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17. Wahlperiode Plenarprotokoll 17/62

62. Sitzung

Mittwoch, den 22.08.2018

Mainzin der Steinhalle des Landesmuseums

Mitteilungen des Präsidenten. . . . . . . . . 3894

AKTUELLE DEBATTE . . . . . . . . . . . . 3894

Schuljahr 2018/2019: Guter Start – GuteRahmenbedingungen – Gute Bildungauf Antrag der Fraktion der SPD– Drucksache 17/7053 – . . . . . . . . . . . 3894

Abg. Bettina Brück, SPD: . . . . . . . . . 3894, 3901Abg. Thomas Barth, CDU: . . . . . . . . 3895, 3901Abg. Joachim Paul, AfD: . . . . . . . . . 3897Abg. Monika Becker, FDP: . . . . . . . . 3898Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3898Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung: 3899Abg. Michael Frisch, AfD: . . . . . . . . . 3902

Unzureichende Maßnahmen der Landes-regierung und notwendige Schritte zurSicherung der ärztlichen Versorgung inRheinland-Pfalzauf Antrag der Fraktion der CDU– Drucksache 17/7055 – . . . . . . . . . . . 3903

Abg. Dr. Christoph Gensch, CDU: . . . . 3903, 3909Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: . . . . 3904, 3909Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: . . . . . . . . 3905, 3910Abg. Steven Wink, FDP: . . . . . . . . . . 3906Abg. Katharina Binz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3907, 3910Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin fürSoziales, Arbeit, Gesundheit und Demogra-fie: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3908

Gefährliche Zuwanderer in Rheinland-Pfalzauf Antrag der Fraktion der AfD– Drucksache 17/7054 – . . . . . . . . . . . 3911

Abg. Uwe Junge, AfD: . . . . . . . . . . . 3911, 3918Abg. Wolfgang Schwarz, SPD: . . . . . . 3912, 3919Abg. Christian Baldauf, CDU: . . . . . . . 3913, 3919Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: . . . . . . . . . . . . . . . . . 3915, 3920Abg. Thomas Roth, FDP: . . . . . . . . . 3915

Roger Lewentz, Minister des Innern und fürSport: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3916

Die Aktuelle Stunde wird dreigeteilt. . . . . . 3920

Jeweils Aussprache gemäß § 101 GOLT. . . 3920

Vom Landtag vorzunehmende Wahlen . . 3921

Wahl der Vizepräsidentin des Rechnungs-hofs Rheinland-PfalzWahlvorschlag der Ministerpräsidentin– Drucksache 17/6635 – . . . . . . . . . . . 3921

Einstimmige Annahme des Wahlvorschlags– Drucksache 17/6635 – . . . . . . . . . . . 3921

Wahl von Mitgliedern des Verwaltungsratsder Wiederaufbaukasse . . . . . . . . . . 3921

Wahlvorschlag der Fraktion der SPD– Drucksache 17/7046 – . . . . . . . . . . . 3921

Einstimmige Annahme des Wahlvorschlags– Drucksache 17/7046 – . . . . . . . . . . . 3921

Wahlvorschlag der Fraktion der CDU– Drucksache 17/7052 – . . . . . . . . . . . 3921

Einstimmige Annahme des Wahlvorschlags– Drucksache 17/7052 – . . . . . . . . . . . 3921

Wahlvorschlag der Fraktion der AfD– Drucksache 17/7047 – . . . . . . . . . . . 3921

Einstimmige Annahme des Wahlvorschlags– Drucksache 17/7047 –. . . . . . . . . . . . 3921

Wahlvorschlag der Fraktion der FDP– Drucksache 17/7057 – . . . . . . . . . . . 3921

Einstimmige Annahme des Wahlvorschlags– Drucksache 17/7057 – . . . . . . . . . . . 3921

Wahlvorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN– Drucksache 17/7056 – . . . . . . . . . . . 3921

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Einstimmige Annahme des Wahlvorschlags– Drucksache 17/7056 – . . . . . . . . . . . 3921

..tes Landesgesetz zur Änderung desLandeskrankenhausgesetzesGesetzentwurf der Landesregierung– Drucksache 17/5490 –Zweite Beratung

dazu:Beschlussempfehlung des Ausschusses fürGesundheit, Pflege und Demografie– Drucksache 17/7027 – . . . . . . . . . . . 3921

Abg. Dr. Peter Enders, CDU: . . . . . . . 3921Abg. Dr. Tanja Machalet, SPD: . . . . . . 3922Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: . . . . . . . . 3923Abg. Steven Wink, FDP: . . . . . . . . . . 3923Abg. Katharina Binz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3924Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin fürSoziales, Arbeit, Gesundheit und Demogra-fie: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3925

Einstimmige Annahme der Beschlussempfeh-lung – Drucksache 17/7027 –. . . . . . . . . 3925

Jeweils einstimmige Annahme des Gesetz-entwurfs – Drucksache 17/5490 – in zweiterBeratung und in der Schlussabstimmung. . 3925

...tes Landesgesetz zur Änderung desLandes-ImmissionsschutzgesetzesGesetzentwurf der Landesregierung– Drucksache 17/6380 –Zweite Beratung

dazu:Beschlussempfehlung des Ausschusses fürUmwelt, Energie, Ernährung und Forsten– Drucksache 17/7024– . . . . . . . . . . . 3926

Einstimmige Annahme des Gesetzentwurfs –Drucksache 17/6380 – in zweiter Beratung undin der Schlussabstimmung. . . . . . . . . . 3926

Landesgesetz über den Zusammenschlussder Verbandsgemeinden Herrstein undRhaunenGesetzentwurf der Fraktionen der SPD, FDP,BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN– Drucksache 17/6490 –Zweite Beratung

dazu:Beschlussempfehlung des Innenausschusses

– Drucksache 17/7025 – . . . . . . . . . . . 3926

Abg. Hans Jürgen Noss, SPD: . . . . . . 3926Abg. Alexander Licht, CDU: . . . . . . . . 3926Abg. Monika Becker, FDP: . . . . . . . . 3927Abg. Jürgen Klein, AfD: . . . . . . . . . . 3927Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3928Roger Lewentz, Minister des Innern und fürSport: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3928

Einstimmige Annahme des Gesetzentwurfs –Drucksache 17/6490 – in zweiter Beratung undin der Schlussabstimmung. . . . . . . . . . 3929

Landesgesetz über den Zusammenschlussder Verbandsgemeinden Rheinböllen undSimmern/HunsrückGesetzentwurf der Fraktionen der SPD, CDU,FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN– Drucksache 17/7000 –Erste Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . 3929

Überweisung des Gesetzentwurfs – Druck-sache 17/7000 – an den Innenausschuss –federführend – und an den Rechtsausschuss. 3929

Landesgesetz über den Zusammenschlussder Verbandsgemeinden Altenkirchen(Westerwald) und FlammersfeldGesetzentwurf der Fraktionen der SPD, CDU,FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN– Drucksache 17/7001 –Erste Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . 3929

Überweisung des Gesetzentwurfs – Druck-sache 17/7001 – an den Innenausschuss –federführend – und an den Rechtsausschuss. 3929

Agrarbericht 2018Besprechung des Berichts der Landesregie-rung (Drucksache 17/6980)gemäß Beschluss des Landtags vom 12. Okto-ber 1989 zu Drucksache 11/3099 . . . . . . 3930

Abg. Nico Steinbach, SPD: . . . . . . . . 3930, 3931Abg. Arnold Schmitt, CDU: . . . . . . . . 3931Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: . . . . . . . . 3932Abg. Marco Weber, FDP: . . . . . . . . . 3933, 3935Abg. Michael Billen, CDU: . . . . . . . . . 3935Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: . . . . . . . . . . . . . 3936Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft,Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau: . . 3937

Mit Besprechung erledigt. . . . . . . . . . . 3939

* * *

Präsidium:

Präsident Hendrik Hering, Vizepräsident Hans-Josef Bracht, Vizepräsidentin Astrid Schmitt.

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Anwesenheit Regierungstisch:

Malu Dreyer, Ministerpräsidentin; Doris Ahnen, Ministerin der Finanzen, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales,Arbeit, Gesundheit und Demografie, Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten, Dr. StefanieHubig, Ministerin für Bildung, Roger Lewentz, Minister des Innern und für Sport, Herbert Mertin, Minister der Justiz, AnneSpiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz, Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft,Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, Prof. Dr. Konrad Wolf, Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur; ClemensHoch, Staatssekretär.

Entschuldigt:

Abg. Anke Beilstein, CDU, Abg. Horst Gies, CDU, Abg. Helga Lerch, FDP, Abg. Thomas Weiner, CDU; Hans Beckmann,Staatssekretär, Heike Raab, Staatssekretärin, Daniela Schmitt, Staatssekretärin, Dr. Stephan Weinberg, Staatssekretär.

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

62. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalzam 22.08.2018

B e g i n n d e r S i t z u n g : 1 4 : 5 0 U h r

Präsident Hendrik Hering:

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie recht herz-lich zur 62. Plenarsitzung begrüßen.

Schriftführende Abgeordnete sind die Kollegen Steinbachund Reichert. Herr Steinbach wird die Redeliste führen.

Entschuldigt fehlen heute die Kolleginnen Beilstein undLerch sowie die Kollegen Gies und Weiner. Herr Staats-minister Professor Dr. Wolf ist ab 17:15 Uhr entschuldigt.Entschuldigt sind auch die Staatssekretärinnen Frau Raabund Frau Schmitt und die Staatssekretäre Herr Beckmannund Herr Dr. Weinberg.

Dann dürfen wir einer Reihe von Kolleginnen und Kollegengratulieren. Am 28. Juni ist Herr Lammert 50 Jahre altgeworden. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im Hause)

Herr Dr. Bernhard Braun ist am 30. Juni 2018 60 Jahre altgeworden. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im Hause)

Frau Willius-Senzer hatte am 13. Juli 2018 einen halbrun-den Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im Hause)

Fredi Winter ist am 16. Juli 70 Jahre alt geworden. Herzli-chen Glückwunsch!

(Beifall im Hause)

Herr Dr. Böhme ist am 2. August 55 Jahre alt geworden.Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall der AfD, vereinzelt Beifall bei derCDU und Beifall des Abg. Dr. Bernhard

Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Weiland ist am 14. August 65 Jahre alt geworden.Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im Hause)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe Ihnen mitzu-teilen, dass – wie gewohnt – Änderungs-, Alternativ- undEntschließungsanträge bei den jeweiligen Tagesordnungs-punkten gesondert aufgerufen werden.

Der Landtag verzichtet einvernehmlich darauf, in der 64.Plenarsitzung am Freitag, den 24. August 2018, eine Fra-gestunde durchzuführen.

Im Übrigen ist Ihnen die Tagesordnung zugegangen. Ichsehe keine Änderungs- oder Ergänzungswünsche. Dannwird nach der vorgeschlagenen Tagesordnung verfahren.

Ich rufe damit Punkt 1 der Tagesordnung mit dem erstenThema auf:

AKTUELLE DEBATTE

Schuljahr 2018/2019: Guter Start – GuteRahmenbedingungen – Gute Bildung

auf Antrag der Fraktion der SPD– Drucksache 17/7053 –

Für die antragstellende Fraktion spricht Frau KolleginBrück.

Abg. Bettina Brück, SPD:

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die best-mögliche Bildung und Förderung für jedes Kind unabhän-gig von der sozialen Herkunft und unabhängig von derFinanzkraft der Eltern steht für die SPD-Fraktion im Mittel-punkt des politischen Handelns.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war in der Vergangenheit so, und das wird auch inZukunft so bleiben. Das zeigt sich auch zu Beginn desneuen Schuljahres.

Deshalb ist es uns wichtig, das heute zu thematisieren, umden Blick auf eines der wichtigsten und – als Bildungspoli-tikerin sage ich das – auf das wichtigste Feld der Landes-politik zu lenken.

Dem Schuljahresanfang gilt immer eine besondere Auf-merksamkeit. Er ist Gradmesser für die Stimmung an un-seren Schulen. Ich bin froh, dass wir feststellen können,dass das neue Schuljahr in diesem Sommer wieder einmalsehr gut angefangen hat. Es ist rundum gelungen.

Das belegen die Gespräche mit den Schulen, den Lehrkräf-ten und den Eltern. Während sich aus anderen Bundes-ländern die negativen Meldungen mehren, Lehrermangeldort greifbar ist und Funktionäre vom Bildungsnotstandsprechen, konnten in Rheinland-Pfalz entgegen dem Bun-destrend durch eine konsequente Personalpolitik alle Plan-stellen im hart umkämpften Grundschullehramt mit grund-ständig ausgebildeten Lehrkräften besetzt werden.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lediglich – das muss man einräumen – bei den Förder-schullehrkräften gibt es einen kleinen Engpass, wie überallin der Republik. Aber auch der wird in den nächsten Mo-naten mit dann gerade fertig ausgebildeten Lehrkräftenbehoben werden können.

Dies ist keinesfalls selbstverständlich und kommt auchnicht von ungefähr. Das Schlechtreden und Angstschürender Opposition in ihren Pressemeldungen und Einträgen insozialen Netzwerken verfängt nicht; denn anders als ande-re Bundesländer hat Rheinland-Pfalz in den vergangenenJahren immer stetig Lehrkräftenachwuchs ausgebildet undübrigens – ich erinnere einmal daran – auch trotz allerKritik von der Opposition eine Ausbildung über den Bedarf

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

hinaus betrieben und einen Einstellungskorridor für alleLehrämter offengehalten. Das kommt uns jetzt zugute.

Rund 1.000 Lehrerinnen und Lehrer sind im neuen Schul-jahr neu eingestellt worden. Die Schülerzahlprognosender Landesregierung stimmen mit der Realität überein.Die Rahmenbedingungen für eine gute strukturelle Unter-richtsversorgung sind gelegt. Wir als Koalition haben die100 %ige Unterrichtsversorgung im strukturellen Bereichfest im Blick.

Dass wir nicht die Hände in den Schoß legen, sondern esernst meinen, zeigt die Ankündigung der Landesregierung,im kommenden Doppelhaushalt unter anderem 260 zusätz-liche Lehrerstellen schaffen zu wollen. Selbstverständlichgibt es vorausschauend auch ein Bündel von Maßnahmenfür besonders gesuchte Lehrkräfte im Grund- und Förder-schulbereich, um zum Beispiel durch Wechselprüfungenaus anderen Lehrämtern auch zukünftige Bedarfe deckenzu können. Das ist eine echte Herausforderung in Zeitender Schuldenbremse.

Gute Bildung ist uns das wert. Wir wollen gute Rahmen-bedingungen für einen attraktiven Unterricht. Hier zeigtsich deutlich, dass die Landesregierung eine besonderePriorität bei der Bildung setzt. Die jüngsten Studien be-stätigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. In keinemanderen Bundesland hängt der Bildungserfolg so wenigvon der sozialen Herkunft ab wie in Rheinland-Pfalz. Dasheißt, Chancen zu eröffnen und alle Talente individuellzu fördern. Bildungsgerechtigkeit ist für uns ein zentralesAnliegen.

Zu guten Rahmenbedingungen gehört auch, dass der Ver-tretungslehrerpool jetzt um weitere 200 Stellen – 100 jetztund 100 zum nächsten Halbjahr – auf insgesamt 1.300feste Beamtenstellen aufwachsen wird. Außerdem kannman die gute Nachricht, die Ministerin Hubig im Mai vorden Ferien verkündet hat, nicht oft genug wiederholen. Abdiesem Schuljahr werden alle Vertretungslehrkräfte in denSommerferien durchbezahlt. Das Land handelt also auchauf diesem Feld sehr verantwortlich.

(Beifall der SPD, der Abg. CorneliaWillius-Senzer, FDP, und des BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN)

Wir übernehmen auch Verantwortung für das Personalinsgesamt, wenn ich zum Beispiel an die nächsten Be-soldungsrunden oder an die Beförderungsmöglichkeitenehemaliger Hauptschullehrkräfte auf das Lehramt A 13 beiRealschulen plus erinnere.

Ich könnte noch vieles erwähnen. Durch ein vielfältigesBündel von Maßnahmen hat sich die Schüler-Lehrer-Relation an unseren Schulen in den letzten zehn Jahrenkontinuierlich verbessert, sodass mehr Zeit für guten Un-terricht gegeben ist. Genau den wollen wir. Wir wollen guteSchulen und gute Lehrkräfte, um guten Unterricht zur Aus-bildung unserer Schülerinnen und Schüler zu machen.

Der Schuljahresstart 2018 legt dafür eine gute Grundlage.Wir danken der Schulaufsicht und unseren Lehrkräftenganz herzlich dafür, dass sie das so engagiert angehen.Das ist Bildungspolitik „Made in Rheinland-Pfalz“.

(Glocke des Präsidenten)

Das ist soziale Gerechtigkeit.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Hendrik Hering:

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Barth.

Abg. Thomas Barth, CDU:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren!Dass man zum Schuljahresbeginn eine Aktuelle Debatteüber das neue Schuljahr führt, ist völlig in Ordnung. Aberwir fragen uns als CDU-Fraktion, ob auch die Situation inden Schulen vor Ort in Ordnung ist.

(Beifall der CDU)

Sicherlich nicht. Kann man von einem guten Start ins neueSchuljahr sprechen, wenn kurz vor dem neuen Schuljahrgleich zweimal das Verwaltungsgericht politische Positio-nen der Landesregierung einkassiert hat?

(Beifall der CDU)

Auch in diesem Schuljahr bleibt die Zukunftsperspektive– ich nehme zu Anfang das Beispiel kleine Grundschulenheraus – völlig offen. Eine „Zwergreform bei Zwergschulen“titelte eine Tageszeitung und traf damit den Nagel auf denKopf.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist Ihnen allen bekannt,dass sich das Land bei der Schließungsreform der kleinenGrundschulen durch handwerkliche Fehler bis auf die Kno-chen blamiert hat. Meine Damen und Herren, das Problembleibt trotz allem auch in 2018/19 bestehen.

Anstatt ein Perspektivmodell zu schaffen, das neue Optio-nen für kleine Grundschulen schaffte, hat das MinisteriumSchließungsentscheidungen ohne ein durchdachtes Kon-zept durchgezogen und dadurch maximalen Flurschadenangerichtet. Zurück bleiben am Beginn des neuen Schul-jahres, auch bei den kleinen Grundschulen, die letztenEndes nicht geschlossen wurden, Tausende völlig unnötigverunsicherte Lehrer, Eltern und Schüler, meine Damenund Herren. Das ist ein Fakt.

(Beifall der CDU)

Wenn man die Verlautbarungen aus dem Bildungsminis-terium zu Beginn eines Schuljahres liest, fühlt man sichquasi wie in eine Traumwelt versetzt.

Frau Kollegin Brück, ich habe Ihren Zahlen sehr stark ge-lauscht. Ich bezweifele nur, dass das alles nachhaltig zuden Resultaten führen wird, die wir uns gerne erhoffen.

Auch hier reicht wieder einmal ein kleiner Ausflug zurückin die Vergangenheit, wie wir mit den Superlativen umzu-gehen haben.

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Im Schuljahr 2016/17 sind landesweit 210.000 Schulstun-den ausgefallen.

Frau Ministerin, dennoch sprachen Sie von der besten Un-terrichtsversorgung seit Jahren.

(Zurufe von CDU und SPD)

Ich hielte das für nicht adäquat.

Im Schuljahr 2017/18 – wir nähern uns der Gegenwart –fielen landesweit jede Woche wieder bis zu 15.000 Un-terrichtsstunden an allen rheinland-pfälzischen Schulenaus. Wir bezweifeln, dass Sie durch den Einstellungsmo-dus diesen Unterrichtsausfall dauerhaft werden reduzierenkönnen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das istder Hintergrund.

(Beifall der CDU)

Jahr für Jahr, und so wird es weitergehen, nicht gehaltenerUnterricht. Damit ist ein sinkendes Bildungsniveau leidervorprogrammiert. Da kommen wir gleich noch einmal be-sonders auf den Bereich der Grundschulen zu sprechen.

Die Botschaft, dass wir in Rheinland-Pfalz angeblich kei-nen Lehrermangel haben, ist daher reine Augenwischerei;denn woher kommen die ausgefallenen Unterrichtsstun-den?

(Beifall bei der CDU)

Darunter leidet natürlich die Unterrichtsqualität. Meine Da-men und Herren, sieht so gute Bildung aus?

Der Umgang mit Zahlen. Frau Kollegin Brück, Sie habendie strukturelle Unterrichtsversorgung angesprochen.

(Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD)

– Ja, ich weiß, der Umgang mit Statistiken ist so eine Sa-che, aber man kann sich die Zahlen durchaus einmal soherauspicken, wie sie einem passen. Das machen anderegenauso, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU –Zurufe von der SPD)

Das Land plant jedes Jahr mit einem strukturellen Un-terrichtsausfall. Dieser wird von der ADD nach Ministeri-umskonsultationen festgelegt und wird in den Stellen- undStundenzuweisungen ausgewiesen.

Warum wird überhaupt ein struktureller Unterrichtsausfalleingeplant? Das ist meine erste Frage.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU)

Die zweite Frage. Warum wird in Rheinland-Pfalz die-ser Unterrichtsausfall schulartübergreifend dargestellt undnicht schulartspezifisch?

Meine Damen und Herren, gibt es da seitens der Landes-regierung irgendetwas zu verbergen? Die Frage wird mansich doch noch einmal stellen können.

(Beifall der CDU)

Unterrichtsausfall führt zu Bildungsverfall.

Jetzt kommen wir zum Thema Grundschulen. Ich hoffewirklich, dass die Ankündigungen und die Taten, die mitden Einstellungen erfolgt sind, unser Grundschulbildungs-wesen etwas nachhaltig verändern. Aber ich zweifle daran.In den letzten zehn Jahren ist das Niveau an den Grund-schulen drastisch gesunken. Das kann nun wirklich keinerbestreiten.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Nicht nur da!)

2017 hat die IGLU-Studie erhebliche Defizite in den Grund-fähigkeiten Lesen und Rechtschreibung offengelegt. Dem-nach erreicht fast ein Viertel der rheinland-pfälzischenJungen und Mädchen in der Rechtschreibung nicht einmalden Mindeststandard.

(Zuruf des Staatsministers Roger Lewentz)

Dann kommen wir zur VERA-Vergleichsarbeit 2018. Mehrals die Hälfte aller Kinder in Rheinland-Pfalz erreicht nichteinmal das Regelniveau bei der Orthografie. Auch in Ma-thematik und Deutsch sind unsere Schüler Mittelmaß, wiedie in IQB-Studie ergab. Wir rangieren zwischen Platz 9und 13 von 16 Plätzen. Das ist allenfalls unterer/mittlererDurchschnitt. Durchschnitt kann jeder. Wollen wir nicht wie-der Klassenprimus werden, meine sehr geehrten Damenund Herren? Sieht so gute Bildung aus?

(Beifall der CDU und des Abg. JoachimPaul, AfD)

Ein Letztes noch zum Thema der Kolleginnen und Kolle-gen, die ausgebildet werden.

Ja, wir bilden viele Kolleginnen und Kollegen aus. Das istrichtig.

(Glocke des Präsidenten)

Aber viele verlassen Rheinland-Pfalz. 2017/18 waren es268 Fälle. Es ist nicht so, dass zum Schuljahresbeginn2018/19 der Hebel umgelegt und alles wieder besser wird.Frau Ministerin, deswegen bin ich sehr gespannt, welcheKonzepte Sie vortragen können, damit Rheinland-Pfalzwirklich wieder eine Spitzenposition einnehmen wird.

(Zurufe aus dem Hause)

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Präsident Hendrik Hering:

Wir dürfen zunächst Gäste im Landtag begrüßen, undzwar die ver.di-Seniorinnen und -Senioren aus dem KreisCochem-Zell. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Paul das Wort.

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Abg. Joachim Paul, AfD:

Liebe Kollegen, verehrtes Präsidium! Chuzpe – gute Schü-ler wissen, was das ist. Wenn die SPD eine Aktuelle De-batte mit dem Thema „Guter Start – Gute Rahmenbedin-gungen – Gute Bildung“ einbringt, dann ist das in der Tateine Chuzpe, eine Unverfrorenheit, einer Dreistigkeit.

Gute Bildung erkennt man vor allem daran, dass sich dieEndabnehmer, also die Hochschulen, die Unternehmens-vertreter, IHK, HWK, positiv über das Leistungsniveau derSchüler äußern. Das Gegenteil ist Fall. Unisono hört mandort, das Niveau wird Jahr um Jahr schlechter.

Der Niveauverlust wird gerade an den Übergängen offen-kundig, vom Gymnasium zur Hochschule, von der Schulezur Lehre.

Eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zu Studier- undAusbildungsfähigkeit kommt zu dem Ergebnis, die politischgewollte Inflation der Bildungsabschlüsse sei mit einer dra-matischen Absenkung der Anforderungen erkauft worden.Trotz vermehrter guter Schulabschlüsse kann man durch-aus hie und da einmal ein Anführungszeichen setzen. InUnternehmen oder Hörsälen haben wir es mit jungen Men-schen zu tun. Die Unternehmen und Hörsäle haben mitfehlenden Grundlagenkompetenzen hinsichtlich der Mathe-matik oder auch der Sprachrichtigkeit zu kämpfen. Deshalbseien immer mehr Betriebe und Universitäten gezwungen,die schulischen Grundlagen nachzubessern. Vorqualifizie-rung, Nachqualifizierung.

Die Situation in Rheinland-Pfalz ist nicht besser als imBundesdurchschnitt, sondern eher schlechter.

Am 13. Oktober 2017 wurde der Ergebnisbericht zum IQB-Bildungstrend vorgestellt. Viertklässler wurden in den Fä-chern Mathematik und Deutsch getestet. In Deutschlandinsgesamt haben sich die durchschnittlichen Leistungender Grundschüler von 2011 bis 2016 in den Kompetenzbe-reichen deutlich verschlechtert.

Im Ergebnis schneidet Rheinland-Pfalz im Bundesländer-vergleich in allen Kompetenzen unterdurchschnittlich ab.Rechtschreibung, Lesekompetenz, Zuhören und Mathe-matik: Die Situation ist dramatisch. Ein Viertel unsererViertklässler verfehlt bei der Rechtschreibung den Mindest-standard. Sie können also nicht einmal Wörter wie Mond,Mama, Milch alphabetisch ordnen. Wohlgemerkt in der 4.Klasse.

Man fühlt sich in die Alphabetisierungskampagne in Brasili-en der 1960er-Jahre zurückversetzt, oder man kann daraufblicken.

Das hält die SPD aber nicht davon ab, von guter Bildungzu sprechen. Sie müssten eigentlich von großer Heraus-forderung oder großen Baustellen sprechen, denen Siegegenüberstehen.

(Beifall der AfD)

Die SPD glaubt wohl allen Ernstes, eine Verbesserung derNoten im Allgemeinen würde auch einhergehen mit gutenLeistungen und guter Bildung. Wir lassen uns davon nicht

blenden. Seit gestern liegen die Zahlen schwarz auf weißvor. Eine Kleine Anfrage meines Kollegen Michael Frischhat Folgendes zutage gefördert:

Von 2015 bis 2017 stieg die Zahl derjenigen, die das Abiturabsolvierten, von 12.130 auf 18.165. Was für ein Anstieg!Das werden Sie beklatschen. Aber es ist mit einem großenNiveauverlust erkauft worden, und dieser Preis ist es nichtwert, liebe Kollegen. Gar nicht.

(Beifall der AfD –Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU)

Und das bei einem Absinken der Schülerzahlen im glei-chen Zeitraum um 13,4 %. Normalerweise hätte sich nundie Abiturdurchschnittsnote deutlich veschlechtern müs-sen. Wir wissen, dass viele Schüler mittlerweile das Gym-nasium besuchen, die eigentlich an der Realschule besseraufgehoben wären. Aber weit gefehlt. Die Durchschnittsno-te hat sich sogar verbessert, und zwar von 2,59 auf 2,46.Das werden Sie wieder bejubeln. Noch einmal, es ist miteinem dramatischen Niveauverlust erkauft worden.

(Abg. Jens Guth, SPD: Mit Niveauverlustkennen Sie sich ja aus!)

– Ja, gerade Sie kennen Sie sich da aus. Einen schönenGruß nach Worms.

(Beifall der AfD –Zurufe aus dem Hause)

– Schöne Grüße nach Worms. Sie sind bekannt. Sie sindstadtbekannt.

(Glocke des Präsidenten)

Viele Schüler erwerben mit dem Abitur zwar die Hochschul-zugangsberechtigung, aber, seien wir ehrlich, sie sind nichtmehr vollumfänglich studierfähig, das heißt, sie erwerbenzwar die Berechtigung, aber von der Reife ist mittlerweilegar nicht mehr die Rede. Bezeichnend!

Wie groß die Probleme an den Schulen sind, lässt sichauch daran ablesen, dass die Kosten für die Schulsozialar-beit explodieren. Die Gründe dafür sind zu einem beträcht-lichen Teil hausgemacht. Im Rahmen einer MündlichenAnfrage zum Thema Schulsozialarbeit in Rheinland-Pfalzmusste die Bildungsministerin am 21. Juni 2018 im Plenumeinräumen, dass die zunehmende Heterogenität der Schü-lerschaft der wesentliche Grund für den stetigen Ausbauder Schulsozialarbeit ist.

(Zuruf der Ministerpräsidentin Malu Dreyer)

Aber Sie kurieren immer nur an den Symptomen. Hete-rogenität ist kein Wert an sich, sondern er muss kritischbetrachtet werden, und das macht nur unsere Fraktion.

Mehr dazu in der zweiten Runde.

(Beifall der AfD –Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD)

Präsident Hendrik Hering:

Für die FDP-Fraktion hat Frau Abgeordnete Becker das

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Wort.

Abg. Monika Becker, FDP:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!Herr Paul, ich frage mich, wie Sie eigentlich den großspu-rig beschriebenen Abbau des Niveaus quantifizieren. Gibtes hierfür einen Level?

(Abg. Joachim Paul, AfD: Weil ich zehnJahre Lehrer war!)

– Oh.

(Unruhe im Hause –Glocke des Präsidenten)

Präsident Hendrik Hering:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Paul, Sie hatteneben das Wort. Jetzt hat Frau Kollegin Becker das Wort. –Bitte.

Abg. Monika Becker, FDP:

Meine sehr verehrten Damen und Herren, rund 409.800Schülerinnen und Schüler besuchen im Schuljahr 2018/19gut 1.500 allgemeinbildende Schulen. Darüber hinaus ha-ben die berufsbildenden Schulen ca. 119.000 Schülerin-nen und Schüler erwartet. Die amtliche Schulstatistik sagteinen anhaltenden leichten Rückgang der Schülerzahlenbis 2021 voraus und stellt im Anschluss daran wieder einenleichten Anstieg in Aussicht.

Zum Schuljahresstart waren über 900 Lehrerstellen überalle Schularten hinweg zu besetzen. Aufgrund der gutenPersonalplanung der Landesregierung konnten die Plan-stellen an den Grundschulen, an den Realschulen plusund Gymnasien mit grundständig ausgebildeten Lehrernbesetzt werden.

Herr Paul, das ist eine Analyse von Schulstart.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Dass die vollständige Stellenbesetzung an Förderschulen– die Kollegin hat es schon gesagt – nicht frühzeitig erfol-gen konnte, ist Ansporn für uns. Wir sind aber sicher, dassdie vom Bildungsministerium ergriffenen Maßnahmen da-bei in die absolut richtige Richtung gehen. Besonders dieVorabzusagen an Förderschullehrer in Ausbildung sowiedie Anpassung der Wechselprüfung sind nach unserer Auf-fassung geeignete Modelle dafür.

