4 | Tagesspiegel Köpfe
KÖPFEMai 2014 | 6,50 EURO | NR. 77koepfe.tagesspiegel.de
fiona Bennett schmückt die Häupter der Berliner 16
Stefan H. e. Kaufmann ist einer der top-forscher in Berlin 30
AKTUELL ForschUng
10 GRüNdUNGEN nachhaltige möbel, Bücher aus der Kiste, Kaugummis für den guten Zweck und eine Vermittlungsplattform für Jobtandems: Das sind die neuen Start-ups SEitE 6
200.000 BESchäftiGtE prägen die forschungslandschaft der Stadt und setzen damit die tradition Berlins als Wissenschaftsmetropole fort. alles auf einen Blick SEitE 18
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18 aUf EiNEN BlickWo Wissenschaftler in Berlin forschen
20 GUtES WachStUMWie Berlins universitäten ihren ausgründungen beim Großwerden helfen
26 SiE SiNd SpitzE Warum vier top-forscher sich für Berlin entschieden haben
34 hilfEN aUS BRüSSElein neues eu-programm begünstigt kleinere firmen
36 GUt iNvEStiERteuRef-Chef Reinhard müller spricht über seinen Campus
38 BaSiS füR diE BEStENRund um den Gasometer wird an der Klimarettung gearbeitet
40 NEtzWERk dES WiSSENSResearch-Gate will die Wissenschaft revolutionieren
42 MEiNUNG Ralf nestler über Wissen, forschen und die politik
12 aUSGEzEichNEtDer prothesenhersteller otto Bock ist die fabrik des Jahres
13 GESchRUMpftZwei Designer bringen große Literatur ganz klein raus
14 ERfOlGREichDas Gallery Weekend feiert seinen zehnten Geburtstag
16 GEStaRtEtneue Bewerbungsrunde für den innovationspreis Berlin Brandenburg eingeläutet
oLaf HöHn, inhaber von florida-eis, produziert rund 70 Sorten 44
CHiaRa feRRaGni gab sich die ehre im KaDeWe 63
MAgAZIn nETZWErK44 NEUE EiSzEit
florida-eis macht in Spandau eis von Hand
50 SchöNER höRENClaus Zapletal baut Hightech-Kopfhörer für anspruchsvolle ohren
52 NachRUfEmargarete Brucklacher Helga müller-Klatte
54 diE dURchBlickERJpK instruments stellt Spezial-mikroskope her
SONdERthEMa56 diGitalE WiRtSchaft
Wegweiser für die Web Week
60 klaRtExtKolumne von Joachim Hunold
62 fRühER aNpfiffCoca-Cola lud zur vorgezogenen Wm-Gala
64 BERliN MaxiMal clUB Vorgestellt: Clubmitglied Joachim e. Thomas; Küchenparty im mövenpick Hotel; BR Volleys weihen ein mobiles Spielfeld ein
rUBrIKEn12 KommentaR14 eiGeneR HänDe aRBeit16 JaHRHunDeRtfiRma 47 auf ein GLaS mit ...51 patent 55 omBuDSmann56 BLaCK DoG66 mein aRBeitSpLatZ66 inDex
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Tagesspiegel Köpfe | 5
12 | TAGESSPIEGEL KÖPFE
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AKTUELL
AUSZEICHNUNG Das Medizintech-nikunternehmen Otto Bock heimst den Titel »Fabrik des Jahres« ein. Die Traditionsfi rma mit Hans Georg Näder (Foto) an der Spitze hat im Science Center Berlin ihre Hauptstadtrepräsen-tanz, Hauptsitz ist aber im thüringi-schen Duderstadt. Dort fi ndet sich auch das prämierte Werk.
Mehr als 50.000 Produkte stellt Otto Bock in Duderstadt her. Gestützt auf ein globales SAP-Betriebskonzept sei man in dem Werk in der Lage, gezielt auf spontane Anfragen zu reagieren,
heißt es. Dadurch sei es möglich, das Logistikzentrum sowie die Lagerbe-stände automatisch zu steuern, um Kunden aus ganz Europa direkt zu be-liefern.
