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MODELLE DER MENGENLEHRE

STEFAN GESCHKE

1. Axiome der Mengenlehre

Das zur Zeit popularste Axiomensystem der Mengenlehre ist das Zermelo-Fraen-kelsche (ZF) zusammen mit dem Auswahlaxiom (AC, ZF+AC=ZFC). Die Sprache,in dem dieses Axiomensystem formuliert ist, ist die Sprache der erststufigen Logikmit den zweistelligen Relationssymbolen āˆˆ und =. Im wesentlichen lasst sich diegesamte Mathematik in dieser Sprache formulieren. Die Existenz der ublicherweisebetrachteten Strukuren (die naturlichen Zahlen, die reellen Zahlen, der vollstandigeGraph mit sieben Ecken, die Stone-Czech-Kompaktifizierung von N, der Dualraumvon Lāˆž([0, 1])) und ihre bekannten Eigenschaften lassen sich in ZFC zeigen.

Die Axiome lauten wie folgt (wir verwenden hemmungslos offensichtliche Abkur-zungen):

(1) Nullmengenaxiom.āˆƒx(x = āˆ…)

(2) Extensionalitatsaxiom.

āˆ€xāˆ€y(āˆ€z(z āˆˆ xā†” z āˆˆ y) ā†’ x = y)

(3) Fundierungsaxiom.

āˆ€x(x 6= āˆ… ā†’ āˆƒy āˆˆ xāˆ€z āˆˆ x(z 6āˆˆ y))(4) Aussonderungsaxiom (eigentlich ein Axiomenschema). Fur jede Formel

Ļ†(x, y1, . . . , yn), in der y nicht frei vorkommt, ist

āˆ€y1 . . .āˆ€ynāˆ€zāˆƒyāˆ€x(x āˆˆ y ā†” x āˆˆ z āˆ§ Ļ†(x, y1, . . . , yn))

ein Axiom.(5) Paarmengenaxiom.

āˆ€xāˆ€yāˆƒz(x āˆˆ z āˆ§ y āˆˆ z)(6) Vereinigungsaxiom.

āˆ€FāˆƒAāˆ€Y āˆˆ F (Y āŠ† A)

(7) Ersetzungsaxiom (wieder ein Axiomenschema). Fur jede FormelĻ†(x, y, y1, . . . , yn), in der Y nicht frei vorkommt, ist

āˆ€y1 . . .āˆ€ynāˆ€A(āˆ€x āˆˆ Aāˆƒ!yĻ†(x, y, y1, . . . , yn)

ā†’ āˆƒY āˆ€x āˆˆ Aāˆƒy āˆˆ Y Ļ†(x, y, y1, . . . , yn))

ein Axiom.(8) Unendlichkeitsaxiom.

āˆƒx(āˆ… āˆˆ x āˆ§ āˆ€y āˆˆ x(y āˆŖ {y} āˆˆ x))(9) Potenzmengenaxiom.

āˆ€xāˆƒyāˆ€z(z āŠ† xā†’ z āˆˆ y)(10) Auswahlaxiom.

āˆ€xāˆƒR(R ist Wohlordung auf x)

1

2 STEFAN GESCHKE

2. Der Unvollstandigkeitssatz

Oft formuliert man die Godelschen Unvollstandigkeitssatze fur Theorien, die uberdie naturlichen Zahlen reden. Da sich die naturlichen Zahlen in der Mengenlehredefinieren lassen (als die Menge Ļ‰ der Ordinalzahlen Ī±, so dass kein Ī² ā‰¤ Ī± eineLimesordinalzahl ist) und man in ZFC beweisen kann, dass zum Beispiel die Peano-Axiome in Ļ‰ gelten, treffen die Unvollstandigkeitssatze auch auf ZFC zu:

Satz 2.1. Sei T eine Theorie, die ZFC umfasst und rekursiv axiomatisierbar ist.a) Wenn T widerspruchsfrei ist, so gibt es eine Aussage Ļ† in der Sprache von

T , so dass weder Ļ† noch Ā¬Ļ† aus ZFC folgen.b) Falls T widerspruchsfrei ist, so ist die Aussage Con(T) in T weder beweisbar

noch widerlegbar.