Meine Damen und Herren, der Vertretungspool wird auf-gestockt werden, und zwar um weitere 300 Stellen. Somitumfasst der Pool 1.300 Stellen, 500 Stellen mehr als 2016.Dies führt zu einer spürbaren Verbesserung im Sinne derSchülerinnen und Schüler, aber auch der Lehrerinnen undLehrer.

Die verbeamteten Lehrkräfte profitieren in den kommendenzwei Jahren von der 2 %igen Steigerung, die zusätzlichzum Tarifergebnis in die Besoldung einfließt.

Darüber hinaus können weiterhin bis zu 600 Hauptschul-lehrkräfte im Zuge der Wechselprüfung II von A 12 nachA 13 eingestuft werden. Bisher wurden hierbei bereits über1.000 Lehrkräfte befördert.

Des Weiteren zeichnet sich der Schulstart 2018/19 da-durch aus, dass die Sprachförderung noch einmal deutlichverbessert wurde. Dafür wurden 40 Planstellen für Sprach-förderkräfte bereitgestellt.

Meine Damen und Herren, zusammenfassend ist zu sa-gen, unser Schulsystem bleibt differenziert und durchläs-sig. Das Ganztagsschulangebot wird weiter ausgebaut,und die Ferienbetreuung wird qualitativ wie quantitativ ver-bessert.

Ebenso wird die Profilierung von Schulen im Auge be-halten, und deren Kompetenzen werden ausgebaut. ImSinne der Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicherBildung ist die duale Ausbildung, verbunden mit einer in-tensiven Werbung um Fachkräfte, weiter zu stärken.

Die Schulen sollen auch stärker bei der Personalgewin-nung und -rekrutierung mitwirken können. Das ist ein Ziel,das der Koalitionsvertrag vorgibt. Wir sehen, dass die Lan-desregierung hieran fokussiert arbeitet.

Herzlichen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Hendrik Hering:

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht HerrKollege Köbler.

Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte gestern vor einerWoche das Vergnügen, zum dritten Mal an einer Einschu-lung teilzunehmen, der von meiner kleinsten Tochter. Eserfüllt einen schon mit Stolz, wenn man in die leuchtendenAugen der Kinder blickt, die stolz mit der Schultüte in ihrerHand das Schulgelände betreten, wenn sie Klassenkame-radinnen und Klassenkameraden kennenlernen, wenn siedie Lehrerin oder manchmal sogar den Lehrer – manchmalden Lehrer – zum ersten Mal kennenlernen. Die Lust aufdas Abenteuer Schule, die Neugier, etwas zu lernen, neueDinge kennenzulernen, neue Menschen kennenzulernen,ist wirklich etwas ganz, ganz Großartiges. Ich kann berich-ten, es ist nach einer Woche noch nicht vergangen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Dasstimmt! –

Abg. Christian Baldauf, CDU: Der Frustkommt noch!)

Daher glaube ich, ist das wirklich ein ganz, ganz wichti-ges und einschneidendes Erlebnis, was die 35.430 ABC-Schützen in der vergangenen Woche allein in Rheinland-Pfalz erlebt haben. Ich finde, bei aller Diskussion, die wirhier immer wieder führen, das, was an allen Schulen, aberinsbesondere an den Grundschulen jeden Tag von den

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Lehrerinnen und Lehrern, von den Fachkräften, geleistetwird, ist wirklich eine ganz, ganz große Anstrengung. Ichdenke, das ist wirklich eine ganz, ganz wichtige Bereiche-rung für unsere Gesellschaft insgesamt. Ich finde, es istheute die Gelegenheit, dafür einfach einmal Danke zu sa-gen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich finde es gelinde gesagtetwas schwierig, lieber Herr Kollege Barth, wenn Sie sichhier hinstellen und sagen, das Niveau in unseren Grund-schulen sei in den letzten zehn Jahren drastisch gesunken,ohne dazu irgendeinen Beleg anzuführen.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Die Zahlensind doch da!)

Ich finde, dass dadurch die Arbeit der Fachkräfte, der Leh-rerinnen und Lehrer insbesondere an den Grundschulenvor Ort, nicht ausreichend gewürdigt und dadurch in einnicht angemessenes Licht gestellt wird.

Beispielsweise ist in der IQB-Bildungsstudie attestiert wor-den, die sich nicht auf die letzten zehn Jahre, sondern aufdie letzten fünf Jahre beschränkt, mit deren Ergebnissenwir parteiübergreifend selbstverständlich nicht zufriedenwaren, dass sich im Zeitraum von 2011 bis 2016 in denGrundschulen das Niveau bei den Themen „Lesekompe-tenz“ und „Mathematik“ konstant gehalten hat, aber wirin Rheinland-Pfalz beim Thema „Zuhören“ entsprechendeHerausforderungen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Paul bringt immerwieder die gleiche Rede zu allen bildungspolitischen The-men.

(Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

Ich will ihm nur den Hinweis geben, die alphabetische Rei-hung lautet Mama, Milch, Mond und nicht Mond, Mama,Milch.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, 1.100 junge Lehrerinnen undLehrer sind zum neuen Schuljahr eingestellt worden. Ichwill betonen, weil es uns immer wichtig war, die Frage derUnterrichtsversorgung bestmöglich sicherzustellen, dasswir mittlerweile einen Vertretungspool haben, der noch indiesem Schuljahr auf 1.300 beamtete Stellen anwachsenwird. Das halte ich für einen außerordentlich großen Erfolg.Das gilt auch für den Kampf, dafür zu sorgen, dass künf-tig Vertreterungslehrerinnen und Vertretungslehrer auchüber die Ferien hinweg bezahlt werden. Das ist ein ganz,ganz wesentlicher Beitrag und Schritt zu mehr Planungssi-cherheit, zu mehr sozialer Gerechtigkeit, aber vor allem zumehr Sicherheit für die Menschen, die das betrifft.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der FDP)

Um im Bild zu bleiben: Natürlich haben wir noch Hausauf-gaben zu machen. Es ist aber gerade in der Bildungspolitik,

die uns so wichtig ist, immer so, dass wir besser werdenkönnen. Das Pilotprojekt zum Thema „Ausbau der Selbst-ständigkeit von Schulen“ war sehr erfolgreich. Das gilt esjetzt aufzugreifen und weiter fortzusetzen.

Zu nennen sind die Themen „Soziale Gerechtigkeit“,„Durchlässigkeit“, „Spracherwerb“ und „Integration“. Mankann von Studien immer viel halten, aber ich finde, dassRheinland-Pfalz im Bildungsmonitor der Bertelsmann Stif-tung beim Thema „Integration“ bundesweit auf Platz 1 steht,kann man bei so viel Schwarzmalerei, die zu diesem The-ma geschieht, die mit der Realität überhaupt nichts zu tunhat, einmal nennen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der FDP –

Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So siehtes aus!)

Natürlich ist Digitalisierung das Megathema. Hier könnenwir uns an Ländern wie Estland orientieren. Wir redenüber die Generation – Herr Barth, deswegen teile ich IhreThese nicht, ich glaube, dass die Anforderungen immerhöher werden und nicht das Niveau sinkt, und es ist eineHerausforderung, die zu erfüllen –, die mutmaßlich denMars betreten wird. Für die brauchen wir die neuestenMedien, die besten Techniken und keine rückständigenHandyverbote.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der FDP)

Präsident Hendrik Hering:

Für die Landesregierung spricht Frau StaatsministerinDr. Hubig.

Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damenund Herren! Wenn einer noch daran zweifeln würde, dassder Start in dieses Schuljahr gut gelungen ist, dann wäreer spätestens jetzt davon überzeugt; denn die Oppositionspricht mit keinem Wort über den Start in dieses Schuljahr.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Keine Klagen, kein gar nichts. Es werden IQB-Studienfalsch zitiert; denn wenn Sie in die IQB-Studie schauen,dann sehen Sie, dass sich im Grundschulbereich nur dasZuhören verschlechtert hat, in allen anderen Bereichensind die Leistungen gleich geblieben.

(Zurufe von der CDU und der AfD)

Sie sind unpräzise, weil Sie nicht erwähnen, dass beiVERA3-Leistungen abgetestet werden, die erst ein Jahrspäter fällig sind. Das sollte man vielleicht auch einmalsagen. Wenn Sie sagen, die Schüler sind alle viel schlech-ter geworden, Sie aber gleichzeitig beklagen, dass mehrSchüler ein 1,0-Abitur haben, dann fehlt mir da jeglicherSinn für die Logik.

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –

Zurufe von der CDU und der AfD)

Meine Damen und Herren, uns ist in Rheinland-Pfalz etwasgelungen, was in fast keinem anderen Land im Momentgelingt.

(Abg. Martin Brandl, CDU: DieSchönfärberei geht einfach weiter! So wird

es nicht besser!)

Bei einer Gesamtzahl von 1.000 Pädagogen und Pädago-ginnen, die wir auch in diesem Jahr wieder zum Schulstartan allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen ein-gestellt haben, konnten wir für alle Planstellen an Grund-schulen, Gymnasien, Realschulen plus und IntegriertenGesamtschulen Lehrerinnen und Lehrer einstellen, die fürdas jeweilige Lehramt ausgebildet sind.

(Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

An den Förderschulen werden wir die 20 noch offenenStellen spätestens zum 1. Februar besetzen können.

Dass wir damit für Rheinland-Pfalz ein sehr gutes Ergeb-nis erzielen konnten, wird deutlich, wenn man dieser Tagedie Zeitung aufschlägt und sieht, wie es in den anderenLändern ist. Vielfach können Stellen nicht besetzt werden,oder die Besetzung von Planstellen erfolgt in größerer Zahlmit Seiten- und Quereinsteigern. Rheinland-Pfalz hat hiereine Ausnahmestellung, die nicht von ungefähr kommt.

Die Landesregierung hat wegen des bundesweit beste-henden Mangels an voll ausgebildeten Lehrkräften voraus-schauend ein Bündel an Maßnahmen ergriffen, um dieserSituation zu begegnen. Wir haben dabei immer eines imAuge: Die Qualität muss eben auch stimmen. Es geht nichtdarum, nach unten abzusenken. Deshalb haben wir auchkeine Massen von Quer- und Seiteneinsteigern.

Bei uns sind Einstellungen von Lehrkräften auf Planstellenseit dem letzten Jahr flexibel das ganze Jahr über und nichtnur an zwei Stichtagen möglich. Wir haben Referendarin-nen und Referendaren vorab ihre Einstellung zugesichert,und wir haben eine ganze Reihe von Einstellungen zeitlichvorgezogen.

Der Wechsel und die dafür erforderliche Prüfung von ei-nem anderen Lehramt zum Grundschullehramt werden mitBlick auf eine gute Versorgung auch in Zukunft ausgebaut.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Wir lehren übrigens auch „Medienkompetenz macht Schu-le“. Das ist richtig.

Alternativ zu dem Studium an der Universität können Lehr-kräfte anderer Lehrämter nun auch Veranstaltungen zumStudienseminar belegen. Das zeigt schon Wirkung. Wir se-hen, dass immer mehr junge Leute wechseln, weil sie wis-sen, dass sie vor Ort ihr pädagogisches und didaktischesHandwerkszeug für die Grundschule erlernen können.

Wir wollen die Lehrkräfte nicht nur ausbilden, sondern inRheinland-Pfalz halten. Wir halten sie auch in Rheinland-

Pfalz; denn zur Wahrheit gehört auch, dass nicht nur Lehr-kräfte von Rheinland-Pfalz woanders hingehen – das isteine ganz normale Bewegung, die überall in Deutschlandso ist –, sondern natürlich Lehrkräfte aus anderen Ländernnach Rheinland-Pfalz kommen. Das sollten Sie vielleichtauch noch mit erwähnen. Das wäre der Vollständigkeithalber vernünftig.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben einen Vertretungspool, den wir um 300 Stellenvon 1.000 auf 1.300 Planstellen für Beamtinnen und Be-amte aufgestockt haben, die für Vertretungsfälle da sindund dann auch so gehalten werden können. Wir habennatürlich die jüngsten Kollegien in Deutschland. Das führteben auch dazu, dass wir anders als andere Länder in dennächsten Jahren keine Pensionierungswelle zu befürchtenhaben. Auch wenn Sie gerne das Gegenteil behaupten, wirhaben Zahlen – wir nennen Ihnen diese Zahlen gerne –,und die Zahlen sind natürlich auf Tatsachengrundlagenerhoben und nicht irgendwelche Dinge, die wir uns ausden Fingern saugen.

(Zuruf des Abg. Martin Brandl, CDU)

– Genau, die langfristige Personalplanung und die Bezah-lung der Lehrkräfte werden besser. Auch das wird dazuführen, dass noch mehr Lehrkräfte in Rheinland-Pfalz nichtnur studieren, nicht nur ihr Referendariat machen, sonderndauerhaft bleiben.

Die Finanzministerin hat angekündigt, dass zusätzlichzu den Tarifergebnissen die Besoldung für Beamtinnenund Beamte um jeweils 2 % ansteigt. Das betrifft rund37.000 Lehrerinnen und Lehrer in Rheinland-Pfalz.

Die, die Vertretungsverträge haben und nicht verbeam-tet sind, werden künftig auch während der Sommerferiendurchbezahlt. Auch denen bieten wir bessere Arbeitsbe-dingungen.

Meine Damen und Herren, ich möchte zwei Dinge trotzdieser wirklich guten Nachrichten – wie gesagt, man siehtes an der Reaktion der Opposition – nicht ganz unerwähntlassen.

(Abg. Martin Brandl, CDU: Wer hat Ihnendas aufgeschrieben? Steht das im Text?)

Wir sehen die Entwicklung in den anderen Ländern. Wirsehen sie mit Sorge. Wir sind nämlich nicht blauäugig. Wirbeobachten die Schülerzahlen sehr genau und prognosti-zieren sie übrigens auch sehr genau.

(Abg. Martin Brandl, CDU: Das mussnatürlich auch passen!)

Wir arbeiten an zusätzlichen Maßnahmen, um weiterhingenügend Lehrkräfte für unser Land zu haben.

Bei 1.600 Schulen, bei 17.500 Klassen an den allge-meinbildenden Schulen, bei 40.000 Lehrkräften und fast530.000 Schülerinnen und Schülern ist klar, dass nichtimmer alles perfekt läuft und es an der einen oder ande-ren Stelle einmal Schwierigkeiten geben kann, aber wir

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

kümmern uns darum. Dass das so ist, sieht man daran,dass sich die Unterrichtsversorgung in den letzten Jahrenkontinuierlich verbessert hat. Das wird zusammen mit allenBeteiligten auch weiterhin eines unserer wichtigsten Zielebleiben.

Übrigens genauso wie die Unterrichtsqualität; denn derVollständigkeit halber hätten Sie vielleicht erwähnen kön-nen, dass wir gerade für die Grundschulen im Momentsehr viel machen. Neben „Medienkompetenz macht Schu-le“ haben wir die zwei Programme „Lesen macht stark“und „Mathe macht stark“, um die Grundfähigkeiten geradederjenigen Kinder zu fördern, die noch nicht so gut sind,wie sie sein sollten. Auch diese Programme greifen sehrgut. Die Lehrerinnen und Lehrer können damit sehr gutumgehen.

Das ist neben Digitalisierung und Sprachförderung abernur eines von vielen Themen, die wir alle unter sehr gutenRahmenbedingungen bearbeiten.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –

Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)

Präsident Hendrik Hering:

Für die SPD-Fraktion spricht Frau Abgeordnete Brück.

Abg. Bettina Brück, SPD:

Lieber Herr Barth, dass Sie sich gar nicht die Mühe ma-chen, irgendetwas zum Schulstart zu sagen, hat sichschon im ersten Satz bewahrheitet, als Sie die Frage nachdem Schulstart mit „sicherlich nicht“ tituliert haben, ohnedas in irgendeiner Art und Weise zu belegen, weil Sie so-gar vergangenheitsbewältigte Themen bemühen, um hierihre Position zu untermauern, die wirklich überhaupt nichtsmit dem Thema „Schulstart“ zu tun hat.

(Zurufe von der CDU)

Sie behaupten, Bildung sei in Rheinland-Pfalz ein Problem.Ich kann dieses Problem bei Weitem nirgendwo sehen underkennen. Wir erkennen auch keine Tausende verunsicher-te Lehrkräfte an kleineren und kleinen Grundschulen. Diereden Sie hierbei. Sie verunsichern die Leute, auch heutenoch einmal mit Ihrem Redebeitrag.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –

Zurufe von der CDU)

Wenn Sie die Unterrichtsversorgung bemühen, dann kön-nen wir uns gerne einmal draußen in der Lobby hinsetzen,und ich erkläre Ihnen den Unterschied zwischen struktu-reller und temporärer Unterrichtsversorgung.

(Zurufe von der CDU)

Ich erkläre Ihnen gerne auch noch einmal, wie die Un-terrichtsversorgung strukturell in Rheinland-Pfalz aus-sieht, nämlich anders als in anderen Bundesländern. Es

ist nicht nur Pflichtunterricht, sondern es gibt danebenDifferenzierungs- und Förderunterricht, der im Vorhineineingeplant ist. Das ist das absolute Gegenteil dessen, wasSie behaupten, dass Unterrichtsausfall geplant sei. Dasstimmt nicht.

(Zuruf des Abg. Martin Brandl, CDU)

Ich bitte Sie, endlich davon Abstand zu nehmen, weil dasimmer wieder die Leute verunsichert. Ihre Reaktionen zei-gen mir, dass ich recht habe, Herr Brandl.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie von der Unterrichtsversorgung in der Grundschu-le berichten, erkläre ich auch gerne einmal das Prinzip dervollen Halbtagsschule. Das müssen Sie dann schon etwasdifferenzierter betrachten.

Was die Frage anbelangt, wie das Niveau in unseren Schu-len ist und welche Lehrkräfte hier studieren, hier vielleichtauch noch ihre Ausbildung machen und dann wieder in dieHeimat gehen, ist zu sagen, wir haben in Rheinland-Pfalzauch gute Studienmöglichkeiten, und viele kommen zumStudieren hierher.

Herrn Paul kann ich nur sagen, wir sind froh, dass dieZeiten des Nürnberger Trichters vorbei sind und bei unsan unseren Schulen Bildungsgerechtigkeit herrscht,

(Vereinzelt Heiterkeit bei der AfD)

Chancen eröffnet werden und individuell gefördert wird.

(Glocke des Präsidenten –Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Ihre Zeit ist aus,

Frau Kollegin!)

Überlegen Sie einmal den Unterschied zwischen schlauund klug.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Hendrik Hering:

Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Barth.

Abg. Thomas Barth, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verschiedent-lich wurde mir falsches Zitieren vorgeworfen. Die Zahlenhabe ich doch nicht erfunden. Das sind nun einmal Zahlenvon der IGLU-Studie und von der VERA-Studie. Die liegenIhnen genauso vor wie mir. Ich habe auch keine Entwick-lung dargestellt, sondern lediglich die Zahlen aus 2017 und2018 genannt. Die können Sie doch nicht wegdiskutieren,meine Damen und Herren. Die sind doch einfach da.

(Beifall der CDU und des Abg. Martin LouisSchmidt, AfD)

Entschuldigen Sie vielleicht meine emotionale Dynamik inder Debatte, aber ich bin mit Mittelmaß nicht zufrieden.

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

(Vereinzelt Beifall bei der CDU –Abg. Martin Haller, SPD: Und dann sind Sie

in der CDU?)

Ich kann weder als Lehrer noch als Elternteil mit Mittelmaßzufrieden sein.

(Beifall bei der CDU)

Das können wir doch als bildungspolitisch Verantwortlicheim Land auch nicht sein.

Wir Lehrer – es sind einige im Raum – denken immer vomZiel her.

(Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Echt?)

– Ja. – Welches Ziel hätten Sie? Ich hätte einen Vorschlagzum Beispiel für Deutsch in der Grundschule, weil unse-re Grundschüler wirklich mittelmäßig oder unterhalb desMittelmaßes in Rechtschreibung, Orthografie und Lesenabschneiden – Sie wissen jetzt schon, was kommt, ichsage es trotzdem –: Schaffen Sie bitte endlich dieses so-genannte Schreiben nach Gehör ab!

(Starker Beifall der CDU und Beifall derAfD)

Schaffen Sie dieses sogenannte Schreiben nach Gehörab. Das verunsichert die Eltern und die Schüler. RedenSie einmal mit Eltern. Reden Sie mit Schülern. Ich habeals Referendar in meiner Ausbildung gelernt, dass man alsLehrer keine Fehler an die Tafel schreibt. Bei den Schülernsoll auf einmal das Fehlerhafte unkorrigiert stehen bleiben.Meine Damen und Herren, das ist doch ein Widerspruchin sich.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Das ist Käse und eine traurige Tatsache. Führen Sie auchdie Schreibschrift wieder ein; denn die Leseinkompetenz,die unsere Schüler haben, kommt einfach daher, dass sienicht – – –

(Zuruf der Abg. Giorgina Kazungu-Haß,SPD)

– Dann machen Sie es aber verbindlich. Machen Sie esverbindlich, damit lexematisches Lesen statt dem phonolo-gischen Lesen wieder in den Vordergrund kommt, meineDamen und Herren; denn das ist auch für das Lesen gut.

(Beifall bei der CDU)

Keine Experimente auf dem Rücken unserer Kinder! Es istkeine Grundrechtsverletzung, wenn Kinder nach Regelnlernen;

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Das ist wohlwahr!)

denn die Kinder dürfen ja auch nicht sagen: Ich meine, einsplus eins ist gleich vier, aber vielleicht ist es auch drei. –Sie sollen nach Regeln lernen. Wenn es in Mathematikgeht, warum nicht auch in Deutsch.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wenn wir nächstes Jahr dadurch bessere Ergebnisse ha-ben, dann reden wir auch sehr gern über einen gutenSchulstart.

(Glocke des Präsidenten)

Im Augenblick muss ich das sehr bezweifeln.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU –Abg. Martin Brandl, CDU: Sehr gut!)

Präsident Hendrik Hering:

Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Frisch.

Abg. Michael Frisch, AfD:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Brücktischt uns jetzt seit zweieinhalb Jahren immer wieder dasgleiche Märchen einer heilen rheinland-pfälzischen Bil-dungswelt auf. Trotz IQB, trotz IGLU, trotz Klagen undKritik von Lehrern und Elternverbänden alles gut, keineProbleme. Eine PR-Agentur könnte das nicht besser ma-chen.

(Beifall der AfD)

Nur mit der Realität, meine Damen und Herren, hat dasnicht viel zu tun. Es ist eben ein Riesenproblem, wenndie bildungspolitische Sprecherin der größten Regierungs-fraktion die Schulen nur von gelegentlichen Abgeordne-tenbesuchen her kennt, bei denen es von PotemkinschenDörfern nur so wimmeln dürfte.

(Zuruf von der SPD: Unverschämtheit –Weitere Zurufe von der SPD)

Es ist kein Zufall, dass Frau Brück hier auch eine weitge-hend von pädagogischen Inhalten befreite Rede gehaltenhat, eine rein technokratische Betrachtung, die sich aufStatistiken beschränkt hat.

(Weitere Zurufe von der SPD –Glocke des Präsidenten –

Abg. Martin Haller, SPD: Sie sindehrabschneidend!)

Aber selbst hier – muss man sagen – stimmt das mit derRealität nur zu einem Teil überein. Kein Wort davon, dassin der Realschule plus insgesamt 24 % aller Stunden fach-fremd erteilt werden, in Naturwissenschaft und Techniküber 57 %. Kein Wort davon, dass an den IGS in Informa-tik zu über 60 % fachfremd unterrichtet wird. Kein Wortdavon, dass die Zahl der Aushilfslehrer für kurzfristigenVertretungsbedarf deutlich zugenommen hat.

Frau Ministerin, wenn Sie sagen, gute Noten im Abiturseien doch ein Widerspruch zur behaupteten sinkendenBildungsqualität, so ist das natürlich keineswegs so. Daskann zusammen gehen. Das erklärt dann aber nur, dasses für immer schlechtere Leistungen immer bessere Notengibt, meine Damen und Herren.

(Beifall der AfD –Abg. Uwe Junge, AfD: Ganz genau!)

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Was die Ampel hier als Erfolgsgeschichte zu verkaufen ver-sucht, ist bei näherem Hinsehen nichts anderes als eineMogelpackung.

(Abg. Alexander Fuhr, SPD: Setzen, 6!)

Das alles beeinträchtigt den Lernerfolg unserer Kinder inerheblichem Maße. Es geht natürlich letztlich um viel mehr;denn wenn wir über Bildung reden, reden wir auch überdie Zukunft unseres Landes. Unser Land lebt von der Klug-heit und von der Tüchtigkeit seiner Menschen. Wenn wirdieses Potenzial vernachlässigen, wird das gravierendeFolgen für uns alle haben. Es ist deshalb höchste Zeit, dieWeichen in der Bildungspolitik auch in Rheinland-Pfalz neuzu stellen.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Präsident Hendrik Hering:

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damitist der erste Teil der Aktuellen Debatte beendet.

Wir kommen zum zweiten Thema der

AKTUELLEN DEBATTE

Unzureichende Maßnahmen der Landesregierungund notwendige Schritte zur Sicherung derärztlichen Versorgung in Rheinland-Pfalz

auf Antrag der Fraktion der CDU– Drucksache 17/7055 –

Für die antragstellende CDU-Fraktion spricht Herr Dr.Gensch.

Abg. Dr. Christoph Gensch, CDU:

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kol-legen! Mir persönlich fällt der Wechsel von der doch be-rührenden Gedenkveranstaltung, die wir gerade gehörthaben, jetzt direkt in die politische Auseinandersetzungetwas schwer, und ich möchte mich bei Ihnen noch einmalfür die gelungene Gedenkveranstaltung, die Sie ausgerich-tet haben, bedanken.

(Beifall der CDU und der AfD)

Trotzdem treibt uns – und deswegen auch dieser Tagesord-nungspunkt – als CDU-Fraktion die Sorge um die medizini-sche Versorgung in unserem Bundesland um. Uns drohtin Rheinland-Pfalz tatsächlich ein ärztlicher Versorgungs-notstand. Die zugrunde liegende dramatische Faktenlagesollte eigentlich allen bekannt sein. 60 % der hausärztli-chen Kollegen scheiden in Rheinland-Pfalz bis zum Jahr2022 aus dem Beruf aus. Das sind in absoluten Zahlen1.700 von 2.700 Kollegen. Es sind über alle ambulant täti-gen Fachgruppen hinweg 4.100 Kollegen von 7.700.

Diese Zahlen zeigen eigentlich die ganze Brisanz der mo-mentanen Lage. Nicht nur mein Gefühl ist es, sondern

auch das Gefühl unserer gesamten Fraktion, dass die Lan-desregierung diese Entwicklung immer noch nicht in ihrerganzen Tragweite erfasst hat.

(Beifall bei der CDU)

Sie lassen sich bei Ihrer Problemlösung zu viel Zeit, undSie begegnen dem Problem weiterhin mit einem aus un-serer Sicht unzureichenden Maßnahmenpaket. Sie habeninitial Jahre gewartet, bis das Problem zu einem drängen-den Problem wurde. Sie haben 2007 dann einen Master-plan zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgungentwickelt, der in der Zwischenzeit zwar fortgeschriebenwurde, aber der bis zum heutigen Tag – 11 Jahre später –das Problem, für das er konzipiert wurde, weder gelöst hatnoch erkennbar abgemildert hat.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Dr. SylviaGroß, AfD)

Frau Ministerpräsidentin, da muss ich Sie schon auch fra-gen: Was ist das für ein Masterplan? Was sagt das überdie Effektivität der Maßnahmen im Masterplan aus? Ver-dient die Konzeption überhaupt die Bezeichnung einesMasterplans, wenn doch elf Jahre später kein Ergebnisund kein Fortschritt vorliegt und das Problem, zu dessenLösung er konzipiert wurde, ein größeres ist als jemalszuvor?

(Abg. Martin Brandl, CDU: Richtige Frage!Das ist die richtige Frage!)

Sie haben zwar auch eine ganze Reihe von Förderpro-grammen, die – das will ich gar nicht abstreiten – einenkleinen Beitrag zur Problemlösung leisten, die aber zurLösung des Gesamtproblems völlig unzureichend sind.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben beispielsweise eine Förderrichtlinie zur haus-ärztlichen Versorgung. Die Anzahl dieser zu förderndenRegionen nimmt aber immer weiter zu, und die zur Ver-fügung gestellten Fördermittel werden nur unzureichendabgerufen.

Gleiches gilt für den Strukturfonds. Sie haben Studenten-programme. Dort nehmen bei dem PJ-Tertial-Programm60 Studenten in den letzten Jahren teil. Das sind über-schaubare Teilnehmerzahlen, die zur Lösung des Gesamt-problems keinen nennenswerten Beitrag leisten.

(Beifall der CDU)

Sie lassen sich bei all dem Zeit. Sie haben einen Wieder-einstiegskurs für Berufseinsteiger für Ärzte konzipiert. ImApril 2017 waren es 30 Teilnehmer. Auch das wäre mit Si-cherheit auszubauen gewesen. Es ist ein Programm, dasSie als ein sehr erfolgreiches darstellen. Aber nichtsdesto-trotz wird der nächste Wiedereinstiegskurs erst im Früh-jahr, April 2019, stattfinden, zwei Jahre Zeit dazwischen füreinen Einstiegskurs, bei dem ein Curriculum besteht undbei dem überhaupt nicht einzusehen ist, warum er nichtalle zwei oder drei Monate wieder aufgelegt wird, um dieentsprechenden Teilnehmerzahlen zu generieren.

(Beifall der CDU)

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Wir erleben diese Zeitverzögerung auch in anderen zentra-len Bereichen, was medizinische und ärztliche Versorgungangeht, meine Damen und Herren, Stichwort Landeskran-kenhausplan. Wir haben einen alten Landeskrankenhaus-plan, der 2016 abgelaufen ist, und wir sind jetzt bereits zweiJahre im Verzug. Bisher ist noch nicht einmal das vorberei-tende Gutachten veröffentlicht. Ende 2018 soll dieser Planin Kraft treten. Auch hier Verzögerung um Verzögerung.Alle Beteiligten hängen in der Luft. Planungssicherheit fehlam Platze. Das ganze Land wartet auf das Ministerium.

(Beifall bei der CDU)

Sie können froh sein, dass Sie die CDU-Fraktion haben.

(Heiterkeit bei SPD und AfD)

Die CDU-Fraktion hat die Aufgabe des Taktgebers in derGesundheitspolitik in diesem Bundesland und in diesemParlament übernommen.

(Abg. Martin Haller, SPD: Wir sind sehrfroh, dass wir Euch haben!)

Wir präsentieren Lösungskonzepte.

(Beifall der CDU)

Wir leiten mit unseren Anträgen die notwendigen Maßnah-men ein. Unsere Anträge zur Erhöhung der Anzahl derStudienplätze um mindestens 10 % in Rheinland-Pfalz

(Glocke des Präsidenten)

und zur Implementierung von Stipendienprogrammen undLandarztquote liegen vor. Ich freue mich, dass Sie in derLandesregierung die Bereitschaft zeigen, unseren Vor-schlägen zu folgen.

(Abg. Martin Brandl, CDU: Zu folgen, abernicht voranzugehen, nur zu folgen!)

Ich danke Ihnen.

