Herausgegeben von
Juni 2012
Einzelheft: 1,50 Euro, Abonnement: 15 Euro
P.b.b., Verlagspostamt 1040
02Z031242 M, Kd.-Nr: 0021012558
UnabhĂ€ngigeGewerkschafterInnenim ĂGB
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UNGARN: GULASCHFASCHISMUS? âą âEURESCHULDEN â UNSERE DEMOKRATIEâ âą NULL-LOHNRUNDE IM ĂFFENTLICHEN DIENST
OCCUPYPATRIARCHY
VorankĂŒndigung:15 Jahre! UG-Fest
-Bundeskonferenz29. September 2012, 10.30-17 Uhr, Wien.
VorlÀufige Tagesordnung:
1. EU-Fiskalpakt, Sparpakete, Nulllohnrunden und(gewerkschafts)politische Perspektiven
2. Statutarische Generalversammlung mit:âą Berichten aus den Gremien und Entlastung
des Bundesvorstandes⹠Diskussion+Beschluss: StatutenÀnderungen,
GeschÀftsordnung, Leitbild⹠Wahl des AUGE/UG-Bundesvorstandes,
Bundeskontrolle, Delegierte fĂŒr UG-Gremienâą AntrĂ€ge (Einreichung bis spĂ€testens
14. September bei [email protected])âą Arbeiterkammer-Wahlen 2014
Eine detaillierte Tagesordnung ergeht zeitgerecht andie Delegierten. Die Bundeskonferenz setzt sich ausDelegierten der Landes- und Teilorganisationen zusam-men. Interessierte und KandidatInnen fĂŒr zu wĂ€hlendeGremien melden sich bitte bis spĂ€testens 1. Juli 2012bei ihrer AUGE/UG-Landesorganisation oder unter derE-Mail-Adresse [email protected]
WeiterfĂŒhrende Informationen: www.auge.or.at
UnabhĂ€ngige GewerkschafterInnen in Tirol gegrĂŒndet
NUN, eigentlich waren die Voraussetzungen fĂŒr dieAnerkennung der UnabhĂ€ngigen GewerkschafterIn-nen im Tiroler ĂGB schon lĂ€nger gegeben: Eine ausrei-chende Anzahl an Betriebsrats- und/oder Personalver-tretungsmandaten in mindestens zwei Gewerkschaf-ten. Allerdings, wie es so schön heiĂt, âgut Dingbraucht Weileâ.
DafĂŒr war es dann am 10. Mai auch so weit: Die UnabhĂ€ngigen Gewerkschaf-terInnen in Tirol â in gewohnter bunter, alternativer, fortschrittlicher Vielfalt âhaben sich konstituiert. Inzwischen gibt es in vier Gewerkschaften (GPA-djp,PRO-GE, GĂD, GdG-KMSfB) BetriebsrĂ€tInnen und PersonalvertreterInnen derAUGE/UG, der UGöD und seit kurzem auch der KIV/UG.
Hinsichtlich der betrieblichen Verankerung sind die Anerken-nungskriterien ebenfalls zur GenĂŒge erfĂŒllt. Eine funktionieren-de Bundesorganisation gibt es lĂ€ngst. Damit wird nun der An-trag auf Anerkennung der âUnabhĂ€ngigen GewerkschafterIn-nenâ als dritte Kraft neben FSG und FCG im ĂGB-Tirol gestelltwerden, eine reine Formsache.
Mit der Anerkennung steht den UnabhĂ€ngigen ein Sitz im ĂGB-Lan-desvorstand zu. Diesen wird Barbara Gessmann-Wetzinger, TLI-UG(Personalvertreterin bei den Tiroler PflichtschullehrerInnen) einneh-men, als Ersatzmandatar stellt sich Heinz Atzl, Personalvertreterder KIV/UG im Amt fĂŒr Jugendwohlfahrt und Soziales, zur VerfĂŒ-gung. Den Sitz in der ĂGB-Kontrolle wird bis auf weiteres HelmutDeutinger, AUGE/UG-Betriebsrat in der Lebenshilfe Tirol und AK-Fraktionschef, wahrnehmen.
Mit der Fraktionsanerkennung in Tirol sind die UnabhĂ€ngi-gen GewerkschafterInnen damit in ganz Ăsterreich (Ausnah-me Burgenland) auf ĂGB-Landesebene anerkannt, ein weite-rer Schritt zur Festigung der Position der UG in der österrei-chischen Gewerkschaftslandschaft. Gedankt sei jedenfallsnochmals Helmut und Barbara fĂŒr ihre Initiative zur TirolerUG-Konstituierung. Und allen KollegInnen in Tirol weiter vielKraft, Erfolg und ein solidarisches âGlĂŒck aufâ!
Das Versandteamder Alternative.Herzlichen Dank!
SchlieĂlich wĂ€re es sinnlos, eine
Zeitung zu machen, wenn sie
nicht unter die Leut kommt âŠ
Freitag, 28. September 2012In Wien 15, Schutzhaus Zukunft, Verl. Gunt-herstraĂe, (Linien 9, 48A), Einlass: 18 Uhr
SEITE 3 âą ALTERNATIVE 6/2012
Gewerkschaft & Betrieb
Nulllohnrunde im Ăffentlichen Dienst . . . . . . . . . . Seite 4Bank Austria: Tolles Wahlergebnis . . . . . . . . . . . . Seite 7
Magazin
Konferenz âEure Schulden â unsere Demokratieâ . . . . Seite 8Volksbegehren âSteuergerechtigkeit Jetzt!â . . . . . . . Seite 9Stolperstein Mindestsicherung . . . . . . . . . . . . . . Seite 10
Panorama
Frauen: Occupy Patriarchy . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 14BĂŒchereien-Wien: Externe Heimsuchung . . . . . . . . . Seite 16AUGE/UG zum Europatag . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 18
International
Ungarn: Gulaschfaschismus? . . . . . . . . . . . . . . . Seite 20
. . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 12
IM JUNI
IN GEWAHRSAM
Heimische Medien berichten ĂŒblicherweisespĂ€rlich ĂŒber internationale Proteste gegenKapitalismus, Finanzmarkt-Haie oder dieMacht der Banken. FĂŒr drei Tage waren kĂŒrz-lich in Frankfurt groĂe Aktionen geplant. Siewurden zunĂ€chst alle polizeilich untersagt,dann genehmigte man eine GroĂdemo amletzten Tag. Unter der Bedingung, dass vor-her nichts stattfindet. Die Folge: 1400 Men-schen wurden von der Polizei âin Gewahr-samâ genommen. Das ist in unseren BreitenrekordverdĂ€chtig und wirft einmal mehr dieFrage nach der Demokratie in Zeiten der in-ternationalen Finanzkrise auf.
Zum Beispiel Griechenland. Das Volk hatganz einfach falsch gewĂ€hlt. Was ist, wennes das bei der Wahlwiederholung wieder tut?Die EU droht: Keine Hilfe mehr, wenn dasSpardiktat nicht eingehalten wird. Den ar-beitslosen griechischen Jugendlichen kannâswurscht sein. Sie haben von den Hilfsmilliar-den ohnedies nie einen Euro gesehen.
Zum Thema passen BeitrĂ€ge in diesemHeft. Etwa ein Bericht ĂŒber eine ĂGB-Konfe-renz mit dem Titel âEure Schulden â unsereDemokratieâ. Oder: Occupy Patriarchy â dieZeltstadt der Frauen auf der Wiener Ring-straĂe. Trotz Wind und Wetter.
Irgendwie passt auch die Frage: Mindest-sicherung â ein âMeilenstein in der Armuts-bekĂ€mpfungâ oder doch nur ein Stolpersteinin den sozialen Abstieg?
Bei uns ist die Welt ja noch irgendwie inOrdnung. Der Widerstand gegen den Fiskal-pakt, die Schuldenbremse und die Leistungs-einschrĂ€nkungen in den Kommunen haltensich in Grenzen. Wenn aber der ĂGB einmalnicht mehr mitspielt? Keine Angst, das pas-siert sicher nicht.
EDITORIAL von Alfred Bastecky
IMPRESSUM Medieninhaber, Verleger: Alternative und GrĂŒne GewerkschafterInnen(AUGE/UG) Herausgeber: UnabhĂ€ngige GewerkschafterInnen im ĂGB (UG/ĂGB)Redaktion, Satz & Layout: Alfred Bastecky (Koordination), Lisa Langbein, Franz Wohl-könig (Layout) Alle: 1040 Wien, Belvederegasse 10/1, Telefon: (01) 505 19 52-0, Fax: -22,E-Mail: [email protected] (Abonnement), [email protected] (Redaktion), internet:www.ug-oegb.at, Bankverbindung: BAWAG Kto. Nr. 00110228775 Dass namentlich gezeichnete BeitrĂ€ge nicht unbedingt der Meinung der Redaktion oderdes Herausgebers entsprechen mĂŒssen, versteht sich von selbst. Titel und Zwischentitelfallen in die Verantwortung der Redaktion, Cartoons in die Freiheit der Kunst. Textnach-druck mit Quellenangabe gestattet, das Copyright der Much-Cartoons liegt beim KĂŒnstler.DVR 05 57 021. ISSN 1023-2702.
D
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Warnung: Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst können auch ihr Einkommen gefÀhrden.
Von Markus Koza.
ĂRMELSCHONER?as âStabilitĂ€tspaketâ 2012 bis 2016(wie das Sparpaket im Zeichen von Fis-kalpakt und Schuldenbremse so euphe-mistisch benamst wird) ist von der Re-gierung verabschiedet und vom Parla-ment beschlossen worden. Zugestimmthaben unter anderem auch die groĂko-alitionĂ€ren Gewerkschaftsabgeordne-ten in rot und schwarz. Das war zu er-warten, hat sich doch der Ăsterreichi-sche Gewerkschaftsbund das Konsoli-dierungspaket (das natĂŒrlich schlimmerhĂ€tte ausfallen können, weil schlimmergehts immer) schöner geredet, als esist. SchlieĂlich seien âąArbeitnehmerInnen von den Konso-
lidierungsmaĂnahmen nur wenigbetroffen und
âąhöhere Massensteuern, Privatisie-rungen und massiver Sozialabbauverhindert worden. Nun, ob dem tatsĂ€chlich so ist, wer-
den erst dieâąReform der Fördersysteme, âąveranschlagten, aber nicht nĂ€her
konkretisierten Einsparungen aufLĂ€nder- und Gemeindeebene (beiden Ermessensausgaben sowie imGesundheitssystem) zeigen. Andererseits, was soll der ĂGB als
Gesamtorganisation auch viel anderessagen, wenn die Gewerkschaft jenerArbeitnehmerInnengruppe, die sehr
wohl massive Einschnitte hinnehmenmuss, diese so einmal akzeptiert, unab-hĂ€ngig davon, was diese auch fĂŒr an-dere BeschĂ€ftigtengruppen bedeutenwĂŒrden â wir sprechen von der Null-lohnrunde im öffentlichen Dienst.
ĂFFENTLICHE DIENSTE âALLES BEAMTE, ODER WAS?Einsparungen von 1,1 Milliarden Euro
soll die Nulllohnrunde 2013 sowie dieâmoderatenâ Lohnrunden 2014 fĂŒrBundesbedienstete und Landeslehrer-Innen (in Summe rund 210.000 Betrof-fene) dem Bundesbudget bringen. DieâGewerkschaft Ăffentlicher Dienstâ(GĂD) mit ihrem Vorsitzenden, demstellvertretenden NationalratsprĂ€siden-ten und ĂVP-Abgeordneten Neugebau-er, hat diese LohnkĂŒrzungsmaĂnahmen(schlieĂlich handelt es sich um deutli-che Reallohnverluste) geschluckt undargumentierte dieses Faktum mit derAbwehr noch schlimmerer MaĂnah-men. Da sei das gerade noch akzepta-bel gewesen. Die Bundesregierungspricht dabei gerne von einem âSolidar-beitragâ der Beamten mit ihren siche-ren ArbeitsplĂ€tzen und Einkommen.Medial wird diese Nulllohnrunde ĂŒber-haupt gerne als Beitrag âder Beamtenâzur Budgetkonsolidierung bezeichnet.Dass diese MaĂnahme in breiten Be-völkerungsschichten nicht unpopulĂ€rist, liegt wohl am nicht gerade beson-ders guten Image der Beamten, wofĂŒrnicht zuletzt die GĂD mit ihrem Auftre-ten als âStandesvertretungâ verant-wortlich ist. Gar nicht klammheimlichist die Freude der Durchschnittsöster-reicherIn, dass es den âprivilegiertenâBeamten nun endlich auch einmal âanden Kragenâ geht, den âBetonierernâund sturen Verteidigern lĂ€ngst ĂŒber-
holter, âwohlerworbener Rechteâund Zulagen, von denen diedurchschnittliche Privatange-stellte nur trĂ€umen kann.
Nun, tatsĂ€chlich hat das inder veröffentlichten Meinungtransportierte Bild des Ărmel-schoner tragenden, kleinkarier-ten und pitzligen Beamten, dersich âbĂŒrgerfernâ hinter Vorschriftenund Gesetzen verschanzt, nur wenigmit der RealitĂ€t der öffentlichen Diens-te zu tun. Die öffentlichen Dienste desBundes, der LĂ€nder, der Gemeindensind nicht weniger vielfĂ€ltig als âdiePrivatwirtschaftâ.
