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MAGISTERARBEIT Titel der Magisterarbeit Zur Frage eines „awarischen“ Stratums des ungarischen Wortschatzes Verfasser Dipl.-Ing. André Szabolcs Szelp, Bakk. phil. angestrebter akademischer Grad Magister der Philosophie (Mag. phil.) Wien, 2010 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 066 854 Studienrichtung lt. Studienblatt: Magisterstudium Finnisch-ugrische Sprachwissenschaft Betreuer: Ao. Univ.-Prof. Dr. Timothy Riese

Zur Frage Eines Awarischen Stratums Des Ungarischen Wortschatzes

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  • MAGISTERARBEIT

    Titel der Magisterarbeit

    Zur Frage eines awarischen Stratums des ungarischen Wortschatzes

    Verfasser

    Dipl.-Ing. Andr Szabolcs Szelp, Bakk. phil.

    angestrebter akademischer Grad

    Magister der Philosophie (Mag. phil.)

    Wien, 2010

    Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 066 854Studienrichtung lt. Studienblatt: Magisterstudium Finnisch-ugrische SprachwissenschaftBetreuer: Ao. Univ.-Prof. Dr. Timothy Riese

  • Der Erforschung desUnbekannten

    gewidmet2010

    II9.

    Zur freundlichen Beachtung durch

    Univ. Prof. Dr. Walter Pohl, Universitt Wien,Ao. Univ. Prof. Dr. Georg Holzer, Universitt Wien,emer. Prof. Andrs Rna-Tas, Universitt Szeged

    und durchmeine Freunde und Bekannte am

    Lehrstuhl fr Ungarische Sprachgeschichte, Soziolinguistik und Dialektologie,Universitt ELTE Budapest

    Stichwrter:

    Awaren, Awarisch, Ungarisch, Slawisch, Urslawisch, Trkisch, AltaischKarpatenbecken, Osteuropa, Lehnwrter, Etymologie

    Kategorien:

    15 Geschichte15.71 Osteuropa

    17 Sprach- und Literaturwissenschaft17.14 Vergleichende Sprachwissenschaft17.15 Historische Linguistik17.16 Etymologie

    18 Einzelne Sprachen und Literaturen18.50 Slawische Sprachen und Literaturen: Allgemeine18.83 Ungarische Sprache und Literatur18.86 Altaische Sprachen und Literaturen18.87 Trkische Sprachen und Literaturen18.99 Sonstige Sprachen und Literaturen

    D ank gebhrt allen,die mich bei der Entstehung der Arbeittatkrftig und moralisch untersttzt haben,

    I nsbesondere meiner Mutter,die mir in der Not als Lektorin einsprang.

  • 3Zur Frage eines awarischen Stratums des ungarischen Wortschatzes

    Andr Szabolcs Szelp

    Einleitung

    Die Fragestellung dieser Arbeit bedarf einiger einleitender Bemerkungen sowohl hinsichtlich ihrer Motivation, als auch in terminologischer Hinsicht. Ich mchte mit dem Terminologischen beginnen, um Unklarheiten auch in den einleitenden Bemerkungen zu vermeiden.

    Terminologisches

    Awaren, awarischIm Titel dieser Arbeit habe ich awarisch in Anfhrungszeichen gesetzt, damit der Leser auf die mglichen Stolpersteine aufmerksam gemacht werde, da terminologische Inkongruenzen hier zu Missverstndnissen fhren knnen. Um auf nur einige Schwierigkeiten aufmerksam zu machen, lasse ich POHL (2002 p. 15) sprechen:

    Da sie sich unter Awaren, Slawen oder Romanen nicht das gleiche vorstellen, erschwert schon die Kommunikation unter den Historikern. Umso mehr gilt das fr die interdisziplinre Verstndigung: Wer fr den Linguisten ein Slawe war, weil er slawisch sprach oder einen slawischen Namen trug, kann sich durchaus als Aware verstanden haben und auch in awarischer Tracht bestattet worden sein. In einem fr den Archologen awarischen Grab hingegen knnen auch Slawen oder Germanen, ja sogar Angehrige der rmischen [= byzantinischer] Armee bestattet liegen; besonders dann, wenn die ethnische Zuordnung aufgrund weniger Kriterien erfolgt. Es gibt eben Awaren, die awarischer sind als andere. Wie der typische Aware aussieht und welche groben auch sozial bestimmten Stufen des Awaren-Seins (oder oft: Aware-Werdens) unsere Quellen erkennen lassen, soll an anderer Stelle untersucht werden. Eine Geschichte der Awaren mu zugleich eine Geschichte der Nicht-Awaren, des Raumes sein, in dem eine Gemeinschaft der Awaren politisch wirksam wurde; sie beschreibt damit ein zugleich regionales und weltpolitisches Phnomen.

  • 4 Einleitung

    Ich borgte das Wort in seinem breiten Sinn, wie sie in der Geschichtsschreibung verwendet wird. Awaren hie eine politische Macht in Europa, die in den Quellen der Geschichtsschreibung zwischen 558 (POHL 2002, p. 18; Gesandte in Konstantinopel) und 822 (op. cit., pp. 3234; SZDECZKY-KARDOSS 1986, p. 119; Gesandte beim Reichstag Knig Ludwig des Frommen zu Frankfurt) fassbar ist. Awarisch heien ebenfalls zweidrei (je nach Auffassung) verwandte, aber unterscheidbare archologische Kulturen, die in diesem Zeitraum im Karpatenbecken, dem Zentrum dieser Macht erscheinen. Hier sind die Grenzen schon wesentlich weniger scharf, denn archologische Kulturen pflegen meistens sowohl im Zeit- wie auch im geographischen Horizont ineinander zu verlaufen. So kann es zu nicht selten politisch motiviert Streitereien zwischen Archologen kommen, ob ein Fund nun noch awarisch, nur awarisch geprgt sei, oder schon einem anderen Volk zugeordnet werden knne (POHL 2002). Manchmal wird auch in der Geschichtsschreibung unter Aware blo die Kerngruppe, die Trger der Macht, die Trger der gentilen Verfassung der oben genannten politischen Macht verstanden, denn das Reich der Awaren war mehrschichtig und multiethnisch. Ja, manchmal wird nur das Volk, das Ethnos der Grnderdynastie Baians darunter verstanden, was insbesondere gegen Ende des Bestehens des Awarenreiches nicht unbedingt mit dem soeben genannten Awaren-Begriff decken muss.1 Awarisch heit von linguistischer Warte, im engen, und vielleicht intuitiv am naheliegendsten, die Muttersprache der Mitglieder der herrschaftsgrndenden Baian-Dynastie. Ich mchte den Begriff aber auch im linguistischen Sinne anders, d. h. im weiteren Sinn gebrauchen.

    Ich mchte awarisch fortan auch ohne Anfhrungszeichen fr jede Sprache, die von den Trgern der awarischen Kultur2 im Awarenreich gesprochen wurde, und durch andere Bezeichnungen nicht fassbar wird, weil sie unbekannt oder nicht identifizierbar

    1 Der Awarenname hat also eine Reihe von Inhalten, die nicht zu Deckung zu bringen sind. Kulturell kann er die Trger awarischer Tracht und Tradition bezeichnen; politisch sind darunter die Angehrigen des Awarenreiches, sozial die seiner Oberschicht von Reiterkriegern zu verstehen; dazu knnten noch die von diesen direkt Abhngigen, im Familien- oder Siedlungsverband Lebenden gezhlt werden. Ethnischer und sozialer Sinn, Eigen- und Fremdbezeichnung sind fr uns oft kaum zu unterscheiden. Im vollen Sinn war Aware, wer an gemeinsame Abstammung glaubte, sich zu Traditionen und Verfassung bekannte und in Tracht und Sitte diese Zugehrigkeit ausdrckte; (POHL 2002, p. 216)

    2 Es gab auch Elemente, die innerhalb ihres Herrschaftsbereichs eine andere materielle Kultur, und gewiss auch eine andere Selbstidentifikation, darstellten, wie etwa die sog. Keszthely-Kultur (POHL 2002, p. 92) oder die a r c h o l o g i s c h e n Slawen.

  • Terminologisches 5

    ist, verwenden. Somit kann awarisch als Attribut ber die Zeitachse, aber selbst zur selben Zeit mehrere unterschiedliche, verwandte oder unverwandte Sprachen bezeichnen. Unter awarisch wird keinesfalls Griechisch, Lateinisch und slawische Dialekte nur unter Umstnden in einem speziellen Kontext, nmlich unter der sprachlichen Slawisierung der Reiterkriegerschicht des Awarenkhaganates , sofern nicht genauer bestimmt, verstanden.3

    Zirkumpannonisch / Pannonien, pannonischZirkumpannonisch habe ich als Kunstwort gewhlt, um die geographische Region des Karpatenbeckens mit ihren angrenzenden Bereichen zu bezeichnen. Sie schliet neben dem eigentlichen Karpatenbecken (welches ich im Sden durch die Drau begrenzt betrachte und welches aufgrund der Siedlungsgeschichte der Awaren auch den Wiener Becken einbezieht) den Ostalpenraum, Bhmen und Mhren, Sdpolen, im Osten die Gebiete bis zum Dnjestr (oder evtl. im weiteren Sinne bis zum Dnjepr), im Sden die Walachei bis zur unteren Donau inklusive der alten Scythia Minor (Dobrudscha) (im weiteren Sinne auch die angrenzenden Gebiete des Balkans bis zum Hmus (Balkangebirge)), und im Westbalkan bis zur Save (oder etwas ausgeweitet noch ein ca. 100 km weiten Streifen).

    Die terminologische Schpfung lsst sich freilich nur mit dem m i t t e l a l t e r l i c h e n Begriff Pannonien einwandfrei ohne eine explizite Definition, wie die obige interpretieren, der ja damals auch des fteren als Synonym fr Hungaria stand, die sich damals in geographischer Hinsicht wiederum recht stark mit dem Karpatenbecken deckte. Dass der behandelte Zeitraum, insbesondere durch die byzantinische Einfluss-Sphre, der Sptantike nher, als dem hohen Mittelalter liegt, und auch, dass die Auktoren in Konstantinopel unter Pannonien noch die tatschlichen rmischen Provinzen verstanden haben werden, ist mir bewusst. Diese, von einem Puristen womglich als anachronistischer Sprachgebrauch empfundene Praxis, mge mir mit dem Hinweis, dass ich primr n i c h t Pannonien (im Sinne des Karpatenbeckens), sondern das wenig besetzte zirkumpannonisch verwende, verziehen werden. Um dem Leser unntige

    3 Selbst wenn auch mehrere dieser drei aufgezhlten Sprachen im Awarenreich gesprochen werden konnte zur fortgeschrittenen Zeit womglich auch von den Trgern der awarischen Kultur selbst, wie es vom Slawischen oft angenommen wird (sprachliche Slawisierung der Awaren). Diese Sprachen fallen jedoch nicht in die obige Definition, nachdem sie mit ihren expliziten Namen benennbar sind.

  • 6 Einleitung

    terminologische Verwirrung zu ersparen, wird nicht die Mhe gescheut werden, fr das eigentliche Karpatenbecken auch im Spiegel des Gesagten nicht einfach das halb so lange Pannonien zu schreiben, und umgekehrt, bei der rmischen Provinz die engere Bedeutung des Wortes, etwa durch eben dieses Attribut, wo mglich, zu betonen.

    AltaischAltaisch im sprachwissenschaftlichen Sinne wird hier ausschlielich als Sammelbegriff der altaischen Sprachen (hier primr: trkische und mongolische Sprachen; weiters Mandschu-Tungusisch und evtl. Koreanisch-Japanisch) unvoreingenommen verwendet, ohne die umstrittene genetische Verwandtschaft dieser Sprachen vorwegnehmen zu wollen.

    Bulgaro-Trkisch, lir-Trkisch, Trkisch tschuwaschischen TypsDiese Ausdrcke werden synonym verwendet, und bezeichnen jenen Zweig der Turksprachen, welches die eigentmliche Entsprechung r pro z und zum Teil l pro haben. Die einzige zeitgenssische Sprache diesen Typs ist das Tschuwaschische. Im (spt)-mittelalterlichen Wolgabulgarien ist eine Sprache diesen Typs ebenfalls in Grabinschriften (neben gemeintrkischen) belegt (RNA-TASFODOR 1973: LIGETI 1986, p. 450). Nicht zuletzt sind viele frhe trkische Lehnwrter des Ungarischen diesen Typs. Verschiedene Autoren haben den einen oder anderen Terminus bevorzugt. Manche bestreiten die Zugehrigkeit der Bulgaren und trennen sie von den Onoguren (mit welchen sie meist identifiziert werden); andere zhlen auch die Chasaren hinzu (LIGETI 1986, p. 475). Bulgaro-trkisch oder bulgarisch-trkisch wurde unter anderem von GYULA NMETH und ZOLTN GOMBOCZ (z. B. 1912) verwendet. Ohne in der turkologischen Frage Stellung nehmen zu wollen, verwende ich die Begriffe austauschbar.

