernthemen und –inhalten. c) Lernen durch Digitale Medien Hierzu zählen Ansätze, die allgemeine Fähigkeiten und Schlüsselqualifikationen durch die Bearbeitung, Nutzung oder Gestaltung Digitaler Medien vermitteln sollen. Medien können hier beispielsweise als „Denkzeuge“ (Wagner 2004) oder als „objects-to-think-with“ (Harel, Papert et al. 1991) (Papert, 1993) betrachtet werden oder als Medien, die kooperatives Arbeiten und Teamarbeit unterstützen. Für unseren Ansatz ist insbesondere auch wichtig, Digitale Medien in ihren Möglichkeiten zu nutzen, den eigenen Lernprozess zu reflektieren und damit das Lernen selbst zu lernen. In den amerikanischen „Standards für eine technologische Bildung“ (Höpken, Osterkamp et al. 2003) wird ausgeführt, dass Technikunterricht sich positiv auf andere Fächer auswirken kann, er unterstützt und ergänzt Lerninhalte aus anderen Fächern (S. 7). Diese positive Auswirkung von Unterricht mit Digitalen Technologien oder der kooperativen Entwicklung von Digitale Medien, wird auch in diesem Berichts eine wichtige Rolle spielen. Der vorliegende Beitrag möchte besonders die Potenziale des letzten Bereichs in den Fokus rücken. Er wird argumentieren, dass Lernprozesse durch Digitale Medien angestoßen werden können, die wichtige Fähigkeiten entwickeln helfen, die weit über eine fachliche Stoffvermittlung hinausgehen.

1.4.8 Zusammenfassung Solange Medienpädagogik (nur) auf die Inhalte konzentriert und das Medium selbst nicht in seiner Neuartigkeit und seiner Relevanz für Identitätsentwicklung und Weltverständnis wahrnimmt, wird sie den Erfahrungen und dem Handeln von Jugendlichen mit der Digitalen Technologie nicht gerecht. Medien werden dabei als etwas Äußerliches, das es zu benutzen und zu beherrschen gilt, gesehen. Alle Aktivität geht oder soll jedenfalls vom Menschen ausgehen. Der evokative Charakter des Mediums selbst, der aus einer untrennbaren Verbindung von Technologie und Inhalt entsteht, gerät dabei nicht in den Blick. Die Anbindung an das Medienhandeln Jugendlicher in ihrer Lebenswelt bleibt damit schwierig. Diese Anknüpfung aber, so wissen wir aus der Reformpädagogik, spätestens aber seitdem der Konstruktivismus in der Pädagogik an Bedeutung gewonnen hat, ist der einzige Weg, erfolgreich und nachhaltig zu lernen. Wenn es also stimmt, dass Jugendliche Digitale Medien als Teil ihres Ich, als gemeinschaftsbildend und als entscheidendes Medium für ihren Zugang zur Welt erfahren, dann greift auch eine handlungsorientierte Medienpädagogik, solange sie das Medium als etwas Äußerliches, zu Benutzendes, als „bloßes“ Werkzeug begreift, zu kurz und erreicht die Jugendlichen nicht (Schelhowe erscheint 2006).

1.5 Theoretischer Rahmen und Grundlagen des Projekts 1.5.1 Dewey, Holzkamp und Papert als Hintergrund Das Projekt ZIM@School will dazu beitragen, dass innovative Lernkonzepte in Schulen Eingang finden und von Lehrenden wie SchülerInnen ausprobiert und weiterentwickelt werden. Digitale Medien können dabei eine besondere Rolle spielen. Unser Verständnis von Lernen basiert auf Ansätzen, die das selbstbestimmte und handlungsorientierte Lernen mit eigenen Projekten in den Vordergrund stellen und weniger auf das Lehren fokussieren. Dabei spielen die Vorstellungen von Dewey eine besondere Rolle. Wenn Lernen mitten im Leben ansetzt, so müssen Bildungsinstitutionen wie die Schule vor

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allem das Leben zulassen, Schule muss sich, so Dewey, zu den Lebenswelten der Schüler/innen sowie zum umfassenderen gesellschaftlichen Umfeld hin öffnen (Dewey 1916, S. 39-56). Vielen Schüler/innen scheint es aber so zu gehen, dass ihr Leben erst nach der Schule beginnt. Im Leben von Schüler/innen spielt Handeln mit Digitalen Medien als lustvolle Tätigkeit heute häufig eine bedeutsame Rolle. Dewey, aber auch viele andere Pädagogen, die sich um sinnvolle Reformen des Lernens bemühen, fordert dazu auf, Schule als Labor (im weiten Sinne) zu sehen. Lernen wird als Experimentieren, Konstruieren, Ausprobieren, Beobachten und Diskutieren in Kooperation mit anderen Lernenden gesehen. Das umfassendste Ziel aller Erziehung kann Deweys Überzeugung nach sein: eine kontinuierliche und lebenslange „reconstruction of experience“ (vgl. ebd., 82ff.), d.h. eine konstruktive Umformung und Bedeutungserweiterung von Erfahrungen (experience) der Lernenden in Auseinandersetzung mit einer durch Veränderung und Pluralität gekennzeichneten Welt. Lernstoff müsse daher als Problem erfahren und als Projekt gelöst werden. Experience meint bei Dewey nicht die bloße subjektive Erfahrung einer objektiv gegebenen und vom Erfahrenden prinzipiell unabhängigen Wirklichkeit, es ist auch kein in erster Linie passiver Vorgang, z.B. des Aufnehmens von Sinneseindrücken. Vielmehr zeichnet sich experience für Dewey durch die beiden Kriterien Kontinuität und Interaktion aus. Grundeinheit seines experience-Begriffes ist die Handlung als ein Zusammenhang von Tun und Erleiden, in deren Verlauf Bedeutungen aktiv konstruiert werden. In ähnlichem Sinne haben wir versucht, Lehrer/innen und Schüler/innen, ebenso wie Studierende durch Konstruktionstätigkeiten im Hinblick auf Digitale Medien zu eigenen Erfahrungen anzuregen, und diese Erfahrungen im Rahmen ihres gemeinsamen Lernprozesses zu reflektieren. Wir vermuten, dass Digitale Medien gerade für Erlebnis und Reflexion eigener Lernerfahrungen gute Möglichkeiten bieten. Dewey beschreibt in „Interest and Effort in Education“ (Dewey 1913) den Zusammenhang von Interesse und Anstrengung. So gebe es pädagogische Richtungen, die die Förderung des Interesses von Schüler/innen betonen, denn ohne dieses sei keine Aufmerksamkeit zu erreichen. Andere Richtungen halten dagegen, auch die Fähigkeit zur Anstrengung müsse gelehrt werden, denn im wahren Leben könne man nicht nur nach den eigenen Interessen vorgehen, sondern müsse auch die Fähigkeit besitzen, sich gewisse Dinge durch einen starken Willen und Überwindung aneignen oder bewältigen zu können. Lehren mit dem abstrakten Ziel, Schüler/innen Anstrengung für wichtige, aber für ihre Entwicklung momentan unbedeutende Themen abzuringen, führe eher zu einer Aufmerksamkeitsteilung. Dabei lernten Schüler/innen zwar, wie sie sich anstrengen, um eine Anforderung befriedigend zu erfüllen, ihr Herz und ihre Seele aber, und damit ein großer Teil ihrer Energie, seien mit anderen, für sie wichtigen Dingen beschäftigt. Dewey selbst ist überzeugt, dass SchülerInnen dann Anstrengungen unternehmen, wenn sie ein genuines Interesse an einer Tätigkeit (Handeln) haben, und wenn zur Erreichung ihres Ziels eine kontinuierliche Aktivität notwendig ist. Dies passiere dann, wenn die Tätigkeit und das Interesse einem Wunsch nach Selbstentwicklung entspringe und dadurch eine Identifikation mit dem Thema gegeben sei. Mit seinen Ansichten über die Erziehung vollzieht Dewey einerseits eine partielle Abkehr von der zu seiner Zeit gebräuchlichen schematisch am Curriculum orientierten Lehrmethode, lehnt aber auch die übertrieben „kindzentrierte“ Methode ab. Die Kinder in seiner Versuchsschule lernen sowohl die traditionellen theoretischen Fächer wie Arithmetik, Lesen, Naturwissenschaften, als auch handwerkliche Fertigkeiten wie Weben, Schreinern, Kochen, Gärtnern. Diese praktischen Fertigkeiten dienen als Beispiele für das Lösen von Problemen, aber auch als Vehikel für die Vermittlung von theoretischem Wissen und geben den Schülern

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ein wichtiges Instrumentarium für künftige eigene Entdeckungen an die Hand. Ähnlich könnte man auch für Bau und Programmierung von Robots im Unterricht argumentieren: Kinder lernen sowohl Problemlösen als auch die Bedeutung und die Gemachtheit von Technologie in einer immer stärker technisierten Welt kennen. Robotikbau kann als Vehikel dienen für die Vermittlung von theoretischem Wissen. Klaus Holzkamp verweist in seinem Buch über das Lernen aus subjektwissenschaftlicher Perspektive (Holzkamp 1993) auf den sog. „Lehr-Lern-Kurzschluss“: Die meisten pädagogischen Ansätze stellten die Vermittlung von Lernstoff in den Vordergrund und übersähen darüber, dass das, was gelehrt wird, nicht das ist, was gelernt wird. Im Gegenteil: Möglicherweise lerne das Subjekt mit seinen je eigenen Lebensinteressen gar nichts oder aufgrund seiner je eigenen Bedeutungen etwas ganz anderes als beabsichtigt. Holzkamp würdigt besonders das „Expansive Lernen“, bei dem die Lernenden bei für sie bedeutungsvollen Tätigkeiten auf eine Handlungsproblematik stoßen, die sie gerne überwinden möchten und sich daher für das Einlegen einer Lernschleife entscheiden, weil sie davon ausgehen, dass sie durch diesen Lernprozess ihre Handlungsmöglichkeiten erweitern können. Diesen Prozess grenzt er von einem sog. Defensiven Lernen ab, bei dem Schüler/innen widerständig nur lernen, um Handlungseinschränkungen (schlechte Noten, Sitzen bleiben etc.) zu vermeiden. Holzkamp selbst geht davon aus, dass ein Expansives Lernen im Schulkontext kaum stattfinden kann. Wir sind demgegenüber davon überzeugt, dass Schule ein solches Lernen zumindest anstreben kann und muss, indem auch hier an für das Leben der SchülerInnen bedeutsamen Projekten gearbeitet wird und dass Digitale Medien ein Vehikel dafür sein können. Der Fähigkeit, selbständig lernen zu können, wird immer stärkere Bedeutung für die individuelle und gesellschaftliche Zukunftsbewältigung beigemessen. Konstruktivistische Theorien verweisen darauf, dass Lernen ohnehin ein individueller Konstruktionsprozess ist, der am besten gefördert wird, wenn Lernende sich als aktiv und selbstgesteuert verstehen und verhalten (Gerstenmaier & Mandl 1995). Ein Ursprung konstruktivistischer Theorie ist in Piagets genetischem Strukturalismus zu sehen; eine zentrale Rolle spielt dabei der Begriff des kognitiven Konflikts. Vereinfacht ausgedrückt, treten nachhaltige Erkenntnisfortschritte nach Piaget dann auf, wenn aufgrund von Störungen, die z.B. durch Fehlannahmen, falsche Verallgemeinerungen, Wissenslücken etc. verursacht sind, unzulängliche kognitive Strukturen durch komplexere, differenziertere und angemessenere ersetzt werden. Aus pädagogischer Sicht lässt sich daraus schlussfolgern, dass zur Einleitung von Lernfortschritten Konflikte induziert werden müssen (Draschoff 2000). Wir vermuten, dass diese Konfliktinduzierung bei der eigenen Gestaltung von Medien häufig der Fall ist. Seymour Paperts Idee des konstruktionistischen Lernens basiert auf ähnlichen Ideen und Überlegungen: Konstruktionistisches Lernen braucht das Herstellen, die Konstruktion von Objekten, von Veräußerlichungen. Diese Objekte bezeichnet Papert als „Objects-to-think-with“. Die Objekte, die für das Kind von hoher Bedeutung sind, mit denen es sich identifiziert, regen zum Nachdenken an. Paperts (Harel, Papert et al. 1991) Ansatz eines Konstruktionismus basiert auf dem Verständnis des Konstruktivismus, dass Lernen der eigene aktive Aufbau von Wissensstrukturen ist. Wissen wird durch die Lernenden hergestellt, nicht durch die Lehrenden. Mit dem Konstruktionismus wird dies erweitert durch der Vorstellung, dass dieser Aufbau von Wissensstrukturen dann besonders gut gelingen kann, wenn die Lernenden selbst etwas konstruieren, ein äußerlich sichtbares, wahrnehmbares Objekt. „Children don’t get ideas, they make ideas”; mit dieser Formel beschreiben die Konstruktionismus-Vertreter Yasmin Kafai und Mitchel Resnick (Kafai & Resnick 1996, S.1) den im Konstruktionsvorgang ablaufenden Lernprozess. Aus diesem Ansatz entwickelt Papert ein Modell, bei dem ein zyklischer Wechsel stattfindet zwischen der Internalisierung von äußeren Erfahrungen und der Veräußerlichung der inneren Denkprozesse. Diese externalisierte Gedankenwelt wird durch die Problemlösung

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und Schaffung eines Objekts sichtbar und damit mit-teilbar und diskutierbar. Konstruktionismus kann in diesem Sinne auch verstanden werden als ein Lernen durch Konstruieren. Dabei sind Gestaltungsprozesse (inkl. Zielbildung und –planung) sowie die Selbst- und Fremdüberprüfung wichtige Elemente. Papert befürwortet (ähnlich wie Dewey, Holzkamp, aber auch viele andere Reformpädagog/innen) eine Unterrichtsorganisation, bei der nicht Lehrer/in und Lehrplan, sondern die einzelnen Schüler/innen mit ihrem jeweils persönlichen Entwicklungsstreben im Vordergrund stehen. Das zu Erschaffende (und damit der Lernprozess) soll für die Schüler/innen persönlich bedeutungsvoll sein, so dass eine emotionale Bindung entsteht. Das ZIM@School-Projekt verstehen wir vor diesem Hintergrund. 1.5.2 Grundlagen und Zielsetzungen von ZIM@School Neue Lernkulturen Das Projekt ZIM@School hat die Absicht verfolgt, sich in der Verbindung zwischen Schule und Universität auf die Suche nach einer neuen Lernkultur mit Digitalen Medien zu machen und Anhaltspunkte dafür zu finden, welches die Voraussetzungen und Bedingungen für ihr Scheitern oder ihr Gelingen sind. Der Begriff „Neue Lernkultur“ beschreibt bisher weniger eine feststehende Kultur als vielmehr eine Suche, auf die sich sowohl Lehrende, Institutionen, Wissenschaftler/innen aber auch Bildungspolitiker/innen machen. Auf dieser Suche nach einer neuen Lernkultur begegnen uns akzeptierte Lernweisen und Begriffe wie: problemorientiertes Lernen, selbstgesteuertes Lernen, handlungsorientiertes Lernen, kooperatives Lernen, interessengesteuertes Lernen, Projektlernen, fächerübergreifendes Lernen etc. Mit ZIM@School möchten wir uns nicht auf bestimmte Lernformen festlegen. Ziel ist es dagegen, lerntheoretisch begründet, traditionelle Unterrichtsabläufe zu verändern, zu öffnen und dabei Digitale Medien aufgrund ihrer neuen Potenziale sowie der Assoziationen und Evokationen, die mit ihnen verbunden sind, als Inspirationsquelle zu nutzen. Schule als Labor, in dem Lernen verstanden wird als Experimentieren, Nachdenken und Erfahrungenmachen; dieser Ansatz sollte angewendet werden, indem mit Digitalen Medien laborartige, experimentartige Situationen geschaffen werden, die Lernende (den Ansätzen von Dewey, Holzkamp, Papert entsprechend) vor reale Probleme stellen und damit zum Nachdenken und Gestalten anregen, ihr Interesse wecken und es erweitern. Wie – so fragten wir uns - kann eine neue Pädagogik mit Digitalen Medien aussehen? Sie müsste offen dafür sein, was Jugendliche in ihrem Medienhandeln in der Lebenswelt berührt, was sie dort lernen, was sie also in die Institutionen mitbringen. Die Lebenswelt müsste Anknüpfungspunkt sein und die dort erworbenen Fähigkeiten müssten Wertschätzung erfahren. Eine Pädagogik mit Digitalen Medien kann diese nicht nur als „bloße“ Werkzeuge betrachten, die es nutzen zu lernen gilt und wo sonst alles beim Alten bleibt. Eine Pädagogik mit Digitalen Medien muss gleichzeitig auch Computer- und Medienbildung sein, indem sie die wesentlichen Veränderungen der Informations- und Wissensgesellschaft in die Schule holt und sie besser verstehen lässt. Bildung mit Digitalen Medien muss damit auch heißen, sich der spezifischen Potenziale der Digitalen Medien bewusst zu werden und zu wissen, was die Jugendlichen bei ihrem intuitiven und selbstgesteuerten Umgang in der Regel nicht lernen (können), was aber für ihre Zukunft in der Wissensgesellschaft erforderlich und nützlich sein wird. Digitale Medien im Unterricht können zu einer Veränderung von Lehr- und Lernprozessen führen. Sie unterstützen problemorientiertes, selbstständiges, kooperatives Lernen und die Vermittlung von Medienkompetenz. Häufig fehlt es jedoch an innovativen didaktischen Konzepten für Lernprozesse sowohl im schulischen Bildungskontext als auch in der Lehrerausbildung, die auf ein Verständnis von Technologie und deren Gestaltung und Gestaltbarkeit zielen. Nur ein selbstbewusster und interaktiver Umgang mit Digitalen Medien jedoch kann zu einer mündigen Nutzung führen. Vorgestellter und realer Aufwand und

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technische Schwierigkeiten hemmen Lehrer/innen (Sasseville 2004; Wood, Mueller et al. 2005) beim Experimentieren mit Digitalen Medien. Positive Assoziationen über Digitale Medien dagegen motivieren SchülerInnen. Hier setzt ZIM@School an und versucht, Lernkulturen in Schule und Universität integriert, kooperativ und interdisziplinär zu erweitern und die dafür nötigen Voraussetzungen zu erarbeiten. Zentrale Fragen dabei sind: Was und wie wird gelernt? Wie können Lehrer/innen und Lehramtsstudierende ermutigt werden, Digitale Medien im Unterricht einzusetzen? Welchen Beitrag für Innovation in Schulen können Digitale Medien leisten? Neue Technologien In ZIM@School haben wir es als unsere Aufgabe gesehen, den Blick auf neuartige und zukunftsfähige Technologien und neue Formen der Interaktion zu richten. Wenn wir die Entwicklungen der Informatik verfolgen, so wird deutlich, dass Desktop Computing in der Zukunft durch neue Formen und Interaktionsweisen ersetzt oder doch ergänzt werden wird. Ubiquitous Computing, Embedded Systems, Embodied Interaction und Tangible Interfaces sind Stichworte, unter denen diese Entwicklung diskutiert und umgesetzt wird. Der jährliche Horizon Report (The New Medium Consortium 2005), herausgegeben vom New Media Consortium, identifiziert und beschreibt diejenigen neuen Technologien, die vermutlich einen großen Einfluss auf Lernen, Lehren und kreative Ausdrucksmöglichkeiten in Bildungsprozessen haben werden. Sechs technologische Konzepte haben die Wissenschaftler/innen identifiziert:

- Extended Learning - Ubiquitous Wireless - Intelligent Searching - Educational Gaming - Social Networks & Knowledge Webs - Context-Aware Computing/ Augmented Reality

Das Ziel zukünftiger Lerntechnologien sei, so das Konsortium, das Lernen zu erleichtern und zu effektivieren durch eine Kombination von herkömmlichen Lehrmethoden und Betreuung durch Lehrende mit technologiegestützten Werkzeugen. Darauf werden Schüler/innen vorbereitet werden müssen. Solche Formen in den Unterricht zu integrieren, kann eine Möglichkeit sein, selbstständiges Lernen mit technologischer Unterstützung zu trainieren. Die Entwicklung innovativer Unterrichtsformen durch die Nutzung von Digitalen Medien sollte im Projekt ZIM@School weniger durch herkömmliche, bereits existente Lernsoftware geschehen, die als CD für alle SchülerInnen gleichartig in den Computer eingeschoben wird und mit der wenig Innovation für die Vorgehensweise bei Lern- und Lehrprozessen zu erwarten war. Stattdessen war für die Erprobung neuer Unterrichtsformen zentral die Konzentration auf die Nutzung von zukunftsweisenden Internettools, die frei zur Verfügung stehen und die Raum lassen, für die Nutzung und Adaptierung in verschiedenen Kontexten, z.B.

• Wiki-Tools1 • Blogs2 - (Wiki und Blogs werden auch als Web 2.0 Technologien bezeichnet: das

sind Plattformen, die die kollaborative Kreation neuen Wissens ermöglichen)

1 Wiki-Tools: Internetseiten, die von allen NutzerInnen nicht nur betrachtet, sondern auch direkt verändert werden können. 2 Blogs: Von Web-Log, Web-Tagebuch. Einrichtung eigener Internet-Seiten, auf denen in regelmäßigen Abständen unaufwändig neue Ideen, Denkprozesse, Hinweise, Informationen von anderen Webseiten veröffentlicht werden können und die neue Interaktionsmöglichkeiten für diverse Nutzer-Interessen zulassen (z.B. RSS-Feed).

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• MUDs, MOOs3 Außerdem sollten Robotik-Materialien verstärkt zum Einsatz kommen und ihre Sinnhaftigkeit für schulischen Unterricht erprobt werden. Software-Eigenproduktionen, die von Studierenden (Lehramt und Informatik) selbst entwickelt wurden, sollten im Unterricht getestet werden, einerseits um diesen Studierenden Rückmeldung zu geben über Bedarfe in Bildungskontexten, andererseits um in Schulen mit innovativen Technologien und ihren Auswirkungen für neue Unterrichtsformen zu experimentieren. Weiterhin wurde mit auch im Alltag gebräuchlicher Hard- und Software wie Videokameras und Schnittprogrammen, gearbeitet, die als Werkzeuge dienen, um kreativ Themen zu erarbeiten und umzusetzen. Verbindung von Lernorten: Universität, Schule, häusliche Umgebung, virtueller Raum Ziel des Projektes ZIM@School war es, Lernkulturen in Schule und Universität integriert, kooperativ und interdisziplinär erweitern. In den oben skizzierten Zukunftsszenarien wird deutlich, dass sich Grenzen zwischen Lernorten sowie Lernmedien, aber auch Grenzen zwischen Lernzeit und Frei-Zeit verwischen. Dewey und Holzkamp weisen darauf hin, dass Lernen ein kontinuierlicher Prozess ist, der an Problemen, Interessen und Erfahrungen anknüpft. Auch dies spricht für eine Neureflexion von starren örtlichen und zeitlichen Grenzen. Auch universitäre Ausbildung und praktisches Lernen in Schule (für Lehramtsstudierende) und Beruf (Informatikstudierende) sind stark zeitlich und örtlich getrennt. Im Projekt ZIM@School sollte daher versucht werden, diese Lernorte stärker zu verbinden und Überschneidungen zu schaffen.

• Studierende (Lehramt und Informatik) sollten – wie es dem Konzept des ZIM (Zentrum für Interaktion mit Digitalen Medien an der Universität Bremen) während ihres Universitätsstudiums bereits Aktivitäten in der Praxis, sprich Schule, verfolgen, die sie auch gleichzeitig wissenschaftlich fundiert theoretisch durchdenken. Lehramtsstudierende sollten ermutigt werden, sich mit Digitalen Medien auseinander zu setzen und eventuell gemeinsam mit Informatikstudierenden Konzepte für Unterrichtsanwendungen zu entwickeln.

• Lernszenarien werden durch Software von Informatiker/innen mit gestaltet. Informatikstudierende mit Interesse für Bildungsanwendungen sollten daher während ihrer Ausbildung ihre Ideen und Entwicklungen in der Praxis ausprobieren und evaluieren.

• Lehrer/innen sollten an die Universität geholt werden, um ihre Erfahrungen aus der Praxis mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Theorien zu vergleichen und zu erweitern. Weiterhin sollten der Kontakt und die Diskussion mit Lehrer/innen auch für die an der Universität tätigen Wissenschaftler/innen und Studierenden Anregungen bieten, sich mit der Praxis auseinander zu setzen.

• Schüler/innen sollten mit Studierenden und Wissenschaftler/innen aus der Universität zusammen gebracht werden, um einen Zugang zur Welt der Wissenschaft kennen zu lernen und von neuen Ideen und Kontakten inspiriert zu werden.

