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Heft 2~/23.] 26. 5. ~933J LANGE und WEVER: Zur Umwandlungskinetik des Austenits. 389 die Geschwindigkeiten, mit denen die verschiedenen metallurgisehen Reaktionen unter gegebenen Be- dingungen verlaufen, bessere Anhaltspunkte zu geben als alle ~brigen Stahlerzeugungsverfahren. Besonders wertvoll ist die Erkeltntnis, mit wie groBer Geschwindigkeit sich die ffir alle Stahl- erzeugungsverfahren grundlegende Reaktion des Kohlenstoffs mit dem im Stahlbad gel6sten Eisen- oxydul vollzieht. Der Notgemeinschaft der Deutschen Wissen- schait, die uns die Apparatur zur Bestimmung des Sauerstoffs zur Verfiigung stellte, sei aueh an dieser Stelle bestens gedankt. Zur Umwandlungskinetik des Austenits. Von HEIN~UCH LANGE und FRANZ NEVER, Diisseldorf. (Aus dem Kaiser "vVilhelm-Institut ffir Eisenforsehung.) Die seit einigen Jahren unternommenen Ver- suche, den kinefisehen Ablauf der Vorg~Lnge bei der Stahlh~rtung experimentell zu kl/£ren nnd so zu einem tiefergehenden Verst~ndnis der H~rtung vorzudringen, haben bereits zu einer ganzen Reihe yon wertvollen Ergebnissen geftihrt. Einen wich- tigen Fortschritt bedeutet die durch zahlreiche Beobaehtungen gestfitzte Feststellung, dab der kennzeiehnende Gefiigezustand des geh~rteten Stables, Martensit, als ~lbergangszustand ange- sehen werden muf3, in dem die bei langsamer Ab- ktihlung yon hoher Temperatur eintretenden Ver- ~nderungen stecken bleiben. In der Folge erschien es notwendig, die bei den verschiedenen, w/~hrend des Abschreckens dnrchlanfenen Temperaturen sich vollziehenden Umwandlungen getrennt zu stu- dieren und so einer Erkl~rung zug/£nglich zu machen. F. WEv~tL H. LANGE 1 und W. JELLING- HAUS 2 schreckten zu diesem Zweck St~hte auf ver- schiedene Haltetemperaturen ab und verfolgten anschlieBend bei gleichgehaltener Temperatur mit dem Magnetometer und dem Dilatometer den zeit- lichen Ablauf der Umwandlung. Sie stellten auf diesem Wege lest, dab bei den VOlt ihnen unter- suchten Chrom-Nickelst~hlen drei Temperatur- gebiete vorhanden sind, in denen die Umwandlung des Austenits nach ganz verschiedenen Gesetzen und mit verschiedenem Ergebnis vor sich geht. In einem oberen Temperatnrgebiet his etwa 5oo ° herunter reicht die Diffusionsgeschwindigkeit des Kohlenstoffs aus, um einen vollkommenen' Zerfalt des Ausgangszustandes Austenit in kohlenstoff- armes ~-Eisen und Eisenkarbid zn erm6glichen. In einer zweiten, gegen die erste durch ein Gebiet verh~ltnism~Big hoher Best~ndigkeit des Austenits getrennten Umwandlungsstufe geht der Austenit in einen noch unbekannten Zwisehenzustand fiber, der selbst nur sehr geringe Best~ndigkeit besitzt und sich daher sofort weiter in a-Eisen und Eisen- karbid zersetzt. In einer ltnteren, bei der scharf gekennzeichneten Temperatur des Martensitpunk- tes beginnenden Umwandlungsstufe geht der Auste- nit in das eigentliche tt/~rtungsgeftige Martensit fiber. Zur weiteren Kl~rung der Natur der drei Urn- Mitt. Kaiser W'iIhelm-Inst. Eisenforsch., Dfisseld. I4, 71 (1932). Mitt. Kaiser Wilhelm-Inst. Eisenforsch., Dt~sseld. x4, 85 (1932). Nw. I933. wandlungsstufen und der in ihnen gebildeten Ge- Ifigebestandteile wurden die Versuehe auf Chrom- Nickelst~hle anderer Zusammensetzung ausge- dehnt. Die frtiher beschriebene Versuehsanord- nung1 wurde dabei unver~ndert beibehMten. Die Ergebnisse stimmen mit den oben angedeuteten darin fiberein, dab wiederum deutlich drei Um- wandlungsgebiete unterschieden werden konnten. I)er HSchstwert der Umwandlungsgesehwindig- keit in der mittleren Stufe Iiegt bei alien St~hlen sehr nahe bei 280°; die Temperaturabh~ngigkeit der Umwandlungsgeschwindigkeit geht aus Fig. I hervor. Ffir die Deutung der Umwandlungsvorg~nge erscheint weiter die Beobachtung yon Wichtigkeit, s0o 0N ~,se d.,SY Oh /e ~ZO~ ¢ - St~hl C Cr Ni Nz % % % - - f 1 ¢50 q,q# g~ 2 q85 ¢oa ¢,0~ IO0~ ' 2 3 f 6r~Bler W~Tt &r Mugze/l~/emngsdndemngln c~ll~h Fig. I. Gr6Bte Umwandlungsgeschwindigkeit yon Chrom-NickelstAhlen in der zweiten Umwandlungsstule. ® Temperaturen der beginnenden Martensitbildung. daf3 das in der obersten Umwandlungsstufe gebil- dete Karbid bei der AbMihlung bis auf Raum- temperatur keinen Curiepunkt zeigt und sich auch nach der Isolierung durch elektrolytisches LSsen des Stables in neutraler Eisenchlori~rl6sung unter LnftabschluB als unmagnetisch erweist. Dagegen wird in der mittleren Stufe unterhalb 3oo ° ein Karbid gebildet, das bei etwa 200 ° ~hntich wie das Eisenkarbid F%C der Kohlenstoffst~hle in eine ferromagnetische Form tibergeht. In Fig. 2 sind die Temperatur-Magnetisierungslinien eines Stables 1 Naturwiss. 20, 412 (1932). 26

