Ulrich Roth
Aspekte des Wasser SparensHauptziele der Agenda 21 und Situation im Rhein-Main-Raum
Kurzvortrag bei der Veranstaltung"Vom Sinn und Unsinn des Wasser Sparens – nachhaltiger Umgang mit Wasser"des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschungund der Goethe-Universität Frankfurt am Mainam 24. Juni 2015 in Frankfurt am Main
Quellenhinweise:Arbeitsgemeinschaft Wasserversorgung Rhein-Main (WRM, Hrsg.):Situationsanalyse zur Wasserversorgung in der Rhein-Main-Region(10/2013).Hessenwasser GmbH & Co. KG in Zusammenarbeit mitDr.-Ing. Ulrich Roth: Regionaler Wasserbedarfsnachweis– 5. Fortschreibung – Datenbestand 2013 (11/2014).
Wasser in der Agenda 21
„Oberstes Ziel ist die gesicherte Bereitstellung vonWasser in angemessener Menge und guter Qualitätfür die gesamte Weltbevölkerung bei gleichzeitigerAufrechterhaltung der hydrologischen, biologischenund chemischen Funktionen der Ökosysteme,Anpassung der Aktivitäten des Menschen an dieBelastungsgrenzen der Natur und Bekämpfungder Vektoren wasserinduzierter Krankheiten“.
(Zitat aus der Einführung zu Kap. 18 der Agenda 21)
Hauptziele:• Einführung einer gesicherten Wasserversorgung für alle Menschen• Bekämpfung von Krankheiten wie Cholera, Typhus, Ruhr etc.• Naturverträgliche Nutzung der Ressource Wasser
Dabei wird in der Agenda 21 unterschieden in• erneuerbare Ressourcen wie Holz und Wasser,• nicht erneuerbare Ressourcen wie Erdöl, Erdgas, Kohle und Erze.
Wasser in den UN Millennium Development Goals
UN Millennium Development Goals
Goal 7: Ensure environmental sustainability• Target 9: Integrate the principles of sustainable development into country policies and
programmes and reverse the loss of environmetal resources• Progress Indicator 25: Proportion of land area covered by forest• Progress Indicator 26: Ratio of area protected to maintain biological diversity
to surface area• Progress Indicator 27: Energy use (kg oil equivalent) per $ 1 GDP• Progress Indicator 28: Carbon dioxide emissions per capita and consumption
of ozone-depleting CFCs• Progress Indicator 29: Proportion of population using solid fuels
• Target 10: Half, by 2015, the proportion of people without sustainable access tosafe drinking water and basic sanitation• Progress Indicator 30: Proportion of population with sustainable access to
an improved water source, urban and rural• Progress Indicator 31: Proportion of population with access to
improved sanitation, urban and rural• Target 11: Have achieved by 2020 a significant improvement in the lives of
at least 100 million slum dwellers.• Progress Indicator 32: Proportion of households with access to secure tenure
�
Wasserkreislauf
Quelle: Hölting: Hydrogeologie. Enke, 1992
� Die Gesamtmenge des Wassers ist begrenzt.
� Wasser ist eine erneuerbare Ressource.
� Wasser wird nicht verbraucht, sondern genutzt.
� Der Begriff "Wasser Sparen" ist streng genommen falsch.
� Es geht um den Schutz der Wasservorkommenund eine nachhaltige Nutzung des Wassers.
Struktur der Wassernutzung in Deutschland
Öffentliche Wasserversorgung5.372 Mio. m³
15,0 %
Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden2.303 Mio. m³
6,4 %
Verarbeitendes Gewerbe5.412 Mio. m³
15,1 %
Wärmekraftwerke für die öffentliche Versorgung22.470 Mio. m³
62,7 %
Landwirtschaft273 Mio. m³
0,8 %
2004insgesamt 35,8 Mrd. m³
Wassergewinnung ausGrundwasser, Quellwasser und Uferfiltrat: 0,2 %Oberflächenwasser: 99,8 %
Wassergewinnung ausGrund- und Quellwasser: 74 %Oberflächenwasser* und Uferfiltrat: 26 %
Wassergewinnung ausGrund- und Quellwasser: 16 %Oberflächenwasser und Uferfiltrat: 84 %
Wassergewinnung ausGrund- und Quellwasser: 51 %Oberflächenwasser und Uferfiltrat: 49 %
*überwiegend Seen, Talsperren und angereichertes Grundwasser
Weltweit:Landwirtschaft 75 % der Wassernutzung
Struktur des Trinkwasserverbrauchs in Deutschland