• Virtuelle Räume sollten vorgestellt und genutzt werden für Lernen. Jugendliche, die sich schon vielfältig in virtuellen Räumen bewegen, sollten Digitale Medien auch in

3 MUD = Multi User Dimension/Dungeon: textbasierte Internetumgebung, in der durch einfache Programmierungen Spielwelten erschaffen und kooperative gespielt werden können. MOO = objekt orientiertes MUD

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ihren Möglichkeiten für Lern- und Austauschprozesse sowie zur Publikation von Lernergebnissen kennen lernen. Eine partielle Aufhebung von örtlicher und zeitlicher Trennung des Lernens sollte damit angeregt werden.

• Lehramtsstudierende könnten in gemeinsamen Unterrichtsszenarien Szenarien die Lehrer/innen unterstützen in ihrer Funktion als Lernberater und Coach. Da der Einsatz von Digitalen Medien im Unterricht oftmals aufgrund der Technik aufwändig ist, könnten sie hier Unterstützung bieten. Gleichzeitig wirken ihre aktuellen Kenntnisse aus der Universität in den Schulalltag und die Erkenntnisse aus ihrer Schultätigkeit ergänzen ihr universitäres Wissen.

Eine Aufgabe im Projekt war es also, Studierende mit Lehrer/innen in Kontakt zu bringen und sie bei der gemeinsamen Entwicklung von Unterrichtsszenarien zu unterstützen. Teambildung Wie bereits in der ersten Projektphase berichtet (Schelhowe, Ostermann et al. 2005) und im Antrag zu diesem Projekt beschrieben, gestaltet sich die Teambildung unter den Lehrer/innen sehr schwierig. Ein Schwerpunkt sollte daher in der zweiten Projektphase darauf gelegt werden, dies stärker zu verwirklichen. Ansätze dazu wurden verfolgt durch die Anregung der Bildung virtueller Lehrer-Communities, durch Gespräche mit Lehrer/innen der gleichen Schule beim ersten Lehrer-Workshop (s.u.). Als dies unfruchtbar schien, konzentrierten sich unsere Ansätze auf die Lehramtsstudierenden. Hier sollte der Versuch unternommen werden, dieser neuen Lehrergeneration bereits im Studium und in ihrem Praktikum kooperatives Arbeiten nahe zu bringen. Dies sollte im Projektstudium des ZIM versucht werden, indem Gruppen von Lehramtsstudierenden oder von Lehramtsstudierenden mit Informatikstudierenden gebildet werden, die gemeinsam ein Thema bearbeiten. Binnendifferenzierung Wie in den theoretischen Grundlagen erwähnt, hat nicht jedes Kind zur selben Zeit dieselben Fähigkeiten und Interessen. Digitale Medien können im Unterricht genutzt werden, um eine stärkere Binnendifferenzierung vorzunehmen. Dies sollte versucht werden, indem Schüler/innen in Gruppen arbeiten. Unterschiedlich starke Gruppen könnten dann unterschiedliche Themen bearbeiten. Die Lehrer/innen können sich so den Gruppen und Gruppenmitgliedern individuell zuwenden und sie entsprechend ihrer Bedürfnisse fördern. Durch die Gestaltung selbstgewählter Themen mit Digitalen Medien sollte der Versuch unternommen werden, jedes Kind seinen eigenen Interessen und Fähigkeiten entsprechend arbeiten und lernen zu lassen und dabei seine Ideen zu verwirklichen. Unterschiedliche Gruppenzusammensetzungen könnten dabei ein Mittel sein, peer-to-peer Teaching auszuprobieren, bei dem sich die Kinder einander selber Kenntnisse vermitteln. Dies könnte gerade im Zusammenhang mit Digitalen Medien sinnvoll sein, da hier sehr unterschiedliche Fähigkeiten notwendig und auch erwartbar sind. Halbjahrespraktikum der Lehramtsstudierenden Die künftige Lehrergeneration muss auf den zukünftigen, aber auch schon gegenwärtigen Einsatz von aktuellen und neuen technologischen Entwicklungen vorbereitet sein und diese für die Gestaltung sinnvoller Lernszenarios zu nutzen wissen. Die Lehramtsstudierenden könnten Träger sein für Innovationen, die mit den Digitalen Medien Eingang in die Schulen finden. Besondere Notwendigkeit liegt darin, die Kompetenzen dieser Studierenden mit Digitalen Medien zu fördern, denn, so zeigt eine kanadische Studie, die Kompetenz und Sicherheit der Lehrer/innen im Umgang mit neuen Technologien fördert und ist Voraussetzung für die Integration von Digitalen Medien in den Unterricht (Wood, Mueller et al. 2005). Gleichzeitig sollten sie Anwendungsmöglichkeiten für Medien kennen lernen, die innovative Lernprozesse anregen. Es sollte versucht werden im Rahmen des Projekts, sie selbst durch solche innovativen Lernprozesse lernen zu lassen.

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Robotik Robotikeinsatz mit Jugendlichen wird derzeit insbesondere im Hinblick auf die Erhöhung des Interesses an technischen und naturwissenschaftlichen Inhalten diskutiert. Erste Hinweise zeigen, dass hier zumindest kurzfristig (Langzeitstudien sind uns bisher nicht bekannt) eine Steigerung des Interesses stattfinden kann (Petre & Price 2004), (Beer, Chiel et al. 1999 ), (Miglino, Lund et al. 1999), (Johnson 2002). Das Roberta-Projekt zeigte erste Anhaltspunkte, dass auch bei Mädchen, die sich keine technische Berufsausrichtung vorstellen konnten, nach einem Robotikkurs die Anzahl derer erhöhte, die ein Interesse an technischen Inhalten und Berufen äußerten (Hartmann & Schecker 2005). Warum erfreuen sich Robotik-Kurse solcher Beliebtheit bei den SchülerInnen, und welche Lernmöglichkeiten bieten sie? Welche Lernprozesse finden statt und inwiefern sind sie relevant für schulische Bildungsprozesse? Petre und Price verweisen in ihrer empirischen Untersuchung mit Kindern, die an britischen Robotik-Wettbewerben teilgenommen hatten, auf den Wert von Robotik, weil Kinder damit einen starken Lernwunsch und Durchhaltevermögen entwickeln: „Robotics is not an answer for every one or every problem, but does provide some insights into how the „right“ technology in the context of problem-based learning can draw children into learning underlying principles. And it has shown how context, need and the desire to „make it work“ draw children to that learning so naturally that they hardly notice the intellectual strides they are making“ (Hervh. i.O.) (Petre & Price 2004, S. 157). Tatsächlich scheint Robotik einen interessanten Einfluss auf Lernen zu haben, zum einen aufgrund seiner interdisziplinären Anwendbarkeit, und zum anderen aufgrund der kontinuierlichen Hin- und Herpendeln zwischen konkretem Bauen und abstrakten Konzepten und Einsichten. Die Schüler/innen müssen in Teams Pläne entwerfen, sowohl Konstruktionspläne als auch Vorgehenspläne (z.B. Arbeitsteilung), sie müssen sich mit einem neuen Themengebiet auseinandersetzen und Programmierung lernen, bei fachübergreifendem Unterricht kommt auch die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Fachinhalten dazu. Sie müssen technische, physikalische, mathematische Prinzipien zusammenbringen und diese Kenntnisse auf einen konkreten Fall anwenden. Ihre Überlegungen zu einem konkreten Objekt und seiner Steuerung müssen in eine abstrakte formalisierte Programmiersprache übersetzt werden, welche sofort wieder am konkreten Objekt überprüft werden kann – bewegt sich der Robot nun so, wie sie es geplant haben oder muss etwas verändert werden? Diese Überlegungen und das direkte Feedback führen zu einem selbstinitiierten Wunsch nach Verbesserung, nach weiterem Nachdenken. Robotik stellt Kinder vor reale und für sie bedeutungsvolle Probleme. Bei Robotik sind die Schüler/innen selbst am Erkennen und Suchen ihrer Fehler interessiert, denn sie haben den starken Wunsch, den Robot nach ihren Ideen zum Laufen zu bringen. Dieser Wunsch erhöht ihre Aufmerksamkeit, ihre Konzentration und ihr Engagement. Im Sinne des Papertschen Konstruktionismus wollten wir durch Robotik die Lernenden durch eigene Konstruktionen und durch die Verwirklichung eigener Ideen und deren Veräußerlichung zu Denk- und Lernprozessen anregen. Transfer und Kooperationen Die im ersten Projektjahr begonnenen Projekte sollten fortgeführt und ggf. erweitert werden. Das Konzept zur Entwicklung neuer Lernformen in Schulen durch Digitale Medien sollte auf weitere Schulen übertragen werden. Dabei sollte besonders auf mögliche Barrieren und oder günstige Voraussetzungen für einen Transfer geachtet werden. Nachhaltigkeit Das Projekt ZIM@School konnte durch die Förderung der Cornelsen-Stiftung für die Dauer von 2 Jahren durchgeführt werden. Häufig war in der Vergangenheit zu beobachten, dass sinnvolle und interessante Projekte nach der Förderung einbrechen. Um das hier Erreichte für einen längeren Zeitraum fruchtbar zu machen, war es wichtig, Wege zu finden, wie die

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Ergebnisse und Erkenntnisse in die alltägliche Arbeit zu integrieren sind. Hier sollte vor allem danach gesucht werden, die Kontakte zu Schulen und Lehrer/innen zu erhalten und die zwischen Universität und Schule aufgebauten Kooperationen, sowie die Erkenntnis darüber, wie kooperatives Arbeiten zwischen Studierenden unterschiedlicher Fächer sowie mit Lehrer/innen zu organisieren ist, auch für herkömmliche Lehrveranstaltungen zu nutzen.

2 Tätigkeiten im Rahmen des ZIM@School-Projektes im zweiten Projektjahr

Im Hinblick auf die Verwirklichung der o.g. Ziele von ZIM@School wurden Workshops, Unterrichtsprojekte und eine Vorbereitung und Begleitung des Halbjahrespraktikums durchgeführt. Diese Maßnahmen werden im folgenden beschrieben und im Hinblick auf die Ziele von ZIM@School erläutert. Im zweiten Projektjahr galt es zunächst, die bereits im ersten Jahr (Phase 1) geschaffenen Kooperationen zu beleben sowie neue Schulen und Lehrer/innen für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Dazu wurden einerseits Workshops (an der Universität) für Lehrer/innen, Studierende und z.T. auch Schüler/innen angeboten, andererseits verschiedene Unterrichtsprojekte an den Schulen durchgeführt bzw. unterstützt. Lehramtsstudierende sollten mit den durchgeführten Workshops ermutigt werden, sich mit Digitalen Medien zu befassen, Kompetenzen zu erlangen und sich in neuen Projekten mit Schulen zu engagieren. Workshops für Schüler/innen wurden angeboten, um in einem konzentrierten Rahmen Beobachtungen über das Lernen von Kindern mit Robotik zu erlangen. Weiterhin versprachen wir uns, auch über die Schüler/innen Kontakte mit Schulen und Lehrer/innen zu erhalten. Ergebnisse aus den Interviews deuten darauf hin, dass Lehrer/innen häufig durch Aufforderungen von Schüler/innen dazu motiviert werden, neuere Technologien im Unterricht zu verwenden. Es ist ratsam, Schüler/innen mit im Schulkontext sinnvoll einzusetzenden Technologien vertraut zu machen, gleichzeitig Lehrer/innen von der Notwendigkeit, technisch alles „im Griff“ haben zu müssen, zu entlasten und ihnen das dafür erforderliche pädagogische Know How anzubieten. Im Zusammenhang des ZIM und seines Veranstaltungsangebots werden studentische Projekte (Lehramtsstudierende, Informatik- und Digitale Medienstudierende) initiiert und gefördert, um den Zusammenhang zwischen Lernen und Digitalen Medien besser zu verstehen. Das ZIM@School Projekt wurde in diesem Zusammenhang dafür genutzt, diese Studierenden jetzt auch verstärkt mit der schulischen Praxis zu vermitteln. Die Studierenden wurden ermutigt, ihre Ideen in Schulen auszuprobieren oder ihre Software von Beginn an gemeinsam mit Lehrer/innen oder Schüler/innen zu entwickeln. Dazu wurden ihnen Kontakte mit Schulen und Lehrer/innen vermittelt. Wichtig war es, im Sinne Deweys, auch bei den Studierenden an deren eigenen Interessen anzuknüpfen, sie ihre Themen selber wählen und sie eigene Erfahrungen machen zu lassen. Einen weiteren Schwerpunkt des ZIM@School-Projektes bildete die Einbeziehung der Lehramtsstudierenden, die im WiSe 2005/06 ins Halbjahrespraktikum gehen würden. Ihre Kompetenzen mit Digitalen Medien sollten mit Unterstützung des ZIM@School-Projektes und seiner Workshopangebote ausgebaut und in die Durchführung innovativer Lernszenarien in einem konkreten Praxiszusammenhang überführt werden. Dabei sollten sie ermutigt werden, im Halbjahrespraktikum selber entsprechende Lehr- und Lernangebote in den Schulen zu machen.

2.1 Transfer und Ausbau der Kooperation

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Sowohl an der Universität als auch an diversen Schulen fanden Projekte und Workshops statt. Neben der Weiterführung der Kooperation aus dem ersten Projektjahr mit dem Schulzentrum Lesum war es ein Schwerpunkt des Projektes, weitere Schulen zu erreichen. Hierzu wurden sowohl im März als auch im Mai 2005 Workshops an der Universität durchgeführt. Ziel dieser Workshops war es, interessierte Lehrer/innen zu erreichen und für eine Kooperation mit dem Projekt ZIM@School zu gewinnen. Aus diesen Kontakten entstanden später Schulprojekte mit Studierenden aus Informatik, Digitale Medien und Lehramt. Gleichzeitig wurde über die Vermittlung der Halbjahrespraktikant/innen an Schulen die Grundlage für weitere Projekte gelegt. Kooperationen im Rahmen von ZIM@School wurden mit folgenden Schulen aufgebaut:

• Schulzentrum SII Utbremen • Schulverbund Lesum • Gerhard-Rolfs-Schulzentrum • St. Johannis Schule • Mentor Schule • Gymnasium Kippenberg • Domgymnasium Verden • IS Leibnizplatz • Sek I Brokstraße • SZ Koblenzer Straße • IGS Delmenhorst • Altes Gymnasium • Herrman Böse Gymnasium • GS Kirchhuchting

Auf der Basis von im ersten Projektjahr gewonnenen Erfahrungen wurden Konzepte vorgestellt, teilweise in Kooperation weiterentwickelt oder ausprobiert. An manche dieser Schulen wurden Studierende vermittelt, die Interesse an einem gemeinsamen Projekt hatten und nach geeigneten Schulen und interessierten Lehrer/innen suchten. Einige Halbjahrespraktikant/innen konnten von uns an diese Partnerschulen vermittelt werden. Diese durch ZIM@School aufgebauten Kontakte werden zukünftig auch für weitere reguläre Lehrveranstaltungen genutzt. Weitere Kooperationen fanden mit folgenden Einrichtungen statt:

• LIS: Bremer Landesinstitut für Schule • Universität Bremen Lehramtsausbildung und Koordinationsstelle Halbjahrespraktikum • University of Massachussetts in Lowell/USA • Projekt ROBOT an der Universität Bremen • Koordination RoboCup Junior Deutschland, Humboldt Universität Berlin

2.2 ZIM@School Workshops und Vernetzung 2.2.1 Informations- und Vernetzungs-Workshop Zu einem Informations- und Vernetzungsworkshop wurden Bremer Lehrer/innen, Lehramtsstudierende und Informatikstudierende eingeladen. Dazu wurden Einladungen an alle Bremer Schulen versendet. Der Workshop wurde mit 21 Teilnehmer/innen im März 2005 durchgeführt. Der Workshop vermittelte aktuelle Theorien und Ansätze zum Einsatz Digitaler Medien im Schulunterricht. Möglichkeiten und Schwierigkeiten des Einsatzes Digitaler Medien im

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Unterricht wurden diskutiert und im Anschluss Ideen und Ziele im Hinblick auf konkrete Umsetzung entwickelt. Aus diesem Workshop ergaben sich schließlich konkrete Projekte wie z.B. das Mathe-Wiki-Projekt, das später dargestellt wird. Ein wesentliches Ergebnis des Workshops war der Beginn einer Vernetzung zwischen Studierenden und Lehrer/innen, aus der sich gemeinsame Projekte entwickelten. Von Lehrer/innen geäußerte Wünsche waren:

• Elektronische Kommunikationsplattform für die Lehrer/innen zum Austausch über erfolgreiche Projekte und Ansätze

• Unterstützung bei technischen Problemen • Kooperation mit Studierenden • Überwindung von Hindernissen in schulischen Strukturen bzgl. offenerer

Unterrichtskonzepte • Kennenlernen geeigneter Medien und Unterrichtsszenarien mit Digitalen Medien • Besonderes Interesse wurde an Robotik geäußert.

Es wurde ein zweiter Workshop ins Auge gefasst, der sich mit konkreten Anwendungs-möglichkeiten Digitaler Medien und einer technischen Einführung, in diesem Fall in das Thema Robotik, beschäftigen sollte. 2.2.2 Plattformen und Communities für Lehrer/innen Als Konsequenz aus diesem Workshops wurde über die Entwicklung einer Plattform zum Austausch der Lehrer/innen untereinander, aber auch zum Austausch mit Studierenden nachgedacht. Obwohl dies inhaltlich sinnvoll scheint, zeigen aber bestehende Plattformen und Communities, das diese nur einen kleinen Teil von aktiven Teilnehmer/innen haben, und dazu schien die von uns erreichbaren Lehrer/innen zu klein an der Zahl, um eine critical mass zu erreichen. Darüber hinaus würde eine erfolgreiche Entwicklung einer Plattform einen beträchtlichen Teil der Ressourcen des Projektes beanspruchen. Sinnvoller erschien es, die Lehrer/innen auf bestehende Plattformen und Communties hinzuweisen. Rechercheergebnisse über Informationsdienste und Lehrercommunities im Internet wurden aufbereitet und kommentiert und den Lehrer/innen zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wurde für an Robotik interessierte Lehrer/innen ein kleines interaktives Informationsportal geschaffen. Hier finden sie erste Hinweise auf Ziele von Robotik-Anwendungen im Unterricht, Unterrichtsprojektbeispiele, Materialhinweise, weiterführende Links. Lehrer/innen und Schüler/innen können hier ihre eigenen Projekte vorstellen und mit anderen in Kontakt treten: http://zim.informatik.uni-bremen.de/index.php/Main/Robotics Im Rahmen des ZIM@School Projektes wurden Recherchen über nützliche und leicht erreichbare Lehrer-Online-Communites durchgeführt. Diese Hinweise wurden mit jeweils detaillierten Beschreibungen an die Lehrer/innen weiter gegeben: http://www.schule-online.de Umfangreiche Community mit erprobtem Unterrichtsmaterial, Buchtipps, Foren zu verschiedenen Themen, Chat und Mediothek. Das „Magazin" hält Artikel zu vielen Themen rund um die Schule bereit. Grafisch sehr schön gemacht und benutzerfreundlich gestaltet. Die Seite richtet sich vor allem an Lehrer/innen, aber auch an Eltern. Interessant ist eine Suchfunktion, in der nach Materialien - geordnet nach Schulform, Klasse und Fach - gesucht werden kann. Angezeigt werden dabei veröffentlichtes Material von anderen Nutzer/innen, Arbeitsblätter, kostenpflichtiges Schulmaterial, themenbezogene Filme, von denen Ausschnitte online betrachtet werden können und andere Ressourcen.

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http://www.lehrer-online.de/ Lehrer-Online ist eine Service-, Netzwerk- und Informationsplattform von Schulen ans Netz e.V für Lehrer/innen. Das Portal ist sehr umfangreich und ansprechend gestaltet. Es werden regelmäßig neue Unterrichtseinheiten zu allen Fächern und Schularten angeboten oder auf diese verlinkt. Auch aktuelle Themen werden behandelt, z.B. die Tsunami-Katastrophe mit Hilfe eines interaktiven Flash-Films. In den Foren können fächerbezogene Fragen gestellt und Themen mit anderen diskutiert werden. Interessant ist besonders die Rubrik „Medienkompetenz“, in der Artikel und Links rund um das Themengebiet Digitale Medien in der Schule veröffentlicht werden und interessante Tools für den Einsatz in Schulen (z.B. den Homepage-Generator für die Grundschule) zum Download bereit stehen. Die Rubrik „Recht“ klärt z.B. über die rechtliche Seite im Umgang mit Digitalen Medien (z.B. Urheberschutz) auf. http://www.4teachers.de/ Auf dieser Site werden Informationen und Ausarbeitungen zu den Themen Stundenentwurf, Arbeitsmaterialien, Alltagspädagogik, Methodik / Didaktik und Schule allgemein angeboten. Es werden Links, Bücher, Downloads und auch Fach-Chats zu den einzelnen Fachgebieten angeführt. Interessant ist der Materialpool zum Thema Computereinsatz, in dem von PowerPoint-Folien bis zu interaktiven Übungen alles Mögliche zum Download angeboten wird. Ausführlich berichtet die Schulbibliothek über Lehrbücher mit Kurzzusammenfassungen und ISBN-Nummern. http://www.internet-guides.de/ Diese Site richtet sich ausdrücklich an Lehrer/innen, Lehramtsanwärter/innen und Referendar/innen und bietet auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Nutzergruppen zugeschnittene Link-Sammlungen. Darüber hinausgibt es umfangreiche themenbezogene Linklisten. Diese Seite ist daher eher eine Linksammlung als eine Community. http://www.lin.de/lin/ Diese Community ist vor allem ein Forum, in dem Fragen diskutiert, auf Kurse hingewiesen, Software und Bücher vorgestellt werden. Zusätzlich gibt es eine große Rubrik Job und Karriere. LeaNet (http://www.lea.net) Das Netzwerk ist ein Teilprojekt der Initiative Schulen ans Netz. LeaNet richtet sich an weibliche Lehrer. Die Plattform ist unterteilt in einen öffentlichen Informationsbereich und einen Mitglieder-bereich. Im öffentlichen Teil finden sich tagesaktuelle Neuigkeiten, der Bereich Medienpraxis, mit Online-Kursen und Tipps, um sich im Medienbereich selbstständig weiterzubilden und der Bereich Schulpraxis. Im vierten Bereich, der Infothek, finden sich Themen aus den Bereichen Gesellschaft, Aus- und Fortbildung, Buchrezensionen und Tagungsberichte. Nach erfolgreicher Anmeldung gelangt man in den Mitgliederbereich, „Mein LeaNet“ genannt. Dort kann jede Nutzerin E-Mails schreiben, Termine planen oder eine eigene Homepage veröffentlichen. Neben einem E-Mail-Account bekommt jede Nutzerin ein eigenes Adressbuch, einen Terminkalender und die Option, Online-Kontakte hinzuzufügen und zu verwalten. Schließlich besteht die Möglichkeit, auch ohne HTML-Kenntnisse eine eigene Homepage über LeaNet zu erstellen und zu verwalten. Im Mitgliederbereich haben die Nutzerinnen Zugang zu allen Diskussions- und Arbeitsbereichen. Alle Nutzerinnen sind sogleich Mitglieder der allgemeinen Netzwerkgruppe. In dieser Gruppe befindet sich das allgemeine Diskussionsforum von LeaNet. Einmal in der Woche gibt es zudem die Möglichkeit, sich zu einem festen Termin mit anderen Mitgliedern im Chat zu treffen. Bei den anderen Diskussions- und Arbeitsgruppen kann sich jede Nutzerin individuell anmelden. Die Themen sind sehr vielfältig: Frauen und Schule, Frauengeschichte, Frauenvertreterinnen, Sonderpädagogik, Fortbildung, Schulpraxis, Mädchenarbeit, Primarstufe, Internationales, Ausbildung und Studium. Darüber hinaus gibt es regionale Gruppen. Diese Gruppen sind teilweise geschlossen, so dass man sich zunächst an die Moderatorin wenden muss, um aufgenommen zu werden.