    BaianidischDieser Begriff bezeichnet unvoreingenommen jene Sprache, welche die Kerngruppe der ersten Awaren in Europa unter der Fhrung Baians sprach. Sie ist somit ein Unterbegriff des Awarischen, Baianidisch ist awarisch, es mssen jedoch nicht alle awarischen Sprachen baianidisch, ja nicht einmal enger mit diesem verwandt sein.

    Rmer, RmischRmisch wird nach ihrem eigenen Selbstverstndnis synonym mit byzantinisch

  • Terminologisches 7

    verwendet; Rmer mit Byzantiner, etc. sinngem. Gegeben den historischen Rahmen, wonach unsere Geschehnisse, auer eines kleinen Exkurses, nach dem Untergang Westroms stattfinden, ist die Terminologie eindeutig. Wir verwenden rmisch und byzantinische abwechselnd, miteinander austauschbar.

    Zur Fragestellung

    GeschichtlichesWie wir es bereits oben kurz erwhnt haben, hrt man von den Awaren a l s p o l i t i s c h e Entitt 822 zum letzten Mal, als sie noch eine Gesandtschaft zu Knig Ludwig dem Frommen zum Reichstag nach Frankfurt schickten. Nachher spielten sie in den internationalen Beziehungen der Zeit keine Rolle mehr, mssen aber wohl noch einige Generationen ihre Identitt selbst in Unbedeutendheit bewahrt haben4. Die Ungarn von denen man vorher noch nie gehrt hat werden hingegen 862 das erste Mal in westlichen Annalen (Hinkmar von Rheims) erwhnt, (an der unteren Donau weilten sie schon in den 830ern), und 881 kmpften sie als Verbndete Swatopluks bei Wien gegen die (Ost)-Franken (RNA-TAS 1997). Freilich lieen sich die Ungarn erst 1020 Jahre spter im Karpatenbecken endgltig nieder. Die verbleibende Prsenz der Awaren zur Zeit der Ankunft der Ungarn im Karpatenbecken wird unter anderem auch durch archologisches Material, wie dies LSZL (1978, etc.) fters vorbrachte, bewiesen. Auch die schriftlichen Quellen erwhnen die Awaren noch gegen 873 sogar im westlichen Pannonien (Conversio, SZDECZKY-KARDOSS 1986, p. 121), also kaum 15 Jahre bevor die Ungarn im Osten des Karpatenbeckens festen Fu fassten (889, Regino, op. cit., p. 122). Dies ist sogar spter, als das erste Auftauchen der Ungarn in der engeren Region. (Vgl. auch OLAJOS 2001a, 2001b). Dennoch hlt sich die auf frherer geschichtlicher Literatur fuende Auffassung, wonach 4 Die Gepiden verloren ihr Knigreich 568 an die Awaren. Noch 599 treffen kaiserliche Truppen auf

    30.000 Gepiden im pannonischen Zwischenstromland (POHL 2002, p. 1567), bei der Belagerung von Konstantinopel sind Gepiden nach Zeugnis Theophanes dabei (op. cit. p. 229), eine ihrer germanischen Siedlungen ist bis zum Ende der awarischen Periode durchgehend bewohnt (ibid.) und sogar noch im IX. Jahrhundert (!!) treffen Salzburger Missionare auf Gepiden im Karpatenbecken (pp. 226, 229). Die Goten werden am Balkan, unter byzantinischer Herrschaft noch im IX. Jahrhundert erwhnt. Sie sind nicht nur ethnische Goten, sondern auch sprachliche: ihre Liturgie wird auf Gotisch halten (POPOVI 1960 pp. 93f.). Diese beiden Beispiele zeigen, dass Ethnien und Sprachen in der behandelten Zeit und im behandelten Raum auch lange nach der politischen Bedeutungslosigkeit erhalten bleiben konnten und erhalten geblieben sind.

  • 8 Einleitung

    die Geschichte der Awaren mit 822 ( = deren politisches Aus) ende, in manchen Bchern noch hartnckig.

    Das heit, selbst mit dem Zeitpunkt des politischen Verschwindens der Awaren gerechnet stellt dies auch fr die damalige Lebenserwartung eine fr ein einzelnes Individuum ohne weiteres berbrckbare Zeitspanne dar, und selbst in Generationen gerechnet entsprche diese (wiederum, in der vermuteten damaligen Grenordnung) hchstens zwei Generationen. Doch archologische und neu erschlossene historische Quellen zeigen uns, dass zur Zeit der Ankunft der Ungarn eine zumindest kulturell sich von den Slawen unterscheidende Gruppe noch im Karpatenbecken hauste. Es erscheint schon nach dieser kurzen Explikation evident, dass die grundlegenden notwendigen chronologischen und geographischen Rahmenbedingungen des Sprachkontaktes gegeben waren, sodass ihnen theoretisch nichts im Wege stand.

    Ziel der ArbeitDies legt zumindest die Mglichkeit nahe, dass awarische Wrter in das Ungarische

    bergegangen sind, sei es durch direkten Kontakt mit den Sptawaren, oder ber Vermittlung des pannonischen Slawischen (auf das das Awarische whrend eines Vierteljahrtausends ohne Zweifel einen Einfluss gehabt haben muss). Abgesehen von der prinzipiellen Mglichkeit wird die Wahrscheinlichkeit und die Tatschlichkeit natrlich durch andere, insbesondere kulturelle und sozio-historische Faktoren, bestimmt, die wir hier in dieser Arbeit untersuchen wollen. Eine zustzliche Frage ist (die jedoch durch den Umfang nur angedacht werden kann), ob selbst wenn Wrter bernommen worden sind diese durch systematische Untersuchungen fr den heutigen Forscher als awarische identifizierbar sind, und falls ja: wie? (vgl. u.a. HOLZER 1996).

    BisherigesDie Frage des awarischungarischen Sprachkontaktes wurde hingegen in der Fachlite

    ratur meistens bergangen. Die Mglichkeit wird blicherweise nicht einmal erwhnt, wenn sie erwhnt wird, wird sie nicht weiter behandelt (vgl. Kapitel Awarischungarischer Sprachkontakt weiter unten). Dies ist teilweise verstndlich, wenn man davon ausgeht, dass man beim heutigen Forschungsstand mangels Kenntnisse ber die awarische(n) Sprache(n) eigentlich keine Grundlage zum unmittelbaren Vergleich hat und somit Lehnwrter sich direkt nicht identifizieren lassen; das heit, dass nach der

  • Zur Fragestellung 9

    blichen Auffassung de facto nichts Definitives, Materielles ber diesen Kontakt gesagt werden kann. Dagegen ist es weniger verstndlich, dass trotz der chronologischen und geographischen Gegebenheiten selbst die Mglichkeit nicht einmal angedacht bzw. erwhnt wird. Das Problematische ist, dass durch dieses Schweigen die Frage nach der Mglichkeit implizit mit einem nein beantwortet wird, was von Autoritten gestellt u. U. gar dem Ansetzen von zuknftigen Forschungsvorhaben eine Hrde stellt.

    LIGETI (1967, pp. 427f. = 1977 pp. 341f.) fragte sich: [S]zmolhatunk-e avarszlv nyelvi rintkezssel? Ha igen, maradtak-e ennek nyomai a szlv nyelvekben? Wir knnen hinzufgen: Szmolhatunk-e avarmagyar nyelvi rintkezssel? Ha igen, maradtak-e ennek nyomai a magyar nyelvben?. Dieser Frage wurde nicht nachgegangen, und dieser Frage wollen wir nun auf den Grund gehen.

    Zur Forschungsgeschichte

    Die Sprache(n) der Awaren5

    Es wurden bisher sehr unterschiedliche Hypothesen ber die sprachliche Zugehrigkeit der Awaren aufgestellt, doch fuen alle auf recht labilem Boden, denn den bisher durchgefhrten Untersuchungen liegen nur sprliche Daten zugrunde: alle Versuche beruhen darauf, in byzantinischen und westlichen Texten berlieferte Namen und Titel zu analysieren. Nur vereinzelt wird ein anderer Ansatz versucht (z. B. MENGES, der als Beweis die Existenz altaisch (mongolisch) erklrbarer Wrter und Toponyme im Altslawischen heranzieht).

    Die Ergebnisse weisen meistens in Richtung Mongolisch oder Trkisch, wobei das Erstere neben den uerst sprlichen Daten und der unsicheren berlieferung der Lautung in griechischem und lateinischem Munde zustzlich noch das Problem einer dreiviertel Jahrtausend zu berbrckenden Lcke zu bewltigen hat, welches sich zwischen einem hypothetischen awarischen Mongolisch und dem ersten wirklich fassbaren Mongolisch ab dem XIII. Jahrhundert auftut.

    Das grte Problem ist dennoch, dass die zur Untersuchung herangezogenen weil einzig verfgbaren Quellen schon per se wenig bis gar nichts ber die Umgangssprache der ihnen zugeordneten Gruppe aussagen knnen: Namen wie Titel spiegeln Tradition, 5 Zu diesem Abschnitt vgl., wo nicht anders angegeben, die gute Zusammenfassung von POHL (2002,

    p. 223ff.).

  • 10 Zur Forschungsgeschichte

    nicht jedoch zwingend den Sprachgebrauch wieder (was sich auch leicht an der zeitgenssischen europischen Namensgebung demonstrieren lsst). So verwundert es nicht, dass manche berlieferte Namen am besten hunnisch (aufgrund hnlicher und gleicher Namensauslaute/Suffixe) zu deuten sind (ohne, dass die Sprache der Hunnen selbst gesichert wre), manche wohl trkisch, und zwar verschiedener Prgung: einige tschuwaschisch-trkisch (oder mongolisch?), andere gemeintrkisch; andere wiederum sind schon seit Jahrhunderten in der Steppe belegt (POHL: altskythisch).

    Eine andere Quelle knnten wohl die Inschriften auf Objekten dienen, die im Karpatenbecken gefunden wurden und der Awarenzeit zuzuordnen sind. Sie lassen sich in mindestens zwei Schriftkreise, die sicher nicht d i r e k t miteinander verwandt sind, einteilen: der Schriftkreis von NagyszentmiklsSzarvas (GBLRNA-TAS 1995) und die Inschriften auf awarischen Grtelbeschlgen (VSRY 1972). Whrend die Zweiteren eine starke parallele mit den osttrkischen Inschriften aufweisen, dafr aber fragments sind bzw. Inschriften von blo ein paar Zeichen Lnge darstellen, und sich damit der gesicherten Entzifferung entziehen, stellt der Erstere einen besseren, wenngleich mit 70 Zeichen (aber nur 18 unterschiedliche Wrter die sich zum Teil wiederholen) auf dem Goldschatz plus ca. 60 Zeichen vom Nadelbehlter von Szarvas, dennoch keinen befriedigenden Korpus zur Verfgung; Die Schrift vom Schriftenkomplex NagyszentmiklsSzarvas stellt aber den Forscher vor das Problem, dass wir es mit einer unbekannten Schrift (Parallelen aber keine bereinstimmungen sind hchstens die unentzifferten Mikrokorpus-Schriften der sdrussischen Steppe) zu tun haben, mit der eine unbekannte Sprache notiert wurde (vgl. GBLRNA-TAS 1995). Die Unsicherheit, ja Unmglichkeit, spiegelt sich in den zahlreichen (von serisen Wissenschaftern) versuchten Entzifferungen wieder, die jedoch alle miteinander komplett unvereinbar sind und einander widersprechen (vgl. NMETH 1932a oder 1932b und 1971, VKONY 20046, um nur zwei diametral entgegengesetzte 6 Dem Inhalt nach kann VKONYs Werk (2004) nicht genug gepriesen werden. Leider wird das Lesen und

    das Arbeiten mit dem Buch durch die Verfehlungen der Herausgeber (das Buch ist eine postume Drucklegung von unfertigen Manuskripten des Autors) unntig erschwert. Sie haben insbesondere schlechte Arbeit bei der Interpretation der handschriftlichen linguistischen Sonderzeichen VKONYs geleistet. Es kommt vor, dass das selbe Wort auf der selben Seite in zwei-drei verschiedenen Missinterpretationen der Handschrift vorkommt, nicht selten ohne die richtige Form zu treffen. Das konsonantische u wird mal richtig, mal als wiedergegeben. Der reduzierte Mittelvokal des Tschuwaschischen flschlich als (statt ), der slawische Nasal mal als o, mal als o mit einem c subscriptum anstatt . Ungarisches velares i auf der selben Seite, ja im selben Wort (p. 140) mal als i, mal als und vier Seiten spter richtig als

  • Die Sprache(n) der Awaren5 11

    Interpretationen zu nennen. Vgl. auch TRYJANSKI 2003 p. 6: Prominent scholars of several generations were engaged in the interpretation of the find. It would be troublesome to enumerate them all in this place, let us mention only the following: J. Hampel, V. Thomsen, F. Altheim, St. Mladenov, N. Mavordinov, Gy. Nmeth and from among successive generations: O. Pritsak, J. Harmatta, A. Rna-Tas, S. J. Bajorov, M. Erdal.). Letzten Endes mssen wir feststellen, dass uns die Inschriften bis zur Entdeckung von Bilingualia, oder zumindest vor einer wesentlichen Erweiterung des Korpus durch Neuentdeckungen in der Frage der sprachlichen Zugehrigkeit der Awaren nicht weiterhelfen.