2010:Gesamtverbrauch: 5.091 Mio. m³Pro-Kopf-Verbrauch: 171 l/E•d
Eigenbedarfund Verluste
12 %
Industrie, Gewerbe,Sonstige Abnehmer
18 %
Quelle:Statistisches Jahrbuch 2012(Statistisches Bundesamt, Wiesbaden)
Quelle:DVGW-Arbeitsblatt W 410 (2008)
Haushalte undKleingewerbe
70 %
Haushalte und Kleingewerbe
Essen und Trinken: 4 %Raumreinigung, Autopflege,Gartenbewässerung: 6 %
Geschirr Spülen: 6 %
Wäsche Waschen: 12 %
Baden, Duschen,Körperpflege: 36 %
Toilettenspülung: 27 %
Kleingewerbe: 9 %
120 l / (E•d)
Trinkwasserverbrauch im Reg.-Bez. Darmstadt, 1977 – 2013
0
50
100
150
200
250
300
1977 1979 1981 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013
Haushalte und Kleingewerbe Industrie und Großgewerbe Eigenbedarf und Verluste
Millionen Kubikmeter pro Jahr
277 283276 280280 278 281273 275277275 276274 279 279
267258 253
248243241
236237 233 233234242
234231 228223 221219 219221 220221
Anlass für Datenerhebung ab 1977: Extremes Trockenjahr 1976
3.000.000
3.200.000
3.400.000
3.600.000
3.800.000
4.000.000
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 20100
50
100
150
200
250
Einwohnerzahl
Gesamtverbrauch mit Verlusten
Wasserabgabe an Verbraucher (ohne Verluste)
Haushalte und Kleingewerbe
Pro-Kopf-Verbrauch in Liter pro Einwohner und Tag
223
201
164
212
129146
165
195
158Haushalte und Kleingewerbe
Industrie und Großgewerbe
Eigenbedarf und Verluste
Einwohnerzahl
Bevölkerung und Pro-Kopf-Verbrauch im Reg.-Bez. Darmstadt, 1977 – 2013
Bevölkerungsentwicklung im Regierungsbezirk Darmstadt1977 bis 2013 und Prognosen bis 2030
3.500.000
3.550.000
3.600.000
3.650.000
3.700.000
3.750.000
3.800.000
3.850.000
3.900.000
1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030
Statistisches LandesamtHessen AgenturBertelsmann StiftungBundesinstitut für Bau-, Stadt- und RaumforschungRegionalplan SüdhessenÜbernahme: Oberer WertMittelwertÜbernahme: Unterer WertBestandsdaten 1977 - 2011 (HSL/RP DA)Zensus 2011 (Bestand am 9.5.2011)Bestandsdaten 2011 - 2013 (HSL)
Einwohnerzahl
+0,5%
-1,5%
+1,8%
3.835.592
3.792.941
3.822.479
3.741.170
Die zugrunde gelegte Bandbreite von -1,5 bis +1,8%gegenüber 2013 ist eine Projektion der von den Prognosengegenüber dem Bestand 2009 abgedeckten Bandbreite(vgl. Anhang 1 - Bevölkerungsprognosen).
Nov. 2014
Wasserspareffekt durch moderne Toilettenspülungen
0
10
20
30
40
50
60
1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050
Liter pro Einwohner und Tag
ÄnderungDIN-Norm
Markteinführung6-Liter-Spülkästen
Gesamteffekt:ca. - 20 bis 27 l/E•dca. 1985/2000 bis ca. 2035 ... 2050
Eintreten der Spareffektebei linearem Verlauf über 50 Jahre
Eintreten der Spareffektebei linearem Verlauf über 30 Jahre
ca. 45 l/E•d
Markteinführung2-Mengen-Spülkästen
Ende des Spareffektesdurch 6-Liter-Spülkästen
Ende des Spareffektesdurch 6-Liter-Spülkästen
Mittelfristiger voraussichtlicher Wertnach DVGW W 410 (2008)
34 32
Endwert: ca. 18 bis 25 l/E•dBestand 2006 nach BDEW-Statistik
Wasserspareffekt durch moderne Haushaltsgeräte: Waschmaschinen
0
20
40
60
80
100
120
140
160
1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015
Liter pro Waschgang
Mittlerer Wasserverbrauchvon Waschmaschinendes angegebenen Baujahrs
Ölkrise
Mittlerer Wasserverbrauchaller Geräte in den Haushalten(12,5 Jahre Standzeit)
Spülmaschinen: ähnlich
Wasser Sparen (???) durch Duschen statt Baden
0
50
100
150
200
250
300
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
Dauer des Duschens in Minuten
Wasserverbrauch in Litern für ein Wannen- oder Dusc hbad
Wannenbad, 250 Liter
Wannenbad, 200 Liter
Wannenbad, 150 Liter
Wannenbad, 100 Liter
Dusche, 6 l/min
Dusche, 18 l/min
Dusche, 15 l/min
Dusche, 12 l/min
Dusche, 9 l/min
Trinkwasserverbrauch der Industrie in Südhessen, 1977 bis 2013
46 4746 45 44 44
4240 41 41 41 41
4041
4038
3533 32 32
3028 29
2826
25