1992 haben die Wirtschaftszeitung »Produktion« und die Unternehmens-beratung A.T. Kearney den Wettbewerb ins Leben gerufen, um die Wettbe-werbsfähigkeit des Produktionsstand-ortes Deutschland zu stärken. Heute gilt der Preis als Qualitätssiegel, das Spitzenleistungen in der produzieren-den Industrie hervorhebt. HOEL
Fabrik des Jahres
B ER, Folge 423: Bald spricht keiner mehr mit keinem, der je dort Verantwortung getragen
hat. Inzwischen rennt der Flughafen-chef schon aus dem Saal, wenn einer, der ihn kritisiert, da drin sitzt. So weit ist es gekommen. Nur der Flughafen, der kommt nicht recht weiter. Dafür wird er eines: immer teurer. Wenn
dann noch die Bau-genehmigung aus-läuft . . . – dann wäre das doch der ideale Zeitpunkt für einen Neustart, oder?
Auf der grünen Wiese ganz wo-anders neu anfan-gen, dort, wo der Flughafen wachsen und ein Hort der Wirtschaftlichkeit in jeder Hinsicht
sein kann. Wo gefl ogen wird, Tag und Nacht. Aber wer will das schon? In vielen Jahren wird sich deshalb ein neuer Untersuchungsausschuss bil-den und mit der Frage beschäftigen: Warum hat da keiner Stopp gesagt? Nur wird man dann mit keinem mehr sprechen können, der da je Verantwor-tung getragen hat.
DER IDEALE ZEITPUNKT
STEPHAN-ANDREAS CASDORFF, Tagesspiegel-Chefredakteur
KOMMENTAR
Grüner Strom Chefi n mit 25Orco GSG, einer der führenden Anbieter von Büro- und Gewer-befl ächen in der Hauptstadt, hat Berlins größte Solaranlage installiert: 200 Solarmodu-le auf 140 Dächern von 32 Berliner Gewerbehöfen werden im Jahr rund sechs Megawatt Strom erzeugen.
Neue Leiterin des Boutique Hotels Arcotel Velvet in Mitte ist die 25-jährige Jenny Krumme. Damit ist sie Berlins jüngste Hoteldirektorin. Die gebürtige
Bonnerin kam erst vor knapp zwei Jahren ins Unternehmen. Unterstützt wird Krumme von Sebastian Ömer, dem neuen Geschäftsführer der Hotel Velvet GmbH.
448TAUSEND BESUCHER zählte die neue Concept Mall Bikini Berlin am Zoo in den ersten zwölf Tagen seit der Eröffnung am 3. April. Allein am ersten Eröffnungswochenende, das von Donnerstag bis einschließ-lich verkaufsoffenem Sonntag ging, kamen fast 300.000 Besucher in das neue Center.
Chefi n mit 25Neue Leiterin des Boutique Hotels Arcotel Velvet in Mitte ist die 25-jährige Damit ist sie Berlins jüngste Hoteldirektorin. Die gebürtige
Bonnerin kam erst vor knapp zwei Jahren
neue Concept Mall Bikini Berlin am
am ersten Eröffnungswochenende,
Kleine WeltliteraturDESIGN Von Weitem betrachtet, erkennt man nur eine homogene graue Fläche. Doch bei näherem Hinsehen offenbart sich einem die große Weltliteratur – nur eben ganz klein, in einer 5,5-Punkt-Miniaturschrift. So schaffen es Ian Warner und Florian Bungart, den kompletten Text eines lite-rarischen oder wissenschaftlichen Klas-sikers auf ein Plakatformat von 70 mal 100 Zentimeter zu bringen. Im Ange-bot von »All The World‘s A Page« ist etwa der Ulysses von James Joyce mit 272.000 Wörtern, Goethes Faust oder Das Kapital von Karl Marx. HOEL
MÄRKTE Sechs Mal im Jahr finden die von Kunsthand Berlin organisier-ten Kunsthandwerkermärkte statt. Nur
in diesem Monat gibt es gleich zwei Termine: am 3. und 4. Mai in der Gartenstadt Frohnau und ab 31. Mai in der Schloßstraße in Charlotten-
burg. Natürlich kann man auf den Märkten Kunsthandwerk und Design erstehen. Aber nicht nur. Traditionelle Handwerker führen ihre Kunst auch auf Originalmaschinen vor. HOEL
Traditionelle Handwerkskunst
OFFENE TORE Am 14. Mai 2014 findet zum dritten Mal die Lange Nacht der Industrie statt. 38 Unternehmen – unter anderen Bombardier, Berlin Chemie und MAN – präsentieren ihre Technologien, Arbeitsprozesse und Produkte.