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Lehrer-Online-Netzwerk (http://www.lo-net.de) Lo-net steht für Lehrer-Online-Netzwerk (http://www.lo-net.de) und ist wie LeaNet ein Teilbereich der Initiative Schulen ans Netz e.V. Zielgruppe dieses Netzwerkes sind Lehrer/innen an bundesdeutschen Schulen sowie Lehramtsanwärter/innen und Lehramtsstudierende, die die Plattform kostenfrei nutzen können. Als Arbeits- und Kommunikationsplattform soll lo-net die Kooperation zur Umsetzung von Ideen und Projekten für alle Phasen der Lehrerbildung wie auch die Lehrerfortbildung ermöglichen. Die Plattform stellt Tools zur Kommunikation, Koordination und Internet-spezifischen Abwicklung zur Verfügung. Die Lehrkräfte werden dabei unterstützt, mit anderen Mitgliedern in einer Gruppe ihre Projektidee zu entwickeln und schließlich im „virtuellen Klassenraum“ mit den Schülerinnen und Schülern praktisch umzusetzen. Alle dazu notwendigen Arbeitsschritte sollen dabei (wenn möglich) über lo-net laufen. So besitzt die Plattform einen Privatraum, einen Gruppenraum, einen Klassenraum und Online-Kurse. http://www.lehrerforum.at Österreichisches Portal für Lehrer/innen. 2.2.3 Robotik-Workshops In Robotik-Workshops bauen die Teilnehmenden autonome Robot aus Baumaterialien, z.B. Lego, Fischer-Technik, Pappe, Holz, Rädern, Getrieben, Motoren und bestücken diese mit Sensoren, z.B. Lichtsensoren oder Drucksensoren sowie einem programmierbaren Baustein. Am Computer wird mithilfe einer leicht verständlichen, teilweise grafisch orientierten Programmierumgebung ein Programm entwickelt. Dieses wird mithilfe einer Infrarotschnittstelle auf den programmierbaren Baustein übertragen. Konstruktion und einer Programmierung werden so iterierend aufeinander abgestimmt. Die Teilnehmenden können so kleine Maschinen, Tiere, Fahrzeuge etc. bauen, die sich bewegen und in ihren Bewegungen scheinbar selbstständig (aber vorher über ein abstraktes Modell der Bewegung programmiert) mit ihrer Umwelt interagieren. Beim Robotik-Kurs sollten die Schüler/innen, Studierenden und Lehrer/Innen eigene Konstruktions- und Lernerfahrungen bei Bau und bei der Programmierung von Robots sammeln. Die zunächst abstrakten Vorstellungen von Robots und deren Programmierung können die Teilnehmer/innen Schritt für Schritt erforschen und konkretisieren. Sie können erkennen, dass Maschinen präzise Befehle benötigen, um korrekt zu arbeiten. Es wird bewusst, dass Digitale Medien die Steuerung durch Menschen benötigen und dass man selbst Einfluss auf die Programme nehmen kann. Ein tieferes Verständnis entsteht zunehmend dann, wenn die Kinder bereits mit der Programmierung der Robots begonnen haben und sich mit ersten Problemen konfrontiert sehen. Das eigenständige Lösen von Problemen, oft auch angeregt durch Fragen von anderen oder von den Betreuer/innen, eignet sich sehr gut, den Kindern nahe zu bringen, welche Möglichkeiten ihnen die Digitalen Medien einerseits eröffnen und welche neuen Probleme sie auch mit sich bringen. Anhand von immer konkreteren Ideen der Kinder wird der Lernprozess sichtbar. Anfängliche Schwierigkeiten beim Zerlegen von komplexen Aufgaben in Einzelbefehle, die der Robot versteht, sind bald überwunden und die Konzentration der Kinder gilt dem Finden der richtigen Befehle für die individuelle Programmierung und Gestaltung ihrer Robot. Ein Robotikkurs wurde für in erster Linie für Schüler/innen angeboten, war aber auch für einige Lehrer/innen und Lehramtsstudierende geöffnet. Dies bot den Lehrer/innen und Studierenden die Möglichkeit, ihre Lehrerrolle neu zu sehen und zu erfahren. Schüler/innen sind oft diejenigen, die sich rascher mit der Technologie zurecht finden, sie können jedenfalls gleichberechtigte Partner/innen sein. Lehrer/innen können dabei erfahren, dass sie sich in technischen Fragen auf die Schüler/innen stützen und sich auf die pädagogischen Aufgaben konzentrieren können.

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Robotikkurse, die sich an Lehrende richten, geben diesen die Möglichkeit, eigene positive Erfahrungen mit dem Einsatz Digitaler Medien in einem offenen Unterrichtskonzept zu machen. Über diese Kurse konnten Kontakte zwischen solchen Lehrer/innen aufgebaut werden, die deutliches Interesse an Digitalen Medien zeigen und diese innerhalb eines Unterrichtsprojektes oder Kooperationsprojektes gemeinsam mit Studierenden in Klassen einsetzen wollen. Daher wurde ein weiterer Kurs für Lehrer/innen und Studierende (Lehramt und Informatik/Digitale Medien) durchgeführt. Robotik-Workshop für Schüler/innen (Lehrer/innen und Studierende) Vom 28. bis 29. Mai 2005 fand ein zweitägiger Robotikworkshops für Bremer Schüler/innen, Studierende und Lehrer/innen statt. Der Workshop wurde von zwei amerikanischen Robotikspezialisten in englischer Sprache durchgeführt: Prof. Dr. Fred Martin, MIT Boston/University of Massachusetts Lowell, dem Entwickler der Robotik-Technologie Crickets, und Douglas Prime/ University of Massachusetts Lowell. Einladungen dafür wurden an alle Bremer Schulen versendet. Die Studierenden kamen aus den Fachrichtungen Lehramt, Informatik und Digitale Medien. Der Workshop fand mit 26 Teilnehmerinnen statt. Die Schüler/innen waren im Alter zwischen 9-18 Jahren.

Abbildung 1 Robotik-Workshop für Schüler/innen, Abschlusspräsentation

Abbildung 2 Robotik-Workshop Schüler/innen im ZIM

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Die von uns durchgeführten Robotik-Workshops wurden bewusst in einem sehr offenen Rahmen durchgeführt. Die Teilnehmenden wählten sich ihre Themen und Gruppen selbst. Der Workshop erstreckte sich über zwei volle Tage. Der Charakter ist eher werkstatt- als kursähnlich. Das Konzept sah eine kurze Einführung vor (ca. 45 Minuten), weitere Instruktio-nen wurden nicht gegeben. Die restliche Zeit stand für das eigene Bauen und Programmie-ren zur Verfügung. Abends gab es jeweils eine Zwischen- und Abschlusspräsentation. Die Rolle der Lehrenden beschränkte sich darauf, von Gruppe zu Gruppe zu gehen, nachzu-fragen und Unterstützung zu geben. Interessant war für uns, dass etliche Kinder morgens früher kamen, um länger bauen zu können und ihre Pausen nicht nehmen wollten. Während sich Studierende/Lehrer/innen und Schüler/innen jeweils in nach Status getrennten Gruppen arbeiteten, entwickelten sich doch lebhafte Gespräche zwischen ihnen. Aus den Interviews und Beobachtungen wurde deutlich, dass sie gegenseitig voneinander lernen und sich inspirieren konnten. Für die Lehrer/innen und Lehramtsstudierenden war es interessant, das Verhalten der Kinder zu beobachten, während sie sich selbst in der gleichen Lernsituation befanden. Uns alle überraschten der Ideenreichtum und die hohe Frustrationstoleranz der Kinder. Der Workshop wurde auf Englisch durchgeführt. Selbst Kinder mit sehr schwachen Englischkenntnissen bewerteten dies sehr positiv. Für die Schüler/innen wurde eine Plattform eingerichtet, auf der sie ihre Robots einander, Eltern und Freund/innen präsentieren können und sich miteinander und anderen Robotik-Interessierten vernetzen können. Die Kinder luden Fotos und Beschreibungen hoch. Über ein Diskussionsforum konnten sie miteinander in Kontakt treten. Die Plattform wurde als Wiki konzipiert, so dass alle Beteiligten jederzeit Änderungen und Erweiterungen vornehmen können können. Robotik-Workshop für Lehrer/innen und Studierende Vom 30. bis 31. Mai 2005 fand ein zweitägiger Robotikworkshop, der sich nur an Lehrer/innen und Lehramtsstudierende richtete. Der Workshop wurde ebenfalls von den zwei amerikanischen Robotikspezialisten durchgeführt: Prof. Dr. Fred Martin, MIT Boston/University of Massachussets Lowell, dem Entwickler der Robotik-Technologie Crickets, und Douglas Prime/ University of Massachussets Lowell. Einladungen dafür wurden an alle Bremer Schulen versandt. Die Studierenden kamen aus den Fachrichtungen Lehramt, Informatik und Digitale Medien. Der Workshop fand mit 16 Teilnehmer/innen statt (6 Studierenden, 1 Wissenschaftlicher Mitarbeiter des RoboCup Junior Projekts, 5 Lehrerinnen, 4 Lehrer). Der an die Lehrer/innen und Studierenden gerichtete Workshop hatte neben dem Sammeln eigener Erfahrungen auch das Ziel, konkrete Anwendungsmöglichkeiten für den Unterricht zu besprechen und so Hemmungen bei der Nutzung des Mediums abzubauen. Eigene Erfahrungen im Erlernen der Technologie sollten ein besseres Verständnis und Reflexion für Lernprozesse fördern und damit auch für die eigene Lehrtätigkeit. Dieser Workshop wurde mit einem ähnlichen Konzept durchgeführt wie der Workshop, der sich in erster Linie an die Schüler/innen richtete. Er beinhaltete etwas mehr theoretische Einführung zu Robotik, Unterrichtsbeispiele, es wurden auch Projekte aus den USA vorgestellt. Es wurden Diskussionen zu den Einsatzmöglichkeiten angeregt. Absicht der Kursleiter war auch hier, den Teilnehmer/innen möglichst viel Raum für die Arbeit an der eigenen Konstruktion zu lassen, und sie diese Art des Lernens hautnah erleben zu lassen. Den Lehrer/innen wurde das interaktive Informationsportal zu Robotik im Unterricht vorgestellt. Ein Lehrer kam zu unserem Robotik-Workshop, weil er von Schüler/innen darauf angesprochen worden war, dass sie gerne im Unterricht mit Robotik arbeiten wollen. Inspiriert durch diesen Vorschlag, suchte er nach Weiterbildungsmöglichkeiten. Erfahrungen

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wie diese (die uns häufiger von Lehrer/innen bereichtet wurden) weisen darauf hin, dass Schüler/innen treibende Kraft bei der Entwicklung von innovativen Unterrichtsprojekten sein können. Schüler/innen als Akteur/innen für Digitale Medien in den Schulen zu stärken, war auch einer der Gründe, aus dem ZIM@School-Projekt heraus die Organisation von Schüler-Workshops zu unterstützen.

Abbildung 3 Robotik-Workshop Unterrichtsanwendung für Lehrer/innen

Robotik-Workshop Interkulturalität und Digitale Medien ZIM@School und die AG DiMeB veranstalteten in Kooperation mit der Bremer Stadtbibliothek in den Herbstferien einen einwöchigen Robotik-Workshop: „Viva, Robot! Roboter erzählen Geschichten“ für Kinder und Jugendliche vom 24. bis 28. Oktober 2005. Im Rahmen des Projektes ZIM@School unterstützten wir die Workshops mit dem Ziel, durch Öffentlichkeit und durch das Anknüpfen an den Interessen der SchülerInnen Lernmöglichkeiten durch Robotik bekannt zu machen und Kinder und Jugendliche als „Träger“ eines Lernens mit Digitalen Medien in den Schulen zu gewinnen.

Workshop Medienbildung für Lehramtsstudierende

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Mit Lehramtsstudierenden, einer Lehrerin und 4 Wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen wurde - zusätzlich und begleitend zur Lehrveranstaltung zur Vorbereitung des Halbjahrespraktikums - ein Workshop Medienbildung geplant und durchgeführt. Ziel war es, die Medienkompetenz der zukünftigen Lehrer/innen zu erhöhen und Möglichkeiten für ein Unterrichtskonzept zur Medienbildung kennenzulernen. Dies betraf die Bereiche: Nutzung und Anwendung verschiedener Medien, Hardware und Softwarebedienung, Themen- und Inhaltsgestaltung, Medien in der Gruppenarbeit, Konzepterstellung, Reflexion über Erwartungen an Medienarbeit und Schule. Inhalte waren die kreative Arbeit in Video, Filmschnitt, Fotobearbeitung, Webseitenerstellung. Die mit verschiedenen Medien (Hard- und Software) zu bearbeitenden Themen betrafen Fragen und Aspekte von Standpunkten und Einschätzungen zu Digitalen Medien und Lernen, eigene Lehrerrolle in der Schule, Erwartungen an Schule und Entwicklungen eigener Visionen. Methodisch wurden diese Lerninhalte in der Form des Stationenlernens aufbereitet. Der Workshop wurde an einem halben Tag durchgeführt und weitere Aufgaben, die sich daraus ergaben, an die Studierenden verteilt, die bis zum Ende des Semesters selbstständig, aber individuell unterstützt durch das ZIM@School-Projekt, an der Weiterentwicklung arbeiten. Das Endergebnis, das auch eigene Reflexionen und persönliche Standpunkte zum Thema „aktiver Medieneinsatz im Unterricht“ enthält, wird am Ende der Veranstaltung als Medienprodukt allen Teilnehmer/innen am Seminar „Begleitung des Halbjahrespraktikums" zugesandt werden. Es enthält die Standpunkte der Studierenden vor ihrem eigenen Praktikum, also vor ihrer ersten Lehrererfahrung, und damit auch vor ihren ersten Erfahrungen zum Einsatz von Digitalen Medien im Unterricht. Veränderungen in ihren Auffassungen und Standpunkten sollen damit zum Ende des Seminars diskutiert werden. Die Ergebnisse werden erst nach Abschluss des ZIM@School-Projektes vorliegen.

2.3 ZIM@School: Unterrichtsprojekte Im Rahmen und betreut von ZIM@School wurden diverse Studierenden-Projekte an Schulen durchgeführt. Beteiligt waren insgesamt 18 Studierende und 8 Lehrer/innen von 7 Schulen. Auch in diesen Projekten wurde ein besonderer Schwerpunkt auf die Nutzung Digitaler Medien im Zusammenhang mit einem offenen Unterrichtskonzept gelegt. Diese werden im Folgenden genauer dargestellt. 2.3.1 Projektthema: Robots im Kunstunterricht Kontext: ZIM@School-Projekt im Rahmen einer Diplomarbeit Studierende: Informatik-Studentin Durchführung: Gerhard-Rolfs-Schulzentrum, Referendar Kunst/Mathematik, 7. Klasse Inhalt: Bau und Programmierung eines zeichnenden Robots im Mathematik- und Kunstunterricht. Evaluierung: Interview mit Lehrer, Gruppendiskussion mit 6 Schüler/innen Im diesem Robotik-Projekt entwickelte eine Informatik-Studentin zusammen mit einem Referendar für Kunst und Mathematik ein Robotikprojekt für den Kunstunterricht. Sie hatten relativ wenig Zeit zur Verfügung. Dieses Projekt war nach herkömmlichen Unterrichtsmethoden geplant und wurde vorrangig nach einem instruktionistischen Lehrverständnis durchgeführt. Es wurde genau festgelegt, was wie in welcher Stunde ablaufen sollte. Die Schüler/innen bekamen das von der Studentin in Anbetracht der knappen zur Verfügung stehenden Zeit vorgebaute Grundmodell eines kleinen fahrbaren Robots ausgehändigt, an den sie einen Stifthalter anbauen sollten, so dass der Robot beim Fahren malen kann. Dann sollten sie den Robot so programmieren, dass er ein Strichmännchen zeichnet. Den Schüler/innen hat dieses Projekt Spaß gemacht, sie haben aber auch heftige Kritik an

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dem Projekt geäußert in bezug auf die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit und die Vorgabe des Grundmodells und der eng gestellten Aufgabe. Insbesondere wurde von Schüler/innen kritisch angemerkt, dass sie lieber an einer eigenen Idee gearbeitet hätten. Diese und ähnliche Kritik wird auch in der evaluierenden Gruppendiskussion mit einigen der beteiligten Schüler/innen (siehe Auswertungskapitel) deutlich. Der Lehrer war sehr angetan von der guten Kooperation mit der Studentin und hat diese Unterstützung seines Unterrichts sehr genossen. Obwohl er ein eher instruktionistisch geprägtes Verständnis von Unterricht hatte, würdigte er die Vorteile von Robotik in Bezug auf die Motivation und das Engagement der Schüler/innen und erkannte, dass sie stark daran interessiert gewesen waren, eigene Lösungen zu finden und Ideen kreativ umzusetzen. Ihm war es wichtig, dass derartige Unterrichtsprojekte mit dem Lehrplan vereinbar sind. Er zeigte sich besonders von den Fähigkeiten der Mädchen überrascht, denen er wohl so viel technisches Verständnis nicht zugetraut hatte. 2.3.2 Projektthema: Kommunikation mit Lego Mindstorms Kontext: ZIM@School-Projekt in Verbindung mit einer Vorlesung Studierende: 3 Lehramtsstudierende, 1 Studentin Digitale Medien Durchführung: Schulzentrum Lesum, 8. Klasse Evaluierung: Interview mit einer Studentin, Interview mit Lehrer Mit dem Projekt wurde ein Unterrichtskonzept entwickelt, das Schüler/innen einen Zugang schaffen soll zum Thema „Kommunikation“ durch die Arbeit mit Lego Mindstorms. Zunächst erproben die SchülerInnen dabei ein technisch orientiertes Kommunikations-Konzept, verwirklicht durch eine Robot-Kommunikationskette. Die Vergleichbarkeit von Robot-„Kommunikation“ mit Kommunikation zwischen Menschen erfahren die Jugendlichen dann am eigenen Leib, indem sie diese Kette nachspielen und dabei Variationen erproben, die spezifisch menschlich sind, zum Beispiel die Einbeziehung von Bedeutung und Emotionen. Durchführung: Die Schüler/innen sollen eine Kommunikationskette aufbauen, bei der verschiedene Robots über unterschiedliche Signale kommunizieren. Ziel ist es, eine Nachricht von einem Robot zu einem anderen zu senden. Dabei verwendet ein Robot nur eine bestimmte Form der Kommunikation (z.B. Infrarot), der andere eine andere (z.B. Berührungssensor). Über ein oder mehrere Zwischenglieder soll eine Kommunikationskette entstehen, über die die Nachricht vom ersten zum letzten Robot gelangt. Anschließend sollen die Schüler/innen diese Kommunikationskette selbst nachspielen. Dabei sind sie zunächst auf die Möglichkeiten der Robots beschränkt (Reiz- Reaktions-Schema, fest einprogrammiert). Später haben sie die Möglichkeit, ihr Verhalten in der Kette zu variieren und Gefühle, Bedeutung und andere Möglichkeiten einzubauen, die Menschen in der Kommunikation haben. Die Diskussion über diese Erfahrungen soll zum Nachdenken über Kommunikation anregen. Der beteiligte Lehrer äußerte sich später im Interview sehr positiv über das Projekt. Er habe selber seine Schüler anders kennen gelernt, habe etwas über ihre Interessen gelernt und ihre Begeisterung und Neugierde gespürt. Eine der Student/innen beschrieb, wie ihr anfangs der Mut gefehlt habe, sich vor eine Schulklasse zu stellen, wie gut ihr diese Erfahrung der Gruppenarbeit getan habe. Sie betonte, dass es für sie sehr interessant war, die Inhalte der Vorlesung zu Digitalen Medien und Bildung selber praktisch umzusetzen. Ihre Aufgabe sei es dabei, ein eigenes Projekt zu dem Thema zu entwickeln. Mit ihren Schüler/innen sei sie ebenso vorgegangen, auch diese sollten ein eigenes Projekt zum Thema entwickeln. Insofern habe sie diese Lernmethode aus beiden Perspektiven, der der Lehrenden und der der Lernenden kennen gelernt und dadurch sehr viel gelernt (siehe Auswertungskapitel). 2.3.3 Projekte WIKI-Technologie für den Schulunterricht

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Wiki ist eine Technologie zur einfachen Webseitenerstellung, bei der alle Internetnutzer/innen eine Seite nicht nur lesen, sondern auch verändern können. Wikis werden als Tools vor allem zum gemeinsamen gleichberechtigten Aufbau und Austausch von Wissen verwendet. Sie entstanden als Wissensmanagement-Tool, sind als OpenSource erhältlich und einfach zu nutzen, also auch gut für Schulen geeignet. Wikis sollen die gemeinschaftliche Kreation von Wissen und Prozessen unterstützen, wie es mit dem Begriff des Web 2.0 verbunden wird. Dadurch können Schüler/innen mit vermutlich zukünftig immer wichtiger werdenden Kommunikationsprozessen und ihren Tools vertraut werden. Indem das Internet zum Publizieren eigener Ideen genutzt wird, kann ein realistisches Bild von den Möglichkeiten und Beschränkungen des WWW entwickelt und können grundlegende Prinzipien deutlich werden. (Mehr siehe http://de.wikipedia.org/wiki/ ). Es wurden mehrere Wiki-Projekte durchgeführt: Projektthema a): Erstellung eines Mathebuches in einer 6. Klasse mit Wikis Kontext: ZIM@School Projekt Studierende: ein Informatik-Student Durchführung: SZ Lesum, 6. Klasse, Orientierungsstufe Evaluierung: im Rahmen eines Projektberichts des Studenten Die teilnehmenden Schüler/innen der 6. Klasse bekamen ein leeres Wiki, und die Schüler/innen konnten dies gemeinsam gestalten. Die Klasse wurde dafür aufgeteilt in eine Gruppe der am Wiki interessierten Schüler/innen und eine andere Gruppe, die in der gleichen Zeit herkömmlichen Mathematikunterricht bekam. Die Wiki-Gruppe mit dem Wunsch der Erstellung eines eigenen Mathematikbuches der 6. Klasse sammelte Themen der 6. Klasse und bildete Untergruppen, die jeweils eines der Themen bearbeiteten und für das Wiki konzeptionierten. Die Gestaltung des Inhalts und der Art der mathematischen Erklärungen im Wiki sowie das Design/Navigation blieben dabei den Schüle/innen überlassen. Der Informatik-Student überlegte gemeinsam mit der Lehrerin das Konzept, war für die technische Umsetzung verantwortlich und betreute die Wiki-Gruppe. Die fertigen Projekte wurden der gesamten Klasse präsentiert. Dazu präsentierte jede Gruppe ein Thema, das sie nicht selbst erstellt hatte. Durch dieses Vorgehen sollten Unklarheiten und Irritationen deutlicher werden, als wenn jede Gruppe ihr eigenes Projekt präsentiert. Über Inhalte und Navigationskonzept wurde mit den Ersteller/innen reflektiert. Die Gruppen arbeiteten sehr unterschiedlich, aber insgesamt sehr motiviert. Der Student war erstaunt über die geringen Computer- und Internetkenntnisse der Kinder. Diese entwickelten sich im Laufe der Arbeit, das Verständnis über die Gestaltbarkeit von Internetseiten und über die Bedeutung eines Navigationskonzeptes konnten erhöht werden (Jochmann 2005). Projektthema b) : Projekt Mathematik zwischen zwei örtlich entfernten Schulklassen Kontext: ZIM@School-Projekt im Rahmen einer Diplomarbeit Studierende: Informatik-Student Durchführung: SZ Lesum, 9. Klasse, und Schule am Leibnizplatz, 8. Klasse Evaluierung: je ein Interview mit dem Lehrer und der Lehrerin, Gruppendiskussion mit der ganzen 9. Klasse, Gruppendiskussion mit 2 Schülern der 8. Klasse

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Aus den Erfahrungen des Projektes a) in einer 6. Klasse wurde ein weiteres Projekt entworfen: Diesmal waren zwei Klassen von unterschiedlichen Schulen (SV Lesum und Integrierte Stadtteilschule Leibnizplatz) der Klassen 8 und 9 beteiligt. Die beiden Lehrer/innen und der Informatikstudent planten das Projekt gemeinsam, wobei die Initiative von dem Studenten ausging, der das Projekt und die Zusammenarbeit koordinierte. Ziel war das Erlernen selbständigen Arbeitens sowie die Erstellung eines Konzeptes für die Darstellung von Inhalten. Durch unterschiedliche Aufgaben und Lerntempi sollte eine Binnendifferenzierung erreicht werden. Die Schüler/innen sollten sich in Gruppen selbstständig über mehrere Wochen unterschiedlichen mathematischen Unterrichtsstoff erarbeiten und diesen auf Wiki-Seiten darstellen und erklären, so dass andere Schüler/innen dies verstehen können (Lernen-durch-Lehren). Der Lernstoff wurde auf Arbeitsblättern und auf angegebenen Seiten des Mathematikbuches angeboten. Die Lehrerin/ der Lehrer unterstützten die Gruppen während des Unterrichts nach Bedarf. Beide Klassen behandelten ähnliche Themen (Termumformung bzw. Darstellung als Graph), die aufeinander aufbauten. Obwohl einander nicht bekannt, sollte zu einem Austausch zwischen beiden Klassen ermutigt werden. Die gemeinsame Startseite wurde durch Schüler/innen aus beiden Klassen im ZIM an der Universität Bremen gestaltet. Eine Abschlusspräsentation vor einer Parallelklasse bzw. der eigenen Klasse war vorgesehen. 2.3.4 Projekt Blogs Kontext: Projekt im Halbjahrespraktikum Studierende: Ein Lehramtsstudent gemeinsam mit betreuender Lehrerin Durchführung: IGS Brokstraße 6. Klasse Evaluierung: Das Projekt wurde erst im November 2005 begonnen, so dass noch keine Ergebnisse vorliegen Im Nachmittagsunterricht einer sich neu entwickelnden Ganztagsschule wurde ein Unterrichtsprojekt zum Freizeitverhalten der Schüler/innen geplant. Freizeiteinrichtungen sollen besucht und beschrieben werden. Dafür wurde ein Blog eingerichtet. Die Schüler/innen und Lehrer/innen haben gleichermaßen Zugang zum Blog und können ihre Erfahrungen sowie Texte, Fotos, Audio-Aufnahmen, Links zu relevanten Webseiten einstellen. Ziel ist es, neben dem Kennenlernen von Freizeiteinrichtungen die Ausdrucks- und Reflexionsfähigkeit der Schüler/innen zu fördern. Das Projekt wird von einem Lehramtsstudenten im Halbjahrespraktikum gemeinsam mit seiner betreuenden Lehrerin auf seine Initiative hin durchgeführt. 2.3.5 Projekte: Videofilme mit digitaler Filmschnitt-Software Mit der gestalterischen Medienarbeit wird ein Lernprozess initiiert, der die kreative und produktive Umsetzung von Inhalten mit Audio-, Video-, Text- und Grafik-Elementen unter ästhetischen Gesichtspunkten umfasst. Dies eignet sich in besonderem Maße als Methode, um kooperatives und produktives Planen und Handeln in Projekten einzuüben. Die Erstellung von medialen Produkten ist ein komplexer Prozess, der in der Regel nur in der Gruppe zu bewältigen ist. Sie ermöglicht Aufgaben unterschiedlichster Art, die den Lernenden Gelegenheit bieten, ihren Fähigkeiten entsprechend am Produktionsprozess teilzunehmen, neue Talente bei sich zu entdecken oder zu entwickeln. Ein Thema in eine kommunizierbare Form zu bringen, erfordert Entscheidungsprozesse über Konzeption, Zielgruppe und konkrete Gestaltung des Produkts. Es wurden verschiedene Projekte dazu durchgeführt:

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Projektthema : Videofilmerstellung im Kunstunterricht Kontext: ZIM@School Projekt Studierende: 2 Lehramtsstudierende Durchführung: Gymnasium Kippenberg, 8. Klasse Evaluierung: Gruppendiskussion mit 4 Schülerinnen Das Projekt wurde von zwei Lehramtsstudierenden entwickelt und im Kunstunterricht in einer 8. Klasse durchgeführt. Die Idee zu dem Projekt entstand während des Halbjahrespraktikums der beiden Studierenden im letzten Jahr, welches auch bereits von ZIM@School betreut wurde. Die Unterrichtseinheit Videofilm wurde im Kunstunterricht realisiert. Die Schüler/innen arbeiteten in selbstgewählten Gruppen an selbstgewählten Themen. Gestalterische Medienarbeit ermöglichte die Entdeckung neuer Handlungs- und Erfahrungsfelder. Neue Lernorte (z.B. als Drehort) wurden aufgesucht, es wurde vor Ort recherchiert. Die Schüler/innen erstellten einen Plot und ein Drehbuch, entwickelten ein Konzept für die Umsetzung ihrer Idee in einen Videofilm und setzten sich mit den Wirkungen verschiedener Kamera-Einstellungen auseinander, für die sie einen Plan erstellen mussten. Am Ende der Unterrichtseinheit präsentierten sich die Schüler/innen gegenseitig ihre Filme. Projektthema: Videofilm in der Grundschule Kontext: ZIM@School Projekt Studierende: Lehramtsstudentin Durchführung: GS Kirchhuchting, 7 Kinder der 2. und 4. Klasse Evaluierung: Im Rahmen eines Projektberichts der Studentin In der Unterrichtseinheit ging es um das Verständnis für Filmproduktion sowie die Entwicklung, Ausarbeitung und Durchführung eines selbstgewählten Projekts im Bereich des Experimentalfilms. Vorgabe war, einen Einkaufswagen in zweckentfremdete Zusammenhänge zu stellen. Ziel war es, anhand eines für beide Geschlechter gleichsam spannenden und populären Mediums technische Kompetenzen zu entwickeln und mit Hilfe dieses Medium zu lernen, kreative Prozesse zu entwickeln, zu steuern und schließlich in einem Produkt zu realisieren. Nach einer Einführung in die Produktionsschritte der Videoverarbeitung und der Darstellung kreativer Arbeitsmittel wie z.B. die Benutzung von Storyboards wurden mit den Schüler/innen gemeinsam kurze Videos aufgenommen und geschnitten. Besonders interessant an diesem Projekt war zu sehen, dass auch technisch anspruchsvolle Projekte mit Grundschulkindern erfolgreich umgesetzt werden können. 2.3.6 Projekt Kreativrätsel zum Erklären von Aufbau von Computergraphik Kontext: ZIM@School Projekt Studierende: 3 Lehramtsstudentinnen Primarstufe Durchführung: 4. Klasse Evaluierung: Im Rahmen eines Projektberichts der Studentinnen Anlass des Projekts ist das gemeinsame Hobby der Studentinnen, das Lösen von Kombinatorikrätseln. Ziel dieser Rätsel ist es, durch das Durchspielen verschiedener Kombinationsmöglichkeiten und durch Ausdauer einen Zahlencode zu entziffern und als

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Ergebnis ein Bild zu erhalten. Diese Art der Darstellung entspricht der Art und Weise wie Bitmap-Grafiken aufgebaut und Bilder generell am Computerbildschirm dargestellt werden. Ziel des Projektes war es einerseits, Schüler/innen diese Art grafischer Darstellungen von Computerprogrammen nahe zu bringen und andererseits die Technologie der Bilderstellung zu nutzen für die Herstellung und Gestaltung eigener Rätsel und sie damit zu verstehen. Dazu wurden die Kinder in Techniken wie Scannen, Drucken und Digitalfotografie eingeführt und benutzten verschiedene Software (z.B. Bildbearbeitungsprogramme). Die Schülerinnen erhielten Kombinatorikrätsel, die sie lösen sollten. Anhand der entstandenen Bilder wurde ihnen das Konzept der Pixeldarstellung von Computerbildern erklärt. Um dies selber zu erkennen, scannten die Kinder Bilder in einer sehr niedriger Auflösung in den Computer ein und druckten diese Bilder aus. Aus diesen Bildern mit ihrer groben Pixelstruktur entwickelten sie einen Zahlencode und erstellten dann selber Kombinatorikrätsel. 2.3.7 Projekt MOO/MUD im Fremdsprachenunterricht: Kooperative Entwicklung einer

virtuellen Abenteuerwelt zur Vermittlung einer Fremdsprache Kontext: ZIM@School Projekt Studierende: 2 Studentinnen Digitale Medien Durchführung: SZ Utbremen, Berufsschule Evaluierung: Projekt begann im WS 2005/06. Noch keine Ergebnisse. Ziel des Projektes ist die Vermittlung von Programmierkenntnissen in Verbindung mit Englischkenntnissen und der aktiven Anwendung der englischen Sprache durch die Entwicklung eines englischsprachigen Computerspiels. Darüber hinaus soll die eigene Konzeption und Umsetzung eines Spiels in einer Gruppe gelernt werden. Innerhalb des Projekts wird die Entwicklung eines textbasierten Online-Rollenspiels zur Vermittlung der englischen Sprache angestrebt. Zielgruppe sind Schüler/innen, die im Rahmen des Englischunterrichts in den Entwicklungsprozess der virtuellen Abenteuerwelt einbezogen werden. Die Schulklasse wird in zwei (oder auch mehr) Gruppen eingeteilt, die jeweils eine eigene Welt mit verschiedenen Orten, Objekten, virtuellen Personen und einer Abenteuer-Geschichte kreieren. Durch die Beschreibung dieser Elemente in einer Fremdsprache lernen die Schüler/innen, sich in der Sprache auszudrücken und das im Unterricht Gelernte umzusetzen. Ziel jeder Gruppe wird die Kreation eines spannenden und anspruchsvollen Abenteuers sein, an dem die andere Gruppe möglichst lange Spaß hat. Wenn die Schüler/innen das Abenteuer angehen, müssen sie sich in der fremdsprachigen Welt zurechtfinden. 2.3.8 Projektthema: Entwicklung einer Lernsoftware für den Musikunterricht Kontext: ZIM@School Projekt Studierende: 4 Informatik-Studenten Durchführung: für Januar 2006 geplant Evaluierung: keine Evaluierung, da erst im Januar in der Schule erprobt wird. In dem Projekt wurde eine Lern- und Spielsoftware für den Musikunterricht entwickelt, mit der Melodien und Lieder komponiert werden können und die ein Gehörtraining enthält. Mit Hilfe der Applikation soll das Gehör der Schüler/innen geschult werden und auf die Bedeutung der auditiven Wahrnehmung auch im Alltag hingewiesen werden. Es hat folgende Funktionen:

• Mit Hilfe eines Step-Sequenzers wird es möglich sein, einfache Melodien und mehrspurige Lieder relativ einfach selber zu komponieren.

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• Das Lied wird vom Programm „bewertet“, Grundlage dafür sind die zuvor mit Hilfe einiger kleiner Spiele erzielten Inspirationspunkte.

• Im Laufe des Spiels kann man neue Instrumente freispielen. • Die Eingabe soll nicht nur über Maus und Tastatur erfolgen, sondern weitere

interessante, intuitive Eingabemedien sollen integriert werden, z.B. Trommeln inkl. Mikrofon, Hand-Positionserkennung usw.

• Darüber hinaus sollen weitere pädagogische Einsatzzwecke ausprobiert werden (z.B. Rhythmus-Gefühl).

2.3.9 Zusammenfassung Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das ZIM@School Projekt im Jahr 2005 eine ausgezeichnete Möglichkeit bot, Lehramts-, Informatik- und Digitale Medien-Studierende der Universität in Kontakt zu bringen mit verschiedenen Schulen. Für die Schulen, die beteiligten Lehrer/innen und Schüler/innen entstand dadurch ein Raum, in dem kreative Projekte mit Digitalen Medien initiiert werden konnten, die über die bloße Anwendung vorhandener Lernsoftware hinausgeht und Digitale Medien als Anlass für schöpferische und das Medium selbst begreifbar machende Prozesse sieht. Studierende informatischer Fachrichtungen erhielten realistische Einblicke in die Bedeutung von Anwendungen für den Bildungskontext und konnten sich mit den in Schulen entstehenden Bedarfen auseinandersetzen. Studierende aus pädagogischen Fachrichtungen konnten sich in einem kreativen Rahmen mit Digitalen Medien beschäftigen, etwas über ihre Funktionsweise und ihre Gestaltbarkeit lernen, sowie ihr pädagogisches Know-How durch die Kooperation mit Informatikstudierenden weitergeben.

2.4 Integration von Halbjahrespraktikant/innen Im Herbst 2005 begann im Rahmen des Halbjahrespraktikums der Lehramtsstudierenden (HJP) ein begleitendes Seminar, welches von ZIM@School mit betreut wurde. Neben der generellen Begleitung und Unterstützung der Studierenden wurde inhaltlich ein Schwerpunkt auf die Nutzung Digitaler Medien im Unterricht gelegt. Dazu wurden Einführungen in Technologien gegeben und mögliche Unterrichtsanwendungen diskutiert. Die Unterbringung der Studierenden fand in Absprache mit dem Lehramtssekretariat an der Universität und mit betreuenden Lehrer/innen statt, die ein Interesse an der Nutzung neuer Medien haben. Die Halbjahrespraktika werden bis Frühjahr 2006 stattfinden. Die Begleitung der Lehramtsstudierenden in der Vorbereitung und Durchführung des Halbjahrespraktikums ab SoSe 2005 wurde in Kooperation mit dem Fachbereich für Erziehungs- und Bildungswissenschaften durchgeführt. Am von ZIM@School unterstützten Seminar nahmen 25 Studierende teil. Ziel war es, diese Studierenden nicht nur beim Erwerb von Medienkompetenzen zu unterstützen, sondern darüber hinaus die Auseinandersetzung mit der Rolle Digitaler Medien für Lehren und Lernen anzustoßen und eine Reflexion über die Veränderungen der Lehrerrolle zu initiieren. Das Halbjahrespraktikum dient dazu, den Lehramtsstudierenden den ersten Kontakt mit Schule in ihrer neuen Rolle als Lehrer/in zu ermöglichen. In dieser neuen Rolle gilt es, sich zu bewähren und eigene Prioritäten und eigene Vorgehensweisen und Lehrmethoden zu entwickeln. Durch diese Neuorientierung scheint uns dies ein geeigneter Zeitpunkt, auf Potenziale Digitaler Medien hinzuweisen und Interesse dafür zu wecken. War also unser Ziel, mit dem Seminar ein Klima zu etablieren, in dem sich Neugier entwickeln kann, über Digitale Medien, ihre Möglichkeiten und Potenziale nachzudenken, zeigte sich zu Beginn, dass die Halbjahrespraktikant/innen relativ uninteressiert waren am Einsatz Digitaler Medien für innovative Unterrichtskonzepte. Dies verwunderte, da sie sich freiwillig für diesen Schwerpunkt eingetragen hatten. Sie zeigten sich wenig engagiert und tendierten dazu,

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Verantwortung eher abzugeben. An einer Vermittlung von „EDV-Kenntnissen“ bestand Interesse, allerdings schien es zunächst eher nicht so, dass diese in Unterrichtskonzeptionen münden könnten. Interesse bestand eher an der eigenen Ausbildung in der Nutzung klassischer Software und evtl. noch darin, ganz konkrete Hinweise für fachdidaktisch unterstützende, „fertige“ Software zu erhalten. Die Lehramtsstudierenden brachten viele Zweifel und Vorbehalte gegenüber Digitalen Medien mit in das Seminar, die Vorkenntnisse waren überraschend gering, auch ihr alltäglicher und studienbezogener Umgang mit Digitalen Medien war eher gering. Ziel der Arbeit im Seminar war es, neben der Vermittlung von eigener Medienkompetenz und verbesserter Kenntnis und Einschätzung Digitaler Medien für Lernprozesse, das Verständnis der Lehrerrolle der Lehramtsstudierenden hin zu der einer Berater/in zu erweitern. Der Anspruch, am Computer alles wissen zu müssen, bevor Digitale Medien im Unterricht eingesetzt werden, sollte reduziert werden und die eigene Wahrnehmung als pädagogische/r Leiter/in gestärkt werden. Um ihre Erfahrung von Teamarbeit zu stärken und damit Grundsteine für eine spätere kooperative Arbeit mit anderen Lehrer/innen zu legen, wurde in den Seminararbeiten Wert auf Gruppenarbeit gelegt. Den Studierenden wurden im Verlauf der beiden Seminare verschiedene Digitalen Medien und Lernsoftware vorgestellt. Durch einen Workshop Medienbildung für die Studierenden sollten sie in einer spielerischen und kreativen Lernsituation den Umgang mit verschiedenen Digitalen Medien erfahren und Ideen gewinnen für Anwendungsmöglichkeiten im Unterricht. Das Seminar wurde durch eine elektronische Lernplattform unterstützt, in die die Studierenden auch selber Informationen einspeisen konnten (studIP). Es zeigte sich, dass durch die Arbeit in der Schule die Halbjahrespraktikant/innen bereit wurden, sich mit ihrer Lehrerrolle neu auseinander zusetzen. Plötzlich entstanden neue Rollenkonfrontationen, und neue Bedarfe wurden wahrgenommen. Fragen tauchten auf: Wie vermittle ich den Unterrichtsstoff? Wie gehe ich mit schwierigen Schüler/innen um? Wie kann ich mit unterschiedlichem Migrationshintergrund umgehen? Wie befriedige ich unterschiedliche Wissensstände, Vorerfahrungen, Lerninteressen der Schüler/innen? Diese Probleme wurden in der HJP-Begleitung aufgegriffen. Aus diesen Fragen entstand – zum Teil überraschend – auch neues Interesse an den Digitalen Medien. Während beim Vorbereitungsseminar für das neu erworbene Wissen über den Umgang mit Digitalen Medien wenig Anschlusspunkte bestanden, stellten die Studierenden jetzt in der Praxis fest, dass sie:

• kontinuierlich eine Fülle von Lehrmaterialien brauchten, • dass sie mit den Medienerfahrungen der Kinder Schritt halten müssen, • dass sie auf die Mediennutzungsweisen der Schüler/innen reagieren müssen, • dass der unterschiedliche Wissensstand der Schüler/innen durch Digitale Medien

aufgefangen werden kann, wenn diese das Potential für Vertiefungsmöglichkeiten bieten,

• dass Schüler/innen bei der Informationsrecherche zu Unterrichtsthemen oder für Referate häufig nur eine Quelle, und zwar meist Wikipedia, zitieren, und das von den Halbjahrespraktikant/innen als unzureichend erkannt wurde. So waren plötzlich Kenntnisse über Recherchemethoden gefragt.

Es entstanden Wünsche an das begleitende Seminar und Interesse an den Inhalten, die auch zu Anwendungen im Unterricht führten. So wurde beispielsweise über die Bedeutung von Wikipedia reflektiert, die Herstellungsweise der Inhalte, die Relevanz der Inhalte, die Pros und Contras für die Zulassung im Unterricht, die Glaubwürdigkeit von Quellen. Interesse an der Erkundung von Alternativen, die Schüler/innen angeboten werden konnten, war geweckt. Das Unterrichtskonzept der WebQuests (Staiger 2001) wurde vorgestellt und erprobt. Eine Umsetzung für den eigenen Unterricht wurde angedacht.4 Teambildung fand dabei statt unter einigen Studierenden, die 4 Das Ergebnis kann leider noch nicht berichtet werden, da diese Einheit im November 2005 stattfand.

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an derselben Schule Praktikum machten oder die dasselbe Fach vertreten, sie schlossen sich zur Unterrichtsvorbereitung zusammen. Ein Lehramtstudent berichtete von dem Problem, dass seine Schüler/innen zu seiner großen Überraschung und Besorgnis große Defizite im Wissen über Geografie hatten, und nicht sagen konnten, wo Afrika, Australien oder Amerika liegen. So wurde eine Seminareinheit geplant, in der Geografie-Basis-Kenntnisse mit Hilfe Digitaler Medien vermittelt wurden. Ein weiterer Student entdeckte das Weblog als Möglichkeit, Schüler/innen über ihre Erfahrungen und Erlebnisse Tagebuch schreiben zu lassen und dadurch ihre Kreativität und Ausdrucksfähigkeit zu fördern. Er plante daraufhin ein Projekt mit seiner betreuenden Lehrerin. Sie lassen das Unterrichtsprojekt zum Thema Freizeit von den Schüler/innen durch ein Weblog begleiten. Zusammenfassung Für die Umsetzung der Ziele von ZIM@School (Teambildung, Verwirklichung innovativer Unterrichtskonzepte in Schulen, Kenntnis neuer Technologien, Einsatz von Robotik im Unterricht) waren die Halbjahrespraktikant/innen von großer Bedeutung. Als künftige Lehrergeneration müssen sie in der fortschrittlichen Nutzung Digitaler Medien ausgebildet werden. Darüber hinaus könnten sie eine Schnittstelle sein zwischen Schule und Universität, die neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Lernen mit Digitalen Medien aufgreifen und als neue Ideen in die Schulen hineintragen. Die aktive Aneignung dieser Medien erfolgte zunächst für die eigene Nutzung sehr interessiert und begeistert, für die Nutzung im Unterricht dagegen eher schleppend, die Innovationsfreude der Studierenden war zunächst gering. Erst durch die Praxiserfahrungen an den Schulen wurden rückwirkend wiederum Anlässe für das Nachdenken über Unterrichtsprojekte mit Digitalen Medien geschaffen.

3 Digitale Medien, Lehren und Lernen: Evaluierung der Unterrichtsprojekte ZIM@School

Im Rahmen des ZIM@School Projektes wurde neben der Durchführung der Workshops sowie der praktischen Unterstützung der Unterrichtsprojekte und des Halbjahrespraktikums ein Schwerpunkt auf die empirische Evaluation der Ergebnisse der Unterrichtsprojekte gelegt. Insbesondere aus der Durchführung und Begleitung dieser Projekte erwarteten wir Hinweise auf neue Lernkulturen, was sie behindert und fördert, wie Schüler/innen und Lehrer/innen dies sehen.

3.1 Zum methodischen Vorgehen Einige der im vorhergehenden Kapitel vorgestellten Teilprojekte, die im Zusammenhang mit ZIM@School durchgeführt wurden, wurden in im Rahmen des Gesamtprojektes explizit in einen Evaluationsprozess einbezogen, weil dort besonders interessante Prozesse festgestellt worden waren. Unser Erkenntnisinteresse durch die Erhebungen bezogen sich auf die oben formulierten Ziele von ZIM@School. Das Halbjahrespraktikum findet im Herbst/Winter des Schuljahres 2005/06 statt. Anschluss an die Erfahrungen der Halbjahrespraktikant/innen aus dem Praktikum 2004/05 konnten leider aufgrund der Unsicherheit über die Weiterförderung des Projektes ZIM@School und des dadurch notwendigen Personalwechsels nicht erreicht werden.

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Im Detail betraf das folgende Fragerichtungen:

• Wie können Digitale Medien im Unterricht eingesetzt werden? • Wie ändert sich Unterricht dadurch? • Was kann dabei gelernt werden? • Wann und warum ist dieses Lernen relevant? • Welche Motivation haben Lehrer/innen und Lehramtsstudierende für die Nutzung von

Digitalen Medien? • Wie können Lehrer/innen bei der Integration von Digitalen Medien unterstützt

werden? • Welche Wünsche äußern Schüler/innen an ihr Lernen? • Wie können Digitale Medien helfen, Innovationen in die Schulen zu tragen?

Für eine qualitative Erhebung wurden Befragungen von insgesamt 5 Schüler/innengruppen im Rahmen von Gruppendiskussionen zu unterschiedlichen Unterrichtsprojekten durchgeführt. Zu einigen der Projekte wurden insgesamt 4 Interviews mit den beteiligten Lehrer/innen geführt. Studierende wurden in ihren auswertenden Berichten gebeten, ihre Erkenntnisse und Aussagen über die Erreichung ihrer Ziele durch das Projekt zu formulieren, diese fließen darüber in die Evaluation ein. Ergänzt wurde die Evaluierung durch teilnehmende Beobachtung in Unterrichtsprojekten. Erhebungen wurden in folgenden Projekten durchgeführt:

• Robotik-Workshop1 für SchülerInnen (sowie einige Studierende und Lehrer/innen), teilnehmende Beobachtung und Interviews (Beobachtung1)

• Robotik-Workshop 2 für Lehrer/innen und Studierende, teilnehmende Beobachtung (Beobachtung2)

• Mathebuch Online, 8. Klasse, Mathebuch Online, 8. Klasse, teilnehmende Beobachtung (Beobachtung4)

• Mathebuch Online, 8. Klasse, Lehrerin, Interview (Interview6) • Mathebuch Online, 8. Klasse, 2 Schüler, Gruppendiskussion (Interview7) • Mathebuch Online, 9. Klasse, teilnehmende Beobachtung (Beobachtung3) • Mathebuch Online, 9. Klasse, Lehrer, Interview (Interview5) • Mathebuch Online, 9. Klasse, alle SchülerInnen, Gruppendiskussion

(Gruppendiskussion9) • Robotik im Kunstunterricht, 7. Klasse, teilnehmende Beobachtung (Beobachtung5) • Robotik im Kunstunterricht, 7. Klasse, Lehrer (Referendar), Interview (Interview3) • Robotik im Kunstunterricht, 7. Klasse, 6 Schüler, Gruppendiskussion (Interview2) • Freizeitprojekt als Weblog, 6. Klasse, Lehrerin und Halbjahrespraktikant, Interview

(Interview4) • Video-Einheit im Kunstunterricht, 8. Klasse, 4 Schülerinnen, Gruppendiskussion

(interview10) • Robotik in Unterrichtseinheit zu Kommunikation, 8. Klasse, durchführende Studentin,

Interview • Lehramtsstudierende im Halbjahrespraktikum, Fragebogen

3.1.1 Zum leitfadengestützten Interview Mit dem Ziel, in der Interviewsituation einem offenen Gespräch möglichst nahe zu kommen, aber dennoch bestimmte Problemstellungen zu fokussieren, wurde als Erhebungsverfahren das problemzentrierte Interview gewählt. In den folgenden Ausführungen zu dieser Methodik beziehen wir uns im Wesentlichen auf die Erläuterungen von (Mayring 1999) und (Witzel 1982), wo der Begriff des problemzentrierten Interviews geprägt wurde. Das problemzentrierte Interview unterliegt in methodisch-technischer und methodologischer Hinsicht den Anforderungen, die auch für andere Formen der qualitativen Forschung (vor allem für alle Formen der offenen, halbstrukturierten Befragung) Gültigkeit besitzen.