Insbesondere trifft dieser Satz fur T =ZFC zu.Teil b) des Satzes zeigt, dass wir, wenn wir die gesamte Mathematik innerhalb

von ZFC aufbauen wollen, nicht zeigen konnen, dass ZFC widerspruchsfrei ist, essei denn, ZFC ist widerspruchsvoll. Wir werden in folgenden immer annehmen,das ZFC widerspruchsfrei ist. Es gibt auch keinen Grund zu glauben, dass dieseAnnahme falsch ist.

Ein Beispiel fur eine Aussage Ļ† wie in Teil a) des Satzes ist die Kontinuums-Hypothese CH, also die Aussage

Ļ† = ā€2ā„µ0 = ā„µ1ā€œ.

Wie werden spater zeigen, dass CH in ZFC weder beweisbar noch widerlegbar ist.Teil b) des Satzes liefert ebenfalls eine Aussage Ļ† wie in Teil a), aber Con(ZFC)

ist von etwas technischerem Charakter als CH.In der Mengenlehre kann man etwas leichter eine Intuition fur die Aussage

Con(T ) fur eine rekursiv axiomatisierbare Theorie T gewinnen als in der Zahlen-theorie, innerhalb der man die Unvollstandigkeitssatze ublicherweise formuliert. Inder Mengenlehre kann man formulieren, was ein Modell einer Theorie ist. Da derVollstandigkeitssatz, wie alle allgemein akzeptierten Satze der Mathematik, in ZFCbewiesen werden kann, bedeutet Con(T ) in jedem Modell M von ZFC einfach, dassdie Theorie (ein Objekt in M), die man erhalt, wenn man die rekursive Definitionvon T in M anwendet, in M ein Modell hat.

Da sich Con(ZFC) in ZFC nicht beweisen lasst, gibt es auch ein Modell vonZFC, in dem es kein Modell von ZFC gibt. Man beachte, dass das letzte ZFCim vorigen Satz verschieden vom vorletzten ZFC ist. Das vorletzte ZFC meint die(metamathematische) Theorie, die wir auf ein Blatt Papier schreiben konnten, wennwir unendlich viel Zeit (und Tinte) hatten. Das zweite ZFC bezeichnet das Objektin M , welches in M die rekursive Definition von ZFC erfullt.

Das Modell M haben wir im wesentlichen durch syntaktische Uberlegungen (derUnvollstandigkeitssatz) gewonnen. Wir haben den Unvollstandigkeitssatz in Formeines relativen Konsistenzresultats angewendet, namlich in der Form ā€wenn ZFCwiderspruchsfrei ist, dann auch ZFC+Ā¬Con(ZFC)ā€œ. Wir sagen kurz ā€Ā¬Con(ZFC)ist konsistentā€œ, da wir ZFC immer als die zugrunde liegende Theorie annehmen(und auch ublicherweise annehmen, dass ZFC widerspruchsfrei ist).

Im folgenden werden wir relative Konsistenzbeweise nicht so sehr durch syntakti-sche Betrachtungen, als vielmehr durch mehr oder weniger explizite Konstruktionenvon Modellen fuhren.

Ubung 2.2. Zeige, dass aus Con(ZFC) nicht Con(ZFC + Con(ZFC)) folgt.

Wir sagen daher ā€die Konsistenzstarke von ZFC + Con(ZFC) ist echt groƟer alsdie von ZFCā€œ oder einfach ā€ZFC+ Con(ZFC) ist starker ZFCā€œ. Wir werden spaternoch einmal auf die Konsistenzstarke von ZFC+ Con(ZFC) zuruckkommen.