(Beifall der CDU)

Präsident Hendrik Hering:

Für die SPD-Fraktion spricht die Kollegin Anklam-Trapp.

Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD:

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen undHerren! Sehr geehrter Herr Dr. Gensch, die ärztliche Ver-sorgung in Rheinland-Pfalz ist uns wichtig und war esschon immer. Mir fehlt heute der aktuelle Anlass zu die-ser Aktuellen Debatte. Am vergangenen Donnerstag nochhaben kluge Kollegen Ihrer Fraktion ihren eigenen Antragzum Thema Hausärztefortbildung verschoben, damit wireine Expertenanhörung führender Wissenschaftler einlei-ten können,

(Abg. Martin Brandl, CDU: Wenn wir esnicht thematisieren, passiert ja nichts!)

um die Frage zu erörtern – und zwar auf höchstem Niveau,

wie wir es von uns erwarten –, wie wir die Studienplätzein der Humanmedizin erhöhen können und eine Landarzt-quote in Rheinland-Pfalz einführen können, und zwar so,dass es in Rheinland-Pfalz bindet. Das ist ein Antrag, dendie CDU vertagt hat, was völlig richtig ist.

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Ja, für eineAnhörung!)

Letzte Woche vertagt, heute kommen Sie mit der AktuellenStunde. Verehrter Dr. Gensch, ich erinnere daran, dass Siemit Ihrer missglückten Rede im April mit Ausbrüchen wie„Gendergedöns“, „Hausärztinnen und Hausärzte“ Herrn Dr.Braun angegriffen haben. Heute fressen Sie Kreide.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Können Sie malwas zum Inhalt sagen!)

Aber das nützt alles nichts; denn wir werden – wie wires 2007 schon gemacht haben, und zwar als erstes Bun-desland – im Oktober den Masterplan „Gesundheit undPflege“ immer wieder weiter fortschreiben. Es werden sichimmer wieder neue Bausteine ergeben. Natürlich hat mannicht einmal einen Masterplan, der für immer gilt, sondernman wird das fortschreiben müssen. Es ist ein demogra-fischer Wandel in der kurativen Medizin. Dieser Wandelwird begleitet und hat einen ganz, ganz hohen Stellenwertin Rheinland-Pfalz.

Im Koalitionsvertrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDPund SPD findet sich ein eigenes Kapitel „MedizinischenNachwuchs sichern“. Das ist äußerst lesenswert. Dazugehören zum Beispiel Positionen wie Zugang zum Medi-zinstudium und neben der Senkung des Numerus Claususauch die Anerkennung von beruflichen Vorerfahrungenim medizinischen oder im pflegerischen Bereich. Wir, dieKoalitionsfraktionen, haben vertraglich im Mai 2016 verein-bart, zu prüfen, inwieweit wir Medizinstudierende bevorzugtzum Studium zulassen und Verpflichtungen als Tätigkeitals Hausärztinnen in unterversorgten Regionen bzw. be-drohten Regionen aufnehmen können, und das verknüpftmit einer regionalisierten Ausbildung.

Sie stellen sich im April hierher, im Dezember, im April,im August und erklären uns immer wieder: Tun sie einmaletwas! – Wir haben es 2016 im Mai vertraglich fixiert. Wirarbeiten daran, und zwar mit der Anhörung, die wir ge-meinsam beschlossen haben, mit Experten auf höchstemNiveau und ringen damit um eine gute hausärztliche Ver-sorgung.

(Abg. Martin Haller, SPD: Das haben diealles schon wieder vergessen!)

Genau diese gute zukünftige hausärztliche Versorgung istuns, der SPD-Fraktion, viel zu wichtig, um sich zu streiten.

Wir suchen Lösungen.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Wir gebenEuch welche!)

Wir möchten Positionen erarbeiten und nahe an den Men-schen entwickeln, was die Menschen vor Ort brauchen,um in Rheinland-Pfalz sicher leben zu können:

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

den Wegfall der Residenzpflicht, sodass Ärztinnen undÄrzte familienorientiert leben und arbeiten können und ihrePraxis führen können,

(Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

die Entlastung der Hausärzte durch die NäPA ist ModellRheinland-Pfalz und mittlerweile bundesweit, die Praxis-gemeinschaften, die leistungsstark immer mehr zusam-menarbeiten und eine Versorgung für die Bevölkerunganbieten, die Möglichkeit, kommunale Medizinische Ver-sorgungszentren, zum Beispiel in der VerbandsgemeindeKatzenelnbogen zu schaffen

(Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

oder den jüngst höchst positiven Einsatz unserer Gesund-heitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler, die den Bun-desgesundheitsminister Jens Spahn immer wieder ange-schrieben hat,

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Kann malanrufen! Ich kann mit Jens reden!)

um zu klären, dass es eine Gesetzeslücke gibt, und somitjetzt eine ärztliche Genossenschaft in der Eifel zu ermögli-chen.

Der Trierische Volksfreund hat sinngemäß getitelt: „Bis derGenosse Arzt kommt“. Damit das möglich ist und die Ärztewissen, wie man Genossenschaften in diesem Genossen-schaftsland Rheinland-Pfalz gründen kann, gibt es dazunoch einen Genossenschaftslotsen von unserer Landes-zentrale für Gesundheitsförderung mit Niederlassungsför-derungen.

Meine Damen und Herren, das ist ein Masterplan, das istärztliche Versorgung auf dem Land, und das ist Gesund-heitspolitik in Rheinland-Pfalz mit dieser Koalitionsfraktion.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich in der ersten Runde noch 15 Sekunden habe,noch ein Wort zur Vergütung der Hausärztinnen und Hau-särzte: Natürlich ist es auch eine Frage, was ein nieder-gelassener Mediziner verdient. Mit den Bemühungen derSozialdemokratie ist es im Koalitionsvertrag im Bund ge-lungen, für unterversorgte Regionen 30 % plus in der Ver-gütung für Hausärzte zu erzielen. Auch mit der Frage dermonetären Vergütung löst sich zukünftig eine Angelegen-heit.

(Glocke des Präsidenten)

Deswegen mehr in der zweiten Runde.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Hendrik Hering:

Für die AfD-Fraktion spricht die Kollegin Dr. Groß.

Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD:

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen undHerren! Irgendwie geht mir das alles am Thema vorbei.Auf den Beitrag von Frau Anklam-Trapp will ich gar nichteingehen.

Herr Dr. Gensch, bei allem Respekt, aber Sie enttäuschenauch mit Ihrer reinen Deskription der Geschichte. Was Siegesagt haben, ist redundant hoch zehn. Das haben wirdoch alles schon in den letzten Plenarsitzungen gehabt.Das bringt uns nicht weiter.

(Zuruf von der SPD: Pst!)

– Genau, danke schön.

Der Hauptpunkt ist, dass wir uns doch Gedanken um dienotwendigen Schritte zur Sicherung der ärztlichen Versor-gung in Rheinland-Pfalz machen wollten. Mit den notwen-digen Schritten haben wir uns genau einmal befasst.

Falls Ihnen das nicht bekannt ist, es gibt das sogenannteBerufsmonitoring der Medizinstudenten der Kassenärztli-chen Bundesvereinigung. Das bietet deutliche Ansatzpunk-te, wo angesetzt werden muss, um die ärztliche Versor-gung in den ländlichen Räumen voranzutreiben. Die Lan-desregierung hat hier Steuerungsmöglichkeiten im Rah-men ihrer Hochschulpolitik, um angehende Mediziner ge-rade auf das Land zu locken.

Im Übrigen – zur Aufklärung für Sie – gibt es das Berufs-monitoring seit 2010. Das heißt, seit beinahe acht Jahrenstehen diese Informationen seitens der Medizinstudentenzur Verfügung. Man kann hier die Wünsche der Medizinereinsehen. Die nächsten Ergebnisse des Berufsmonitoringsstehen ganz aktuell im September 2018 zur Verfügung.Vielleicht wollen Sie einmal hereinschauen.

Für das aktuelle Berufsmonitoring 2014 wurden bundes-weit 11.462 Medizinstudenten befragt mit dem Ziel, Be-rufsperspektiven und die Wünsche junger Mediziner zuerheben, aber auch um Hürden für eine spätere, auch am-bulante, Tätigkeit zu ermitteln. Hierbei kristallisierten sichinsbesondere zwei Problemfelder heraus: einmal hinsicht-lich des Ortes – wo die Mediziner arbeiten wollen –, aberauch hinsichtlich desssen, als was die Mediziner eigentlicharbeiten wollen.

Ort und künftiges Arbeiten: Insgesamt spielt die Herkunftbei der Wahl des Studienortes und des späteren Arbeitsor-tes eine ganz maßgebliche Rolle. Man studiert nicht nur imHerkunftsbundesland beziehungsweise heimatnah, son-dern arbeitet nach Möglichkeit später auch dort. So streb-ten 85 % der Medizinstudenten eine berufliche Tätigkeit imHeimatbundesland und 78 % in der näheren Heimatregionan. Das Arbeitskräftepotenzial für eine künftige ärztlicheTätigkeit in Rheinland-Pfalz liegt bei den Medizinstudentenaus Rheinland-Pfalz bei 85 % und bei Medizinstudentenaus dem Saarland bei 51 %.

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Meine Damen und Herren, diese Erkenntnisse sind beiden künftigen Maßnahmen zur Sicherstellung der ärztli-chen Versorgung zwingend zu berücksichtigen, wenn die-se von Erfolg gekrönt sein wollen. Dieser Heimateffektmacht deutlich, dass eine Erhöhung der Anzahl der Me-dizinstudienplätze bei nur einer medizinischen Fakultät inRheinland-Pfalz für die Sicherung der ärztlichen Versor-gung unabdingbar ist.

Zudem, das zeigt das Monitoring auch, besteht eine gewis-se Aversion gegen eine Tätigkeit im ländlichen Raum. 41 %der Medizinstudenten können sich nicht vorstellen, künftigin kleinen ländlichen Gebieten mit weniger als 5.000 Ein-wohnern zu arbeiten und 33 % in Gemeinden mit bis zu10.000 Einwohnern. Hier spielen die regionale Herkunftund räumliche Sozialisierung eine ganz entscheidendeRolle. Ländlich sozialisierte Medizinstudenten können sichsignifikant häufiger vorstellen, auf dem Land zu leben undzu arbeiten als nicht ländlich sozialisierte. Aber auch dieVereinbarkeit von Familie und Beruf ist den Studenten wich-tig.

Die medizinische Versorgung wird in dem Berufsmonito-ring selbst als Teil einer lokalen Infrastruktur wahrgenom-men – wie Kindergärten, Schulen, mittelständische Unter-nehmen und Einkaufsmöglichkeiten vor Ort. Insofern fälltGemeinden, Kommunen und auch Landkreisen hier dieschwierige Aufgabe zu, Rahmenbedingungen zu schaffenbzw. zu erhalten. Hier muss das Land den Kommunen aus-reichend Mittel zur Verfügung stellen und sie auf keinenFall ausbluten lassen: Stichwort Landesfinanzausgleich.

(Beifall der AfD)

Vielen Dank, und in der zweiten Runde noch ein bisschenmehr dazu.

(Beifall der AfD)

Präsident Hendrik Hering:

Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Wink.

Abg. Steven Wink, FDP:

Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Herr Dr. Gensch, ich darf Sie auch fragen, warumwir letzte Woche auf sachlicher Ebene entschieden haben,die Auswertung zur Anhörung der Landarztquote genausowie die Forderung nach mehr Medizinstudienplätzen zuverschieben.

Ich würde Sie fragen oder bitten: Erklären Sie doch, warumSie letzte Woche diesen parlamentarischen Rahmen nichtgenutzt haben. Erklären Sie doch, warum die sachlicheAuseinandersetzung heute dringlicher denn je ist und dring-licher, als sie es in der letzten Woche war. Erklären Siedoch bitte, wo ein neuer aktueller Bezug für diese Thema-tik heute ist. Wenn Sie dies nicht können, diskreditierenSie sich heute selbst.

(Beifall der FDP, der SPD und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Seit Monaten machen wir eine Anhörung nach der anderen.

Wir diskutieren im Plenum. Wir diskutieren im Ausschuss.Wir diskutieren auch über die Presse. Das ist alles frucht-bar und fördert die Zusammenarbeit.

Ich darf jetzt in Ihre Aktuelle Debatte einmal einen aktu-ellen Bezug einbringen. Das wurde gestern und heuteveröffentlicht, also brandaktuell: die Thematik, wie sie amMontag im Pirmasenser Stadtrat behandelt wurde.

Sie sind aus Zweibrücken. Sie kennen wahrscheinlichdie Thematik des Zusammenschlusses von Pirmasens,Pirmasens-Land und Zweibrücken. Heute gibt es einenPressebericht des Ärztlichen Kreisvereines Pirmasens, dermit seinen Zitaten auch einen schönen Bezug zu den be-reits stattgefundenen Maßnahmen gibt.

Ich darf aus der RHEINPFALZ zitieren: Herr Dr. Brenneissagt dort, es gibt eine hohe Bereitschaft zur Zusammenar-beit in anderen Versorgungsformen als in der klassischenNiederlassung. Das bestätigt und zeigt auf, dass wir einengewissen Trend in der Gesellschaft haben, den wir auchfür zukünftige Maßnahmen berücksichtigen müssten.

Ich darf aus vielen vergangenen Reden Punkte wie Me-dizinische Versorgungszentren nennen. Wir fördern Ge-meinschaftspraxen und wollen sie vernetzen. Wir wollenregionale Weiterbildungszentrum und, und, und. Das istauch Attraktivität für junge Ärztinnen und Ärzte. Weitersagt er in diesem Artikel, dass wir für Stadt und Landkreisübergreifende Konzepte brauchen.

Genau diese Maßnahmen, die wir tun, unterstützen dies:eine höhere Verzahnung durch ländliche Aspekte im Zu-kunftsprogramm „Gesundheit und Pflege – 2020“, sekto-renübergreifende Versorgung vorantreiben, Verzahnungen,wie sie in der Eifel und in Pirmasens durch Projekte vonMedi vorgesehen sind, gemeinsames Vorangehen durchKooperationen von Kliniken und Niederlassungen. Auchdas wird in diesem Artikel gefordert.

Dann spricht er noch von neuen Möglichkeiten in der Ver-sorgung. Auch hier haben wir in den zahlreichen letztenReden Transportdienste, mobile Praxisteams und Teleme-dizin mit eHelp, ePrevention, eAdministration genannt. Erspricht in dem Artikel auch davon – was immer wieder ver-gessen wird –, die Attraktivität einer Kommune mit Kultur,Freizeit und, und, und zu steigern.

Es zeigt sich also – und ich sehe das in dem Artikel bestä-tigt –, am Ende brauchen wir einen Mix von verschiedenenMaßnahmen, der eine hochwertige, bedarfsgerechte undwenn möglich wohnortnahe Versorgung sicherstellt; denndas ist dann zukunftsausgerichtete Politik.

Ich darf noch eine Pressemitteilung der Landesärztekam-mer vom 22. August, von heute, nennen: Die statistischeEntwicklung im Fachgebiet Allgemeinmedizin ist Indiz fürdie Bemühungen einer Stärkung der Allgemeinmedizin. –Das heißt, letztes Jahr haben wir darüber diskutiert. Wirhaben gesagt, wir wollen hier eine Stärkung. Wir habenMaßnahmen getroffen, und die Maßnahmen haben ge-zündet. Das heißt, wir erkennen Herausforderungen, wirgehen sie an, und wir lösen sie. Diffamierung nützt hierbeinichts.

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Hendrik Hering:

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Kollegin Binz.

Abg. Katharina Binz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnenund Kollegen! Wir unterhalten uns seit über einem Jahrfast in jedem Plenum über exakt dasselbe Thema, darüber,dass Sie der Meinung sind, die Landesregierung machezu wenig zur Sicherung der ärztlichen Versorgung. Siebringen immer wieder dieselben Vorwürfe und die ewiggleichen Argumente.

(Zuruf der Abg. Christine Schneider, CDU)

Sie werden aber auch beim x-ten Mal nicht richtiger. Ichweiß nicht, zum wievielten Mal ich jetzt meine alte Redeaus dem letzten Jahr schon umgeschrieben habe und hierhalte. Herr Dr. Gensch, ich habe heute mitbekommen, Ih-nen geht es ganz genauso mit Ihren Reden.

Sie haben die Erhöhung der Studienplätze und die Land-arztquote angesprochen. Wir haben zum einen im Wis-senschaftsausschuss und auch im Gesundheitsausschusseine Anhörung gehabt, die wir noch nicht ausgewertet ha-ben. Warum haben wir sie nicht ausgewertet? – Weil dieCDU-Fraktion in der letzten Woche nicht in der Lage odernicht willens war, dass wir diese Auswertung vornehmenund im parlamentarischen Beratungsprozess weiterkom-men.

Zum zweiten zur Landarztquote: Da haben Sie eine weite-re Anhörung angekündigt, obwohl die Landarztquote – IhrVorschlag – in der ersten Anhörung schon angesprochenworden ist. Auch da haben Ihnen viele Sachverständigeschon gesagt, auch das ist kein Allheilmittel, und Ihre Vor-stellung davon, wie sich die Wirkung entfaltet, ist vielleichtauch nicht komplett richtig.

Also bevor die zuständigen Ausschüsse genügend Zeit hat-ten, die von Ihnen beantragten Anhörungen durchzuführenund auszuwerten, stellen Sie sich diese Woche wieder imPlenum hin und scheinen schon wieder zu wissen, wasbei diesen Anhörungen herauskommt, und werfen der Lan-desregierung Untätigkeit vor.

Also entweder wissen Sie schon die Antworten auf dieFragen, die Sie in den zahllosen von Ihnen beantragtenAnhörungen beantwortet haben wollen – dann müsstensie diese aber nicht beantragen –, oder Sie sind ernsthaftan deren Ergebnissen interessiert. Dann ist es aber dochvollkommen voreilig und auch unseriös und anscheinendder reinen Show geschuldet, heute dieses Thema schonwieder in der Aktuellen Debatte auf die Tagesordnung zusetzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,SPD und FDP)

Das Thema der Sicherung der ärztlichen Versorgung istaber viel zu ernst, als dass es von Ihnen ständig zur Showmissbraucht werden sollte. Ich kann mich daher nur wieder-holen. Die Landesregierung und auch die Ampelfraktionenkümmern sich um das Problem der Sicherstellung der ärzt-lichen Versorgung. Dafür gibt es etliche Maßnahmen, diees schon vor Ihren Anträgen und auch Ihren AktuellenDebatten gab.

(Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

Ich kann das noch einmal wiederholen: Es gibt kein Allheil-mittel. Es gibt nicht d i e eine Maßnahme, die jetzt einmalumgesetzt werden müsste, und dann würde das Problemgelöst.

(Abg. Dr. Christoph Gensch, CDU: FrauBinz, nennen Sie uns doch nur einmal eine

effektive Maßnahme!)

Diese sind nicht monokausal, wie Sie das hier wiederholtdarstellen wollen.

(Abg. Dr. Christoph Gensch, CDU: Eineeinzige Maßnahme! –

Glocke des Präsidenten)

Es reicht nicht, dass wir einfach die Anzahl der Medizin-studienplätze erhöhen, eine Landarztquote einführen unddie jungen Ärztinnen und Ärzte dann plötzlich in Scharenin den ländlichen Raum ziehen.

(Abg. Dr. Christoph Gensch. CDU: Das sindlangfristige Maßnahmen, die zu einer

Maßnahmenbündelung gehören!)

Das ist schlicht und ergreifend eine falsche Vorstellung,die Sie hier verbreiten. Das Problem ist, wie so oft, umeiniges komplexer, und ihm muss mit verschiedenen un-terschiedlichen Maßnahmen begegnet werden. Auch Ihrewiederholten Behauptungen, die Maßnahmen wären nichtwirksam, sind falsch.

Auch das haben wir schon oft besprochen: Auch das Be-rufsbild des Arztes muss sich den veränderten Bedürfnis-sen der Menschen anpassen, sonst werden wir an dieserStelle keinen Meter weiterkommen.

Das heißt, wir brauchen eine bessere Vereinbarkeit vonBeruf und Familie, und zwar nicht nur für die weiblichen,sondern auch für die männlichen Ärzte. Das heißt, einLebensalltag der Rundum-Verfügbarkeit sieben Tage dieWoche, 24 Stunden am Tag muss der Vergangenheit an-gehören. Wir brauchen mehr Angestelltenverhältnisse.

Aus diesem Grund ist es doch höchst erfreulich, dasssolche Ansätze wie die Ärztegenossenschaft in der Eifelgefördert werden, und sich die Landesregierung vehementeingesetzt hat, dass dies auf einen guten Weg kommt.Auch das könnten Sie einmal anerkennen.

(Abg. Dr. Christoph Gensch, CDU: Indiesem Punkt haben Sie sogar recht!)

Das alles sind Themen, mit denen wir uns intensiv beschäf-tigen, über die wir uns jedes Mal im Ausschuss sachlichauseinandersetzen und beraten und bei denen wir – das

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

glaube ich – an vielen Stellen gleiche Meinungen vertreten.Wir brauchen eine sachliche Diskussion. Wir brauchen ei-ne Diskussion, die an der Realität entlang geführt wird. Wirbrauchen eine Zusammenarbeit aller Akteure und keineDiskussion, die einfach nur auf einen Akteur im deutschenGesundheitssystem mit dem Finger zeigt und sagt: Die dasind schuld, weil die nichts tun.

Jeder, der sich im deutschen Gesundheitssystem bewegt,weiß: Das ist schlichtweg falsch. – Was uns nicht weiterhilft,ist eine „Hau-drauf-Rhetorik“. Deswegen hoffe ich, dassdas vielleicht für das erste Mal die letzte Aktuelle Debattezu dem Thema ist.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der FDP)

Präsident Hendrik Hering:

Für die Landesregierung spricht Frau StaatsministerinBätzing-Lichtenthäler.

Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales,Arbeit, Gesundheit und Demografie:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damenund Herren! Wir haben in den vergangenen Monaten sehroft über die Sicherung der ärztlichen Versorgung debattiert,so zum Beispiel im November 2017, im Dezember 2017,im April 2018, im Mai 2018 und auch erst vor wenigenWochen in der letzten Sitzung des Landtags im Juni vorder Sommerpause. Aber offensichtlich waren die Sommer-ferien entweder zu lang oder zu heiß, sodass scheinbardie Erinnerung daran gelitten hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, darüber hin-aus trägt auch die Schlagzeile der von Ihnen beantragtenDebatten zur Thematik nicht unbedingt zur inhaltlichenSchärfe bei und ebenso wenig zur zielführenden Lösung.

Damit wir uns richtig verstehen. Das Thema der ärztli-chen Versorgung ist eines der zentralen Zukunftsthemen.Ich glaube, da sind wir uns im Hause alle einig. Deshalbkritisiere ich auch ausdrücklich nicht, dass Sie die Ärzte-versorgung als Thema setzen. Was ich Ihnen aber nichtdurchgehen lassen kann, ist, dass Sie zum wiederhol-ten Male versuchen, mit reißerischen Titeln und einemDebattenstil, der von ziemlicher Aggressivität geprägt ist,schnelle Schlagzeilen produzieren zu wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen und Herr Gensch, seienwir doch einmal ehrlich, darum geht es Ihnen. Es gehtIhnen um die Schlagzeilen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Schlagzeilenhelfen nicht, Herausforderungen zu bewältigen. Sinnvollim Sinne der Sache wäre es doch – so hat es auch derLandtag beschlossen –, die vorliegenden Anträge etwa zurLandarztquote und auch die Schlussfolgerungen aus derAnhörung zum Thema „Medizinstudienplätze“

(Unruhe im Hause)

zunächst sachlich in den Ausschüssen zu erörtern.

(Glocke des Präsidenten)

Präsident Hendrik Hering:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Lärmpegel ist zuhoch.

Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales,Arbeit, Gesundheit und Demografie:

Wie ich es immer wieder betont habe und wie auch dieAnhörung im Wissenschaftsausschuss des Landtags am14. Juni 2018 deutlich gezeigt hat, ist zur Sicherung derärztlichen Versorgung ein Bündel von Maßnahmen erfor-derlich, und zwar ein solches Bündel, wie es die Landesre-gierung auf den Weg gebracht hat.

Es ist müßig, diese verschiedenen Maßnahmen hier immerwieder vorzutragen. Ich habe das bereits, wie dargestellt,dieses Jahr schon wiederholt getan. Das können Sie auchalles in der Großen Anfrage sowie in den diversen Plenar-protokollen nachlesen.

Im Übrigen – lassen Sie mich das auch hinzufügen – zei-gen diese Maßnahmen Wirkung. Ich verweise auf die heu-tige Pressemitteilung der Landesärztekammer, die nocheinmal eindeutig aufgeführt hat, dass die Anzahl der Fach-arztanerkennungen in den letzten drei Jahren deutlich an-gestiegen ist und sie auch dieses sehr begrüßt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN sowie der Abg. Cornelila

Willlius-Sezener, FDP)

Richtig ist natürlich auch – das habe ich stets betont –,dass wir nicht stehen bleiben dürfen, sondern, soweit aufLandesebene Handlungsmöglichkeiten entstehen, dieseauch nutzen. Das tun wir auch, übrigens im Gegensatz zumanch anderem CDU-geführten Bundesland.

Ich leite einmal Ihren Blick nach Hessen. Dort gibt esbeispielsweise kein Wiedereinstiegsprogramm für Ärzte,obwohl dort Hunderte von Ärzten derzeit nicht praktizieren.Auch dies ist ein Beleg. Wir stellen uns den Herausfor-derungen. Sie können das übrigens noch einmal in demArtikel der welt-online vom gestrigen Tag nachlesen.

Nehmen wir einmal die Landarztquote. Wir in Rheinland-Pfalz entwickeln derzeit in der Landesregierung ein Kon-zept, wie eine Landarztquote in Rheinland-Pfalz aufgestelltwerden kann. In Hessen – CDU-geführt – nimmt man sichdieser Herausforderung überhaupt nicht an.

Wir setzen uns beispielsweise für Ärztegenossenschaf-ten ein, die einen Beitrag zur Sicherung der ärztlichenVersorgung leisten können. Nach der von mir persönlichinitiierten Klärung der rechtlich umstrittenen Haftungsfragevon genossenschaftlich getragenen Medizinischen Versor-gungszentren durch Bundesgesundheitsminister Spahnwollen wir dieses attraktive Organisationsmodell auch wei-

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

ter unterstützen und fortführen. Daher werden wir Genos-senschaften, die Medizinische Versorgungszentren in vonUnterversorgung bedrohten Regionen gründen wollen, fi-nanziell, aber auch organisatorisch unterstützen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehrgute Idee!)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, wäh-rend Herr Gensch die Sommerpause genutzt hat, um sichzu überlegen, wie er mit einer erneuten Aktuellen Debat-te ein vermeintliches Versäumnis der Landesregierungherbeikonstruieren kann und dabei dann noch alte Rede-bausteine neu aufwärmt, sind wir in der LandesregierungTag für Tag aktiv und damit beschäftigt, die ärztliche Ver-sorgung auch in Zukunft zu sichern.

(Beifall des Abg. Dr. Bernhard Braun,BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –

Zurufe von der AfD)

Mit Schlagzeilen ist niemand geholfen. Deswegen darf ichSie auffordern, auch hier wieder zur sachlichen Debattezurückzukehren.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Hendrik Hering:

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Genschdas Wort.

Abg. Dr. Christoph Gensch, CDU:

Frau Ministerin, wir können die ganze Debatte auf eine Fra-ge herunterbrechen. Nennen Sie mir eine effektive Maß-nahme, die Sie eingeleitet haben, die dem Ausmaß desProblems angemessen ist. Ich meine eine effektive Maß-nahme der letzten Jahre.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Sie haben keine genannt.

Frau Anklam-Trapp, Sie haben völlig recht. Sie suchengute Lösungen. Wir schlagen sie in Antragsform vor.

(Beifall der CDU)

Ich kann Ihnen auch nicht helfen, wenn die Maßnahmen,die Sie ergriffen haben, zum großen Teil unzureichend sindund einen Aktionismus darstellen. Ich muss mich fast ent-schuldigen dafür, dass ich die Maßnahmen dadurch, dassSie keine neueren haben, immer wieder erwähnen muss.Sie erwähnten eben den Wiedereinstiegskurs als einesIhrer erfolgreichen Projekte. Von 28 Teilnehmern waren 14davon nicht in der Lage, direkt in den Beruf einzusteigen.Der älteste Geburtsjahrgang war 1943. Laut einer KleinenAnfrage sind sieben angeblich wieder in den Beruf zurück-gekehrt. Von nicht einem wissen wir, in welcher Form, wound wie. Es gab keine Evaluation, nichts. Ich kann es Ih-nen nicht ersparen.

(Beifall der CDU)

Ähnlich sieht es aus, wenn wir über die Niederlassungs-förderprogramme des Landes sprechen, bei denen Sie15.000 Euro zuschießen. Wie viele Anträge wurden in denletzten Jahren bewilligt? 2016 waren es sechs, 2017 17und 2018 12. Die Förderliste wird immer länger.

(Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: SagenSie doch einmal etwas Neues bei der

Aktuellen Debatte!)

– Ich kann die Zahlen nicht ändern. Es gehört zu meinerSorgfaltspflicht, die Zahlen exakt wiederzugeben. 2011 wa-ren 42 Verbandsgemeinden ein Fördergebiet und 2018 97.Die Förderung beim PJ-Tertial ist genau das Gleiche.

Frau Ministerin, ich kann es leider nicht ändern. Auch hierhaben Sie bisher nur 60 Studenten gefördert. Sie verzich-ten auf eine Evaluation mit dem Hinweis, es würde solange dauern, bis diese im Beruf sind. Das sind aber Stu-denten, die am Ende der Ausbildung stehen und die dasJahr später in die entsprechende Facharztausbildung ein-treten. Das kann man schon evaluieren, ob diese sich fürAllgemeinmedizin entschieden oder ob diese woandershingegangen sind.

(Beifall der CDU)

Im Sommer stehen die Ergebnisse Ihrer Maßnahmen inkeinem Verhältnis zu dem Ausmaß des Problems. Daswerden wir 2017 und 2018 thematisieren. Das werdenauch noch 2019 und 2020 thematisieren, und zwar immerwieder, weil es ein aktuelles drängendes Problem ist.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Präsident Hendrik Hering:

Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Anklam-Trapp.

Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD:

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kol-legen! Herr Kollege Wink hat gefragt, und ich habe es imGrunde auch gefragt. Der aktuelle Bezug zur Aktuellen De-batte hat uns durchaus gefehlt. Alles, was Sie wiederholthaben, haben Sie schon mehrfach auch in diesem Raumzu uns gesagt, das letzte Mal im April.

Ich habe einen aktuellen Bezug, der auch durchaus ei-ne positive Botschaft hat, und zwar die aktuelle heutigePressemitteilung der Landesärztekammer. Die Facharztan-erkennungen in der Inneren Medizin und Allgemeinmedizinbelegen Spitzenplätze in Rheinland-Pfalz. Insgesamt 561Ärztinnen und Ärzte haben ihre Facharztausbildung abge-schlossen, davon 309 Frauen. So viel zum Thema Gender.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Wir gehen in diesem Land mit Steuergeld um. Wenn wirungeprüft jedem Vorschlag, den Sie in den Raum hineinru-fen, folgen würden, würden wir sicherlich etwas tun, wasnicht richtig wäre. Wir haben in Rheinland-Pfalz zugegebe-

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

nermaßen mit Mühen und langem Anlauf eine Hausärzte-professur geschaffen.

