Stahringen Info Ausgabe Januar 2020
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Wenn es bei uns Winter wird und sich der Nebel zäh über dem Bodensee hält, beginnt in
südlicheren Breiten die Segelflugsaison. Einer dieser Hotspots ist Bitterwasser in Namibia.
Robin und ich durften im vergangenen November diese besondere Form des Strecken-Se-
gelflugs kennenlernen.
Doch von vorne: Von Wolf-Dietrich Bornholdt stammte die Idee, den Segelflugnachwuchs
unseres Vereins für den Streckenflug zu motivieren. Sein Angebot: 2 Wochen Segelfliegen
in Bitterwasser mit ihm als Co in seinem Arcus. Zur Vorbereitung sollten wir an einem
Streckenfluglager teilnehmen. Zudem war die Eigenstartberechtigung und das proficiency
Level 4 notwendig, um den Arcus in Namibia als PIC fliegen zu können.
Am 12. November war es dann endlich soweit. Von Frankfurt fliegt man ca. 12 Stunden
nach Windhoek. Am Flughafen angekommen, zeigte uns eine Garde von Bodencrew-Mit-
arbeitern den Weg zum Terminal. Die überfüllte Zollkontrolle ignorierten wir gekonnt. Mit
dem Taxi waren es dann noch ca. 2 Stunden Fahrt auf einer weitestgehend unbefestigten
Straße. Doch die Fahrzeuge sind gut gefedert, so dass man auch mit Tempo 100 noch re-
lativ schnell ans Ziel kommt. Nur die Klimaanlage verabschiedete sich auf halber Strecke.
Auf dem Weg nach Bitterwasser sahen wir die ersten Tiere, Farmen und Dust-Devils in
der Landschaft. Uns wurde schnell klar, das Land ist riesig und nur sehr, sehr dünn besie-
delt.
Bitterwasser befindet sich südöstlich der namibischen Hauptstadt inmitten der Kalahari
und zeichnet sich durch eine gigantische Salzpfanne aus, die als ideale Piste fungiert, da
man in jede Richtung und damit immer gegen den Wind starten und landen kann. Der
Name „Bitterwasser“ leitet sich übrigens aus der Beschaffenheit des Bodens ab. Die Salz-
Segelfliegen im Paradies
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pfanne enthält Magnesiumsulfat, auch als Bittersalz bekannt. Dadurch schmeckt das Re-
genwasser, das sich in der Pfanne sammelt bitter. Am Flugplatz angekommen, wird man
in der grünen Oase mit einem Willkommens-Drink begrüßt. Wir waren sehr beeindruckt
von der luxuriösen Anlage und vor allem von der Palmenallee, die direkt zur Pfanne führt.
Ein wirklich einmaliger Ausblick.
Den ersten Flugtag nutzten wir als Co, um uns mit dem Start- und Landeverfahren auf der
Pfanne, sowie mit dem umliegenden Gelände vertraut zu machen. Die Landschaft ist über-
sät mit Sträuchern und Büschen, die das Landen unmöglich machen. Markant sind die Dü-
nen, die eine Nord-Süd Ausrichtung aufweisen und die Orientierung in dem sehr homoge-
nen Gelände vereinfachen. Als Landemöglichkeiten befinden sich dazwischen Salzpfan-
nen, Flugplätze und Straßen. Das Gelände steigt Richtung Westen an und wird bergiger.
Dahinter befindet sich die Namib-Wüste, die man bei der beeindruckenden Fernsicht
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schon von weitem sehen kann. Unsere Flüge konzentrierten sich aber hauptsächlich auf-
grund der Wetterlage in Richtung Osten. Beim morgendlichen Briefing erfahren wir, wie
die ideale Wetterlage für „1000er“ und Konvergenzen aussehen müsste: Ein Tief über dem
Kontinent sowie ein Hoch östlich davon, sorgen im Idealfall dafür, dass die Luftmassen
über Namibia aufeinandertreffen und so hervorragende Reihungen verursachen. Leider
blieb uns diese „Hammer-Wetterlage“ aber verwehrt.