Zur Umwandlungskinetik des Austenits

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Heft 2~/23.] 26. 5. ~933J

LANGE und WEVER: Zur Umwandlungskinetik des Austenits. 389

die Geschwindigkeiten, mi t denen die verschiedenen metallurgisehen Reaktionen unter gegebenen Be- dingungen verlaufen, bessere Anhal tspunkte zu geben als alle ~brigen Stahlerzeugungsverfahren. Besonders wertvoll ist die Erkeltntnis, mit wie groBer Geschwindigkeit sich die ffir alle Stahl- erzeugungsverfahren grundlegende Reaktion des

Kohlenstoffs mit dem im Stahlbad gel6sten Eisen- oxydul vollzieht.

Der Notgemeinschaft der Deutschen Wissen- schait, die uns die Apparatur zur Bestimmung des Sauerstoffs zur Verfiigung stellte, sei aueh an dieser Stelle bestens gedankt.

Zur Umwandlungskinetik des Austenits. Von HEIN~UCH LANGE und FRANZ NEVER, Diisseldorf.

(Aus dem Kaiser "vVilhelm-Institut ffir Eisenforsehung.)

Die seit einigen Jahren unternommenen Ver- suche, den kinefisehen Ablauf der Vorg~Lnge bei der Stahlh~rtung experimentell zu kl/£ren nnd so zu einem tiefergehenden Verst~ndnis der H~rtung vorzudringen, haben bereits zu einer ganzen Reihe yon wertvollen Ergebnissen geftihrt. Einen wich- tigen Fortschri t t bedeutet die durch zahlreiche Beobaehtungen gestfitzte Feststellung, dab der kennzeiehnende Gefiigezustand des geh~rteten Stables, Martensit, als ~lbergangszustand ange- sehen werden muf3, in dem die bei langsamer Ab- ktihlung yon hoher Temperatur eintretenden Ver- ~nderungen stecken bleiben. In der Folge erschien es notwendig, die bei den verschiedenen, w/~hrend des Abschreckens dnrchlanfenen Temperaturen sich vollziehenden Umwandlungen getrennt zu stu- dieren und so einer Erkl~rung zug/£nglich zu machen. F. WEv~tL H. LANGE 1 und W. JELLING- HAUS 2 schreckten zu diesem Zweck St~hte auf ver- schiedene Haltetemperaturen ab und verfolgten anschlieBend bei gleichgehaltener Temperatur mi t dem Magnetometer und dem Dilatometer den zeit- lichen Ablauf der Umwandlung. Sie stellten auf diesem Wege lest, dab bei den VOlt ihnen unter- suchten Chrom-Nickelst~hlen drei Temperatur- gebiete vorhanden sind, in denen die Umwandlung des Austenits nach ganz verschiedenen Gesetzen und mit verschiedenem Ergebnis vor sich geht. In einem oberen Temperatnrgebiet his etwa 5oo ° herunter reicht die Diffusionsgeschwindigkeit des Kohlenstoffs