(Zuruf des Abg. Martin Brandl, CDU)

– Wir haben nichts gegen gute Vorschläge.

101 Arztpraxen begleiten diese. Diese Niederlassungenmüssen immer wieder erneuert werden.

(Unruhe im Hause)

Wir brauchen monetäre Mittel pro Studienplatz in Höhevon 250.000 bis 300.000 Euro.

(Glocke des Präsidenten)

Das ist Bürgergeld von Rheinland-Pfalz, das gut investiertwäre, wenn wir diese Ärzte regional binden könnten. Dasmuss unser Ziel sein. Dafür brauchen wir Instrumentarienund keine kurzen Anträge und keine Aktuellen Debatten,in der die alten Themen immer und immer wieder wieder-gekäut werden.

Meine Damen und Herren, die niedergelassenen Hausärz-te und Hausärztinnen brauchen eine Wertschätzung undAnerkennung ihrer Arbeit und nicht das Schlechtreden desHausarztberufs. Wie soll sich der Studierende mit 19 Jah-ren entscheiden, Hausarzt zu werden, wenn er immer nurerzählt bekommt, wie schlecht das ist?

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Das ist ganz und gar nicht der Fall. Rheinland-Pfalz ist einschönes Land. Unsere Hausärzte verrichten großartigeDienste.

(Abg. Martin Brandl, CDU: Alles ist gut!Alles ist gut!)

Das ist gut; denn sie versorgen die Menschen. Daraufkommt es uns an.

(Beifall der SPD und des Abg. Dr. BernhardBraun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Hendrik Hering:

Für die AfD-Fraktion spricht Frau Abgeordnete Dr. Groß.

Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD:

Meine Damen und Herren! Was hier alles an Aggressionbezeichnet wird, ist verwunderlich. Wenn man einmal dieStimme erhebt, ist man gleich aggressiv. Lassen Sie sichdavon nicht beeinflussen, Herr Gensch.

(Beifall der AfD)

Eines muss man ganz einfach feststellen. Die Landesregie-rung hat das Problem schlicht und ergreifend verschlafen.Sie verschiebt es in die Zukunft; denn fast alle Sätze wer-den mit „wir werden, wir werden, wir werden“ angefangen.Das ist nichts anderes als Ankündigungspolitik.

(Beifall der AfD)

Jetzt kommen wir noch einmal auf den Boden der Tatsa-chen. Es wurde zu Recht auch bemängelt, dass hier immerwieder dasselbe aufgezählt wird. Deswegen möchte ichnoch einmal etwas Konstruktives dazu sagen. Das Berufs-monitoring hat auch etwas zur Art der beruflichen Tätigkeitin der Zukunft gesagt. Das passt.

Das Berufsmonitoring hat nämlich aufgezeigt, dass diehausärztliche Tätigkeit nach wie vor ein Imageproblemhat. Das ist hausgemacht. Angesichts des enormen Nach-setzungsbedarfs – Herr Gensch hat es noch einmal aus-geführt – ist das ein nicht zu unterschätzendes Problem.Jetzt müssen wir wieder aufpassen. Nur 10 % der Me-dizinstudenten würden definitiv eine Facharztausbildungin Allgemeinmedizin wählen. Für weitere 24 % käme dieAllgemeinmedizin zumindest in Betracht.

56 % der Medizinstudenten haben die Allgemeinmedizinimmerhin noch nicht definitiv ausgeschlossen. Diese Grup-pe, diese 56 %, ist für eine entsprechende Informations-und Werbekampagnen zumindest offen. Hier besteht eingroßes Potenzial für eine Tätigkeit in der hausärztlichenVersorgung.

Meine Damen und Herren, das macht deutlich, dass dieAllgemeinmedizin stärker beworben werden muss, ohnedabei Unentschlossene nicht durch gut gemeinte Maß-nahmen nachhaltig zu verprellen; denn die Verpflichtung– darauf liegt die Betonung – zu Blockpraktika, zu Famula-turen, zu PJs in der Allgemeinmedizin wird von Teilen derStudenten sehr kritisch gesehen. Eine zwanghafte Begeis-terung für die Allgemeinmedizin sei der falsche Weg undwürde eher zu noch mehr Abneigung führen.

Fazit: Das Ergebnis des Berufsmonitorings „Medizinstu-denten“ zeigt ganz deutlich Handlungsfelder auf,

(Glocke des Präsidenten)

die angegangen werden müssen.

Herr Präsident, ich komme zum Ende.

Es braucht kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen, ummehr junge Mediziner für eine ambulante ärztliche Tätig-keit zu gewinnen. Zudem müssen verstärkt Versorgungs-formen berücksichtigt werden, die flexiblere Arbeitszeitenermöglichen, um den Studenten oder dem angehendenArzt die Möglichkeit zu geben, Beruf- und Privatleben sehrgut koordinieren zu können; denn das ist auch ein ganzgroßes Anliegen dieser Studentenschaft gewesen.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Präsident Hendrik Hering:

Für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau KolleginBinz.

Abg. Katharina Binz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr KollegeDr. Gensch, wenn Sie nach einer effektiven Maßnahme

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fragen, dann zeigt genau diese Frage, mit welchem KalkülSie diese Debatte führen. Sie versuchen ein Bild zu schaf-fen und den Leuten ein Bild vorzugaukeln, dass es dieseeine einfache Lösung gäbe,

(Widerspruch von der CDU)

es ein Problem wäre, über das wir reden, bei dem man aneiner Schraube drehen muss, und wenn man das macht,dann bekommen wir das gelöst.

Das, was wir immer wieder versuchen, ist, Ihnen zu erklä-ren, das Problem ist komplexer. Deswegen gibt es vieleMaßnahmen, und diese Maßnahmen müssen zusammen-spielen. Dann können wir etwas erreichen, nicht durchdieses Bild, das Sie schaffen.

Die Maßnahmen, die getan werden, sind effektiv. Die Nie-derlassungsförderung haben Sie angesprochen. Es wer-den effektiv Niederlassungen gefördert. Aber niemand be-hauptet, dass wir mit diesem Instrument das Problem inseiner Gänze lösen können. Das wäre total übertrieben.Das ist doch vollkommen klar.

Der Lehrstuhl für Allgemeinmedizin ist effektiv; denn erverstärkt effektiv die Allgemeinmedizin in der Ausbildung.

Wäre es Ihnen lieber, wir würden es wieder abschaffen?Sie denken, es ist ineffektiv. Das ist genau das Problem,und das ist das Bild, das sie jedes mal versuchen, aufsNeue zu schaffen. Es gibt eine einfache Lösung, wir müs-sen nur auf die CDU-Fraktion hören und zwei Dinge um-setzen: Medizinstudienplätze erhöhen und Landarztquoteeinführen, und dann ist alles gelöst. – Das ist schlichtwegfalsch.

Wenn wir das tun und über das hinausgehen, was Sie ma-chen, werden wir uns trotzdem weiter über das Problemunterhalten, weil es ein sehr komplexes ist. Es wäre sinn-voll, wir tun dies sachlich.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der FDP)

Präsident Hendrik Hering:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiterenWortmeldungen mehr vor. Damit ist der zweite Teil derAktuellen Debatte beendet.

Wir kommen zum dritten Thema der

AKTUELLEN DEBATTE

Gefährliche Zuwanderer in Rheinland-Pfalzauf Antrag der Fraktion der AfD

– Drucksache 17/7054 –

Für die AfD-Fratkion spricht deren Vorsitzender, Herr Jun-ge.

Abg. Uwe Junge, AfD:

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! In der Berichter-

stattung über die allgemeine Kriminalitätsstatistik in unse-rem Land, durch die Diskussionen im Innenausschuss undin der offenen Diskussion unserer Gesellschaft werden per-manent Täterbegriffe verwendet, die zwar unterschiedlichdefiniert werden, aber eines immer gemeinsam haben: Siestellen für unsere Bürger in diesem Umfang und auch inder Art der Gefährdung eine neue und ständig steigendeGefahr dar.

Ob Gefährder, gefährliche Personen, aggressive Personen,straffällige Personen, Hochrisikopersonen oder Intensivtä-ter, sie alle gefährden in unterschiedlicher Weise unsereBürger, meine Damen und Herren, die sowohl in ihrer Un-versehrtheit als auch in ihrem Sicherheitsgefühl massivbeeinträchtigt werden und sich selbst nicht wehren können,es auch nicht dürfen. Sie verlassen sich darauf, dass derStaat ihnen gegenüber seine Pflicht tut. Dabei ist es denBürgern letztlich egal, welche Tätergruppe sie bedroht. Amschlechten Ergebnis ändert sich dabei nichts.

Es darf aber nicht egal sein, ob der Staat es zulässt, dassdiese Täter weitgehend ungehindert, teilweise mit Wis-sen der Behörden durch unsere Straßen und in diesemSommer durch unsere Schwimmbäder ziehen und pöbeln,nötigen, drangsalieren, bedrängen, angreifen, schlagenund Schlimmeres, ohne dass der Staat konsequent durch-greift.

Meine Damen und Herren, von den im Jahr 2016 began-genen 252.164 Straftaten – im Übrigen ohne Ausländer-rechtsverstöße –, entfielen 11.718 Delikte auf Zuwande-rer. Das sind 4,6 % aller Straftaten, wobei der Anteil vonZuwanderern an der Gesamtbevölkerung im Jahr 2016lediglich 1,7 % betrug.

Im Bereich der Kriminalität sind Zuwanderer weit überre-präsentiert

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun,BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– das können Sie nicht wegdiskutieren, Herr Braun; auchwenn es Ihnen nicht gefällt –, was sicherlich verschiedeneUrsachen hat, meine Damen und Herren.

Die demografische Struktur der Täter einerseits, die prä-genden Migrationserfahrungen, die Sozialisation bzw. kul-turelle Prägung in den Herkunftsländern andererseits undsicherlich auch die belastenden Kriegs- und Fluchterfah-rungen, dafür wird allzu gern viel Verständnis aufgebracht.Aber kein Verständnis dürfen wir dafür haben, dass daseine Berechtigung sein darf, die Gefährdung unserer Bür-ger nicht ernst zu nehmen. Hier versagt der Staat bei jederweiteren Straftat in seiner Kernaufgabe, wenn der Täterschon vorher als kriminell erkannt wurde.

Neben den polizeistatistisch erfassten Zuwandererstraf-taten wird eine Dunkelziffer von Delikten, die unter demRadar der Ordnungsbehörden bleiben, zunehmend zumProblem, und die Bürger spüren das auch. Es treten ver-mehrt – ich sage einmal – widerliche Verhaltensweisenauf, die sich im juristischen Graubereich befinden.

Immer wieder lesen wir von hochgradig aggressiven Zu-wanderern, die Polizei oder Rettungskräfte attackieren,

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Frauen sexuell bedrängen oder auf örtlichen Plätzen ran-dalieren und Passanten grundlos anpöbeln.

Selbst wenn aggressive Zuwanderer bereits polizeibekanntsind, bleiben die Taten oft ohne wirkungsvolle Konsequen-zen. Es kann und darf nicht sein, dass kriminelle Zuwande-rer beginnen, unsere Lebensräume zu okkupieren, unsereeinheimische Bevölkerung durch ihr Verhalten verängsti-gen und in Teilen verdrängen, meine Damen und Herren.Das passiert.

(Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD)

Die Kommunen werden mit den stetig wachsenden Pro-blemen alleine nicht mehr fertig, fühlen sich zunehmendim Stich gelassen. Die müssen straffällige Asylbewerbergrundsätzlich aufnehmen, unterbringen und versorgen.

Selbst Abschiebungen von Intensivtätern und sogenann-ten Hochrisikofällen ohne Bleiberecht scheitern oft an denunterschiedlichsten Hindernissen.

Im Innenausschuss war es fraglich, ob unsere Landkreiseüberhaupt wissen, ob und welche Intensivtäter sich in ih-rem Zuständigkeitsbereich aufhalten. Offensichtlich gibt esda Informationslücken.

Besonders prominent geworden ist der Fall eines afgha-nischen Sexualtäters aus Germersheim. Erst nach demschriftlichen Hilferuf des zuständigen CDU-Landrats Brech-tel sah sich die Landesregierung veranlasst zu reagieren.

Siehe da, dass Frau Spiegel erst auf öffentlichen Druckerklärte, dass die Abschiebungen auch nach Afghanistanplötzlich möglich sind, selbst wenn ein Abschiebestoppexistiere, macht doch offenkundig, dass eben meist nichtjuristische Gründe die Abschiebung verhindern,

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Sie haben noch nicht

einmal die Grundlagen verstanden!)

sondern rein ideologische, meine Damen und Herren. Siewollen nicht abschieben.

Frau Spiegel, Ihre Abschiebeverweigerung schadet deneigenen Bürgern, und an jeder weiteren Straftat sind Siegewissermaßen mitschuldig.

(Zurufe von der SPD)

Eine Ungeheuerlichkeit, meine Damen und Herren, dieIhnen obendrein noch die Verachtung der Täter einbringt.

Meine Damen und Herren, unsere Bürger – Herr Präsident,letzter Satz – in den Kommunen vor Ausländerkriminalitätzu schützen,

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Was machen Sie denn

mit Ihren kriminellen Kollegen in derFraktion? –

Weitere Zurufe aus dem Hause –Zuruf von der AfD: Was?)

muss über die Ansprüche, die gefährliche Zuwanderung

fälschlicherweise aus dem Asylrecht ableitet, gestellt wer-den.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren – sehr geehrter Herr Präsident,Entschuldigung –, nur harte und rechtsstaatliche Konse-quenz in der Durchsetzung staatlicher Gewalt wird dieseLeute zu einer Verhaltensänderung bewegen.

Unsere Forderung in der zweiten Runde.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der AfD )

Präsident Hendrik Hering:

Herr Dr. Braun, ich darf Sie auffordern, solche Äußerungenzu unterlassen.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun,BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Nein, Herr Braun. Sie haben eine Äußerung gemacht, dieunparlamentarisch ist. Ich rüge das. Unterlassen Sie daszukünftig.

Kolleginnen und Kollegen im Hause werden nicht als Kri-minelle bezeichnet.

(Unruhe im Hause)

Wir kommen zum nächsten Redner, Herrn KollegenSchwarz.

Abg. Wolfgang Schwarz, SPD:

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Auch beidieser Debatte geht es der AfD sicher nicht um die Aktuali-tät; denn wir haben bereits mehrfach in den unterschied-lichsten Ausschüssen die Thematik „Polizeiliche Kriminal-statistik“ und „Ausländerkriminalität“ diskutiert.

Ich darf gleich zu Beginn meiner Ausführungen feststellen,die ganz große Mehrheit ist nicht kriminell und sicherlichauch nicht gefährlich.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Leider wird es immer wieder mehr als deutlich, dass dieAfD bei dem Thema bewusst und gewollt Ängste bei denBürgerinnen und Bürgern schüren will.

Meine Damen und Herren der AfD, Sie treffen dabei aberauch immer wieder unsere Polizei, die in allen Kriminali-tätsbereichen hervorragend arbeitet und dafür sorgt,

(Abg. Uwe Junge, AfD: Das ist nicht dasThema!)

dass Rheinland-Pfalz ein sicheres Bundesland bleibt, undSie treffen auch immer wieder Menschen, die sich beispiel-haft ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren.

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Werte Kolleginnen und Kollegen, gerade letzte Wochehaben wir im Innenausschuss auf Antrag der CDU dasThema behandelt.

Heute nun durch die AfD erneut der Versuch, mit denErgebnissen aus dem Auswerteprojekt „Erkennen von Risi-kopersonen aus der Zuwanderungsbewegung im Bereichdes islamistischen Terrorismus“, kurz AERBiT, und der Po-lizeilichen Kriminalstatistik, die im April/Mai Ihr Thema war– wir reden jetzt über die Aktuelle Debatte, meine Damenund Herren der AfD –, und mit ihren Angaben und Aus-sagen die Menschen in Rheinland-Pfalz immer wieder zuverunsichern und in die Irre zu führen.

Wir sind in Rheinland-Pfalz sicherlich Vorreiter mit einemAuswerteprojekt. Das haben Sie in Ihren Ausführungenbislang völlig außer Acht gelassen, bundesweit einmalig,und zwar die Menschen genauer ins Auge zu fassen, dieSie gerade angeprangert haben, und alle, die straffälliggeworden sind, auszusortieren und im Nachgang – ich be-tone, mit rechtstaatlichen Mitteln – dafür zu sorgen, dasssie keine Straftaten mehr begehen und, wenn es rechtlichmachbar ist, wieder in ihre Ursprungs- oder Heimatländerzurückgeführt werden können.

Sie werden sicherlich nicht abstreiten, dass es in der letz-ten Zeit immer wieder hervorragend gelungen ist. Sie ken-nen sicherlich die Zahl der Personen, die straffällig gewor-den sind und abgeschoben werden konnten. Es gibt aberauch Hindernisse bei diesen Menschen, sodass man sienicht abschieben kann. Es ist in einem Rechtsstaat so,dass dies so ist. Das muss man respektieren und akzeptie-ren, und das machen Sie, meine Damen und Herren derAfD, nicht.

Ich habe Ihnen schon einmal vorgeworfen, Sie müssen ei-ne Polizeiliche Kriminalstatistik nicht nur lesen können, Siemüssen sie auch verstehen können. Auch das können Sieimmer noch nicht. Das ist aus Ihren Ausführungen wiederklar hervorgegangen.

(Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Im Moment wird ein Auswertungschirm über Personen ge-legt, die nach Rheinland-Pfalz gekommen sind – weil manaus den Erfahrungen bisheriger schrecklicher Anschläge inDeutschland bestimmte Kriterien herausbekommen hat –,um eventueller Gefährder oder dieser ganz gefährlichenPersonen, die zu extremistischen und terroristischen Atten-tätern werden können, habhaft zu werden. Bei weit über1.000 Personen, die so festgestellt worden sind, sind jetzt364 übrig geblieben, die man genau betrachtet.

Ich lege Ihnen auch einmal nahe, – – –

(Zuruf des Abg. Matthias Joa, AfD)

– Ach, Herr Joa, reden Sie doch über Dinge, die Sie ver-stehen.

(Beifall des Abg. Dr. Bernhard Braun,BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf Ihnen noch einmal die Kleinen Anfragen näher-bringen, zum Beispiel die unter der Drucksache 17/6280.Ich darf zitieren: Bei diesen 349 festgestellten Personen

handelt es sich nicht zwangsläufig nur um Geflüchtete. – Inder gleichen Antwort auf eine Kleine Anfrage weiter untenheißt es: „Bei den ermittelten Personen handelt es sichauch nicht zwangsläufig um Intensivtäter: Eine Vielzahlder Personen hat aufgrund der polizeilichen Erkenntnissezum Zeitpunkt der durchgeführten Analyse nur eine Straf-tat begangen.“

(Zuruf des Abg. Matthias Joa, AfD)

Ich sage aber auch dazu: Gleichwohl gibt es aber aucheine größere Anzahl, der teilweise mehr als zehn Strafta-ten zugeordnet wird. Die Daten werden zusammengeführt.Die Polizei wertet die aus. Dort, wo es rechtlich möglichist, werden sicherlich weitere Maßnahmen getroffen.

Für Sie zur weiteren Erhellung in der zweiten Runde unterUmständen etwas mehr.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Hendrik Hering:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen weitere Gästeim Landtag begrüßen, und zwar Bürgerinnen und Bürgersowie Ortsgemeinderäte aus Pelm und Neroth. Herzlichwillkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Für die CDU-Fraktion hat deren Vorsitzender, Herr Baldauf,das Wort.

Abg. Christian Baldauf, CDU:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!„Gefährliche Zuwanderer in Rheinland-Pfalz.“ – Wir fragtenuns im Vorfeld: Was sollte denn dieser Titel implizieren? –Geht es um straffällige Asylsuchende? Geht es um organi-sierte Kriminelle, die aus dem Ausland heraus bandenmä-ßig kriminell aktiv sind? Geht es um die Bestimmung vonSalafisten? Geht es um die Identifizierung von Gefährdern,die islamistisch motivierte Anschläge planen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, allein, wie Sieden Titel formulieren, zeigt schon: Ihre Fraktion ist nicht aneiner wirklichen, lösungsorientierten Debatte interessiert.

(Beifall der CDU, der SPD, der FDP unddes BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihnen geht es in erster Linie um billige Panikmache!

(Vizepräsident Hans-Josef Brachtübernimmt den Vorsitz)

Frau Kollegin, um das von Ihnen vorhin aufzugreifen, wieoft man Themen spielt, sage ich, das ist ein völlig neuesThema von der AfD, das wir heute hier präsentiert bekom-men, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU –Zurufe von der AfD)

Ja, Herr Kollege, kaum ein Thema steht im Moment wei-

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

ter vorne in der Öffentlichkeit als die Frage von Asyl undZuwanderung. Das Recht auf Asyl für wirklich Verfolgte,die Bereitschaft, Kriegsflüchtlinge auf Zeit aufzunehmen,macht Deutschland zu einem zivilisierten Staat. Deshalbist es auch wichtig, Defizite in der Asylpolitik zu benennenund anzugehen. Wer langfristig die Akzeptanz für Asyl-suchende in unserer Gesellschaft erhalten will, der mussauch ein Interesse daran haben, dass unser Asylsystemfunktioniert.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Richtig!)

Das bedeutet, dass Asylentscheidungen nicht unerheblichsind, sondern auch Konsequenzen nach sich ziehen müs-sen. Das heißt, diejenigen konsequent zurückführen, diekeinen Asylgrund vorweisen können.

(Beifall der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, einer Pflicht zurAusreise muss eine tatsächliche Ausreise folgen. Dafürbrauchen wir schnelle, zügige Verfahren.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Es ist unbestritten, dass diese Landesregierung deutlicheDefizite hat, wenn es darum geht, kriminelle Asylsuchendezurückzuführen;

(Beifall bei der CDU –Zurufe von der AfD)

denn das zuständige Ministerium nimmt seine Aufsichts-und Koordinationsfunktion nicht in ausreichendem Maßewahr.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Das stimmt nicht!)

Ein Management zur Rückführung straffälliger Asylsuchen-der, Herr Kollege Braun? – Fehlanzeige! Die rheinland-pfälzische Landesregierung weiß noch nicht einmal, wieviele straffällige abgelehnte Asylsuchende es in Rheinland-Pfalz überhaupt gibt.

(Zurufe von der CDU: Hört, hört!)

Frau Ministerpräsidentin Dreyer, genau dies befördertÄngste bei Bürgern, Ängste vor einem Kontrollverlust desStaates

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun,BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und bietet damit erst Raum für Verdächtigungen und popu-listische Mutmaßungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir dürfen nichtzulassen, dass sich das Sprechen über Flüchtlinge vonder Wirklichkeit entkoppelt.

(Beifall der CDU)

Die weit überwiegende Zahl der Asylsuchenden hält sichnämlich an unsere Gesetze und Regeln.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Richtig!)

Umso wichtiger ist es aber, dass Straftäter zügig und kon-sequent zurückgeführt werden.

(Beifall der CDU)

Deshalb bin ich unserem Landrat aus Germersheim, FritzBrechtel, sehr dankbar, dass er für Transparenz sorgt. Inseinem Kreis gibt es 15 straffällige Asylsuchende, die drin-gend unser Land verlassen müssen.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Ja, dann soll er sich

darum kümmern!)

– Wenn es um die Ausweisung dieser Straftäter geht, HerrBraun, erhält der Kreis Germersheim aber keinen Rücken-wind, sondern vielmehr Gegenwind aus Mainz.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Deshalb hat der Landrat einen offenen Brief an die Lan-desregierung geschrieben. Da gibt es einen Fall, bei demdie Polizei eine erhebliche Parallele zum Fall Kandel sieht.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun,BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die als extrem gefährlich eingestufte Person ist sogar voll-ziehbar ausreisepflichtig. Jedoch, die Landesregierunglehnt eine Rückführung nach Afghanistan ab, entgegender Empfehlung der Bundesregierung.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Das stimmt doch nicht!)

In diesem Fall will Ministerin Spiegel erst abwarten, bis erverurteilter Straftäter ist.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Ja, natürlich, das ist

unser Rechtssystem, Herr Rechtsanwalt!)

Wer soll das noch verstehen? Wollen Sie wirklich so langeabwarten? Das Risiko eingehen, dass eine Straftat ge-schieht? Das ist überaus leichtfertig.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Statt landesweit – eine lange Forderung der Union – dieRückführung zu bündeln und in einem ersten Schritt dieAusländerbehörden vor Ort nach Kräften zu unterstützen,straffällige Asylsuchende auszuweisen, werfen Sie kom-munalen Behörden noch Knüppel zwischen die Beine.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchenklare Verfahren, die ordnungsgemäß durchgesetzt werden.Deshalb bleibt unsere Forderung nach einer landesweitenZentralisierung der Rückführung – das kann man nicht oftgenug wiederholen – bestehen.

(Glocke des Präsidenten)

Wer keine Bleibeperspektive hat, darf erst gar nicht auf dieKommunen verteilt werden.

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Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Nureine solche Politik des Nichtverteilens derer, die keineBleibeperspektive haben, führt zu einer Glaubwürdigkeitunserer Positionen unserer Bevölkerung gegenüber.

Frau Ministerpräsidentin, Frau Ministerin, das, was Sietun, ist genau das Gegenteil. Es macht uns nämlich un-glaubwürdig und angreifbar. Das ist nicht erforderlich. Bitteändern Sie das!

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Meine Damen und Herren, nun erteile ich Herrn Abgeord-neten Roth von der Fraktion der FDP das Wort.

Abg. Thomas Roth, FDP:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!Frau Dr. Groß hat in der vorangegangenen Debatte zumThema „Ärztliche Versorgung“ etwas Richtiges und Bemer-kenswertes gesagt. Sinngemäß hat sie gesagt, das hattenwir schon, das ist nichts Neues und bringt uns nicht wei-ter. Stimmt, die AfD beantragt eine Debatte zum Thema„Gefährliche Zuwanderer in Rheinland-Pfalz“.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das ist auchweiterhin aktuell!)

Ein Thema, das wieder einmal die Ängste in der Bevölke-rung schüren soll und nichts Neues ist.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Meine Damen und Herren, natürlich sind Sicherheit undRechtsstaatlichkeit ein wichtiges Themengebiet. Selbstver-ständlich ist, dass ausländische Straftäter zurückgeführtwerden müssen. Keine Partei in diesem Landtag streitetdas ab.

Eine Rückführung muss sich aber auf dem Grundgesetzunseres Landes bewegen. Meine Damen und Herren, ichzitiere: „Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländernmuss den Grundsätzen des republikanischen, demokrati-schen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grund-gesetzes entsprechen.“ – Meine Damen und Herren vonder AfD, falls Sie das nachlesen wollen: Das steht imGrundgesetz, genauer gesagt in Artikel 28 Abs. 1 Satz 1.

Wir – damit schließe ich Sie ein – repräsentieren diesenRechtsstaat als gewählte Vertreter des Landes Rheinland-Pfalz. Daher ist es nur logisch, dass wir Rückführungenrechtsstaatlich und menschenwürdig durchführen.

(Zuruf des Abg. Matthias Joa, AfD)

Dafür stehen wir Freie Demokraten und die Koalitionspart-ner. Die AfD versucht aber wieder einmal den Eindruckzu vermitteln, dass die Landesregierung hiergegen nichtsunternimmt. Das ist falsch. Ich sage es Ihnen heute und ineiner späteren Rede am Freitag noch einmal: Rheinland-

Pfalz steht bei den Rückführungen von abgelehnten Asyl-bewerbern im Ländervergleich an vierter Stelle. Rechnenwir die freiwilligen Ausreisen von Flüchtlingen hinzu, sindwir sogar an dritter Stelle.

Ich möchte Ihnen in dem Zusammenhang nahelegen, dassSie sich vielleicht auch einmal den neuen Haushaltsent-wurf genau anschauen. Gerichte, Strafvollzug und Polizeiwerden gezielt durch die Ampelkoalition gestärkt. So sol-len 50 zusätzliche Stellen für Richterinnen und Richter,Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie 23 zusätzli-che Stellen für Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger imkommenden Doppelhaushalt geschaffen werden. Hinzukommen 44 neue Anwärterstellen im Justizvollzug undzehn Stellen im Psychologischen Dienst des Justizvoll-zugs. Es werden 25 zusätzliche Stellen für Kommissar-anwärterinnen und -anwärter geschaffen, und es sollenInvestitionen von fast 60 Millionen Euro in die technischeAusstattung der Polizei getätigt werden.

Mit dem Auswerteprojekt „Erkennen von Risikopersonenaus der Zuwanderungsbewegung im Bereich des isla-mistischen Terrorismus“ – kurz AERBiT – hat das LandRheinland-Pfalz ein Analysewerkzeug geschaffen, das esermöglicht, Personen aus dem Kreis der Zuwanderer zu er-kennen, die potenzielle Anwerberziele für Islamisten sind.Zur Klarstellung: Das heißt nicht, dass die Personen derAERBiT alle Gefährder sind.

Zur Sicherheit gehört aber nicht nur eine Stärkung derJustiz und der Polizei, sondern auch eine gelungene Inte-grationsarbeit; denn wer Teil dieser Gesellschaft ist, werMöglichkeit zur Teilhabe bekommt, begeht weniger Strafta-ten. Daher setzt die Ampelkoalition darauf, unsere gesell-schaftlichen Werte, wie Freiheit und Demokratie, frühzeitigzu vermitteln, und fördert gezielt den Spracherbewerb.

Jedem wird deutlich, dass wir mit unseren Koalitionspart-nern SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN klar für Rechts-staatlichkeit, Sicherheit, Integration und Prävention stehen.

Haben Sie vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schellhammervon der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen undHerren! Die AfD hat heute eine Aktuelle Debatte unter demTitel „Gefährliche Zuwanderer in Rheinland-Pfalz“ bean-tragt. Als Innenpolitikerin könnte ich darauf eingehen, wiesich unsere Polizeiliche Kriminalstatistik gerade im Hinblickauf die Kriminalität von Zuwanderern entwickelt hat. Ichkönnte darauf eingehen, was die Landesregierung mit demAERBiT-Projekt umgesetzt hat,

(Zuruf des Abg. Matthias Joa, AfD)

das ein Frühwarnsystem für islamistische Gefährder ist.

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Ich könnte aber auch darauf eingehen, welche rechtsstaat-lichen Hürden bei einer Abschiebung bestehen.

Weder darauf noch auf die falschen Behauptungen in derDebatte möchte ich eingehen; denn darauf sind wir schonzahlreich eingegangen. In zahlreichen Ausschusssitzun-gen hat die Landesregierung dargestellt und in zig Kleinenund Großen Anfragen darauf geantwortet, wie die Situa-tion ist. Das haben wir auch hier schon rauf und runterdiskutiert.

Stattdessen möchte ich die Aktuelle Debatte nutzen, umzu verdeutlichen, welche Strategie hinter dem Titel derAktuellen Debatte steckt. Ich möchte ganz bewusst derAfD in ihrer Strategie nicht auf den Leim gehen. Ich findees wirklich schockierend, dass die CDU und ihr Fraktions-vorsitzender über dieses Stöckchen gesprungen sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,SPD und FDP –

Zurufe von der CDU)

Sie von der AfD brauchen das Thema „Flucht und Asyl“.Das ist die Welle, auf der Sie surfen. Das zeigt auch dieAuswahl der heutigen Aktuellen Debatte.