Der Tag startet mit dem Abziehen der Flächenbezüge. Dann Frühstück und Briefing. Die
Jogging-Runde um die Pfanne haben wir uns erspart :)
Das Rausziehen auf die Pfanne ist dank der sehr hilfreichen Bodencrew aka „die Jungs“
entspannt. Auch müssen die Segelflieger für den Start nicht, wie bei uns üblich, hinterei-
nander aufgestellt werden. Aufgrund der Größe der Pfanne können sämtliche Flugzeuge,
und ich spreche hier von 20m+ Spannweiten, nebeneinander starten. So können wir
stressfrei unsere Checks machen. Gefunkt wird auf Englisch, was sich übrigens auch
ohne BZF I sehr professionell anhören kann: „Bravo Whiskey ready for take-off in 2 Minu-
tes, runway 09“. Über der Pfanne kreisen dann die Langohren (eta, EB28) in der ersten
Blauthermik. Ein Arcus sieht neben diesen Gleitgeräten aus, wie eine 15m-Klasse.
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Das Fliegen im Blauen funktioniert zu meiner Überraschung meistens relativ gut. So kann
man beispielsweise Wasserlöcher, Pfannen oder Farmen ansteuern, da hier sehr zuver-
lässig Ablösungen zu finden sind. Schwierig gestaltete es sich nur die durch den starken
Wind versetzte Thermik sauber zu zentrieren. Zu tief kommen durfte man nie. So musste
man bereits in 1000m AGL nach Landemöglichkeiten Ausschau halten, da diese nicht in
der heimatlichen Dichte verfügbar sind. Scherzhaft sagen wir noch, in Deutschland fliegen
wir in 1000m erst vor, aber es konnte dann doch sehr schnell recht knapp werden. Beein-
druckend war für mich, dass man auch in der Blauthermik (wenn auch nicht sonderlich
schnell) schon früh größere Strecken zurücklegen konnte. Das war aber auch nötig, denn
sofern Wolken vorhergesagt waren, befanden sich diese weit im Nordosten. Wir mussten
teilweise 250km im Blauen fliegen, bis wir die ersten Wolken erreichten. Bei der guten
Fernsicht sehen diese näher aus, als sie tatsächlich sind. So hatte man zumindest immer
eine Karotte vor den Augen und je näher man kam, desto größer war die Vorfreude.
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Und die Mühe wurde belohnt. Der Einstieg in die Wolkenreihungen verlief immer problem-
los. Von hier an hieß es Vollgas. Der Schnitt muss besser werden, um noch ordentlich Ki-
lometer zu sammeln. Da die Cumulus-Wolken sehr groß sind, war das ansteuern des
Barts nicht immer trivial. Zur Sonnenseite? Oder doch mitten unters Schwarze? Und in
welche Richtung einkreisen? Da die Optik dann meistens in alle Himmelsrichtungen fan-
tastisch war, konnte man auch längere Zeit damit verbringen, über die optimale Flugroute
zu diskutieren. Die Flugstrecken führten teilweise weit aus der Gliding-Box hinaus. Hier
war die Flughöhe auf FL145 limitiert. Bei starken Bärten musste man also schon sehr auf-
passen, die Höhe einzuhalten, was bei 5-6 Meter Bärten doch etwas schmerzlich war.
Spannend war auch immer die Frage, wie lange man noch den ersten Schenkel verlän-
gert, bis man umdrehen sollte, um auch noch nach 350 km Entfernung nach Hause zu
kommen.
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Zu Beginn waren wir noch vor allem die Gleitleistung unserer Club-Klassen gewohnt. Da-
her wurden von Hinten häufiger die Wölbklappen kommentarlos negativ gewölbt oder der
Stick nach vorne gedrückt, ganz nach dem Motto: Think positive, fly negative. Auch muss-
ten wir uns beherrschen nicht bei jedem 5 m/s Ausschlag einzukreisen, da dies meist
keine zentrierbaren Aufwinde waren. Gegen Nachmittag stieg dann die Basis deutlich an,
auf bis zu 5300m! Mit 4000m AGL kann man dann auch seine Strecke noch deutlich ver-
längern. Auch hier galt das Motto: Oben bleiben. Es ist schon sehr beeindruckend, wenn
man um 17 Uhr in FL140 noch einen Bart findet, der dann bis FL160 trägt. Flaschenhals
war so fast immer der Sonnenuntergang. Denn schon 15 Minuten nach Sunset ist es sehr
dunkel in Namibia. Beim Endanflug durfte man sich also nicht in der Zeit verschätzen.