Die Betriebe öffnen ihre Tore von 17.00 Uhr bis 22.30 Uhr. In dieser Zeit haben Besucher die Möglichkeit, hinter die Kulissen bekannter Produk-tionsstätten zu sehen und die Arbeits-plätze in der Industrie näher kennen zu lernen. HOEL
Industrie zum Anfassen
Hatte die Idee, Wörter zu
schrumpfen: Ian Warner
26 | Tagesspiegel Köpfe
Seine ForSchungSergebniSSe Sind VielFältig, aus ihnen sind mehr als 250 Artikel, zwei Bücher, 20 Patente und 500 Vorträge hervorgegangen. Mehr als 25 Preise erhielt er, darunter den renommierten Körber Preis der Europäischen Wissenschaften (2007) und den Claude S. Hudson Award der American Chemical
Society (2009). Seine Arbeit hat auch zu zwei Firmengründungen geführt: Ancora Pharmaceuticals und i2chem. Vor zwei Jahren ge-lang ihm die Herstellung eines effektiven Wirkstoffs gegen Malaria-Infektionen, der sich kostengünstig und in großen Mengen erzeugen lässt. An einem Impfstoff forscht er noch. Foto: Mike Wolff
peter Seeberger, Biochemiker
Forschung
Der PragmatikerDer renommierte biochemiker peter Seeberger ist Direktor am
Max-planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung. er bringt seine wissenschaftlichen erkenntnisse auch zur Anwendung
S ein Dialekt verrät seine Herkunft – unver-kennbar. Peter Seeberger stammt aus Nürn-berg. Sein Fränkisch ist durchsetzt von eng-
lischen Begriffen, was nicht nur damit zu tun hat, dass er den Großteil seiner wissenschaftlichen Karriere in den USA verbracht hat, sondern auch damit, dass der renommierte Biochemiker als Max-Planck- Direktor in Dahlem ein 85-köpfiges For-scherteam aus 18 verschiedenen Nationen leitet. Verkehrssprache ist üblicherweise Englisch.
Noch ist das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in einem etwas ab-getakelten FU-Gebäude untergebracht, eine Inte-rimslösung, die bereits seit fünf Jahren anhält. Der Umzug in den geplanten Neubau des Instituts in Potsdam-Golm soll 2015 stattfinden. Seine Abtei-lung Biomolekulare Systeme besteht aus mehreren Laboren. In Seebergers Büro hängen eingerahmt gut zwei Dutzend Urkunden wissenschaftlicher Preise, die er für seine Forschungsarbeiten erhalten hat. Der Zwei-Meter-Mann gibt sich bescheiden. Er spricht lieber über seine Forschungsinhalte, die sich im Grenzgebiet von Chemie und Biologie bewegen. Er hat eine Methode entwickelt, komple-xe Zucker automatisch zu synthetisieren. Ein bahn-brechendes Verfahren, das bei der Herstellung von Diagnostika und Impfstoffen eine wichtige Rolle spielt. In seinem Labor entstehen Impfstoffe gegen Malaria und Krankenhauskeime, die kurz vor der klinischen Entwicklung stehen.
Dem 47-Jährigen geht es vor allem darum, »gute Wissenschaft« zu machen. Und dazu braucht er Experten, »junge schlaue Leute«, wie er sagt. In seinem Team arbeiten nicht nur Biologen und Che-miker, sondern auch Maschinenbauer, Ingenieure, Mediziner. »Dabei ist es mir egal, woher sie kom-men, wie sie aussehen, was sie zu Hause machen und mit wem«, sagt Seeberger. Entscheidend sind die Expertisen, Hierarchien interessieren ihn we-nig. Alle aus dem Forscherteam sollen ihre Ideen einbringen. »Meine Aufgabe ist es«, sagt er, »Leute einzustellen, die besser sind als ich, und dann zu versuchen, das Beste aus ihnen herauszubringen.« Er sieht sich in der Rolle eines Fußballtrainers, der dafür sorgt, dass die beste Elf auf dem Platz steht.