Findet ein spektakulärer Kriminalfall statt, bei dem der po-tenzielle Täter ein Flüchtling ist, dann marschieren Sie auf.Alle Menschen, die Opfer von deutschen Tätern gewordensind, sind Ihnen egal. Diese Fälle machen Sie nicht zumGegenstand von Berichtsanträgen oder von Aktuellen De-batten.

(Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: Sie auch nicht,Frau Kollegin!)

Es geht Ihnen nämlich nicht darum, Gewalt und Straftatenzu verhindern. Ihnen ist die Herkunft des Täters wichtigerals das Schicksal des Opfers.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der FDP)

Sie ethnisieren damit Kriminalität, „weil es Flüchtlinge sind“.Sie pauschalisieren, die sind alle so, und Sie skandalisie-ren, es wird immer alles schlimmer durch die Zuwanderung.Damit verleugnen Sie komplexe Zusammenhänge, die zuStraftaten führen. Ein Blick in die Kriminologie würde hel-fen, aber an seriöser Innenpolitik ist Ihnen nicht gelegen.Sie verbreiten lieber die Mär von der Ausländerkriminalitätunabhängig von der Faktenlage.

Was steckt aber dahinter? Sie wollen immer wieder diesenRaum und die Ausschussräume dazu nutzen, um die Wor-te „Gewalt“, „Messerstecher“, „Vergewaltiger“, „Gefährder“oder „kriminell“ mit dem Wort „Zuwanderer“ zu verknüp-fen. Sie wiederholen immer wieder diese Zusammenhängeso oft, bis sie in die Köpfe der Menschen eindringen unduntrennbar dort miteinander verknüpft sind. So funktionie-ren alle unsere Gehirne. Wenn wir oft genug bestimmteZusammenhänge wiederholen, dann sind diese Zusam-menhänge miteinander verknüpft. Das ist eindeutig IhreStrategie. Sie werden immer wieder an dieser Stelle dasWort „Flüchtling“ mit „kriminell“ oder „Zuwanderer“ mit „ge-fährlich“ verknüpfen.

Immer wieder! Und damit wollen Sie den Weg bereiten fürIhre pauschale Ablehnung und Ihre Menschenfeindlichkeit.Sie reden nicht über Menschen mit Migrationshintergrund,die sich hier integrieren, die hier arbeiten und unsere Ge-sellschaft bereichern.

(Abg. Mathias Joa, AfD: Es hat dochniemand widersprochen!)

Sie skandalisieren lieber einzelne Fälle und möchten da-mit belegen, dass alle Ausländer so seien. Das Bild desgefährlichen Zuwanderers ist die Luft, die Sie atmen. Sieverschieben damit den Diskurs in unserer Gesellschaft. Esfängt leise an mit Flüchtlingswelle, Flüchtlingskrise, Flücht-lingsschwemme. Alle sind im Katastrophenmodus.

Und es geht weiter und weiter und führt bis hin dazu, dassanscheinend das Wort „Asyltourismus“ salonfähig gewor-den ist. Das ist die Verschiebung, und das ist der aktuelleZustand, in dem wir uns befinden. Es muss doch klar sein,dass gerade der Begriff „Asyltourismus“ in den KöpfenBilder erzeugt von Reisen und Freizeitspaß und es nichtsdamit zu tun hat, dass die Menschen im Mittelmeer ertrin-ken, sie dort sterben und sie ihre Heimat nicht aus Spaßverlassen, sondern weil sie fliehen müssen.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Genausopauschal!)

Das verleugnen Sie, und das ist die Diskursverschiebung.Das ist genau diese Diskursverschiebung, die auch in denParteien der Mitte ankommt. Das ist das richtig Gefährlichean der AfD. Das gibt Ihnen nämlich Auftrieb. Ich appellierehier an dieser Stelle – das Wort „Asyltourismus“ ist ausden Reihen der Union gefallen – an alle Demokratinnenund Demokraten, dieses Spiel nicht weiter mitzumachen,diese Diskursverschiebung nicht weiter zuzulassen. Esgeht doch um den Kampf, um die Köpfe, ob in den Köpfenein realistisches oder ein verzerrtes Bild von Zuwanderernexistiert. Das liegt doch in unserer Verantwortung hier alsDemokratinnen und Demokraten. Lassen wir nicht zu, dassderen Strategie aufgeht. Springen wir nicht über diesesStöckchen!

Es ist politische Verantwortung, sich der Komplexität derWelt zu stellen. Das Thema „Migration und Integration“ istkomplex, und die Gründe, weshalb jemand straffällig wird,sind komplex. Sie vereinfachen, sie spalten, und das istunverantwortlich. Seien Sie sich sicher, dass wir nicht überdieses Stöckchen springen und wir diese Strategie immer,wo wir gehen und stehen, entlarven werden.

(Starker Beifall des BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN, der SPD und der FDP –

Zurufe der Abg. Dr. Timo Böhme und UweJunge, AfD)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Nun erteile ich Herrn Staatsminister Lewentz für die Lan-desregierung das Wort. Bitte schön.

Roger Lewentz, Minister des Innern und für Sport:

Mein Gott, Herr Baldauf, Sie sind wirklich ein armer politi-

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

scher Tropf.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was war das denn eben für ein erbärmliches, ärmlichesSpiel, das Sie hier abgeliefert haben

(Zuruf von der CDU: Unverschämtheit! –Weitere Zurufe von der CDU –

Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Richtig: Unverschämtheit!)

Sie sprechen von einem zivilisierten Staat. Ihre Partei-freunde haben doch nahezu alles dafür getan, dass InnereSicherheit hier kaputtgeht in diesem Land, sehr geehrterHerr Baldauf.

(Weitere Zurufe von der CDU)

Dieser Baron aus Bayern und Frau von der Leyen habendie Bundeswehr nahezu abgewirtschaftet.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Abschiebeskandale haben wir in Bayern und in Nordrhein-Westfalen. Sie haben 2015 und 2016 in Ihrer Verantwor-tung die Fähigkeit, Grenzen zu sichern, nahezu kaputtgemacht. Es war Ihre Kanzlerin und Parteivorsitzende, diedie Grenzen geöffnet hat.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Sie habengeklatscht!)

Ich war 2015 Vorsitzender der Innenministerkonferenz. Kei-ne Information, kein Hinweis, überhaupt nichts, meine sehrgeehrten Damen und Herren!

(Abg. Alexander Licht, CDU: Wie hieß denndie Koalition?)

Herr Baldauf, dass Sie nicht einmal in der Lage sind, wennSie so etwas tun wollen, so halbherzig den Versuch zustarten, die Ministerpräsidentin anzugreifen, dann hättenSie einen eigenen Tagesordnungspunkt beantragen sol-len.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Jetzt weißich, warum er so reagiert!)

Sie wissen doch, das Rheinland-Pfalz die schnellsten Ge-richtsverfahren im Asylbereich hat. Sie wissen, dass wirbei der Rückführung von straffälligen Asylbewerbern ganzvorn mit dabei sind. Herr Roth hat es Ihnen doch ebengesagt. Herr Baldauf, ich glaube, Sie sind doch Rechtsan-walt. Ich glaube, das Verfahren, das Sie eben als Beispielgenannt haben, ist noch gerichtsanhängig.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Ja!)

Es ist doch überhaupt nicht denkbar, dass eine Forderung,die Sie dem Herrn Landrat, den ich sehr schätze, in denMund gelegt haben, rechtlich umzusetzen ist. So könnenwir doch nicht miteinander umgehen.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann schaueich mir die AfD an. Bis gestern war das wichtigste Thema„Gesünderes Arbeiten in der Polizei“.

(Abg. Monika Becker, FDP: Ja!)

Darüber hätte ich gerne mit Ihnen diskutiert. Da hat Sieder Mut verlassen, das Thema hier zu bringen.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Das erkläre ichIhnen gleich!)

Sie hätten keinen Blumentopf damit gewonnen. Stattdes-sen, Herr Junge, holen Sie die altbekannte Keule heraus.Ich verwahre mich dagegen, dass Sie hier ein Zerrbildbieten, das da lautet: Polizei schaut weg, Strafverfolgungs-behörden werden nicht aktiv. – Ich stelle mich hier bewussthinter unsere Polizei, hinter unsere Staatsanwälte, hinterunsere Richterinnen und Richter. Das ist ein Rechtsstaat,und wir verteidigen ihn mit aller Kraft.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das gilt auchbei der Strafverfolgung. Ja, Sie haben in den Zahlen, dieSie für 2016 genannt haben, recht. Rund 250.000 Krimi-nalitätsfälle. Sie haben 11.718 den Zuwanderern ohneausländerrechtliche Verstöße zugeordnet und haben danndie Behauptung gewagt, das würde ins Unendliche steigen.2016 11.718, 2017 11.948 bei einer deutlichen Steigerungder Zahl von Flüchtlingen und Zuwanderern in Rheinland-Pfalz. Das sind alles Thesen, bei denen Sie sich eineZahl heraussuchen, um Ängste zu schüren, um Panik zuverbreiten, um die Menschen in unserem Land zu verunsi-chern. Wir gehen jeder Straftat nach, und es ist völlig egal,ob diese Straftaten von Menschen begangen werden, dieeinen deutschen Pass haben, die schon lange hier lebenoder neu zu uns kommen, meine sehr geehrten Damenund Herren.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –

Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So istdas bei uns!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, dass Rheinland-Pfalz in diesen Fragen vorneweg marschiert, haben wirüber das Projekt AERBiT in der Innenministerkonferenz– und der Kollege Lammert hat es im letzten Plenum bestä-tigt – von allen gesagt bekommen, jawohl, ihr macht dasvernünftig, ihr seid vorneweg, wir ahmen das nach.

Und Präsident Münch vom Bundeskriminalamt – das istder Ressortbereich des Bundesinnenministers, verehrterHerr Fraktionsvorsitzender – hat dies in Rheinland-Pfalzin der letzten Woche ausdrücklich noch einmal gelobt. Erhat gesagt, das ist eine Blaupause für Deutschland. Dasist die Arbeit der rheinland-pfälzischen Polizei und auchdie Steuerung durch die rheinland-pfälzische Politik. Meinesehr geehrten Damen und Herren, wenn man sich InnereSicherheit betrachtet – deswegen bin ich so emotional –,muss man sehen, wir, die rheinland-pfälzische Polizei, sind

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

in der Aufklärungsquote auf Platz 3 in Deutschland.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –

Abg. Alexander Licht, CDU: Wer A sagtmuss auch B sagen!)

Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalzsind die sichersten Räume in Deutschland. Wir haben Re-kordeinstellungszahlen bei der Polizei. Uns vorzuwerfen,wir würden bei Abschiebung oder bei anderen Stichwor-ten nicht diesen Rechtsstaat mit aller Kraft verteidigen, istvöllig falsch.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So istes!)

Wenn Sie das nächste Mal ein solches Thema setzen wol-len, beantragen Sie es selbst. Hier hätten Sie einmal derAfD die Antwort geben können, verehrter Herr Baldauf.

(Starker Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Wir steigen in die zweite Runde ein. Ich erteile Herrn Frak-tionsvorsitzenden Junge von der AfD das Wort.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Habt IhrNeuwahlen, oder was ist der Grund

gewesen?)

Abg. Uwe Junge, AfD:

Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen!Herr Minister, Sie beklagen hier gegenüber der CDU dieFolgen der Asylkrise, die Sie ja mitgetragen haben. Sie ha-ben all das mitgetragen, was wir heute erleben. Natürlichkönnen wir der Polizei nur dankbar sein. Ich bin der Letzte,der das nicht ist und das nicht auch immer wieder deutlichsagt. Die Polizei ist so gut nicht wegen Ihrer Politik, son-dern trotz Ihrer Politik. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall der AfD)

Lieber Herr Schwarz, natürlich sind nicht alle Zuwandererkriminell. Das sagt auch keiner.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Außer AfD-lern)

Aber die Kriminalitätsstatistik sagt eben aus, dass es im-mer mehr werden. Darauf müssen wir doch auch reagieren.In vier Jahren ist die Ausländerkriminalität in Deutschlandum 174 % gestiegen. Das sind doch alarmierende Zahlen,und die müssen wir berücksichtigen.

(Abg. Michael Frisch, AfD: So ist es!)

Herr Baldauf, es tut mir furchtbar leid, aber hier geht esnicht darum, wieder Begrifflichkeiten zu erklären und zuerläutern, sondern es geht um das Gefahrenpotenzial, dasfür die Bürger ausgeht von allen zusammen, und das wardoch der Ansatz meiner Rede. Und dass das Aktualität hat,das hat genau Ihr Landrat, Herr Brechtel, ganz deutlich ge-

macht, sonst hätten wir es gar nicht auf die Tagesordnunggesetzt,

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Genau!)

weil er als Hilferuf aus dem Landkreis heraus gesagt hat,Achtung, wir brauchen Unterstützung und Hilfe. Dass Siehier in der Plenarsitzung beinahe – nicht ganz, Sie habendie Kurve noch gekriegt – Ihrem Landrat in den Rückenfallen, nur um der AfD schaden zu wollen, fand ich schonbemerkenswert.

Frau Schellhammer, ich muss Ihnen eins ganz klar sagen:Ja, wir haben natürlich im Innenausschuss immer wiederauch über dieses Thema gesprochen. Sie haben es ganzrichtig ausgedrückt. Sie haben gesagt „über die Lage dis-kutiert“, genau. Aber wir müssen auch über Maßnahmendiskutieren.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Machen Sie doch mal!)

Und die müssen wir umsetzen. Da sage ich Ihnen Folgen-des: Wir fordern, dass die Integrationsministerin ihre Hand-lungsmöglichkeiten im Bereich Asyl und Aufenthaltspraxisprüft und dann die zur Verfügung stehenden Ermessens-spielräume auch nutzt.

(Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Immer dieseFalschbehauptungen!)

Wir fordern, dass die Hürden für den Widerruf einer Dul-dung deutlich zu senken sind. Ausländerbehörden müssenim Falle von Straftaten den Widerruf grundsätzlich prüfenkönnen. Natürlich muss auch das BAMF unverzüglich überStraftaten informiert werden, die von Asylbewerbern oderSchutzberechtigten begangen werden, damit diese in derAsylentscheidung auch berücksichtigt werden können oderauch ein positiver Asylbescheid zurückgenommen werdenkann.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Alles in einen Topf, mal

umrühren und schauen, was dabeiherauskommt!)

Ja, dafür benötigen wir ein Frühwarnsystem,

(Glocke des Präsidenten)

ein standardisiertes Meldewesen und ein engmaschigesKommunikationssystem.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Keine Ahnung, aber eine

Meinung!)

Es geht hier, meine Damen und Herren – und dabei müs-sen wir wirklich einmal parteiübergreifend denken –, umdie Kernaufgabe des Staates, den Schutz unserer Bürger,meine Damen und Herren.

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

(Beifall der AfD –Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN: Keine Ahnung, aber eineMeinung! –

Abg. Uwe Junge, AfD: Sie haben heutekeinen guten Tag!)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarz von derFraktion der SPD.

Abg. Wolfgang Schwarz, SPD:

Danke, Herr Präsident. Nur zur Klarstellung, Herr Junge.Es ist wieder so ein komischer Geschmack auch mit Ihrerzweiten Runde hereingekommen, die Sie gemacht haben.Sie pauschalieren und stellen irgendetwas in den Raumund haben offensichtlich von den Abläufen in den Behör-den absolut keine Ahnung.

(Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Wenn ein Asylant, ein Flüchtling, hier nach Deutschlandkommt, dann wird er überprüft. Richtig?

(Abg. Heribert Friedmann, AfD: Wenn erPapiere hat!)

– Richtig, gut. Dann wird er überprüft.

(Abg. Michael Hüttner, SPD: Anderewerden auch überprüft!)

– Wie jeder andere auch, wenn er denn Straftaten begeht.Jeder Nichtdeutsche, der in Deutschland eine Straftat be-geht, wird über die MiStra an die zuständige Ausländerbe-hörde gemeldet.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Dasversteht er doch nicht!)

Sie hätten die Ohren nur aufmachen müssen beim letztenInnenausschuss. Die Ausländerbehörde bewertet diesenSachverhalt, und danach werden rechtsstaatliche Maßnah-men getroffen. Jetzt sind wir wieder bei einem anderenThema. Genauso ist es bei den Flüchtlingen.

(Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Sie unterstellen Dinge und bringen immer diese schreckli-che Tat in Kandel.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Nehmen Sie AliBashar in Wiesbaden!)

Frau Schellhammer hat es Ihnen gesagt. Sie kümmernsich mehr um den Täter als um die Opfer, und wir müssenuns dann auch mehr um die Opfer kümmern.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Täter werden zur Rechenschaft gezogen. Wir habenzurzeit ein rechtsstaatliches Verfahren, das in Landau vordem Landgericht durchgeführt wird. Dies gilt es abzuwar-ten, und dann werden sicherlich auch weitere Maßnahmen

getroffen.

(Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Das müssen Sie einfach einmal akzeptieren und nichtimmer irgendwelche Luftblasen in den Raum stellen, diedann irgendwann platzen, bis Sie die nächsten Backenwieder aufgeblasen haben, um die nächste Luftblase hierzu machen.

(Abg. Martin Haller, SPD: So sieht es aus,Wolfgang! –

Abg. Uwe Junge, AfD: Abwarten löst dochkeine Probleme!)

Bleiben Sie bei der Wahrheit. Ich gebe Ihnen gern einmalein Lehrbuch der Kriminologie. Eines hat Herr Pfeiffer ge-schrieben. Er hat genau den gleichen Fall, wie er in Kandelpassiert ist, in seinen ersten Jahren erlebt.

(Glocke des Präsidenten)

Schauen Sie es sich einmal an: Haargenau der gleicheFall. – Täter und Opfer deutsche Staatsangehörige.

Danke.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –

Abg. Uwe Junge, AfD: Ach Du lieber Gott!)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Nun erteile ich das Wort Herrn Abgeordneten Baldauf,dem Fraktionsvorsitzenden der CDU.

Abg. Christian Baldauf, CDU:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!Herr Innenminister, Ihr Auftritt gerade eben zeigt mehr überden Zustand der Koalition, als ich bisher gedacht hatte.

(Starker Beifall der CDU und der AfD)

Ich kann Ihnen das auch ganz deutlich sagen, warum.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Seine letzte Rede als

Fraktionsvorsitzender!)

Mir kam das so vor, als ob Sie geschickt worden sind. Wirhaben ja einen Fakt. Da gibt es einen Brandbrief von HerrnBrechtel. Kennen Sie den überhaupt? Kennen Sie denInhalt? Nehmen Sie doch einmal Stellung, was er dazugeschrieben hat.

(Staatsminister Lewentz: Habe ich docheben!)

Warum schreibt er Ihnen einen Brandbrief, wenn alles rich-tig ist?

(Staatsminister Lewentz: Stimmt das nicht,was ich gesagt habe?)

Warum, Herr Innenminister, kümmern Sie sich nicht um

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Ihre eigenen Themen und schieben nach wie vor 1,7 Mil-lionen Überstunden bei der Polizei vorneweg?

(Abg. Michael Hüttner, SPD: Aber seit zehnJahren!)

Herr Innenminister, warum wissen Sie von den straffälliggewordenen Ausreisepflichtigen nur von 20 % den Aufent-halt und von 80 % nicht? Es ist Ihre Aufgabe, so etwasfestzustellen.

(Staatsminister Lewentz: Wie kommen Siezu einer solchen Behauptung?)

Es ist auch Ihre Aufgabe, für die Abschiebung zu sorgen,Herr Innenminister.

(Starker Beifall der CDU und der AfD)

Dazu haben Sie hier nichts gesagt, meine sehr geehrtenDamen und Herren.

(Staatsminister Lewentz: Ihr Landrat!)

Es ist auch ein offenes Geheimnis, Herr Innenminister,dass die Grünen Sie schon ab und zu aufgefordert haben,sich mehr vor Frau Spiegel zu stellen,

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Quatsch!)

und mehr Unterstützung eingefordert haben. Es im Üb-rigen auch ein offenes Geheimnis, dass Sie für sichereHerkunftsländer sind. Das ist hier eine ganz andere Situa-tion. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Sie keine geradeLinie in dieser Landesregierung vertreten,

(Staatsminister Lewentz: Deswegen ist Sieauch so erfolgreich!)

weil Sie in Berlin etwas anderes als stellvertretende Bun-desvorsitzende erzählen, als Sie es hier tun, meine sehrgeehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Herr Innenminister, ich hätte mir sehr gewünscht, dassSie auch etwas zu den tatsächlichen Situationen, zu denFakten, sagen, weil falsch ist das Thema nicht, dass esausreisepflichtige Straftäter gibt.

(Glocke des Präsidenten)

Eine konsequente Durchsetzung von Recht einerseits undHilfsbereitschaft und Humanität andererseits schließensich bekannterweise nicht aus. Meine sehr geehrten Da-men und Herren, beides muss man aber durchsetzen.

(Beifall der CDU und bei der AfD –Abg. Uwe Junge, AfD: Da sind wir ja

zusammen!)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schellhammervon der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Was wir heute in der Debatte erlebt haben, bestätigt genaudas, was ich in meinem Redebeitrag geschildert habe: DieAfD hat hier auch – das hat der Redebeitrag von HerrnJunge in der zweiten Runde wieder gezeigt – alles in einenTopf geworfen,

(Abg. Uwe Junge, AfD: Es geht um dieWirkung!)

gemischt mit Falschbehauptungen, und dann den blankenPopulismus vom Redepult aus verbreitet. Das ist gefähr-lich.

(Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: Sie sind dochkeinen Deut besser!)

Es wäre sozusagen nur für einen Bereich gefährlich, wennes nicht auf andere Parteien übergreifen würde. Das hatleider der Redebeitrag von Herrn Baldauf gezeigt, und esist schockierend. Es war schon schockierend bei Ihremersten Redebeitrag, und es war auch eben wieder scho-ckierend.

(Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Sie müssten doch als ausgebildeter Jurist wissen, wasGrundlagen unseres Rechtsstaats sind,

(Zuruf des Abg. Matthias Joa, AfD)

und dass die Forderung, die Landrat Brechtel erhebt, il-legal ist. Dass Sie sich hier unverfroren hinstellen, zeigtden wirklich bedauernswerten Zustand der Union, dassSie über Stöckchen der AfD derart springen und Sie alsFraktionsvorsitzender in eine Debatte hereingehen, die dieAfD mit einer ganz klaren Strategie, die die AfD dahinterverfolgt, beantragt hat.

(Zuruf des Abg. Martin Brandl, CDU)

Dass Sie nicht zwischen Partei und Koalition und gutemRegieren und Zusammenwirken differenzieren können, zei-gen Sie immer wieder bei der Debatte zu den sicherenHerkunftsstaaten. Ich sage ganz ehrlich: Es ist gut so,wenn Sie diese Erfahrung von Regierung nie machen. Dashat Ihr Redebeitrag auch gezeigt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,SPD und FDP –

Abg. Uwe Junge, AfD: Fragen Sie mal IhrenBoris Palmer!)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Weitere Wortmeldungen liegen dem Präsidium zu dieserAktuellen Debatte nicht mehr vor. Ich schließe damit dieAussprache.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darfich Mitglieder des FDP-Verbands aus der Verbandsge-meinde Gau-Algesheim bei uns im Plenarsaal willkommenheißen. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Wir freuen uns über die Anwesenheit von Landfrauen ausGau-Bischofsheim. Auch Ihnen ein herzliches Willkom-men!

(Beifall im Hause)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung:

Vom Landtag vorzunehmende Wahlen

Wir haben Wahlen vorzunehmen. Gemäß Absprache imÄltestenrat erfolgt die Behandlung ohne Aussprache.

Wahl der Vizepräsidentin des RechnungshofsRheinland-Pfalz

Wahlvorschlag der Ministerpräsidentin– Drucksache 17/6635 –

Vorgeschlagen ist Frau Dr. Susanne Wimmer-Leonhardt.Ich darf zur Abstimmung aufrufen. Wer diesem Wahlvor-schlag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Hand-zeichen! – Danke schön. Damit ist für Enthaltungen undGegenstimmen kein Raum mehr. Ich stelle fest, dass FrauDr. Susanne Wimmer-Leonhardt damit einstimmig zur Vize-präsidentin des Rechnungshofs Rheinland-Pfalz gewähltwurde.

(Beifall im Hause –Dr. Susanne Wimmer-Leonhardt bedanktsich von der Zuschauertribüne aus für die

Wahl)

Ich darf Frau Dr. Wimmer-Leonhardt ganz herzlich seitensdes Landtags gratulieren und ihr eine glückliche Hand beider Erledigung ihrer Aufgabe wünschen. Alles Gute!

Wahl von Mitgliedern des Verwaltungsrats derWiederaufbaukasse

Wir haben Mitglieder des Verwaltungsrats der Wiederauf-baukasse zu wählen. Dazu liegen Ihnen mehrere Wahlvor-schläge, und zwar jeweils der einzelnen Fraktionen, vor.

Wahlvorschlag der Fraktion der SPD– Drucksache 17/7046 –

Wer diesem Wahlvorschlag seine Zustimmung gibt, denbitte ich um das Handzeichen! – Danke schön. Auch hierist für Enthaltung und Ablehnung kein Raum. Damit ist derWahlvorschlag einstimmig angenommen.

Wahlvorschlag der Fraktion der CDU– Drucksache 17/7052 –

Wer diesem Wahlvorschlag seine Zustimmung gibt, denbitte ich ebenfalls um das Handzeichen! – Vielen Dank.Auch hier ist für Enthaltungen und Gegenstimmen keinRaum. Damit ist der Wahlvorschlag der Fraktion der CDUeinstimmig angenommen.

Wahlvorschlag der Fraktion der AfD

– Drucksache 17/7047 –

Wer diesem Wahlvorschlag seine Zustimmung gibt, den bit-te ich ebenfalls um das Handzeichen! – Wenn ich es richtiginterpretiert habe, war auch das einstimmig, sodass auchder Wahlvorschlag der Fraktion der AfD mit allen Stimmender Fraktionen innerhalb des Parlaments angenommenwurde.

Wahlvorschlag der Fraktion der FDP– Drucksache 17/7057 –

Wer diesem Wahlvorschlag seine Zustimmung gibt, denbitte ich ebenfalls um das Handzeichen! – Danke schön.Auch hier ist kein Raum für Gegenstimmen oder Enthal-tungen. Damit ist der Wahlvorschlag der FDP ebenfallsangenommen.

Wahlvorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN– Drucksache 17/7056 –

Wer diesem Wahlvorschlag seine Zustimmung gibt, den bit-te ich ebenfalls um das Handzeichen! – Danke schön. Auchdas war einstimmig. Damit ist auch der Wahlvorschlag derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einstimmig angenom-men.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

..tes Landesgesetz zur Änderung desLandeskrankenhausgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung– Drucksache 17/5490 –

Zweite Beratung

dazu:Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit,

Pflege und Demografie– Drucksache 17/7027 –

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minutenvereinbart. Bevor ich den ersten Redner aufrufe, will ichSie kurz über das Ausschussverfahren informieren. Dieerste Plenarberatung hat in der 54. Sitzung am 22. März2018 im Parlament mit Aussprache stattgefunden.

Der Gesetzentwurf ist an den Ausschuss für Gesund-heit, Pflege und Demografie – federführend – und an denRechtsausschuss überwiesen worden. Der Ausschuss fürGesundheit, Pflege und Demografie hat eine Anhörungdurchgeführt, und der Ausschuss empfiehlt die Annahmemit Änderungen.

Ich darf nun fragen, wer sich als Redner meldet. – HerrDr. Enders für die Fraktion der CDU, bitte schön.

Abg. Dr. Peter Enders, CDU:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-ren! Die Grundlage für dieses zweite Landesgesetz zurÄnderung des Landeskrankenhausgesetzes ist bundes-gesetzlicher Art. Zum einen ist zum 1. Oktober 2016 dasKrankenhausstrukturgesetz in Kraft getreten. Ebenso hatte

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

das Auswirkungen auf das Krankenhausentgeltgesetz, dasKrankenhausfinanzierungsgesetz und auf das Sozialge-setzbuch V.

Es geht konkret um einen Zungenbrecher, nämlich dieplanungsrelevanten Qualitätsindikatoren aufgrund einerEmpfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Diese Indikatoren gibt es bisher nur im Bereich derGynäkologie. Wir müssen aber davon ausgehen, dass dasin der Zukunft auf viele andere Gebiete ausgedehnt wird.Deswegen ist es wichtig, dieses Gesetz gut zu beraten.

Entscheidend ist – und das kommt im Gesetz heraus –,dass die Erfüllung dieser Indikatoren, also die Erfüllungder Qualitätskriterien, eine Voraussetzung ist, um gemäßLandesrecht als Krankenhaus auch im Landeskranken-hausplan aufgenommen werden zu können, also für dieZukunft eine ganz wichtige Sache.

Die Landesregierung kann die Geltung dieser planungs-relevanten Qualitätsindikatoren ganz oder auch teilwei-se ausschließen oder auch einschränken. Wir haben imRahmen der ersten Lesung und auch nach der gemein-samen Anhörung und der Auswertung der Anhörung alsCDU-Fraktion zwei Änderungsvorschläge gemacht. Wirbegrüßen es außerordentlich, dass die übrigen Fraktionendieses Hauses unsere Vorschläge angenommen habenund sie damit auch in den Gesetzentwurf mit eingearbeitetwerden konnten, insbesondere in der letzten Sitzung desGesundheitsausschusses.

Es geht konkret um zwei Dinge. Einmal bei der Kranken-hausversorgung in § 1 Abs. 1 Satz 1: Wir haben vorge-schlagen – das wurde so auch angenommen –, dass nachdem Wort „bedarfsgerecht“ noch die Worte „sowie wohn-ortnah“ eingefügt werden.

(Beifall der Abg. Martin Brandl undChristine Schneider, CDU)

Bedarfsgerecht heißt für uns, es muss auch in Wohnortnä-he sein. Diese Präzisierung war uns sehr wichtig.

Der zweite Vorschlag ist etwas komplizierter und sehr juris-tisch formuliert, hat aber Auswirkungen auf die Quadraturdes Kreises: auf der einen Seite die Qualität sicherzustel-len, andererseits aber auch die Wohnortnähe im ganzenLand haben zu können. Bei § 6 Abs. 2 war unser Vorschlag,die Absätze 3 und 4 dahin gehend neu einzufügen, dass imjeweiligen Bericht der Landesregierung bei der Änderungvon Qualitätsindikatoren von der Landesregierung darzule-gen ist, in welcher Weise eine unveränderte Geltung derQualitätsindikatoren die flächendeckende Versorgung ineiner Region gefährden könnte, und zum anderen durchwelche alternativen Maßnahmen eine qualitativ hochwerti-ge Versorgung trotz der Abweichung davon sichergestelltist.

Das klingt sehr juristisch, bedeutet aber im Endeffekt,Wohnortnähe und Qualität unter einen Hut zu bringen.Darum wird es in der Zukunft gehen. Dafür sollten wir ge-meinsam eintreten.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Nun erteile ich das Wort Frau Abgeordneter Dr. Machaletvon der Fraktion der SPD.

Abg. Dr. Tanja Machalet, SPD:

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kolle-gen! Ich möchte zunächst noch einmal für meine Fraktionfesthalten, dass Rheinland-Pfalz eine sehr gute und hoch-wertige Versorgung im Krankenhausbereich zur Verfügungstellt. Wir haben eine sehr leistungsstarke Krankenhaus-struktur, und wir setzen uns auch in Zukunft vollumfänglichdafür ein, dass es in Zukunft so bleiben wird.