aus, um einen vollkommenen' Zerfalt des Ausgangszustandes Austenit in kohlenstoff- armes ~-Eisen und Eisenkarbid zn erm6glichen. In einer zweiten, gegen die erste durch ein Gebiet verh~ltnism~Big hoher Best~ndigkeit des Austenits getrennten Umwandlungsstufe geht der Austenit in einen noch unbekannten Zwisehenzustand fiber, der selbst nur sehr geringe Best~ndigkeit besitzt und sich daher sofort weiter in a-Eisen und Eisen- karbid zersetzt. In einer ltnteren, bei der scharf gekennzeichneten Temperatur des Martensitpunk- tes beginnenden Umwandlungsstufe geht der Auste- n i t in das eigentliche tt/~rtungsgeftige Martensit fiber.

Zur weiteren Kl~rung der Natur der drei Urn-

Mitt. Kaiser W'iIhelm-Inst. Eisenforsch., Dfisseld. I4, 71 (1932).

Mitt. Kaiser Wilhelm-Inst. Eisenforsch., Dt~sseld. x4, 85 (1932).

Nw. I933.

wandlungsstufen und der in ihnen gebildeten Ge- Ifigebestandteile wurden die Versuehe auf Chrom- Nickelst~hle anderer Zusammensetzung ausge- dehnt. Die frtiher beschriebene Versuehsanord- nung 1 wurde dabei unver~ndert beibehMten. Die Ergebnisse s t immen mit den oben angedeuteten darin fiberein, dab wiederum deutlich drei Um- wandlungsgebiete unterschieden werden konnten. I)er HSchstwert der Umwandlungsgesehwindig- keit in der mittleren Stufe Iiegt bei alien St~hlen sehr nahe bei 280°; die Temperaturabh~ngigkeit der Umwandlungsgeschwindigkeit geht aus Fig. I hervor.

Ffir die Deutung der Umwandlungsvorg~nge erscheint weiter die Beobachtung yon Wichtigkeit,

s0o

0N

~,se d.,SY Oh /e ~ZO~ ¢ - St~hl C Cr Ni

Nz % % % - - f 1 ¢50 q,q# g~ 2 q85 ¢oa ¢,0~

IO0~ ' 2 3 f

6r~Bler W~Tt &r Mugze/l~/emngsdndemng ln c~ll~h

Fig. I. Gr6Bte Umwandlungsgeschwindigkeit yon Chrom-NickelstAhlen in der zweiten Umwandlungsstule.

® Temperaturen der beginnenden Martensitbildung.

daf3 das in der obersten Umwandlungsstufe gebil- dete Karbid bei der AbMihlung bis auf Raum- temperatur keinen Curiepunkt zeigt und sich auch nach der Isolierung durch elektrolytisches LSsen d e s Stables in neutraler Eisenchlori~rl6sung unter LnftabschluB als unmagnetisch erweist. Dagegen wird in der mitt leren Stufe unterhalb 3oo ° ein Karbid gebildet, das bei etwa 200 ° ~hntich wie das Eisenkarbid F%C der Kohlenstoffst~hle in eine ferromagnetische Form tibergeht. In Fig. 2 sind die Temperatur-Magnetisierungslinien eines Stables