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3. Die Konsistenz des Fundierungsaxioms

In diesem Abschnitt wird gezeigt, dass ZF widerspruchsfrei ist, falls ZF ohnedas Fundierungsaxiom widerspruchsfrei ist. Das ist ein sogenannter relativer Kon-sistenzbeweis, da nur gezeigt wird, dass das Fundierungsaxiom relativ konsistentist mit dem Rest von ZF, nicht aber, dass ZF wirklich konsistent ist. Wegen desGodelschen Unvollstandigkeitssatzes lasst sich die Konsistenz von ZF innerhalb vonZF bzw. ZFC, dem Axiomensystem in dem wir Mathematik betreiben, auch nichtbeweisen. Es ist trotzdem sinnvoll, die Konsistenz des Fundierungsaxioms relativzu den anderen Axiomen zu zeigen, und zwar aus zwei Grunden.

Zum einen sind die anderen Axiome von ZF naturliche Abschlusseigenschaftender Klasse aller Mengen, die man benotigt, um sinnvoll Mathematik zu betreiben(wobei bei einigen Axiomen deutliche Abschwachungen sicher fur die meisten An-wendungen ausreichend sind). Beim Fundierungsaxiom ist das nicht so klar. DerSinn des Fundierungsaxiom ist es eher, innerhalb der Mengenlehre ein angenehmesBild des Universums, der Klasse aller Mengen, zu liefern. Es ist gut zu wissen, dassman diese angenehme Struktur des Universums voraussetzen kann, ohne Gefahr zulaufen, in neue Widerspruche zu geraten.

Zum anderen verdeutlicht der Beweis der relativen Konsistenz des Fundierungs-axioms ein paar wichtige Ideen, wie man relative Konsistenzbeweise fuhren kann,und das ohne technisch sehr anspruchvoll zu sein.

ZFāˆ’ sei ZF ohne das Fundierungsaxiom.

Satz 3.1. Wenn ZFāˆ’ widerspruchsfrei ist, dann auch ZF.

Beweis. Angenommen, ZFāˆ’ ist widerspruchsfrei. Dann gibt es nach dem Vollstandig-keitssatz der Pradikatenlogik ein Modell (V,āˆˆ) von ZFāˆ’. Wir benutzen (V,āˆˆ) umein Modell von ZF zu konstruieren. Dazu stellen wir uns zunachst vor, in V zuleben. Die Ordinalzahlen sind die Ordinalzahlen von V , die Kardinalzahlen sinddie von V und so weiter. Fur Ī± āˆˆ Ord sei VĪ± definiert durch

(i) V0 := āˆ…(ii) VĪ±+1 := P(VĪ±)(iii) VĪ± :=

ā‹ƒĪ²<Ī± VĪ² , falls Ī± eine Limesordinalzahl ist.

Durch Induktion uber Ord rechnet man nach, dass (VĪ±)Ī±āˆˆOrd eine bezuglich āŠ†streng monoton wachsende Folge transitiver Mengen ist.

WF sei die Klasse aller Mengen x, fur die es ein Ī± āˆˆ Ord mit x āˆˆ VĪ± gibt,also WF =

ā‹ƒĪ±āˆˆOrd VĪ±. Fur jedes x āˆˆ WF sei rk(x) die kleinste Ordinalzahl Ī± mit

x āˆˆ VĪ±+1. rk(x) ist der Rang von x. Beachte, dass jede Ordinalzahl Ī± ein Elementvon WF ist und rk(Ī±) = Ī± gilt.

Wir zeigen, dass (WF,āˆˆ) ein Modell von ZF ist. Das Nullmengenaxiom ist offen-bar erfullt. Aus der Transitivitat der VĪ± folgt, dass auch WF transitiv ist. Damiterfullt WF das Extensionalitatsaxiom. Das Aussonderungsaxiom folgt aus der Kon-struktion der VĪ±. Ist namlich x ein Element von VĪ±, so auch jede Teilmenge von x.Unendlichkeits-, Vereinigungs- und Paarmengenaxiom rechnet man leicht nach.