    Drittens wollte man noch die Toponyme in die Untersuchung einziehen wollen, wobei das Fehlen orientalischer Ortsnamen in Niedersterreich jedoch das Vorhandensein von slawischen en masse so gedeutet wurde, dass die (zumindest die Spt-) Awaren slawischsprachig waren. Mit einem hnlichen Argument, nmlich dass sich das awarische Siedlungsgebiet mit den f e h l e n d e n slawischen Ortsnamen im Karpatenbecken deckt, wurde die Ungarischsprachigkeit der Sptawaren nahe gelegt7. Beide Schlussfolgerungen sind gleichermaen ungltig, da uns die Siedlungsgeschichte der Awaren- und Postawarenzeit unvollkommen bekannt ist, sodass nicht entschieden werden kann, ob die Slawisierung bzw. Magyarisierung des Ortsnamenmaterials nicht spter eingetreten ist. Auch ist die Methodologie, wonach das Fehlen orientalischer Ortsnamen die Abwesenheit von Awaren beweise, sogar darber hinaus zu kritisieren: nachdem die Sprache der Awaren bislang nicht ohne Zweifel festgestellt werden konnte, muss sie auch nicht orientalisch sein8.

    Das einzig Gesicherte, was wir ber die sprachlichen Verhltnisse des Awarenreichs

    solches. Slawisches , und mit kaum wiedererkennbaren Zeichen. Der Nasalvelar mal richtig, mal als n, und doch am hufigsten als griechisches (z. B. p. 166). Dann haben wir die Zeichen, die nicht falsch, blo solch unsthetisch, dass sie den Augen schon schmerzen, noch gar nicht erwhnen mssen. Um das Buch ohne weiteres verwenden zu knnen, muss der Leser in der Hungarologie, Turkologie, Slawistik und Finno-Ugristik bewandert sein. Schade, dass die Herausgeber kein entsprechendes Lektorat veranlasst haben.

    7 Nmlich von den Vertretern der Theorie der doppelten Landnahme, s.u.8 Es wurde auch schon die Zugehrigkeit zu einer unbekannten Sprachfamilie, oder die Verwandtschaft

    der kleinen (palo)-sibirischen Sprachen angedacht. Freilich beruhen diese Annahmen genauso auf de facto nicht vorhandenem Material, wie alle anderen Identifikationsversuche, die Mglichkeit darf aber nicht ausgeschlossen werden, was uns zur Vorsicht mahnt.

  • 12 Zur Forschungsgeschichte

    aussagen knnen und zwar sowohl aufgrund Parallelen in anderen steppisch organisierten Reichen (vgl. neben POHL 2002 auch SZTEPANOV 2008), wie auch aufgrund Belege unserer historischen Quellen , dass das Awarenreich multiethnisch und mehrsprachig war. Zum Ersteren erwhnen die Quellen im Rahmen des Awarenreiches neben den Awaren Warchoniten ( = eigentlichen Awaren?), Kutriguren, Bulgaren, Gepiden, Slawen, zum Zweiteren dienen ebenfalls nicht nur zahlreiche Parallelen (etwa die Priskossche Nachricht vom Hofe Attilas denn da sie bunt zusammengesetzt sind, sprechen sie zu ihrer barbarischen Sprache entweder die der Hunnen oder die der Goten oder die der Ausonier (Rmer), wegen ihres Umgangs mit den Rmern), sondern auch direkte Belege aus dem Awarenreich, wo ein Dissident nach dem Miracula (Sancti) Demetrii gut unsere Sprache [also Griechisch] ebenso wie die der Rmer [Vernakularlatein], der Slawen und der Bulgaren sprach (POHL 2002 p. 224; auch pp. 137, 188, 229).

    LiteraturZur Literatur der Sprache(n) der Awaren siehe auch den gesonderten Abschnitt der Bibliographie.

    Awarischungarischer SprachkontaktDie Frage des awarischungarischen Sprachkontaktes wurde wie bereits oben in der

    Einleitung erwhnt, wenig beachtet und behandelt. Der beste Ausdruck um den Tatbestand zu beschreiben ist, dass sie weitgehend bergangen wurde. Im Folgenden mchte ich die relevanten Werke berblicken. (Aus historischer Sicht wurde die Frage viel intensiver diskutiert).

    Ungarische Sprachgeschichte

    A magyar nyelv letrajza (BRCZI 1963/1975)Im Index von BRCZI (1975) kommen die Awaren nicht vor.9 Weiters kmen die Kapitel

    II. Az smagyar kor und III. A honfoglalstl a mohcsi vszig in Frage, da die potentiellen awarischen Kontakte genau zwischen zwei Abschnitte der traditionellen Periodisierung der ungarischen Sprachgeschichte fallen; das Erstere endet aber tatschlich noch vor der

    9 Der Index enthlt primr Beispielwrter des Textes, jedoch auch Personennamen und Sachgebiete, so sind vndorszavak, Url vidki shaza, tudatos szalkots, szkpzs all im Index enthalten, und was fr uns, die den Sprachkontakt untersuchen, noch wichtiger ist: szlv hats, nmet hats, latin hats auch.

  • Awarischungarischer Sprachkontakt 13

    Landnahme (es werden gerade noch die evtl. ostslawischen Kontakte der pontischen Steppenzone besprochen), das Zweitere erwhnt zwar kurz die Awaren, impliziert sogar einen Kontakt, doch einen Sprachkontakt bespricht BRCZI nicht. Die Kapitel ber Lehnwrter der Periode erschpfen sich mit slawischen, lateinischen deutschen, italienischen, franzsischen, byzantinischen, und kumanisch-petscheneggischen, sowie Wanderwrter. Dies ist umso berraschender, da das Unterkapitel A magyarsg rintkezse idegen npekkel mit den Awaren an prominenter Stelle beginnt.

    E hatalmas talakuls sorn a magyarsg szmos idegen nppel s nyelvvel kerlt tbb-kevsb szoros rintkezsbe. Minthogy az egykori avar birodalom is klnfle trzsek, etnikai elemek szvevnybl llott, lehetsges, hogy voltak kzttk a magyarsgbl mr rgebben kiszakadt, elvndorolt nemzetsgek, melyek aztn a hdt magyarsggal zkken nlkl egyesltek. Mindenesetre meglep, hogy krniksaink sohasem emltik az itt tallt npek kztt az avarokat, noha biztosan voltak taln kztk magyarok is. (E hallgatst klnflekppen prbljk magyarzni.) Ezek az avar magyarok nyelvileg nem nagyon klnbzhettek a honfoglalktl, legfljebb nhny, nluk mr meghonosodott idegen szt (pldul szlvot) kzvettettek a hdtkhoz.10 (BRCZI 1975, p. 76)

    A magyar nyelv trtnete (BRCZIBENKBERRR 1967)Die umfangreichere Gemeinschaftsarbeit BRCZIBENKBERRRs (1967) erwhnt die Awa

    ren schon gar nicht. Auffallend ist, dass selbst in jenem Teil, das eine berarbeitung von BRCZI (1963/1975) ist, und in dem sich Vieles wortwrtlich wiederfindet, gerade die oben zitierte Passage ber die Awaren fehlt. (vgl. BRCZI 1963/1975 p. 76 : BRCZIBENKBERRR 1967 p. 504). Nicht einmal der mgliche Kontakt wird erwhnt. Ob Brczi seine Ansichten revidiert hat, oder ob die Stellen dem Konsens der Gemeinschaftsarbeit geopfert werden mussten, vermag man nicht herauszufinden.

    A magyar nyelv trtneti nyelvtana (MNyTNy)Das MNyTNy nimmt ihren Titel wortwrtlich und behandelt nur die (historische)

    10 Es fllt auf, dass das Buch das erste Mal 1963, also vor GYULA LSZLs Ketts honfoglals erschienen ist; fr uns von besonderem Interesse ist, dass obwohl er den physischen bzw. Kultur-Kontakt mit den Awaren annimmt, unter jenen Wrtern, die von einer eventuellen ersten Welle von Ungarn im Karpatenbecken an die Ungarn rpds womglich vermittelt wurden, nur slawische, nicht jedoch awarische nennt. Warum?

  • 14 Zur Forschungsgeschichte

    Grammatik (also Morphologie, Syntax, etc.) ohne auf die Frage der Phonetik, Lautwandel oder auch der Lehnwrter einzugehen.

    Magyar nyelvtrtnet (MNyt)Das MNyt fhrt in seinem Index ebenfalls nmet hats etc.11, jedoch keine Spur von

    Awaren. Die in Frage kommenden Kapitel erwhnen die Mglichkeit des Awarischen als Kontaktsprache nicht. (Weder zu Ende der urungarischen Periode, vgl. p. 200203; noch zu Anfang der altungarischen Periode, vgl. p. 381ff.).

    MonografischesGesonderter Erwhnung bedarf ISTVN FUTAKYs Werk Nyelvtrtneti vizsglatok a Krpt-medencei avarmagyar kapcsolatok krdshez (2001)12, weil der Titel tuscht. Leider muss ber das Buch gesagt werden, dass es, zumindest hinsichtlich der Schlussfolgerungen, die bereits im vielversprechenden Titel angeschnitten werden, methodologisch verfehlt ist. Er geht von der unbedingten und unkritischen Vorannahme aus, die Awaren htten eine mongolische Sprache gesprochen was, wie wir es gesehen haben, mehr als umstritten und keineswegs gesichert ist; ja ganz im Gegenteil!, und versucht dann ungarische Wrter auf mongolisch und mandschu-tungusisch zu etymologisieren, und schliet daraus, dass diese a w a r i s c h e Lehnwrter wren. Bereits dies ist methodologisch fragwrdig, da selbst bei angenommener Mongolischsprachigkeit der Awaren der Transfer von mongolischen Elementen keineswegs hat im Karpatenbecken stattfinden mssen, sie htten auch frher von anderen mongolischsprachigen Stmmen in der Steppe vermittelt werden knnen; und da die mongolische Zugehrigkeit der awarischen Sprache mehr als umstritten ist (es gibt mindestens zwei genauso ernst zu nehmende alternative Vorschlge), ist die Argumentation sowieso auf Luft gebaut. Allein diese berlegungen wren genug, um selbst bei niet- und nagelfesten Etymologien seine Behauptung, wonach diese Wrter Relikte des awarischungarischen Kontaktes wren, als Fehlschluss zu verwerfen. Seine Etymologien wurden aber noch dazu von Turkologen sehr kritisch aufgenommen, beziehungsweise widersprochen und verworfen (RNA-TAS 2003).

    Zusammenfassend ist der Titel FUTAKYs irreleitend, seine S c h l s s e gnzlich unbe

    11 hnlich wie Brczi (1963), vgl. Funote 9.12 Das Werk sammelt die Ergebnisse FUTAKYs sowie die ca. 50 Worterklrungen, auf die er seine Theorie

    baut. Die Worterklrungen sind z. T. schon frher erschienen (z. B. FUTAKY 2000; s. auch RNA-TAS 2003, dessen Kritik).

  • Awarischungarischer Sprachkontakt 15

    grndet. Das Buch wre ehrlicher gewesen, wenn es als Haupt- (und einzigen) Titel den tatschlichen Untertitel Mongol s mandzsu-tunguz elemek nyelvnkben trge und nicht die voreiligen Schlsse zge; es wre auch letzten Endes brauchbar, denn wie es KARA (2002) in seiner Rezension schreibt13, laden einige seiner Zusammenstellungen zum Weiterdenken ein, wenngleich die meisten in der prsentierten Form der genaueren kritischen Prfung nicht standhalten.

    GrndeFUTAKYs Buch ist dadurch, dass es sich des Themas annimmt, dennoch eine Ausnahme

    erscheinung. Warum, wie bereits oben erwhnt, die Frage nach den awarischen Lehnwrtern des Ungarischen traditionell implizit, stillschweigend mit Nein beantwortet wird z. B. indem man die Frage als gelst oder unbeantwortbar betrachtet, ohne dass die Rahmenbedingungen ausgearbeitet worden wren , ist teilweise verstndlich, wenn man davon ausgeht, dass beim heutigen Forschungsstand mangels Kenntnisse ber die awarische(n) Sprache(n) eigentlich de facto nichts darber gesagt werden kann, und somit die klassischen komparatistischen Methoden nicht anwendbar sind. Es ist auch verstndlich, dass Wissenschafter, die sich ernst nehmen, sich nicht auf Spekulationen einlassen knnen und wollen. Es ist weniger verstndlich, warum selbst die Mglichkeit, trotz der chronologischen und geographischen Gegebenheiten, nur selten angedacht bzw. erwhnt wird. Wie wir es anhand dieser Arbeit sehen werden, kann aber eine Methode ausgearbeitet werden, mit deren Hilfe es u. U. mglich ist, dennoch Awarischem auf die Spuren zu kommen.