Herr Dr. Enders, inhaltlich haben Sie zur Gesetzesände-rung alles ausgeführt. Dass es sich dabei – sage ich jetzteinmal – um ein eher technisches Gesetz handelt, ist, glau-be ich, auch deutlich geworden. Nichtsdestotrotz heißt esnicht, dass ein technisches Gesetz nicht auch massiveAuswirkungen auf bestimmte Bereiche im Leben habenkann, nämlich gerade beim Thema Qualitätsindikatoren.

Wenn dauerhaft die Qualität in den Krankenhäusern nichterfüllt wird, können sie aus dem Plan genommen werden.Das hat durchaus vor Ort Folgen. Genau darum geht es,dass wir uns im Land zusätzlich zu den vom Gemeinsa-men Bundesausschuss festgelegten Qualitätskriterien fürdie Krankenhäuser das Recht herausnehmen und unsauch die Planungshoheit in der Hand lassen, eigene Qua-litätsindikatoren für die Krankenhäuser im Land in denLandeskrankenhausplan einfließen zu lassen.

Wir begrüßen ausdrücklich, dass diese planungsrelevantenQualitätsindikatoren erst nach Bericht im Gesundheitsaus-schuss, also im parlamentarischen Gremium, und unterEinbeziehung des Krankenhausplanungsausschusses indie Planung eingehen. Zusätzliche Qualitätskriterien kön-nen zum Beispiel im Bereich der Herzinfarkt- oder derSchlaganfallversorgung denkbar sein. Auch das ist in derAnhörung auf breite Zustimmung gestoßen.

Es gab allerdings auch die Anregung von zwei Anzuhö-renden, den Begriff „wohnortnah“ wieder aufzunehmen,wobei man dazu sagen muss, dass sich die ursprünglicheFormulierung im Wesentlichen auf § 1 des Krankenhaus-finanzierungsgesetzes bezog und insofern eine Analogiedargestellt hätte.

Aber natürlich geht es darum: Wir wollen eine bedarfs-und patientengerechte, qualitativ hochwertige Versorgungsichern, und gerade im Bereich der Notfall- und Grundver-sorgung muss das wohnortnah sein.

Deswegen war es für uns überhaupt keine Frage, dasswir das einvernehmlich machen und wieder in das Gesetzaufnehmen. Ich bin auch dankbar, dass wir das weitestge-hend kollegial in den letzten Wochen hinbekommen haben,von dem einen oder anderen Störfeuer vielleicht noch ein-mal abgesehen. Aber ich denke, wir können so konstruktivauch weiterarbeiten.

Ich wünsche mir diese konstruktive Zusammenarbeit auchweiter beim Thema „Landeskrankenhausplan“. Aber ichwürde mir das genauso im Bereich der ärztlichen Versor-

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

gung wünschen; denn hier geht es nicht darum, wer alsErstes irgendeinen Vorschlag gemacht hat, sondern dieMenschen verlangen von uns vor Ort Lösungen. Genaudafür sind wir hier alle verantwortlich.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Nun erteile ich das Wort Frau Abgeordneter Dr. Groß vonder Fraktion der AfD.

Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem 1. Ja-nuar 2017 wurde das Verfahren den planungsrelevantenQualitätsindikatoren eingeführt. Es geht auf eine entspre-chende Novellierung des Krankenhausstrukturgesetzeszurück und soll es den Planungsbehörden der Länder er-möglichen, erstmals im Rahmen der Krankenhausplanungdie Qualität der medizinischen Versorgung in den Kranken-häusern berücksichtigen zu können.

Auf Grundlage der Planungskompetenz der Länder für dieKrankenhäuser besteht somit für das Land Rheinland-Pfalzzwingend Handlungsbedarf, dem die Landesregierung hiermit der Vorlage des x-ten Landesgesetzes zur Änderungdes Landeskrankenhausgesetzes nachkommt.

Wir haben den vorliegenden Gesetzentwurf umfassend inden vergangenen Ausschusssitzungen beraten und dieGelegenheit genutzt, Experten anzuhören. Die Weichen-stellung, künftig planungsrelevante Qualitätsindikatorenbei der Krankenhausplanung berücksichtigen zu müssen,kann für die Krankenhäuser erhebliche Konsequenzen ha-ben. Die möglichen Sanktionen reichen vom Ausschlusseinzelner Abteilungen bis zur Herausnahme des gesamtenKrankenhauses aus dem Krankenhausplan, wenn nicht nurvorübergehend eine in erheblichem Maße unzureichendeQualität festgestellt wird. Hier wird zu klären sein, wie „er-heblich“ und „unzureichend“ definiert wird.

Wird gegen wesentliche Qualitätsanforderungen – auch„wesentlich“ wird zu definieren sein – verstoßen, ist der Ge-meinsame Bundesausschuss entsprechend § 137 SGB Vermächtigt, angemessene Durchsetzungsmaßnahmen zuergreifen, wie Vergütungsabschläge, den Wegfall des Ver-gütungsanspruches bei Unterschreitung von vorgegebe-nen Mindestanforderungen, die Information Dritter über dieVerstöße und die einrichtungsbezogene Veröffentlichungvon Informationen zur Nichteinhaltung von Qualitätsanfor-derungen.

Mit der Einführung planungsrelevanter Qualitätsindikatorenverfügt die Landesregierung über ein außergewöhnlichesInstrument, welches dazu bestimmt ist, auf die Leistungs-steuerung, damit auf die Wirtschaftlichkeit und letzten En-des auf das Sein oder Nichtsein einer Abteilung oder einesKrankenhauses beträchtlich Einfluss zu nehmen.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass die Kliniken schonseit Jahren einem sehr hohen externen Qualitätsanfor-

derungsprofil unterliegen. Das RWI – Leibniz-Institut fürWirtschaftsforschung resümiert daher 2016, dass dierheinland-pfälzischen Kliniken bei der messbaren medizi-nischen Qualität gut abschnitten und gut erreichbar seien.

Meine Damen und Herren, Qualitätssteigerungen sind prin-zipiell zu begrüßen. Sie nicht zu überdehnen und evidenz-basierte Qualitätskriterien zu definieren, die auch mess-bar sind, muss das Ziel sein. Ich möchte an dieser Stelledie Gelegenheit nutzen, an die Landesregierung zu ap-pellieren, ihre Möglichkeiten in diesem Zusammenhangumsichtig und mit Bedacht zu gebrauchen, wenn es darumgeht, weitere Qualitätsanforderungen zu beschließen unddabei auch die kleinen, für die Grundversorgung wichtigenKrankenhäuser in der Fläche in den positiven Fokus zunehmen.

Es darf nicht sein, Personaluntergrenzen angesichts rarerPflegekräfte als einen planungsrelevanten Qualitätsindika-tor vorzugeben und Kliniken bei Nichterfüllung zu sanktio-nieren. Hier wurden Qualitätsanforderungen formuliert, dievon Beginn an als unerfüllbar auszulegen sind.

In diesem Zusammenhang möchte ich erinnern, die Kran-kenhäuser auch ausreichend zu finanzieren, wenn es umdie Umsetzung der geforderten Qualitätsanforderungengeht. Sie wird mit hohen Kosten verbunden sein.

Meine Damen und Herren, die Gesundheit ist ein wesentli-cher Teil der Daseinsvorsorge, die der Staat seinen Bür-gern gegenüber zu erbringen hat. Sie zahlen Steuern, siezahlen Beiträge.

Bezogen auf sich verändernde Gesellschaften können na-türlich nicht alle Strukturen dauerhaft konserviert werden,aber eine bedarfsgerechte, ausreichende und flächende-ckende medizinische Versorgung hoher Qualität und auchwohnortnah muss beibehalten werden, mit welchen Ver-sorgungsformen auch immer, Hauptsache sie tragen zudiesem Anspruch bei.

Heute bereits über weitere Versorgungsalternativen nach-zudenken, tut not. Nur mit dieser Weitsicht werden sich dieMangelsyndrome (Ärzte, Pflegepersonal) nicht wiederho-len.

Wir haben im Ausschuss bereits dem Änderungsantragder CDU zugestimmt.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall der AfD)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Nun hat Herr Abgeordneter Wink von der Fraktion der FDPdas Wort.

Abg. Steven Wink, FDP:

Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Wir Freien Demokraten legen ebenfalls großen Wertdarauf, dass wir stets den Chancen und Herausforderun-gen des Wandels gerecht werden.

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Genau deshalb ist die Änderung des Landeskrankenhaus-gesetzes auch so wichtig. Wir haben es gehört, durch dasim Jahr 2016 in Kraft getretene Krankenhausstrukturgesetzsind auf Bundesebene weitreichende Vorschriften getätigtworden. Betroffen hiervon sind unter anderem Vorschriftenim Fünften Buch Sozialgesetzbuch, im Krankenhausent-geltgesetz und im Krankenhausfinanzierungsgesetz.

§ 6 Krankenhausfinanzierungsgesetz besagt, dass dieEmpfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses zuden planungsrelevanten Qualitätsindikatoren Bestandteildes Krankenhausplans wird. Manche Krankenhäuser kön-nen den Qualitätsindikatoren oder den Qualitätsvorgabendes jeweiligen Landesrechts nicht gerecht werden. Ist diesnicht nur temporär der Fall, dürfen diese teilweise oder garnicht in den Krankenhausplan aufgenommen werden.

Weiterhin wird eröffnet, dass durch Landesrecht die Gel-tung der planungsrelevanten Qualitätsindikatoren teilwei-se oder ganz ausgeschlossen werden können. Eine Ein-schränkung ist ebenso möglich. Um die Planungshoheitdes Landes zu gewährleisten, gilt es, diese Möglichkeitin Anspruch zu nehmen. Genau deshalb ist die Änderungdes Landeskrankenhausgesetzes so wichtig.

Das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium soll un-ter Einbeziehung des zuständigen Landtagsausschussessowie des rheinland-pfälzischen Ausschusses Kranken-hausplanung entscheiden, welche Qualitätsindikatoren fürdie Krankenhausplanung relevant sind.

Dies erhöht zum einen die Beteiligung im Entscheidungs-prozess – das wurde in der Anhörung lobend hervorge-hoben –, wichtig ist hier aber auch anzumerken, dassMaßnahmen die Organisationen nicht über Gebühr belas-ten dürfen.

Im Großen und Ganzen darf ich mich für die sachlicheZusammenarbeit im Ausschuss bedanken. Ich fand dieAnhörung bereichernd und sah die Vorgehensweise, wiedas Thema im Ausschuss bearbeitet wurde, als bestätigtan.

Die Änderung gerade des Wörtchens „wohnortnah“ – wirhaben es vorhin in der ersten Debatte auch gehört – kön-nen wir selbstverständlich unterstützen.

Danke schön.

(Beifall der FDP, der SPD und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Nun hat Frau Abgeordnete Binz von der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Abg. Katharina Binz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnenund Kollegen! Die Debatte hat bisher gezeigt, wir sind unsin den Zielen des Gesetzentwurfs alle sehr einig. Ich möch-te noch etwas zur Einigkeit hinzufügen.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Bernhard Braun,BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Ziel ist es, in Rheinland-Pfalz eine qualitativ hoch-wertige patienten- und bedarfsgerechte Krankenhausver-sorgung der Bevölkerung in allen Regionen sicherzustel-len.

(Abg. Martin Haller, SPD: Das klingt sehrgut!)

Diese Versorgung soll auch mit dem neuen Gesetz mög-lichst wohnortnah stattfinden, aber auch bestimmte Qua-litätskriterien erfüllen. Dabei ist klar, je spezieller die Be-handlung ist, desto mehr kann und muss diese Versorgungin Zukunft auf spezialisierte Krankenhäuser konzentriertwerden. Die Grund- und Regelversorgung muss dagegenin der Fläche auch in Zukunft möglich sein.

Der Gemeinsame Bundesausschuss – er ist bereits mehr-fach genannt worden – wurde beauftragt, dafür planungs-relevante Qualitätsindikatoren zu Struktur, Prozess undErgebnisqualität zu beschließen. Diese sollen den Län-dern dabei helfen, in der Krankenhausplanung die Qualitätder medizinischen Versorgung zu berücksichtigen.

Mit dem Krankenhausstrukturgesetz von 2016 wurde fest-gelegt, dass diese planungsrelevanten Qualitätsindikato-ren automatisch Bestandteil der jeweiligen Landeskranken-hauspläne werden können. Das Gesetz sieht aber auchvor, dass die Länder durch landesgesetzliche RegelungenAusnahmen bestimmen können. Dies wollen auch wir mitdem vorliegenden Gesetzentwurf wahrnehmen, um diePlanungshoheit in der Hand zu behalten und gegebenen-falls Korrekturen vornehmen zu können.

Dabei soll vor allem eine mögliche Gefährdung der flächen-deckenden Versorgung der Bevölkerung in einer Regionmit in den Abwägungsprozess aufgenommen werden. Diestarre Übernahme von nackten Zahlen würde der Verant-wortung für die schwierige medizinische Versorgung gera-de auch im ländlichen Raum nicht gerecht werden.

Insofern begrüßen auch wir als Grüne die vorgeschlage-ne Regelung im Gesetz, dass vor einer Übernahme derplanungsrelevanten Qualitätsindikatoren sowohl der Ge-sundheitsausschuss des Landtags als auch der Kranken-hausplanungsausschuss angehört werden müssen und– wie wir jetzt gemeinsam in der Änderung beschlossenhaben – über Konsequenzen und alternative Maßnahmenzur Sicherstellung der Qualität berichtet wird.

Außerdem ist beim neuen Landeskrankenhausgesetz auchsehr wichtig, das zusätzlich zu den Qualitätsindikatorendes G-BA weitere landeseigene Kriterien aufgenommenwerden können.

All das sind Instrumente, mit denen wir als Land Rheinland-Pfalz die Steuerung der Krankenhausversorgung im Landweiter beeinflussen und verstärken können. In diesem Sin-ne unterstützen auch wir das vorliegende Gesetz.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der FDP)

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Ich erteile für die Landesregierung Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler das Wort.

Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales,Arbeit, Gesundheit und Demografie:

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kolle-gen! Am 22. März 2018 habe ich den Gesetzentwurf zurÄnderung des Landeskrankenhausgesetzes, seine Zieleund seine Begründung hier im Plenum vorgestellt. Ich freuemich sehr über den breiten fraktionsübergreifenden Kon-sens im Plenum, aber auch in den Ausschussberatungenund dem Anhörverfahren; denn er zeigt die zentrale Bedeu-tung einer qualitativ hochwertigen, patientengerechten undwohnortnahen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung.

Im Mittelpunkt der Novellierung stehen die Patientinnenund Patienten und deren Zugang zu einer medizinischenVersorgung, die ihren Bedürfnissen entspricht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in Rheinland-Pfalz bereits ein hohes Qualitätsniveau der Krankenhaus-versorgung. Davon ausgehend entwickeln wir mit demGesetz die Rahmenbedingungen so weiter, dass auch inZukunft eine regional gut erreichbare Krankenhausversor-gung sichergestellt werden kann.

Eine besondere Bedeutung hat dabei das Kriterium derWohnortnähe; denn dies gilt gerade in einem Flächen-land wie Rheinland-Pfalz. Die Bürgerinnen und Bürger inRheinland-Pfalz sollen wissen, dass ihnen, auch wenn me-dizinische Eile geboten ist, in ihrer Nähe ein sicheres Netzmedizinischer Einrichtungen zur Seite steht.

Eine qualitativ hochwertige Versorgung, die gleichzeitigpatienten- und bedarfsgerecht sowie wohnortnah ist undvon leistungsfähigen, qualitativ hochwertigen und eigenver-antwortlichen Krankenhäusern vorgehalten wird, benötigteine umfassende Planung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Die Landesregierung erfüllt diese zentrale Aufgabe derDaseinsvorsorge mit der Aufstellung des Landeskranken-hausplanes und eines Investitionsprogramms.

Dem Gemeinsamen Bundesausschuss wurden sehr weit-reichende Regelungsbefugnisse für die planungsrelevan-ten Qualitätsindikatoren übertragen. Diese planungsre-levanten Qualitätsindikatoren greifen unmittelbar auf dieKrankenhausplanung der Länder durch, wenn die Länderkeine anderen landesrechtlichen Regelungen erlassen.Das bedeutet, dass Krankenhäuser, die diese Qualitäts-anforderungen des Gemeinsamen Bundesausschussesnicht erfüllen, als Krankenhaus oder Abteilung automatischnicht mehr im Landeskrankenhausplan ausgewiesen wer-den. Das heißt, diese Leistungen können dann nicht mehrerbracht werden.

Dieser Automatismus ist von uns nicht gewollt. Ziel derLandesregierung ist es, in Rheinland-Pfalz weiterhin diePlanungshoheit in der Hand zu behalten. Die Neuregelungim Landeskrankenhausgesetz sieht deshalb vor, dass dasGesundheitsministerium entscheiden wird, ob und welcheplanungsrelevanten Qualitätsindikatoren des Gemeinsa-

men Bundesausschusses Bestandteil der Krankenhauspla-nung werden. Das erfolgt aber erst nach einem vorherigenBericht im zuständigen Landtagsausschuss sowie unterEinbeziehung des rheinland-pfälzischen Ausschusses fürKrankenhausplanung.

Zudem wird im Landeskrankenhausgesetz verankert, dassdas fachlich zuständige Ministerium weitere landeseige-ne Qualitätsanforderungen zum Gegenstand der Planungmachen und im Landeskrankenhausplan festlegen kann.

Das ist notwendig, um speziellen Anforderungen im Landgerecht zu werden, wie beispielsweise in der Herzinfarkt-versorgung, der Schlaganfallversorgung oder der Alters-medizin.

Diesen sukzessiven Prozess der weiteren Einführung lan-deseigener Qualitätskriterien in die Krankenhausplanungwollen wir ebenso transparent unter sorgfältiger fachlicherAbwägung und mit Augenmaß verfolgen wie die planungs-relevanten Qualitätsindikatoren, die der Gemeinsame Bun-desausschuss festlegt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie michabschließend betonen, die Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz stellen bereits jetzt eine hohe Qualität zur Verfügung,und sie entwickeln diese kontinuierlich weiter. Der vorlie-gende Gesetzentwurf stärkt die zentrale Bedeutung derhohen Qualitätsorientierung der Gesundheitsversorgungin Rheinland-Pfalz, und gleichzeitig stärkt er die Planungs-hoheit des Landes und ihre Transparenz und Legitimation.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Weitere Wortmeldungen zu diesem Gesetzentwurf liegenmir nicht mehr vor. Damit können wir zur Abstimmungschreiten.

Wir stimmen zunächst über die Beschlussempfehlungdes Ausschusses für Gesundheit, Pflege und Demografie– Drucksache 17/7027 – ab. Wer dieser Beschlussempfeh-lung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich umdas Handzeichen! – Das ist erkennbar einstimmig. Damitist die Beschlussempfehlung angenommen worden.

Wir stimmen nun über den Gesetzentwurf der Landes-regierung – Drucksache 17/5490 – in zweiter Beratungunter Berücksichtigung der soeben angenommenen Be-schlussempfehlung ab. Wer diesem Gesetzentwurf unterdiesen Voraussetzungen seine Zustimmung gibt, den bitteich ebenfalls um das Handzeichen! – Danke schön, auchdas war einstimmig. Damit ist der Gesetzentwurf in zweiterBeratung einstimmig angenommen worden.

Wir kommen nun zur Schlussabstimmung. Wer dem Ge-setz in der Schlussabstimmung zustimmen möchte, denbitte ich, sich von seinem Platz zu erheben! – Danke schön,auch das war einstimmig. Ich stelle fest, dass das Landes-krankenhausgesetz mit den beschlossenen Änderungeneinstimmig angenommen wurde.

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Ich rufe nun Punkt 4 der Tagesordnung auf:

...tes Landesgesetz zur Änderung desLandes-ImmissionsschutzgesetzesGesetzentwurf der Landesregierung

– Drucksache 17/6380 –Zweite Beratung

dazu:Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt,

Energie, Ernährung und Forsten– Drucksache 17/7024–

Der Ältestenrat hat beschlossen, den Gesetzentwurf ohneAussprache zu verabschieden. Ich darf Sie deshalb kurzüber das Ausschussverfahren informieren.

Die erste Beratung dieses Gesetzentwurfs hat in der60. Plenarsitzung am 21. Juni 2018 mit Aussprache statt-gefunden. Es erfolgte eine Überweisung an den Ausschussfür Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten – federfüh-rend – sowie an den Rechtsausschuss. Die Ausschüssehaben empfohlen, den Gesetzentwurf unverändert anzu-nehmen.

Wir können damit unmittelbar zur Abstimmung kommen.Wer dem Gesetzentwurf – Drucksache 17/6380 – in zwei-ter Beratung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um dasHandzeichen! – Danke schön, das war einstimmig. DerGesetzentwurf ist also in zweiter Beratung einstimmig an-genommen worden.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzin der Schlussabstimmung seine Zustimmung gibt, denbitte ich, sich von seinem Platz zu erheben! – Dan-ke schön, auch das war einstimmig. Ich stelle fest,dass der Gesetzentwurf zur Änderung des Landes-Immissionsschutzgesetzes einstimmig angenommen wur-de.

Ich rufe nun Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz über den Zusammenschluss derVerbandsgemeinden Herrstein und Rhaunen

Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, FDP, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN

– Drucksache 17/6490 –Zweite Beratung

dazu:Beschlussempfehlung des Innenausschusses

– Drucksache 17/7025 –

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minutenvereinbart. Das bisherige Ausschussverfahren stellt sichwie folgt dar:

Die erste Beratung des Gesetzentwurfs fand in der 60. Ple-narsitzung am 21. Juni 2018 ohne Aussprache statt. Eserfolgte eine Ausschussüberweisung an den Innenaus-schuss – federführend – und an den Rechtsausschuss.Die Ausschüsse empfehlen die unveränderte Annahmedes Gesetzentwurfs.

Ich darf um Wortmeldungen bitten. – Für die SPD-Fraktionerteile ich Herrn Abgeordneten Noss das Wort.

Abg. Hans Jürgen Noss, SPD:

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit An-fang 2016 haben die beiden Verbandsgemeinden Herrsteinund Rhaunen unter Beteiligung des Innenministeriums Ge-spräche wegen einer freiwilligen Fusion geführt. Einer derKnackpunkte war dabei, dass fünf Gemeinden einen Wech-sel zum Rhein-Hunsrück-Kreis vollziehen wollten.

Der Kreistag, die beiden Verbandsgemeinderäte sowie dieüberwiegende Zahl der Ortsgemeinden haben letztlich da-für gestimmt, eine vollständige Fusion der beiden Kreise zuempfehlen. Der Fusionsvertrag wurde im Dezember 2017unterschrieben, das heißt also, eine freiwillige Fusion derbeiden Verbandsgemeinden ist zustande gekommen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Licht für die Frakti-on der CDU.

Abg. Alexander Licht, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich dachte zu-erst, ich würde den Kollegen Noss in der Kürze unterbieten;aber ich glaube, ein paar Sätze muss man schon dazu sa-gen, Herr Kollege, ohne auf alles einzugehen. Acht SeitenGesetz sind immerhin 417 Seiten Begründung und Do-kumentation angefügt. Das bedeutet, dass der Prozessso reibungslos natürlich nicht vonstatten ging. Ich nehmeaber schon vorweg, wir werden zustimmen, damit es auchdarüber keine Debatten gibt.

Wir werden zustimmen; denn wir haben immer gesagt,dort, wo schlussendlich die Freiwilligkeit steht und wogroße Mehrheiten demokratisch zustande kommen, wer-den wir nicht grundsätzlich Kritik an dieser Gebietsreformüben und darüber debattieren und diskutieren, sondernwir werden dem, was vor Ort debattiert wird und was auchausgehandelt ist, zustimmen, Herr Minister.

Dass einige Gemeinden den Kreis wechseln wollten, istdemokratisch legitim. Das Gesetz sieht vor, dass die Mehr-heit der Bevölkerung, die Mehrheit der Ortsgemeindenbeschließen muss. Das ist dort erfolgt, auch quer durchdie Fraktionen. Ich habe die Unterlagen einmal durchgese-hen. Es ist nicht nur aus einer Fraktion kritisch betrachtetworden, sondern aus mehreren Fraktionen sind Punktekritisch betrachtet worden. Das ist nun einmal ein demo-kratischer Prozess, dem wir heute so zustimmen.

Herr Kollege Noss, ich sagte bereits, dass ich in IhrerRede einige Punkte vermisse. Ich möchte einen Punkt her-ausgreifen. Ich finde auf den 417 Seiten Begründung undDokumentation keine klare Forderung, so wie sie eigentlichin dieser Region immer wieder artikuliert wird, zum Bau

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

der L 190, der Hunsrückspange zwischen der B 50 unddem Nahetal bei Fischbach. Das ist die große Diskussionin beiden bisherigen Verbandsgemeinden gewesen, diesich demnächst insgesamt als eine Verbandsgemeinde,als die Verbandsgemeinde Rhaunen-Herrstein, in der Öf-fentlichkeit und im Innenverhältnis darstellen wird.

Meine Damen und Herren, ich nehme diesen Punkt mitzum Anlass, um diese Forderung aus der Region auch vonmeiner Seite in dieser Diskussion zu artikulieren. Ein In-vest in die zwingend notwendige Infrastruktur ersetzt häufigdie Forderung nach einer größeren Hochzeitsprämie. HerrKollege, 2 Millionen Euro ist die Prämie, die in Tranchenausgezahlt wird. Wenn die Hunsrückspange wirklich rea-lisiert wird, bedeutet dies eine viel größere Erschließungder Infrastruktur und ist eine viel größere Investition in dieZukunft der Region, die man mit keiner Hochzeitsprämieüberhaupt nur deckeln kann. Das wäre sinnvoll, und ichhoffe, dass wir das gemeinsam im Haushalt widerspiegelnkönnen, um auf diese Weise dieser Region eine weitereZukunft zu bieten. Ich sage es noch einmal: Wir werdenzustimmen.

(Beifall der CDU)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Ich erteile nun Herrn Abgeordneten Klein von der Fraktionder AfD das Wort.

Abg. Jürgen Klein, AfD:

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnenund Kollegen! Die Zusammenlegung der Verbandsgemein-den Herrstein und Rhaunen ist sinnvoll und vor dem Hin-tergrund schlanker Verwaltungsstrukturen grundsätzlichzu begrüßen. Da dieser Schritt aus Verwaltungssicht alter-nativlos ist, liegt er auf der Hand.

Zur vollständigen Geschichte dieser Zusammenlegung ge-hören jedoch auch diverse Stolpersteine, nämlich Bürger-proteste und Ortsgemeinden, die diese Fusion zunächstnicht mittragen wollten bzw. in andere Verbandsgemein-den übersiedeln wollten, wie Herr Kollege Licht es schonerwähnt hat.

Bereits Mitte Juli 2016 hat Horbruchs OrtsbürgermeisterKlaus Hepp prophezeit, dass es gerade im Norden derVerbandsgemeinde Rhaunen Ortsgemeinden gebe, dieeher Richtung Mosel tendieren nach Simmern, Kirchbergoder auch Bernkastel-Kues.

Ende September 2016 beschließen VG-Räte, Gesprächemiteinander aufzunehmen und einen gemeinsamen Len-kungsausschuss zu bilden, der im Oktober auch seineArbeit aufnimmt. Ärger gab es auch hier zunächst überdessen Zusammensetzung, einige Ortsbürgermeister sei-en nicht berücksichtigt worden. Der Großteil der Mitgliederstamme aus den beiden Verwaltungen, wurde damals kriti-siert. Die Ortsgemeinden Oberkirn, Schwerbach, Gösen-roth, Krummenau und später auch Hausen machten danndeutlich, dass sie einen Wechsel über die Kreisgrenze hin-weg in Richtung VG Kirchberg bevorzugen, hauptsächlichauch wegen der räumlichen Nähe dorthin.

Die Bürgerinitiative „Bürger-Pro-Hunsrück“, in der sich Kri-tiker dieses Zusammenschlusses sammeln, erwirkt Bürge-rentscheide in den genannten Ortschaften. Das Votum derEinwohner fällt dabei sehr eindeutig aus für einen Wech-sel in die Verbandsgemeinde Kirchberg. Der Begriff der„freiwilligen Zwangshochzeit“ machte damals die Runde.Die Bürgerinitiative zieht jedoch am 15. November ihr Bür-gerbegehren wegen geringer Erfolgsaussichten zurück.

Man hat bei dieser Fusion daher ein zweigeteiltes Gefühl:die saubere, verwaltungstechnische Abwicklung und derenstrukturelle Sinnhaftigkeit einerseits, aber auch die Bür-gerproteste andererseits, die aus unserer Sicht mehr undfrühere Beachtung hätten bekommen sollen. Deswegenwäre es wichtig, bei einer solchen Strukturveränderungauch die Bürger mehr mitzunehmen.

Wir stimmen dem Antrag in seiner Gesamtheit zu, mah-nen jedoch für die zukünftigen Zusammenschlüsse vonVerbandsgemeinden an, die Bürger stärker zu beteiligen.

Danke.

(Beifall der AfD)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Becker vonder Fraktion der FDP.

Abg. Monika Becker, FDP:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Laut dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen sich diebeiden Verbandsgemeinden Herrstein und Rhaunen zum1. Januar 2020 zu einer neuen Verbandsgemeinde mitdem Namen Herrstein-Rhaunen zusammenschließen. Hin-tergrund ist der Gebietsänderungsbedarf der Verbandsge-meinde Rhaunen; denn die Einwohnerzahl der Verbands-gemeinde lag zum maßgeblichen Zeitpunkt mit 7.575 Ein-wohnern deutlich unter den 12.000 Einwohnern, die dasLandesgesetz über die Grundsätze der KVR festschreibt.Wie in vielen Gemeinden in Rheinland-Pfalz auch, lässtder demografische Wandel hier keine positive Bevölke-rungsentwicklung erwarten.

Daher ist es umso erfreulicher, dass wir heute über eineFusion von zwei Verbandsgemeinden beraten können, dieschon seit vielen Jahren gut und eng zusammenarbeiten,zum Beispiel in Form von kooperierenden Jugendbeiräten,einer gemeinsam betriebenen Sozialstation oder einemgemeinsamen Sportring.

Natürlich wurden seit Beginn der Verhandlungen bis zurheutigen zweiten Lesung im Plenum viele Gespräche ge-führt, und, ja, das ist auch richtig, der Fusionsprozess warnicht immer einfach. Tatsächlich konnten aber die schwieri-gen Phasen des Fusionsprozesses mit viel Verhandlungs-geschick gelöst werden.

Als die Ortsgemeinden Krummenau, Hausen, Schwerbach,Gösenroth und Oberkirn die Verbandsgemeinde Rhaunennach Norden hin verlassen wollten, sah es nicht so aus,als würde eine einfache kreisinterne Fusion gelingen.

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Nachdem die Bürgerinitiative „Bürger-Pro-Hunsrück“ mitvielen Aktionen über mehr als ein Jahr lang gegen dieFusionspläne und für einen Bürgerentscheid gekämpft hat,hat sie letztendlich doch eingelenkt. Die Sprecherin derBürgerinitiative, Jana Trotzky, sagte damals in der Rhein-Zeitung: Mit einem für uns positiven Bürgerentscheid wäreletztendlich niemandem geholfen gewesen. – Meine Da-men und Herren, dieser Schritt verdient definitiv unserenRespekt.