Fur das Ersetzungsaxiom sei F eine Funktion, d.h., eine Klasse von Paaren,so dass jede Menge in nicht mehr als einem Paar aus der Klasse als linker Partnervorkommt. Betrachte die Funktion rk ā—¦F . Fur jedes x āˆˆ WF sind, da V Ersetzungs-und Aussonderungsaxiom erfullt, F [x] und (rk ā—¦F )[x] Mengen. Wir mussen eineObermenge von F [x] finden, die ein Element von WF ist. Setze Ī± := sup((rk ā—¦F )[x]).Es gilt F [x] āŠ† VĪ±+1 und VĪ±+1 āˆˆ VĪ±+2 āŠ† WF. Das zeigt das Ersetzungsaxiom furWF.

Es bleibt, das Fundierungsaxiom zu zeigen, das einzige Axiom, dass in V even-tuell verletzt ist. Sei x āˆˆ WF. Wahle y āˆˆ x von minimalen Rang. Dann ist y eināˆˆ-minimales Element von x, da fur alle y, z āˆˆ WF mit z āˆˆ y gilt: rk(z) < rk(y). ļæ½

4 STEFAN GESCHKE

Dieser Beweis weist einige Subtilitaten bzw. Unscharfen auf. Zunachst einmalist es ungeschickt, ein Modell von ZFāˆ’ mit (V,āˆˆ) zu bezeichnen, auch wenn dieseBezeichnung sehr intuitiv ist, da wir ja uber Modelle der Mengenlehre reden. Wennwir von Modellen reden, stellen wir uns vor, dass wir, wie in der Algebra und in derAnalysis auch, in einem Universum leben, das die Axiome von ZFC, oder auch eineranderen sinnvollen Mengenlehre, erfullt, und dass die Modelle bzw. Strukturen,uber die wir reden, Mengen sind. V ist aber eigentlich reserviert als Name fur dieAllklasse in dem Universum, in dem wir leben. AuƟerdem braucht die zweistelligeRelation des betrachteten Modells von ZFāˆ’ naturlich nicht die wirkliche āˆˆ-Relationzu sein. Formal sollte das betrachtete Modell von ZFāˆ’ also mit (M,E) oder ahnlichbezeichnet werden.

Die Klasse (in M) WF, ein rein syntaktisches Objekt, haben wir stillschweigendmit der Teilmenge vonM identifiziert, die aus denjenigen Elementen vonM besteht,auf die die Formel, die WF definiert, in der Struktur (M,E) zutrifft. Dann haben wirnachgerechnet, dass die Teilmenge WF von M zusammen mit der Einschrankungvon E auf diese Menge ein Modell von ZF ist.

Es ist auch moglich, im Beweis von Satz 3.1 die Welt auƟerhalb von M volligzu ignorieren. In diesem Fall ist die Schreibweise (V,āˆˆ) wieder angemessen, da wirnun Wesen in dem Modell von ZFāˆ’ sind und V in der Tat fur uns die Allklasseist. Genauso ist āˆˆ fur uns die wirkliche āˆˆ-Relation. Wie oben definieren wir dieKlasse WF. Allerdings ist die Aussage ā€œWF ist ein Modell von ZFā€ nun nicht mehrsinnvoll, da nur eine Menge Modell von Formeln sein kann. Trotzdem kann manformalisieren, dass WF zusammen mit der Einschrankung von āˆˆ auf WF von auƟenbetrachtet ein Modell einer Formel ist.

Sei C eine Klasse und Ļ† eine Formel in der Sprache der Mengenlehre. Die Relati-vierung Ļ†C von Ļ† auf C erhalt man aus Ļ† in dem man alle Quantoren der Form āˆƒxdurch āˆƒx āˆˆ C und alle der Form āˆ€x durch āˆ€x āˆˆ C ersetzt. ā€œWF ist ein Modell vonZFā€ konnen wir nun wie folgt ausdrucken: Fur jedes Axiom Ļ† von ZF gilt Ļ†WF.