Der öffentliche Dienst reicht vonBund, LĂ€ndern und Gemeinden bis hinzu ausgegliederten Betrieben, Kranken-anstalten etc. Er umfasst Beamte eben-so wie Vertragsbedienstete, normalePrivatangestellte, ArbeiterInnen, freieDienstnehmerInnen und Werkvertrags-nehmerInnen. Ăffentlich Bedienstetesind genauso voll- wie teilzeitbeschĂ€f-tigt, haben befristete ArbeitsvertrĂ€ge,arbeiten âatypischâ. Will mensch sichden öffentlichen Diensten, den Berufs-gruppen in den öffentlichen Dienstensowie den Einkommensstrukturen bzw.-verhĂ€ltnissen nĂ€hern, empfiehlt sichein Blick in den Einkommensberichtdes Rechnungshofs aus dem Jahr 2010(Daten 2009). Nicht zuletzt, um dasbestehende, bzw. verbreitete Bild ĂŒberdie öffentlichen Dienste einem Reali-tĂ€tscheck zu unterziehen.
RIESIGES âBEAMTENHEERâ?Wie schaut es nun mit den âBerufs-
gruppenâ im öffentlichen Dienst aus?Wie groĂ ist das âBeamtenheerâ tat-sĂ€chlich? Was umfassen die öffentli-chen Dienste nun alles?
Markus Kozaist UG-Vorsitzender,im ĂGB-Vorstandund Mitarbeiter derAUGE/UG in Wien.
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âąVon den 3,990 Millionen unselb-stĂ€ndig BeschĂ€ftigten im Jahr 2009waren 225.650 Beamte, 318.668Vertragsbedienstete. Der âBeamten-anteilâ an allen unselbstĂ€ndig Be-schĂ€ftigten betrug 2009 also5,7 Prozent, Tendenz fallend.
âąWĂ€hrend die Zahl der Beamten seit2004 von 249.000 auf 225.650Personen zurĂŒckging, stieg jene derVertragsbediensteten von knapp239.500 auf 318.668 Personen. Seit1998 ist die Zahl der Beamten vonfast 353.000 um 36 Prozent zurĂŒck-gegangen. Ursachen fĂŒr diesen mas-siven RĂŒckgang sind unter anderemAusgliederungen, Aufnahme- undPragmatisierungsstopps, Umstruktu-rierungen (etwa bei den Bundesbah-nen). Die Vertragsbediensteten imöffentlichen Dienst sind erst seit
2004 gesondert als eigene Gruppeausgewiesen, nicht zuletzt aufgrundihrer zunehmenden Bedeutung imöffentlichen Dienst.
âąMit Vertragsbediensteten und Be-amten sind allerdings noch langenicht alle BeschĂ€ftigten der öffentli-chen Dienste erfasst: Im Rechnungs-hofbericht finden sich unter ande-rem die Branchen âErziehung undUnterricht (P)â sowie âGesundheits-und Sozialwesen (Q)â mit 94.411bzw. 247.938 BeschĂ€ftigten, die so-wohl private wie auch öffentlicheDienstleister umfassen. Mit jederMenge BeschĂ€ftigungsverhĂ€ltnissenmit privatrechtlichen ArbeitsvertrĂ€-gen, auch bei öffentlichen Dienst-leistern. Diese beiden Branchen wer-den getrennt vom Bereich âĂffentli-che Verwaltung, Verteidigung, Sozi-alversicherung (O)â mit in Summe570.564 BeschĂ€ftigten gefĂŒhrt.
Hinzu kommen noch die BranchenâEnergieversorgungâ, âVerkehr undLagereiâ die ebenfalls öffentlicherbrachte Dienstleistungen undentsprechend öffentliche Bedien-stete beinhalten.
ALLES EINKOMMENSSPITZE?Hinsichtlich der Einkommenssituati-
on stellt sich die Lage wie folgt dar:âąDas Medianeinkommen (mittleres
Einkommen, 50 Prozent verdienenmehr, 50 Prozent verdienen weni-ger) aller unselbstÀndig BeschÀftig-ten lag 2009 bei 24.449 Euro jÀhr-lich (das sind 1746 Euro brutto proMonat, 14 x im Jahr). WÀhrend dieMedianeinkommen der ArbeiterIn-nen mit 17.874 Euro deutlich darun-ter lagen, lagen die mittleren Ein-
kommen der Ange-stellten (27.723Euro) und Vertrags-bediensteten(28.103) ĂŒber demallgemeinenSchnitt, waren je-doch annĂ€herndgleich. ZwischenAngestellten undVertragsbedienste-ten lĂ€sst sich alsonur ein geringerEinkommensunter-schied von geradeeinmal 1,3 Prozent
ausmachen (noch 2008 lag dasmittlere Einkommen der Vertragsbe-diensteten sogar leicht unter jenemder Angestellten). Zieht mensch al-lerdings Beamte und Vertragsbe-dienstete zusammen, liegt der âöf-fentliche Dienstâ (allerdings ohnePrivatangestellte im öffentlichenDienst) mit mittleren 35.702 Europro Jahr doch relative deutlich ĂŒberdem Median aller ArbeitnehmerIn-neneinkommen in Ăsterreich.
âąDas liegt tatsĂ€chlich am Median-einkommen der Beamten: Mit47.818 Euro im Jahr fast doppelt sohoch wie das mittlere Arbeitnehmer-Innen-Einkommen in Ăsterreich. Wa-rum das so ist, hat allerdings aucheinfache GrĂŒnde: Einerseits liegt dieHöhe im Altersschnitt begrĂŒndet.WĂ€hrend das Durchschnittsalter derAngestellten zum Beispiel bei 38Jahren liegt, liegt das der Beamten
gleich um zehn Jahre darĂŒber. Diehohen Einkommen und im Vergleichzu den anderen Berufsgruppen ho-hen EinkommenszuwĂ€chse lassensich also vor allem auf den Alte-rungseffekt zurĂŒckfĂŒhren: âInsge-samt geht die Anzahl der Personenin dieser Gruppe zurĂŒck, weil dieZahl der Pragmatisierungen sinktund damit immer weniger neue Be-amtInnen hinzukommen. Die nochverbleibenden BeamtInnen habendurch die gesetzlichen Gehaltsvor-rĂŒckungen einen Einkommenszu-wachs, der nicht im selben AusmaĂdurch neu hinzukommende geringeEinkommen ausgeglichen wird. DasResultat ist ein im Vergleich zu denanderen Gruppen starker Anstiegdes Gruppenmittelwerts.â
âąDie absolute Höhe des beamtetenMedianeinkommens relativiert sichentsprechend, werden vergleichbareAngestellteneinkommen den Beam-teneinkommen gegenĂŒbergestellt.Etwa wenn Einkommen Vollzeit be-schĂ€ftigter mĂ€nnlicher Angestelltermit langer Betriebszugehörigkeit(zwanzig Jahre) mit jenen mĂ€nnli-cher, öffentlich Bediensteter (in die-sem Falle wohl mit im Vergleich zuVertragsbediensteten höherem Be-amtenanteil) verglichen werden: An-gestellte verdienen in diesem Fallmit einem Medianeinkommen von59.756 Euro deutlich mehr als ver-gleichbare öffentlich Bedienstetemit 49.260 Euro. Einkommen vonFrauen liegen bei dieser Zugehörig-keitsdauer bei Angestellten bei43.940 Euro, bei Beamtinnen bei49.869 Euro. Der Einkommensunter-schied zwischen mĂ€nnlichen undweiblichen Angestellten ist alsodeutlich gröĂer als zwischen weibli-chen Angestellten und Beamtinnen.
âąUnter dem allgemeinen Medianein-kommen (im âunterenâ Einkommens-segment) befinden sich zwar weni-ger als zehn Prozent der BeamtIn-nen aber immerhin rund vierzig Pro-zent der Vertragsbediensteten. Ins-gesamt liegen rund 25 Prozent allerBeamten und Vertragsbedienstetenunter dem Medianeinkommen allerunselbstĂ€ndige BeschĂ€ftigten, somitrund 30 Prozent aller weiblichenVertragsbediensteten und Beamtin-
Bitte umblÀttern
nen. Wird der Privatangestelltenbe-reich im öffentlichen Dienst hinzu-gerechnet, vor allem in den Niedrig-lohnbranchen Soziales, Gesundheit(mittleres Bruttojahreseinkommen:19.672 Euro), Unterrichtswesen undErziehung (mittleres Bruttojahres-einkommen: 17.463), mit einem ho-hen Frauen- (79 Prozent im BereichSoziales und Gesundheit, 55 Prozentim Bereich Unterricht) und Teilzeit-beschĂ€ftigungsanteil (53 Prozent imSozial- und Gesundheitsbereich,46 Prozent im Unterrichtsbereich),steigt der Anteil derjenigen, die Un-ter-Median liegen, wohl mit Sicher-heit auf bzw. ĂŒber dreiĂig Prozent.Dieses runde Drittel im Unter-Medi-an-Einkommensbereich macht dabeirund ein FĂŒnftel der Lohnsumme imöffentlichen Dienst aus.Nun, warum das alles? Sicher nicht,
weil wir es als unseren Auftrag sehen,die Spitzeneinkommen von Spitzenbe-amten zu verteidigen. Sondern um dieöffentlichen Dienste in ihrer Vielfaltdarzustellen und falsche Bilder geradezu rĂŒcken. Die öffentlichen Dienste rei-chen von KrankenhĂ€usern, Pflegeein-richtungen, Kinderkrippen und -gĂ€rten,ĂŒber Schulen, Magistrate, StadtgĂ€rtne-reien, Gemeinde- und SozialĂ€mter, derBestattung, Verkehrsbetrieben, kommu-nalen Energieversorgern bis hin zu Uni-versitĂ€ten, dem Arbeitsmarktservice,Ministerien, Museen, dem Bundesre-chenzentrum und der Statistik Austria.Die öffentlichen Dienste umfassenLeistungen der LĂ€nder, Gemeinden, desBundes und der ausgegliederten Berei-che. In öffentlichen Diensten arbeitenBeamte, Vertragsbedienstete, Privatan-gestellte, ArbeiterInnen, LeiharbeiterIn-nen, befristet BeschĂ€ftigte und andereâAtypischeâ. Einkommen reichen vonânahe der ArmutsgefĂ€hrdungâ bis zuSpitzengagen Top-Beamter. Entspre-chend treffen âNulllohnrundenâ bzw.moderate Lohnsteigerungen auch un-terschiedlich: Was ein Sektionschefoder anderer Spitzenverdiener im öf-fentlichen Dienst unabhĂ€ngig von sei-nem beruflichen Status an Kaufkraft-verlust ökonomisch vermutlich lockerverkraften kann, kann fĂŒr eine TeilzeitbeschĂ€ftigte, alleinerziehende Kinder-gĂ€rtnerin oder Altenpflegerin â egal obBeamtin, Vertragsbedienstete oderPrivatangestellte â schon existenz-bedrohend werden.
Bei der angekĂŒndigten âNulllohnrun-deâ handelt es sich also nicht um einâBeamtenpaketâ, wie so gerne darge-stellt, sondern um eine LohnkĂŒrzungs-maĂnahme, die zunehmend alle Be-schĂ€ftigten der öffentlichen Dienste zutreffen droht, haben doch auch schonLĂ€nder und Gemeinden angekĂŒndigt,dem Nulllohnrunden-Beispiel desBundes folgen zu wollen. Sie habenschlieĂlich einen Konsolidierungsbei-trag von ausgabenseitigen rund 2,6Milliarden Euro zu erbringen. Ausge-dehnt auf Gemeinde- und Landesbe-dienstete ist der Kreis unmittelbar Be-troffener schon deutlich gröĂer als diegeschĂ€tzten 210.000 Personen. Undauch bei diesem erweiterten Kreisdroht es allerdings nicht zu bleiben.
BIS ZU 900.000 BETROFFENEDenn auch der âprivatâ organisierte,
in Wirklichkeit von der öffentlichenHand beauftragte und finanzierte Ge-sundheits- und Sozialbereich ist viel-fach mittel- bis unmittelbar an dieLohnentwicklungen der öffentlichenDienste gekoppelt. Einrichtungen derSozialwirtschaft beziehungsweise des(Elementar-)Bildungsbereiches, soweitsie nicht im Kollektivvertrag der âBe-rufsvereinigung von Arbeitgebern fĂŒrGesundheits- und Sozialberufeâ (BAGS-KV) organisiert sind, orientieren sich inihren betrieblichen Lohnschemata viel-fach an Gemeinde- oder Landesbe-diensteten. Nulllohnrunden wĂŒrden siedirekt treffen. Mittelbar aber wohlauch den BAGS-KV Bereich. Arbeitge-berseitig werden die Verhandlungser-gebnisse des öffentlichen Dienstes ger-ne als âLeitlinieâ fĂŒr die BAGS-KV-Ver-handlungen herangezogen â vor allemhinsichtlich der Höhe der LohnzuwĂ€ch-se. ArbeitnehmerInnenseitig ist in denletzten Jahren das Bestreben zu beob-achten, sich deutlicher von den Ergeb-nissen im öffentlichen Dienst abzuset-zen und höhere AbschlĂŒsse zu erzielen.Was auch verstĂ€ndlich ist, liegen dieEinkommen im frauendominiertenSozial- und Gesundheitsbereich dochdeutlich unter dem allgemeinen Me-dianeinkommen â nĂ€mlich um rund19 Prozent was natĂŒrlich auch der ho-hen Teilzeitquote geschuldet ist â undnoch deutlicher unter dem Medianein-kommen der Vertragsbediensteten undBeamten im öffentlichen Dienst.
