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IX. Zur Casuistik der Knochengeschwiilste des ~usseren Geh6rganges VO~ Dr. L. B. in Hamburg. Durch die mit gtitiger Erlaubniss des Herrn Dr. Knorre effolgendeVerSffentlichung einer reich selbst betreffenden Kranken- gesehichte hoffe ich manchen Leidensgef~hrtcn und ihren Aerzten ainan Dienst zu arweisan. Die seltanen, sahr langsam wachsendan~ racist doppelseitigen Exostosan des ~usseren Geh~rgangas haban in wanigen bisher bekannt gewordanan F~illan zu Functionsst51~ngen ernsterer Art gef'tihrt und unseres Wissens ist nur B onnafont~ welchem es gelang~ mit der Feile ein fiir das tI~ren gentigendes Loch dutch dan Knochen zu bohren~ in der Lage gewesen~ eine solche Geschwulst operativ anzugreifen.1) v. T r 51 t s c h barlchtet yon ainem Herrn, der radicale Htilfe durch das Steekenblaiben eines Sttickes Laminaria di~tata land, welches ibm zur Erwei- temng des GahSrganges eingalegt war und nach dam Aufquellen nieht wieder zu entfernen war; als sich dasselba 2 l~Ionate sp~ter dutch Eiterung abstiess, folgten einige kleine Sequester nnd der seit Jahren taub gcwesene Mann hSrte wieder auf das fainste. In meinem 43. Jahre, 1%8~ bemarkte ich naeh dam Baden in mainem linken Ohra h~iufigar als sonst die dutch eine Wasser- blase entstehende, allen Sehwimmern bekannte aigenthtimlicha Verdumpfung des GehSrs; der zur Sprengung soleher Blase frtiher stets mit Erfolg eingefilhrte Grashalm erreichte sein Ziel nicht mehr wegen eines vorliegenden ttlndernisses, das sich bei 1) Mir sind in jiingster Zeit 2 FMle yon erfolgrelcher Operation yon Exostosen im Geh~rgang mittelst Meissel und Hammer privatim zur Kennt- hiss gekommen. 8 ch w artz e.

Zur Casuistik der Knochengeschwülste des äusseren Gehörganges

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IX.

Zur Casuistik der Knochengeschwiilste des ~usseren Geh6rganges

VO~

Dr. L. B. in Hamburg.

Durch die mit gtitiger Erlaubniss des Herrn Dr. K n o r r e effolgende VerSffentlichung einer reich selbst betreffenden Kranken- gesehichte hoffe ich manchen Leidensgef~hrtcn und ihren Aerzten ainan Dienst zu arweisan. Die seltanen, sahr langsam wachsendan~ racist doppelseitigen Exostosan des ~usseren Geh~rgangas haban in wanigen bisher bekannt gewordanan F~illan zu Functionsst51~ngen ernsterer Art gef'tihrt und unseres Wissens ist nur B o n n a f o n t ~ welchem es gelang~ mit der Feile ein fiir das tI~ren gentigendes Loch dutch dan Knochen zu bohren~ in der Lage gewesen~ eine solche Geschwulst operativ anzugreifen. 1) v. T r 51 t s c h barlchtet yon ainem Herrn, der radicale Htilfe durch das Steekenblaiben eines Sttickes Laminaria di~tata land, welches ibm zur Erwei- temng des GahSrganges eingalegt war und nach dam Aufquellen nieht wieder zu entfernen war; als sich dasselba 2 l~Ionate sp~ter dutch Eiterung abstiess, folgten einige kleine Sequester nnd der seit Jahren taub gcwesene Mann hSrte wieder auf das fainste.

In meinem 43. Jahre, 1%8~ bemarkte ich naeh dam Baden in mainem linken Ohra h~iufigar als sonst die dutch eine Wasser- blase entstehende, allen Sehwimmern bekannte aigenthtimlicha Verdumpfung des GehSrs; der zur Sprengung soleher Blase frtiher stets mit Erfolg eingefilhrte Grashalm erreichte sein Ziel nicht mehr wegen eines vorliegenden ttlndernisses, das sich bei

1) Mir sind in jiingster Zeit 2 FMle yon erfolgrelcher Operation yon Exostosen im Geh~rgang mittelst Meissel und Hammer privatim zur Kennt- hiss gekommen. 8 ch w artz e.