Seeberger ging bereits nach sechs Semestern Chemie an der Universität Erlangen für ein Jahr an die University of Colorado, um Biochemie zu studieren. Danach bekam er das Angebot zu blei-ben und gleich zu promovieren, ohne Abschluss in Deutschland. Mit 28 hatte er den Doktortitel in der Tasche und wechselte an ein großes Krebs-forschungsinstitut in New York. Eigentlich wollte er wieder zurück nach Deutschland – doch dann kam ein Angebot, das er nicht ausschlagen wollte: vom MIT in Cambridge. Dort ent-wickelte er mit seiner Forschungsgruppe die automatisierte Zuckersynthese. Das erste Gerät für das Verfahren steht in sei-nem Dahlemer Büro. »Es hat mir immer Spaß gemacht, etwas Eigenes aufzubauen«, sagt Seeberger. Eine Forschergruppe funk-tioniere wie ein eigenes Unternehmen. Man entwickelt ein Projekt, sucht sich ge-eignete Mitarbeiter, wirbt Drittmittel ein, bringt neue Produkte heraus und vermark-tet sie. Und man wisse: »Wenn wir eine tolle Forschung machen, dann könnte es sein, dass wir auch mal eine Firma ausgründen.« In den USA hat Seeberger zwei Firmen gegründet. Er wolle zwar keine Auftragsforschung für die Indus-trie, aber er glaubt, »dass die Symbiose von Wis-senschaft und Wirtschaft gut funktionieren kann«.
2003 kam er nach Europa zurück, ging an die altehrwürdige ETH Zürich, bis er schließlich 2009 in Berlin am Max-Planck-Institut landete: »Wir ma-chen Grundlagenforschung, weigern uns aber auch nicht, weiterzudenken.« Er will die gewonnenen Erkenntnisse auch wirtschaftlich umsetzen, ist als Forscher dem Unternehmertum nicht abgeneigt. »Es ist nichts Falsches am Geldverdienen«, sagt Seeberger, dessen Kritiker ihn für zu kommerziell ausgerichtet halten. Er wünscht sich mehr Ausgrün-dungen. Für seinen Geschmack gebe es für Berlin als Biotech-Standort noch Luft nach oben.
Sein Lebensmotto, ein Zitat des britischen Na-turforschers Michael Faraday, hängt – ebenfalls eingerahmt – an der Wand zwischen den vielen Urkunden: »Work, finish, publish.« Genau so hat Seeberger es bisher gehalten. HeIKe GläSer
» Wenn Wir tolle
Forschung machen,
können Wir auch mal eine Firma
ausgründen «
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44 | Tagesspiegel Köpfe
D er Weg des Florida-Eises beginnt in ei-ner handelsüblichen Wäschewanne. An der Abwiegestation hebt ein Mitarbeiter
Schaufel um Schaufel Milchpulver, Trockenei und Zucker hinein. Jeder Handgriff geschieht nach einem handgeschriebenen Rezept, das ge-schützt von einer blauen Mappe neben der Wage liegt. Mit einem großen Schneebesen und kräfti-gen Armen vermischt der Mann die Pulver, zer-drückt letzte Klumpen. Dann gibt er die Zutaten nach und nach in einen mit 200 Litern Wasser gefüllten Stahlbottich. Die Mischung wird gut verrührt und anschließend umgefüllt in einen Pasteurisierer. »Während sie darin auf 80 Grad erhitzt wird, um Keime und Bakterien abzutöten, geben wir Butter zu«, erklärt Produktionsleiterin Christine Büsselberg. Wahrscheinlich würde ein
NEUE EISZEITIn der FLOrida-eis-manuFaKtur in Spandau entsteht hochwertiges und sogar CO2-neutrales eis. Inhaber Olaf Höhn will die produktion in diesem Jahr verdoppeln und spürt, dass er den ganz Großen ein Dorn im Auge ist
TeXT Arne Bensiek | fOTOS Alice epp
Mitarbeiter der Florida-Eis-Manufaktur auch diesen Produktionsschritt über-nehmen, wenn das Erhitzen denn von menschlicher Hand möglich wäre.