    Geschichtlicher Hintergrund

    Die Geschichte des zirkumpannonischen Raumes vor den AwarenUm die Sprachgeographie zu Beginn der Awarenzeit darstellen zu knnen, mchte ich nchstfolgend die Geschichte des Karpatenbeckens und des angrenzenden Raumes ab dem Beginn unserer Zeitrechnung, somit etwa fnfeinhalb Jahrhunderte vor der Ankunft der Awaren in der engeren Region umreien, wobei wir die entferntere Zeit grber, die

    13 A knyv mindazonltal nem kevs rdekes magyar sz-, jelents- s mveldstrtneti eszmt s anyagot tartalmaz [...], s nhny szegyeztetst [...] rdemes tovbbgondolsra szmontartani. A szerznek msok szfejtseihez fztt brlatban is van megszvlelend. (KARA 2002, p. 496)

  • 16 Geschichtlicher Hintergrund

    nhere etwas genauer betrachten wollen. Wie so oft in Zukunft werden wir auch jetzt etwas Auskunft ber das Karpatenbecken selbst und ber seine westlich und sdlich angrenzende Gebiete geben knnen, ber das Norden und teilweise das Osten hingegen werden wir wenig zu berichten haben; all dies ist die Konsequenz der Tatsache, dass obwohl das Karpatenbecken seit je her in enger Handelsbeziehung mit Griechenland stand,14 es bereits zur uersten Peripherie der noch besser bekannten Welt zhlte. Mit den Rmern, dem anderen reichsbildenden, literaten Volk, nderte sich im Groen und Ganzen nichts. Bei ihnen machte selbst nach der Eroberung Pannoniens (was uns fr diese Provinz etwas mehr Details, wenn auch nicht immer vollkommen Auswertbares bietet) und whrend der kurzen (etwa 150 Jahre whrenden) Beherrschung Daciens der groe Rest des Karpatenbeckens das Grenzgebiet aus, was man noch beschreiben und kennen versuchte; aber eben weil dieses Grenzgebiet bereits Barbaricum, und den Rmern somit wenig zugnglich war, verlieren sich die Informationen jenseits der Gebirgszge der Karpaten.

    Nun, wie berichtet wollen wir unseren Abriss mit dem I. Jahrhundert beginnen. Zur Zeit der rmischen Eroberung mssen wir im Westen und Norden des rmischen Pannoniens mit in dem IVIII. vorchristlichen Jahrhundert eingewanderten Kelten rechnen, es soll hier fr sie der Name der Boier (boii) stehen (die Voralpen waren durch ihre Verbndeten, die Taurer (tauris) bestimmt), wenngleich nach der Eroberung nach dem divide et impera-Prinzip auch kleinere Stammeseinheiten Erwhnung finden. Im Sden der selben Provinz (deren Sdgrenze die Save darstellt) finden wir die Skordisker (scordisci), die zwar eine ursprnglich ebenfalls keltische Herrscherschicht darstellten, die aber zur Zeit der rmischen Eroberung Pannoniens am Anfang des I. Jh. n. Chr. in sprachlicher Hinsicht in der vorkeltischen lokalen Bevlkerung aufging und pannonisch (illyrisch?) bzw. thrakisch sprachen. (op. cit. p. 182f.) Im Osten, im Gebiet des heutigen Rumniens und Siebenbrgens, lebten die Daken (daci), deren Sprache fr einen Dialekt des Thrakischen gehalten wird (op. cit. p. 184 sowie die sprachliche Seite ausfhrlicher behandelt in POPOVI (1960, p. 74)), ebenfalls seit einigen Jahrhunderten in der Gegend belegt.

    stlich der Karpaten lebten die Karper (carpi), die sprachlich den Daken verwandt waren, wohl vermengt mit verschiedenen Sarmaten iranischer Abstammung und Sprache. Sdlich des Karpatenbeckens, auf dem eigentlichen Balkan sdlich der Save und der

    14 Seit dem VIV. vorchristlichen Jahrhundert sicher belegt (MT I/I. p. 177).

  • Die Geschichte des zirkumpannonischen Raumes vor den Awaren 17

    unteren Donau, setzte sich die oben eingefhrten Sprachen fort: westlich der Morava auch an der Sdufer der Save noch die Pannonier, deren Sprache womglich, wenngleich nicht gesichert auch eine illyrische war, dann weiter sdlich die eigentlichen Illyrer, an der Kste die Dalmaten, deren Name selbst heute noch von der Region getragen wird und in Dardanien die Dardanen, die jedoch eher schon den thrakischen Sprachen zuzurechnen sein werden. Weiter im Sden erreichen wir schon das heutige Nordgriechenland wo die alte makedonische Sprache hauste, wenngleich im I. Jh. (n. Chr.) die Makedonier vermutlich schon komplett grzisiert waren. stlich vom Illyrischen saen zwischen den sdlichen Karpaten und der unteren Donau die Geten, die mit den Daken eine identische Sprache sprachen, sodass sie schon von antiken Autoren verwechselt wurden, und zuweil nicht auseinanderzuhalten sind. Sdlich der Donau und nrdlich des Hmus die Msier und sdlich davon die eigentlichen Thraken; im Kstengebiet schlieen sich wieder die grzisierten Makedonier an.

    Im Laufe des I. Jh. erschienen im Norden des Karpatenbeckens die ersten Germanen, die Markomannen und Quaden, die ungefhr in die ehemals keltischen Gebiete eindrangen. Ebenfalls am Anfang des I. Jh. erschienen die Jazygen, ein steppisches Reitervolk sarmatischer Abstammung. Sie nahmen den Raum zwischen den Kelten in Pannonien und den Daken jenseits der Thei, also das Zwischenstromland ein. Noch im selben Jahrhundert hrt man an der unteren Donau und Msien von den Roxolanen, die ebenfalls zu den Sarmaten zu zhlen sind, und die der Vollstndigkeit halber erwhnt werden mssen, ohne dass sie bis zum fr uns wichtige VI. Jh. besondere sprachliche Spuren hinterlassen htten.

    Um das Sprachliche Bild des I. Jh.-s zusammenzufassen, mssen wir im Karpatenbecken im Norden (nordwestlich der Thei, nrdliches Pannonien) mit keltischen Sprachen rechnen, und zum ersten Mal in der Geschichte auch mit Germanisch, sdlich davon bis tief in den Balkan mit Illyrisch und Thrakisch, wobei die Grenze zwischen den beiden groen vorgriechischen und vorlateinischen indogermanischen Sprachen des Balkans nrdlich der Ister (SaveDonau) die zwischen Thei und Donau sitzenden Jazygen, sdlich von ihr die Morava darstellt.

    Die bestimmende geschichtliche Entwicklung des II. Jh.-s stellt die Eroberung Daciens durch die Rmer dar; das rmische Dacien umfasste ungefhr Siebenbrgen (im engeren, historischen Sinn, also ohne das Partium) und die westliche Walachei. Die stlich und

  • 18 Geschichtlicher Hintergrund

    nordstlich davon liegenden Gebiete bis zur Thei haben sich die Jazygen zu Eigen gemacht (MT I/I. p. 219). Ebenfalls berichten die Quellen im Norden und im Nordosten von Pannonien nur noch von den germanischen Quaden, von den Kelten hren wir nichts mehr.

    Es ist noch wichtig zu erwhnen, dass die rmischen Kaiser in der pannonischen Provinz eine aktive Stdtegrndungspolitik betrieben, die einerseits durch Landschenkungen an ehemalige Legionre die Herrschaft festigen und die Nachschubrouten sichern sollte. Diese fortschreitende Urbanisierungspolitik fhrte in Pannonien auch gewiss zu einer starken Latinisierung der Bevlkerung, von der, nachdem die lokale Aristokratie selbst noch im II. Jh. noch an den keltischen Namen festhlt, die Verbreitung von rmischen Namen im III. Jh. zeugt. (op. cit. p. 220, sowie Karte auf p. 209). Dacien wurde eine gnzlich andere Behandlung zuteil. Hierher hat man, nachdem die lokale Bevlkerung durch die schweren Kmpfe dezimiert wurde, Leute aus dem gesamten Reich, insbesondere aber aus Dalmatien und Thrakien bersiedelt (op. cit. p. 224). Ebenfalls im II. Jh., nmlich in der Mitte desselben, begann eine massive NordSd Wanderung, die ihren Ursprung in Nordeuropa nahm und Vandalen, Gepiden, Langobarden und Goten mit sich riss (op. cit. p. 228). Whrend die Langobarden bereits in der zweiten Hlfte des II. Jh.-s die Quaden bedrngten und sogar die Donau berschritten. Eine tatschliche feste und vor allem massive Ansiedlung dieser Vlker sollte das Gebiet, das uns interessiert, erst in den nchsten Jahrhunderten erleben, denn in Folge der als Antwort anzusehende Strafexpeditionen der Rmer wurden nur kleine Volksteile in den rmischen Provinzen angesiedelt.

    Aus verschiedenen, militrischen wie wirtschaftlichen Grnden erlebte Pannonien am Ende des II. Jh.-s eine gewaltige Einwanderungswelle aus anderen Regionen des Imperiums, insbesondere aus dem ueren Osten. So kennt man eine groe Anzahl Syrer aus Brigetio, Aquincum, Savaria, Carnuntum und aus anderen Stdten (p. 234). Diese stlichen Einwanderer waren es wohl, die den Mithras-Kult aber auch das Christentum in Pannonien verbreiteten und den Ersteren stark machten (vgl. auch das ausgegrabene Mithras-Heiligtum bei Sopron).

    A Duna vidki romanizmus egyik jellemz vonsa az volt, hogy a rmai (latin) formkhoz olyan bevndorolt elemek is alkalmazkodtak, amelyek hazjukbl ms nyelv (szr, grg) rst s kultrt hoztak magukkal. [] A kelta kultrnak az a renesznsza,

  • Die Geschichte des zirkumpannonischen Raumes vor den Awaren 19

    amely a 2. szzadi pannoniai kultrt jellemzen sznezte, a severusi [Septimus Severus: Kaiser von 193211] felvirgzs idejn nyomtalanul eltnt; a nvadst, a temetkezsi szoksokat, az iparmvszetet s vallst egy meglehetsen szntelen, ltalnos romanizmus jellemzi [...] (op. cit. p. 235)

    Das III. Jahrhundert begann mit dem von Osten her steigenden Druck der Goten, den zuerst die barbarischen Fderaten jenseits des Limes zu spren bekommen haben (auf diesen Druck hin bersiedelten auch die Roxolanen von der unteren Donau in das Gebiet der Jazygen im Karpatenbecken), und bald drangen die Goten auch nach Thrakien und Makedonien ein. Es sind die Jahre um 250, als die Gepiden in den Karpatenbecken strmten und auch die Goten an der unteren Donau festen Fu fassten (op. cit. p. 240). Kurz darauf rumten die Rmer Dacien, was durch die neuesten Ereignisse erwiesen mehr zu einer Hypothek, denn ein vorgeschobener Brckenkopf wurde. Das aufgegebene Dacien wurde von den Goten und verbndeten Stmmen nach nicht unbedeutenden Kmpfen mit den Gepiden in Besitz genommen (op. cit. p. 243).

    Abgesehen von kleineren Auseinandersetzungen ist das rmische Pannonien in Folge friedlich, nur kleinere Unternehmungen werden Berichtet. Jenseits der rmischen Grenzen etablieren sich zuerst die Sarmaten, germanische Stmme liefern sich gegenseitig Geplnkel, was mit der Aufnahme von den Vandalen ins Reichsgebiet endet. Nach dem friedlichen III. Jh. trifft eine wahrlich mchtiger gemeinsamer Attacke der Quaden und Sarmaten das rmische Pannonien, das jedoch nur ein Plnderzug ist. Nur zwei Jahre spter, in 376 mssen jedoch die Goten im Ostbalkan angesiedelt werden (op. cit. p. 257). Die Balkangoten sind noch nach dem IX. Jahrhundert belegbar, wo am Schwarzen Meer die Messe in gotischer Sprache gelesen wird (POPOVI 1960, pp. 93f.).

    Im spten IV. Jh. luten diese gotische Einflle die groe Vlkerwanderung ein, dessen fr die Rmer unmittelbarer Auslser das Zerschlagen des pontischen Knigreichs der Goten durch die Hunnen war. Die sptere rmische Geschichtsschreibung rechnet seit 376378 Pannonien zur barbarischen Herrschaft (MT I/I. p. 258).

    Zu beginn des V. Jh.-s ziehen einige barbarische Stmme durch, so im Norden des Beckens die Vandalen, an der Save die Goten Alarichs und andere. Diese groe Bewegungen, die laut den Quellen auch mit verheerenden Plnderungen verbunden waren, haben nach deren Zeugnis auch zu Niedergang und Abwanderung der romanisierten Bevlkerung gefhrt.