Gleichzeitig ist allerdings zu beob-achten, dass sich die öffentliche Handdurch entsprechende LohnabschlĂŒsseim privaten Gesundheits- und Sozial-bereich nicht besonders beeindruckenlĂ€sst. Förderungen und Subventionenwerden unabhĂ€ngig von den Kollektiv-vertrags-Verhandlungsergebnissengleich belassen bzw. in Zeiten desSpardrucks sogar noch reduziert. Diegeplante Reform der Fördersysteme,die KĂŒrzung der Ermessensausgabenund die Sparvorgaben auf Landes-,Gemeindeebene sowie im Gesundheits-bereich, lassen jedenfalls harte Vertei-lungskĂ€mpfe im privat organisierten,aber öffentlich finanzierten Sozial- undGesundheitsbereich erwarten. Lohnrun-den, ohnehin nie besonders ĂŒppig imBereich der BAGS-KV-Betriebe, drohenâ wenn schon nicht mit âNullzuwachsââ bescheiden auszufallen. Summiertmensch nun die Zahl potentiell Betrof-fener von Nulllohnrunden im öffentli-chen Dienst, so kommt mensch âbasierend auf den Daten des Einkom-mensberichts â auf die stolze Zahl vonrund 900.000 BeschĂ€ftigten. Beinaheein Viertel der unselbstĂ€ndig BeschĂ€f-tigten in Ăsterreich. Damit kann eineNulllohnrunde mit der entsprechendenKaufkraftschwĂ€chung gerade in Kri-senzeiten tatsĂ€chlich ein ernsthafteswirtschaftspolitisches Problem werden,droht sich doch der private Konsumentsprechend deutlich abzuschwĂ€chen,was einen weiteren Anstieg von Ar-beitslosigkeit und damit Einkommens-verlust befĂŒrchten lĂ€sst.
Nulllohnrunden im öffentlichenDienst erzeugen damit Wirkungen weitĂŒber die öffentlichen Dienste hinaus.Und es darf bezweifelt werden, dassvorgegebene Sparziele bei steigenderArbeitslosigkeit, damit sinkenden Steu-ereinnahmen, bei steigenden Sozial-ausgaben und schrumpfender bis sta-gnierender Wirtschaftsleistung erreichtwerden können.
KLARES âNEINâ ZUNULLLOHNRUNDENDabei war es gerade der private Kon-
sum, dank vorjĂ€hrlicher guter Lohnab-schlĂŒsse, sowie der Sozialstaat mit sei-nen (öffentlichen) Einrichtungen undSicherungssystemen, der den Konjunk-tureinbruch 2008/2009 einigermaĂenabfederte und die wirtschaftliche Lage
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stabilisierte. Anhaltend relativ hohe Ar-beitslosigkeit sowie stagnierendes bisrĂŒcklĂ€ufiges Realeinkommen in öffent-lichen Diensten und öffentlich finan-zierten sozialen Diensten drohen dage-gen, die ohnehin schon negativen Wirt-schaftsprognosen noch zusĂ€tzlich zuverschlechtern.
Nulllohnrunden sind daher nicht nuraus grundsĂ€tzlichen ErwĂ€gungen abzu-lehnen, sondern auch aus gesamtwirt-schaftlichen. VerschĂ€rfend tritt hierzunoch das Faktum, dass mit drohendenNulllohnrunden bzw. âmoderatenâLohnrunden im öffentlichen bezie-hungsweise öffentlich finanzierten Be-reich vielfach ausgerechnet jene Be-rufsgruppen Realeinkommensverlustehinnehmen mĂŒssen, deren Arbeit im di-rekten Vergleich zu ihrer Entlohnungeneinen hohen âsozialen Mehrwertâ er-zeugt, wie die britische ânew economicsfoundationâ in einer Studie errechnethat â nĂ€mlich Gesundheits-, Sozial-und Bildungsberufe.
Die UnabhĂ€ngigen Gewerkschafter-Innen in der Wiener Arbeiterkammerbrachten daher zur letzten Vollver-sammlung einen Antrag ein, indemsich die AK klar gegen Nulllohnrundenauch im rot-grĂŒn regierten Wien undfĂŒr eine StĂ€rkung unterer und mittlererEinkommen aussprechen sollte. Mit ge-nau oben angefĂŒhrten Argumenten.Weil Nulllohnrunden eben weit ĂŒberdie unmittelbar betroffenen öffentli-chen Bediensteten Wirkung entfalten.WĂ€hrend ausgerechnet der ĂAAB zu-stimmte, konnte sich die FSG zu keinerUnterstĂŒtzung durchringen und wiesden Antrag vorerst einmal dem ent-sprechenden Unterausschuss zu. Wirwerden jedenfalls berichten, wie dieMehrheitsfraktion mit dem Antrag um-gehen wird âŠ
PS: Will mensch âSpitzenverdienerâtreffen (egal ob diese nun beamtetsind, privat angestellt oder selbstĂ€ndig)bietet sich vor allem eine höhere Steu-erprogression im Rahmen der Einkom-menssteuer an. Eine Nulllohnrunde istjedenfalls kein taugliches Mittel fĂŒrmehr Einkommensgerechtigkeit. Es wirdgenau das Gegenteil erreicht.
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Bank Austria: TOLLBei den Betriebsratswahlen gab es einen tollen Erfolg
fĂŒr die UnabhĂ€ngigen GewerkschafterInnen. Von Fritz Schiller.
Am 10. Mai fanden in der Bank Austria in Wien Betriebsratswahlen statt. Die
FSG-nahe Liste 1 Adi Lehner erreichte wieder, wie vor vier Jahren, 21 Mandate, die
FCG-nahe Liste 2 mit ihrem Spitzenkandidaten Robert Traunwieser verloren zwei
ihrer acht Mandate, wÀhrend die Liste 3: Buger-Haitzer-Hahn ein Mandat dazu-
gewann und nun bei drei Mandaten hÀlt.
Im Vergleich zur Betriebsratswahl 2008 waren dieses Jahr knapp 380 Personen
weniger wahlberechtigt. Die Wahlbeteiligung sank um mehr als drei Prozent-
punkte auf 65,5Prozent. Die Liste 1 Adi Lehner erhöhte zwar ihren Anteil auf von
66,8Prozent (2008) auf 68,4Prozent, verlor aber 250 Stimmen. Adi Lehner löste
Wolfgang Heinzl als Spitzenkandidat ab, Heinzl kandidierte auf Platz 5, bleibt aber
weiter Zentralbetriebsratsobmann der Bank Austria. Mit grosser Wahrscheinlich-
keit wird Adi Lehner Vorsitzender des Betriebsrates der Bank Austria in Wien
werden. Der eindeutige Verlierer dieser Wahl war die Liste 2 Traunwieser-Serdin-
sky, deren Stimmenanteil um knapp sechs Prozentpunkte auf 20,3Prozent fiel. Zu-
dem musste sie einen absoluten Stimmenverlust von 411 (knapp 30Prozent) hin-
nehmen und hÀlt nun bei 968 Stimmen.
Der relative wie absolute Gewinner dieser Wahl war die Liste Buger-Haitzer-
Hahn, die Liste, die von der AUGE/UG unterstĂŒtzt wird. Sie erhöhte ihre Stimmen-
anteil auf 11,3Prozent nach 7,1Prozent von vor vier Jahren, gewann 166 Stimmen
dazu und hÀlt nun bei 540 Stimmen (+45 Prozent).
Stefan Buger, Betriebsrat und Zentralbetriebsrat fĂŒhrte die Liste an, gefolgt von
Gerhard Haitzer, Betriebsrat. Neu gewÀhlt wurde Margit Hahn, stellvertretende Be-
triebsratsvorsitzende der UBIS, einer Tochterfirma der Bank Austria. In ihrem Be-
reich gelang es ihrer Liste die FCG-nahe Liste stimmenmĂ€Ăig zu ĂŒberholen.
Der einzige Wermutstropfen besteht darin, dass fĂŒr das vierte Mandat gerade
19 Stimmen fehlten. Stefan Buger ist aber zuversichtlich durch eine kontinuierli-
che und konsequente Arbeit fĂŒr die Bank Austria-KollegInnen bei der nĂ€chsten Be-
triebsratswahl in vier Jahren nicht nur ein viertes Mandat zu holen.
Aktionskonferenz
EURE SCHULDENUNSERE DEMOKRATIE
IN
SEITE 8 âą ALTERNATIVE 6/2012
Magazin
der EuropĂ€ischen Union wird ein Belas-tungspaket nach dem anderen ge-schnĂŒrt â schlieĂlich mĂŒssten dieSchulden zurĂŒckgezahlt werden. WirhĂ€tten ĂŒber unsere VerhĂ€ltnisse gelebt,ein Sozialstaat sei nicht mehr finanzier-bar. Doch wer hat die Schulden wirk-lich verursacht, wer hat ĂŒber wessenVerhĂ€ltnisse gelebt und in wessen Inte-resse ist eine KĂŒrzung des Sozialstaats?Diese und andere Fragen standen imMittelpunkt der Aktionskonferenz âEureSchulden â unsere Demokratieâ desBĂŒndnisses âWege aus der Kriseâ am11. Mai 2012. Dabei wurden viele inte-ressante Perspektiven auf die scheinba-re Schuldenkrise geöffnet und ĂŒber al-ternative und soziale Krisenlösungs-strategien diskutiert.
Christa Schlager von der Wiener Ar-beiterkammer eröffnete die Konferenzmit der Frage nach den VerursacherIn-nen der Schulden. Anhand der Abbil-dung âStaatsverschuldungâ ist erkenn-bar, dass die Staatsverschuldung infast allen LĂ€ndern seit der Krise starkangestiegen ist. Damit zeige sich, dassdie Staatsschulden kein Ergebnis einesplötzlich unfinanzierbaren Sozialstaa-tes, sondern direkte Folge der (vonBanken und FinanzmĂ€rkten) ausgelös-ten Wirtschafts- und Finanzkrise sind.
FĂŒr Schlager seien Vermögenssteuern(siehe Abbildung âVermögenssteuern2010â) zur Stabilisierung unumgĂ€ng-lich. Bekanntlich ist hier Ăsterreich ei-nes der Schlusslichter. Gleich-zeitig stiegen die Gewinne inden letzten Jahrzehnten um einVielfaches mehr als Löhne (sie-he Abbildung âLohnquote undGewinnquoteâ). Eine Besteue-rung der Vermögen hĂ€tte nichtnur eine Umverteilungsfunkti-on, sondern wĂ€re zentraler An-knĂŒpfungspunkt fĂŒr nachhalti-ges Wachstum, BekĂ€mpfungder Arbeitslosigkeit sowie Fi-nanzierung des Sozialstaates.
Lukas Oberndorfer, ebenfallsvon der Wiener Arbeiterkam-mer, setzte mit der Frage fort,ob die EU-Krisenpolitik eineAushöhlung der Demokratiestatt einem sozial-ökologischen Europader Vielen produziert. Mit dem Fiskal-pakt verpflichten sich die LĂ€nder, einegesetzlich verankerte SchuldenbremseeinzufĂŒhren und die Ăberwachung dernationalen Budgets in die HĂ€nde derEU-Kommission und des europĂ€ischenGerichtshofes zu legen. Eine reine Spar-politik, wie sie von neoliberalen Krei-sen in Europa vorangetrieben wird,mĂŒsse immer zu Lasten von Arbeitneh-merInnen gehen. Die Formulierung desKorrekturmechanismus im FiskalpaktsprĂ€che fĂŒr eingriffsintensive Instru-mente. Diese könnten âbis hin zur au-tomatischen Reduzierung von öffentli-chen Ausgaben, der entsprechendenErhöhung von indirekten Steuern oderzur Einrichtung eines bevorzugten Son-derkontos fĂŒr Zinsen und Kredit-Tilgun-gen nach griechischem Muster rei-chenâ. Der Text des Fiskalpakts bedeu-
te nichts anderes, als âMore of the sa-me! LohnzurĂŒckhaltung, Deregulie-rung, Privatisierung und AusteritĂ€tspo-litikâ, meinte Oberndorfer1. Gleichzeitig
wĂŒrde die vermeintliche Schuldenkriseimmer mehr zum Abbau von demokra-tischen Rechten genutzt. Dieses Themawar auch ein Schwerpunkt der Debatteim vertiefenden Arbeitskreis. In Krisen-zeiten bestĂŒnde die Gefahr, dass demo-kratische Rechte auĂer Kraft gesetztwerden. Wie die Beziehung zwischenMarkt und Demokratie von manchengesehen wird, zeigt folgendes Zitat vonAngela Merkel: âInsofern werden wirWege finden, die parlamentarischeMitbestimmung so zu gestalten, dasssie trotzdem auch marktkonform ist.â2
Ein Teilnehmer wandte ein, das Gegen-teil sollte der Fall sein: âwir brauchendemokratiekonforme MĂ€rkteâ.3 Denk-ansĂ€tze, dass sich MĂ€rkte selbst regelnund Mitbestimmung hier keinen PlatzhĂ€tte, sind auch eine Gefahr fĂŒr dieGewerkschaftsbewegung. Der französi-sche Gewerkschafter Patrick Saurin ist
Renate Vodnekist psychologin und gewerkschafts-aktivistin.
Quellen: EU-Kommission, 11/2011; eigene Berechnungen
davon ĂŒberzeugt, dass eine Antwortder sozialen Bewegungen wie NGOs,Gewerkschaften und Arbeitslosen not-wendig ist.
Markus Marterbauer (AK-Wien) undKarin KĂŒblböck (Attac) stellten Ăberle-gungen zu Alternativen zur Krisenver-schĂ€rfungspolitik an. FĂŒr Marterbauersteht fest: âIn eine Krise spart man sichleicht hinein, aus einer Krise kann mannur herauswachsenâ.3 Herauswachsendurch BeschĂ€ftigungsimpulse, Regulie-rung von Banken und Versicherungen
oder eine Umverteilung beispielsweisedurch Erhöhung von Vermögenssteuernund Ausbau des Sozialstaats. KarinKĂŒblböck ergĂ€nzte mit Strategien, umdie Macht der Rating Agenturen zubrechen. Die EuropĂ€ische Zentralbank(EZB) hĂ€tte mehr Aufgaben als einereine InflationsbekĂ€mpfung und Stabi-lisierung des privaten Finanzsektors.Spekulationen gegen Staaten dĂŒrftennicht mehr möglich sein â dafĂŒr wĂ€reneine Schrumpfung der FinanzmĂ€rkteund eine stĂ€rkere Rolle der EZB nötig.Auch KĂŒblböck ist ĂŒberzeugt: âKollekti-ves Sparen fĂŒhrt nicht aus der Kriseâ.3
Der Vertreter der IG Metall, Hans-JĂŒrgen Urban, und Patrick Saurin (CAC,Vorstandsmitglied des Komitees fĂŒrden Schuldenaudit in Frankreich) prĂ€-sentierten Widerstandsstrategien inanderen LĂ€ndern. Bei der KampagneâEuropa neu begrĂŒndenâ in Deutsch-
land wird derzeit gegen Merkels Auste-ritÀtspolitik mobilisiert. Mit mehr wirt-schaftlicher Vernunft und sozialer Ge-rechtigkeit soll der Weg Europas in denRuin gestoppt werden.