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ni~herer Untersuchung als hart und unempfindiich gegen Be- rtihrung erwies. Ich beobacbtete~ nun aufmerksam geworden, die Geschwulst genauer und glaubte ein allmi~hliches Wachsen der- sdben wahrzunehmen; der Wunsch naeh Aufkliirung tiber ihre Iqatur verleitete mich am 30. Decbr. 1868 zu einem Versuche gewaltsamer Entfernung mit der Pincette. Hierbei empfand ieh heftigen Schmerz; es stellte sich sofort reichlieher blutig seri~ser Ausfluss ein, wdcher die ganze Nacht anhielt und in den niich- sten Tagen ser(fs eitrig wurde, oft begleitet yon leisem 0hren- sausen und gefolgt yon schneller Umfangszunahme der Geschwulst~ so dass ich dureh Druck auf die hintere Fliiche der 0hrmuschel den GehSrgang schliessen und vollst~indige Taubheit hervornlfen konnte. (Injection yon lauem Wasser.) T~iglich wurde das Hiiren sehleehtcB so dass ieh am 10. Januar meine Uhr auf der linken Seite nut bei unmittelbarer Bertihrung vernahm~ wiihrend Absonderung und Sehmerz fast ganz gesehwunden waren. Die jetzt vorgenommene Untersuchung yon zwei befreundeten Collegen zeigte eine auf der hinteren Wand des GehSrganges aufsitzende harte~ denselben ganz ausfiillende Gesehwu]st "con weisslieher Farbe; zu meiner unangenehmen Ueberraschung i~nden sich in dem rechten GehSrgange 2 kleinere ~hnliche Gesehwiilste neben einander; die Diagnose schwankte zwischen Fibroid und Exostose und tiber Zuliissigkeit und Art eines therapeutisehen Eingriffes wichen die Ansichten auseinandcr. Herr Dr. K n o r r e, an welchen ieh reich nun noeh wendete, entsehied sieh mit grosser Wahr- scheinlichkeit ftir eine Exostose und rieth, unter Anwendung eines adstringirenden Mittels, das Ende der entztindliehen Periode ab- zuwarten; die Untersnchung mit der Nadel werde dann zeigen, ob man Knoehen vor sieh habe; in diesem Fatle verspreehe das Messer keinen Erfolg, Aetzmittel k(innten das nahe Trommelfell vefletzen, vielleicht sei die galvano-kaustisehe Schlinge anwend- bar; das andere 0hr sollte ich einstweilen unberUhrt lassen. Unter dem Gebraueh¢ einer ZinklSsung vermlnderten sieh nun bald Eiterung, Druckempfindung und Sausen der leidenden Seite; am 25. Januar h~irte ich wieder das Knittern des Trommelfelles beim Durchtreiben yon Luft dutch die Tuba Eust.; vom 26. Januar an konnte ich auf Augenblicke h(iren~ indem sich die Durch- g'~ngigkeit des Gehiirganges pl(itzlich durch Entfernung der sehrumpfenden Gesehwulst yon der gegentiber liegendcn Wand desselben herstellte, wobei ich die Empfindung einer platzenden Blase hatte; yore 30. Jannar an, also etwa 4 Wochen nach ge-

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schehener Verwundung, war das GehSr wieder beinahe normal und nur schwaehes Sausen erinnerte zuweiten an die vorherge- gangenen St(irungen. Inzwisehen war jeder Zweifel tiber die Natur des Uebels geschwunden, das sieh dureh seine Unempfind- liehkeit und H~rte als Exostose zu erkennen gab; eine Operation wurde bei dem normalen Functioniren des Organes far nicht an- gezeigt gehalten.