1 Naturwiss. 20, 412 (1932).

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390 LANGE und W x v ~ : Zur Umwandlungskinetik des Austenits. [ Die Natur- [wissenschaften

mit o,48% C, 2,o% Cr und 3,2% Ni nach vor- heriger Umwandlung in der oberen Stufe bei 600 ° nnd in der mittleren Stufe bei 3oo ° wiedergegeben. Die Magnetisierungsfeldst~rke betrug in beiden FMlen 5oo Oersted. W~hrend die Schaulinie des bei 6oo ~ umgewandelten Stables bei der Erhitzung gleichm~Big abf~llt, zeigt die Linie des bei 3oo ° gehaltenen Stahles eine besehleunigte Abnahme der Magnetisierung bei etwa 2oo °, sis Folge der magnetiscl~en Umwandlung des bei 3oo ~ gebildeten Karbides. Eine daraufhin angesetzte Rtickstands- analyse beider St~hle ergab im ersteren Falle ein Karbid mit 7,75 % C und 11,3 % Cr, das nach dem RSntgenbilde gleichen Aufbau wie das Eisenkarbid F%C besitzt und Ms isomorpher Mischkristall yon Eisen- und Chromkarbid angesprochen werden mul3. Im letzteren Falle wurden neben 15 % C nut 3,6 % Cr gefunden. Es muB hier often bleiben, ob der tiberraschend hohe Kohlenstolfgehalt des zweiten Rfickstandes als Karbid gebunden oder neben einem Karbid yon niedrig6rem Gehalt ele- mentar beigemengt vorliegt, doch dart ats sicher-

Fig.2. Temperatur-Magnetisierungskurven eines Chrom- Nickelstahles nach versehiedener Vorbehandlung.

gestellt gelten, dab das bei hohen Temperaturen gebildete Karbid nahezu das gesamte Chrom des Stahles enth~tt. ])as Ausbleiben des Cnriepunktes finder damit eine einfache Erkl~rung. Die be- sproehene t3eobachtung erscheint nns insofern yon Wert, als damit erneut best~tigt ist, dab die Umwandlung der ersten Stuie yon Diffusions- vorggngen betr~chtlichen AusmaBes begleitet ist und daher mit tallender Temperatur langsamer werden mug.

Die Martensitbildung ist den Umwandlungen des Anstenits in den h6heren Stufen gegentiber da- dutch ansgezeichnet, dab sie nicht nnterktihlt wer- den kann. Sie setzt daher unabh~ngig yon der Abkfihlungsgeschwindigkeit stets am Martensit- punkt ein. Die Martensitbildung unterscheidet sich such darin grundsgtzlich yon den Umwandlungen der oberen Stufe, dab sie bei gleichgehaltener Tem- peratur sehr schnell znm Stillstand kommt. Das

anf~ngliche Weiterlaufen der Martensitbildung und ihr verzSgerter Einsatz bei der darauffolgenden weiteren Abkfihlung ist mit groBer Wahrschein- lichkeit auf die Druck- und SpannungsverhXltnisse zurtiekzuftihren, die bei der Bildung des 2¢iartensits infolge seiner Lamellenform und seines gr6Beren Volumens im Austenit entstehen. Nhnliche Deu- tungen wurden schon yon E. Sc~IEIL 1, e gegeben. In jedem Tall Iassen sich, diese Vorg~nge als Er- scheinnngen anderer Art abtrennen. Die wXhrend der Abkiihlung bis auf irgendeine Temperatur unterhaib des Martensitpunktes gebildete Marten- sitmenge wird dann allein dutch diese Tempe- ra tur bestimmt, nicht dagegen durch die Ab- ktihlungsbedingungen, unter denen sie erreicht wurde. Es ist daher m6glieh, die Temperatur- schaulinie der lVIartensitbildung unabh~ngig yon der Lage des Martensitpunktes, d. h. frei yon den Sonderheiten des "Werkstoffs darzustellen, wenn man als Einhei t der Abszisse die absolute Temperatur des Martensitpunktes und als Einheit der Ordinate denjenigen Magnetisierungswert w~hlt, der einer vollst~indigen Umwandtung des Austenits in Martensit entspricht. In Fig. 3 ist der