Beim Nachweis von Ļ†WF fur jedes Axiom Ļ† von ZF tritt eine Schwierigkeit auf,die im Beweis von Satz 3.1 verschwiegen wurde, aber wesentlich ist. Um zum Bei-spiel die Relativierung des Paarmengenaxioms auf WF zu beweisen, startet manmit x, y āˆˆ WF und zeigt, dass {x, y} wieder in WF liegt. Die Existenz von {x, y}ist klar, da unser Universum V alle Axiome von ZFāˆ’ erfullt. Es ist aber nicht soklar, dass die Menge, die wir in V mit {x, y} bezeichnen, auch in WF die (relativier-te) Definition von {x, y} erfullt. Zum Gluck ist die Formel, die {x, y} definiert, soeinfach, dass das in diesem Falle keine Problem bereitet. Betrachten wir aber eineKlasse C mit {x, y, z}, x, y āˆˆ C, die nicht die Menge z enthalt, so erfullt {x, y, z} inC die Definition von {x, y}. Es muss also nicht jedes Element von C in C dieselbenEigenschaften haben wie in V .

An dieser Stelle ist es angebracht, das Konzept der Absolutheit einzufuhren.

Definition 3.2. Sei C eine Klasse und Ļ†(x1, . . . , xn) eine Formel. Die Formel Ļ†heiƟt absolut uber C, falls gilt:

āˆ€x1, . . . , xn āˆˆ C(Ļ†(x1, . . . , xn) ā†” Ļ†C(x1, . . . , xn))

Eine Funktion (moglicherweise eine echte Klasse) heiƟt absolut uber C, wenn ihredefinierende Formel absolut uber C ist.

Es ist klar, dass quantorenfreie Formeln uber jeder Klasse absolut sind. Quan-toren der Form āˆƒx āˆˆ y oder āˆ€x āˆˆ y heiƟen beschrankt, alle anderen unbeschrankt.Eine Formel Ļ† ist āˆ†0, wenn Ļ† nur beschrankte Quantoren enthalt. Folgendes Lemmahilft einem ublicherweise weiter, wenn nach nachweisen will, dass gewisse Mengenrelativ zu einer Klasse C dieselben relevanten Eigenschaften haben wie relativ zuV .

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Lemma 3.3. āˆ†0-Formeln sind absolut uber transitiven Klassen.

Sei C eine Klasse, die ein gewisses Fragment ZFāˆ— von ZF erfullt. Angenommen,aus ZFāˆ— folgt, dass die Formel Ļ† zu einer āˆ†0-Formel aquivalent ist. Dann ist Ļ†absolut uber transitiven Klassen, die ZFāˆ— erfullen. Daraus folgt, dass Schnitte, Ver-einigungen, Paarmengen, geordnete Paare, die leere Menge usw. absolut sind ubertransitiven Klassen, die ZFāˆ’ ohne das Potenzmengen- und ohne das Unendlichkeits-axiom erfullen. Aufpassen muss man nur bei

ā‹‚x.

ā‹‚x ist im wesentlichen auch ab-

solut uber transitiven Klassen, allerdings muss man dabeiā‹‚āˆ… ausschlieƟen.

ā‹‚āˆ… ist

namlich ublicherweise definiert als V , und das ist naturlich nicht absolut.Die Funktion Ī± 7ā†’ VĪ± ist insofern absolut uber transitiven Klassen, die ein

genugend grosses Fragment von ZF (genug, um z.B. den Rekursionssatz zu bewei-sen) erfullen, als dass die Formel Ļ†(x, Ī±), die besagt, dass x Element von VĪ± ist,uber solchen Klassen absolut ist. Aus dieser Absolutheit der VĪ± folgt ubrigens, dassWF ein Modell der Aussage V = WF ist. Per Induktion uber die āˆˆ-Relation kannman leicht zeigen, dass V = WF aquivalent zum Fundierungsaxiom ist (wenn mandie anderen Axiome voraussetzt).