Ieh erfi'eute reich nun 4 Jahre lang ungest~rten Befindens; in der zweiten HNfte des April 1873 stellte sieh, wahrscheinlieh dureh Blutandrang, 5fret Ohrenklingen ein; in der Vermuthung, dass eine meehanisehe StSrung vorliege, sondirte ieh vorsichtig den Geh~rgang und gelangte auf der reehten Seite (vor 4 Jahren war die linke krank) an eine knitternde Membran, die ieh fur tin sieh lt~sendes Epidermis-L~ppehen hielt; bei tieferem Ein- dringen entdeekte ieh aber bald meinen Irrthum; grosse Em- pfindliehkeit dureh die leiseste Bertihrung und starkes Sausen zeigten mir, class ieh das TrommeltN1 gereizt hatte. Sofort, am 28. April, nahm das Sausen anhaltend zu und erreiehte die St~rke eines brausenden Wasseffalles, wN~rend das H6rvermSgen in gleiehem Maasse sank; am 12. Mai konnte ieh auf dem leiden- den reehten Ohre die Uhr bei direeter Bmqihrung kaum hSren~ empfand aber wieder weniger Sausen, ohne dass Eiterung einge- treten war. Auf ein baldiges Abnehmen der aeuten Erscheinungen hoffend, tr~pfelte ich wieder eine Zinkl~sung ein. Im Laufe der n~tchsten Woehen besserte sieh mein Zustand, insofern ieh bei bestandigem bald sehwiieheren bald starkeren Sausen die Uhr w.ieder auf 1 th--3 Cent. Entfernung h~ren konnte; aueh gelang es mir oft durch den Valsalva'schen Versueh oder starkes Sehnau- ben die Geschwulst mit lautem Ger~usch yon der Wand des Ge- bSrganges abzudr~ngon, wodureh das Geh~r far einige Augen- blieke hergestellt wurde; ja am Ende des ~Ionats Mai war ich wieder' relativ gesund, das Sausen hatte reich verlassen nnd ieh h~rte normal.

Ohne jade Veranlassung trat aber nun eine Versehtimmerung tin, neues Sausen und Abnahme der HSrweite his auf 1 ~/2 Cent.; meine Gewohnheit, t~iglieh im Freien zu baden, war nicht ohne Einfluss, da dutch das Eindringen yon Wasser ins Ohr das vor- her leidlieh gute GehSr versehlechtert, oder umgekehrt die gerade bestehende Sehwerh~rigkeit gehoben wurde. Unter diesen Um- st~nden beunruhigte mieh nieht wenig eine neue Erseheinung; leiser Druek auf die hintere Musehelwand der gegenw~rtig ge-

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sunden linken Seite gen~gte, auch diese taub zu machen, und in der That erwachte ich am 14. Juni~ nachdem ich am Tage vorher beim Baden 5fter getaucht h~tte, taub auf beiden Ohren.

Diese ersehreckende Wahruehmung ftihrte mieh am 15. Juni wieder zu Herrn Dr. Knorre~ um in meiner verzweifelten Lage seinen Ruth zu erbitten. Als ich zu ihm kam~ hatte das linke Ohr sich sehon wieder so welt ffebessert~ dass ieh hSren konnte; wie f}ilher erkl~rte Dr. K n o r r e die Gesehwulst fiir eine Exostose und machte mir den Vorschlaff~ dieselbe anzugreifen~ ohne reich geseh~ftsunfahig zu machen. Er hat redlieh Wort gehalten~ denn ieh bin w~hrend der ganzen Behandlungsdauer nieht c i n c h Tag meiner Praxis entzogen worden; obgleieh ich zuwcilen heftige Sehmerzen empfand, blieb ich yon fieberhaften Zust~nden und Altgemeinleiden vollkommen frei. Alle unten besehriebenen Ope- rationen betrafen tibrigens nur das reehte Ohr.