Tempera/u: ia T/T, 7 Q2 0,¢ 0.8 Qg 1.0

- - tor~

]empera/vr in ~ Fig. 3. Temper~tur-Magnetisiermlgskurve des per- litischen Zustandes und Temperaturkurve der Marten- sitbildung ft~r einen Chrom-Nickelstahl mit 0,35 °/o C;

o,86 % Cr und 4,o4 ~ Ni.

entsprechende Maflstab am oberen Rande abge- getragen. Aus dell Beobachtungen yon G, TAM- MANN und E. SCH~IL~ foIgt, dab die Martensitbil- dung erst in der Gegend des absoh ten Nnllpunktes vollstgndig wird, und daher die voile ~Vfagaetisie- rung erst bei dieser Temperatur erreieht werden kann. Da abet die S~ttigung des a-Eisens nicht wesentlich yon derjenigen des Martensits verschie- den sein kann, l~Bt sich der Magnetisierungsend- wert durch Extrapolat ion der Temperaturmagneti- sierungslinie des ~-Eisens gegen den absoluten Null- punkt mi t ansreichender Genauigkeit bestimmen. In Fig. 3 stellt die Linie B A die Temperatur- abh~ngigkeit der S~Lttigung von c~-Eisen und B W E die Martensitmenge in Abh~ngigkeit yon der Tem- peratur dar, deren Wendepunkt W mit dem Mar- tensi tp~nkt zusammenf~llt. ]Die Extrapolat ion yon

i G. TAViMANN U. E. SCttEIL, Z. anorg, u. allg. Chem. I57, i (1926).

Z. anorg, u. allg. Chem. 207, 21 (1932).

Heft ~z/23.] 26. 5. z9331

SALM&N~: Soil man den glasigen Zustand als vierten Zustand der lViaterie bezeichnen ?

B A gegen den absoluten Nullpunkt fiihrt auf einen Magnetisierungswert O, in d e n auch die Linie WE enden mug.

In Fig. 3 springt sofort die Nhnlichkeit der Linie BW/~G n i t der S~ittigungsknrve /?A~ in die Augen. Daher wurde noch zum Vergleich die theo- retische SS~ttigungslinie des ~-Eisens nach dem Ansatz yon P. WEiss eingezeichnet; die Tem- peratur ist auch ffir diese Kurve im Verh~iltnis- MaBstab ~ /~" aufgetragen, wobei jetzt ~ die Temperatur des Curiepunktes bedeutet. Die ~ber- einst immung der theoretischen Magnetisierungs- linie des c~-Eisens n i t der I(urve des 3/iartensit- gehattes ist danach in der Tat iiberraschend gut.

Die WEIsssche Knrve wird in ihrem Verlauf wesentlich durch die Tatsaehe bestimmt, dab bet der S~ittigungsmagnetisierung zwei Erscheinungen mit entgegengesetzten Vorzeichen zusammen- wirken, ein ordnender und ein die Ordnung stSrender EinfluB. Dabei h~ngt die Wirkung der ordnenden Kr~fte vom erreichten Ordnungs- grade selbst ab, w~ihrend der die Ordnnng st6- rende Einflul3 dutch die Temperaturbewegung ge- geben ist.

Auf die ~hMichkeit der l~berstrukturbildung mit der magnetischen Umwandlung ist wiederholt

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hingewiesen wordenK In der Tat verlguft die Aus- bildung der Oberstrukturen nach einem Tempera- turgesetz, das mit der Wzlssschen Knrve sehr nahe iibereinstimmt; den die Einordnung der Atome in das Gitter bewirkenden Krgften steht dabei die Temperaturbewegung entgegen. Arts den mit- geteilten Beobachtungen folgt nunmehr, dab auch die Martensitumwandlung der gleichen Klasse yon Umwandlungserscheinungen zuzurechnen ist. Die dem W~Issschen Gesetz entsprechenden Krgfte diirften dabei mit einer die Umwandlung vor- bereitenden Einordnung der gohlenstoffatome in das Austenitgitter einerseits, der Temperatur- bewegung andererseits in Verbindung zu bringen sein. Dem m6glichen Einwand, dab die Martensit- umwandtung im Gegensatz zu den l~lberstruktur- bildungen irreversibeI ablguft, wird entgegenzuhaI- ten sein, dab es sich bet der Anstenit-Martensit- umwandlung um Vorg~inge in instabilen Phasen handelt, bet denen sich die Umwandlungsprodukte sofort in Richtung auf den stabilen Zustand bin wetter zersetzen.