6 STEFAN GESCHKE

4. Elementare Submodelle und das Reflexionsprinzip

In der Modelltheorie kennt man den Begriff des elementaren Submodells bzw. derelementaren Unterstruktur. Sei (M,E) eine Menge mit einer zweistelligen Relation.N āŠ†M heiƟt elementares Submodell von M , falls fur jede Formel Ļ†(x1, . . . , xn) inder Sprache der Mengenlehre und fur alle a1, . . . , an āˆˆ N gilt:

(N,E āˆ©N2) |= Ļ†(a1, . . . , an) ā‡” (M,E) |= Ļ†(a1, . . . , an)

Der Godelsche Unvollstandigkeitssatz und noch scharfer Tarskis ā€undefinability oftruthā€œ-Theorem verbieten es, Mengen zu konstruieren, die, zusammen mit der ent-sprechend eingeschrankten āˆˆ-Relation, elementare Submodelle von V sind. Es gibtalso keine Mengen, uber denen alle Formeln absolut sind.

Wie wir bald sehen werden, ist es jedoch moglich, fur endlich viele Formeln einetransitive Menge M zu finden, so dass jede dieser Formeln absolut uber M ist1.Wegen des Kompaktheitssatzes ist diese Feststellung enorm nutzlich. Der Kom-paktheitssatz besagt, dass eine Menge von Formeln genau dann widerspruchsfreiist, wenn jede endliche Teilmenge widerspruchsfrei ist. Anders ausgedruckt, wennwir aus einer Menge von Formeln einen Widerspruch ableiten konnen, so konnenwir diesen Widerspruch bereits aus einer endlichen Teilmenge der Formelmengeableiten.

Um zum Beispiel die Konsistenz von ZFC+Ā¬CH zu zeigen, kann man so tun,als ob es eine transitive Menge M gabe, die Modell von ZFC ist. Mit Hilfe von Mkonstruieren wir dann ein Modell von ZFC+Ā¬CH. Da wir nur zeigen mussen, dassjede endliche Teilmenge von ZFC+Ā¬CH konsistent ist, genugt es aber, Modelle furjede endliche Teilmenge von ZFC+Ā¬CH zu konstruieren. Und fur eine gegebeneendliche Teilmenge von ZFC+Ā¬CH genugt es uns zu wissen, dass M Modell einergewissen endlichen Teilmenge von ZFC ist. Und die Existenz solcher M folgt ausdem sogenannten Reflexionsprinzip.

Zunachst stellen wir folgendes fest:

Lemma 4.1. Sei C eine Klasse und Ļ†1, . . . , Ļ†n eine Folge von Formeln, die ab-geschlossen ist unter der Bildung von Teilformeln. Die Ļ†k seien ohne Allquanto-ren geschrieben. Dann sind Ļ†1, . . . , Ļ†n genau dann absolut uber C, wenn fur jedesĻ†i(y1, . . . , ym) von der Form āˆƒxĻ†j(x, y1, . . . , ym) gilt:

āˆ€y1, . . . , ym āˆˆ C(āˆƒxĻ†j(x, y1, . . . , ym) ā†’ āˆƒx āˆˆ CĻ†j(x, y1, . . . , ym))

Beweis. Induktion uber den Formelaufbau. ļæ½

Satz 4.2 (Reflexionsprinzip). Sei W : Ord ā†’ V eine Funktion mit folgendenEigenschaften:

(i) Fur alle Ī±, Ī² āˆˆ Ord mit Ī± < Ī² ist W (Ī±) āŠ†W (Ī²).(ii) Ist Ī³ eine Limesordinalzahl, so gilt W (Ī³) =

ā‹ƒĪ±<Ī³ W (Ī±).

(iii) V =ā‹ƒ

Ī±āˆˆOrdW (Ī±).Fur jede Folge Ļ†1, . . . , Ļ†n von Formeln und jedes Ī± āˆˆ Ord existiert dann ein Ī² āˆˆOrd mit Ī² > Ī±, so dass die Ļ†j uber W (Ī²) absolut sind.

Beweis. Seien Ļ†1, . . . , Ļ†n Formeln und Ī± āˆˆ Ord. Wir konnen annehmen, dass dieFolge Ļ†1, . . . , Ļ†n unter der Bildung von Teilformeln abgeschlossen ist. Nach Lem-ma 4.1 genugt es, Ī² > Ī± zu finden, so dass fur jedes Ļ†i(y1, . . . , ym) der FormāˆƒxĻ†j(x, y1, . . . , ym) gilt:

(āˆ—) āˆ€y1, . . . , ym āˆˆW (Ī²)(āˆƒxĻ†j(x, y1, . . . , ym) ā†’ āˆƒx āˆˆW (Ī²)Ļ†j(x, y1, . . . , ym))

1Bald werden wir auch einen Weg kennenlernen, Modelle M von ZFC zu konstruieren, in denenes abzahlbare transitive Mengen gibt, die Modell von ZFC sind, was M aber nicht weiƟ.