2826 27 27
23 23 23 24 24 24 24
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
1977
1979
1981
1983
1985
1987
1989
1991
1993
1995
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
2011
2013
Millionen Kubikmeter pro JahrAuslösender Faktor: Abwasserabgabengesetz 1976
Ursachen für die Wasserspareffekte in Deutschland
ab 1858: Einführung von Wasserzählern: verbrauchsgerechte Abrechnung
ab 1976: Abwasserabgabengesetz (in Kraft seit 1978):Wasser sparende Technik in der Industrie
ab ca. 1978: Wasser sparende Haushaltsgeräte (nach der Ölkrise 1973/74)
ab 1984/85: Reduzierung der Spülmenge in Toiletten von 9 auf 6 Liter
ab ca. 1990: Wassersparkampagnen, z.T. gefördert aus Entnahmeentgelten(Hessen: Grundwasserabgabe)
ab 1990: Neue Bundesländer (ehemalige DDR):- Einführung verbrauchsgerechter Abrechnung- Einführung westlicher Standards in den Haushalten- Zusammenbruch der planwirtschaftlich organisierten Industrie- Sanierung der Rohrnetze - Reduzierung der Verluste
ab ca. 1990: Hessen:- Abzug der U.S. Army (u.a. Frankfurt, Darmstadt, Hanau, Friedberg)
ab 1993: Pflicht zum Einbau von Wohnungswasserzählern in Neubauten
ab ca. 2000: Toiletten mit 2-Mengen-Technik
Trinkwasserverbrauch im Regierungsbezirk Darmstadt 1977 bis 2013Wasserbedarfsprognose bis 2030
0
50
100
150
200
250
300
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030
Gesamtverbrauch mit Verlusten
Wasserabgabe an Verbraucher
Haushalte und Kleingewerbe
Prognose: Obere Variante
Prognose: Mittlerer Trend
Prognose: Untere Variante
Millionen Kubikmeter pro Jahr
218,6
199,4
237,2221
Nov. 2014
Gefährdung der Wassergewinnung in Frankfurt am Main:Beispiel Stadtwald vs. Flughafen und andere Verkehrswege
WW Hinkelstein
WW Schwanheim
WW Goldstein
WW Oberforsthaus
Gefährdung im Bestand• Flughafen• Autobahnen und Straßen• Bahnlinien• etc.
bis 2005
Grafik: Dr. Meike Beier (Hessenwasser)
Aktuelle Planungen
ÖffentlicheWasserversorgung
� „Wozu Wasserwerke? – Bei uns kommt das Wasser aus de m Hahn!“
Zwänge aus der Wasserqualität• Bestehende Wasserverschmutzungen• Gefährdung durch Flächennutzung• Notwendigkeit der Aufbereitung• Akute Gefährdung von Anlagen
Zwänge aus der Flächennutzung• Einschränkungen durch Bauleitplanung• Bau- und Gewerbegebiete• Großprojekte
(Flughafen, Bahnlinien, Straßen)• Landwirtschaft• Vorranggebiete (Wald, Wind, Forst etc.)
Ökonomische Zwänge• Allgemeine Forderung nach „Wirtschaftlichkeit“• Niedrige Wasserpreise („Geiz ist geil“)• Niedrige Wasserpreise (Politik)• Niedrige Wasserpreise (Kartellverfahren)
Ökologische Zwänge• Einhaltung von Grundwasserständen• Naturschutz, Waldwirtschaft etc.• Biotopschutz, Artenschutz etc.• Zuordnung von „Schäden“• Zuordnung von Kosten
(Gutachten, Vorsorge, Schäden)
Politische / ideologische Zwänge• Wasser Sparen• Niedrige Wasserpreise• Vorrang von Naturschutz und Forst• Vorrang von Großprojekten• „Alternative“ Ver- und Entsorgungskonzepte
Trinkwasserversorgung im Spannungsfeld verschiedener Vorgaben
KommunaleDaseinsvorsorge
Fazit
Höchste Priorität hat der Ressourcenschutz für die Trinkwassergewinnungund dessen Verankerung in der Regional- und Flächennutzungsplanung.
Unabdingbar notwendig ist ein auf Nachhaltigkeit abgestellter Betrieb,Instandhaltung und Ausbau der vorhandenen Infrastruktur.
Sinnvoll und notwendig ist eine rationelle Wassernutzung:Wasser Sparen ist in Deutschland quasi selbstverständlich.
Weder notwendig noch sinnvoll ist Wasser Sparen als "Ersatz-Religion".
Wir brauchen auch keine ideologisch begründeten "Alternativ"-Konzepteals Ersatz für funktionierende kommunale Ver- und Entsorgungssysteme.
Kernproblem der Wasserversorgung ist nicht Wasserknappheit,sondern Wassergefährdung und Wasserverschmutzung.
Dies ist vor allem eine Folge der intensiven Flächennutzung.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!