Am 16. Juni wurde der Anfang mit einem Drillbohrer ge- macht, der ohne Schwierigkeit 5--6 Mill. tier eindrang und den Knoehen Ms nieht zu hart f~ir den Bohrer erwies; ein dicker verursachte mir weniffer Sehmerzen als tier dlinnere; Blur zeigte sich wenig. Den ganzen Tag hatte ieh .etwas Sehmerz und Sausen; allmahlich zunehmendes Secret verursaehte vollkommene Taubheit der rechten Seite und ieh konnte nieht mehr dureh die Eust. R~hre auf das Trommelfell wirken. An den beiden folgen- den Tagen wurden mehrere neue LScher ffebohrt, wobei das anf~nglieh unvermeidtiche @ere Abgleiten des Instruments yon der glatten Geschwulst recht weh that; obgleieh Dr. K n o r r e meist etwa 1/2 Cent. fief eindranff~ konnte er am n~ehsten Tage die BohrlScher kaum wiederfinden, so class die EinFdhrung des gri~beren Bohrers durch eines derselben nicht gelingen wollte. Jetzt begann aueh die Wand des GehSrganges Theil zu nehmen an der traumatisehen Entztindung~ wurde empfindlich und sonderte viel Serum und Detritus yon Epidermis ab. Als nach einer Pause yon 2 Tagen, am 21. Juni, wieder ein Loch gebohrt und ein Versueh mit dem Meisel gemacht wurde, war ich noah weir empfindlicher als zuvor; die Schlage auf das so gut wie gar nieht eindringende letztere Instrument verursachten eigeuthtim- liche heftige Kopfschmerzen. Herr Dr. K n o r r e rieth nun, zu warten~ bis die Reaction sieh mchr verloren haben wt~rde, ein mir ausserordentlieh peinlicher Aufsehub, weil~ vielleieht anf sympathisehem Wege, sieh jetzt auch der Zustand der linken Seite versehleehterte~ so dass ich wieder einen hTachmittag ganz

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taub war; gliicklieher Weise dauerte dies nur bis zum andern Morgen, um dann, bis zum heutigen Tage, nicht wiederzukehren. Gewohnt auf der linken Seite zu sehlafen, erwachte ich freilich in der n~chsten Zeit jeden Morgen taub, weil die Gesehwulst mit der Wand des Geht}rganges dureh Druck verklebt war, konnte aber gleich naeh dem Aufstehen wieder gut hSren; naeh- dem ieh gelernt hatte, im Schlafe auf dem R~icken zu liegen 7 trat diese Functionsst0rung der linken SeRe nieht wieder ein.

Am 24. Juni endlich gelang es, einen dieken gewShnliehen Bohrer in einem der angelegten LScher zu fixiren, und unter sehr starkem Drucke ein weites tiefes Loch zu schneiden; der Sehmerz war dabei ertr~glieh, wuchs aber im Laufe des Tages und ver- ursaehtemir eine sehlaflose Nacht. Am 26. Juni seheiterte ein Versuch, das Loeb mit einem noch dickeren Instrumente zu er- weitern, an meiner grossen Empfindlichkeit; diese erwies sich 29. Juni noeh eben so stark; jede BerUhrung mit dam Instrument war ~usserst schmerzhaft und erzeugte eine verh~ltnissm~ssig heftige Blutung, wie sie hie zuvor stattgefunden hatte. Unter diesen Umst~nden besehloss Herr Dr. K n o r r e, die Geschwulst sofort yon dem angelegten Bohrloche aus zu verldeinern; sehon am 4. Juli wurden kleine Knoehensttieke mit der Kornzange sehmerzlos abgekniffen; am 8. Juli wurde das Verfahren in grSsserem Umfange gefibt, ein Al-m der Zange in das Loeh ein- gefiilirt und ausser mehreren klaineu ein erbsengrossas Stiiek entfernt; diases Mal schmarzte der Eingriff sehr. Die Kuochen- stiicke bestanden nicht aus Eti!ellbein, sondern zeigten die Structur einer sehr diahten harten Spongiosa. Naehdam am 12. Juli wieder ein gr~sseres und mehrere kleine StUcke unter heftigen Sehmarzan abgekniffen waran, stieg die Empfindliehkelt der Theile gerade wie bei dan frUheren Bohrungen auf einen Grad, dar fernere Versuche am 13, 17. und 21. Juli ariblglos maehte; aueh war jetzt ftir die Zange kein Angriffspunkt mehr vorhanden, naehdam dieselbe das Bohrloeh in seiner ganzen Tiefe ausgenutzt hatte; Granulationen tiBarwucherten die Geschwulst und es be- stand eine starke serSs-eitrlge Absonderung. Dutch Aetherspray liess sich die Reizbarkeit nieht heben; die aisige K~lte war an- t'angs wohlthuend, bei der Operation fUhlte ich den Sehmerz abar nicht weniger und noah Stundan lang naahher brannte das Ohr, als w~ra es mit koehendem Wasser begossen worden. Mit einer eigens angefertigten kleinen Beisszange gelang es Herrn Dr. K n o r r a am 27. Juli noah ein StUekahen abzukneifen; jede