Ich möchte auch die Gelegenheit nutzen, mich bei allenBeteiligten zu bedanken, dem Ministerium, den Kommunal-politikern und vor allem den Bürgerinnen und Bürgern. DasVerfahren ist insgesamt sehr transparent abgelaufen. Dazeigt sich wieder, was wir regelmäßig an dieser Stelle inunseren Redebeiträgen herausstellen. Die Einbeziehungder Bürgerinnen und Bürger in den Fusionsprozess durcheine kontinuierliche Beteiligung ist ausschlaggebend fürden Erfolg einer Kommunal- und Verwaltungsreform (KVR).Das sollten wir auch in Zukunft berücksichtigen.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurfist ein weiterer Schritt, die Verwaltung unserer Kommunenzukunftsfest zu machen. Die Aufgaben für die Gemeindenwerden nicht einfacher, sondern schwieriger, umfangrei-cher und komplexer. Deshalb brauchen die KommunenStrukturen, die diesen Anforderungen gerecht werden, diees den Gemeinden darüber hinaus ermöglichen, die An-forderungen der Digitalisierung zu bewältigen. Um dieseStrukturen zu schaffen, sind Fusionen eine vernünftigeLösung.

Meine Damen und Herren, ich erlaube mir an dieser Stelleeine kleine Anekdote. Die örtliche FDP hat die Amtsverbän-de Herrstein und Rhaunen bereits im Mai 2017 zu einemgemeinsamen Verbandsgemeindeverband zusammenge-schlossen.

(Abg. Martin Brandl, CDU: Zweimal fünfgibt auch elf! –

Staatsminister Roger Lewentz: Hört, hört! –Abg. Alexander Schweitzer: Das ist

gemein!)

– Das ist gemein.

Man sieht, wir sind hier quasi der Zeit immer voraus.

(Vereinzelt Beifall bei FDP, SPD undBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, aktuell haben die Verwaltungenvor Ort natürlich mit den Hochwasserschäden zu kämpfen.Die Mitarbeiter der Verbandsgemeinde haben nicht gezö-gert und leisten derzeit neben dem Fusionsprozess undihrer Alltagsarbeit Außergewöhnliches.

Die Spendenbereitschaft – wir sprechen immerhin vonknapp einer halben Million Euro – und der Zusammenhaltin der Bevölkerung vor Ort sind riesengroß. Das verlangtunseren Respekt.

Ich bedanke mich stellvertretend bei Georg Dräger, demBeauftragten der Verbandsgemeinde Rhaunen, und UweWeber, dem Verbandsbürgermeister von Herrstein, zweiengagierten Köpfen an der Verwaltungsspitze, die eine

starke, zukunftsfähig aufgestellte und bürgernahe gemein-same Verbandsgemeinde im Blick haben.

(Glocke des Präsidenten)

Die FDP-Fraktion stimmt diesem Gesetz gerne zu. Wirwünschen der neuen Verbandsgemeinde, dem Rat, demBürgermeister, aber insbesondere den Bürgerinnen undBürgern der neuen Verbandsgemeinde alles Gute und fürdie Zukunft ein gutes, erfolgreiches und gedeihliches Zu-sammenleben.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Ich erteile Herrn Abgeordneten Köbler von der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!Nach zugegebenermaßen nicht einfachen Diskussionenvor Ort ist es gut, dass wir vor der Verabschiedung ei-ner weiteren Verbandsgemeindefusion stehen, und zwarHerrstein und Rhaunen. Ich finde, 2 Millionen Euro Ent-schuldungshilfe des Landes sind nicht nichts. Ich denke,das kann man erwähnen.

Ich glaube, uns allen, aber insbesondere den Menschenvor Ort sind die Starkregenereignisse vom Mai/Juni die-ses Jahres lebhaft in Erinnerung. Wenn dort darüber zusprechen ist, wo man weiter investieren kann, dann ist,denke ich, das Thema Hochwasserschutz eines, das mitvordringlich ist.

In diesem Sinne wünsche ich im Namen der grünen Lan-desfraktion der neuen Verbandsgemeinde vor allem mög-lichst keine Wiederholung eines solchen Ereignisses undeine gute Zukunft zusammen.

Herzlichen Glückwunsch und alles Gute!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,SPD und FDP)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Lew-entz.

Roger Lewentz, Minister des Innern und für Sport:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Insbesondere liebe FrauBecker, vielen Dank, dass Sie so intensiv auf das ThemaHochwasser, das Engagement und alles, was damit ver-bunden ist, eingegangen sind. Ich kann Ihnen jetzt nichtnoch viel Erfolg für die Fusion und für die Dinge wünschen,die sie intern geregelt haben. Aber das zeigt, dass manmitmarschiert. Das ist gut.

Lieber Alexander Licht, für die Hunsrückspange sind wir

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

alle. Ich kann mich noch an die Diskussionen erinnern,als ich Verkehrsminister war, auch Andy Becht. Ich binfest davon überzeugt, dass die Hunsrückspange Stück fürStück in die Verwirklichung kommt.

(Zuruf der Abg. Jutta Blatzheim-Roegler,BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist vollkommen klar, das ist für die Menschen dort sehrwichtig.

Wir werden mit diesem Gesetz eine neue Verbandsge-meinde bilden. Die Signale, dass alle Fraktionen zustim-men, freuen mich sehr. Diese wird mit 23.000 Einwohnern,335 km² und 50 Ortsgemeinden nach den vielen KVR-Veränderungen nur noch eine mittelgroße sein. Vieles hatsich getan. Das ist gut.

Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass beide Ver-bandsgemeinden Herrstein und Rhaunen bereits seit Jah-ren vielfältig und erfolgreich zusammenarbeiten. Ich willdie Trägerschaft für die große IGS Herrstein-Rhaunen,die Sozialstation, das Projekt Gemeindeschwesterplus, dieJugendarbeit, Premiumwanderwege und Abwasserbeseiti-gung ausdrücklich nennen. Natürlich gab es Diskussionen.Aber in einer Demokratie haben wir selten 100 % Zustim-mung. Nach einem intensiven Diskussionsprozess habenwir eine sehr hohe Zustimmung bekommen.

Deswegen will ich allen Mitwirkenden herzlich danken, vorallem den engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die sichsehr engagiert zu Wort gemeldet haben und die Verände-rung ihrer Verwaltungslandschaft auf kommunaler Ebeneintensiv mitdiskutiert haben.

Herr Köbler, wir werden dies allein mit 2 Millionen Euroan Entschuldungshilfe unterstützen. Ich glaube, das ist einArgument, das man vor Ort gerne sieht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die wichtigsteZahl heute ist folgende: Wir haben bisher 31 Landesgeset-ze im Rahmen der Kommunal- und Verwaltungsreform Iauf den Weg gebracht. Diese 31 Landesgesetze erfassensieben verbandsfreie Gemeinden, 37 Verbandsgemeindenmit eigenem Gebietsänderungsbedarf sowie 22 Verbands-gemeinden ohne eigenen Gebietsänderungsbedarf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das heißt, mit diesemGesetz haben wir 70 kommunale Hauptverwaltungen ver-ändert. Das ist die größte Zahl der Veränderungen. Das istdie größte Gebietsreform seit Anfang der 70er-Jahre. Zweiweitere Gesetze stehen mit den beiden nächsten Punktender Tagesordnung an, das heißt 72 und 74. Wir sind nochnicht am Ende der ganzen Initiative.

Ich will deswegen an dieser Stelle ganz herzlich HerrnAbteilungsleiter Fischer danken und auch Herrn Schröder.Den kann man im besten Sinne des Wortes als Kümmererbezeichnen. Ich weiß, wie oft er mit den Matadoren vor Ortsehr intensiv diskutiert hat und wie intensiv aus der Abtei-lung heraus Beratung geleistet wird. Das ist ein schönesGefühl für einen Minister. Das will ich rund um die Zahl 70ausdrücklich sagen dürfen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht:

Wir kommen zur unmittelbaren Abstimmung über den Ge-setzentwurf in zweiter Beratung, da der Gesetzentwurf dieunmittelbare Annahme empfiehlt. Wer dem Gesetzentwurfder Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN – Drucksache 17/6490 – zustimmen möchte, denbitte ich um das Handzeichen! – Danke. Der Gesetzent-wurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetz-entwurf zustimmen möchte, den bitte ich, sich vom Platzzu erheben! – Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig an-genommen.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz über den Zusammenschluss derVerbandsgemeinden Rheinböllen und

Simmern/HunsrückGesetzentwurf der Fraktionen der SPD, CDU, FDP und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN– Drucksache 17/7000 –

Erste Beratung

Der Ältestenrat hat beschlossen, die erste Beratung ohneAussprache durchzuführen. Ich gehe davon aus, es erfolgtauch keine Einbringung durch die Landesregierung.

(Staatsminister Roger Lewentz: Nein!)

Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf der Fraktio-nen der SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN– Drucksache 17/7000 – an den Innenausschuss – feder-führend – sowie an den Rechtsausschuss zu überweisen.Besteht Einverständnis? – Es hebt sich kein Widerspruch.Dann ist es so beschlossen.

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz über den Zusammenschluss derVerbandsgemeinden Altenkirchen (Westerwald) und

FlammersfeldGesetzentwurf der Fraktionen der SPD, CDU, FDP und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN– Drucksache 17/7001 –

Erste Beratung

Der Ältestenrat hat beschlossen, die erste Beratung ohneAussprache durchzuführen. Ich gehe davon aus, dass dieLandesregierung auf eine Einbringungsbegründung ver-zichtet.

(Staatsminister Roger Lewentz: Ja!)

Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf der Fraktio-nen der SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN– Drucksache 17/7001 – an den Innenausschuss – feder-führend – sowie an den Rechtsausschuss zu überweisen.Besteht Einverständnis? – Es hebt sich kein Widerspruch.Dann ist es so beschlossen.

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:

Agrarbericht 2018Besprechung des Berichts der Landesregierung

(Drucksache 17/6980)gemäß Beschluss des Landtags vom 12. Oktober 1989 zu

Drucksache 11/3099

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von fünf Minutenvereinbart. Ich darf zur Wortmeldung aufrufen. – Ich erteileHerrn Steinbach für die Fraktion der SPD das Wort.

Abg. Nico Steinbach, SPD:

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kol-legen! Wir sprechen heute über den Agrarberichts 2018,welcher das Wirtschaftsjahr 2016/2017 unserer rheinland-pfälzischen Landwirtschaft betrachtet.

Unsere Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz ist sehr breitaufgestellt, vom Weinbau über die Milchwirtschaft, vomAckerbau bis zum Gartenbau. Aber auch mit Veredelungs-betrieben, Gemüse und Obst ist es eine sehr breite Palettevom Anbau hochwertiger Lebensmittel. Beim Weinbau sindwir sogar mit Zwei Dritteln der Anbaufläche in Deutschlandnicht ohne Grund das Weinbauland Nummer 1 und über-zeugen regelmäßig mit Spitzenqualitäten.

Wir bekennen uns ausdrücklich zur bäuerlichen Landwirt-schaft und dem besonderen gesellschaftlichen Wert, zumeinen für die Nahrungsmittelproduktion und zum anderenaber auch für den Erhalt unserer wichtigen Kulturland-schaften. Die Landwirtschaft ist identitätsstiftend für unserganzes Land mit einer breiten Ausstrahlung in viele Sekto-ren. Ich nenne beispielsweise den Tourismus. Was wäreder Tourismus bzw. – ich übertreibe ein bisschen – dieEnquete-Kommission ohne die Landwirtschaft, die die Kul-turlandschaft unterhält, sie pflegt und damit die Attraktivitätunseres Landes erhält.

Wir erkennen jedoch auch, dass die Branche vor großenHerausforderungen steht und die Betriebe heute davor ste-hen, richtige und wichtige Weichen für eine gute betriebli-che Zukunft zu stellen und eine gesellschaftliche Akzep-tanz zu erhalten oder ausbauen zu müssen. Dies betrifftinsbesondere aktuell die Bereiche und die Diskussionenum nachhaltige Produktionsprozesse, Tierwohlkennzeich-nung, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, aber auchdie starke Präsenz der digitalen Technik. Von der Verwal-tung, sprich von der Beantragung der Agrarsubventionenbis hin zur Förderung von Produktionstechniken ist dieLandwirtschaft eine Branche, die im Tagesgeschäft digitaleProzesse in der Produktion und Verwaltung wie selbstver-ständlich nutzt.

Hier wollen wir Landwirte durch konkrete Fördermaßnah-men praktisch unterstützen. Ich nenne beispielsweise dieschon oft angesprochenen Investitionsförderungen in di-gitale Technik, aber auch praktische Hilfen wie zum Bei-spiel die kostenfreie Zurverfügungstellung des SAPOS-Korrektursignals, um die digitale Technik entsprechend aufdem Acker einsetzen zu können und damit auf der einenSeite die Produktivität steigern zu können und auf der an-deren Seite die Anforderungen an Umwelt und Naturschutz

durch sehr effektiv gesteuerte Ausbringungstechniken undMaßnahmen zum Beispiel im Pflanzenschutz, aber auchbei der Düngerausbringung realisieren zu können.

Jedoch steht die Landwirtschaft weiterhin vor einer großenHerausforderung, nämlich auskömmliche Verkaufspreisefür ihre hochwertigen Produkte zu erzielen. Hier ist undbleibt die Marktdominanz des Lebensmitteleinzelhandelsweit oben auf der Agenda und beschäftigt uns regelmäßigin dieser Diskussion.

Aktuell richten wir sehr konkret die Augen auf die Diskus-sionen und Verhandlungen zur anstehenden GAP-Reformfür die Förderperiode ab 2021. Hier gilt es insbesondere,gezielte Förderungen für die landwirtschaftliche Produktionzu sichern und unsere rheinland-pfälzische Landwirtschaftweiterhin zu unterstützen.

(Vizepräsidentin Astrid Schmitt übernimmtden Vorsitz)

Ich nenne hier nur beispielsweise einen Ausgleich für dieerschwerten Produktionsbedingungen, unser Ziel, eineflächendeckende Landwirtschaft zu erhalten, aber auch– bedingt durch die Erfahrungen der letzten Sommermo-nate – im Bereich Risikomanagement den mit Sicherheitimmer wieder vorkommenden Kalamitäten gemeinsam mitder Branche zu begegnen, sie dabei mit innovativen Mög-lichkeiten zu unterstützen, aber auch gute Perspektiveninsgesamt für unseren ländlichen Raum zu erhalten undzu gestalten.

Da kann es nur von Vorteil sein, dass unser Agrarminis-ter Volker Wissing im kommenden Jahr den Vorsitz derAgrarministerkonferenz übernehmen darf, um unsere Inter-essen dieser bäuerlichen Landwirtschaft, wie wir sie unsvorstellen, auch durchzusetzen.

In Anbetracht der Zeit komme ich zum Schluss. Heute istdie Bundeslandwirtschaftsministerin Frau Klöckner vor diePresse getreten und hat die Dürrehilfen für existenzbe-drohte Betriebe vorgestellt. Ich glaube, wir können sehrfroh sein, dass Rheinland-Pfalz und das Saarland in dieserForm nicht betroffen sind; wir haben aktuell keine existenz-bedrohten Betriebe in Rheinland-Pfalz. Ich verweise abernochmals auf das, was ich gerade gesagt habe:

(Glocke der Präsidentin)

Dieses Thema wird uns in Zukunft immer weiter beschäfti-gen. Umso wichtiger bleibt der Verweis auf die Risikovor-sorge.

Die wirtschaftliche Lage hat sich leicht verbessert,

(Glocke der Präsidentin)

muss sich allerdings in Zukunft entsprechend den Markt-preisen noch weiter verbessern.

Ich danke allen, dem Ministerium, für die Erstellung desBerichts und freue mich auf die Veranstaltung gleich imAnschluss

(Heiterkeit des Abg. Marco Weber, FDP)

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

und auf einen guten Dialog

(Glocke der Präsidentin)

mit der landwirtschaftlichen Branche – –

Vizepräsidentin Astrid Schmitt:

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Ende.

Abg. Nico Steinbach, SPD:

– – und der Landwirtschaftskammer.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Astrid Schmitt:

Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten ArnoldSchmitt das Wort. Bitte schön.

Abg. Arnold Schmitt, CDU:

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bun-deslandwirtschaftsministerin Klöckner hat heute für dieBundesregierung eine nationale Notlage für die Landwirt-schaft anerkannt und 340 Millionen Euro Hilfe für unserelandwirtschaftlichen Betriebe in der Republik zugesagt.

(Abg. Marco Weber, FDP: Zu wenig!)

– Herr Weber.

Die eine Hälfte soll der Bund, die andere sollen die Länderbezahlen. Wie es sich im Detail entwickelt, muss man inden nächsten Tagen abwarten.

Aufgrund der Entwicklung im ganzen landwirtschaftlichenBereich, auch hier bei uns in Rheinland-Pfalz, ist der Agrar-bericht für das Wirtschaftsjahr 2016/2017 natürlich einbisschen eine Nachricht von gestern. Trotzdem lohnt essich, genau hinzuschauen, weil doch einige Punkte etwasnäher beleuchtet werden müssen.

Herr Minister, die CDU-Fraktion gibt Ihnen absolut recht,wenn Sie die Forderung aufstellen, dass die Direktzah-lungen unverzichtbar sind. Wir hoffen, dass das auch dieHaltung der ganzen Landesregierung ist, Frau Ministerprä-sidentin,

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Es gibtnur eine Landesregierung!)

weil Ihre Mit-Ministerin Frau Höfken in den letzten Jahrenimmer dafür gekämpft hat, dass die Mittel aus der erstenSäule zugunsten der zweiten Säule umgeschichtet wer-den.

(Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Dasstimmt nicht!)

Was würde geschehen, wenn das Land dazu einmal ab-

stimmen müsste? Herr Minister, unsere Unterstützung ha-ben Sie.

(Ministerpräsident Malu Dreyer: HerrSchmitt, aber das stimmt nicht!)

– Frau Höfken hat immer dafür gekämpft, dass Mittel ausder ersten Säule genommen und in die zweite umgeschich-tet werden; hier am Rednerpult des Öfteren.

(Zurufe aus dem Hause)

Die schlechten Aussichten im Konjunkturbarometer sind jaauch nicht immer so vom Himmel gefallen. Sie sind auchAusdruck der Politik, die die Landesregierung macht. Inves-titionen werden auch in der Landwirtschaft, Herr Minister,nur getätigt, wenn es eine verlässliche Politik gibt.

Das Beispiel des früheren Eigenbetriebs WeinbaudomäneAvelsbach in Trier zeigt doch ganz deutlich, dass die Lan-desregierung nicht so ganz weiß, was sie in der Agrarpoli-tik will. Erst wird der Betrieb eigenwirtschaftlich gemacht,dann Öko, dann verpachtet, aber mit der Auflage Öko, jetztverkauft, aber ohne Öko.

(Abg. Marco Weber, FDP: Das steht abernicht im Agrarbericht!)

So kann man mit einem ehemaligen Vorzeigebetrieb, gera-de im Bereich des Weinbaus, eigentlich nicht umgehen.

(Beifall bei der CDU)

Verlässlichkeit und Bürokratieabbau, das sind sicherlichdie wichtigsten Forderungen, die unsere Landwirte derzeitstellen. Daher sollte man nicht immer nur mit dem Zeige-finger auf Europa deuten und mit Verlässlichkeit und Bü-rokratieabbau vor allem in der eigenen Landesverwaltunganfangen. Auch eine gute Organisation der Landesverwal-tung gehört dazu.

Wenn mir dann zum Beispiel einige Winzer mitteilen, dasssie zwar einen Bescheid für eine Investitionsförderung ha-ben, aber dann ein halbes Jahr lang kein Geld ausgezahltwird, liegt das an der Arbeitsweise der Landesverwaltung,und die Verlässlichkeit gegenüber der Landesregierungleidet.

Wenn der Minister weiter schreibt, dass die Betriebe „Bera-tung und Wissenstransfer“ brauchen, dann frage ich mich,wo sich das in der Personalpolitik der Dienstleistungszen-tren Ländlicher Raum widerspiegelt. Hier werden Bera-tungsstellen gestrichen, wird Forschung zurückgefahren,und auch die Ausbildung wird weiter ausgedünnt. Schönreden, aber anders handeln.

„Familiengeführte, selbstständige Unternehmen, die sichressourcenschonend dem Tierwohl und dem Schutz derNatur verpflichten“ – das, so schreiben Sie, Herr Minister,sei das Leitbild. Ich beschreibe Ihnen einmal eine Familie,die diesen Anforderungen gerecht werden soll. Vater:

(Abg. Marco Weber, FDP: Mutter!)

Jurist wegen der vielen Gesetze und Verordnungen, die eseinzuhalten gilt. – Mutter, Herr Kollege Weber: Finanzwirtin

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

wegen der Bürokratie bei den Direktzahlungen und Prämi-en sowie für die Führung der unterschiedlichen Nachweiseund Dokumentationen. – Kinder: Betriebswirt, damit sichder Betrieb auf internationalen Märkten behaupten kann,ein gutes Marketing hat und sich auch lokal positioniertund Personal rekrutieren kann. – Nur, Bauer ist dann kei-ner mehr.

Der Bericht zeigt auch den Rückgang der Betriebe auf.Im Jahr 1999 hatten wir noch 35.500 landwirtschaftlicheBetriebe, im Jahr 2007 noch 25.500, im Jahr 2017 nurnoch 17.100. Diesen Trend, Herr Minister, gilt es unbedingtzu stoppen.

(Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Da hat er recht!)

Es ist gut, Herr Minister Wissing, wenn Sie erkennen, dasssich die Politik zu einem umweltverträglichen Einsatz vonPflanzenschutz bekennen muss; denn die Politik Ihrer Ko-alitionspartner im Bezug auf Pflanzenschutz zeigt eher,dass man diesen verteufelt und am liebsten ganz abschaf-fen will. Es wäre schön, wenn Sie sich hier gerade gegendie Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN durchsetzenwürden.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Och je!)

Die Festlegung der Landesregierung auf 20 % Ökoflächenist Planwirtschaft. Die Rückgänge der Einkommen im Öko-bereich, von denen Sie auch selbst im Bericht schreiben,

(Staatsministerin Ulrike Höfken: Sagen Siemal, was macht eigentlich Ihre

Bundeslandwirtschaftsministerin?)

kommen aber auch daher, dass der Markt gesättigt ist.Höhere Einkommen für Öko, Frau Ministerin,

(Staatsministerin Ulrike Höfken: Das wardas Bundesziel! Hallo!)

erzielt man nur, wenn man in der Nische arbeitet unddiese Nische nicht vergrößert. Daher wäre es für einenFDP-Minister doch zutreffend, wenn er sich auf den Marktbesinnt, der diese Dinge schon regelt.

(Abg. Marco Weber, FDP: Wie inAvelsbach!)

Dann können sich die Betriebe, die höhere Produktions-kosten haben, auch mit höheren Preisen durchsetzen, unddann funktioniert der Markt wieder und erfüllt seine Funkti-on.

(Beifall der CDU)

Es bleibt zu wünschen, dass wir zukünftig auch hier etwasüber die Ausbildung in den grünen Berufen lesen kön-nen – Schülerzahlen, Studenten – und darüber, ob dieMittel für die Ausbildung noch ausreichen. Wie steht es mitden Ausbildungsstandorten in den DienstleistungszentrenLändlicher Raum oder an den Hochschulen in Geisenheimund Neustadt?

Diese Forderung habe ich wortgleich schon im Jahr 2015in meiner Rede zum Agrarbericht erhoben, aber im Agrar-

bericht ist leider immer noch nichts dazu zu lesen, obwohldie Nachwuchssituation gerade angesichts der zurückge-henden Zahl der Betriebe ein wichtiges Thema wäre.

Ein wichtiges Thema ist sicherlich auch die Gestaltung derneuen Förderperiode von 2021 bis 2028, Herr Minister. Wirfreuen uns zu sehen, dass Sie sich hier für unsere Land-wirte und Winzer im Land einsetzen werden. Auch für diekommende Rolle als Vorsitzender der Agrarministerkonfe-renz wünschen wir Ihnen viel Erfolg und alles Gute. TunSie Ihr Bestes, damit der Schrumpfungsprozess unsererBetriebe endlich gestoppt wird.

Die Regierungsfraktionen danken ja häufig der Landesre-gierung für diese Berichte. Die CDU-Fraktion dankt aberunseren Bauern und Winzern.

(Zuruf aus dem Hause: Wow!)

Sie produzieren trotz hoher Auflagen, liebe Kolleginnenund Kollegen, hochwertige Lebensmittel, sind Vorreiter beiden erneuerbaren Energien, indem sie das Land für Wind-kraft und Sonnenenergie zur Verfügung stellen und selbstnachwachsende Rohstoffe anbauen. Und für unsere ganzeGesellschaft

(Glocke der Präsidentin)

pflegen Sie auch noch die wunderbaren Kulturlandschaf-ten, die Rheinland-Pfalz erst so besonders machen.

Danke schön.

(Beifall der CDU –Abg. Michael Billen, CDU: Sehr gut!)

Vizepräsidentin Astrid Schmitt:

Für die AfD-Fraktion hat Dr. Böhme das Wort.

Abg. Dr. Timo Böhme, AfD:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneteund Regierungsmitglieder! Der Agrarbericht der Landesre-gierung 2018 brachte in Form und Inhalt das Erwartbare.Abseits des Themas GAP-Reform, welches ja noch etwasunausgegoren ist, ist er eigentlich keine größere Debattewert.

Man sollte sich jedoch Gedanken über die Zukunft diesesAgrarberichts machen. Er ähnelt eher einem Konvolut alseiner stringenten Berichterstattung. Viele Angaben sindredundant. Die Tabellen im Anhang sind nicht ausreichendbeschriftet. Die Zuordnung zu den Quellen ist nicht offen-sichtlich. Angaben zu Rheinland-Pfalz muss man sich ausder Fülle der globalen europäischen und deutschlandwei-ten Informationen oft erst heraussuchen.

Insgesamt ist das Arbeiten mit dem Bericht umständlichund zeitaufwendig. Auch hier gilt: Weniger ist mehr. Dierheinland-pfälzischen Daten könnten vorangestellt und wei-testgehend in Tabellenform zusammengefasst werden. Da-nach erst sollte man sie im Kontext globaler Entwicklungenerörtern. Das würde auch eine bessere Vergleichbarkeit

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

zwischen konventionellem und ökologischem Landbau inRheinland-Pfalz ermöglichen.

(Zuruf des Abg. Michael Billen, CDU)

Außerdem liest man wenig über die Tätigkeit der Landes-regierung im Hinblick auf bestehende Herausforderungen.Ich schlage also vor, Aufbau und Inhalt zukünftiger Agrar-berichte im Agrarausschuss zu beraten.

Zum Inhalt des Berichts: Der Strukturwandel in derrheinland-pfälzischen Landwirtschaft schreitet voran undist so unabwendbar wie der Klimawandel. – Richtig ist aber,dass man ihn gestalten muss. Es wäre also gut, im Berichtmehr über die Investitionstätigkeit der Betriebe zu erfahren;denn diese gibt Auskunft über die Zukunft. Ein Betrieb, dernicht mehr investiert, steht entweder mit dem Rücken ander Wand, vor dem Verkauf oder beides.

Im Bericht findet man jedoch nur einen Verweis auf dieEigenkapitalbildung und einen zur Zurückhaltung bei Inves-titionen. Interessant wäre hier zu erfahren, ob subventio-nierte Investitionen in den Folgejahren zu Verbesserungendes Betriebsergebnisses beigetragen haben.

(Zuruf des Abg. Michael Billen, CDU)

Auch bei Investitionen wird die Reform der GemeinsamenAgrarpolitik (GAP) wesentliche Impulse setzen. Entschei-dend ist aber, ob die Betriebe ihre Investitionen überhauptamortisieren können, und das hängt von Auflagen undMarktpreisen ab.

Im Vorwort zum Agrarbericht hat es Minister Wissing sehrsalomonisch ausgedrückt. Er schreibt: „Ergebnisorientie-rung statt Reglementierung – so die neue Richtung.“ Wasaber genau heißt das, meine Damen und Herren? Mansprach von einer drohenden Kürzung des Agrarbudgets um10 %. Aber das ist noch nicht alles. Schauen Sie doch malgenauer hin. Das Stichwort heißt „Klimaschutz“. „GrößereAmbitionen beim Umwelt- und Klimaschutz“, so steht esin der Pressemitteilung der Kommission vom 1. Juni 2018unter Punkt 3.

Mindestens 30 % der nationalen Mittel für die Entwicklungdes ländlichen Raums sind dem Umwelt- und Klimaschutzgewidmet. 40 % der Gesamtmittel der GAP sollen zumKlimaschutz beitragen. 15 % der Zahlungen der Säule 1sollen die Mitgliedstaaten zusätzlich von Säule 1 auf Säu-le 2 übertragen können, für Umwelt- und Klimaschutz.

Die Stoßrichtung ist klar: GAP-Subventionen werden inZukunft weniger flächenbezogene Direktzahlungen sein,welche sich bisher im Wesentlichen als Gewinn der Betrie-be niedergeschlagen haben. Nein, sie werden zukünftigeher als Aufwandsentschädigungen daherkommen, wel-che für zu tätigende Investitionen und Mehraufwand aufden Betrieben zu zahlen sind. Damit sind sie in Bezug aufdas Betriebsergebnis kein Gewinn mehr.

Die Verluste für die Betriebe im Hinblick auf die Subventio-nen werden also nicht bei 10 %, sondern wesentlich höherliegen. Der Landwirt als Klimawirt – Herr Professor Taubeaus Kiel reibt sich sicher schon die Hände. Sein Traum,unser Albtraum, wird wahr.

(Beifall der AfD)

Die passende Phrase dazu steht übrigens im Agrarbericht,Seite 2. Der Minister schreibt: „Vor diesem Hintergrund istdie Landwirtschaft, sind der Berufsstand und auch die fürdie Landwirtschaft, die Agrarpolitik und die Entwicklung derländlichen Räume zuständigen öffentlichen Verwaltungenund Ressorts gut beraten, sich zur Zukunft des Agrarsek-tors rechtzeitig zu positionieren (...).“

Was heißt das, meine Damen und Herren? Rette sich, werkann!

(Beifall des Abg. Joachim Paul, AfD)

Noch ein Wort zum Ökolandbau. Der kommt natürlich imBericht sehr gut weg. Und in der Tat, bundesweit ist derGewinn der Ökobetriebe bei vergleichbarer Anbauflächeca. 9.000 Euro höher. Allerdings haben diese Betriebe imSchnitt auch 26.000 Euro mehr Förderung bekommen.

Das Betriebsergebnis vor Subventionen ist also um 17.000Euro geringer als im konventionellen Landbau. Solche Aus-sagen findet man im Agrarbericht nur, wenn man danachsucht, und ganz weit hinten in den Tabellen. Inwieweites sozial gerecht ist, dass die vierköpfige Arbeiterfamiliemit ihren Steuern den Ökolifestyle der kinderlosen DINK-Familie finanziert,

(Beifall der AfD –Heiterkeit der Abg. Pia Schellhammer,

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –Abg. Joachim Paul, AfD: Sehr gut!)

das sollten wir vielleicht im Sozialausschuss einmal bera-ten, meine Damen und Herren.