In Frankreich wurden im Rahmen derKampagne âDer Schuldenfalle entkom-men!â lokale SchuldenauditkomiteesgegrĂŒndet. Einer der GrĂŒnde fĂŒr dieKampagne ist die Verschuldung Tau-sender französischer Gemeinden durchFinanzspekulationen. Patrick SaurinĂŒber die Funktion der Audits: âDie Ent-
tarnung der LĂŒge, der Schuldnersei allein schuld an den Schul-den und Banken und Vermögen-den hĂ€tten keine VerantwortungdafĂŒrâ. Das Werkzeug BĂŒrgerau-dit ermöglicht es, den Teil derVerschuldung zu ermitteln, derungerechtfertigt ist und dahernicht bezahlt werden soll. âErstdas Verstehen der Ursachen derSchuldenkrise ermöglicht es, Al-ternativen zu deren Abbau zumachen. Wenn zum Beispiel einTeil der Schulden illegitim ist,dann ist es auch legitim, den Er-lass dieser Schulden einzufor-dernâ. Die BĂŒrgerInnen sollenbestimmen, wofĂŒr gezahlt wirdund wofĂŒr nicht.3
Bei den Aktionsworkshops amNachmittag wurden gemeinsamWiderstandsformen und Aktions-ansĂ€tze entwickelt. Einige Teil-nehmerInnen lieĂen die Konfe-renz bei der Protestaktion des
Personenkomitees âFĂŒr eine Volksab-stimmung ĂŒber den EU-Fiskalpaktâausklingen.4
Literatur:1 arbeiterkammer.at/bilder/d172/EU_Infobrief_Maerz_2012.pdf2 http://www.bundesregierung.de/Con-tent/DE/Mitschrift/Pressekonferen-zen/2011/09/2011-09-01-merkel-coel-ho.html, 17. Mai 20123 Aktionskonferenz 11. Mai 2012. Dokumentation unter wege-aus-der-krise.at/aktionen/aktionskonferenz/doku-mentation.html, Bericht unter proge.at/servlet/ContentSer-ver?pagename=P01/Page/Index&n=P01_0.a&cid=13347406290864 werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=629&Itemid=1,16. Mai 2012
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Nur mehr bis 15. Juni:
FĂŒr ein Volksbegehren
âSteuergerechtigkeitJetzt!â
a. Menschen entlasten b. GroĂe Vermögen besteuern c. Armut bekĂ€mpfen d. Kaufkraft stĂ€rken
Bis 15. Juni können auf allenösterreichischen Gemeinde- undBezirksĂ€mtern UnterstĂŒtzungs-erklĂ€rungen fĂŒr das Volksbegeh-ren abgegeben werden.
Jetzt hingehen und unterschreiben!
Info: steuergerechtigkeit-jetzt.at
Quellen: EU-Kommission; AMECO-DB; eigene Berechnungen
Quelle: OECD; 1) Daten fĂŒr 2009
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Magazin
ĂŒr Sozialminister RudolfHundstorfer wurde mit der Ein-
fĂŒhrung der Bedarfsorien-tierten Mindestsicherung âein
sozialpolitischer Meilenstein ge-setzt, der Armut gezielt bekÀmpft
und soziale Ausgrenzung verhindertâ1.Die von der Armutskonferenz durchge-fĂŒhrte Evaluierungsstudie zu denRechtsgrundlagen der BundeslĂ€nderzur Mindestsicherung kommt zu eineranderen EinschĂ€tzung.
UrsprĂŒnglich mit dem Ziel der Ver-einheitlichung der je nach Bundeslandunterschiedlichen Sozialhilfe einge-fĂŒhrt, ist von einer österreichweit ein-heitlichen Regelung nichts zu erken-nen. Die neuen Gesetze stĂŒnden in ih-rer UnĂŒbersichtlichkeit den alten Sozi-alhilfe-Gesetzen in nichts nach: âNachwie vor gilt: Was jemand in welcher Le-benssituation zusteht, wird nach wievor wesentlich vom Wohnort bestimmt.Das entbehrt sachlich jeder Rechtferti-gung. GehĂ€uft treten Probleme in denBundeslĂ€ndern Niederösterreich, KĂ€rn-ten, Burgenland und Steiermark auf.â2
MINDESTSICHERUNG HĂLTNICHT WAS SIE VERSPRICHTGleichzeitig stellt die Höhe der Min-
destsicherung vielfach ein Problem dar,sie reicht oft nicht einmal zur Existenz-sicherung. âDie Bedarfsorientierte Min-destsicherung ist weder ,bedarfsorien-tiertâ, noch ist sie eine âMindestsiche-rungâ, so der Sprecher der SalzburgerArmutskonferenz, Robert Buggler, beider PrĂ€sentation der Studie3. Eine derUrsachen ist, dass die Anrechnung derWohnkosten mit 193,32 Euro Ă€uĂerstniedrig bemessen ist. Wenn nicht ein-mal die tatsĂ€chlichen Wohnkosten ab-gedeckt werden, gibt es auch keineMöglichkeit, Notsituationen abzude-cken. ZusĂ€tzlich fallen, obwohl Mindest-sicherungs-BezieherInnen in die gesetz-liche Krankenversicherung einbezogensind, im Krankheitsfall oft Kosten durchbestehende Selbstbehalte an.
Weiterer Stolperstein auf dem Wegzur Mindestsicherung: Eigenes âVermö-genâ ĂŒber 3866,30 Euro muss vorherausgegeben werden. Egal ob Bauspar-vertrag, Lebensversicherung oder Spar-buch. Interessanterweise hat sich die-ser Punkt anscheinend noch nicht bis
StOLpIst die Mindestsicherung
ein âMeilenstein derArmutsbekĂ€mpfungâ oderdoch nur ein Stolpersteinin den sozialen Abstieg?
zum Sozialministerium herumgespro-chen: Bei einer Diskussionsveranstal-tung im ĂGB-Verlag zum Buch âErsteHilfe â Handbuch fĂŒr Arbeitsloseâspricht der Vertreter des Bundesminis-terium fĂŒr Arbeit, Soziales und Konsu-mentenschutz, SC Roland Sauer davon,dass es bei der Mindestsicherung keineHöchstgrenzen gĂ€be4.
SPRUNGBRETT INBESCHĂFTIGUNG?Ein Ziel der Mindestsicherung ist die
dauerhafte (Wieder)Eingliederung inden Arbeitsmarkt. FĂŒr Marion Kapferervon der Sozialberatungsstelle âDowas-Innsbruckâ ist das eine unzulĂ€ssige Ver-knĂŒpfung. Damit wĂŒrde impliziert, dassarme Menschen faul seien und zur Ver-haltensĂ€nderung eine besondere staat-liche Behandlung benötigen. ArmutwĂŒrde damit als Problem des einzelnenMenschen gesehen und die Politikkönnte sich aus der Verantwortungstehlen. Durch die Koppelung an dasZiel âBeschĂ€ftigungâ besteht die Ge-fahr, bei Verweigerung einer âzumutba-renâ Arbeit im Zuge von Sanktionenfast die gesamte Leistung fĂŒr den Le-bensunterhalt zu verlieren. MarionKapferer kritisiert diese Praxis: âKĂŒrzun-gen haben im letzten sozialen NetzĂŒberhaupt nichts verlorenâ.3
Unklar ist, wie viele Menschen vonMindestsicherung betroffen sind â ak-tuelle Zahlen gibt es laut Armutskonfe-renz keine, da die BundeslĂ€nder keineliefern. Klar ist nur, dass sich die Zahlder Betroffenen seit den 1990er-Jahrenverdoppelt hat. Mitverursacht durchâąprekĂ€re Jobs, âągesundheitliche Probleme, âąsteigende Wohnkosten oder âąfehlenden Arbeitslosengeldbezug.
Es handelt sich nicht mehr um einreines RandgruppenphÀnomen. Von
den (laut den letzten verfĂŒgbaren Zah-len) 173.000 Betroffenen beziehen diemeisten nur vorĂŒbergehend die Min-destsicherung. In Wien betrĂ€gt diedurchschnittliche Verweildauer siebenMonate, ein Viertel der Betroffenen be-zieht fĂŒr ein bis drei Monate Mindest-sicherung. Nur 13 Prozent leben aus-schlieĂlich von der Mindestsicherung âder Rest erhĂ€lt entweder Erwerbsein-kommen, Arbeitslosengeld oder Kinder-betreuungsgeld. Fast die HĂ€lfte derMindestsicherungs-BezieherInnen pen-delt zwischen schlechten Jobs und Min-destsicherung hin und her. Der Sloganvon der âIntegration in den Arbeits-marktâ ist also fehl am Platze: âEr-werbsarbeit wirkt mittlerweile teilweiseschon desintegrierendâ, so MartinSchenk, Sozialexperte der Diakonie3.
RISSE IM SOZIALSTAATEin weiterer Faktor, wieso das letzte
Netz der ArmutsbekĂ€mpfung nichtfunktioniert: âDie vorgelagerten Netzeaber, allen voran die Sozialversiche-rung, haben Risse bekommen. Risse,die immer breiter werden. Erwerbslose,working poor, AlleinerzieherInnen: Woder Sozialstaat mit den VerĂ€nderungenin Ăkonomie und Gesellschaft nichtSchritt hĂ€lt und keine oder nur mickri-ge Sozialleistungen bereit hĂ€lt, soll dieBedarfsorientierte Mindestsicherunggerade stehen.â3
Das zeigt sich auch an den aktuellenZahlen aus Ăsterreich. Auf der einenSeite steigt die Anzahl der Erwerbsar-beitssuchenden, auf der anderen Seitekommt jede Zehnte mit dem Einkom-men nicht aus. Bereits die HĂ€lfte derMenschen kann mit ihrem Einkommennur knapp den Lebensunterhalt abde-cken. Eine Million ĂsterreicherInnensind laut Definition armutsgefĂ€hrdet,
fĂŒr sie ist geringes Einkommen mit Ein-schrĂ€nkungen in zentralen Lebensbe-reichen verbunden. Die durchschnittli-chen BetrĂ€ge bei Arbeitslosengeld undNotstandshilfe liegen unterhalb der Ar-mutsgefĂ€hrdungsschwelle von derzeit1031 Euro pro Monat5. Ebenfalls nichtâarmutsfestâ ist der Bundesbeitrag fĂŒrdie Mindestsicherung in der Höhe von773 Euro. Das Fazit von Robert Bugg-ler: âEs gibt kein Recht auf ein LebenĂŒber der Armutsgrenze.â3
Damit sind unsere Kritikpunkte beider EinfĂŒhrung der BedarfsorientiertenMindestsicherung leider bestĂ€tigt wor-den. âSie stellt â und das ist ausgespro-chen zu bedauern â auch fĂŒr Arbeit-nehmerInnen nur bedingt eine Mög-lichkeit dar, sich aus miesen, schlechtentlohnten, prekĂ€ren ArbeitsverhĂ€ltnis-sen zu verabschieden, um so etwa denNiedriglohnsektor bzw. entsprechendschlecht entlohnte ArbeitsverhĂ€ltnisseunter âVerbesserungsdruckâ zu brin-gen.â, schĂ€tzte Markus Koza bereits imSeptember 2010 die Lage ein6.
Literatur: 1 esf.at/esf/2011/09/01/7489/;16. Mai 20122 armutskonferenz.at, 16. Mai 20123 Pressekonferenz Armutskonferenz,10. Mai 20124 Erste Hilfe fĂŒr Arbeitslose, BuchprĂ€senta-tion in der ĂGB Fachbuchhandlung,26. April 20125 EU-SILC 20106 http://diealternative.org/belvederegas-se/2010/09/mindestsicherung-und-pflichtarbeit-halt-wieder-einmal-typisch-ovp-i/. Siehe auch Alternativen 1/2 2012,7/8 2010)Studie: armutskonferenz.at/images/pk/matrix_bms-monitoring.pdfZusammenfassung: armutskonferenz.at/images/pk/zusammenfassung_bms-moni-toring.pdf
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ErsTEIn?Von Renate Vodnek.
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Panorama
Unter dem Motto âOccupy Patriarchyâ orientierte sich dieZeltstadt an der internationalen Occupy-Bewegung, die vonNew York aus mit spontanen Besetzungen auf sich aufmerk-sam gemacht hat. FĂŒr Petra Unger, Sprecherin der Plattformâ20000frauenâ, war das Ziel, âRaum im Zentrum fĂŒr die be-stehenden frauenpolitischen Forderungen zu nehmenâ.1
Zahlreiche frauenpolitische Initiativen folgten dem Aufrufder Veranstalterin Plattform 20000frauen und trugen ihrenProtest lautstark auf die StraĂe. âEs herrschte den ganzenTag ein reges Kommen und Gehen, aufgrund der Wetter-situation konnten leider einige Programmpunkte nichtstattfinden, aber wir sind es gewohnt, dass uns die Ver-hĂ€ltnisse wie kalter Wind entgegenwehenâ, so Petra
Unger1. Statt Autoverkehr gab es zwischen Oper undUniversitÀt spannende Diskussionen zu Themen wie
Bildung, Migration, soziale Umverteilung oder Se-xualitÀt. Das Programm war bunt und reichte
von Transparentsiebdrucken bei Wege ausder Krise, einem Frauenquiz des Ăsterrei-
chischen Frauenrings, der chill-out-Zo-ne beim MĂ€dchencafĂ© Flash ĂŒber
Guerilla Knitting mit den Stri-ckistinnen, BĂŒcher schmö-
kern beim BĂŒcher-stand des
Unbeirrt von Wind und Wetter wurde am Samstag,12. Mai, mit ĂŒber sechzig Zelten bei der
âZeltstadt der Frauenâ, die Wiener RingstraĂe besetzt.