Ein langer Flug wurde so aber auch mit einer einmaligen Aussicht belohnt. Ein Endanflug
bei Sunset ist schon ein tolles Erlebnis. An der Pfanne angekommen, musste dann auf er-
höhtes Verkehrsaufkommen geachtet werden. „Bravo Whiskey downwind 27, gear down
and locked“. Die Landung war nicht immer einfach. Bei tiefstehender Sonne ist es schwer
die Abfanghöhe über der konturlosen Pfanne abzuschätzen.
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Kaum ausgestiegen, wurde man dann sofort von „den Jungs“ begrüßt, die zügig den Flie-
ger für den Rücktransport vorbereiteten. Ein weiteres Highlight war das Landebier und das
nass-kühle Handtuch, das nach der Landung überreicht wurde. Ein Service an den ich
mich auch bei uns am Platz gewöhnen könnte :)
Putzen musste man den Flieger höchstens, um den Staub zu entfernen. Mücken gibt es
hier praktisch keine. Flieger abdecken und Flug hochladen. Dann geselliges Abendessen
mit den Fliegerkameraden, wo gegenseitig vom Flugtag berichtet wurde. Das 3-Gänge-
Menü ließ übrigens keine Wünsche offen. Ein Tag im Paradies für einen Segelflieger.
Robin und ich flogen abwechselnd als PIC, während Wolf uns als Co-Pilot und Coach von
hinten unterstütze, um uns bei der Routenwahl zu beraten oder um uns auch aus niedri-
gen Flughöhen auszugraben.
Auch die Pausentage am Boden wurden sinnvoll genutzt. So gab es mittags Lunch und
nachmittags Kaffee und Kuchen. Natürlich unter der Motivation die Flächenbelastung noch
etwas zu steigern. Die Pool-Anlage diente dann der Entspannung und Erfrischung. Ein
weiteres Highlight war der Game Drive durch die zugehörige Ranch von Bitterwasser. Hier
konnten wir Springböcke, Zebras, Oryx und Giraffen beobachten. Abgerundet wurde die
Safari durch einen Sun-Downer auf einer Düne mit Picknick.
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Einmal sind wir auch nachts raus auf die Pfanne gelaufen, um ohne störende Lichtver-
schmutzung den Sternenhimmel zu bewundern. Nachts musste man nur aufpassen, nicht
auf irgendwelche Schlangen oder Skorpione zu treten. Daher war eine Taschenlampe im-
mer Pflicht.
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Nach 2 erfolgreichen Flugwochen können wir jetzt je ca. 40 zusätzliche Flugstunden in un-
serem Flugbuch eintragen. Nicht schlecht für November. Auch kilometertechnisch können
wir zufrieden sein. Die kleinsten Strecken kratzen die 500 km-Marke. Gegen Ende unseres
Aufenthalts wurde das Wetter auch immer besser, sodass Robin dann einen Flug über
750km machen konnte. Ich hatte am letzten Tag auch noch mal Bombenwetter, bei dem
wir die 900km-Marke überschreiten konnten.
Wir hatten in Bitterwasser einen unglaublich schönen Segelflugurlaub mit vielen tollen Er-
lebnissen. Wir haben hier sehr viel lernen können und streckenflugtechnisch konnten wir
unseren Horizont buchstäblich erweitern. Gleichzeitig haben wir Bekanntschaft mit großen
Namen der Segelflugszene machen können. Die Gespräche waren immer sehr interessant
und unterhaltsam. Die Stimmung hier unter Segelfliegern ist sehr familiär, so dass wir uns
schnell wie zu Hause gefühlt haben.
Wir brennen jetzt darauf das Gelernte auch hier in Deutschland anzuwenden. Und für uns
ist klar, wir kommen wieder, denn die 1000km müssen geknackt werden!
Vielen lieben Dank an Wolf und Birgitta, die dieses unvergessliche Erlebnis möglich ge-
macht haben.
Robin und Niklas