  • 20 Geschichtlicher Hintergrund

    Bald erreichte die Hauptschar der Hunnen die Karpaten: ihr, mit unterworfenen (iranisch) Alanen und (germanischen) Ostrogoten verstrktes Heer schlug die Visigoten, die im heutigen Rumnien saen, verheerend. Diese wurden daraufhin in das Reich aufgenommen wurden, doch bald berschritten die hunnischen Heere die eingefrorene untere Donau (395), whrend eine andere Armee nrdlich der Karpaten in Schlesien einfiel, was jene germanische Wanderungen verursachte, die Westeuropa neu ordnen sollte. (op. cit. pp. 265f.) Diese schicksalhaften Ereignisse des westrmischen Reiches betreffen jedoch unseren geographischen Raum nicht mehr.

    Dennoch saen die Hauptkrfte der Hunnen zu Beginn des V. Jh.-s noch zwischen Don und Volga, wo sie auch byzantinische Gesandte aufsuchten: die Herrschaft im Karpatenbecken wurde durch ihre Vasallen, die Ostrogoten ausgebt; von hunnischen Kriegern ist bis zu den 420er Jahren keine Spur. Auf jeden Fall richteten sich bald auch in der von uns betrachteten Region die Hunnen ein, und Ostpannonien wurde bewusst ausgesiedelt und entvlkert, um einen fr steppische Reiche typischen Grenzschutzstreifen (gyep) zu etablieren. Dies ist nicht nur aus historischen Quellen, sonder aufgrund des Horizonts vieler archologischer Fundstellen belegt.15

    In der Schlacht von 451 folgten Attila neben den Hunnen: Gepiden, Ostrogoten, Rugier, Skiren, Sweben, Heruler, Thringer (op. cit p. 273; allesamt germanische Vlker), was von der bunten ethnischen wie linguistischen Zusammensetzung des Reiches zeugt. Priscos beschreibt im Herrschaftszentrum um Attila primr Goten und Gepiden, zwei sprachlich nah verwandte Vlker, das heit, wir mssen fr das V. Jh. mit

    15 Diese Tatsache ist hinsichtlich der Sprachgeographie zur Zeit der Ankunft der Awaren von besonderer Wichtigkeit, nachdem sie die Prsenz der lateinischen, illyrischen und thrakischen Sprachen im Karpatenbecken des engeren Sinnes verunwahrscheinlicht.

  • Die Geschichte des zirkumpannonischen Raumes vor den Awaren 21

    ostgermanischen Sprachen, Hunnisch (von der Herkunft her umstritten)16 und wohl mit (ostiranischen) alanischen Resten rechnen.

    Nach Attilas Tod in 453 fand sich sein Sohn, Ellak (Ilek), den ehemaligen Untertanen, Germanen und Sarmaten unter der Fhrung des Gepidenknigs Ardarik gegenber (op. cit. p. 275) und die hunnischen Gruppen mssen sich bald aus dem Karpatenbecken nach Osten zurckziehen. Nach der Hunnenzeit finden wir die ersten steten Drfer und Grabfelder erst ab ca. 470 (op. cit. p. 287). Dennoch haben die Hunnen eine gewichtige Bedeutung fr Mitteleuropa gehabt. Sie verursachten nicht nur den endgltigen Untergang des westrmischen Reiches und die Etablierung der (germanischen) Barbarenstaaten auf seinem Gebiet, sie haben auch die vier Jahrhunderte dauernde Teilung des Karpatenbeckens an der Donau beendet. Und Dlen a pannoniai s moesiai vrosok s erdk lerombolsval meggyengtettk az szak-Balkn romanizcijt. Justinianus mr csak kis erdket pttetett az egykori castrumok szgleteiben, az egykor virgz igazi vrosokat s lakosaikat nem tudta feltmasztani. A bolgr s szlv honfoglalsnak a hun hadjratok ksztettek helyet az Al-Duna dli oldaln. (op. cit. p. 276)

    Nach Attilas Tod wissen wir ber verschiedene (ost- wie west-) germanische Stmme sowie ber die Sarmaten, die im Karpatenbecken ihre Heimat fanden (oder wohl teilweise ihre alten Sitze, die sie innerhalb des Hunnenreiches innehatten, behielten); im Osten dehnten unter Ardarik der auch den Aufstand gegen Attilas Sohn Ernak probte die Gepiden, die ehemals liebsten Untertanen Attilas ihre Herrschaft aus (op. cit. p. 295), in 16 Die hunnischen Personennamen scheinen jedoch trkischen Ursprungs zu sein (op. cit. p. 277), und

    nachdem die Trken davor keine besondere Rolle in den Steppen gespielt haben bis dahin waren sie iranisch dominiert so knnen wir auch nicht an eine Prestige-Namensgebung denken, und die trkischen Personennamen mssen wir wohl als einen Hinweis auf die trkische Muttersprache deuten. Eine andere Frage ist, ob die Namen selbst garantiert trkisch sind, oder ob blo deswegen trkischen Namen gleichen, weil eben die spteren Trken der Prestige-Namensgebung folgend hunnische Elemente in ihrer Namensgebung verwendet haben. Die segmentierbaren Namen (z. B. Aibars = ay Mond + bars Tiger; Dengizik = deiz Meer + unklarer (dem.?) Suffix -ik) stellen fr diese Skepsis eine grere Herausforderung dar, doch sind sowohl bars als auch deiz gerade Wrter, die nicht nur den trkischen Sprachen, sondern auch den Mongolischen gemein sind, und nachdem mongolische und trkische Sprachen nicht mehr unbedingt als genetisch Verwandt betrachtet werden, so knnte fr sie eine (genetisch nicht verwandte?; hunnische?) Sprache als Lehngeber gedient haben, da doch beide auch als Prestigewrter anzusehen sind. (bars Tiger evidenterweise, doch auch deiz Meer, vgl. neben Dengizik auch Dschingis (Khan) und dalai lama als tibetischen Titel (dalai heit auf Mongolisch Meer, Ozean).

  • 22 Geschichtlicher Hintergrund

    Pannonien die Goten (op. cit. pp. 288ff.), zuerst unter dem italischen Gotenknig Odoaker, dann mit einer anderen Gruppe der Goten, Theoderik. Die Gepiden lebten im brigen seit dem Ende des III. Jh.-s im uersten Nordwesten des Karpatenbeckens, und sie blieben am Ort, sich den Hunnen ergebend, anstatt wie andere geflchtet oder davongezogen zu sein.

    Das von den Hunnen unabhngige Gepidien kann man von der zweiten Hlfte des V. Jh. bis zu deren Untergang ein Jahrhundert spter durch die Awaren ansetzen, womit es nach dem ber ein Jahrhundert langem Durcheinander eine lang nicht dagewesene Periode der Stabilitt darstellte. Die durch die Auseinandersetzung mit Ostrom geschwchte gotische Macht in Pannonien wurde durch die sich vom Norden (aus Mhren und dem Wiener Becken) nach Sden ausbreitenden (westgermanischen) Langobarden bernommen (die anno das allererste Mal im II. Jh. den Rmern bekannt wurden), die auch die neuen Verbndeten Byzantiums gegen die unangenehmen Nachbarn, die Gepiden stellten. Nordpannonien besetzten sie ca. 510, Sdpannonien fiel ihnen in den 20er Jahren des VI. Jahrhunderts zu. Somit wurde ihre Herrschaft im Karpatenbecken eine ber ein halbes Jahrhundert whrende, bevor sie gem des Vertrages mit den Awaren nach Norditalien und schlielich in die Lombardei weiterzogen, und somit, wenn auch nicht ganz so langlebig wie die Gepiden, doch stabiler als sonst irgendein politisches Gebilde in den letzten hundertfnfzig Jahren dieser Region.

    stlich des Karpatenbeckens erstreckten sich die Weiden der Reiterkrieger: alteingesessene Sarmaten, die sich aus dem Karpatenbecken zurckziehenden Attila-Shne sowie immer neue Vlker, die aus dem Osten in das westliche Pontusgebiet zogen, oder die in diesem Schmelztiegel der Vlker entstanden. Die bedeutenderen Namen, die die Byzantiner kannten, wenn sie nicht den Sammelbegriff verwendeten, waren die Kutriguren und die Utiguren, die Jahrhunderte spter in der bulgarischen Ethnogenese die zentrale Rolle spielten. (POHL 2002, pp. 227ff. u. a. Stellen)

    Die Slawen werden das erste Mal 539 (MT I/I. p. 296; POHL 2002, p. 19: 545, p. 95: 30er Jahre des VI. Jh.-s) bei den Byzantinern genannt, wo sie von den Gepiden untersttzt das erste Mal ber die untere Donau setzten, um einen greren Plnderzug zu unternehmen. Ihre Heimat wird in den Nordwesten des Karpatenbogens gesetzt (POHL 2002 p. 98; POPOVI 1960, pp. 1f.; SHEVELOV 1964, pp. 11f.), an dessen Auenseite entlang sie sich nach Sden und nach Westen auszubreiten begannen. Dass sie ihren Weg vorerst nur auerhalb der Karpaten, in einer Zangenbewegung um das Karpatenbecken nahmen, beweisen

  • Die Geschichte des zirkumpannonischen Raumes vor den Awaren 23

    toponomastische Forschungen (UDOLPH 1979, 1990). Der Grund wird einfach sein: auerhalb der Karpaten war der Weg frei, im Norden waren die alten Sitze der Sweben (Nrdliches Karpatengebiet, Sdpolen), Langobarden (Nordmhren) etc. gerumt, im Osten interferierte die Einfluss-Sphre der Reiterkrieger nicht mit ihrer Wanderung: die Steppenreiche, ihre Herrschaftsausbung und ihr Anspruch unterschieden sich radikal von den territorial organisierten sedentren Imperien (SZTEPANOV 2008; POHL 2002, Kap. 6). Im Karpatenbecken bten jedoch die Gepiden und die Langobarden ihre territorial organisierte, seit nunmehr hundert Jahren stabile Herrschaft aus, die der slawischen Expansion Einhalt gebot. Vereinzelte Siedlergruppen mgen wohl auch in den Flusstlern der Karpaten in gepidisches Gebiet vorgedrungen sein, doch massenhafte Ansiedlung knnen wir im besetzten Gebiet nicht erwarten; Plnderungen, die sie gegenber dem ebenfalls territorial organisierten Ostrom unternahmen, knnen wir fr Gepidien auch nicht ansetzten; im Gegenteil, die Gepiden halfen den Slawen ber die Donau auf byzantinisches Territorium. Gepidien, ein barbarisches Knigreich war im Vergleich zu Ostrom viel zu arm die Gefahr17, bei einem Plnderzug umkommen zu knnen htte sich bei dem zu erwartenden Ertrag der Beute nicht gerechnet.

    Die Sprachgeographie des zirkumpannonischen Raumes zur Zeit der awarischen LandnahmeUm die obige lange Geschichte kurz zu machen, mchte ich die daraus ablesbaren Konsequenzen fr die historische Sprachgeographie des behandelten Raumes fr die Mitte des VI. Jh.-s ziehen.

    Wie wir gesehen haben, wurden die letzten Jahrhunderte durch die Vlkerwanderung, die von der Vorherrschaft der Hunnen ber germanischen Stmmen dominiert und ausgelst wurde, bestimmt, sodann von den beiden germanischen Knigreichen der Region. Um die Stellung der indigenen bzw. der romanisierten Bevlkerung zu bewerten, mchte ich aus MT I/I. direkt zitieren. (Emphase von mir).

    Nem vletlen, hogy a csszrkori latin nyelvbl ott fejldtek ki az jlatin nyelvek, ahol a helyi trsadalom fels rtege, amely a rmai kultra s a latin nyelv hordozja volt, a

    17 Der Unterschied an Gefhrlichkeit einer hypothetischen Unternehmung gegen die Gepiden versus die Plnderzge gegen Byzanz wurde dadurch zustzlich geschrft, dass die germanischen Mnner, wie es die archologischen Funde beweisen, mehrheitlich bewaffnet waren. Nur eine ganz dnne mittellose Dienerschicht trug keine Waffen (bei den Langobarden waren es nur 14%! MT I/I. p. 306); whrend auf dem byzantinischen Balkan die lndliche Bevlkerung unbewaffnet den Plnderern ausgeliefert war und nur die Stdte ber Garnisonen mit stark begrenztem Einsatzradius verfgten.