OCCUPYPATRIARCHY
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ĂGB-Verlagsbis hin zu diversenStraĂenaktionen wie der Anti-Korruptions-Aktion.
Nicht fehlen durfte im Vorfeld Kri-tik aus MĂ€nnersicht: Der Landespartei-obmann der Wiener ĂVP, Manfred Juraczka,sah die âdrollige und sinnentleerte Veranstal-tungâ als einen gezielten âAnschlag auf die BĂŒr-ger und BĂŒrgerinnen dieser Stadt.â2 Kein VerstĂ€nd-nis fĂŒr solche Aussagen zeigten die Wiener Frauen-sprecherinnen der SPĂ und GrĂŒnen Nicole Berger-Krotsch und Martina Wurzer: âUns geht es darum, alleFrauen dabei zu unterstĂŒtzen ein selbstbestimmtes undunabhĂ€ngiges Leben fĂŒhren zu können.â3 Da bleibt nur zuhoffen, dass den Worten auch Taten folgen werden unddamit ein weiterer Schritt in Richtung Gleichberechtigunggelingt. Ulli Weish von der Plattform20000frauen betont:âWir wollen eine feministische nachhaltige Wirtschafts- undBildungswende, die in eine demokratische, menschenrechts-wĂŒrdige Gesellschaftskultur eingebunden ist, in der auch Mi-grantInnen Arbeits- und Aufenthaltsrechte erhalten, undnicht an den Rand gedrĂ€ngt, abgewertet und ausgebeutetwerden.â4 Vermutlich wird dafĂŒr ein langer Atem nötig sein.
Literatur:1 Stellungnahme der Plattform 20000frauen, http://zwan-
zigtausendfrauen.at/2012/05/stellungnahme-der-plattform-20000frauen/, 16. Mai2012
2 Presseaussendung ĂVP-Klub, 10. Mai 2012
3 Presseaussendung SPĂ-, GrĂŒner-Klub4 Presseaussendung 20000frauen,
7. Mai 2012
Fotos: Bettina frenzel, lu_wu via zwanzigtausendfrauen.at
M
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Panorama
anche BeraterInnen ⊠wurden von denMitgliedern einer Organisation in derVergangenheit als Abzocker erlebt. Siesaugten Wissen von Internen ab, wie-sen dieses dann in unverschĂ€mter Wei-se als ihr eigenes aus und spielten esgemeinsam mit trivialen eigenen Lö-sungen in einer komplexitĂ€tsreduziertenForm zurĂŒck, die der RealitĂ€t nicht ge-recht wurde.â Dieses Zitat aus âTrans-formationsmanagementâ von KarlPrammer beschreibt sehr gut einige derErfahrungen, welche die BĂŒchereienbislang mit externen Beratern gemachthaben. Am Ende mehr oder wenigeraufwĂ€ndiger Beratungsprozesse galtzumeist: âviel Wind um nichts, heiĂeLuft, völlig unergiebigâ.
âTRANSFORMATIONS-MANAGEMENTâDer Autor stellt dem oben genann-
ten Consulter-Verhalten den eigenenAnsatz gegenĂŒber, den er und seineMitarbeiterInnen der Firma Consulta injahrelanger BeratungstĂ€tigkeit entwi-ckelt hĂ€tten. Was als Transformations-management bezeichnet wird, soll einMittelding zwischen âOrganisationsent-wicklungâ (OE) und dem âChange Ma-nagementâ sein: Schneller als die OE,aber weniger Mitwirkung der Mitarbei-terInnen, langsamer als das ChangeManagement, aber nicht so brutal.Diese Firma Consulta wurde nun fĂŒrdie BĂŒchereien engagiert, denn, wiedie Leitung der BĂŒchereien mitteilt,â⊠planen wir mit UnterstĂŒtzung einerexternen Beratungsfirma einen Prozesszur zukunftstrĂ€chtigen StrategieprĂ€zi-sierung und Weiterentwicklung der Or-ganisation der BĂŒchereien.â Allerdingsgab es bislang kein erkennbares mittel-und schon gar nicht langfristiges BĂŒ-chereikonzept der Leitung. Wenn nun
eine nicht vorhandene âStrategieâ imVerlauf eines Beratungsprozesses âprĂ€-zisiertâ werden soll, dann klingt diesnach einer PrĂ€zisierung des Nichts.Ăber die ZukunftstrĂ€chtigkeit eines sol-chen Vorgangs kann gerĂ€tselt werden.
EIN HAUCH VON BULLSHITInzwischen wurde von MA 13 und
BĂŒchereienleitung ein vorbereitendesProjektteam gegrĂŒndet, welches zumZiel hat, âeinen breit abgesichertenRahmen fĂŒr ein zweckmĂ€Ăiges Entwick-lungsprojekt inhaltlich und organisato-risch abzuleitenâ. Dieser inhaltlich sinn-lose Satz steht neben etlichen anderen,welche in einer Sprache abgefasst sind,die den meisten Bediensteten fremdist. Beispielsweise sollen Interviews ge-macht werden, in welchen unter ande-rem gefragt wird: âWelche vorhandenenbzw. heute (noch) nicht existierendenStrukturen, Instrumente, Leistungensollten im Rahmen eines extern beglei-teten und hoch beteiligungsorientiertangelegten Weiterentwicklungsprozes-ses unbedingt beleuchtet und hinter-fragt werden?â Es ist erstaunlich, dasssich das Vorbereitungsteam von MA 13und BĂŒchereien gleich zu Beginn desOrganisationsentwicklungs-Prozessesdiesem Sprachgebrauch der Consulterunterwirft. Damit ist der Begriffsrah-men auch fĂŒr die Bediensteten vorge-geben, in dem sie ihre ReflexionenĂŒber den Arbeitsprozess formulierenkönnen bzw. an den ihre Aussagen an-gepasst werden.
Eine solche Vorgehensweise ist beiden Consultingfirmen bekanntlich dieRegel, kann aber als Merkmal dienen,wie weit die Consulter bereit sind, aufdie BedĂŒrfnisse der Bediensteten ein-zugehen â und es ist ein GrundbedĂŒrf-nis des Menschen, ĂŒber seine eigenen
Angelegenheiten in der selbst gewĂ€hl-ten Sprache zu reden und sich in denihm adĂ€quat erscheinenden Sprachfor-men auszudrĂŒcken. Nicht zuletzt des-halb, weil nur so die AuthentizitĂ€t ge-wahrt bleibt und damit die Chance be-steht, dass gemeinsam erarbeitete Pro-blemlösungen in einer Sprach- undDenkumwelt formuliert werden, dienicht als Fremdes daher kommen.
Allerdings wird das scheinbar Selbst-verstĂ€ndliche â VerstĂ€ndlichkeit undFreundlichkeit gegenĂŒber den Klientenâ von kaum einer Consultingfirma er-bracht. Was seinen Grund hat: âDiesesjargonhafte leere Gerede ist ,Schutznach auĂenâ, da es sich den gewöhnli-chen Sterblichen entzieht ⊠Damit ver-anlasst es die groĂe Mehrheit ⊠zu glau-ben, dass die Probleme ihre Verstehens-und erst recht ihre InterventionsfĂ€hig-keit bei weitem ĂŒbersteigen und daherder kleinen Zahl der Wissenden, den Ex-perten, ĂŒberlassen werden mĂŒssen, de-ren Diskurs und Praxis auf diese Weiselegitimiert werden.â (SĂ©bastian Guex imVorwort zu Alessandro Pelizzaris âDieĂkonomisierung des Politischenâ). Wirsehen, in der sprachlichen Abgehoben-heit unterscheidet sich die Firma Co-necta in keiner Weise von den bisherdie BĂŒchereien heimgesucht habendenUnternehmensberatungen.
GROSSE PHILOSOPHIEConecta verweist mit einigem Stolz
auf den philosophischen Hintergrundihres Beratungsmodells, âdas die heim-liche Vernunft und Ăkonomie des Ver-haltens von Individuen, Gruppen undOrganisationen verdeutlichtâ: âDietheoretische BegrĂŒndung ⊠ergibt sichaus neueren Entwicklungen der System-und Evolutionstheorie, den erkenntnis-theoretischen Konzepten des sogenann-
âZukunftstrĂ€chtige StrategieprĂ€zisierungâ bei den Wiener BĂŒchereien. Von Wolfgang Kauders.
EE XX TT EE RR NN EEHEIMSUCHUNG
ten ,Radikalen Konstruktivismusâ undder ,Kybernetik zweiter Ordnungâ.â
Als weitere Elemente ihrer theoreti-schen Basis werden Gruppendynamikund Psychoanalyse, sowie familienthe-rapeutische Methoden genannt. Da-raus leitet Conecta ein Beratungskon-zept ab, welches sie âRadikale Markt-wirtschaftâ nennt. Das âRadikaleâ wirdals Verweis auf die Verwandtschaftzum âRadikalen Konstruktivismusâbenannt. Dass es aber in der Begriffs-zusammensetzung ein Attribut derâMarktwirtschaftâ ist, scheint demsprachlichen FeingefĂŒhl der Autorenentgangen zu sein. Und tatsĂ€chlich for-muliert âRadikale Marktwirtschaftâkaum ein radikales neoliberalistischesMenschenbild, das mit solchen sprach-lichen und inhaltlichen BlĂŒten wie fol-gende aufwartet:âąâMenschliche Verhaltensweisen las-sen sich als Waren betrachten, die be-wertet und getauscht werden.â (âWerhandelt, der handeltâ).âąâDer Markt fĂŒr Verhalten ist einTauschmarkt.â (Anm.: Was ist ein Marktdenn sonst?).âąâJeder Mensch verhĂ€lt sich immer undĂŒberall ökonomisch rational.â (Anm.: Zudieser lĂ€ngst ad absurdum gefĂŒhrten
Kernthese der Marktfetischisten gibt esjede Menge kritischer Literatur, auch inden Wiener BĂŒchereien).âąDieser solcherart reduzierte MenschâfĂŒhrt Konten ĂŒber Geben und Nehmenaller Interaktionspartner in seiner priva-ten, nicht konvertiblen WĂ€hrungâ. âMen-schen können auch mit sich selbst Han-del treibenâ. Soweit der philosophischeBackground der Firma Conecta.
VERSCHWIEGENE ABSICHTEN Der Beratungsprozess fĂŒr die BĂŒche-
reien steht noch am Anfang. Derzeitsind Interviews mit den BĂŒchereibe-diensteten geplant, hernach soll daseigentliche Projekt beginnen. Bislangist nicht bekannt gegeben worden, wel-ches Ziel sich die Leitung oder der ei-gentliche Auftraggeber gestellt hat.Und wer ist der Auftraggeber? DieMA 13 oder das StadtratsbĂŒro? Wassind die Kosten und wie lange soll dasProjekt laufen?
Informationen, die fĂŒr die Beleg-schaft wichtiger sind als wenn der Pro-jektleiter seine âAllparteilichkeitâ be-teuert, die er, da vom Magistrat undnicht von den BibliothekarInnen beauf-tragt, nie seriös einnehmen kann. Des-
halb ist es fĂŒr alle Beteiligten wichtig,stets im Auge zu behalten, dass die Be-ratungsfirma einen Auftrag zur Umge-staltung der BĂŒchereien hat und ihreAufgabe darin besteht, eine möglichstgroĂe Anzahl von Bediensteten davonzu ĂŒberzeugen, dass diese Umgestal-tung in ihrem Interesse sei. Oder sie zu-mindest soweit zu neutralisieren, dasskein nennenswerter Widerstand gegendie MaĂnahmen entsteht.
Wolfgang Kauders ist Bibliothekar undPersonalvertreter in Ruhe. Weitere Artikelunter haftgrund.net.
Literatur:â Fritz B. Simon und Conecta: RadikaleMarktwirtschaft. Verhalten als Ware oderWer handelt, der handelt. 1992â Karl Prammer: TransformationsManage-ment. Theorie und Werkzeugset fĂŒr betrieb-liche VerĂ€nderungsprozesse. 2009â Conecta (Hrsg.): FĂŒhrung leben. Prakti-sche Beispiele â praktische Tipps â prakti-sche Theorie. 2010â Elisabeth Wallner: âDer Konstruktivismusim SelbstverstĂ€ndnis der Wiener Schule derSystemischen Organisationsberatung. EineFallstudie ĂŒber die Conectaâ â Harry G. Frankfurt: Bullshit. 2006, s.a.:http://de.wikipedia.org/wiki/On_Bullshit
SEITE 17 âą ALTERNATIVE 6/2012
1. Kein Wurmfortsatz des Magistrats
Im Unterschied zur Wienbibliothek und
zum Stadt- und Landesarchiv sind die
Wiener BĂŒchereien keine eigene Dienststelle
(Magistratsabteilung), sondern eine um zwei
hierarchische Etagen tiefer angesetzte, nach-
geordnete Dienststelle im Bereich Bildung
der MA 13.