»Man kann schmecken, dass unser Eis von Hand gemacht wird«, ist Inhaber Olaf Höhn überzeugt. Der 64-jährige Maschinenbauinge-nieur im weißen Kittel ist ein wahrer Eismissi-onar, der einem tausend Geschichten erzählen kann. Seit fast 30 Jahren stellt Höhn Eis her, anfangs in einem kleinen Eiscafé, heute in einer stattlichen Fabrik. Seine Produkte hätten eine besondere Konsistenz, einen außergewöhn-lichen Geschmack und würden sich dadurch unterscheiden von industriell hergestelltem Eis, das Maschinen sekundenschnell und günstigst-möglich ausspucken. »Wenn Eis mit maschinel-
MagaZiN
»Man kann schmecken, dass unser Eis von
Made inBERLIN
Tagesspiegel Köpfe | 45
Olaf Höhn (links) setzt bei seinem florida-eis auf Handarbeit: vom Mischen der Grundmasse bis zum Häckseln der Schokosplitter.
lem Druck abgefüllt wird, zerstört das die feine Struktur und produziert Eiswürfel«, sagt Höhn und fügt einen Satz hinzu, den niemand von einem Eisfabrikanten erwarten würde: »Wenn man ehrlich ist, braucht ja keiner Eis, außer Kinder nach der Mandel-OP.« Wenn er schon ein Produkt herstelle, das ein gewisser Luxus sei, dann wolle er auch die maximale Qualität bieten. Dafür könne er auch einen entsprechenden Preis verlangen.
Höhn glaubt an den Geschäftserfolg von handgemachtem und – mindestens genauso wichtig – umweltfreundlichem Eis. Dafür hat er im vergangenen Jahr für fünf Millionen Euro eine neue Produktionsstätte in Spandau gebaut, mit 4000 Quadratmetern statt der vorherigen 800 und mit Solarzellen und einem Windrad auf dem Dach. Die Lampen und Maschinen der Fabrik verbrauchen Ökostrom, weshalb Höhn stolz mit der CO2-Neutralität seiner mehr als 60 Sorten wirbt. Offensichtlich mit Erfolg: »Die Leute rennen uns mittlerweile die Bude ein«, schwärmt Höhn.
Wenn der Pasteurisierer die flüssige Grundmasse wieder auf vier Grad herunterge-kühlt hat, wird das zukünftige Eis ein letztes Mal umgepumpt in einen der fünf großen Tanks, die jeweils zwei Eismaschinen versorgen. »Das sind traditionelle Eismaschinen, die heute anderswo
nur noch selten zum Einsatz kommen«, betont Produktionsleiterin Büsselberg. Anders als in der Lebensmittelindustrie üblich, werde in das Florida-Eis möglichst wenig Luft gepumpt. »Luft schmeckt ja nicht, sondern das Eis«, sagt Büssel-berg und bleibt vor einer der Eismaschinen ste-hen. Im Durchmesser eines Bierdeckels drängt aus dem stählernen Kasten langsam aber bestän-dig cremefarbenes Mandarineneis und fällt in einen kleinen Metallbehälter. Ein Mitarbeiter verteilt eingekochte Mandarinen über dem Eis und vermengt beides behutsam mit einer Kelle. Das Eis ist jetzt fertig. Mit einem etwas größeren Kugel-Portionierer füllt der Mitarbeiter nun den Halbliterbecher. Mit drei Kugeln ist die Füllmen-ge erreicht, der Mann legt den Portionierer aus der Hand, drückt einen Deckel auf den randvol-len Becher und stellt ihn auf ein schmales Fließ-band, das ihn Richtung Kühllager abtranspor-tiert. Bis zu 200 Becher schafft er in der Stunde.