  • 24 Geschichtlicher Hintergrund

    nyugati birodalom szthullsa s megsznse utn is helyben maradt, s megrizte kivltsgos trsadalmi helyzett. [...] Elfelttele [der Entstehung einer neo-lateinischer Sprache] volt azonban egy olyan rteg lte, amely a latint anyanyelvknt beszlte. A dunai tartomnyokban msodik nyelvknt ugyan sokan beszltk a latint, de anyanyelvknt csak egyes nagyobb vrosok laki s provincilis trsadalom legfels, igen vkony rtege; [...] (MT I/I. p. 261)

    A helyben maradt lakossgot azok az elemek alkottk, amelyeknek ltrdeke nem fggtt a rmai uralomtl. Ez a minden bizonnyal tbbsgben lev npessg a kelta, illr vagy dk (trk) nyelveket beszlte. [...] Mindhrom dunai barbr nyelv megltre vannak bizonytkaink a ks rmai idbl. [] Az slakossga npvndorls kornak els szzadaiban ppgy felszvdott, mint a rmai uralom al soha nem kerlt alfldi szarmatk, akiknek npi klnllsa az 5. szzadban mg ktsg kvl llt, a ksbbi szzadokban mgis nyomuk veszett. (op. cit. p. 262)

    A 370-es vek vgtl a hun, majd a gt uralom megszilrdulsig eltelt csaknem egy vszzad a pannoniai romanizci elhalsnak idszaka. Ezen a tnyen nem vltoztat az sem, hogy Sirmium [am uersten sdlichen Rand des Karpatenbeckens, an der byzantinischen Grenze] az avar hdtsig tbbnyire biznci kzben lev, latinul s grgl beszl katonasg ltal vdett, vrosbl mindinkbb erdd alakul rmai telepls maradt, [...] (op. cit. p. 260; vgl. auch POHL (2002, p. 53): Mit der Basis fr die Barbarenstaaten an der Donau wurde die rmische Zivilisation hier berhaupt bis auf Rudimente zerstrt.).

    Az, hogy a kzpkori Magyarorszg terletn a volt rmai vrosok neve ennek ellenre sem maradt fenn [im Gegensatz zu den Stdtenamen auf dem eigentlichen Balkan; vgl. z. B. POPOVI 1960, p. 4958], az a tbbszri s gykeres npi talakulsok egyik dnt bizonytka. (MT I/I. p. 263)

    Nhny folynv kontinuitsnak (Arrabo-Rba, Mursella-Marcel, Salla-Zala, Savaria-Sevira/Zbern) tansga szerint a helyi lakossg elssorban az Alpok keleti peremvidknek erds znjba vonult vissza. Ms volt a helyzet a Dravus-Drva s Savus-Szva kztt, ahol kt jelents kori vros, Poetovio-Ptuj/Pettau s Siscia-Sisak/Sziszek nevnek mindmig tart tovbblse legalbb a 9. szzadig vegetl, a 67. szzadban a krnyken feltn szlvokkal csak lassan sszeolvad helyi lakossgra utal. (op. cit. p. 290).

    Die Meinung besagt, erstens, dass die lokale Bevlkerung relativ wenig latinisiert wurde, und die romanisierte Bevlkerung primr eine direkt von der rmischen Macht abhngige Kolonistenschicht darstellte. Zweitens, dass die romanische Bevlkerung whrend

  • Die Geschichte des zirkumpannonischen Raumes vor den Awaren 25

    den strmischer Jahre der Vlkerwanderung im Karpatenbecken gnzlich zugrunde ging (oder abwanderte), und wohl auch die nichtromanisierte indigene Bevlkerung bis hin zur Unbedeutendheit dezimiert wurde (vgl. oben: Einrichtung der Grenzde durch die Hunnen). Mit ihnen knnen wir nur zwischen der Drau und der Save rechnen, sowie im sdwestlichen Eck Pannoniens (vgl. zu dem oben Gesagten auch Karte Nr. 24 in MT I/I.), das ohnehin eine stark bewaldete Gegend (vgl. beigefgte Karte18 von KNIEZSA (2000)), also ein ideales Rckzugsgebiet darstellte.

    Nicht unwesentlich ist auch die Beobachtung Prokops, der ber Pannonien um die Mitte des VI. Jh.-s wie folgt schreibt: Ein weites, meist ganz menschenleeres Gebiet. Nur stellenweise ist es von Barbaren besiedelt, die ein fast tierisches, von den brigen Menschen abgeschlossenes Leben fhren. (POHL 2002, p. 89)

    So mssen wir zur Zeit der Ankunft der Awaren in Nordostpannonien und im Wiener Becken mit den westgermanischen Langobarden rechnen; im Osten des Landes, jenseits der Thei mit den ostgermanischen Gepiden, (die an der oberen Thei schon im II. Jahrhundert zu finden sind, und sich allmhlich ab dem IV. Jh. Richtung Sden vordrangen, und schlielich nach der Schlacht von Nadeo auch ganz Siebenbrgen, sogar die Westwalachei bis zur Mndung der Olt bis an die Donau in Besitz nahmen. Im VI. Jahrhundert gehrt auch Sirmien zu ihrer Herrschaft (MT I/I. p. 297), so dass sie sogar ihren Knigssitz in Sirmium einrichteten, welches wohl doch noch mehr von den rmischen Kulturobjekten und Annehmlichkeiten geboten zu haben vermag, als die schon seit zwei-ein-halb Jahrhunderten verwahrloste Napoca, der frhere Knigssitz der Gepiden, beim heutigen Klausenburg); unter den beiden jeweils auch mit Resten anderer germanischer Gruppen, vor allem Goten. Sdlich der Drau und im ueren Westen Pannoniens, im Voralpenraum knnen wir alteingesessene, vielleicht sprachlich romanisierte Pannonier vermuten, freilich bis zur Save unter langobardischer Herrschaft.

    Die Sprache der Gepiden war eine ostgermanische, die dem Gotischen sehr nahe stand. Die Langobarden entstammten von der Mndung der Elbe, und ihre Personennamen zeigen mit dem Altfriesischen und dem Altschsischen Verwandtschaft (op. cit. p. 300). Ihre Sprachreste aus den Dokumenten aus ihrer oberitalienischen Zeit zeigen jedoch in

    18 Er bemerkt im Text des selben Buches, dass aufgrund botanischer und geologischer Grnde die Ausdehnung des Buchenwaldes frher nur eine Grere als die angezeigte sein konnte, nicht jedoch eine kleinere.

  • 26 Geschichtlicher Hintergrund

    die Richtung der altbairischen Dialekte19, was ihre langjhrige Nachbarschaft mit den Baiern, und berhaupt ihr sehr frher Einschluss in oberdeutsches Gebiet (vgl. ihre Sitze in Bhmen und Mhren bevor sie nach Pannonien kamen) erklren mag.

    Zu Mitte des VI. Jahrhunderts mssen wir an den Nordhngen der gesamten Karpaten mit Slawen rechnen, vermutlich auch schon in Nordmhren, doch in Bhmen erst gegen das dritte Drittel des Jahrhunderts. Ebenso an den Auenseiten der stlichen Karpaten, hinunter bis zur unteren Donau, in diesen Gebieten auch mit trkischsprachigen Kutriguren und Utiguren sich berlappend (POHL 2002). Im Westen des Karpatenbeckens, also in den stlichen Alpen werden noch romanisierte Kelten anzutreffen sein, wenngleich sie sehr bald zuerst von ber BhmenMhren20 und dann aus dem Sden ber die Mur und die Drau zugewanderten Slawen berschichtet wurden, sodass wir zu Ende des VI. Jahrhunderts, sptestens zu Beginn des VII. hier auch auf jeden Fall Slawisches antreffen werden.

    Sdlich der unteren Donau und sdlich der Save finden wir im Westen die Illyrer, im Osten verschiedene ursprnglich dako-thrakischsprachige Elemente. Nrdlich der heutigen Serbisch-Mazedonischen Grenze, dann weiter im Osten nrdlich des Hmus (Balkangebirge) waren sie latinisiert; sdlich der Jireek-Linie grzisiert (POPOVI 1960, besonders auch Karte 2., p. 90). Die stdtischen Bewohner waren gewiss Sprecher der Kultursprachen, doch es zeugt Mehreres davon, dass die Landbewohner noch ihre alte, vorrmischvorgriechische Sprache sprachen: nicht nur kleinere Ortsnamen und Substratwrter, die ins Sdslawische noch eindringen konnten, zeugen davon: sogar die groe bulgarische Frstenstadt, Plovdiv, leitet ihren Namen vom t h r a k i s c h e n Pulpudeva ab (mit slawischen Lautgesetzen) ab, und nicht vom offiziellen (POPOVI 1960, pp. 767). Whrend wir strikt zur Mitte des VI. Jh. noch mit diesem indigenen Sprachen rechnen mssen, wird auch dieses Gebiet aber erst im spten VI.VII. Jahrhundert, also eigentlich schon whrend der awarischen Herrschaft ber das Karpaten

    19 Mndliche Mitteilung Ao. Univ.-Prof. Dr. GEORG HOLZERs in der Vorlesung Das slawisches Substrat in sterreich, Sommersemester 2009 an der Universitt Wien.

    20 Nach sprachlichem Zeugnis des Alpenslawischen und des Slowenischen, das mehrere westslawische Merkmale trgt (so z. B. die Behandlung der -dl-Gruppen), und nur sekundr, nach der Germanisierung des bairischen Ostlandes, des ehemaligen slawischen Frstentums Karanthanien, und somit der Trennung von den brigen Nordslawen sdslawisiert wurde (POPOVI 1960, pp. 105ff.).

  • Die Geschichte des zirkumpannonischen Raumes vor den Awaren 27

    becken von slawischen Vorsten entlang der Nebenflsse der unteren Donau und der Save schrittweise, aber endgltig slawisiert.

    Geschichte der AwarenEs gibt eine wichtige Tatsache, die dem Studenten der awarischen Geschichte stets bewusst sein muss. Whrend des guten 250-jhrigen Bestehens des awarischen Khaganates weisen die schriftlichen Quellen eine praktische Lcke von anderthalb Jahrhunderten auf! Whrend dies schon z. B. beim Lesen vom umfassenden Geschichtswerk POHLs (2002) auffllt, wird es bei der gezielten Durchsicht der von SZDECZKY-KARDOSS (1986, p. 62ff.) chronologisch geordneten Quellen der Awarengeschichte besonders deutlich. In der folgenden Tabelle 1 habe ich jene berichteten Ereignisse, die die Awaren betreffen, gesammelt. Die Zuordnung mancher ungenauer Zeitangaben (z. B. um 558560) erfolgte arbitrr, die Tabelle dient zur Veranschaulichung von Grenordnungen und soll keine historiographische Quellenanalyse sein. Kleinere Quellen wurden ihrem Typ nach den drei groen (byzantinisch-orientalisch, langobardisch-italienisch, frnkisch-westeuropisch) eingegliedert.

    Es ist ersichtlich, dass es bis zu den 630ern reges Interesse fr die Awaren besteht. Wir erfahren ber sie primr aus den byzantinischen Quellen, beziehungsweise von den Langobarden, mit denen sie ihre gesamte Zeit hindurch ein besonderes Bndnisverhltnis hatten. (Paulus Diaconus schreibt zwar am Hofe Karls des Groen, ist aber selbst Langobarde und schreibt die Geschichte der Langobarden nieder). Danach werden bis in die 770er nur vereinzelt, oft in unbedeutendem Zusammenhang erwhnt.21 Ab den 780ern knnen wir wieder wachsendes Interesses diesmal von Seiten der Franken beobachten, die in ihren Annalen die Ereignisse des Awarenkrieges Karls des Groen und die folgende Eingliederung des antiken Pannoniens in das (Ost)-Frnkische Reich dokumentieren.

    21 Die meisten Daten dieser Zeit stammen aus dem Conversio Bagoariorum et Carantanorum, also hnlich wie die westlichen Quellen bis 640, aus fast ausschlielich einer einzigen Quelle (fr jene Zeit ist es Paulus Diaconus).

  • 28 Geschichtlicher Hintergrund

    Dekade byzant. + orient. + slaw. Quellen

    Paulus Diac. + Ppstl. Briefe

    Annales + Conversio

    Insgesamt

    vorher . (1) . (1)540er . (1) . (1)550er . (4) . (4)560er ....... (10) .. (2) ......... (12)570er ...... (9) ...... (9)580er ....... (10) ....... (10)590er ...... (9) .. (5) ........... (14)600er .. (5) .. (2) .... (7)610er . (4) (3) .... (7)620er .. (5) .. (2) .... (7)630er . (4) .. (2) .. (6)640er . (1) . (1)650er660er . (1) (3) . (4)670er .. (2) .. (2) . (4)680er .. (2) . (1) (3)690er .. (2) .. (2)700er .. (2) .. (2)710er720er . (1) . (1)730er . (1) . (1)740er .. (2) .. (2)750er . (1) . (1)760er . (1) . (1)770er . (1) . (1)780er . (1) ... (6) .... (7)790er ....... (10) ....... (10)800er ..... (8) ..... (8)810er . (1) (3) . (4)820er .. (5) .. (5)nachher* ........... (14)* ........... (14)*

    Tabelle 1: Berichtete Ereignisse der Awarengeschichte nach SZDECZKY-KARDOSS (1986). Kleinere Quellen wurden ihrem Typ nach den greren Quellengruppen zugerechnet; manche Ereignisse an der Wende von Dekaden beiden.