Von der Koordinierungsfunktion, welche
sich die MA 13 selbst zuschreibt, gibt es
nichts, was die BĂŒchereien und sogar die ein-
zelnen Zweigstellen nicht rascher und effekti-
ver umsetzen könnten.
Demnach scheint es ein erster wesentlicher
Schritt zu sein, dass der hierarchische Status
der BĂŒchereien auch ihrem realen Wert fĂŒr
die Bildungspolitik der Stadt Wien entspricht:
BĂŒchereien raus aus der MA 13 und Installie-
rung einer eigenen Magistratsabteilung.
2. Gute Luft und ertrÀgliches Klima
Ein Thema bei der Organisationsent-
wicklung wird vermutlich eine Auswei-
tung der Ăffnungszeiten sein. Ehe ĂŒber-
haupt darĂŒber und ĂŒber die dazu not-
wendigen personellen und sachlichen
Ressourcen verhandelt wird, haben zu
allererst die RĂ€umlichkeiten der BĂŒche-
reien auf ein ertrÀgliches Raumklima
umgerĂŒstet zu werden. 30°C im Sommer
und stehende, ĂŒbel riechende Luft mĂŒs-
sen im Interesse der Gesundheit der
Bediensteten und fĂŒr einen angenehmen
Aufenthalt der BenutzerInnen der Ver-
gangenheit angehören.
Ganz ohne:
Beratungsaufwand: Erfolgversprechende MaĂnahmen
SEITE 18 âą ALTERNATIVE 6/2012
Panorama
Eine Stimme gegen den Fiskalpakt ist eine Stimme fĂŒr Europas Zukunft
âWer fĂŒr Europa ist, muss dem Fiskalpakt und der damit verbundenen ruinösen AusteritĂ€tspolitikeine klare Absage erteilen. Wenn in LĂ€ndern SĂŒdeuropas die Jugendarbeitslosigkeit
an der 50 Prozent Marke kratzt und angesichts rigider Sparvorgaben die systemati-sche Verelendung weiter Teile der Bevölkerung â und das nicht nur im SĂŒden â droht,
dann verkommt die europĂ€ische Einigung zur gefĂ€hrlicher Drohung. Dann verliert die inSonntagsreden immer wieder beschworene Vision eines geeinten, solidarischen und friedli-chen Kontinents angesichts der brutalen ökonomischen und sozialen Situation jegliche Un-terstĂŒtzung bei den europĂ€ischen BĂŒrgerInnen. Es braucht in Europa einen grundlegen-den ökonomischen, demokratischen und sozialen Kurswechsel,â fordert Markus Koza,BundessekretĂ€r der AUGE/UG anlĂ€sslich des Europatags am 9. Mai.
FĂŒr eine neue Finanzmarktarchitektur in Europa â Steueroasen austrocknen, riskanteFinanzmarktprodukte verbieten, Finanztransaktionssteuer endlich umsetzen
Mit der Wahl Hollandes zum neuen französischen PrĂ€sidenten bestĂŒnde nun zumindesteine berechtigte Hoffnung, dass der von der konservativen Achse Merkel-Sarkozy den eu-
ropĂ€ischen Staaten aufgezwungene Sparkurs aufgeweicht wĂŒrde: âMit aufweichen alleinewird es allerdings nicht getan sein. Es braucht eine grundlegend neue Finanzarchitektur mit ent-sprechend strikten Finanzmarktregulierungen in Europa â von einem Austrocknen der Steuer-oasen, einer Beendigung des Steuerwettlaufs nach unten, einem europaweiten Verbot riskan-ter SpekulationsgeschĂ€fte und Finanzmarktprodukte bis zu einer ohnehin lĂ€ngst ĂŒberfĂ€lligenFinanztransaktionssteuer. Der EuropĂ€ische Rettungsschirm muss endlich die Bankenlizenzerhalten, die EuropĂ€ische Zentralbank die Rolle als letzter Kreditgeber, um Staatspleiten zu
verhindern, bzw. um Staaten zu finanzieren, ĂŒbernehmen dĂŒrfen. Und es braucht, um dem âvon allen Regierungen ja stets beklagten â Druck der FinanzmĂ€rkte auszukommen, endlich Euro-Bonds,europĂ€ische Anleihen, um insbesondere auch den Druck von hochverschuldeten LĂ€ndern zu nehmen. DieFinanzierung öffentlicher Leistungen und Investitionen, von Bildung und Gesundheit bis hin zu sozialenSicherungssystemen, darf nicht weiter den Launen der FinanzmĂ€rkte und Finanzmarktinstitutionen ĂŒber-lassen bleiben,â so Koza weiter.
âDer derzeitige Kurs in Europa â vom Sixpack ĂŒber den Euro-Plus-Pakt bis hin zum Fiskalpakt â fĂŒhrtEuropa schnurstracks in ein autoritĂ€res Wirtschaftsregime, das keine Alternativen zum Abbau von Sozial-staatlichkeit, Lohndruck und Entrechtung von ArbeitnehmerInnen zulassen will und ĂŒber ein komplizier-tes Regelwerk inklusive automatisierter Sanktionsmechanismen nationalstaatliche, parlamentarischeEntscheidungsprozesse bzw. demokratisch gefĂ€llte BeschlĂŒsse aushebeln kann. Mit dieser autoritĂ€ren,gegen die sozialen und ökonomischen Interessen breiter Bevölkerungsschichten gerichteten Politik, drohtsich die starke soziale und ökonomische Kluft innerhalb Europas noch zu vertiefen, mit unabsehbarenFolgen auf die demokratische Verfasstheit unseres Kontinents,â warnt Alternativgewerkschafter Koza.
PRESSEAUSSENDUNG:
zumEUROPATAG
Das Europa der Eliten hat keine Zukunft â Europa braucht SolidaritĂ€t,sozialen Fortschritt und eine ökologisch vertrĂ€gliche Wachstums-
und BeschÀftigungsstrategie
Was Europa brauche, sei ein Investieren aus der, statt ein Hinein-Sparen in die Krise:âMehrere namhafte ĂkonomInnen, aber selbst Institutionen wie der WĂ€hrungsfonds und dievielfach geschmĂ€hten Ratingagenturen â die allerdings immer fĂŒr die Legitimation von Spar-
paketen herhalten mĂŒssen â warnen inzwischen vor einem Sparkurs. Nicht, weil sie alle-samt Freunde des Schuldenmachens wĂ€ren, sondern schlichtweg, weil es ein intelligente,ökologisch und sozial vertrĂ€gliche Wachstumsstrategie mit entsprechender Steigerung derBeschĂ€ftigung braucht, soll die Krise ĂŒberwunden, Budgets konsolidiert und Staats-schulden abgebaut werden.â
Der Sparkurs sei hinsichtlich seiner Zielvorgaben â Budgetkonsolidierung, Erhöhung der Wettbe-werbsfĂ€higkeit und Staatsschuldenabbau â bereits spektakulĂ€r und dramatisch gescheitert, wie dieökonomischen Kenndaten Griechenlands, Portugals und Spaniens belegen, so Koza: die Ăkonomiensind in eine tiefe Rezession geschlittert, die Staatsschuldenquote habe sich seit den drastischenSparpaketen weiter erhöht, Arbeitslosigkeit und Armut haben Rekordwerte erreicht.
âDass einige konservative ĂkonomInnen nach wie vor am Sparkurs der ,europĂ€ischen Folter-kammerâ festhalten wollen, spricht weniger fĂŒr die Richtigkeit dieses Kurses als fĂŒr die Krise der tra-ditionellen, neoliberal ausgerichteten mainstream-Ăkonomie, die uns nicht zuletzt das ideologischeUnterfutter fĂŒr eine Politik geliefert hat, die uns in diese Krise gefĂŒhrt hat. Wir brauchen nachhaltigwirkende, beschĂ€ftigungsintensive Investitionen und einen Aufbruch in ein Europa des sozialen undökologischen Fortschritts, um die wirtschaftliche, wie auch gesellschaftliche Krise zu ĂŒberwinden.Wir brauchen einen europĂ€ischen Einigungsprozess im Zeichen von Demokratie und sozialen Grund-rechten, nicht unter dem Diktat der FinanzmĂ€rkte, des Sparens und des Sozialstaatsabbaus. Nur einEuropa der SolidaritĂ€t, des sozialen Fortschritt und des Zusammenhalts hat Zukunft â denn dasEuropa der Eliten ist gescheitert und hat uns einen Scherbenhaufen hinterlassen. Höchste Zeit dassdieser weggerĂ€umt wird, um ein Europa auf stabilerem Fundament aufzubauen,â schlieĂt Koza.
Im Fokus:Sonntagsarbeit in WienBei einem internationalen Foto-workshop im Mai 2012 habenTeilnehmerInnen Orte aufgesucht,an denen auch sonntags gearbei-tet werden muss. Mit der Fotoaus-stellung rĂŒckt die âAllianz fĂŒr denfreien Sonntag in Ăsterreichâ dieMenschen in den Mittelpunkt, dieauch am Sonntag arbeiten mĂŒs-sen. Der Allianz gehören ĂŒberfĂŒnfzig Organisationen aus Zivil-gesellschaft, Kirchen und Gewerk-schaften an. Fotoworkshop undAusstellung wurden von der Alli-anz, der Katholischen Sozialaka-demie Ăsterreichs und vom Kardi-nal-König-Haus veranstaltet.Informationen: freiersonntag.at.
Essensausgabe im Caritas Rupert-Mayer-Haus fĂŒr Ă€ltere Obdachlose, Wien; Foto: Gerhard Elitzer
Bis 20. Juni 2012:Montag bis Freitag,8 bis 20 Uhr, Kardinal-König-Haus,1130 Wien, Freier Eintritt.
Am 17. April waren auf Einladung der Wiener GrĂŒnen und des Austrian Social Forums ungarische Oppositionelle zu Gast, um ĂŒber die politische Entwicklung in
Ungarn zu berichten. Und die geht seit dem FIDESZ-Wahlsieg auf direktem Wege nach RechtsauĂen. Ein Bericht von Thomas Zarka und Markus Koza.
G u l a s c h fa s c h i s m u s ?
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er Einladung waren GaborScheiring, Abgeordneter und
Parlamentssprecher der LMP imUngarischen Parlament, Aron Ta-
nos von der Jugendliga Solidaritas), Ve-ra Zalka (Hungarian Social Forum) undMatyas Benyik (Vorsitzender von âAttacHungaryâ) gefolgt.
Die einleitenden Worte von MonikaVana, GemeinderĂ€tin der Wiener GrĂŒ-nen und Hermann Dworczak wareninsbesondere bemerkenswert, da Moni-ka Vana eine grĂŒne EU-Initiative fĂŒrein Vertragsverletzungsverfahren ge-gen Ungarn nach Artikel 7 des Lissa-bonvertrages (VerstoĂ gegen EU-Richt-linien) ankĂŒndigte und HermannDworczak diese Veranstaltung als Auf-takt einer âaktiven Vernetzungâ der un-garischen Opposition mit progressivenGruppierungen in Europa bezeichnete.
Zum ersten Punkt, dem Vertragsver-letzungsverfahren, sei angemerkt, dasses ausgerechnet Ungarn war, das alserstes EU-Mitgliedsland am 17. Dezem-ber 2007 den Vertrag von Lissabon
parlamentarisch beschloss (325 Ja-Stimmen, 5 Nein, 14 Enthaltungen).Insofern ist es bemerkenswert, dasssich nach nun vier Jahren, nachdemman sich offenbar nicht mehr daranerinnern will, was denn da abgestimmtwurde, sich nun dieser Vertrag gegenUngarn zu wenden droht.
ZUR POLITISCHEN SITUATIONParlamentswahlen in Ungarn, April
2010: Die national-konservative FI-DESZ gewinnt mit ihren BĂŒndnispart-nern von der KDMP 68,12 Prozent derStimmen und damit 263 von 386Mandaten. Die bislang regierende sozi-aldemokratische MSZP muss schwereVerluste hinnehmen, erreicht 15,28 Pro-zent der Stimmen, 59 Sitze. Die rechts-extreme Jobbik liegt mit 12,18 Prozentund 47 Sitzen knapp dahinter. Auchwenn erstmals mit der LMP auch einerlinks-alternativen, grĂŒn-orientiertenPartei mit 7,44 Prozent und 16 Manda-ten in dieser Höhe ĂŒberraschend der
Parlamentseinzug gelingt: Ungarn istmassiv nach rechts gerĂŒckt, die demo-kratische, parlamentarische Oppositionweitgehend marginalisiert. Viktor Or-bans FIDESZ hat damit die notwendige2/3-Mehrheit, um alle VerfassungsĂ€nde-rungen durchzubringen. Und er wirddiese Mehrheit zu nutzen wissen. Or-bans Wahlsieg war nicht zuletzt einemrabiaten âAntisozialismusâ und der ka-tastrophalen sozialen und ökonomi-schen Lage als Folge der ökonomi-schen Transformation geschuldet (sie-he dazu den Beitrag von Gabor Schei-ring). Orban setzte auf die nationalisti-sche, âpatriotischeâ Karte, gegen dieâkosmopolitischenâ Sozialisten und ih-re, in der MSZP-Ăra groĂ gewordenenâOligarchenâ: Technokraten des Globa-lisierungsprozesses, Manager interna-tionaler, in Ungarn ansĂ€ssiger Konzer-ne, Gewinner der Privatisierung, Profi-teure des EU-Beitritts.
Von der FIDESZ wurde den MSZP-Premiers Medgyessy und Gyurcsany da-bei auch ihre Vergangenheit als kom-munistische FunktionÀre vorgeworfen:Medgyessy war stellvertretender Fi-nanzminister unter Kadar, GyurcsanySekretÀr der Jugendorganisation derKommunistischen Partei Ungarns. Inte-ressanterweise war allerdings auchausgerechnet Viktor Orban in seinerVergangenheit kommunistischer Spit-zenfunktionÀr, nÀmlich Vorsitzenderder kommunistischen Jugendorgani-sation KISZ.