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Die Forschung soll dabei an konkreten, gesellschaftlichen Problemen ansetzen, deren objektive Seite vorher analysiert wird (vgl. Mayring 1999, S. 51). Ein vorläufiges theoretisches Rahmenkonzept ist bereits vor der Erhebungsphase vorhanden, geht in Struktur und Inhalt des Interviewleitfadens ein und kann durch die ermittelten Ergebnisse modifiziert und korrigiert werden. Für das Interview wird das Prinzip der Offenheit und Flexibilität betont. Formulierung, Reihenfolge oder Gewichtung von Fragen und Sachverhalten sind nicht vorgegeben, sondern ergeben sich im Kontext der Erhebungssituation. Die Forscherin nimmt dabei eine zurückhaltende Position ein. Ihr Anliegen ist es, Handlungs- und Deutungsmuster der Befragten zu ermitteln. Um allerdings die Vergleichbarkeit der einzelnen Fälle und die Erfassung (möglichst) aller wichtiger Aspekte zu gewährleisten, lag jedem Interview ein Interviewleitfaden zugrunde. Dieser ist in bestimmte Themenbereiche eingeteilt und dient als grobe Orientierungshilfe, um zu einer kontrollierten und vergleichbaren Herangehensweise an den Forschungsgegen-stand zu kommen. Die Fragen an die Lehrer/innen orientierten sich an einem Leitfaden, der folgende Fragen enthielt: Warum haben Sie sich an Prozess beteiligt? Wie war Zusammenarbeit mit Studierenden? Wie würden Sie eigene Fähigkeiten im Umgang mit IT beschreiben? Was haben Schüler gelernt? Was war anders als sonst im Unterricht? Was bräuchte es, um so etwas zu wiederholen, um so etwas zu veranstalten? Wo liegen die Schwierigkeiten? Wie können andere Lehrer ermutigt werden? Was bringt die Initiative für Veränderung von Schule? Was erwarten Schüler von Lehrern? Wo liegt der Nutzen von DM für die Schule? Für das Lernen? Welche Visionen habt ihr für das Lernen mit Digitalen Medien in der Schule? Die Forscherin hielt sich nicht strikt an den Leitfaden, sondern gestaltete das Interview so offen wie möglich. In welcher Reihenfolge letztlich über die einzelnen Themenaspekte gesprochen wurde, hing vom Gesprächsverlauf und der Themenwahl der Befragten ab. Lenkte der Befragte das Gespräch auf Aspekte, die nicht im Leitfaden enthalten, aber für den Gesprächsverlauf bedeutsam waren, formulierte die Forscherin situationsangemessene Ad-hoc-Fragen. Die Interviewsituation hatte kommunikativen Charakter. Die Interviews wurden mit Einverständnis der Interviewten mit einem Tonaufnahmegerät aufgezeichnet und anschließend teil-transkribiert. 3.1.2 Zur Gruppendiskussion Als zweite Forschungsmethode wurde die Gruppendiskussion gewählt, da „die Diskutanten sich face-to-face kommunikativ zu einem bestimmten Gegenstand, von dem sie alle betroffen sind, austauschen, also miteinander interagieren“ (Lamnek 1998, S. 53). Die jeweils befragten Gruppenmitglieder haben gemeinsam an einzelnen Unterrichtsprojekten teilgenommen und stehen somit in einer kollektiven Beziehung zueinander. Im Sinne Bohnsacks bedeutet dies, “dass wir gemeinsam mit jenen, mit denen wir durch gleiche oder ähnliche Erfahrungen, durch Gemeinsamkeiten der Lebensgeschichte verbunden sind, uns in der für unseren Erfahrungsraum, unserem Milieu konstitutiven Sprache mit den „objektiven“ Begebenheiten auseinandersetzen“(Bohnsack 2003, S. 114). Gerade für eine Befragung von Kindern/Jugendlichen in einer Gruppe von Gleichaltrigen ist es vorteilhaft, dass sie sich in einem locker empfundenen Kommunikationsaustausch, in einer möglichst alltagsnahen Situation befinden und so mögliche Scheu und Sperren durchbrochen werden können.

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In den Gruppendiskussionen wurde viel Raum gelassen für die eigenen Impulse der Kinder. Es wurden vor allem zu Beginn wenig Fragen gestellt, weil es wichtig schien, von den Themen zu erfahren, die die Schüler/innen von alleine ansprechen, um so die Bedeutung dieser Themen für sie besser einschätzen zu können. Erst wenn von den Schüler/innen deutliche Signale kamen, dass sie weitere Fragen wünschten, wurden diese gestellt und nahmen dabei vorherige Aussagen der SchülerInnen mit auf. Die Fragen an die Schüler/innen orientierten sich an einem Leitfaden, der folgende Fragen enthielt: Wie habt ihr das Unterrichtsprojekt erlebt? Was habt ihr dabei gelernt? Was haben andere Schüler/innen nicht gelernt, was ihr gelernt habt? Was würdet ihr einer späteren Gruppe für Empfehlungen geben? Wie wünscht ihr euch Lernen? Wenn ihr an Computer denkt, woran denkt ihr? Welche Visionen habt ihr für das Lernen mit Digitalen Medien in der Schule? Es wurde dabei versucht, möglichst wenig Fragen zu stellen, die ein Thema vorgeben, um die Sprechenden zum Formulieren eigener Themen zu ermutigen. Zu Beginn wurde erläutert, dass wir an einem Forschungsprojekt arbeiten, mit dem wir herausfinden möchten, was Schüler/innen in der Schule durch ein Projekt, wie sie es erlebt hatten, lernen können. Dabei würden uns insbesondere unterschiedliche Meinungen interessieren. Die Inhalte des Gesprächs seien nur für uns, nicht für die Lehrer/in oder die Studierenden gedacht. Ebenso wie die Einzelinterviews wurden die Gruppendiskussionen mit einem Tonbandgerät aufgezeichnet und teil-transkribiert. Dazu wurde der Verlauf des Gespräche inhaltlich nachvollzogen und besonders wichtige Stellen wörtlich transkribiert. 3.1.3 Fragebogen Die Erhebung der Meinungen, Erfahrungen und Erkenntnisse der Lehramtsstudierenden im Halbjahrespraktikum sollte zu einem möglichst späten Zeitpunkt durchgeführt werden, damit sie noch möglichst viel Unterrichtserfahrung im Praktikum sammeln konnten, bevor wir sie befragten. Da die Anzahl der Studierenden relativ hoch war, wurde auf Interviews und Gruppendiskussion verzichtet und eine Erhebung durch einen offenen kurzen Fragebogen bevorzugt. Ein weiterer Vorteil dieser Methode gegenüber einer Gruppendiskussion war, dass wir damit ein möglichst voneinander unbeeinflusstes Bild ihrer Einschätzungen und Erkenntnisse erhalten konnten. Die Fragen lauteten:

1. Was kannst du aus den beiden HJP-Vorbereitungs- und Begleit-Seminaren mitnehmen an wichtige Erfahrungen und Wissen? Was hast du gelernt?

2. Was war schwieriger als erwartet? 3. Hat sich dein Verständnis von Möglichkeiten für den Einsatz Digitaler Medien im

Unterricht geändert? Falls ja, wie? Falls nein, wie ist es geblieben?

4. Hast du selber Digitale Medien im Unterricht eingesetzt oder planst du dies? Falls ja, wie? Falls nein, warum?

3.1.4 Auswertungsmethode

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Die Auswertung der qualitativ erhobenen Daten erfolgte in zwei Schritten. Zunächst wurden die Interviews im Rahmen einer Einzelfallanalyse nach inhaltlichen Schwerpunktbereichen (in Hinblick auf die Fragestellung) untersucht. Anschließend folgte eine zusammenfassende und vergleichende Analyse der Ergebnisse. Die Analyse der Interviews orientierte sich an dem Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse und wurde mit Hilfe des computergestützten Textanalysesystems MaxQDA 2001 (Max Qualitative Datenanalyse) durchgeführt. Bei der qualitativen Inhaltsanalyse gibt es verschiedene Grundformen (vgl. Mayring 1999, S. 91 ff.). Für diese Analyse wurde die induktive Kategorienbildung gewählt. Dies bedeutet, „eine systematische Ableitung von Auswertungsgesichtspunkten aus dem Material“ (Mayring 1999, S. 92) durchzuführen. Schrittweise wurden also aus dem kodierten Material Kategorien entwickelt und schließlich zu einem Gesamturteil zusammen gefasst.

3.2 Empirische Ergebnisse aus den ZIM@School Unterrichtsprojekten: Zwischen Lebenswelt und Schule

Die Schüler/innen, mit denen wir im Rahmen der ZIM@School-Unterrichtsprojekte gesprochen haben, hatten schon Erfahrungen im Umgang mit dem Computer in ihrer Freizeit.

S5: Videospielen am Computer, das ist schon ein Teil der Freizeit geworden. Hausaufgaben mach ich auch am Computer, Referate, oder so. Das kann man sich eigentlich schon schlecht mehr wegdenken. I: Woran denkt ihr denn, wenn ihr an Computer denkt? S: (Lachen) Chatten, spielen, so was halt. S: Eigentlich ist der Computer schon ein Teil des Lebens. Also ich wüsste nicht, was ich machen sollte, wenn so ein Scheißwetter draußen ist. Dann liest man mal ein bisschen, und dann ist einem langweilig, und dann macht man was am Computer.

In dem, was sie uns über ihren Computerumgang erzählen, wird deutlich, dass sie dort keine Trennung zwischen Spielen und Lernen machen, sondern dass die Übergänge fließend sind. Wo sie Digitalen Medien an der Schule begegnen, übertragen sie dort zunächst ihre positiven Erfahrungen, die sie mit Computern in der Freizeit machen und formulieren entsprechende Erwartungen an die Schule. Interessant ist, dass auch hier zuallererst an eine Verbindung von Spiel und Lernen gedacht wird:

I: Was würde euch Spaß machen? S: Ein Spiel zu entwickeln. Das ist schon ziemlich schwer, macht aber auch Spaß, und das würde auch bewertet werden. Oder dass wir mal so ein richtig großes Projekt machen (hier werden die Schüler hörbar aufgeregt), so vielleicht ein gutes Jump-and-Run Spiel, oder so. Mit der ganzen Klasse. Es würde dann abgestimmt werden, was für eine Art von Spiel das wäre, und dann dürften wir unsere eigenen Figuren jeder machen und unsere eigenen Rollen. Also das fände ich schon ziemlich ganz, also richtig gut. S: Mit Spielen und so, mit einem Programm umgehen, dass man einfach richtig sicher im Computerumgang ist, weiß, wo gute Internetseiten sind zum Übersetzen, Spielelösungen finden, im Internet recherchieren, dass man zu Hause danach Aufgaben bekommt, wo man nach Themen suchen muss. Oder es wäre auch gut, wenn man selber Spielelösungen zu selber entwickelten Spielen machen würde. Aber das wird nie erreichbar sein. S: Das wär bestimmt interessant und spannend.

Lernen mit dem Computer ist zunächst positiv besetzt – weil Computerarbeit Spaß macht und anders ist als herkömmlicher Unterricht. Auch von anderen Schüler/innen wird der

5 S: Schüler/in; I: Interviewführende; L: Lehrer/in; LS: Lehramtsstudierende/r

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Übergang zur Freizeit betont, wo man „dann weitermachen“ würde am Nachmittag. Im Zusammenhang mit Unterrichtsprojekten mit Digitalen Medien wird von einigen nachdrücklich gerechtfertigt, warum Unterricht „auch“ Spaß machen müsse, da dann auch eher Lernerfolg zu erzielen sei:

S: Unterricht soll auch Spaß machen. Wenn Unterricht keinen Spaß macht, dann wollen die meisten auch gar nicht mitmachen, dann schaltet man auch ganz schnell ab. Aber wenn das Spaß macht, dann freut man sich auch darauf, wieder mitzumachen. Da lernt man auch viel mehr dabei.

Gleichzeitig aber werden in zahlreichen Äußerungen die Ambivalenzen deutlich, die Schüler/innen dabei umtreiben. Der Junge oben, der das Erstellen eines „großen“ Spiels unterstützt, beendet seinen Satz mit der Formulierung, dass das aber „nie erreichbar sein“ wird. Ein Schüler erzählt beiläufig während des Interviews, dass einer aus der Gruppe mal mit den Robots „gespielt“ habe und macht dabei ein Pfeif-Geräusch, das andeutet, dass der Mitschüler dabei „ertappt“ worden sei. Mit Robots zu spielen, habe nicht zu der Aufgabe gehört, wollte der Schüler uns damit sagen, es habe sich damit um verbotenes, zumindest unerwünschtes Verhalten gehandelt. Auch in den folgenden Äußerungen drücken sich diese Ambivalenzen aus:

S: Es ist gut, weil in der Zeit hat man keinen Unterricht, und Computer sind so ein bisschen High-Tech-mäßig, mit dem Projektor auch. S: Wenn ich in so ein Buch gucke und Mathe mache, dann ist das zwar besser für mich, aber langweilig. Und wenn ich das am Computer mache, bringt das mehr Spaß, aber bringt mir gar nichts.

Es kommt, wie die Zitate zeigen, sogar zum Konflikt mit den Vorstellungen vom Lernen: Lernen und Spaß passt in ihrer Vorstellungswelt nicht zusammen. So kommt es schließlich sogar zu einer strikten Unterscheidung zwischen Lernen einerseits und Computernutzung, was bedeutet, „keinen Unterricht“ zu haben, andererseits. Gerade bei Robotikkursen findet man häufig große Begeisterung während des Projektes und große Unklarheit über das Gelernte bei der anschließenden Reflexion: Gleich zu Beginn des Interviews sagen die Schüler, dass sie das Projekt spannend und interessant fanden, aber nicht glaubten, dabei etwas gelernt zu haben. Ein Junge sagt:

S: Also der Anfang war ganz gut, bis wir dann eine Arbeit zu dem Thema geschrieben haben. Die ist sehr schlecht ausgefallen, da gab es nur eine 1 und viele 3en und 4en und 6en. Daran haben wir dann gemerkt, dass es schlecht war dieses Projekt für uns. Also das hat es irgendwie nicht gebracht.

Wir werden auf die Identifikation von Lernen mit dem in Klassenarbeiten abgefragten Wissen im folgenden Abschnitt noch zu sprechen kommen. Dass zwischen schulischem Lernen, das häufig als „langweilig“ bezeichnet wird und dem, was man in der erlebnisreicheren Freizeit tut, eine strikte Abgrenzung vorgenommen wird, drückt sich in der aufschlussreichen Aussage eines Schülers aus, der sich eine Zukunft wünscht, in der das schulische Lernen per „Automat“ erledigt werden kann, um sich dann wieder den interessanten Dingen zuwenden zu können:

S: Ich würde mir wünschen, dass es eine HightechSchule ist, und da ist ein Automat, und da lädt man alles runter, was man wissen muss, und dann ist man superschlau, und dann kann man wieder nach Hause gehen und was anderes machen. Am Computer spielen.

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Auch auf der Seite eines Lehrers gibt es eine deutliche Parallele, auch für ihn ist Unterricht mit instruktionistischem Vorgehen verbunden, der „Spaß“ sozusagen nur eine Zugabe für die Motivation, „weil sie durch die Medien abgestumpft sind“, „um sie zu kriegen“, aber nicht das eigentliche Lernen.

L: Also, da wo es drum ging etwas zu lernen, da war es wie immer sehr schwierig. Und als sie es dann selber ausprobiert hatten, da haben sie dann doch immer wieder nachgefragt, weil sie eben vorher nicht zugehört hatten.

Nur dort, so kann man diese intuitive Äußerung des Lehrers interpretieren, wo ein Lehrervortrag statt gefunden hat, „ging“ es darum, „etwas zu lernen“; der Rest, das Ausprobieren, ist eine Zugabe. In der Reflexion eines Schülers über eines der Mathematikprojekte wird deutlich, dass auch der Student und die Lehrerin interveniert haben, wo es einen ganzheitlichen Zusammenhang zwischen Spaß (Gestaltung) und Mathematik hätte geben können:

S: Vielleicht wäre das besser gewesen, wenn wir dann, als wir die Aufgaben machen mussten, auch noch nebenbei die Seiten lustiger gestalten hätten dürfen. Und dann musste das einfach nur schwarz-weiß gemacht werden. Nur geschriebene Aufgaben und Lösungen. Unsere Spaßseiten wurden dann weggemacht, die wir am Anfang gemacht hatten, die konnten wir uns dann auch nicht mehr angucken. Und dann mussten wir nur noch Mathe machen. Da durften wir keine Bilder mehr drauf machen. Nur Fotos durften wir noch machen.

Wollen die Schüler/innen der „Spaßgeneration“ sich nun vor den Anstrengungen des Lernens drücken und sozusagen höchstens im Vorbeigehen und ohne Konzentration lernen? Bei den Robotik-Kursen haben alle Beobachter/innen, Lehrer/innen wie auch wir als Wissenschaftler/innen immer wieder gestaunt darüber, wie unglaublich konzentriert die Schüler/innen bei der Sache waren, wie lange diese Konzentration bei der „Zap-Generation“ anhalten konnte und wie intensiv sie war, selbst dort, wo viele andere Dinge darum herum passierten. Für die Schüler/innen aus unseren Interviews ist Anstrengung nicht negativ besetzt und sogar erwünscht: Als die Wissenschaftlerin die zwei Schüler aus dem Mathebuchprojekt fragte, ob sie ihre Aussagen richtig zusammenfasse, dass es am Anfang Spaß gemacht hätte, bis sie sich wegen des Verständnisses für die Matheaufgaben anstrengen mussten, da verneinten sie vehement. Das hätte sie falsch verstanden. Nein, es wurde nicht blöd, weil es anstrengend wurde, sondern weil es langweilig wurde. Zwei Schüler aus den Robotikprojekten sollen dazu noch zu Wort kommen:

S: Genau. Das ist dann ja auch die Herausforderung dann. Also wenn man sich dann eine Figur macht, und dann geht irgendwas nicht und dann ..., man muss das anders machen und probieren, Hilfe suchen. I: Das macht keinen Spaß? Wenn man keine gute Idee hat? S: Nein, wenn das so leicht ist auch, zu bauen. I: Das macht keinen Spaß? S: Ja. I: Das muss schwer sein? Dann macht das Spaß. S: Ja.

Was aus diesen Äußerungen deutlich wird, ist, dass die Schüler/innen nicht die Anstrengung verweigern, sondern die Langeweile. Dort, wo ihnen mit interessanter Technologie etwas geboten wird, wo sie ihre eigenen Ideen umsetzen können, werden sie den Lehrer/innen auch beweisen, dass sie nicht die lustlose

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und unengagierte Medienkonsumgeneration sind. Sie wollen, so begründet dies ein Schüler, mehr Robotik-Projekte machen, „…damit die Lehrer mal merken, dass die Schüler Interesse haben und auch mal was machen wollen". Zusammenfassung: Die Freizeit von Jugendlichen ist heute von einer Vielzahl attraktiver Anregungen, die insbesondere durch Medien vermittelt werden und Engagement einfordern, geprägt. Dort scheinen Jugendliche wenig zwischen Spielen und Lernen zu trennen, beides fließt ineinander. Wenn Digitale Medien in der Schule eingesetzt werden, verknüpfen sie, so unsere Ergebnisse, zunächst mit dem Medium diese Freizeiterfahrungen und übertragen sie auf ihre Nutzung in der Schule. Einerseits fordern sie gegenüber der Langeweile schulischen Lernens im Kontext dieses Mediums den „Spaß“ ein. Andererseits kommt es zu Widersprüchen zu dem, was für sie „Lernen“ heißt: Computer zu nutzen bedeutet zunächst „kein Unterricht“, jedenfalls „hat man nichts gelernt“. Dass die positiven Assoziationen, die Schüler/innen mit dem Computer verknüpfen, nicht bedeuten, dass sie „nur“ Spaß haben wollen im Sinne einer Vermeidung von Anstrengung, wird aus verschiedenen Äußerungen der Schüler/innen deutlich.

3.3 Empirische Ergebnisse aus den ZIM@School Unterrichtsprojekten: Eigene Projekte durchführen und das Lernen lernen

Eine Erkenntnis, die sich in allen von uns untersuchten Unterrichtsprojekten als positive oder negative Aussage immer wieder massiv Bahn bricht (und die in der konstruktivistischen Diskussion ja schon fast gebetsmühlenartig wiederholt wird) ist, dass nur das Anknüpfen an eigenen Interessen und die Umsetzung eigener Ideen einerseits „Spaß“ machen und anderseits Herausforderungen bieten. Dies wissen auch die Lehrer/innen:

L: Wenn sie das Gefühl haben, ich kann meinen Fragen nachgehen, dann werden sie ganz schnell merken, dass Lernen auch Spaß machen kann und dass es auch nicht immer so einfach ist, Antworten zu finden, sondern dass man dafür was tun muss.

Alle von uns befragten Schüler/innen sprachen von sich aus ungefragt darüber, dass sie an etwas Eigenem arbeiten möchten, sowohl diejenigen, deren Projekt dafür Raum ließ als auch diejenigen, in deren Projekt dies nicht erlaubt war. Entweder war es ihre Antwort auf die Frage, wie ihnen das Projekt gefallen habe (gut, weil man an etwas Eigenem arbeiten konnte), oder es wurde beim Gespräch darüber, was ihnen nicht so gut gefallen hatte am Projekt, geäußert (wenn man etwas Eigenes hätte machen können, wäre es besser gewesen). Die befragten Schüler/innen, die am Unterrichtsprojekt „Videofilm erstellen“ teilgenommen hatten, antworteten auf die Frage: „Wie fandet ihr denn das Unterrichtsprojekt?“ spontan, schnell und parallel: „Es war spannend“ – „Toll“ – „Hat Spaß gemacht“ - „Vor allem, weil wir so frei arbeiten durften. Also, wir haben kein Thema vorgesetzt gekriegt, zu dem wir arbeiten mussten, sondern wir durften unsere eigenen Ideen verwirklichen.“

S: Wenn man ein Thema vorgeschrieben bekommt, was man überhaupt nicht mag, dann geht man auch mit einer ganz anderen Einstellung an die Sache ran. Dann hat man überhaupt keine Lust, dann gibt man sich auch nicht so viel Mühe.

Und kritisierend äußerte sich ein Schüler aus dem Robotik-Kurs, wo am vorgegebenen Modell gearbeitet werden sollte:

S: Dass nicht alle das Gleiche machen. Man überlegt, was man gerne möchte und dann baut man das einfach so. Dass man mal eine eigene Idee machen kann, dass jeder seine eigene Idee macht. Dass einer z.B. einen Robot macht, der kochen kann,

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oder so, dass man nicht nur was nachmachen muss. Dass jeder seine eigene Idee eben hat und die herstellen kann. Und dass man nicht nur was nachbauen muss. Das fänd ich viel besser.

Dabei diskutieren die Schüler/innen durchaus auch die Ambivalenzen eines selbstbestimmten, explorierenden Vorgehens.

S: Ich finde es auch gut, dass wir es uns selber aussuchen konnten, aber ich finde, sie hätten uns doch ein bisschen mehr sagen sollen, was wir machen sollen oder in welche Richtung das gehen soll. Wir haben ziemlich lange gebraucht um zu überlegen, was wir überhaupt machen sollen. (Hervorhebung durch uns)

Es bestehen Unsicherheiten, was wohl gefordert sein mag und ob das, was man selbst entwickelt, den Ansprüchen genügen wird. Die Schülerinnen des Videoprojekts wurden gefragt, ob sie ähnliche Erfahrungen mit selbstbestimmtem Arbeiten auch im „normalen“ Unterricht machen.

S: In den Fächern eigentlich nicht so. In Englisch manchmal bei den Referaten. Aber sonst kriegen wir bei Referaten immer Themen vorgeschrieben. Was ja auch manchmal gut ist. I: Warum? S: Weil einem vielleicht manchmal keine gute Sache einfällt. Oder wenn einem was einfällt, dann gefällt es dem Lehrer nicht so gut, und dann kriegt man auch keine gute Note. S: Oder vielleicht wählt man sich ein Thema, das zu breit ist, das nicht genug eingegrenzt ist, und dann hat man total viel Arbeit damit. Und wenn das Thema eingegrenzt ist, weiß man besser, was man machen muss. Da hat man klarere Linien. Wenn der Lehrer das vorschreibt, dann ist man sich sicherer. I: Und deswegen ist es besser, wenn der Lehrer Themen vorgibt? S (mehrere): Nein, das find ich eigentlich doch nicht. (Lachen)

Andere Schüler/innen sagen, dass es eben auch leichter sei, klare Anforderungen zu erfüllen und dass sie „von Natur“ aus „faul“ seien und deshalb mehr Eingriffe der Lehrer/in benötigen. In den Äußerungen lässt sich zweierlei hören: einerseits die Überlegung, dass Lehrer/innen hilfreich sind, weil sie Stoff didaktisch aufbereiten, eingrenzen, einen Überblick haben und geben können und beraten, andererseits aber auch die Unsicherheit des eigenen Urteils im Rahmen eines bewertenden Systems, in dem man von der Notengebung der Lehrer/in abhängig ist. Klar scheint jedenfalls für die Schüler/innen, dass sie - trotz der Langeweile und der negativen Erfahrungen, die sie manchmal machen - auf Lehrer/innen und Unterricht nicht verzichten wollen:

S: Also bei mir ist das so, dass ich mir vorstellen könnte, dass man schon Unterricht macht. Ich stelle mir schon Unterricht vor, weil es ist ja auch wichtig, dass man Menschen – also man hat ja gesehen, am Computer ist das nichts geworden, und wenn unsere Lehrerin uns das erklärt, dann ist das gut.