    *) Die meisten Erwhnungen dieser Zeit sind Territorialbezeichnungen in Schenkungsurkunden.

  • Geschichte der Awaren 29

    Die Grnde sind schon an anderer Stelle erwhnt worden (vgl. Funote 27): von Byzantinischer Seite knnen wir den Untergang der rmischen Zivilisation auf dem Balkan durch die slawischen und awarischen Plnderzge beobachten, und in den 630ern schieben sich die Donau-Bulgaren Asparuchs zwischen dem awarischen Khaganat und Byzanz: Byzanz und Avaria sind nicht mehr benachbart. Zur selben Zeit hat Byzanz alle Hnde voll zu tun, und seine Aufmerksamkeit ist durch die neue Herausforderung im Osten, durch die Araber gebunden. Im Westen hingegen haben sich die Barbarenstaaten auf rmischem Boden noch nicht konsolidiert, zu einer Blte der Literatur und Wissenschaft inklusive der Geschichtswissenschaft kommt es erst whrend der karolingischen Renaissance: in Europa leben wir die Zeit des dunklen Mittelalters.

    Diese Lcke ist schicksalhaft, denn gerade in dieser Zeit passieren gewaltige Umwlzungen im Awarenreich, von dem uns die Quellen nur einen fahlen Schatten erahnen lassen. Die Archologie weist gerade fr diese Zeit einen so massiven Wandel in der materiellen Kultur auf, dass es als die Ankunft einer neuen Volksgruppe im Karpatenbecken gedeutet wurde. Und tatschlich haben wir auch zgerliche Hinweise darauf in unseren Quellen: Nach Fredegar beanspruchen die Bulgaren die vakante Khaganenwrde um 631-632 (SZDECZKY-KARDOSS 1986, p. 93). Nach Nikephoros und Theophanes soll der vierte Sohn Kuvrats aus Grobulgarien um 677 (??) (op. cit. 1986, pp. 96f.) nach Pannonien gewandert sein, und sich dort niedergelassen haben.

    Auf jeden Fall ist diese Lcke an Information bedauerlich. Wir mssen uns immer daran erinnern, wenn wir ber die Awarengeschichte lesen: wir wissen ber die erste Blte der Awaren mehr oder weniger Bescheid (regelmig erhhte Tributgeldforderungen an Byzanz), und ber deren letztes Ende (der Awarenkrieg Karls des Groen). Dazwischen ist vieles unsicher, und stammt aus ganz wenigen unabhngigen Quellen. Es ist auch zu beachten, dass die frnkischen Informationen jenseits des Kriegszuges, stets das frnkische Dominium, das antike Pannonien westlich der Donau betreffen. Die frnkischen Quellen lassen uns ber ihr politisches Horizont hinaus im Dunklen.22

    22 Dies hngt natrlich damit zusammen, dass nach den verheerenden Niederlagen gegen die Franken, dann gegen die Bulgaren die Awaren politisch bedeutungslos wurden, und auch keine ernstzunehmende Gefahr mehr darstellten. Warum sollte man teures Pergament und Zeit fr solche Nachbarn verschwenden?

  • 30 Geschichtlicher Hintergrund

    Die Ankunft der Awaren in EuropaDie Awaren scheinen das erste Mal in 557/558 in Europa auf, wobei sie in diesem Jahr erst an der UralKaspischen Pforte stehen und von den Gebieten nrdlich des Kaukasus Gesandte an Byzanz schicken (MT I/I p. 311). In Wirklichkeit flchten sie vor der neuen aufstrebenden Macht der Trken ein Muster, das sich in der Eurasischen Steppenzone regelmig abspielt23 , doch sie stellen sich wie unbesiegbare, mchtige Krieger vor (POHL 2002, pp. 18ff.). Kaiser Justinian ntzt die Ankmmlinge, denn er erhofft sich einen starken Verbndeten (als welchen sie sich rhmen) gegen die Perser und auch gegen die Barbaren der pontischen Steppe, die Byzanz regelmig heimsuchen. Mit in Aussicht gestellten Jahrgeldern hetzt er sie gegen die Saraguren, Utiguren und Kutriguren, die sie in kurzer Zeit unterwerfen, und schon 562 lagern die Awaren an der unteren Donau. Die Awaren suchen beim Kaiser um Siedlungsraum an, streben scheinbar den Fderatenstatus an (POHL 2002 p. 62), wie es schon die Balkangoten getan hatten, doch das ihnen geeignete Scythia Minor wird ihnen nicht gewhrt, und das fr Pferdewirtschaft durch Gre und Topographie ungeeignete Sirmien schlagen sie aus (POHL 2002, p. 44).

    In dieser Situation verbnden sie sich mit den Langobarden, die ihre Dienste gegen die verfeindeten Nachbarn, den Gepiden, erkaufen wollen. Die Awaren lassen sich von ihnen fr den Fall eines Sieges ganz Gepidien, die Hlfte der Beute, und darber hinaus ein Zehntel des langobardischen Viehs zusichern (MT I/I p. 312; POHL 2002, p. 4851). Nachdem sie unter ungeklrten Umstnden einen Vertrag mit den Langobarden schlieen, wonach diese Pannonien aufgeben und Oberitalien nehmen wrden, besetzen die Awaren das gesamte Karpatenbecken (POHL 2002, p. 5152). Die awarische Besetzung des Karpatenbeckens und der Abzug des Langobardenheeres markiert blicherweise das Ende der Vlkerwanderungszeit, ja sogar der Antike, und den Anbruch des Mittelalters. (POHL 2002, Kap. 2.9). Dies ist auch der erste Fall in der Geschichte, von dem wir wissen, dass dieser Raum unter einer politischen Macht vereint ist, und dies sollte mit dem kurzen hundertjhrigen postawarischen, preungarischen karolingischbulgarischen (und

    23 So kommen die Ungarn in dieses Gebiet, indem sie von den Petscheneggen aus ihren alten Sitzen verdrngt wurden. Kaum ein Jahrhundert spter widerfhrt es den Petscheneggen gleichermaen von den Kumanen, und dann diesen, die von den Mongolen vertrieben werden. Doch auch die frhe Vlkerwanderung zeigt eine hnliche Dynamik, wo das eine germanische Volk vom anderen germanischen oder hunnischen Verbnden gedrngt neue Heime sucht.

  • Geschichte der Awaren 31

    dem etwas lngeren zweihundert-fnfzigjhrigen osmanischen) Intermezzo fast vierzehn Jahrhunderte andauern.

    Ursprung der Awarenber die Herkunft und den Ursprung der Awaren streiten sich die Gelehrten seit ber zweihundert Jahren (MT I/I p. 310; POHL 2002, p. 2837). Die eine These sieht sie als die Nachfahren der uan-uan, die ehemaligen Herren der Trken24, die andere als die der Hephthaliten, auch zentralasiatische Hunnen genannt. Beide Vlker wurden in den 550er Jahren von den Trken, der aufstrebenden Macht in Inner- und Zentralasien besiegt. Sie selbst traten in Europa als die Awaren auf (-), doch auch eine andere Bezeichnung, Warchoniten (, pp. 29ff., p. 221), ist berliefert. Bezglich des zweiten Namens sind viele Assoziationen angestellt worden, so ist dieses warchon- mit ung. ON Vrkony verglichen worden; seine Komponenten war- mit ihrem anderen Volksnamen, dem Awarennamen, -on mit dem Volksnamen der Hunnen.

    Dieser Name wird in der Literatur fast ausschlielich als ein zusammengesetzter gehandelt, einerseits wegen der naheliegenden Identifikation der beiden Namensteile, andererseits wegen der berlieferten Version, wo sie explizit nach zwei mythischen Knigen (Theophylakt; POHL 2002, p. 30) genannt werden, sowie der Beschreibung bei ebendiesem Auktor, nachdem der awarische Adel aus zwei Geschlechtern und bestehe (POHL p. 36, p. 221). Weiters ist auch in der Archologie der frhen Awaren im Karpatenbecken eine Dualitt zu beobachten (MT I/I p. 310; POHL 2002 p. 37: Endnote 59). Gewisse Bestattungsriten und typische Funde haben ihre Analogien in Innerasien, doch gewisse andere Elemente der materiellen Kultur weisen Parallelen mit zentralasiatischen Kulturen auf.

    Erste goldene Zeit Whrend schon im Vorfeld des Gepidenkrieges Baian nach einem gescheiterten Versuch die frnkische Macht geschlagen hatte, und sich damit die fr Reiterkriegerherrscher so wichtige spirituelle Vormachtstellung (POHL pp. 47f.) erlangt hatte, wandte er sich bald gegen Byzanz, denn byzantinische Truppen haben die Gunst der Stunde genutzt und Sirmium, die alte Kaiserstadt, zuletzt Sitz der Gepidenknige besetzt. Diese haben die

    24 uan-uan, Jouan-Jouan, etc. oder oft auch Ruan-ruan, Rou-ran, etc., je nachdem, ob man die rekonstruierte zeitgenssische (Mittel-)Chinesische oder die heutige Aussprache der chinesischen Zeichen, mit denen sie bezeichnet wurden, als Grundlage nimmt und welches Transkriptionssystem man verwendet.

  • 32 Geschichtlicher Hintergrund

    Awaren als ihren rechtmigen Besitz angesehen, den sie durch die Unterwerfung der Gepiden, also durch das Recht des Siegers erlangt hatten. Nach dreijhriger Belagerung nahmen sie Sirmium ein, und bald darauf Singidunum, also das heutige Belgrad. Die Bewohner Singidunums wurden ins Landesinnere verschleppt (584). Bald danach fielen die Grenzfestungen an der Donau der Reihe nach, bis hinunter zum Donaudelta.

    Auf die mal friedlichen, mal kriegerischen Zeiten, auf die zahlreichen Geplnkel zwischen Awaren und Byzantinern, wollen wir im Detail nicht eingehen. So interessant, ja spannend sie sind, sie tun fr uns nichts zur Sache. Der Interessierte soll auf die fesselnde Lektre von POHL (2002) verwiesen werden. Auf jeden Fall gelang es den Awaren die Jahrgelder, die sie von Byzanz erhielten, von Jahr zu Jahr zu erhhen, sodass in diesem goldenen Zeitalter der Awaren eine unbeschreibliche Menge an Gold aus dem Reich zum Khagan floss (POHL 2002, p. 179; MT I/I. p. 324). Das einzig herausragende Ereignis ist die Ankunft von drei weiteren warchonitischen Stmmen: Tarniach, Kotzagir, Zabender je 10.000 Krieger stark um 584/585, wie es Theophylakt berichtet.

    Schatten... Fr uns erneut von Bedeutung sind die Ereignisse am Ende des VI., den Anfang des VII.

    Jahrhunderts, das den Weg fr gewichtige Vernderungen im Awarenreich in der Mitte des VII. Jahrhunderts ebneten. Die Grenzfestungen Sirmium (Sremska Mitrovica) und Singidunum (Belgrad) waren schon fters Streitpunkte zwischen Awaren und Rmern, doch um 595 eskalierte die Lage. Die Awaren nahmen Singidunum, das sie als ihr Territorium betrachteten. Nachdem die kaiserlichen Truppen die Stadt wieder zurcknahmen, marschierte der Khagan in Illyrien ein (POHL 2002, p. 144ff.). Whrend der Krieg gegen Byzanz aufgrund Ereignisse im Westen unterbrochen werden musste, hatte der erneute Zug des Khagans 598 gegen Konstantinopel eine verblffende Episode und verheerende Verluste zur Folge: Die awarische Fhrung, deren Heer gegenber den Rmern sein Lager aufgeschlagen hatte, gab den ausgehungerten Rmern reichlich Lebensmittel und Trank, damit sie das Osterfest wrdevoll feiern knnen. Die Heere vermischten sich fr die Feiertage und feierten gemeinsam. Nachher forderte der Khagan, dass die beiden Heere sich entflechten sollen, was auch geschah. Die Schlacht folgte, und bald konnten die Awaren einen Siegesschmaus veranstalten, doch die Freude whrte nicht lang: Bald nach dem Siegesschmaus in Drizipera brach im Lager der Barbaren die Pest aus. Der Khagan wurde besonders schwer getroffen; sieben seiner Shne fielen

  • Geschichte der Awaren 33

    angeblich am gleichen Tag der unheilbaren Krankheit zum Opfer. (POHL 2002, p. 154; SZDECZKY-KARDOSS 1986, p. 81).

    Von der Seuche geschlagen zogen sich die Awaren ber die Donau zurck, doch der Friedensvertrag, der bei Drizipera ausgehandelt wurde, wurde auf kaiserlichen Befehl hin von den Rmern gebrochen. Der Khagan hielt sich nrdlich der Donau auf, von wo er vier seiner Shne mit einem Teil des Heeres abordnete, um die Feinde am berschreiten des Flusses zu hindern, doch den Rmern gelang es die Donau zu bersetzen, und sich in einer alten rmischen Festung zu verschanzen. Die Khagansshne griffen zweimal an, nach rmischen Berichten sollen beim ersten Angriff 4000 und 300 Rmer, beim zweiten 9000 aus dem awarischen Heer ihr Leben gelassen haben. Beim dritten Sturm, den der Khagan selbst anfhre, schlielich noch einmal 15.000. Wenn man den Siegern glauben schenken kann, ein ungeheures Gemetzel.