Mit der absoluten MachtĂŒbernahmedurch FIDESZ war Orban nun auch inder realen politischen Lage, sein natio-nal-konservatives Projekt durchzuzie-hen. Mit einem neuen Mediengesetzwurde die Medienfreiheit empfindlich
Ungarische Oppositionelle zu Gast in Wien (v.l.n.r.): Julian Schmid (Ăbersetzung),Aron Tanos, Georg Prack (Moderation), Gabor Scheiring, Vera Zalka, Matyas Benyik.Foto: Gerhard Jordan
und nachhaltig beschnitten, Arbeitneh-merInnenrechte wurden de facto abge-schafft, Arbeitslose zu Zwangsarbeitverpflichtet, Gewerkschaften hinsicht-lich ihrer Handlungsmöglichkeiten ent-machtet und entrechtet, die UnabhÀn-gigkeit der Gerichte und der Justiz ein-geschrÀnkt.
âDasâ nationale Projekt schlechthinwar allerdings eine Verfassungsreform,ganz im Geiste des von FIDESZ be-schworenen und mythologisch ĂŒber-zeichneten und verklĂ€rten âUngarn-tumsâ: Der Passus âRepublikâ wurdeaus dem Grundgesetz gestrichen, Un-garn heiĂt somit nur noch âUngarnâund nicht mehr âRepublik Ungarnâ, da-zu passend die ungarische Krone indas Staatswappen eingefĂŒgt und zumâSymbol Ungarnsâ und damit zum zen-tralen historischen Bezugspunkt er-klĂ€rt. Die Verbindung von Mann undFrau gilt kĂŒnftig in Ungarn als einzigeâ in dieser Form ziemlich einzigartig âverfassungsmĂ€Ăig verankerte, zulĂ€ssigeForm der Ehe.
Trotz (oder gerade wegen?) des auto-ritĂ€ren und chauvinistischen Kurseskommt die Politik von FIDESZ dabei beibreiten Bevölkerungsschichten durch-aus gut an, punktet Orban doch mitder ânationalistischenâ Karte â undâpatriotischeâ Appelle an das âUngarn-tumâ gewĂŒrzt mit der entsprechendenDosis Rassismus, Antisemitismus undChauvinismus verfehlen ihr Ziel nicht.Das ânationale Traumaâ Trianon, alsUngarn nach dem ersten Weltkriegzwei Drittel seiner FlĂ€che und ein Drit-tel seiner Bevölkerung verlor, sitzt tief,der âOpfermythosâ bleibt weitgehendunhinterfragt und wird von den herr-schenden politischen Eliten entspre-chend gehegt und gepflegt.
Wer verspricht, âEhreâ und âStolzâ Un-garns wiederherstellen, kommt gut anund kann auf breite UnterstĂŒtzung zĂ€h-len. Kritik aus dem europĂ€ischen Aus-land an seiner Politik wird von Orbanals unzulĂ€ssige Einmischung abgetan,FIDESZ inszeniert sich als jene politi-sche Kraft, die Ungarn vor schĂ€dlichenEinflĂŒssen von auĂen schĂŒtzt. Das hatnatĂŒrlich Auswirkungen auf die ungari-sche Gesellschaft: Rassismus und Anti-semitismus sind inzwischen wieder sa-lonfĂ€hig geworden, Hetze gegen Romapolitischer und gesellschaftlicher All-tag. Gewerkschaften, linke Traditionenund linke PolitikzugĂ€nge sind bezie-
hungsweise haben sich auch selbst inder Vergangenheit diskreditiert, die âan-tisozialistischeâ Propaganda hat ihreWirkung nicht verfehlt. DemokratischeInstitutionen â wie eben eine Unab-hĂ€ngige Justiz bzw. unabhĂ€ngige Me-dien, BĂŒrgerInnen- und Freiheitsrechtehaben in einer Gesellschaft ohne demo-kratischen Hintergrund â nur wenig Un-terstĂŒtzung zu erwarten. So weit zumpolitischen Zustand im Allgemeinen.Nun zu den EinschĂ€tzungen der gelade-nen Oppositionellen im Speziellen.
GABOR SCHEIRING, LMP:âFINALER KOLLAPSâGabor Scheiring Abgeordneter der
LMP und Ăkonom zieht eine vernich-tende Bilanz ĂŒber den wirtschaftlichenTransformationsprozess von der realso-zialistischen Planwirtschaft zur Markt-wirtschaft: Der Transformationsprozesshabe schlichtweg in einer sozialen undökonomischen Katastrophe gemĂŒndet,so Scheiring. Er untermauert diese Be-hauptung auch mit den entsprechen-den volkswirtschaftlichen Kenndaten:âąDas Preisniveau in Ungarn liege zwi-
schen 80 und 110 Prozent des EU-Durchschnitts, die Löhne lĂ€gen aller-dings nur bei 22 Prozent der EU-Ein-kommen â mit sinkender Tendenz.
âąHinsichtlich der ProduktivitĂ€t liegeUngarn mit 75 Prozent des EU-Durchschnitts zwar gar nicht soschlecht, die ProduktivitĂ€t interna-tionaler Konzerne in Ungarn liegeallerdings um das drei- bis vierfacheĂŒber dem ungarischer Unterneh-mungen, was ungarische Betriebeim Vergleich zu ihren internationa-len Konkurrenten nur wenig wettbe-werbsfĂ€hig mache.
âąDas Bruttoinlandsprodukt belĂ€uftsich auf 65 Prozent des EU-Durch-schnitts, zwar sei die Wirtschaft ge-wachsen, allerdings habe es sich umâjobless growthâ â also Wachstum,das sich nicht in entsprechendemBeschĂ€ftigungswachstum niederge-schlagen habe â gehandelt.
âąDie Erwerbsquote in Ungarn ist mit61,9 Prozent (2010) katastrophalgering und liegt deutlich unter demEU-Schnitt (EU-15: 74,6 Prozent, EU-27: 73,3 Prozent). Noch desaströserals im Ungarnschnitt stellt sich dieSituation in Ostungarn dar, mit Er-werbsquoten knapp an 50 Prozent.
Der Beitritt zur EuropĂ€ischen Unionhabe sich angesichts des Produktivi-tĂ€tsrĂŒckstands der ungarischen Ăkono-mie fĂŒr die ungarische Bevölkerung alswirtschaftliches und soziales âDesas-terâ dargestellt. Vom Transformations-prozess profitiert hĂ€tten die (alten) Eli-ten, die neuen MSZP-nahen âOligar-chenâ, als Technokraten des Moderni-sierungs- und Globalisierungsprozessesund Manager internationaler in Un-garn ansĂ€ssiger Konzerne. Die âantiso-zialistischeâ Kampagne der FIDESZwurde entsprechend als Kampagne ge-gen die sozialistischen Oligarchen ge-fĂŒhrt, gegen die Bevorzugung âinterna-tionaler Investorenâ im Gegensatz zuungarischen Betrieben und ungari-schem Kapital.
Der von den Regierungen zuvor be-schrittene Weg der ökonomischenTransformation von der realsozialisti-schen Planwirtschaft zur global inte-grierten Marktwirtschaft wird zwarauch unter dem herrschenden FIDESZ-Regime konsequent weiterbeschrittenâ allerdings unter Bevorzugung der na-tionalen, FIDESZ-nahen âOligarchenâund Eliten, unter besonderer BerĂŒck-sichtigung der Interessen nationalerKapitalfraktionen.
Vor diesem Hintergrund sind sowohlMaĂnahmen im Bankenbereich (Ban-kensteuer, Zwangskonvertierung vonFremdwĂ€hrungskrediten), die vor alleminternational agierende BankhĂ€usertreffen, Sondersteuern fĂŒr auslĂ€ndischeKonzerne bzw. Produkte (z.B. die ominö-se âFettsteuerâ von der z.B. die ungari-sche Salami befreit ist) und die EinfĂŒh-rung der Flat-Tax zu sehen â als auchder massive Abbau von Arbeitnehmer-Innenrechte, sowie die Frontal-Attackenauf Arbeitslose, Gewerkschaften undNGOs in Ungarn: Arbeit muss im Inte-resse der WettbewerbsfĂ€higkeit, derProduktivitĂ€tsentwicklung ungarischerUnternehmen und maximaler Verwert-barkeit, so billig, entrechtet und flexibeleinsetzbar sein, wie möglich.
Die Folgen dieser Wirtschafts- undSozialpolitik sind allerdings katastro-phal, wovon steigende Arbeitslosigkeitund wachsende Armut zeugen. Je kata-strophaler die ökonomische Situation,desto stÀrker, als Ablenkung vom allge-meinen Elend, die nationale Mobilisie-rung, desto autoritÀrer der politische
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Kurs. Regelrecht befeuert wird dieserweitere Ruck nach Rechts durch die of-fen rechtsextreme, rassistische und an-tisemitische Agitation der Partei Jobbikunter Gabor Vona, GrĂŒnder der parami-litĂ€rischen, faschistischen, inzwischenverbotenen Ungarischen Garde. DieJobbik positioniert sich als âantielitĂ€reâOppositionspartei gegen FIDESZ, umgleichzeitig gegen die Ă€rmsten der Ge-sellschaft und die Arbeitslosen zu mo-bilisieren, so Scheiring.
Die LMP positioniere sich gegen FI-DESZ mit ihren Forderungen nach fai-ren Jobs, sowie nach einem grundle-gend neuen ökonomischen Modell, ori-entiert an einem beschĂ€ftigungswirk-samen, ökologisch und sozial vertrĂ€gli-chen Wachstum. Soziale und wirt-schaftliche Plattformen, welche ent-sprechende Entwicklungen befördernsollen, unterstĂŒtzen und anstoĂen. In-ternationale Investoren mĂŒssten in re-gionale Ăkonomien eingebettet sein.
Kritik kommt seitens der LMP aller-dings auch an den restriktiven EU-Vor-gaben: Der Fiskalpakt drohe die EU-Pe-ripherie â also die sĂŒdeuropĂ€ischenund MOEL-Mitgliedsstaaten â regel-recht zu ersticken und aller budgetĂ€renSpielrĂ€ume zu berauben. Was diese Re-gionen allerdings brĂ€uchten sei ein Re-gime, das wirtschaftliche wie sozialeEntwicklungen fördere â was der Fis-kalpakt allerdings verhindere.
MATYAS BENYIK: 4 MILLIONENUNGARN IN ARMUTDer Ăkonom und Attac-Ungarn Vor-
sitzende Benyik setzte Seirings Beitragfort: Der ökonomische Transformations-prozess habe zur Verelendung breiterBevölkerungsschichten gefĂŒhrt und ins-besondere die Roma-Minderheit beson-ders schwer getroffen. 7 bis 10 Prozentder ungarischen Bevölkerung gehörenden Roma an: 700.000 bis eine MillionMenschen. Roma waren die ersten, dievom Zusammenbruch des Sozialismusund der folgenden wirtschaftlichenTransformation in aller HĂ€rte getroffenwurden. Sesshaft im ökonomisch ohne-hin eher unterentwickelten Ostungarn,beschĂ€ftigt als ungelernte ArbeiterIn-nen in der Industrie, schnellte die Ar-beitslosenrate im Zuge von Privatisie-rungs- und RationalisierungsmaĂnah-men, der Spezialisierung und der da-raus resultierenden Nachfrage nach
gut qualifizierten FacharbeiterInnensowie der SchlieĂung von unrentablenFabriken, in die Höhe. Eine Reintegrati-on in den Arbeitsmarkt sei nicht mehrerfolgt â nicht zuletzt weil der gröĂteTeil der Roma an der besonders struk-turschwachen slowakischen und serbi-schen Grenze leben, wo sie â nicht zu-letzt als Folge verĂ€nderter Machtver-hĂ€ltnisse und der um sich greifendenökonomischen Krise â regelmĂ€Ăig An-griffsziele der faschistischen Ungari-schen Garde wurden bzw. sind.
Armut ist allerdings bei weitem keinauf Roma begrenztes PhĂ€nomen â wasnicht weiter verwundert, bei dem be-stehenden VerhĂ€ltnis zwischen Preisenund Löhnen. WĂ€hrend die RegierungOrban die Armutsrate in Ungarn mitelf Prozent, rund 1,2 Millionen Men-schen beziffert â was nicht ĂŒber demEU-Durchschnitt liegt â gehen soziolo-gische Untersuchungen in Ungarn vonwesentlich höheren Armutsquoten aus:sie sprechen von knapp vierzig ProzentArmen â rund 4 Millionen Menschen.Mit Antritt der FIDESZ-Regierung istdabei die ohnehin schon hohe Armuts-rate unter sozialdemokratischen Regie-rungen (33 Prozent) noch einmal deut-lich gestiegen. Besonders dramatischdabei ist die wachsende Armut bei Kin-dern und PensionistInnen.
VERA ZALKA:GESPALTENES LANDDie Donau-Theiss-Linie teilt das Land
â nicht nur geografisch, sondern auchökonomisch und sozial â in West- undOstungarn, so Zalka. Ostungarn ist da-bei der weit rĂŒckstĂ€ndigere Teil undwurde im Zuge der ökonomischenTransformation wirtschaftlich wie sozi-al noch weiter abgehĂ€ngt. Wirtschaftli-che RĂŒckstĂ€ndigkeit bedeutet Arbeits-losigkeit und Armut, insbesondere Kin-der- und Altersarmut, wobei die Dra-matik kaum vorstellbar ist. Hier gibt esDörfer mit bis zu hundert Prozent Ar-beitslosigkeit, so Zalka, regelrechteRuinensiedlungen.