Wie aber kann die Rolle einer Lehrer/in in einem Prozess, der den Schüler/innen ihr „Eigenes“ lässt und dies fördert, aussehen? Wir möchten dazu eine Beobachtung aus dem in erster Linie sich an Schüler/innen richtenden Robotik-Workshop mit Fred Martin und Doug Prime, die für die Schüler/innen, aber auch für die Erwachsenen beeindruckende Lehrer waren, ausführlicher darstellen:

Doug ging zu einer Schülergruppe und fragte: „How is it going? - Wie läuft es?“ Dies war ein Gesprächsstart, den die Kinder annehmen oder stoppen konnten, je nach

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ihrem aktuellen Bedürfnis. Die Schüler antworteten meist mit „ganz gut“. Doug fragte dann weiter, woran sie gerade arbeiten und ließ sich das Projekt und die Ideen erläutern. Die Kinder berichteten engagiert und begeistert von ihrem Projekt und ihren Gedanken. Doug hörte aufmerksam und interessiert zu und gab positives Feedback, was er spannend findet, vermied aber wertende Äußerungen. Manchmal entwickelte sich aus dem Erklären des Projekts selbst schon eine Vorstellung, wo Probleme und Umsetzungsschwierigkeiten liegen. Daraus entwickelte sich dann ein Dialog. Oft stellte Doug auch Fragen wie: „Könnte deine Ballschlagmaschine auch von selbst erkennen, wann ein Ball vorbeikommt, oder musst du immer selbst den Schlag auslösen?“ Damit regte er an weiter zu gehen, sich größeren Herausforderungen zu stellen, neue Konzepte zu erproben. Oder er gab Felix, dem jüngsten Teilnehmer, der eine Maschine bauen wollte, die anderen Kindern einen Klaps auf den Po gibt, die Frage: Wodurch bewegt sich denn die Klapsmaschine? Der Junge erkannte, dass er einen Motor brauchen würde. Doug gab ihm einen Motor. Vorher hatte Felix bereits gelernt, wie man über Programmierung einen Ton erzeugen kann. Das hatte ihn fasziniert. Nun hatte er also einen Motor für seine Klapsmaschine in der Hand und überlegte, wie er den Motor in Bewegung setzen kann. Der Hinweis, auch das müsse programmiert und mit dem Controller verbunden werden und der Verweis auf die Programmieranleitung ließen ihn ausprobieren. Als er den Motor bewegt hatte, überlegte er, wie er ihn mit seiner Klaps-Konstruktion verbinden kann. Nachdem er das erreicht hatte, stellte er fest, dass der Klaps-Arm vom Motor nicht bewegt wurde, weil er zu groß und zu schwer war. Daraufhin erklärte ihm Doug das Verhältnis von Kraft und Schnelligkeit, und dass er mit Übersetzungen - Gangschaltung wie bei einem Fahrrad – versuchen könnte, mehr Kraftübertragung zu erreichen. Felix verstand das Prinzip, benötigte Hilfe beim Bauen einer Übersetzung und war sehr stolz, als „seine“ Klaps-Maschine funktionierte.

Das wesentliche Prinzip dieser (pädagogischen) Unterstützung liegt darin, nie selbst in Felix’ Prozesse und Gedanken einzugreifen, etwas zu tun oder anzuweisen. Doug regt an, fordert zu neuen Dingen heraus, die Felix nicht im Blick hat oder haben kann, er hilft mit Erklärungen dort, wo Felix auf ein Problem gestoßen ist, mit dem er nicht alleine fertig wird. In allen Phasen zeigt Doug Interesse und Wertschätzung gegenüber dem, was Felix plant. Deutlich wird in dem Beispiel, wie er den Jugendlichen einerseits Freiheiten beim Ausprobieren, Planen und Entwerfen gibt, ihnen andererseits aber auch weiterführende Hinweise gibt, ihnen neue Perspektiven zeigt, die jedoch an ihren Interessen anknüpfen. Eine Schülerin, fasst ihre Erfahrungen aus einem Robotikkurs so zusammen:

S: [Der Leiter] hat nicht gleich gesagt, ja, das müsst ihr soundso machen, sondern: „Denkt erst mal noch mal drüber nach.“ Wenn wir mal wirklich nicht weiter kamen, dann hat er uns auch geholfen, aber dann waren das meistens so Probleme, wo der Computer kaputt war, und dann konnten wir das ja auch nicht lösen.

… und eine andere Schülerin konstrastiert dies mit dem Verhalten ihres eigenen Mathematiklehrers:

S: Also, in Mathe, da haben wir so einen Taschenrechner, der ganz viele verschiedene Funktionen hat. Und unser Mathelehrer, der hat immer gesagt, welche Tasten wir drücken müssen, und das fand ich doof. Es wäre viel besser gewesen, wenn wir das selber ausprobiert hätten.

Dieses Vorgehen kann gut mit dem Konzept des expansiven Lernens von (Holzkamp 1993) beschrieben werden. Die Lernenden geraten während ihres Bauens und Programmierens in eine Handlungsproblematik, die sie gerne überwinden möchten, da sie an einem Erfolg ihres Projekt interessiert sind. Sie möchten ihre Handlungsmöglichkeiten erweitern und suchen deshalb nach neuen Lösungsmöglichkeiten und Hilfe. Dies geschieht nicht durch Zwang oder Druck, sondern durch ein genuines Interesse an der eigenen Tätigkeit und ihrer jeweiligen Bedeutung für die Handelnden.

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Im Projekt Mathe-Buch konnten wir den umgekehrten Vorgang beobachten: Eine Gruppe der beteiligten Jungen wollte auf der Startseite ein Bild mit einem Affen unterbringen, der eine Pistole in der Hand hält. Dies wurde von der Lehrer/in verboten. Nachdem den Kindern dieser Ausgangspunkt (ihre „home base“ oder „comfort zone“, wie Kafai und Harel (Kafai/Harel 1991, S.114) dies nennen) genommen worden war, haben sie den Spaß am Projekt verloren, das „größere Ganze“ konnte sich für sie dadurch nicht öffnen. Mathematik wurde dann (wieder) mit etwas verbunden, das kein eigenes Engagement hervorbringen kann, sondern von der Lehrer/in vorgegeben ist. Als dann noch die ersten erstellten Seiten „weggemacht“ wurden – was bei digitalen Dokumenten ja so leicht und auch unüberlegt passiert – war das Projekt bereits nicht mehr das Eigene der Schüler. Die Lehrerin sah den Fall aus einer anderen Perspektive:

L: Also die Idee, die ich hatte, dass sie Lust haben, diese Seiten auch ein bisschen attraktiv zu gestalten, die war nicht (lacht). Die hatten also kein Interesse, die Seiten besonders aufzupeppen, oder jetzt besonders schwierige Aufgaben zu entwerfen, dass da mal jemand dran knöstert oder so, das war überhaupt nicht ihr Interesse.

Einer dieser Schüler äußert sich bei der Gruppendiskussion sehr begeistert für die Idee eines gemeinsamen (Spiele-)Projektes, bei dem er sich allerdings eine andere Rolle der Lehrer/in wünscht und an die „Kränkung“ erinnert:

S: Und dass sich dann die Lehrer vielleicht auch irgendwelche Figuren machen und dann, dass die Lehrer dann auch einmal so mit in der Gruppe sind und selber mitmachen und sowas. Und dann weniger alles angucken und sagen: „Ja, das ist aber verboten, dass der eine Pistole in der Hand hat...“

Die Lehrer/in soll sich – ähnlich wie die Schüler/innen selbst – am Gelingen des Projektes beteiligen.

S: Es war ein komisches Gefühl, als man fertig war, da hatte man das Gefühl, jetzt ist man in einem Thema schlauer als der Lehrer. S: Das war cool.

Wo über eine Veränderung von Lernkultur nachgedacht wird, muss auch über neue Methoden der Leistungsbewertung nachgedacht werden. Dies wurde oben deutlich, wo die Schüler/innen die Bewertung und die Reflexion über ihr Lernen direkt mit der Bewertung der Leistung durch die Lehrer/in in der Klassenarbeit verknüpften. Oft nehmen Lehrer/innen dagegen umgekehrt neue Lernmethoden nur mit Schwierigkeiten an, weil sie mit dem derzeitigen System der Leistungsbewertung nicht kompatibel sind. Dieses wird als starr und unveränderlich wahrgenommen. Neue Formen der Leistungsbewertung sollten, so Winter in seiner äußerst hilfreichen Zusammenstellung neuer Formen der Leistungsbewertung (Winter 2004), nicht nur als Endprodukt eines Lernabschnitts verstanden werden, sondern als Teil der Gestaltung des Lernens. Es geht dabei um eine Didaktisierung der Leistungsbewertung. In den meisten unserer Projekte gab es am Ende eine Präsentation. Diese diente nicht nur der Vorstellung der (fertigen) Ergebnisse, sondern zugleich auch der Reflexion des eigenen Lernprozesses und seiner Öffnung für die Diskussion. Bei der Präsentation der Ergebnisse des Matheprojektes in einer Parallelklasse, das bei den Schüler/innen insgesamt einen eher negativen Eindruck hinterlassen hatte wegen der schlecht ausgefallenen Mathe-Arbeit, konnten die Schüler/innen ein Bewusstsein für ihren eigenen Lernprozess entwickeln: Es war hohe Aufmerksamkeit der Schüler/innen zu beobachten. Plötzlich war gespanntes Schweigen in beiden Parallelklassen, während in der Schulstunde vorher große Unruhe und Unkonzentriertheit herrschte. Auch bei der Präsentation selber war Konzentration zu beobachten. In der Parallelgruppe gab es eine Schülerin, die mehrfach interessierte

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Nachfragen stellte. Dies hatte für die präsentierende Klasse eine wichtige Funktion, zeigten die Mitschüler/innen doch großes Interesse, teilweise auch Bewunderung oder Neid. „Wie funktioniert es denn, Seiten im Internet herzustellen?“ oder „Wieso machen wir denn nicht auch so ein Projekt?“ fragten Schülerinnen der Parallelgruppe. Zu den bemerkenswertesten Ergebnissen unseres ZIM@School-Projektes gehört, dass wir an verschiedenen Punkten feststellen konnten, dass und wie das Arbeiten mit Digitalen Medien verstärkt Anlass dafür gab, den eigenen Lernprozess zu reflektieren, darüber nachzudenken, was und wie man gelernt hat. In einer Gruppendiskussion erörtern die Schüler/innen einer Klasse, wie ihr eigenes Lernverhalten zu bewerten ist und welche Konsequenzen daraus zu ziehen seien.

S: Ich denke schon, wir sind so eine Klasse nach dem Motto: Wenn wir nicht arbeiten müssen, dann tun wir das auch nicht. Und ich denke, wir haben alle ziemlich selbst dran Schuld zum großen Teil auch, dass wir das nicht richtig hingekriegt haben, weil ich denke, die meisten Leute haben das so gemacht, wir müssen das bis zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig haben, also machen wir das dann erst kurz davor und keiner hat sich wirklich damit beschäftigt, auch was die anderen Themen angeht, dass man das kapiert. Also alle wollten nur ihre Seite fertig kriegen. Und daher haben wir alle auch selber dran Schuld, dass wir das nicht hinbekommen haben. S: Um meine zwei Vorgänger zusammen zu fassen, wir sind alle faule Säcke. S: Aber auch nur manchmal. S: Manche mehr, andere weniger. S: Einige von uns haben das auch ganz schnell fertig gemacht und hatten das dann fertig und saßen da rum; was sollen wir machen? Das war’s dann.

Die Diskussion um das Lernverhalten erstreckt sich über eine ganze Stunde und geht in viele Details auch des Verhaltens einzelner Schüler/innen. Sie sehen ihre eigenen Fehler (zu faul, ungeschickte Gruppenzusammenstellung), die des Lehrers (zu wenig Erklärungen, zu unklare Anforderungen), und generelle Schwierigkeiten von verschiedenen Unterrichtsmethoden beim Lernen von Mathematik (etwas ins Gehirn-Reinhämmern, also die Nürnberger Trichtermethode, wird kritisch betrachtet, der Zusammenhang von Mathewissen und Medienbildung wird diskutiert). Dabei gehen sie in ihren Analysen recht kritisch um, und machen eigene Vorschläge: Klare Anforderungen und Zielsetzungen zu Beginn, Erklärungen und Kurztests zwischendurch, Arbeitsblätter, Wechsel zwischen Unterrichtsformen (selbstständige Gruppenarbeit und lehrergeleitete Erklärungen an der Tafel, Umgang mit Freiheiten muss erlernt werden, vom Lehrer strukturierte Zeiteinteilung und zeitlich passende Korrekturen, so dass man weiß, wann man sich auf Ergebnisse von Mitschüler/nnen verlassen kann, etc.) Besonders spannend war die Auseinandersetzung damit, welche Anforderungen und Vor- und Nachteile verschiedene Unterrichtsformen haben. Der Lehrer schlussfolgerte: „Sie haben den Wunsch, anders zu lernen. Oder auch anderes Lernen auszuprobieren und damit Erfahrungen zu machen." Der Lehrer äußert im Anschluss an die Diskussion mit den Schüler/innen, „dass er so etwas (Reflexion über das eigene Lernverhalten) in der Art noch nie erlebt“ habe und dass dies für ihn selbst eine äußerst wichtige Erfahrung war. Nach 5 Wochen berichtet er, das seine Klasse merkbar „fleißiger“ geworden sei. Ein Schüler sagte etwas genervt, weil ihm so wenig zu seinen eigenen Lernerfolgen während des Robotikkurses einfiel: „Ehrlich gesagt...: Sagen Sie mal, was gelernt wurde.“ Dies deutet daraufhin, dass die Schüler/innen es im traditionellen Unterricht nicht gewohnt sind, ihr eigenes Lernen wahrzunehmen, zu bewerten und zu zur Diskussion zu stellen. „Lernen“ und „Lernerfolg“ sind für sie eine Kategorie, die von außen vorgegeben und bewertet wird. Zusammenfassung: Übereinstimmend äußern Schüler/innen das Bedürfnis, an „etwas Eigenem“ zu arbeiten. Dies motiviert sie, dafür können sie sich engagieren. Sie sehen darin auch die

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Ambivalenzen: Es kann dabei passieren, dass man nicht so gute Noten bekommt als wenn man klare Anforderungen kennt und erfüllt. Man traut sich z.T. auch selbst nicht so ganz, hält sich auf die Dauer doch für „zu faul“. Jedenfalls möchte man die Lehrer/in nicht missen, die einem hilft bei der Eingrenzung des Themas und dort beratend zur Seite steht, wo man nicht weiter kommt. Im Beispiel von Doug (dem amerikanischen Lehrer aus dem Robotik-Workshop) wurde auch für die Lehrer/innen deutlich, wie dies aussehen könnte. Wir haben in den Unterrichtsprojekten Beispiele finden können, wie ein auf Konstruktion und Experiment ausgerichteter Unterricht auch das kooperative Lernen fördern und unterschiedliche Kompetenzen sichtbar machen kann. Ein grundlegendes Problem projektorientierten Lernens entsteht, wenn die Leistungsbewertung sich an alten Mustern orientiert. Dies zeigte unser Beispiel aus dem Mathematikunterricht. Was Unterricht mit Digitalen Medien bewirken kann, ist – dies zeigte ebenfalls das Beispiel aus dem Mathematikunterricht – dass Schüler/innen herausgefordert werden, ihr eigenes Lernen zu reflektieren, was eine wesentliche Bedingung für erfolgreiches Lernen ist und was schulisches Lernen – im Unterschied zum impliziten Lernen – deutlich anregen und fordern muss.

3.4 Empirische Ergebnisse aus den ZIM@School Unterrichtsprojekten: Was kann mit Digitalen Medien gelernt werden?

Im Projekt ZIM@School ging es um die Veränderung von Lernkulturen und der Bedingungen von Lernen. Die Frage danach, was mit Digitalen Medien gelernt werden kann, die gegenwärtig wieder stärker in der öffentlichen Diskussion aufgeworfen worden ist, stand nicht im Zentrum. Dennoch können aus dem Projekt einige Hinweise zu dem Was des Lernens mit Digitalen Medien gewonnen werden. Schon häufiger wurde das Projekt der Erstellung eines Mathebuchs mit einem Wiki erwähnt. Es hebt sich insbesondere auch deswegen heraus, weil dort eine Schwierigkeit digitaler Projekte zugespitzt und offen zutage trat, die gegenwärtig auch in der wissenschaflichen und populärwissenschaflichen Literatur (kontrovers) diskutiert wird. In diesem Projekt ist die Vermittlung mathematischen Wissens offensichtlich nicht sehr erfolgreich verlaufen. Die beiden beteiligten Klassen (8. und 9. Klasse) hatten sich über einen Zeitraum von 6 Wochen ca. 20 Stunden damit befasst, Stoff des Mathematikunterrichts in einem Wiki (einem virtuellen Mathematik-Buch) darzustellen. Klassenarbeiten in beiden Klassen, die jeweils im Anschluss an diese Unterrichtseinheit geschrieben wurden, ergaben deutlich schlechtere Leistungen für die Mathe-Online-Gruppen, als sie es sonst aus herkömmlichem Mathematikunterricht gewöhnt sind. Dies löste heftige Kontroversen in beiden Gruppen aus, die u.a. auch in der oben beschriebenen Diskussion um Lernverhalten und Konsequenzen für das eigene Arbeitsverhalten mündete. Einer der Schüler äußerte zunächst die folgende Meinung:

S: Es hat teilweise Spaß gemacht, aber es hat nicht geholfen. Meiner Meinung nach geht das viel besser, alles vom Lehrer zu kriegen, anstatt das alles selbst herausfinden zu müssen.

In dieser Äußerung im Kontext des Mathe-Online-Projektes kommt zugespitzt zum Ausdruck, dass und warum Schüler/innen schließlich doch die Verantwortung für ihr eigenes Lernen (wieder) an die Lehrer/in abgeben. Nach Meinung ihrer Lehrerin haben die Schüler/innen viele wichtige Lernprozesse gemacht. Wo auf den ersten Blick ein Versagen des Konzeptes im Hinblick auf fachliche Kompetenzen angenommen werden könnte, zeigt sich das Resultat auf einen zweiten Blick variantenreicher. Es ist fraglich, ob Schüler/innen, die am herkömmlichen Unterricht teilgenommen haben, mehr Verständnis für Mathematik erworben, oder eben „nur“ bessere Noten im Test geschrieben haben. Die Schüler/innen der Mathe-Online-Gruppe haben ein modernes Wiki-Tool kennen und

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aktiv nutzen gelernt, sie haben einen engagierten Zugang zu mathematischen Aufgabenstellungen entwickelt, sie haben dafür ein eigenes Konzept entwickelt. Sie haben allerdings wenig Zeit mit dem „Üben“ verbracht, d.h. mit dem Wiederholen von Matheaufgaben, während sie sonst stärker Übungsaufgaben trainierten, die den in einer Mathearbeit gestellten Aufgaben sehr ähnlich waren. Ob sich durch das engagierte und selbstständige Arbeiten dann ein besseres Mathematikverständnis entwickelt, das sich längerfristig auch in besseren Ergebnissen bei der Bewältigung von Mathematikaufgaben ausdrückt, kann in einem so kurzen Projekt nicht sichtbar werden. Qualitative Untersuchungen im Anschluss an die PISA Ergebnisse deuten darauf hin, dass es im Mathematikunterricht in Deutschland an einem problemorientierten Vorgehen (statt repetitiver und vorgegebener Verfahren) mangelt. Auch Mathe-Tests sind in der Regel so aufgebaut, dass sie weniger problemorientiertes Verständnis fordern, sondern die Wiederholung bereits bekannter Aufgaben mit anderen Parametern vorsehen. Die Klasse, die sowohl im herkömmlichen Unterricht als auch im Projekt Mathe-Online das Thema Termumformung behandelt hatte, hatte dieses gleiche Thema bereits vor den Sommerferien in traditioneller Weise behandelt. Die Lehrerin zeigte sich bereits zu Beginn des Projektes sehr erstaunt darüber, wie wenig die SchülerInnen davon noch erinnern konnten, obwohl sie damals eine Klassenarbeit dazu geschrieben hatten mit recht zufriedenstellendem Ergebnis. So muss also danach gefragt und müsste untersucht werden, ob die Schüler/innen der Parallelgruppe wirklich ein besseres Verständnis für Mathematik erworben haben, wenn sie bessere Noten im Test erzielt haben. Ein Schüler aus unserem Robotik-Workshop reflektiert über seine Erfahrungen mit sinnvollen Lernvorgängen:

S: Also, was eigentlich so das ist, was ich so denke, was man am meisten lernt, ist das... . In der Schule sitzt man und wird einem gesagt, wie es funktioniert und man lernt es praktisch..., also man hat einfach die Chance, es einfach auswendig zu lernen, wie ich es von meiner Schwester kenne. In Mathe ist sie nicht so gut, aber sie kriegt es immer noch hin, indem sie es einfach auswendig lernt. Aber sobald es eine andere Aufgabe ist oder nur leicht anders, hat sie schon ein Problem. Und bei solchen Sachen, die man selber macht, ist es einfach so, man versucht selber Sachen herauszukriegen, und es funktioniert nicht, also versucht man es irgendwie anders und irgendwann hat man schon so ein gewisses Grundwissen und weiß so ungefähr, was klappen könnte und was nicht klappen könnte, und dadurch kommt man auf andere Ideen und kommt schneller auch zum Ziel, als wenn man nur praktisch vorprogrammierte Wege hätte. Von daher: selber versuchen ist besser...

Die Schüler/innen aus den Robotik-Projekten haben wir danach gefragt, was sie gelernt haben. Die spontane Antwort war häufig, es habe sehr viel Spaß gemacht, aber gelernt habe man nichts. Interessant wurde es erst im Verlauf des weiteren Gesprächs. Dort werden schließlich eine Reihe von Qualifikationen genannt, die im Rahmen der Projekte erworben werden konnten. Im Verlauf des Interviews tragen die Schüler/innen dann folgende Dinge zusammen, die sie bei Robotik-Kursen getan haben: „Eigene Projekte entwickeln“, „wie man das entwirft“, „Programmierung“, „Konstruktion, Konstruktionszeichnung, und darüber lernt man was über Kunst“, „mit der Technik umzugehen“, „organisieren“, „man musste auch rechnen können" (sie reden an dieser Stelle über mathematische Probleme, mit denen sie umgehen und die sie bei der Programmierung lösen mussten). In den Interviews haben wir neben den bereits genannten die folgenden Bereiche identifiziert, in denen von einzelnen oder von mehreren Interviewpartner/innen besondere Lernfortschritte benannt wurden im Kontext der Unterrichtsprojekte mit Digitalen Medien: Logisch denken; Konstruieren; Konzepte erstellen; konkreter Zugang zu abstrakten Konzepten; Umsetzung und Überprüfung von Konzepten im Konkreten; Teamarbeit; Selbstmotivation; kreativer Umgang mit den gegebenen Möglichkeiten (Wissen, Material, Mitstreiter/innen); Erkenntnisse darüber, dass es unterschiedliche Wege zu einer Lösung, manchmal nicht einmal eine richtige Lösung gibt; Veräußerlichung und Kommunikation von

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Denkprozessen; Verbindung von eigenen Interessen mit neuen Inhalten und Themen, produktiver Umgang mit Frustration; Fähigkeit, eigene Ideen, Arbeitsprozesse und Konstruktionen verständlich zu erklären. Explizit allerdings werden diese Kompetenzen meist nicht beim Thema „Lernen“, sondern eher implizit im Verlauf weiterer Gespräche benannt. Soweit wir dies mit unseren Methoden in dem kurzen Zeitraum zeigen können, waren die im Rahmen der ZIM@School durchgeführten Unterrichtsprojekte besonders geeignet, Kompetenzen im Bereich sogenannter „Schlüsselqualifikationen“ zu fördern. Schüler/innen erwähnen, „dass man sich konzentrieren muss“, „dass man sich vorher einen guten Plan machen muss“, dass man „um die Ecke denken“ muss, „dass man ziemlich erfinderisch sein muss (...), weil sonst kriegt man keine gute Idee“. Die Schüler/innen geben an, dass sie aus Fehlern gelernt haben und durch Ausprobieren, dass sie Fähigkeiten von Durchhaltevermögen, selbstständigem Arbeiten, Geduld haben, Fragen stellen gelernt haben, und dass sie es können mussten, immer wieder neu anzufangen und neue Ideen zu entwickeln. Für eine positive Wirkung des konstruktionistischen Lernansatzes mit Digitalen Medien, der in den Robotik-Workshops die Grundlage bildete, insbesondere im Hinblick auf die allgemeine Fähigkeit, sich Lerninhalte selbstständig anzueignen, sprechen eine Reihe von Äußerungen von Schüler/innen und Lehrer/innen:

S: Wenn man selbst etwas macht, da muss man viel mehr überlegen. Da muss man selbst überlegen, wie wir das machen wollen. Wenn man was erklärt kriegt, dann kann man abschalten, dann vergessen eh die meisten wieder alles, dann lässt man die anderen machen, dann denkt man, die machen das schon. Aber wenn man selbst arbeitet, dann muss man viel mehr aufpassen, dann muss man viel mehr überlegen. S: Wir haben gelernt selbstständig zu sein. Ich fand es gut, dass wir es alleine gemacht haben. Weil wenn man erwachsen wird, da hat man auch nicht immer einen, da muss man auch alles alleine machen, da sagen einem auch nicht die Eltern, wie man es machen muss. Zum Beispiel das Haus sauber halten und so. Das find ich gut, wenn wir als Kleinere das jetzt schon lernen und unsere Erfahrung machen können. Das fand ich auch gut, dass wir so was alles alleine hinbekommen haben.