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Beriihrung der kranken Theile war jetzt ungemein schmerzhaft, und man musste mit der Sonde fast bis zur Tiefe des Trommel- felles eindringen, um dan Knochen zu erreichen; die Functions- fi~higkeit des 0rganes blieb natttrlic~ unentsehieden, well an- haltende Secretion und Gesehwulst der Weichtheile den etwa angelegten engen Kanal verlegte.

Bei der grossen Schwierigkeit, alle einem weiteren opera- tiven Vordringen entgegenstehenden Hindernisse zu tiberwinden, maehte ieh, unter Herrn Dr. K n o r r e ' s Zustimmung, einen Ver- such mit Aetzmitteln. Ac. hydroehlor, dil., spliter cone, wurde durch ein capillar zugespitztes Glasrohr in unmittelbare Bertthrung mit dem freiliegenden Knoehen gebracht; die taglich wiederholte Anwendung verursachte bald heftige Sehmerzen, ohne dass sieh eine Verltnderung des Knochens nachweisen liess. Ieh vertauschte nun nach 3 Woehen die Salzsiture mit englischer Schwefetsiiure; ibrtgesetzte Uebung machte es mir leicht, die betreffende Stelle mit einem sturapf zugespitzten Glasstabe iu erreichen; dig da- dutch hervorgerufenen, einige Minnten bis zu einer Stunde dauern- den Schmerzen grenzten zuweilen an das Unertriigliche, offenbar durch Reizung der Wi~nde des Geh~irganges. Reichliehe Eiterung nnd Abstossung grosser Epidermisfetzen bestand fortw~hrend; die Sonde traf deutlich den freitiegenden Knoehen, die Functions- P~higkeit des Organs blieb nattirlich unentsehieden. Nachdem ich die Aetzmittel his zum 13. Septbr., im Galizen 8 Woehen, 2--3 Mal tiiglich gebraueht hatte, konnte kein gtinstiges Resultat festgesteltt werden; kS war kein Sequester abgegangen. Ich besehloss nun, einen anderen Weg einzusehlagen und machte am 15. Septbr. 1873 einen Versuch mit dem glUhenden Eisen in Form einer dicken Strieknadel, welche durch den Ohrspiegel schnell auf den Knochen gebracht wurde; selbst bei mehrma|iger Wiederholung schmerzte dies Verfahren sehr wenig, wurde aber schon naeh einigen Tagen wieder auigegeben, um den gereizten Weichtheilen Ruhe zu giinnen und naeh Beseitigung der Eft- ziindung eine genaue Untersuehung der Sachlage zu erm~iglichen. Schmerz, Eiterung und Sausen nahmen nun schnell ab; nach 14 Tagen hiirte ich meine Uhr wieder auf 4 Cent.; Dr. K n o r r e land den Knochen blossliegend und rieth zu fernerem Abwarten; am 4. Octbr. konnte ich zu meiner grossen Freude mit der Sonde zwisehen GehSrgang und Geschwulst eindringend, das Trommel- fell erreichen. Trotz dem im Ganz.en gtinstigen Stande der Saehe wtinsehte ich sehnlich eine fernere Erweiternng des angelegten

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Kanales; dersetbe war niimlich so eng, dass ausser mir Niemand ihn mit dem Aug'e oder mit der Sonde finden konnte, das Sausen war nieht gesehwunden, sondern ohne mir bekannte Ursaehe bald sehwaeh, batd aber aueh reeht stark, das GehSr endlieh besserte sigh nieht welter und genUgte also night ftir feinere Wahrneh- mungen, ja naeh einer Sondennntersuehung verminderte sieh die IItirweite meist, freilieh nut vortibergehend, wieder auf 2 Cent. Die Anwendung yon Laminaria digitata verspraeh wenig, dagegen war die yon B o n n a fon t erfolgreiGh angewendete Feile noeh nieht probirt women, und da ein fur feine Instrumente gentigender Kanal den freiliegenden Knoehen en'eiehbar machte, besehloss ieh mit Erlaubniss des Herrn Dr. K n o r r e e i n e n Versueh in dieser Riehtung.