Zwei Maschinen weiter entsteht Latte-Mac-chiato-Eis, für das ebenfalls erst zuallerletzt von Hand Schokosplitter untergemischt werden. Mandarinen, geröstete Haselnüsse, Pistazien, Schokosplitter und auch die Soßen und Pürees, die dem Eis seinen jeweiligen Geschmack geben – all diese Zugaben werden eigens von Hand in der Soßenküche der Eismanufaktur zubereitet. Besonders spektakulär geschieht das im Fall der Schokosplitter: Schokoladenpellets werden da-für geschmolzen, die Soße dünn auf Backpapier ausgestrichen, gekühlt und letztlich mit einer Art siebenfachem Pizzaschneider wieder in Splitter zerhäckselt. Ein Prozedere, das vermutlich den meisten industriegeprägten Lebensmitteltech-nikern die Haare zu Berge stehen lassen würde. Aber es ist Olaf Höhns ganze Leidenschaft: »Ge-nauso werde ich mein Eis immer herstellen«, verspricht er.
Acht Millionen Euro Umsatz hat Florida-Eis im vergangenen Jahr gemacht. Im Verhältnis zur Mitarbeiterzahl von 250 in der Fabrik und den vier Florida-Eiscafés ist das ein überraschend niedriger Wert. »Sie stehen hier vor einem Inha-ber, einem Überzeugungstäter, nicht vor einem Geschäftsführer«, antwortet Höhn auf diesen Einwand. Er denke nicht daran, seine Eispro-duktion zu rationalisieren. Vielmehr wolle er am liebsten weitere 30 Mitarbeiter einstellen. Schließlich werde Florida-Eis die Produktions-menge in diesem Jahr in etwa verdoppeln: auf mehr als 2000 Tonnen Eis.
Neben der Florida-Eis-Straße hat Olaf Höhn gerade ein zweites Fließband errichten lassen. »Die König-Ludwig-Straße«, stellt er das ruhen-
der Jahresumsatz von Florida-Eis lag im vergangenen Jahr bei acht Millionen Euro. Im Verhältnis zur Mitarbei-terzahl von 250 ist das ungewöhnlich niedrig. Eine Manufaktur eben.
29 Jahre ist es her, dass Olaf Höhn
ein kleines Eiscafé in Spandau gekauft hat. Heute besitzt er vier Ca-fés und die Manufaktur.
62 | Tagesspiegel Köpfe
Am Ball: Giovanni Zarrella foto
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Buchpremiere
Netzwerken mit Anleitung Zur Premiere des Ratgebers »Crash-kurs Networking« hatte die Sydbank eingeladen, auf dem Podium unterhielt sich die Buchautorin Martina Haas mit Manfred Kurz, Repräsentant der Würth-Gruppe in Berlin und Brüs-sel, und Corinna Salander, Leiterin des Zulassungsmanagements von Bombardier Transpor-tation. Sie waren sich einig: Ohne Vernet-zung keine Geschäfte. Anschließend ließ es sich bei Wein gut netzwerken.
Netzwerkfaktor profinetzwerker unter sich •••••
uNiqlo
sake und Buletten Zur Eröffnung des Flagshipstores der japanischen Marke Uniqlo zog es die Hauptstädter in Massen an den Tau-entzien. Auch der japanische Botschaf-ter Takeshi Nakane hatte es sich nicht nehmen lassen, zur Eröffnung zu kom-men, genauso wenig wie Wirtschafts-senatorin Cornelia Yzer. Und Topmo-del Eva Padberg war gleich in einer mintgrünen Uniqlo-Daunenjacke er-schienen.
Verwöhnt wurden diese VIP-Gäste mit einem Flying Buffet. Bei »From Tokyo to Berlin« gab es Sake, Sushi, Algensalat und – Buletten. Eine ver-wegene Mischung, aber den Gästen gefiel es.
atmosphäre Anziehend für außeror-dentlich viele Berliner •••••
Nach 45 Jahren in Moabit zog es BMW an den Kaiserdamm: Hier errichtete der renommierte Architekt Peter Lanz auf einer Fläche von 16.000 Quadrat-metern Ödnis ein schickes, ökolo-gisch vorbildliches Gebäude. Dass es bei den geplanten 65 Millionen Euro blieb, nötigte Klaus Wowereit Respekt ab. »Geht doch!«, sagte der Regieren-de Bürgermeister in seinem Grußwort.