Die Ideen und Ansprüche von Schüler/innen an ihr Lernen zeigen, dass sie bereit sind, Engagement zu entwickeln, insbesondere wenn es gelingt, sie auch in die Planung des Unterrichts und von Projekten einzubeziehen. Eine Unterrichtsplanung gemeinsam mit Lehrer/innen, Schüler/nnen, Studierenden wäre wünschenswert und bei der Nutzung Digitaler Medien sogar in besonderer Weise, da hier unterschiedliche Kompetenzen und Erfahrungen vorhanden sind und benötigt werden. Auch außerschulische Expert/innen könnten einbezogen werden, um im Sinne des Konzepts von Legitimate Peripheral Participation (Lave/Wenger 1991) Lerninhalte und -partner mit der Realität zu verknüpfen. SchülerInnen scheinen ein Bedürfnis nach Bedeutung ihren Tuns in der „realen Welt“ zu haben:

S(M): "Vielleicht auch mal ein Ausflug zu einem Hersteller machen, und sich mal angucken, wie das geht..." "Ja, Microsoft" "... das wäre sogar jetzt interessant" .

Hier wird der Wunsch nach Zusammenarbeit mit Menschen aus der gesellschaftlich bedeutsamen Praxis, im Unterschied zur Fiktion/zum für das Lernen hergestelllten Raum der Schule geäußert, der Wunsch nach Lernen von den Expert/innen aus der Praxis. Dies spricht für das Konzept der „Legitimate Peripheral Participation“6, das dem Ansatz der

6 Aus Erkenntnissen ihrer anthropologischen Feldstudien, wie Menschen in der Praxis voneinander lernen (z.B. Schneiderausbildung in Westafrika, oder Weitergabe des Hebammen-Wissens in Mexiko) entwickelten Lave/ Wenger (Lave & Wenger 1999) ein Verständnis davon, wie die legitimierte Teilhabe von Novizen, also jungen Lernenden an realen bedeutungsvollen Vorgängen in einer

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Communities of Practice zugrunde liegt. Zusammenfassung: Die Schüler/innen bringen die Kompetenzen, die sie in den Projekten mit Digitalen Medien erworben haben, nicht in Zusammenhang mit „Lernen“. In den Interviews sowohl mit den Lehrer/innen als auch mit den Schüler/innen gibt es deutliche Hinweise darauf, dass viele der Qualifikationen, die für die Informationsgesellschaft erforderlich sind, insbesondere auch die Fähigkeit, das Lernen zu lernen, von den Schüler/innen in den Projekten mit Digitalen Medien in besonderem Maße erworben werden können. Insbesondere gilt dies für die „Schlüsselqualifikationen“. Es ließe sich auch die Behauptung wagen, dass Digitale Medien sich für einen problemorientierten Zugang zu Fachwissen besonders eignen. Der Nachweis, dass die Digitalen Medien – richtig gestaltet und arrangiert – zu Medien eines problemorien-tierten Denkens und damit auch zur Verbesserung fachbezogener Leistungen genutzt werden können, konnte im Rahmen dieses Projektes nicht geführt werden. Dies ergibt sich gewissermaßen erst als Fragestellung aus den bisherigen Ergebnissen. Hier wären in der Zukunft Detailstudien anzusiedeln, die sich gezielt auf diesen Zusammenhang von Digitalen Medien als Medien des Denkens und des Denken-Lernens richten. Unter diesem spezifischen Gesichtspunkt wären detailliert geeignete Software (und Hardware) zu evaluieren und zu entwickeln und die Lernumgebungen entsprechend zu arrangieren.

3.5 Empirische Ergebnisse aus den ZIM@School Unterrichtsprojekten: Lehrer/innen und Lehramtstudierende in einer (neuen) Lernkultur mit Digitalen Medien

In 4.2 haben wir einiges darüber gehört, wie aus der Sicht der Schüler/innen die neue Rolle für Lehrer/innen und Lehrer im Kontext Digitaler Medien gesehen wird. In diesem Abschnitt soll es nun um die Lehrer/innen und zukünftigen Lehrer/innen selber gehen, die die neue Lernkultur aktiv tragen oder verhindern können. Wenn Lehrer/innen ihr Verhältnis zum Lernen von Schüler/innen ändern sollen, dann ist eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass sie ihr eigenes Verhältnis zum Lernen neu reflektieren und erfahren. Dies war einer der Gründe dafür, warum wir die Workshops auch mit Lehrer/innen und Lehramtsstudierenden nicht mit dem Ziel der Konzeption eigener Unterrichtsprojekte durchgeführt haben, sondern als Erleben eines lustvollen Zugangs zum eigenen Lernen. Ein Lehramtsstudent, der am Robotik-Workshop für Schüler/innen und Studierende teilnahm, beschreibt, was er als Lernender interessant fand:

I: Und wie fandest du das Konzept? Die Art und Weise des Unterrichtens oder Lernens? LS: Finde ich super-spannend, ist halt aber auch problematisch. Ich habe es jetzt an mir selber gesehen, durch die ganzen Freiheiten, die man hat, kommt man halt auch schnell an einen Punkt wo man dann halt auch..., wenn man sich nicht gut damit auskennt, scheitern kann. Und dass es dann auch echt frustrierend sein kann. Weil gestern war ich schon ziemlich frustriert, und da wäre es natürlich einfacher gewesen, wenn man dann gesagt bekommt „mach 'ne Maschine, die das und das macht…“ Aber letztendlich ist es ja auch wichtig zu sehen, was man hinbekommt und was man nicht hinbekommt, und dass man dann auch versucht, vielleicht etwas anders zu machen, dass man herausfindet, worauf man irgendwie selber Lust hat. Das ist voll wichtig. Und ob dann letztendlich irgendwas Großartiges bei rum kommt oder nicht,

Gemeinschaft von Praktiker/innen in ihnen den Wunsch weckt nach Wissen, nach Lernen, nach immer volleren Teilhabe.

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ich finde es ist eher so die Selbsterkenntnis..., der Weg ist das Ziel… Wichtig an dieser Erfahrung scheint uns, dass der Student sich selber in einer Lernsituation reflektiert, wie er sie Schüler/innen (später) anbietet und damit in die Lage versetzt wird, angemessen damit umzugehen. Eine Studentin beschreibt, welche Bedeutung es für sie hatte, selber eine Idee für ein Unterrichtsprojekt zu entwickeln und in einer Schulklasse umzusetzen. Diese Erfahrung habe ihr erst geholfen, die Inhalte der Vorlesung, die sie parallel besucht, aufzunehmen und in ihr Wissen zu integrieren. Diese Erfahrung habe sie auch für ihr Verständnis von den Lernprozessen der Schüler/innen umsetzen können. Eine Lehrerin, die am Robotik-Workshop teilgenommen hatte, berichtete, wie wichtig es für sie gewesen sei, diese Erfahrung des Lernens am eigenen Leibe gemacht zu haben: sich selber mit einem Projekt zu beschäftigen, sich Hilfestellungen von den Betreuern des Workshops geben zu lassen, zu spüren, wie sensibel man auf Kritik reagiere bzw. wie ermutigend ein echtes Interesse des Betreuers sein könne. Diese Erfahrungen (Frustration, um Rat fragen, das eigene Projekt erklären und vorstellen, Unsicherheiten aushalten) wurde nach dem Robotik- Workshop von vielen Lehrer/innen und Studierenden als sehr beeindruckend und nachhaltig benannt. Diese Erfahrung, verbunden mit einer Reflexion darüber, sei besser als alle Worte, um den eigenen Unterricht besser zu machen.

L: Ich habe sehr viel gelernt durch die Art und Weise der Hilfestellung durch Doug. Er hat immer erst nach meinem Projekt und meinen Ideen gefragt und kommentiert, dass er das interessant findet. Dann hat er mir durch seine Fragen gezeigt, worüber ich noch nachdenken könnte, und manchmal hat er eigene Ideen eingebracht, die mir neue Möglichkeiten zeigten, oder die mir auch zeigten, was ich vielleicht besser machen sollte. Aber er hat nie gesagt, dass etwas nicht gut oder falsch ist. Das hätte mich auch eventuell sehr frustriert oder entmutigt. Von dieser Art kann ich sehr viel für meinen eigenen Unterricht mitnehmen.

Unser Eindruck ist, dass Digitale Medien – in einer geeigneten Umgebung – ein Mittel sein könnten, um für Lehrer/innen und Schüler/innen gemeinsam neue Vorstellungen vom Lernen erfahrbar zu machen und Freude und Interesse am Lernen zu wecken. Nach der Erfahrung des Robotik-Kurses fasst eine der Lehrerinnen zusammen:

L: Ich fände schon schön, so als Ideal, wenn der Lehrkörper mehr zurücktreten kann und als jemand da ist, der Material organisiert und vielleicht da ist für so Fragen, aber das Lernen mehr gesteuert wird von denen, die lernen sollen. Und dass halt nicht Dinge getan werden, nur weil ich das sage, sondern weil die Schüler wirklich das Ziel haben, die wollen jetzt das und das erreichen, und die gehen dann die und die Schritte. Und überlegen sich die möglichst auch noch selbst, welche Schritte muss ich gehen, damit ich da hinkomme. Das fände ich gut.

Die Lehrerin verknüpft den gemeinsamen Umgang mit Digitalen Medien mit selbstständigem und selbstmotiviertem Arbeiten. Ein für uns wichtiges Ergebnis war, dass Lehrer/innen nicht nur sich selbst, sondern auch die Schüler/innen im Kontext Neuer Medien in neuem Lichte sehen.

L: Da habe ich ein Gespür davon gekriegt: Eigentlich sind sie neugierig, eigentlich wollen sie lernen.

Eine veränderte Wahrnehmung durch die Lehrer/innen, das hatte auch (wie zuvor schon zitiert) ein Schüler als Bedürfnis formuliert. Mit der Bemerkung „…damit die Lehrer mal merken, dass die Schüler Interesse haben und auch mal was machen wollen!" hatte er

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begründet, dass sie ein „großes“ eigenes Unterrichtsprojekt zu Digitalen Medien durchführen wollten. Auf die Frage, was die Schüler/innen bei dem Robotik-Projekt gelernt haben, antwortet ein Lehrer, dass dies für ihn eine wichtige Erfahrung war, weil er da etwas über seine Schüler gelernt hat, über ihre Interessen, ihre Begeisterung, ihr Potenzial. Die Erfahrung ermutigte ihn, wie er sagt, im Unterricht mehr auszuprobieren und sich nicht nur starr an die Vorgaben des Lehrplanes zu halten:

L: Da hat man eine kleine Ahnung bekommen, dass sie im Grunde doch neugierig sind, und doch eigentlich, wenn man sie lässt, mit Eifer bei der Sache sind und was rauskriegen wollen. Das hat man mit den Robots gemerkt. Die verrücktesten Ideen sind da gekommen... Da hab ich gemerkt die Begeisterung, mit der sie gelernt haben, da war ein Gewusel in der Klasse und ein Geraschel in den Lego-Kisten, dass man gemerkt hat, da passiert wirklich was.

Ein Lehramtsstudent beschreibt, wie er die Kreativität und Unbeschwertheit der Schüler bewundert und davon lernen und sich inspirieren lassen kann.

LS: Ja, also ich fand es halt super, dass hier Schüler rumgerannt sind, dass halt so viele Schüler hier waren und fand die ganze Atmosphäre irgendwie total gut. Das hat das echt spannend gemacht, weil die halt auch so viele unterschiedliche Ideen..., die sind so kreativ. Das ist halt total spannend, das so zu sehen, wie anders sie damit umgehen. Das war für mich total wichtig, das so zu sehen. I: Gibt es einen Unterscheid zwischen den Schülern und den Erwachsenen? LS: Ja, total. Also auf jeden Fall. I: Wie denn? LS: Die sind viel unbeschwerter: Haben eine Idee und legen dann los. Ich merke halt selber bei mir, mit wieviel Erwartungshaltung ich da irgendwie rangehe, und wie ich da schon so festgefahrene Muster irgendwie habe: „So müsste das vielleicht laufen oder nicht ..." Und die sind halt viel offener für alles, was ihnen so einfällt. Ich glaube, denen fällt es auch einfacher, einen Schwenk zu machen und dann vielleicht in eine andere Richtung zu gehen, wo ich dann doch eher so bin: „Jetzt muss das aber so..." Da könnte ich mir gut ’ne Scheibe von denen abschneiden.

Mit Digitalen Medien können neue Sichtweisen auf die Kompetenzen von Schüler/innen und auf die Lernweisen von Jugendlichen in besonderer Weise möglich werden. Lehrer/innen können sich gerade im Hinblick auf die Technologien für das öffnen, was Schüler/innen aus ihrem Alltagshandeln mitbringen und dies für eine neue Sicht gemeinsamen und wechselseitigen Lernens nutzen, das den Bedingungen der Informationsgesellschaft eher entspricht als das Dozieren und Besser-Wissen. Eltern sind inzwischen daran gewöhnt, dass sie ihre Kinder fragen, wenn sie mit dem Computer nicht bescheid wissen und dass das ihrer „Autorität“ nicht schadet, sondern die Beziehungen durchaus positiv gestalten kann. Aus der Sicht einer Schülerin ist dies ein „normaler“ Vorgang, der sie gleichzeitig aber mit Selbstbewusstsein und Stolz erfüllt:

S: Ich hab früher auch immer meine Mutter um Hilfe gefragt, wenn mein Vater grade nicht da war. Und inzwischen probiere ich auch immer selber erst mal was aus, und inzwischen ist es eher so, dass meine Mutter mich fragt und nicht ich sie.

Zusammenfassung: Die Lehrer/innen und Lehramtsstudierenden haben durch die Robotik-Workshops und durch die Unterrichtseinheiten selbst über Lernen und Lehren nachgedacht, durch ihr eigenes Lernen und Unterstützt-Werden, durch die Beobachtung der amerikanischen Lehrer sowie durch die Beobachtung der Schüler/innen und ihres Umgangs mit Digitalen Medien. Dies scheint ihnen einen neuen Blick auf Lehren und Lernen zu ermögichen. Sie haben dabei auch ihre Schüler/innen, deren Lernhaltungen, Fähigkeiten und Interessen neu sehen

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gelernt. Dies gibt Grund zu der Annahme, dass dadurch auch zukünftige Unterrichtssituationen verändert werden können.

3.6 Empirische Ergebnisse aus den ZIM@School Unterrichtsprojekten: Medienbildung

Im Matheprojekt, das zu schlechteren Testleistungen geführt hatte, beklagen sich die Schüler/innen darüber, dass die von ihnen erworbenen bzw. eingebrachten Kompetenzen im Hinblick auf das Wiki-Tool, auf die sie eigentlich stolz waren, angesichts der Testergebnisse plötzlich ausgelöscht scheinen. Es hätte, so ein Schüler, von vornherein klar gemacht werden müssen, um was es letztendlich geht: Um die Lösung von Matheaufgaben oder um den Erwerb von Medienkompetenz. Obwohl Medienkompetenz seit einigen Jahren zu einem vielbenutzten Schlagwort geworden ist, fehlen bis heute schlüssige Konzepte, wie sie zu vermitteln ist. Die Ablösung von den Schulfächern und Ausgliederung in eine „Informationstechnische Grundbildung“ oder „Informatik“ scheint keine gelungene Lösung zu sein, da sie in der Regel die „Computer“-Bildung vom Anwendungskontext isolieren und auf die Technik selbst zentriert sind. Dort aber werden dann häufig Lehrmethoden praktiziert, die den Zugangserfahrungen von Jugendlichen zu Digitalen Medien widersprechen: Das Lehren von „Computernutzung“ kann keine Antwort auf die Herausforderungen einer Gesellschaft sein, in der Digitale Medien zur Alltagserfahrung der jungen Generation gehören. Schüler/innen aus unseren Projekten berichten von ihren Erfahrungen mit dem Computer:

S: Früher am Computer, wenn irgendwas schief geht, hab ich immer gleich meinen Vater gerufen, da hab ich gar nicht daran gedacht, dass ich das ja vielleicht selber lösen könnte. Wenn ich jetzt ein Problem habe mit dem Computer, dann probiere ich das erstmal selber aus, ob ich das vielleicht selber hinkriege.

Und eine andere Schülerin stimmt zu:

S2: Ich hab früher auch immer meine Mutter um Hilfe gefragt, wenn mein Vater grade nicht da war. Und inzwischen probiere ich auch immer selber erst mal was aus, und inzwischen ist es eher so, dass meine Mutter mich fragt und nicht ich sie.

Für diese Schülerinnen scheint es selbstverständlich, dass man lernt mit Computern umzugehen, indem man mit ihnen umgeht und jemanden hat, den man fragen kann, wenn ein Problem auftritt und nicht, indem man sich in einen Computerkurs begibt. Sie sehen es als selbstverständlich an, dass sie durch Versuch und Irrtum lernen und dass sie dann irgendwann mehr wissen als die Erwachsenen ihrer Umgebung. Das führt nicht zu Problemen, sondern macht stolz und verbessert vielleicht sogar die wechselseitigen Beziehungen. Die von uns interviewten Schüler/innen aus dem Robotik-Kurs fanden es rückblickend „cool“, dass sie mehr wussten als der Lehrer. Im Unterricht selbst allerdings spielte dies keine große Rolle. Sie waren mit ihrem Projekt beschäftigt und an dessen Erfolg interessiert. Der Lehrer hatte eine ähnliche Wahrnehmung davon und fand es wenig problematisch, nicht immer einen Wissensvorsprung zu haben. Er bezeichnete sein eigenes Wissen zur Robotik als „begrenzt“. Ein anderer Lehramtsstudent aus dem Robotik-Workshop, der zusammen mit Schüler/innen teilnahm, weiß zu schätzen, dass er sich im Hinblick auf technisches Wissen auch auf Schüler/innen stützen kann:

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I: Und hast du mit anderen zusammen mal diskutiert oder sie gefragt oder was geholfen oder Hilfe bekommen oder so? LS: Ja, auf jeden Fall. Also vor allem die jungen Schüler, die haben es echt wesentlich besser drauf, und das ist dann schon..., da kann man sich dann schon Tipps holen. Also ich kenne mich damit halt gar nicht aus und dann ist das schon ziemlich gut so. I: Bei wem? LS: Ja, dann habe ich einmal so geschaut (deutet mit dem Kopf einmal im Raum herum) und wenn man so kleine Fragen hatte, "wie macht man das?" oder „wo finde ich das?" oder „wie kann man das programmieren?".

Kenntnisse über den Umgang mit Computern lassen sich vielleicht weder über Anweisung durch Lehrer/innen gut erwerben noch sind sie in einem gesonderten Kurs von einer Spezialist/in zu vermitteln. Man lernt sie durch Versuch und Irrtum, wo man Probleme bewältigen will, und es braucht eine Gruppe von Menschen mit unterschiedlichen Kenntnissen, wo es nicht von vornherein und nach Rollen getrennt die einen gibt, die alles wissen, und die anderen, die alles erst lernen müssen. Was den Schulunterricht betrifft, so führt dieses Bewusstsein jedoch häufig dazu, die Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Umgang mit den Digitalen Medien ganz in den Anwendungen und in den Fächern „verschwinden“ zu lassen. Die von uns befragten Lehrer/innen beklagen sich fast durchgängig, dass Medienkompetenz nicht in ihren Fachunterricht zu integrieren sei, da der Lehrplan dafür keine Zeit lässt. Sie sehen es so, dass das Erlernen des Umgangs mit Digitalen Medien viel Zeit braucht, der den Fachinhalten dann abgeht. Daher sei dann der Ertrag fachlicher Leistungen beim Einsatz Digitaler Medien geringer:

L: Mich hat das gestört, dass das [Robotik-Projekt] so zwischen Tür und Angel war, und dass es mit dem Lehrplan [für den Kunstunterricht] nicht vereinbar war. Der ist ja schließlich nicht umsonst gemacht, dafür gibt es ja gute Gründe.

Eine andere Lehrerin macht darauf aufmerksam, dass die Schüler/innen beispielsweise sehr lange bräuchten, Texte zu schreiben, weil sie im 2-Finger-Suchsystem nach den richtigen Keyboard-Tasten für Buchstaben suchen müssen:

L: Es fehlt ein Konzept dafür, dass man innerhalb einer Schule ein Programm entwickelt, das die Schüler fördert, erstmal zu lernen mit der Technik kompetent umzugehen… Ein Konzept vergleichbar mit den Schul-Rahmenplänen, die dafür sorgen, welches Wissen gelehrt wird, könnte helfen, Schüler nicht nur auf den gleichen Stand zu bringen, sondern auch den Einsatz Digitaler Medien im Unterricht zu erleichtern. Z. B. ist es leichter oder für den Lehrer ein geringeres Hemmnis ein Blog-Projekt durchzuführen, wenn er weiß, dass alle Schüler bereits einigermaßen schnell tippen und einen Webbrowser bedienen können.

Die Lehramtsstudierenden zeigten sich während des Seminars und ihres Praktikums relativ verhalten im Hinblick auf die Nutzung Digitaler Medien im Unterricht. Sie waren stark mit der Vorbereitung ihrer Unterrichtsstunden beschäftigt. Priorität hatte für sie, diese mit herkömmlichen Methoden vorzubereiten. Digitale Medien einzusetzen, schien ihnen eher ein Luxus, den man sich nur erlauben kann, wenn man noch Zeit hat und die Anforderungen des Lehrplans erfüllt sind. Sie nehmen wahr, dass den Schüler/innen „oft die Grundlagen für einen Einsatz im Unterricht [fehlen]“, reflektieren aber nicht, wo und wie dies auch einen Platz in ihrem eigenen Fachunterricht finden und im Curriculum integriert werden könnte. Nun besteht jedoch Medienkompetenz nicht nur und nicht einmal in erster Linie darin zu wissen, wie man mit 10 Fingern schreiben kann und wie man ein Computerprogramm bedient. Computer und Digitale Medien haben das soziale und gesellschaftliche Umfeld in Arbeit und Freizeit so grundlegend verändert, dass verwunderlich ist, wieso „Bildung“ heute

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überhaupt ohne eine Reflexion dieser neuen Selbst- und Umwelterfahrungen thematisiert werden kann. Medienbildung im umfassenden Sinne eines reflektierten Verhältnisses zu den eigenen Interaktionen mit Digitalen Medien, darüber hinaus aber auch bezüglich des veränderten Verhältnisses in und zu der Welt sind durchaus nicht (nur) ein Thema des Deutsch- und Politikunterrichts, wo über Chancen und Risiken der Digitalen Medien gesprochen werden kann. Digitale Medien sind auch Medien, über die diese Fragen handlungsorientiert und in unterschiedlichen Fächern vermittelt werden können. Insbesondere in den Robotik-Projekten konnten wir feststellen, dass sie für Schüler/innen Gelegenheit boten, ihre Erfahrungen mit der Welt und mit ihrer eigenen Rolle in dieser Welt zu thematisieren und ein neues Verhältnis dazu zu gewinnen.

I: Wie kommt das, dass ihr euch so für Computer interessiert? S: Also, man hat ja im Leben jetzt viel mehr mit Technik zu tun, es wird ja immer mehr Technik, und dann muss man das halt auch können. Das ist ja lebensnotwendig jetzt. In jedem Beruf braucht man jetzt einen Computer. Früher haben meine Schwester, meine Mutter und ich uns einen Computer geteilt, und jetzt haben meine Schwester und ich einen Computer, der uns gehört.