Die Politik habe nun zu entscheiden,welchen Gruppen aus den immer knap-per werdenden Mitteln UnterstĂŒtzungzukommen sollte. Das fĂŒhrt zu un-glaublichen HĂ€rten. Inzwischen zurĂŒck-gekehrt: Hunger, so Vera Zalka, Unter-ernĂ€hrung von Kindern (kĂŒrzlich fandin Ungarn ein âHungermarschâ von
fĂŒnfzig Betroffen â begleitet von hun-derten SympathisantInnen â aus demNordosten Ungarns nach Budapeststatt. Die Forderung: âArbeit, Brotâ).
Heute ist der Osten Hochburg vonJobbik, deren rassistische und antise-mitische Agitation hier auf fruchtbarenBoden fĂ€llt, wĂ€hrend in Westungarndie Aversionen gegen das zunehmendverelende Ostungarn steigen. Die Spal-tung verlĂ€uft allerdings nicht nur zwi-schen Ost- und Westungarn â in Wirk-lichkeit ohnehin keine regionale, viel-mehr eine soziale und ökonomischeSpaltung, sondern auch unter denLohnabhĂ€ngigen: Die Zahl der Min-destlohnbezieherInnen hat seit derRegierungsĂŒbernahme durch FIDESZrasant zugenommen und entsprechendauch die Einkommensunterschiede.Die Generation der âBabyboomerâ der1950er-Jahre geht demnĂ€chst in Pensi-on, nur, es ist kein Geld da. Und soplant FIDESZ â wie auch in Rest-Europa diskutiert wird â einfach dasPensionsalter zu erhöhen, das Problemalso aufzuschieben und stattdessen Al-tersarbeitslosigkeit in Kauf zu nehmen.
Die soziale und ökonomische Kluft inUngarn ist bereits enorm, die Politikvon FIDESZ hat sie vergröĂert, droht sieweiter zu verschĂ€rfen und das politi-sche und gesellschaftliche Klima damitnoch mehr zu radikalisieren.
ARON TANOS: ZIVILGESELL-SCHAFTLICHER WIDERSTANDEs gibt allerdings auch Widerstand
gegen diese Entwicklungen â auchwenn die Zivilgesellschaft sich erst zuformieren beginnt und Orban mit sei-ner FIDESZ-Regierung, trotz weit ver-breiteter Unzufriedenheit, noch fest imSattel zu sitzen scheint. Aron Tanos (dt.âder VerdĂ€chtigeâ), Aktivist der Jugend-organisation âSolidaritasâ, die heute inUngarn bereits an die sechstausendAktivistInnen zĂ€hlt, berichtet davon,dass einmal mehr mit Facebook die Or-ganisation des Widerstandes begann.Ein nicht unwesentlicher Grund: Face-book-Mobilisierung kostet nichts, denndie Zivilgesellschaft in Ungarn ist nichtnur organisatorisch, sondern auch fi-nanziell schwach (Zitat von Tanos imVorfeld: âUnd wenn ich ,schwachâ sage,entspricht das nicht eurer Vorstellungvon ,schwachâ. Es ist viel schlimmer âŠââ was Tanos ĂŒbrigens auch ĂŒber die
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ungarischen Gewerkschaften sagt). AufFacebook entstand so die Gruppe âMil-laâ, â1.000.000 fĂŒr Demokratie in Un-garnâ, die unter anderem die Protestegegen das Mediengesetz organisierte.Aus âMillaâ entstand schlieĂlich am1. Oktober 2011 âSolidaritasâ. Mit EndeApril soll es an die Vernetzung der zar-ten, zivilgesellschaftlichen PflĂ€nzchen,der fortschrittlichen Oppositionspartei-en und der Gewerkschaften gehen âum an einem âdemokratischen RoundTableâ eine Allianz aller demokrati-schen KrĂ€fte zu bilden. âWir mĂŒssenagieren, wir haben keine Zeit ĂŒber Un-terschiede zu diskutieren,â so Tanosweiter. In einer zweiten Phase â mitden nĂ€her rĂŒckenden Wahlen â willâSolidaritasâ ExpertInnen zu Wort kom-men lassen, die alternative Wege ausder ungarischen Krise beschreiben sol-len. Durchaus möglich erscheint âwenn auch nicht unter Beteiligung vonâSolidaritasâ â die Herausbildung einerneuen demokratischen Partei alsglaubwĂŒrdige Wahlkonkurrenz zu FI-DESZ (wobei die ExpertInnenfixierungnicht zuletzt vor dem Hintergrund tech-nokratischer âExpertenregierungenâ insĂŒdeuropĂ€ischen LĂ€ndern, unproble-matisch erscheint, Anm.).
JOBBIK: BEI JUGEND POPULĂR,RABIAT ANTISEMITISCHDie gröĂte Gefahr geht dabei â weil
sie massiv unter Jugendlichen wirbtund ihre paramilitĂ€rischen Vorfeldorga-nisationen starken jugendlichen Zulaufhaben â von Jobbik aus. Die ungari-sche Jugend droht an die extremeRechte verloren zu gehen, warnt Tanos,die demokratischen KrĂ€fte mĂŒsstensich dringend was einfallen lassen.
Auch Tanos spricht den â geradeauch im Zuge der Wirtschaftskrise unddes von FIDESZ promoteten neu er-wachten ungarischen Nationalismus âdramatisch ansteigenden Antisemitis-mus an. Die SĂŒndenbocksuche, wer fĂŒrdie tiefe ökonomische und gesell-schaftliche Krise in Ungarn verantwort-lich zeichne, hat lĂ€ngst begonnen. Dieextreme Rechte hat die âSchuldigenâauch schon gefunden â es ist âdas Aus-landâ, die Linken, die Roma, die Ar-beitslosen und natĂŒrlich die Juden.Jobbik kann dabei auf eine traurige,antisemitische Traditionen in Ungarnaufbauen (zur Erinnerung: wĂ€hrend der
Horthyzeit wurden1922 die ersten an-tisemitischen Rassengesetze Europasbeschlossen), der Kampf gegen die Lin-ke, gegen den âSozialismusâ wurdeauch mit antisemitischen Parolen ge-fĂŒhrt. Mit dem ideologischen Hinter-grund, linkes, fortschrittliches, liberalesGedankengut als âun-ungarischâ, alsnicht dem âungarischen Geisteâ ent-sprechend, âvon auĂen den Ungarnaufgezwungenâ zu diffamieren. DerJobbik-Vorsitzende kann ungestraftden Holocaust leugnen, auch im Parla-ment wird hemmungs- und weitgehendkonsequenzlos antisemitisch agitiert.Antisemitismus gewinnt bedrohlich anâNormalitĂ€tâ.
Ein Lichtblick: Am 15. April 2012 de-monstrierten ĂŒber zehntausend Un-garn mit dem âMarsch des Lebensâ ge-gen Faschismus und Antisemitismusund gedachten der Opfer des Holo-caust. Kardinal Erdö nannte dabei ineinem Beitrag Antisemitismus als âun-vereinbar mit dem Christentumâ.
Der radikale Abschied vom sozialisti-schen Erbe â bis zur konsequentenLeugnung dieses Teils ungarischer Ge-schichte â macht sich nicht nur in derVerfassung bemerkbar, sondern auchin der Bildungspolitik. War zu sozialisti-schen Zeiten das Bildungssystem gratisund sozial einigermaĂen durchlĂ€ssig,ist heute ein Studium kaum mehr leist-bar. Tanos nennt Zahlen: So gibt esheute 72.000 StudentInnen wenigerals noch vor einigen Jahren. Mit Aktio-nismus versucht etwa das Bildungs-netzwerk âHaHaâ auf den Bildungsnot-stand hinzuweisen. Die Folgen, die einderart repressives und ausgrenzendesBildungssystem fĂŒr die wirtschaftlicheund gesellschaftliche Entwicklung mitsich bringt, sind jedenfalls absehbar.
AUSBLICKHinsichtlich der nÀheren ungarischen
Zukunft ĂŒberwiegt Pessimismus â aller-dings mit einer geringen Portion Hoff-nung. âDie derzeitige Entwicklung istnur schwer aufzuhalten, weil so gutwie kein demokratisches Bewusstseinherrscht,â fĂŒrchtet etwa Scheiring. Un-garn brauche einen Demokratisie-rungsprozess, der sei allerdings lang-wierig, eine demokratische Oppositionist erst im Entstehen, die Linke undfortschrittliche Ideen weitgehend des-avouiert. Die âtotale Desillusionierungâ
breiter Bevölkerungsschichten und derFall in eine tiefe Depression mit politi-scher InaktivitĂ€t tue ihr ĂŒbriges dazu.
Auch strukturell sei ein kurzfristigerWandel schwierig: Das einmal mehrgeĂ€nderte, komplizierte Wahlrecht er-möglicht schon 2/3-Mehrheiten bei ei-nem Stimmenanteil von 45 Prozent. Ei-ne neue, glaubwĂŒrdige OppositionmĂŒsse ĂŒberhaupt erst regionale Orga-nisationsstrukturen schaffen, um in ei-ner Wahlauseinandersetzung gegendie etablierte GroĂpartei der Rechten âFIDESZ â zu bestehen.
TatsĂ€chlich erwarten sich die Opposi-tionellen Ungarns einiges vom begin-nenden zivilgesellschaftlichen Auf-bruch. Und was sich letztlich schwerabschĂ€tzen lĂ€sst: Werden die Desillu-sionierten und Frustrierten an dernĂ€chsten Wahl teilnehmen oder ein-fach zu Hause bleiben? Werden siemangels glaubwĂŒrdiger Alternativeselbst noch einmal FIDESZ die Stimmegeben? Gelingt es FIDESZ ihre treueAnhĂ€ngerInnenschaft, deren Anzahlnicht zu unterschĂ€tzen ist, noch einmalmit der entsprechenden Dosis Patriotis-mus zu mobilisieren?
Eine gewisse Hoffnung setzen dieOppositionellen auf die EU. Da ist ein-mal das angestrebte Art. 7-Verfahren.Und ein EU-Mitgliedsland Ungarn ste-he unter permanenter Beobachtungund könne sich nicht alles leisten (wo-bei die aktuellen politischen und öko-nomischen Entwicklungen innerhalbder EU auch im Zeichen der Entdemo-kratisierung und einer autoritÀren Wirt-schaftspolitik stehen, Anm.).
Was den ungarischen Oppositionel-len jedenfalls ein zentrales Anliegenist: Die Vernetzung und Kooperationmit demokratischen Gruppierungen,Parteien und zivilgesellschaftlichen Ini-tiativen in den anderen EU-Staaten.Wir nehmen dieses Anliegen gerne auf.
Eine umfangreiche Linksammlung zuUngarn im Blog âdiealternative.org/belve-deregasseâ im Anhang an diesen Artikel.
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euer wĂ€re der WiderstandskĂ€mpferund Auschwitz-Ăberlebende Prof. Her-
mann Langbein (1912â1995) hundertJahre alt geworden. Am 16. April wĂŒrdigtedie Arbeiterkammer-Oberösterreich den
Streiter fĂŒr Demokratie und Menschenrechte miteinem Festakt, an dem dreihundert SchĂŒlerInnen undLehrerInnen teilnahmen.
Prof. Hermann Langbein ist als Chronist und Erfor-scher der Mordfabrik Auschwitz bekannt. Zu seinenBĂŒchern gehören das Standardwerk âMenschen inAuschwitzâ und die autobiographische Dokumentati-on âDie StĂ€rkerenâ. Anfang der 1960er Jahre hatte ergroĂen Anteil am Zustandekommen der FrankfurterAuschwitz-Prozesse. Er trug wesentlich zur AufklĂ€-rung ĂŒber die NS-Verbrechen bei und initiierte dieZeitzeugenaktion, bei der Verfolgte des Hitler-Re-gimes in den Schulen berichteten.
In ihrer Festrede im Kongresssaal der AK-Linz sagteBundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek, HermannLangbeins Botschaft sei hochaktuell. Jeder und jedeEinzelne trage Mitverantwortung fĂŒr die BekĂ€mpfungvon Rassismus und Rechtsextremismus. Dies gelte esbesonders der Jugend nahezubringen.
âWir können das unrĂŒhmliche Kapitel des Faschismusnicht abschlieĂen, weil seine Ideologie noch immer ei-ne Gefahr darstellt. Deshalb fördern wir die demokra-tiepolitische Bildung an Schulenâ, betonte Arbeiter-kammer-PrĂ€sident Dr. Johann Kalliauer.
Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka nannte Hermann Lang-bein einen unbeugsamen Moralisten und ein Vorbild,das in seiner HumanitÀt und Bescheidenheit nichtleicht zu erreichen sei.
Kurt Langbein erinnerte sich in sehr persönlichenWorten an seinen Vater: âEr hat nicht mit starrenRegeln erzogen, sondern mit Vertrauen und Zuver-sicht begleitet.â
Die oberösterreichische Arbeiterkammer erinnerte mit einem Festakt an den politischen AufklÀrer
Prof. HERMANN LANGBEIN
Am Ende des Festaktes, der von der Gruppe Kohelet 3musikalisch umrahmt wurde, ĂŒberreichten Bundes-ministerin Heinisch-Hosek und AK-PrĂ€sident Kalliau-er an fĂŒnf Schulklassen das Buch âMan muss darĂŒberreden â SchĂŒler fragen KZ-HĂ€ftlingeâ.
AnschlieĂend begann das Hermann-Langbein-Sym-posium, das bis 20. April LehrerInnen und SchĂŒler-Innen hochwertige Referate und Diskussionen zuzeitgeschichtlichen Themen und ihren aktuellenBezĂŒgen bot.
Abends wurde, ebenfalls im Kongresssaal der AK-Linz, die neue Hermann-Langbein-Biographie âZeitle-bens konsequentâ von der Autorin Dr.in Brigitte Halb-mayr und Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka prĂ€sentiert.