Der Notgemeinschaft der Deutschen Wissen- schaft sind wit fiir die Unterst i i tzung der Arbeit zu groBem Dank verpflichtet.

G. TAM~ANN n. O. HXUSLS~, Z. anorg, u. allg. Chem. x58, 349 (z926).

Soll man den glasigen Zustand als vierten Zustand der Materie bezeichnen? Von H. SALMA~a, Aachen.

(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut for Silikatforschung.) Der glasige oder amorphe Zustand, der nicht

nu t beim Glase, sondern bet sehr vielen starren, nicht gitterartig geordneten Natur- und Itlunst- stoffen aus der organischen Chemie vorkommt, ist in bezug auf seine Einordnung in die Aggregat- zust~nde in den letzten Jahren stark in das wissen- schaftliche Interesse geriickt. Nach ether lange Zeit gebrauchten Deutung G. TAMNA~'N S sah man das Glas Ms eine unterkiihlte Fli~ssigkeit an, welche wegen ihrer hohen Viskosit~t nicht kristallisiert. Der Charakter der Fltissigkeit wnrde besonders in d e n stetigen ?2Tbergang vom starren in den fliissigen Zustand gefunden.

Diese Anschauung y o n Glase aN Fltissigkeit hoher Viskosit~it ist dutch experimentelle Befunde yon G. S. PA~KS und H. M. HU~'F~AN~% E. BER- GER ~, G. TAMMANN USW. stark erschiittert worden. Messungen physikalischer Eigenschaften, beson- ders der W~irmeausdehnung , ergaben einwandfrei, dab der l~bergang yon Zustand des spr6den Glases ill den des plastischen Glases nicht stetig, sondern sprunghaft verl~Luft. In der Folge wurden diese l)bergangspunkte, welche an die Umwand- lungspunkte der t(ristallmodifikationen und der AggregatzustXnde bet festen K6rpern erinnern, ftir alle m6glichen physikalischen Eigenschaften gefunden.

G. S. PA~XS u. H. M. HUFFMA>TN, Science (N.Y.) 64, I658 (1926).

E. BEaGle, Glast. Bet. 5, 393 (1927/28); 8, 339 (I93o/31)-

Es waren besonders zwei solcher Obergangs- punkte, welche die Aufmerksamkeit der Forschung erweckten, der yon F U L C H E R 1 dutch rechnerische Auswertung yon Viskosit~itsmessungen gefundene ,,Aggregationspunkt" und der besonders durch die Arbeiten yon E. BERGBa bekannt gewordene , ,Transformationspunkt" (transition point). Erste- rer liegt bei technischen Silikatgl~isern bet etwa 8oo---95 °° und wurde als der ~Tbergang vom pla- stischen zum fliissigen Glase angesehen. Der letz- tere liegt bet technischen Silikatgl~sern bei 4oo bis 6oo ° nnd bezeichnet den -0bergang vom plastischen zum spr6den Glase. Daneben gibt es im spr6den Glasgebiet zuweilen in der Lage wechselnde Knick- punkte in den Eigenschaftstemperaturkurven, welche E. BERGER Aufspalt-punkte genannt hat. Eine brauchbare Erkl~rung far diese Vorgange gab letzterer durch die Anschauung, dab die Zusammen- ballung yon einzelnen Molekiiten zu Molekiilgrup- pen bis zur starren Packung nicht fortlaufend, son- dern in drei Hauptabschni t ten vor sich geht, deren Obergang dutch die oben bezeichneten Punkte gekennzeichnet ist. Bet verschieden rascher Ab- kiihlung des Glases von hohen Temperatnren herab sind seine physikalischen und chemischen Eigen- schaften verschieden. Je langsamer diese Abktih- lung vor sich geht (Feinkiihlung), um so stabiler wird das Glas, um einem Minimum an latenter Energie zuzustreben, welche weitere Dichtpackung

1 G. S. FULCnE~, J. amer. ceram. Soc. 8, 339 (1925)

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