Eine andere Schülerin formuliert, wo sie auch die Aufgabe von Schule sieht, nämlich neue und interessante(re) Anwendungen aufzuzeigen als die, die sie aus ihrer Freizeit kennt:

S: Früher hab ich auch immer nur gedacht, der Computer wäre nur zum Spielen da, aber jetzt weiß ich, dass man damit noch viel mehr machen kann, nicht nur spielen oder Texte schreiben. Das find ich gut.

Eine andere Schülerinnengruppe machte erste Erfahrungen und Erkenntnisse mit Prinzipien der Programmierung, indem sie sich bei auftretenden Problemen auf die Suche nach Lösungen machte. Sie benötigten für das von ihnen entworfene Robotprogramm einen neuen Befehl, der von der (grafischen) Programmierumgebung nicht angeboten wird. Mit Hilfe dieser Programmierumgebung lässt sich der Robot programmieren, indem man einzelne Befehlsbausteine per Drag-and-Drop in eine Befehlskette schiebt, die dann abgearbeitet wird. Diese Bausteine tragen Beschriftungen wie „Vorwärts“, „Rückwärts“, „Drehung links“. Da sie den von ihnen benötigten Baustein nicht finden konnten, wählten die Schülerinnen einen Baustein, den man selber beschriften und mit Befehlen belegen kann. Den beschrifteten sie nun mit ihrem Befehl. Die Enttäuschung war groß, als der Robot sich daraufhin nicht bewegte. Schließlich wuchs die Einsicht, dass der Baustein (wie die gesamten bunten und bewegten grafischen Oberflächen, denen sie in ihrem täglichen Umgang mit Computern begegnen) nur als Behälter für eine Programmierung dient. Solche Erfahrungen machen die Funktionsweise von Digitalen Technologien und die dahinter liegenden und in Programme gegossenen Konzepte deutlich, was wir für eine der zentralen Aufgaben von Medienbildung halten. Schüler/innen schätzen es, Erfahrungen mit dem Computer und mit dem Programmieren zu machen, denn - so sagen sie - zukünftig würden Technik und Menschen noch mehr miteinander verbunden werden. Der Computer sei bereits ein wichtiger Teil ihres Lebens geworden, er sei nicht mehr wegzudenken. Selbstbewusst fordern sie, dass sie darüber auch etwas lernen wollten, denn schließlich bestimme er bereits ihren Alltag. Robotik geben sie dabei eine hohe Bedeutung. Sie erkennen Zusammenhänge zwischen der Maschine und ihrer technischen Gemachtheit. Diese Bedeutung von Medienbildung als Erkenntnis der Wirkprinzipien der Medien und als Bestimmung der eigenen Rolle im Umgang mit den virtuellen Welten wird in Interviews zu den Robotik-Projekten besonders deutlich:

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S: Also vorher, da kannte ich mich überhaupt nicht mit Robotern aus. Ich dachte, es gibt eigentlich nur so Roboter für Wissenschaftler und so und nicht für zu Hause und so. Und dass man selber einen bauen kann, und mit Computern so was einstellen kann. Das hab ich halt da gelernt, dass man das auch selber machen kann, nicht als Wissenschaftlerin, auch als normaler Mensch sozusagen. Das wusste ich vorher nicht.

Dies sind wichtige Einsichten, weil sie den Zugang ermöglichen zu einer kritischen und selbstbewussten Haltung gegenüber der Technologie. Wem bewusst ist, dass Technik von Menschen gemacht ist, dass hinter virtuellen Welten eine Programmierung steht, der/die kann auch erkennen, dass diese Welten kritisierbar und gestaltbar sind – sie sind so, wie sie sind, könnten aber auch anders sein. Darüber hinaus schreiben sich diese Kinder nuin sogar selbst die Fähigkeit zu, diese Technologien zu erlernen und zu gestalten. In diese Richtung äußern sich viele der Schüler/innen nach den Robotik-Workshops oder Unterrichtsprojekten:

S: Also ich fand, das war auch sehr interessant, wie man gesehen hat, was Maschinen alles können. Vom Fernsehen her hab ich mir das nicht so vorgestellt, dass die das jetzt wirklich können, so Menschen retten und anderes. Aber wenn man das richtig programmiert, hab ich das gut gesehen, dass die das machen, was man denen sagt. Das find ich sehr interessant.

S: Das konnte ich mir am Anfang nicht vorstellen, so Robotik zu bauen und an den PC anzuschließen, vor allem so Menschen, dass das Menschen machen können. I: Das konntest Du dir nicht vorstellen. S: Ne, ich wusste erst nicht, wie man das machen kann, aber zum Schluss doch.

Die Schülerinnen, die an der Videoeinheit teilnahmen, berichten von ähnlichen Erkenntnissen in Bezug auf die Gemachtheit von Filmen:

S(1): Ich wusste gar nicht, dass es so was gibt, dass man so was am Computer machen kann, also schon, dass man Filme schneiden kann, aber nicht mit solchen vielen Effekten und solchen Sachen. S(2): Ja, ich gucke Filme jetzt auch anders. Also, z.B. im Kinofilm, wenn da so ganz schnelle Abfolgen sind. S(3): Ja, oder bei einem Film, da haben sie eine Person gezeigt, und sie haben die Person ganz an den Rand gesetzt, und in der Mitte war die Wiese. Ich hätte das anders gemacht.

Diese Ausschnitte aus den Interviews zeigen, wie die Erfahrungen und das Nachdenken über die eigenen Projekte den Blick öffnen können für größere gesellschaftlich wirksame Zusammenhänge. Die prinzipielle Gestaltbarkeit und die eigenen Möglichkeiten und die Mitverantwortung bei der Gestaltung dieser technologischen Welt, so wäre die weitergehende Hoffnung, kommen dabei in den Blick. Schließen möchten wir diese Kapitel mit einem Blick darauf, was die Lehrer/innen aus unseren Interviews sich an Verbesserungen wünschen, damit ihnen der Einsatz Digitaler Medien im Unterricht leichter gemacht wird. Die Gesichtspunkte sind aus den verschiedenen Interviews zusammen gesammelt worden. Die von uns befragten Lehrer/innen wollen:

• Unterstützung bei der Bedienung der Technik; • Schuldienst-Techniker, der sich um Technik kümmert und auch die Stunden nach-

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und vorbereitet; • Unterstützung auch in der Lehre, um sich über Erfahrungen und Umsetzung

austauschen zu können; • Mehr Austausch zwischen Lehrer/innen; • Computerraum für jede Klasse, zur spontanen Nutzung, mit genügend

Arbeitsplätzen; • in jedem Klassenraum ein paar Rechner; • jeder Klassenraum könnte auch Computerraum sein, jeder Sitzplatz auch

Computerplatz, den man ausklappen kann, so dass es einen nahtlosen Übergang zwischen normalem und Unterricht mit Digitalen Medien gibt;

• Bereitstellung von guter Software, so dass sich der Lehrer/innen nicht darum kümmern müssen, mit Beschreibung und Bewertung, Software für diverse Fächer und Altersklassen.

Eine Lehrerin entwickelte ihre Vision zusammenfassend so:

Also ich möchte einen Computerraum für mich alleine haben. Also wo ich mich nicht eintragen muss in irgendwelche Nutzungspläne und schon 4 Wochen vorher wissen muss, wann ich da rein will und so. Also der mir immer zur Verfügung steht, der genügend Arbeitsplätze für die Menge an Schülern bereithält, mit denen ich da rein gehe, der so groß ist, dass die auch noch auf dem Fußboden was spielen können und der auch noch einen großen runden Tisch bereithält, an dem man alle versammeln kann. Und dann möchte ich mich nicht umständlich schlau machen müssen über Software, die es gibt, sondern die soll dann da schon stehen oder Listen sollen schon da sein, möglichst mit Bewertung und Beschreibung. Und dann würde ich gerne zu meinen verschiedenen Fächern und Themen und Klassen an das Regal gehen, was rausziehen, das angucken und gerne ganz viel mit den Schülern da machen. Nicht nur - aber viel.

Zusammenfassung: Jugendliche bringen häufig einen den Digitalen Medien angemesseneren, spontaneren Zugang mit als die anders sozialisierten erwachsenen Lehrer/innen. Vor allem aber auch: Sie haben mehr Zeit, sich mit Details zu beschäftigten und sie auszuprobieren. Lehrer/innen, so glauben wir, müssen von dem „Druck“, der auf ihnen lastet, in der Nutzung Digitaler Medien genauso gut oder besser sein zu müssen als ihre Schüler/innen, entlastet werden. In unseren Projekten deutet sich eine Akzeptanz neuer Lehrer-Schüler-Verhältnisse im Hinblick auf die Mediennutzung an. Dazu müssen die Medien selbst aber auch thematisiert werden und als „explizite“ Qualifikation ernst genommen werden. Dies geht über die „bloße“ Nutzung hinaus. Über eine sinnvolle Nutzung sollen auch Wirkprinzipien der Technologien deutlich werden, um sich selbst in eine aktives Verhältnis zu den Medien, zu den eigenen Interaktionen, letztendlich zur Welt, setzen zu können.

4 Zusammenfassung, Konsequenzen und Empfehlungen

4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse Ausgangspunkt des Projektes ZIM@School war die Behauptung, dass Digitale Medien ein geeignetes Mittel sind, um die Lernkultur an Schulen so zu verändern, dass sie offener werden für unterschiedliche Bedürfnisse von Schüler/innen und dass sie ein Lernen im Rahmen konstruktivistischer Arrangements unterstützen können. In der wissenschaflichen Diskussion gilt seit einiger Zeit als Konsens, dass dies nicht durch das Medium per se, durch seine bloße Anwesenheit an den Schulen, geschehen kann. Auch

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aus dem Projekt ZIM@School können wir festhalten, dass eine technik-deterministische Sichtweise sicherlich nicht trägt. Mit Digitalen Medien wurde auch in unseren Projekten ganz unterschiedlich gearbeitet, und das pädagogisch-didaktische Konzept spielte eine entscheidende Rolle. Dennoch haben wir einige interessante Hinweise darauf, dass mit den Digitalen Medien und ihrer Nutzung durch Schüler/innen in der Lebenswelt neue Herausforderungen auf die Schule zukommen. Das Medium trägt mit seinen (technologischen) Potenzialen, aber auch in seinen symbolischen Funktionen einen Aufforderungscharakter, mit dem traditionelle Lehrformen und Vorgehensweisen in Frage gestellt werden können. Im Verlauf des Projektes sind wir auf einige dieser Herausforderungen gestoßen, die wir im Folgenden zusammenfassen wollen:

• Lebenswelt und Schule Das Digitale Medium ist ein Medium, das - wie kaum ein anderes - sowohl in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen seinen festen Platz hat, als auch als Lernmedium in den Schulen eingeführt ist. Schüler/innen haben heute meist schon Erfahrungen mit dem Medium, bevor sie in der Schule damit in Berührung kommen. Die hat auch zur Folge, dass Schüler/innen diesem Medium Eigenschaften und Umgangsweisen zuschreiben, die sie mit Spiel und Spaß verbinden, der in der Schule „eigentlich" nichts zu suchen hat. Dies erklärt die widersprüchliche Haltung von Schüler/innen aus unseren Projekten dort, wo sie zum „Lernen" mit Digitalen Medien befragt werden. Lernen identifizieren sie eher mit Langeweile und Instruktion, Umgang mit Digitalen Medien, der Spaß macht, ist „kein Unterricht". Schule muss ihre Aufgabe bestimmen, indem sie einerseits an den lebensweltlichen Interessen von SchülerInnen anknüpft, andererseits aber gerade dadurch auch ihren Bildungsauftrag neu reflektiert und neu bestimmt: Lernen geht weder im bloßen Spiel auf, noch kommt man in einer Mediengesellschaft ohne den Bezug auf Formen spielerischer Aneignung und den Bezug auf die Interessen der Schüler/innen aus. Ein entscheidender Zugang, mit diesem Widerspruch umzugehen, scheint dabei in der Vorstellung von der „Lust an der Anstrengung" zu liegen, auf die in unseren Interviews auch von den Schüler/innen immer wieder hingewiesen wird.

• Interessen und Erfahrungen als Ausgangspunkt Mit dem Medium bringen Kinder/Jugendliche die Erfahrung mit, dass sie es selbstbestimmt für ihre eigenen „Projekte" nutzen, was in der Schule häufig in Konflikt gerät mit der Vorstellung, dass ein Curriculum abgearbeitet und ein standardisierter Stoff in der Klassenarbeit abgefragt werden muss. Das, wovon wir glauben, dass Kinder und Jugendlichen es heute lernen sollen, muss sich heute mehr denn je mit ihren eigenen Interessen und Erfahrungen vermitteln. Digitale Medien bieten eine Vielzahl von (abstrakten) Programmen, die es ermöglichen, sie mit jeweils ganz unterschiedlichen Ausformungen zu füllen und dennoch das Gleiche oder jedenfalls Ähnliches zu lernen. So bietet z.B. selbst die Robotertechnologie die Möglichkeit, in unterschiedlichen Curricula und für unterschiedliche Lernziele als „things to think" eingesetzt zu werden.

• Reflexion des Lernprozesses Eines der bemerkenswertesten Ergebnisse unseres Projekts besteht darin, dass die Digitalen Medien, die als „Maschinen zu Ersetzung geistiger Tätigkeiten" ihren Einzug in der Erwerbsarbeit gehalten haben, heute nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis genau dahin wirken können, dass sie die Prozesse des Denkens und die Prozesse des Lernens sichtbarer und der Reflexion zugänglich machen. Darin liegt eine besondere Aufgabe in Bildungsprozessen, dieses Potenzial zu nutzen, das im Alltagshandeln von Jugendlichen weniger eine Rolle spielt, weil Lernen dort meist nicht Hauptzweck ist. In der Informationsgesellschaft, wo Bildungsinhalte rasch wechseln und sich stärker auf Methoden des Lernens, auf die Möglichkeiten, sich jederzeit neues Wissen aneignen zu können, verlagern, wird das „Lernen lernen" zur „Schlüssel"qualifikation. Entscheidend dafür, das Lernen zu lernen ist die Reflexion des Lernvorgangs.

• LehrerInnen zwischen Vorstellungen vom Lernen, technischem und pädagogischen

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Know How Lehrer/innen sind in der Regel nicht mit Digitalen Medien sozialisiert und nehmen sie häufig ganz anders (häufig instrumental) wahr als ihre Schüler/innen. Der Druck, der auf ihnen lastet, Digitale Medien „einzusetzen", dabei technisch alles in den Griff zu bekommen und gleichzeitig den Lehrplan zu erfüllen, behindert das Arrangement kreativer und offen gehaltener Lernumgebungen. Die eigenen Erfahrungen der Lehrer/innen, dass der Umgang mit Digitalen Medien mehr sein kann als ihr instrumentaler, zweckgerichteter Gebrauch war für die Lehrer/innen eine einschneidende Erfahrung und ermutigte sie, ihr eigenes Verhältnis zum Lernen mit Digitalen Medien neu zu betrachten. Insbesondere waren sie fasziniert, die Schüler/innen in diesen Kontexten zu beobachten und waren überrascht von deren Begeisterung, Motivation und Konzentrationsfähigkeit.

• Medienbildung Die Entwicklungsmöglichkeiten von Lehren und Lernen, wie wir sie beschrieben und in einigen schulischen Projekten arrangiert haben, erfordern eine bewusste Reflexion des Mediums selbst und ein Bezug darauf. Es geht also nicht darum, den Computer als „bloßes" Werkzeug in der Schule zu nutzen, um die „traditionellen" Lehrziele zu erreichen, sondern ihn selbst in seiner besonderen Rolle in allen gesellschaftlichen, sozialen und individuellen Prozessen der Informationsgesellschaft zu reflektieren. Dort, wo wir mit Schüler/innen und Lehrer/innen das Medium selbst reflektiert haben, konnten wir diese Veränderungen in den Lernkulturen erahnen und an ihren Äußerungen festmachen. Digitale Medien sehen wir nicht als bloßes Unterrichts-medium oder Werkzeug, sondern als die Informationsgesellschaft prägende Technologie, die es sich in Bildungsprozessen anzueignen und in der Medienbildung zu reflektieren gilt. Dass dabei die Digitalen Medien selbst besonders geeignet sind (als eine Art „Montessori-Material"), diese Reflexion anzustoßen, liegt auf der Hand. Der theoretische Diskurs oder empirische Studien, die sich auf dieses integrierte Lernen richten, sind bisher wenig entwickelt.

• Universität - Schule In unserem Projekt kam der Universität eine besondere Rolle zu. Dies kann zunächst als Ausnahmesituation erscheinen, als ein momentanes Arrangement, das durch eine Projektförderung geglückt ist. Dies trifft zu für die personelle Unterstützung, die wir den beteiligten Schulen geben konnten und die durch die Projektförderung möglich wurde. Verallgemeinerbar sind daraus jedoch einige grundlegendere Einsichten in die Möglichkeiten der Kooperation zwischen Schulen und Hochschulen: Wenn Digitale Medien heute in den Schulen genutzt werden, so bauen sie häufig - anders als dies in der Freizeitnutzung von Jugendlichen der Fall ist - auf Software und Umgebungen, die einige Jahre alt sind. Eine besondere Attraktion unserer Projekte lag gerade darin, dass sie innovative Themen der Technologie an die Schulen brachten.

Mit dem Projekt ZIM@School gehen – mit einer Unterbrechung - zwei Jahre der Förderung von Aktivitäten der Arbeitsgruppe DiMeB durch die Cornelsen-Stiftung zu Ende. Sie haben eine Öffnung der Forschungs- und Lehrtätigkeiten der universitären Arbeitsgruppe bewirkt und die wissenschaftliche und empirische Begleitung und Auswertung der Schulkooperatio-nen ermöglicht. Dies ist zusammen mit den jetzt entstandenen Kontakten eine anregende und solide Basis dafür, dass die Schulkooperationen der AG DiMeB sich über Vermittlung von Studierenden des ZIM in Schulen und über besondere Angebote zum Halbjahres-praktikum in der Zukunft stabilisieren und sich nachhaltig entfalten können. Auch über gezielte Angebote in der Fortbildung (in Kombination mit Angeboten an Kinder und Jugendliche) denkt die Arbeitsgruppe als Konsequenz aus den ZIM@School Erfahrungen nach. In Kooperation mit der beim Rektor der Universität angesiedelten Stelle zur Schulkooperation wird über die Verstetigung und effektive Koordination von Verbindungen zwischen Universität und Schule nachgedacht.

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4.2 Konsequenzen und Empfehlungen Auf der Grundlage unserer Ergebnisse möchten wir einige Vorschläge für den Umgang und das Handeln mit Digitalen Medien an Schulen und für den bildungspolitischen Kontext machen:

• Der Ausbau von Schulen zu Ganztagsschulen ist eine wichtige Bedingung dafür, dass sich ein neues Verhältnis zwischen Lebens welt und Schule entwickeln kann. Die Ganztagsschule als ein Raum, mit dem man Kinder und Jugendliche „von den Medien weg holt" wäre dabei sicherlich der falsche Weg. Vielmehr geht es darum, die Lebenswelt der Kinder, zu der Medien als wesentliche Sozialisationsfaktoren gehören, in der Schule wertzuschätzen und sichtbar zu machen, außerschulische Aktivitäten und Erfahrungen auch in die Schule hineinzuholen. Gleichzeitig müssen die schulischen Angebote so sein, dass die Jugendlichen dort sehen, „was man mit dem Computer alles noch machen kann", wie es eine Schülerin im Interview ausdrückt. Dazu braucht es auch innovative Technologien, Zukunfts- oder zumindest Gegenwartstechnologien, nicht nur die von gestern oder vorgestern

• Lehrer/innen werden dies nicht (alleine) leisten können. Hochschulen müssen hier in die Pflicht genommen werden, innovative Forschung nicht nur in die industrielle Anwendung zu vermitteln, sondern sich auch am Bildungsauftrag für die nachwachsende Generation zu beteiligen. Bildungspolitisch könnte dies umgesetzt werden, indem in der Forschungsförderung Überlegungen zur didaktischen Vermittlung zu den Auflagen gehören, wie die EU es heute teilweise für die Gender-Frage oder für ethische Fragestellungen macht. Angebote sollten sich unmittelbar auch an Schüler/innen wenden, die zu Träger/innen technischen Know Hows an ihren Schulen werden können, zu „Scouts", die auf der technischen Seite Expertise haben, auf die sich die Lehrer/innen bei ihrem pädagogischen Auftrag stützen können.

• Für Lehrer/innen brauchen wir im Kontext Digitaler Medien weniger „pädagogisierte" Fortbildungen, wo sie lernen, wie man Digitale Medien in der Schule „einsetzt". In besonderer Weise geht es auch darum, die eigenen Lernerfahrungen von Lehrer/innen zu beleben und in ihren Interaktionen mit Digitalen Medien neu erfahrbar zu machen. Gleichzeitig gilt es, Situationen zu schaffen, wo Lehrer/innen beobachten und erleben können, welchen Zugang ihre Schüler/innen haben (können), wie und wodurch sie fasziniert und begeistert, leistungsbereit und konzentriert sind. In diese Richtung müssen neue Aus- und Fortbildungsangebote mit Digitalen Technologien gedacht werden.

• Portfolios gehören des wegen zu den „Hot Topics" der aktuellen pädagogischen Diskussion, weil immer mehr deutlich wird, dass in sich rasch ändernden Gesellschaften das Lernen lernen die zentrale Kompetenz sein wird, die die zukünftige Generation braucht. Dazu gehört es, sich des eigenen Lernens bewusst zu werden, es zu reflektieren, darzustellen, kommunizierbar zu machen. Digitale Medien können, so zeigen unsere Ergebnisse, nicht nur ein Werkzeug zur Erstellung z.B. von Portfolios sein. Als Maschinen, Werkzeuge und Medien des „Denkens" können sie in besonderer Weise Nachdenken über Lernen evozieren. Warum soll man nicht Rechtschreibunterricht mit Rechtschreibprogrammen durchführen? Dazu wäre es erforderlich, die „Lernprozesse", die das Computerprogramm gemacht hat, sichtbar zu machen und ins Verhältnis zu menschlichen Lernprozessen zu setzen. Wichtig wäre dafür, neue Ideen zu entwickeln, wie Lernprogramme (im Unterschiede zu Software für das Arbeiten) aussehen müssen, damit sie „Denk"prozesse der Maschine sichtbar machen und die menschlichen Denkprozesse fördern, statt sie zu ersetzen. Das Programmieren von Robots ist ein dafür geeignetes Medium.

• Hier liegt eine zentrale Aufgabe von Medienbildung. Medienbildung wird heute weitgehend getrennt vom „normalen" Fachunterricht gesehen, als zusätzlicher Lernstoff, oder es wird davon ausgegangen, dass man das Medium nur nutzen, ihm aber keine eigene Aufmerksamkeit widmen müsse. Bei der Neufassung von Curricula muss neu darüber nachgedacht werden, wie sich eine dem Arbeiten und Leben in der Informationsgesellschaft angemessene Integration von Medienbildung und fachlichen Lernzielen auch im Schulunterricht ausdrücken kann (Auch im lebensweltlichen

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Umgang vermischen und verbinden sich Faszination von den Interaktionen mit der Technologie selbst und zielgerichtete Nutzung). So könnten Lehrer/innen auch den Raum gewinnen, Medienbildung nicht als einen (lästigen) Zusatz, Zuckerguss oder oberflächlichen Spaßfaktor zu sehen.

Am Ende eines Forschungsprojektes stehen meist mehr Fragen als Antworten. In unserem Projekt ZIM@School ist es z.B. nicht gelungen, befriedigende Antworten darauf zu finden, wie es möglich wäre, Lehrercommunities, die wir nach wie vor für wichtig halten, über bereits vorhandene Angebote hinaus zu initiieren und zu fördern. Obwohl ihre Notwendigkeit „im Prinzip“ gesehen und eingefordert wird, sind sie im Alltag wenig lebendig und wirksam. Wir sind im Projektzeitraum sowohl aus der Literatur wie auch aus unseren eigenen Projekterfahrungen auf die zentrale Fragestellung gestoßen, wie sich fachliches Lernen und Medienbildung verzahnen (und behindern) können. Dazu konnten wir keine relevanten oder nützlichen Ergebnisse liefern. Wir glauben jedoch, auf der Grundlage unserer Ergebnisse zeigen zu können, dass diese Diskussion eine differenziertere Betrachtung erfordert, als sie in der gegenwärtigen Diskussion zu beobachten ist. Traditionelle Tests und Klassenarbeiten scheinen uns wenig geeignet, die Kompetenzen zu messen, die für die Informationsgesell-schaft gebraucht werden. Wir brauchen neue Evaluationsmethoden, in denen Medienkompe-tenz und fachliche Kompetenz zusammen gedacht und integriert betrachtet werden. Dafür braucht es auch in der pädagogischen Forschung weiterer theoretischer Durchdringung sowie möglicherweise auch neuer Methoden.

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