Die Frage ist auch, inwieweit die Ausdehnung des Öko-landbaus das GAP-Budget überproportional belastet undwoher das Geld dann kommt. Die Zuckerindustrie hat aller-dings der Ausweitung des Ökorübenanbaus letzte Wochein Worms aus wirtschaftlichen Gründen eine Absage erteilt.Die Hoffnung aus dem Agrarbericht wird sich also nichterfüllen.

Meine Damen und Herren, die AfD-Fraktion wünscht allenLandwirten in Rheinland-Pfalz viel Geduld, Glück und Kraftbei den kommenden Herausforderungen. Wir sind immerals Ansprechpartner für sie da.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Vizepräsidentin Astrid Schmitt:

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Weber dasWort.

Abg. Marco Weber, FDP:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Da-men und Herren! Aus aktuellem Anlass möchte ich, bevorich auf den Agrarbericht eingehe, einige Sätze über die

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

aktuelle Situation der Landwirtschaft sagen und die Ent-scheidungen der Frau Bundesministerin heute ansatzwei-se kommentieren.

Wir haben in Rheinland-Pfalz eine glückliche Lage, bzw.wir sind mit einem blauen Auge davongekommen, währendsich die Situation in anderen Bundesländern dramatischdarstellt. Wir konnten einigermaßen zufrieden die Getreide-ernte einfahren. Wir haben bei den Grünlandbeständen mitden ersten beiden Schnitten ganz gute Ernteergebnisseerzielt. Wir haben auch die Maisbestände einigermaßengut stehen.

Wir haben aber dennoch die eine oder andere Herausfor-derung, dass nämlich gerade die viehhaltenden BetriebeFutterengpässe haben. Von daher war es gut, dass unserMinister Dr. Wissing schnell und pragmatisch gehandeltund zum einen die Vorrangflächen für die Futternutzungfreigegeben hat. Zum anderen wurden auch im Zusam-menspiel mit der Bundesregierung die Greening-Flächenfür die Futternutzung freigegeben. Das ermöglicht geradeden rindviehhaltenden Betrieben die Möglichkeit, dort Fut-ter zu gewinnen und die fehlenden Reserven aufzubauen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir hatten diesesJahr bestimmte Wetterereignisse, Starkregenereignisseund Unwetter, die für die Landwirtschaft eine Herausforde-rung waren. Wenn wir uns jetzt diese Trockenheit anschau-en, dann glaube ich, müssen wir uns Gedanken über eineErnteausfallversicherung machen, nicht nur deutschland-weit, sondern auch EU-weit, damit die Landwirte nicht alsBittsteller dastehen, wie es momentan in der Öffentlichkeitkommuniziert wird. Vielmehr sollten die Landwirte mit Un-terstützung der Politik mit einem Anreiz eine Versicherungabschließen können, um sich solchen Situationen stellenzu können und dann in Eigenverantwortung die Problemebzw. den Ausgleich über ein Versicherungswesen hinzube-kommen.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Agrarberichts zeigt eines:Wir haben eine Steigerung der Gewinne. – Wir sind aberauf einem Niveau der Jahre 2006/2007. Ich nenne eineprägnante Zahl des Tages. Der Innenminister hat ebenzwar gesagt, er hätte die prägnante Zahl des Tages, aberich behaupte jetzt einmal, ich sage die prägnante Zahl desTages. Das ist die Entlohnung des Landwirts in Rheinland-Pfalz bzw. auch bundesweit. Sie beträgt 12 Euro. Bei die-sen 12 Euro pro Stunde – das weist der Agrarbericht aus –sind die Lebenshaltungskosten noch nicht berücksichtigt.

(Abg. Michael Billen, CDU: Netto oderbrutto?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir unsvergegenwärtigen, dass die landwirtschaftlichen Betriebemittlerweile eine Größenordnung und ein Know-how ha-ben, das dementsprechend mehr Stundenlohn verdientals die 12 Euro, so komme ich auch auf den Ansatz, dassunsere Lebensmittel einfach mehr wert sein müssen.

(Beifall der FDP, der SPD, des BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der

CDU)

Unsere Lebensmittelproduktion muss einen anderen Stel-lenwert bekommen. Ich kann nur die Forderung unterstüt-zen, dass sich die Erzeugerpreise verdoppeln müssen. Sokönnen wir die jungen Leute nicht weiter in der Landwirt-schaft halten und motivieren.

Wir brauchen auch eine andere Debatte in der Öffentlich-keit. Wir müssen eine ehrliche Debatte in der Öffentlichkeitführen. Da ist das Bild des Landwirts momentan nicht zuakzeptieren.

Die Debatte stellt sich so dar, dass die Landwirte oft alsSchwerkriminelle dargestellt werden.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Was? –Zurufe im Hause)

Die Landwirte werden so „gut“ dargestellt – das mussman einmal so deutlich sagen –, dass sie schlimmer da-stehen als der eine oder andere Drogendealer in Berlin.Meine sehr geehrten Damen und Herren, das haben dieLandwirte nicht verdient. Die Landwirte bewirtschaften ih-re Flächen, ihre Kulturlandschaft verantwortungsvoll undnachhaltig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sie sind Land-schaftspfleger, sie sind Lebensmittelproduzenten, sieschützen die Natur, und sie pflegen die Natur.

Die Landesregierung hat in den letzten zwei Jahren weg-weisende Maßnahmen eingeleitet. Sie hat zum Beispiel– das ist schon erwähnt worden – bundesweit die Geo-Boxvorangetrieben. Sie hat dementsprechend das kostenloseSAPOS-Signal eingeführt. Sie ist im Smartfarming-Bereichbundesweit gerade mit der Dienststelle in Bad Kreuznachsehr führend unterwegs.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal den Dank an dieMitarbeiter des DLR, der Landwirtschaftskammer und al-len, die im landwirtschaftlichen Bereich unterwegs sindund die Betriebe beraten, was sie in ihrer Unternehmens-führung noch besser machen können, wie sie noch besserwerden können, zum Ausdruck bringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann nurhoffen und wünschen, dass sich die Betriebsergebnisseweiter verbessern und wir im nächsten Jahr ein normaleswettertechnisches Jahr haben.

(Glocke der Präsidentin)

Der Super-GAU könnte eintreten, wenn wir die nächsteUnwetter-, aber auch vielleicht Trockenphase im Folgejahrhätten und somit die nächsten Probleme da wären.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Astrid Schmitt:

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn AbgeordnetenBillen das Wort.

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Abg. Michael Billen, CDU:

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrteDamen und Herren! Ich bin kein Schwerverbrecher. Ichbin Bauer. Ich sage es noch einmal, es ist Quatsch, dasswir so in der Öffentlichkeit stehen. Das stimmt nicht. DieBauern haben ein gutes Ansehen in der Öffentlichkeit. Eswird hier und da versucht, dies kaputtzureden. Aber dieBauern haben ein gutes Ansehen.

Sie haben auch in den Dörfern ein gutes Ansehen. Esgibt einmal den einen oder anderen Bauern, der meint, ermüsste fünf Sandsäcke Gülle um ein Hotel fahren. Der hatkein gutes Ansehen, er hat es aber auch nicht verdient,dass er ein gutes Ansehen hat. Das muss man dann auchsagen.

(Beifall der CDU)

Die Bauern haben ein gutes Ansehen. Ich arbeite nicht mitmeinen Söhnen, meinen Patenjungen und meinem Bruderfür 5 Euro die Stunde. Ich verdiene mehr,

(Zurufe aus dem Hause: 12!)

auch als Bauer. Ich sage das ganz offen. Ich verdienemehr. Für 5 Euro wären meine Söhne nicht im Betriebgeblieben,

(Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: 12! –Weitere Zurufe aus dem Hause: 12!)

auch das sage ich ganz offen, damit das klar ist. Ihr nehmtimmer die Allgemeinheit im Agrarbericht. Die AfD mussruhig sein. Sie ist gegen jede Subvention.

(Zuruf des Abg. Dr. Timo Böhme, AfD)

– Ja, was denn hier heute? Doch, doch! Sie haben hiergesagt, Sie wären gegen die Subventionen.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Sie müssenordentlich zuhören!)

– Jetzt seid Ihr wieder dafür, wenn einer quergeholt wird?Das ist immer dasselbe mit Euch.

Noch einmal: Die Bauern verdienen ihr Geld auf dem Acker.Darum war es auch richtig, das heute anzusprechen. Washat Herr Weber heute gesagt? Wir haben ein Dürrepro-blem. Das ist in Rheinland-Pfalz lösbar. Ja, das sind Er-tragseinbußen. Die hat man als Unternehmer. Ertragsein-bußen! Insofern ist es in Rheinland-Pfalz machbar. DenFutterbaubetrieben wird geholfen. Auch das ist machbar.Das ist sauber.

Nur müssen wir Bauern im Endergebnis aufpassen – daliegt die Crux –, wie wir uns in der Öffentlichkeit darstel-len. Wir sind keine Bittsteller. Wir sind sauber arbeitendeMenschen. Unser größtes Problem ist eine urbane Gesell-schaft, die von Natur überhaupt nichts mehr versteht, HerrWeber. Das ist unser größtes Problem.

(Beifall der AfD)

Sie erklären uns, wie man Ackerbau und Viehzucht zubetreiben hat, wissen aber nicht, dass die Milch nicht aus

der Packung kommt, sondern aus dem Euter der Kuh. Siewissen nicht, woher das Fleisch kommt. Insofern ist meineBitte, stellen wir uns offensiv dar und kämpfen gegen ande-re Dinge. Kämpfen wir gegen Sendungen wie „Bauer suchtFrau“ von RTL. Dort wird eine Landwirtschaft dargestellt,die es in Rheinland-Pfalz Gott sei Dank nur noch minimalgibt. Sie finden in Rheinland-Pfalz nur noch zwei Bauern,die das so machen.

Insofern meine herzliche Bitte, stellen wir uns offensiv dar.Wir sind keine Verbrecher. Wir tun, was richtig ist.

(Glocke der Präsidentin)

Der Agrarbericht ist, wie er ist. Es ist jedes Jahr dassel-be. Mehr Geld bekommen die Bauern dafür nicht in dieTasche.

Danke schön.

(Beifall der CDU)

Vizepräsidentin Astrid Schmitt:

Ich erteile dem Abgeordneten Weber zur Erwiderung desWort.

Abg. Marco Weber, FDP:

Frau Präsidentin, Herr Kollege Billen! Ich habe nicht von5 Euro gesprochen, ich habe von den 12 Euro gesprochen,die im Agrarbericht ausgewiesen sind.

Ich bin der festen Überzeugung, wenn wir von einemDurchschnittseinkommen – Einkommen, das heißt, dassdie Lebenshaltungskosten und die Versicherungen undsonst noch alles abgeht – über alle Bereiche von35.000 Euro des durchschnittlichen landwirtschaftlichenBetriebes in Rheinland-Pfalz sprechen, dann behaupte ich,dass Ihre Enkel für dieses Geld Ihren Betrieb und denIhres Bruders und Ihrer Söhne nicht weiterführen werden,weil sie in anderen Berufen und bei anderen Einkommengrößere Alternativen und größere Einkommensmöglichkei-ten finden werden.

Ein landwirtschaftlicher Betrieb, in dem der Landwirt Le-bensmittel herstellt, hat mehr verdient als durchschnittlich35.000 Euro. Ich behaupte auch, dass es in Deutschlanddie sichersten Lebensmittel sind, die weltweit hergestelltwerden. Sie haben mehr verdient.

Sonst verstehe ich auch den Antrag Ihres Kollegen Zeh-fuß im Landwirtschaftsausschuss nicht, der gerade dar-auf abzielt, einen Mehrwert landwirtschaftlicher Produkte– politisch dementsprechend in der Diskussion – und ei-ne Besserstellung der landwirtschaftlichen Erzeugnissehinzubekommen. Aber im Geiste sind wir klar und selbst-bewusst als Landwirte, Herr Billen. Letzte Woche warenes drei Landwirte aus meinem Kreis bzw. aus dem KreisTrier-Saarburg, die über 100 Kühe haben und aufgegebenhaben. Es waren in einer Woche drei Betriebe mit über100 Kühen pro Betrieb weniger. Das sind Zeichen undTendenzen, gegen die wir angehen müssen.

Wir können das am besten angehen, indem wir den Leu-

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

ten noch einmal sagen, welchen Wert unsere Arbeit alsLandwirte hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Vizepräsidentin Astrid Schmitt:

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich derAbgeordneten Jutta Blatzheim-Roegler das Wort.

Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnenund Kollegen! Wir sprechen heute über den Agrarbericht,der uns seit der letzten Woche vorliegt. Festzuhalten istauf jeden Fall erst einmal von unserer Seite ein Danke-schön an diejenigen, über die geschrieben wird, nämlichdie Bäuerinnen und Bauern, die Winzerinnen und Winzer,die dazu beitragen, dass Lebensmittel in Rheinland-Pfalzerzeugt werden, von denen wir leben.

Die Landwirtschaft hat in Rheinland-Pfalz eine wichtigewirtschaftliche Bedeutung, ist aber auch ein kultureller Fak-tor. Ich möchte jetzt nicht in die einzelnen Zahlen undTabellen hineingehen. Das ist zum Teil schon erwähnt wor-den.

Ein Fazit ist, immer weniger Betriebe bewirtschaften immergrößere Flächen. Die Einkommenssituation ist in der ge-samtwirtschaftlichen Landwirtschaft ungenügend und un-terliegt sehr starken Schwankungen, abhängig von Agrar-märkten, dem Klima und vielen anderen Faktoren, die fürden einzelnen Erzeuger überhaupt nicht oder nur schwerkalkulierbar sind.

Ich stimme auch denjenigen zu, die schon erwähnt haben,dass die Erzeugerpreise nicht fair sind. Darüber haben wiran dieser Stelle schon mehrfach diskutiert. Ich glaube, dieLandwirtschaft und die Politik können zum Beispiel gegen-über dem Lebensmitteleinzelhandel nur gemeinsam etwaserreichen. Das ist eine Aufgabe, die ich vor uns sehe.

Hervorheben möchte ich aber trotzdem, dass sich die Ein-kommenssituation im Durchschnitt in der Landwirtschaftim letzten Jahr verbessert hat.

Ansonsten möchte ich noch konkret auf zwei Themen ein-gehen, den ökologischen Anbau und die Abhängigkeit vonklimatischen Veränderungen. Beides sind Themen, dieauch im Agrarbericht angesprochen werden.

Zum Thema Öko: Auf Seite 26 können Sie nachlesen,dass die ökologisch bewirtschaftete Fläche im Jahr 2017insgesamt fast 70.000 ha erreicht hat, die von rund 1.500Betrieben bewirtschaftet wurden. Das sind knapp 10 %der landwirtschaftlich genutzten Fläche und wieder einmalein Rekord in Rheinland-Pfalz, was die Fläche, aber auchdie Betriebsteile angeht.

Damit – auch das ist herauszustellen – wachsen wir imbundesdeutschen Vergleich besonders stark an; denn im

bundesdeutschen Durchschnitt liegt die Wachstumsratebei 8,2 %.

An dieser Stelle möchte ich sowohl dem zuständigen Mi-nister, als auch unserer Umweltministerin Ulrike Höfkendanken, die immer großen Wert auf gute Rahmenbedin-gungen für dieses Wachstum legt.

(Abg. Johannes Zehfuß, CDU: Da gehendie Arme hoch!)

Erstmals ließen sich im vergangenen Jahr über 10 Mil-liarden Euro mit ökologisch erzeugten Produkten erwirt-schaften. Aber das reicht immer noch nicht, noch immerimportieren wir Öko-Lebensmittel. Ich sage ganz deutlich,es kann nicht im Sinne des Klimas sein, wenn wir die Äpfelaus Neuseeland importieren.

Wir müssen auch weiterhin strikt auf die Förderung derökologischen Landwirtschaft setzen und das 20 %-Zielbald erreichen. Dazu brauchen wir weiterhin die Unterstüt-zung vom Bund und der EU.

Die Einkommenssituation bei ökologisch wirtschaftendenBetrieben hat sich weiter positiv entwickelt und liegt überder der konventionell wirtschaftenden Betrieben.

(Abg. Arnold Schmitt, CDU: Da ist doch einMinus! Steht im Bericht!)

Das zeigt uns, dass sich Bio lohnt, in Rheinland-Pfalz eineZukunft hat und sich eine Umstellung unter dem Strichauch für die Landwirte lohnt.

An dieser Stelle: Steuermittel für den Umbau zu einerumweltfreundlichen und klimaschonenden Landwirtschafteher als Vorsorge denn Zahlungen als Nachsorge.

Zum Thema Klima: Noch nie haben wir deutschlandweiteine dermaßen ausgeprägte Trockenheit erfahren.

(Unruhe im Hause –Glocke der Präsidentin)

Vizepräsidentin Astrid Schmitt:

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Geräusch-pegel nimmt immer mehr zu. Würden Sie ihn ein bisschenabsenken, damit die Kollegin noch durchdringt? – Dankeschön.

Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Gott sei Dank sind wir in Rheinland-Pfalz sozusagen miteinem blauen Auge davongekommen. Wir sind durchausdamit einverstanden und begrüßen es, dass auf Bundes-ebene heute die Entscheidung getroffen wurde, in ihrerExistenz bedrohten Landwirtinnen und Landwirten unterdie Arme zu greifen. Wir befürworten auch, dass dafüröffentliche Gelder des Steuerzahlers genutzt werden.

Aber auch die Landwirtschaft muss ihren Beitrag zum Kli-maschutz leisten und auf künftige extreme Wetterereig-nisse gut vorbereitet sein. Ich weiß nicht, wer am Sonn-tagabend die Sendung mit Anne Will und unter anderem

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner gesehenhat. Dort war auch Professor Schellnhuber zu Gast. Er hatsehr deutlich gemacht, dass wir, wenn es ein „Weiter so“gibt, nicht nur nicht erreichen,

(Glocke der Präsidentin)

dass sich die Atmosphäre weniger als 2 Grad Celsiusaufheizt, sondern dann sogar mit 4 oder 5 Grad Celsiusrechnen müssen.

Deswegen sagen wir, dass es ein „Weiter so“ nicht gebendarf,

(Glocke der Präsidentin)

sondern wir bei den Zahlungen und den Steuermitteln dar-auf achten, dass sie zu einem Umbau der Landwirtschaftin Richtung Bio und Öko führen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Astrid Schmitt:

Für die Landesregierung erteile ich Herrn StaatsministerDr. Wissing das Wort.

Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr,Landwirtschaft und Weinbau:

Besten Dank. – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen undKollegen! Der Agrarbericht 2018 erscheint zu einem wich-tigen Zeitpunkt. Wir stehen kurz vor dem Start der europäi-schen Trilogverhandlungen zu den Legislativvorschlägenzur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020. Auchnational stehen wir auf der Schwelle wichtiger Weichen-stellungen. Die Herbstagrarministerkonferenz wird sichschwerpunktmäßig mit der GAP nach 2020 befassen eben-so der Bundesrat.

Wenn wir uns die Einkommenslage der Landwirtschaft imWirtschaftsjahr 2016/2017 anschauen, dann können wireinerseits sagen, endlich hat sich etwas deutlich verbes-sert. Im längerfristigen Vergleich allerdings stagniert siebei zunehmend volatilem Verlauf auf dem Niveau der Jah-re 2006 und 2007.

In den letzten drei Jahren haben dazu auch die erheblichenWetterkalamitäten beigetragen. Seit ihren Anfängen setztsich die GAP bei nach wie vor unveränderter Zielstrukturim Landwirtschaftskapitel des EU-Vertrags mit dem Ein-kommensziel auseinander. Bis heute ist das Paritätszielmit außerlandwirtschaftlichen Sektoren nicht erreicht wor-den.

Mit dem im Wirtschaftsjahr 2016/2017 erzielten Einkom-men von 28.474 Euro pro Arbeitskraft in der rheinland-pfälzischen Landwirtschaft im Haupterwerbsbetrieb beieiner Durchschnittsgröße von 66,3 ha können wir sagen,dass die Lage nicht zufriedenstellend ist. Im Vergleich dazuerwirtschafteten die Haupterwerbsbetriebe im Bundesver-gleich bei einer durchschnittlichen Fläche von 82,9 ha land-

wirtschaftlicher Nutzfläche ein Einkommen von 408 Euroje Arbeitskraft und Hektar.

Im Haupterwerb des ökologischen Landbaus schnittenmit 442 Euro pro Arbeitskraft und Hektar bei einer Durch-schnittsgröße von 89,3 ha landwirtschaftlicher Fläche dieökologischen Betriebe am besten ab. Ich erwähne denBundesdurchschnitt, weil es keinen Landesvergleich zwi-schen den beiden Agrarbewirtschaftungsformen gibt.

Wir haben natürlich Freude daran, wenn ökologisch wirt-schaftende Betriebe ein hohes Einkommen erzielen. Des-wegen finde ich die Debatte, konventionellen und ökologi-schen Landbau gegeneinander auszuspielen oder aufzu-wiegen, nicht mehr zeitgemäß. Weil hier suggeriert wordenist, wir hätten in der Landesregierung damit irgendwelcheProbleme, ist zu sagen, die haben wir nicht.

Für mich als Wirtschafts- und Landwirtschaftsministermuss es beides geben. Es liegt allerdings in der Verant-wortung der Betriebe, wie sie sich aufstellen. Es gibt ei-nerseits die Möglichkeit, im ökologischen Landbau höhereMarktpreise zu erzielen, was sehr wichtig zur Stabilisierungder heimischen Landwirtschaft ist, andererseits aber gibtes höhere Risiken. Wir haben das mit der Peronospora-Epidemie erlebt und sehen es beim Einsatz von Pflanzen-schutzmitteln. Aber es liegt in der Verantwortung der Betrie-be selbst, wie sie sich aufstellen. Wir jedenfalls verfolgendas Ziel eines 20 %igen Anteils ökologisch wirtschaftenderBetriebe, weil wir die Notwendigkeit am Markt sehen.

Darüber gibt es Einigkeit in der Landesregierung. Wenn iches richtig sehe, verfolgt auch die Bundeslandwirtschafts-ministerin das gleiche Ziel auf Bundesebene, wenngleich– es ist hier schon gesagt worden – wir in Rheinland-Pfalzerfolgreicher sind als der Bundesdurchschnitt.

Meine Damen und Herren, die wichtigsten Agrarmärktesind nach der Krise zu einer positive Entwicklung mit mittel-bis langfristigen nachfragebestimmten Perspektiven zu-rückgekehrt. Einzig der Zuckermarkt zeigt noch Anpas-sungsreaktionen im Lichte der beendeten Zuckermarktord-nung 2017.

Die rheinland-pfälzische Landwirtschaft unterliegt aller-dings infolge ihrer ungünstigen Agrarstruktur und insbeson-dere unzureichender Betriebsgrößen und als Realteilungs-gebiet mit dem größten Strukturwandel in Deutschland.Wenn wir Vergleiche ziehen mit anderen Bundesländern,ist das immer interessant. Das machen wir in vielen Wirt-schaftsbereichen, aber es würde keinen Sinn ergeben,Bundesländer zu haben, wenn sie alle exakt gleich wären.Deswegen gibt es sehr unterschiedliche Herausforderun-gen, und es ist wichtig, regionale, sprich Landesagrarpolitikzu betreiben, weil das, was unsere Betriebe brauchen, an-dere Anforderungen sind als das, was Betriebe etwa inOst- oder Norddeutschland brauchen.

Insbesondere die divergierenden Betriebsgrößen machendie rheinland-pfälzische Landwirtschaft zu einer besonde-ren Herausforderung. Wir sind vom Strukturwandel beson-ders stark betroffen, was nicht für die Weinbaubetriebegilt, sondern auch für die übrigen Agrarbetriebe. Der Struk-turwandel lässt sich, wie in jeder Branche, auch in der

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Agrarwirtschaft nicht aufhalten, aber er bedarf einer Flan-kierung. Er muss vernünftig gestaltet werden.

Dazu hat die Landesregierung mit dem Entwicklungspro-gramm EULLE eine breit angelegte Wettbewerbs- undInnovationsoffensive gestartet. Eine besondere Frage istdabei die Hofnachfolge. Damit steht die junge Generati-on im Mittelpunkt. Sie will wissen, wohin die Reise geht.Sie braucht Verlässlichkeit. Sie braucht eine klare Ansa-ge. Wenn junge Menschen ihre Zukunft planen, wollen siewissen, was die Landwirtschaft ihnen bietet. Deswegenhalten wir auch nichts davon, die wirtschaftlichen Rahmen-bedingungen dort ständig zu verändern.

Man könnte jetzt lange über Pflanzenschutzpolitik und überdie Dinge sprechen, die wir gegenwärtig erleben. Wennich mir allein anschaue, wie wir mit dem Zuckerrübenan-bau umgehen, man einerseits Neonicotinoide verbietet,aber in den nächsten sechs Monaten kein Betrieb weiß,wie er Neonicotinoide bei der Saatgutbeize ersetzen soll,dann ist das ein Problem. Das sind keine guten Signale.Deswegen wünschen wir uns von der BundesregierungKlarheit und klare Entscheidungen. Diese Dinge darf mannicht aussitzen, weil sie sich nicht von selbst lösen. Mankann Neonicotinoide ersetzen, aber dann muss man aucheinen Weg haben, wie das passieren soll.

Wir begleiten diesen Wandel auch in der Pflanzenschutz-politik konstruktiv, aber wir brauchen Antworten. Einfachnur zu meinen, man könne alles streichen, und dann lösensich die Probleme irgendwie in Luft auf, wird den Bedürfnis-sen nicht gerecht und begeistert vor allem junge Menschennicht, dann in einen solchen Betrieb zu gehen.

Ich halte diese Sechs-Monats-Phase, in der wir uns jetztbefinden, für ein echtes Problem. Wenn ich ein jungerMensch wäre, würde ich mir genau anschauen, dass sichvielleicht Vater, Mutter, Onkel und Tante die Frage stellen,ob sie ihr Geschäftsmodell als Zuckerrüben anbauenderBetrieb aufrechterhalten können, die Politik noch zu einerLösung kommt oder das jetzt in eine Krise geht. Das kanneine Entscheidung für oder gegen eine Hofnachfolge ganzmassiv beeinflussen.

Deswegen dürfen wir uns in der Agrarpolitik – ich sage dasmit allem Ernst – solche Hängepartien und Regulierungs-lücken nicht erlauben, wie wir sie gegenwärtig in dieserFrage haben.

(Beifall der FDP, bei SPD und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Es ist viel gesagt worden über die Akzeptanz der Agrarpo-litik oder der Agrarwirtschaft in der Gesellschaft. Das sindalles wichtige Themen. Es ist gut, dass es hier klar ausge-sprochen wird. Wir leben in einer Marktwirtschaft, die auchnachfrageorientiert ist. Deswegen müssen wir das, wassich die Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen, wiezum Beispiel die Anbaumethoden, ernst nehmen. Das istganz wichtig. Wir können nicht einfach sagen, ihr wünschteuch eine bestimmte Agrarwirtschaft, aber wir machen et-was völlig anderes. Das kann in der Marktwirtschaft nichterfolgreich sein. Deswegen müssen wir schon ernst neh-men, was die Verbraucherinnen und Verbraucher sagen.

Wir müssen aber auch politisch so agieren, dass dieseWünsche umsetzbar sind, ohne dass dabei vergessenwird, dass die Bäuerinnen und Bauern, die Winzerinnenund Winzer für diese Leistungen, die die Verbraucherinnenund Verbraucher einfordern, bezahlt werden.

Ich glaube, das ist die größte Herausforderung in der Agrar-politik der nächsten Jahre, dafür zu sorgen, dass zusätzli-che Anforderungen, die an die landwirtschaftlichen Betrie-be herangetragen werden, mit einer höheren Vergütungüber die Marktpreise korrelieren. Das hat die Politik nichtgeschafft.

Das ist im Übrigen eine der größten Schwächen auchder europäischen Agrarpolitik, die wir gemeinsam ange-hen müssen. Wir müssen dafür sorgen, dass Mehrkostenbei der Produktion zu höheren Verbraucherpreisen führen.Das muss ganz im Fokus der Gemeinsamen Agrarpolitikstehen.

(Beifall der FDP, bei SPD und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in vielen Bereichen in Rheinland-Pfalz Grund,optimistisch zu sein, aber wir stehen auch noch vor großenHerausforderungen.

Wir werden heute Abend noch viel über Agrarwirt-schaft sprechen, auch im Rahmen des ParlamentarischenAbends. Deshalb will ich abschließend nur noch einigeSätze zu der Dürresituation sagen. Sie ist in der Tat einegroße Herausforderung für viele Kolleginnen und Kollegenin den anderen Bundesländern. Hier in Rheinland-Pfalzsind wir relativ gut durch die Dürre gekommen.

Nun hat der Bund gemeinsam mit den Bundesländern einProgramm mit 170 Millionen Euro Bundesmitteln aufgelegt,zu dem 14 Bundesländer 170 Millionen Euro hinzugeben,weil sie vor Ort Betriebe haben, von denen sie sagen, siesind in einer nennenswerten Zahl in ihrer Existenz gefähr-det.

Solche Betriebe haben wir in Rheinland-Pfalz nicht undhaben uns deswegen diesem Programm nicht angeschlos-sen, auch um zu vermeiden, dass Bürokratie geschaffenwird; denn diese Verfahren sind sehr bürokratisch. Die Be-triebe können nicht einfach sagen, ich habe wegen derDürre Erntemindererträge, sondern sie müssen eine Exis-tenzgefährdung des Betriebs nachweisen. Jeder kann sicheinigermaßen vorstellen, welchen Aufwand das bedeutet.Man muss den gesamten Betrieb transparent machen.

Weil wir in Rheinland-Pfalz eine durchschnittliche Ernte,in manchen Ecken sogar eine etwas überdurchschnittli-che Ernte haben, können wir davon ausgehen, auch nachRücksprache mit den Bauern- und Winzerverbänden, dasswir hier keine Existenzgefährdung der Betriebe infolgeder Dürre haben. Ich will nicht sagen, dass die Betriebealle in rosigen Zeiten leben, aber es muss eine Existenz-gefährdung aufgrund der Dürre nachgewiesen werden.Deswegen macht es keinen Sinn, dass wir ein solchesbürokratisches Verfahren mit einem Riesenaufwand pro-duzieren, um am Ende eine Masse an Ablehnungen vonBescheiden zu produzieren.

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Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 62. Sitzung, 22.08.2018

Deswegen gibt es hier für uns ein gewisses Aufatmen nachdiesem Jahr. Es war wieder eine Herausforderung, wiedereine extreme Wetterlage, aber wir konnten doch ganz guteErnten erzielen. Deswegen war auch nach Rücksprachemit der Branche für uns klar, dass wir ein solches bürokra-tisches Verfahren nicht brauchen.

Selbstredend stehen wir weiterhin in engem Kontakt, be-obachten ganz genau, was auf den Feldern und in denBetrieben passiert, und haben das Ohr ganz nah an derBranche, was die Menschen auch verdient haben.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und desBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Astrid Schmitt:

Aufgrund der verlängerten Redezeit der Landesregierungstehen den Fraktionen jeweils weitere 5 Minuten Redezeitzur Verfügung. Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das istnicht der Fall. Dann ist die Aussprache zu diesem Berichterledigt.

Ich darf nicht nur zum Parlamentarischen Abend einladen,sondern auch ganz herzlich zur nächsten Parlamentssit-zung. Wir beginnen morgen um 09:30 Uhr.

Einen schönen Abend wünsche ich Ihnen.

E n d e d e r S i t z u n g : 1 8 : 4 2 U h r

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