Roland Krüger, Vertriebschef von BMW Deutschland, dankte Hans- Reiner Schröder, dem langjährigen Niederlas-sungsleiter in Berlin, und gratulierte gleichzeitig noch dessen Nachfolger Wolfgang Büchel zum Geburtstag.
atmosphäre ein nüchternes event mit klarer struktur, wie man es von diesem Gastgeber erwartet •••••
Wolfgang Büchel, Klaus Wowereit, Reinhard Naumann, Roland Krüger
Bmw
Leben in die ödnis gebracht
Pierre Littbarski, Monica Lierhaus, Neven Subotic
coca-cola
WM-VorfreudeDer Fußball-WM-Pokal, der Star des Abends, wurde nur einmal von den ehemaligen Weltmeistern Horst Eckel (1954), Bernd Hölzenbein (1974) und Pierre Littbarski (1990) ein wenig ge-lupft, ansonsten musste er auf seinem
Sockel bleiben: Zu der WM-Gala ins Axica am Pariser Platz hatte Coca-Cola geladen,
unter den Gästen waren die Moderatorin Monica Lierhaus, der Schau-
spieler Peter Lohmeyer und mit Neven Subotic von
Borussia Dortmund auch ein aktiver Fußballer. Freudig begrüßt wurden sie von Coca-Cola-Deutschlandchef Ulrik Nehammer.
stil farbenfroh und voll guter Laune: eine Gala mit Kultcharakter •••••
NeTzwerk
Tagesspiegel Köpfe | 63
petra fladenhofer, André Maeder und Iris Berben
Mode-Ikone und starbloggerin: Auch Chiara ferragni gab sich die ehre.
kaDewe
Bella figura am tauentzienItaliens Botschafter in Berlin, Elio Menzio-ne, fühlte sich sichtlich wohl bei der Eröff-nung des »Studio Italia – La Perfezione del Gusto« im Atrium des KaDeWe, und das lag ohne Frage an den wunderbaren Gäs-ten, darunter die Schauspielerinnen Marie Bäumer, Iris Berben und Natalia Wörner.Noch mehr Dolce Vita verkörperte an die-sem Abend zweifelsohne Chiara Ferragni, italienische Mode–Bloggerin von Welt-ruf. Angesprochen auf die Berliner Mode meinte die Mode-Ikone charmant, sie liebe den ungekünstelten Stil der Hauptstädter. Netter kann man es eigentlich nicht sagen, oder? Das fand auch der Gastgeber, der neue KaDeWe-Chef André Maeder.
promiDichte Vornehmlich weibliche promis waren der einladung in scharen gefolgt •••••
KALENDER
teRMINe IM MAI
06.–09.05. | 10 UhrfIRMeNKoNtAKt-Messe CoNNeCtICUMEine der weltweit größten Karriere-messen für Studenten und Absolventen, die alljährlich inBerlin stattfi ndet. Veranstaltungs-ort ist der Flughafen Tempelhof.connecticum.de
07.05. | 19 UhrBUCHVoRsteLLUNG »sMALLtALK 1X1«Die Kunst des »kleinen Gesprächs« als Karriereförderer: Die Ex-Spitzenpolitikerin Magda Bleckmann stellt ihr Buch vor und gibt Tipps, worauf es beim Plaudern ankommt. berlincapitalclub.de
15.05. | 9 UhrUMGANG MIt eXIsteNZÄNGsteNDas Seminar richtet sich an Unternehmerinnen, die mit Existenzängsten konfrontiert sind. Die Ängste sollen zuerst thematisiert werden, um dann gemeinsam Bewältigungsstra-tegien zu erarbeiten, damit die Frauen weiterhin erfolgreich sind. akelei-online.de
19.–21.05. | 9 UhrBeRLINeR eNeRGIetAGeDie Energietage gelten als Leit-veranstaltung für Energieeffi zienz und bieten einen Überblick über die politischen, wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen. berliner-energietage.de