    Dem Khagan gelang die Flucht ber die Thei, dennoch konnte er sich nicht in Sicherheit wiegen: nachdem er sieben (an die Pest) und nochmals vier seiner Shne samt den Gros seines Heeres (an die Rmer) verloren hatte, ntzte nun Priskos, der rmische Feldherr die Gunst der Stunde und stie entlang der Thei in das heutige Banat vor, eine Gegend, in die seit Jahrhunderten keine rmische Armee vorgedrungen war. Hier, im Kerngebiet des Awarenreiches kam es nach einem Monat zu einer offenen Feldschlacht zwischen den Parteien; der Termin der Schlacht wurde diplomatisch vereinbart (POHL 2002, p. 156ff.; SZDECZKY-KARDOSS 1986 p. 82). Nach dem Sieg der Rmer setzten sie nur eine kleine Expedition ber den Fluss, der auf drei groe gepidische Drfer im Awarenland stie, die scheinbar ein recht bekmmliches Leben unter awarischer Herrschaft hatten; die Gepiden wurden niedergemetzelt. Nachdem der Khagan drei Wochen gebraucht hatte, um seine Krfte zu sammeln, stellte er sich nochmals den Rmern. Bei dieser Gelegenheit nahm Priskos 16.000 Gefangene, darunter auch viele Gepiden und Slawen: die Hauptlast mussten bei diesem letzten Aufgebot die Nichtawaren tragen; die Gefangenen awarischer Abstammung wurden aber auf Gehei des Kaisers der nichts von der Gre des Sieges ahnte laufen gelassen. Es ist die Ironie des Schicksals, dass nach diesem glnzenden Sieg Priskos die alte Heeresstrae ber das Balkangebirge nahm. Diese war in einem desolaten Zustand, er und seine Soldaten wurden im Hochgebirge vom Winter berrascht, wobei viele seiner Gefolgsleute starben. Die Natur hat grere Lcken in seinen Armeeverband geschlagen, als die Awaren; die Geschichte demonstriert auffllig

  • 34 Geschichtlicher Hintergrund

    den Zustand der rmischen Infrastruktur zu jener Zeit auf dem Balkan. POHL (2002, pp. 158f.) erinnert daran, dass obwohl der Krieg ein echter Aderlass fr die Awaren war, nomadische Reiche nicht mit den Mitteln der Kriegsfhrung der sesshaften Zivilisationen zu schlagen waren: Gerade der auergewhnliche Erfolg im Awarenland macht deutlich, da der Awarenkrieg nicht zu gewinnen war: All die Siege der rmischen Waffen hatten letztlich keine Entscheidung gebracht.25

    Nach den geschilderten Ereignissen von 598/599 fragt sich der Leser vielleicht, wie denn das Awarenreich nach solchen Verlusten berleben konnte. Dies mag dem Zusammenspiel von mehreren Faktoren zu verdanken sein, ein ganz wesentlicher waren auf jeden Fall die Ereignisse im Byzantinischen Reich. Denn geschwcht war Awarien auf jeden Fall. Im Jahre 601 hren wir, dass Apsich, ein uns aus den Quellen wohlbekannter Feldherr zum ersten Mal anstatt des Khagans die Verhandlungen fhrt, und 602 fhrt er das Volk alleine gegen die Anten. Auch macht die Schwche der awarischen Position deutlich, dass im selben Jahr eine Gruppe von Awaren das Khaganat verlie, um sich den kaiserlichen Truppen anzuschlieen (POHL 2002, p. 161; SZDECZKY-KARDOSS 1986 p. 84). Was waren nun diese Ereignisse im Byzantinischen Reich? Wieder (wie schon frher) wagte sich eine rmische Armee in die heutige Walachei, um die Slawen in ihrer Heimat zu schlagen, doch als es der Kaiser trotz Widerstand (wegen Geringer Hoffnung auf Beute, wie es die Soldaten meinten) befahl in Feindesland zu berwintern, meuterte die rmische Armee. Der Unteroffizier Phokas wurde zum Kaiser ausgerufen und die Armee marschierte gegen Konstantinopel, um den alten Kaiser Maurikios zu strzen. Er wurde ergriffen und am 27. November 602 mit seiner Familie umgebracht. Mit der Entthronung des Maurikios begann die dauernde Abwesenheit der rmischen Armee vom awarischen Kriegsschauplatz. Die Usurpation des Phokas war gewiss einer der Hauptfaktoren, der den Fortbestand des Khaganates sicherte.

    und LichtDoch trotz gewisser innerer Konflikte ging die bedrohliche Situation fr das Awarenreich

    25 Vgl. auch p. 156/7, Emphase von mir: Dennoch wagte es der Feldherr nicht, ins Donau-Thei-Zwischenstromland, den Zentralraum des Gegners, einzumarschieren. Es zeigte sich, da der Krieg gegen die Steppenbewohner auf herkmmliche Weise nicht zu gewinnen war. Einen Perserkrieg konnte man, wie Herakleios, durch den Vormarsch auf die gegnerische Hauptstadt entscheiden: Die Awaren konnten nur besiegt werden, wenn sie sich berhaupt zur Schlacht stellten. Selbst dann blieb ein Sieg seltsam folgenlos wenn er nicht die Stellung des Herrschers so weit erschtterte, da sein Reich von selbst zusammenbrach.

  • Geschichte der Awaren 35

    rasch vorbei. Die kaiserlichen Truppen konnten die Offensive nicht fortsetzen, mit dem Sturz des Maurikios war die Gefahr fr Jahrzehnte gebannt. Die militrisch entblte Balkanhalbinsel wurde in den nchsten Jahren zu einem Territorium, das nur de jure, nicht aber de facto zum Byzantinischen Reich gehrte: In der Geschichte der Balkanlnder gilt 602 als Datum, an dem die Dmme brachen: Von da an, so meinte man, konnten Awaren wie Slawen in den rmischen Provinzen sozusagen nach Belieben schalten und walten (POHL 2002, p. 237).

    Die Ostfront, der Perserkrieg war auch katastrophal verlaufen, die stlichen Grenzfestungen der Rmer fielen einer nach dem anderen, und 610 standen die Perser das erste mal am Bosporus, gegenber Konstantinopel bei Chalkedon. Als Antwort zog Phokas noch mehr Soldaten aus den bereits unterbesetzten Balkanprovinzen ab und erkaufte sich den Frieden mit den Awaren um Gold. Obwohl die slawischen Plnderzge nun schon ein halbes Jahrhundert andauerten, muss die weitgehende Slawisierung des Balkans und des Hellas auf die ersten Jahrzehnte des VII. Jahrhunderts gesetzt werden.26 Um diese Zeit fielen auch diejenigen Stdte und Festungen der Donau der Reihe nach, die noch vor kurzem als Aufmarschbasen und Brckenkpfe fr die rmische Armee gedient hatten (Singidunum, Novae, Durostorum, Tomis, ) (op. cit. p. 238)

    Als die reichsten Provinzen (Syrien, gypten) an die Perser fielen, und das Reich im rgstens Bedrngnis war, handelten die Awaren einen neuen Friedensvertrag aus, in dem sie die grte Summe von allen, 200.000 Solidi fr ein Jahr verlangten und bekommen haben. Zudem mute der Kaiser als Geiseln einen Sohn, Johannes Athalarich, den Neffen Stephanos, Sohn seiner Schwester Maria, und Johannes, einen Sohn des Patrikios Bonos, den Awaren ausliefern; erst nach 626, sptestens 636 gelang es Maria, ihren Sohn vom Khagan zurckzubekommen. (op. cit. p. 246)

    Im Jahre 626 konnte sich das awarische Khaganat auf dem Hhepunkt seiner Macht whnen. Nachdem die Awaren ohne Zweifel diplomatischen Kontakt mit den Persern hatten (op. cit. p. 249), planten sie einen koordinierten Angriff auf die Hauptstadt des Rmischen Reiches. [...] noch nie hatten Barbaren tatschlich eine Belagerung der Stadt am Bosporus versucht. (op. cit. p. 248) Wie bedeutend das Ereignis war, zeigt, dass im sonst

    26 [E]ine syrische Quelle berichtet, da ihre [= der Slawen] Boote sogar Kreta erreicht htten. (POHL 2002, p. 247)

  • 36 Geschichtlicher Hintergrund

    dunklen VII. Jahrhundert mehrere Quellen ausgesprochen ausfhrlich darber berichten.

    Die Geschichte der doppelten Belagerung der Stadt durch die gebndelten Krfte der Perser und der Awaren (wenngleich die Ersteren mangels einer Marine wenig zum Zug kamen), die Beschreibung der bunten awarischen Armee, die Gre der feindlichen Streitmacht und das Glck und Geschick der Verteidiger liest sich wie der spannendste historische Roman. Schlielich ordnete der Khagan wegen Versorgungsproblemen einen geordneten Abzug an. Die Rettung der Stadt wurde der Heiligen Jungfrau zugeschrieben, und der 7. August die Ende der Belagerung wird in der Orthodoxie seitdem als Marienfest gefeiert (SZDECZKY-KARDOSS 1986, p. 92; POHL 2002, loc. cit.).

    Die byzantinischen Schriftstellen blenden das weitere Schicksal der geschlagenen Awaren aus, mit dem Abzug von Konstantinopel verschwanden diese mehr oder weniger von der Bildflche. Der Entscheidungskampf gegen die Perser beanspruchte die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen. (POHL 2002, p. 255)

    SummaDass die Awaren in der ersten Hlfte ihres fast 250 Jahre andauerndes Reiches sich militrisch scheinbar fast nur gegen Byzanz wandten, in der zweiten Hlfte aber gegen den Westen, kann sich einerseits auf der verzerrenden Wirkung der Umstnde beruhen27, andererseits rein durch die Kriegswirtschaft bedingt sein: das reiche und prachtliebende Byzanz lockte mit rmischem Gold, chinesischer Seide und indischen Gewrzen, whrend sich die jungen Barbarenstaaten der Ostrogoten, Franken, Baiern, Sachsen sich auf den Trmmern Roms gerade erst etablierten; nachdem das einst byzantinische Balkan und

    27 Die westeuropische Administration und das karolingische Schrifttum musste sich erst entwickeln, womit wir u.U. weniger schriftliche Zeugnisse ber frnkisch-awarische Auseinandersetzungen aus der Frhzeit haben, als sie tatschlich stattgefunden haben mgen, whrend Byzanz nicht nur die ungebrochene rmische Tradition fortfhrte, sondern gerade eine Zeit florierender ethnographischer, militrisch-strategischer und geographischer Literatur durchlebte. In der Sptzeit hingegen war die europische Historiographie und Annalenliteratur bereits ausgebildet, ja Zweiteres gedieh, whrend Byzanz die Awaren aus drei Grnden aus den Augen verlor: erstens durch den Keil, den der junge bulgarische Staat zwischen die Awaren und Byzanz trieb, zweitens durch den kompletten Zusammenbruch der byzantinischen Administration auf der Balkanhalbinsel mit Ausnahme weniger weit entfernter Kstenstdte des Peloponnes und der Stadt Thessalonikis, und drittens durch die neuen politischen und militrischen Herausforderungen im Osten, zuerst der erneute Krieg mit den Persern, dann die aufstrebenden Araber, die bald mit einer Flotte vor Konstantinopel standen.

  • Geschichte der Awaren 37

    Peloponnes durch mehr als ein Jahrhundert awarische Plnderung und slawische Invasion wie ein Feld nach einer Heuschreckenplage an Reichtmern leergefegt worden war, lockte der Westen mit mehr Ertrag und Beute.

    Das Awarenreich stand, kaum fnfzig Jahre, nachdem es seinen Platz im Karpatenbecken eingenommen hatte, auf dem Hhepunkt seiner Macht. Byzanz musste das Frchten lernen und es floss ein wahrer Goldstrom aus Konstantinopel zu den Khaganen, sodass man wahrlich von einem goldenen Zeitalter sprechen kann:

    Az avar honfoglalstl Kunszentmikls-Kunbbony korig (568670) terjed arany-srok korntsem elszigetelt jelensgek. A biznci hadjratoktl kezdve radt az avarokhoz az aranyad: 573 utn vi 60 ezer, 578-tl vi 80 ezer, 600-tl vagy 604-tl vi 100 ezer, vgl 617-tl vi 120 ezer aranysolidus. Ez a hadifoglyokrt kapott vltsgdjat is beszmtva, mintegy 4 s fl milli solidus 53 v alatt. Kereken 62 ezer biznci fontot, vagyis hozzvetlegesen 20 ezer kg aranyat vekre elosztva, mintegy vi 400 kg aranyat kapunk. (MT I/I. p. 324)

    UmwlzungenDie Belagerung von Konstantinopel, des H