Nattirlieh musste ieh setbst der Operateur sein, weil kein Anderer im Stande gewesen ware, das nahe liegende Trommel- t~ll zu sehonen; zu diesem ZweGke eignen sieh die feinen, in den versehiedensten Formen kaufliehen sogenannten SGhlieht- feilen der Uhrmaeher; ieh bediente reich besonders der flaehen, vorn abgestumpften, welehe den Hieb rim" auf e i n e r Fli~che tragen, so dass die andere glatte die damit in Beriihrung kommenden Weiehtheile night verletzen kann.

Am 29. Oetbr., bei der ersten Anwendung der Feile, gelang es mir noeh night, den freiliegenden Knoeben zu erreiehen; erst am 31. Oetbr. traf iGh darauf und land ihn ganz unempfindlieh gegen das Instrument; da ieh aber wegen der Nahe des Trommel- Mles nut in kurzen ZUgen arbeiten konnte, war der Fortsehritt sehr langsam. Die umliegenden Weiehtheile sonderten gleieh darauf wieder starker ab, so dass ieh meist taub war; sehon am 1. Novbr. win'den sie sehr empfindlieh, ieh konnte nur mit grosser Mtihe den Knoehen finden und musste am 2. Novbr. vorlaufig alle Versuehe abbreehen, weil aueh die leiseste Berahrung mit der FeUe heftig sehmerzte und der yon Granulationen aber- wueherte Knoehen sieh nicbt erreiehen liess. Naehdem bis zum 28. Novbr., resp. beinahe 4 Woehen, kein neuer Angriff unter- nommen war, hatte sieh das Geh~r wieder eingestellt, ieh spttrte kein Sausen und die Absonderung war verschwunden. Bei einer genauen, am 2. Deebr. angestellten Untersuehung, sail Dr. Kn o r r e einen fi'eien Raum zwisehen der Gesehwulst nnd der Wand des Gehtirganges nnd rieth mir yon allen ferneren Eingriffen ab. Trotzdem drangte reich der Wunseh, noeh mehr zu erreiehen, zu wiederholten, mit Unterbrechungen tbrtgesetzten Versuehen;

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einem jeden fblgte aber eine 8--14 Tage dauernde heftige Re- action, weshalb ich Ende Januar definitiv davon abstand. Als Herr Dr. K n o r r 6 am 16. April 1874 die Gate hatte, mieh noeh einmal zu untersuchen, fand er den freien Raum im GehSrgang merklieh erweitert. Seitdem ist mein Zustand unver~ndert ge- blieben; gegenw~rtig, April 1875, h~re ich normal, babe weder Ohrensausen noeh sonstige Klagen, der freie Raum ist unver- ~ndert geblieben, l~sst eine ziemlieh dieke Sonde leieht bis arts Trommelfell dringen undes hat sieh, so weit racine Untersuehung reieht, an keiner Stelle ein Theil tier entfernten Gesehwulst re- generirt; die Sehmalzabsonderung ist unver~ndert. Auf der linken nieht operirten Seite ist das Geh~r seit jener Zeit ebeni~lls un- unterbrochen normal geblieben.

Das erlangte Resultat babe ich offenbar nut den Operationen des Iterrn Dr. Kn o r r e zu danken; sollten, was ieh bezweifle, racine eigenen Versuehe etwas dazu beigetragen haben, so sind sic doeh erst dutch jene mSglieh geworden, und sein glttekliehes Beschreiten einer bisher unbetretenen Bahn wird, wie ieh hoffe, night allein reich zu lebensl~nglieher Dankbarkeit verpfliehten, sondern auch manehen Leidensgefahrten vor dem Verluste seines GehSrorganes bewahren. Es w~re demnaeh, wie bei manehen Enehondromen, genagend, einen Theil dieser Exostosen zu ent- fernen, wenn dieselben immer so wenig l~eigung zur Regeneration haben, wie in dem vorliegenden Falle; ob es rathsam~ vor dem Eintritte ernster St~rungen einzugreifen, oder diese abzuwarten, lasse ieh dahingestellt, warde aber far mieh das Erstere vor- ziehen. Freilieh erreiehen diese Gesehwalste selten den Dureh- messer des GehSrganges, dagegen dtirfte ihre Entfbrnung im Beginn mit kleinen starken Beisszangen nieht zu sehwierig sein; die galvanokaustische Schlinge empfiehlt sieh weniger, weil sic yon den glatten FIaehen leieht abgleitet und naeh S e h w a r t z e ' s Erfahrungen die Wand des GehSrganges gefahrdet; auch die lqahe des TrommelfeIles darfte dabei ~u berticksiehtigen sein, and endlieh ist es unbekannt, ob nieht die H~rte dieser Gesehwalste der Sehlinge einen unaberwindliehen Widerstand enfgegengesetzt.

Bei allen Operationen dieser Art ist gutes LiGht yon be- sonderer WiGhtigkeit; fehlt die Sonne, so ist ein Hydrooxygen- gasapparat, wie ihn das hiesige Allgemeine Krankenhaus besitzt, sehr zu empfehlen; er wird abet wohl wenigen Aerzten zur Ver- ftigung stehen. In Betreff a11er Eingriffe ist noGh zu bemerken~ dass die anfangs gegen Sonde, Bohrer u. s. w. ~tusserst geringe

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Empfindlichkeit der Geschwulst sich mit jedem neuen Versuche erheblich steigert; aus diesem Grunde ware es wiinsehenswerth, die Zahl der Sitzungen wom(iglich durch ihre In t e n s it ~ t zu ersetzen; withrend ich anfangs minutenlanges Bohren ertragen konnte, schreekte reich nachher schon die Beriihrung des In- strnmentes zurtick. Schon v. T r 51 t s c h betont, dass alle Exostosen des GehSrganges bei Beriihrnng mit der Sonde sehmerzhaft rea- giren; sie unterscheiden sich yon denen anderer K~irperstellen noch (lurch den Umstand, dass sie im Gegensatze zu jenen nieht allein an ihrer yon Weichtheflen bedeckten Oberflache~ sondern aueh im Innena gegen eindringende Instrumente sehr empfindlich sind, weshalb diese nieht nach Belieben welter geftihrt werden ki~nnen, wenn sie einmal die Schate passirt haben.. Ob sieh deshalb unter Umst~inden die lqarkose empiiehlt, wage ieh nicht zu entsehdden; sie wlirde die Beleuchtung des Operationsfeldes sehr ersehweren und, was wiehtiger i dem Operateur nlit der Em- pfindung des Kranken das sicherste Zeiehen der lqlihe des TromJ melfelles nehmen; mag auch eine kleine Perforation desselben wenig sehaden, so wtirden doeh ldcht ernstere Verwundungen entstehen, wenn ein dicker, mit grosser Kraft eingeftihrter Bohrer pl~itzlich die hintere Wand der Gesehwulst durchbricht.

Zum Schlusse erlaube ich mir noch ein Wort tiber die Aetiologie der Exostosen des Gehiirganges; vielleicht geben ~rt- liche Verletzungen beim Reinigen des Ohres zuweilen die Ver- anlassung, obgteieh ieh diese Ansieht kaum ftir haltbar eraehte, denn zahllose Menschen voUziehen diesen Act gerade nicht in der zartesten Weise, ohne dass Geschwtilste entstehen. BerUek- siehtigt man auch das langsame Wachsthum der Exostosen, so ist ferner doch nicht einzusehen, warum sie bei dieser gewiss immer yon Jugend auf geUbten Art des Insultes stets erst im mitt- leren Lebensalter zur Beobaehtung kommen. Weder fiir Arthritis noch Syphilis liegt ein Beweis vor; ich bin hie syphilitisch oder arthritisch gewesen, habe in meinem Leben viele Aufregungen und Entbehrungen erfahren, aber hie Gelegenheit oder Neigung zu Sehwelgerei und Liederliehkeit gehabt. MSge man also meine Leidensgefi~hrten mit dem Makel der Syphilis versehonen und einstweflen lieber often bekennen, dass wir yon den veranlass'en- den Ursachen der Exostosen des Gehltrganges noeh niehts wisseh.