MODELLE DER MENGENLEHRE 7

Fur jedes i āˆˆ {1, . . . , n} definieren wir eine Funktion Fi : Ord ā†’ Ord wie folgt:Angenommen Ļ†i(y1, . . . , ym) hat die Form āˆƒxĻ†j(x, y1, . . . , ym). Dann sei

Gi(b1, . . . , bm) := 0,

falls Ā¬āˆƒxĻ†j(x, b1, . . . , bm). Falls āˆƒxĻ†j(x, b1, . . . , bm), so sei Gi(b1, . . . , bm) das klein-ste Ī· āˆˆ Ord mit āˆƒx āˆˆW (Ī·)Ļ†j(x, b1, . . . , bm). Fur Ī¾ āˆˆ Ord sei

Fi(Ī¾) := sup{Gi(b1, . . . , bm) : b1, . . . , bn āˆˆW (Ī¾)}.

Falls Ļ† nicht mit einem Existenzquantor beginnt, so sei Fi(Ī¾) := 0 fur alle Ī¾ āˆˆ Ord.Wahle nun eine Folge (Ī²k)kāˆˆĻ‰ wie folgt: Ī²0 sei Ī±. Fur k āˆˆ Ļ‰ sei

Ī²k+1 := max(Ī²k + 1, F1(Ī²k), . . . , Fn(Ī²k)).

Setze Ī² := supkāˆˆĻ‰ Ī²k.Fur alle Ī¾ < Ī² und alle i āˆˆ {1, . . . , n} ist dann Fi(Ī¾) < Ī². Damit erfullt Ī² die

Formel (āˆ—) fur alle i āˆˆ {1, . . . , n}. Also sind Ļ†1, . . . , Ļ†n absolut uber W (Ī²). ļæ½

Beachte, dass zum Beispiel die Funktion Ī± 7ā†’ VĪ± die Voraussetzungen von Satz4.2 erfullt.

Mit einem ganz ahnlichen Beweis erhalt man

Satz 4.3 (Satz von Lowenheim-Skolem, abwarts). Sei (M,E) eine Menge miteiner zweistelligen Relation. Fur jedes X āŠ†M existiert ein elementares SubmodellN āŠ†M von M mit X āŠ† N und |N|ā‰¤ max(|X|,ā„µ0).

Beweis. Wie im Beweis von Satz 4.2 genugt es, N āŠ†M zu finden, so dass fur jedeExistenzformel āˆƒxĻ†(x, y1, . . . , yn) und alle b1, . . . , bn āˆˆ N gilt:

M |= āˆƒxĻ†(x, b1, . . . , bn) ā‡’ es gibt a āˆˆ N mit N |= Ļ†(a, b1, . . . , bn).

Dazu weisen wir jeder Formel Ļ†(x, y1, . . . , yn) eine Funktion fĻ† : Mn ā†’ M zu.Fixiere irgendein a0 āˆˆ M . Seien b1, . . . , bn āˆˆ M . Falls es a āˆˆ M mit M |=Ļ†(a, b1, . . . , bn) gibt, so sei fĻ†(b1, . . . , bn) ein solches a. Falls so ein a nicht existiert,so sei fĻ†(b1, . . . , bn) := a0. Die Funktionen fĻ† heiƟen Skolem-Funktionen.

Fur X āŠ† M sei sk(X) der Abschluss von X unter samtlichen fĻ†. Da es nurabzahlbar viele Formeln gibt, gilt |sk(X)|ā‰¤ max(|X|,ā„µ0). sk(X) heiƟt die Skolem-Hulle von X. Es ist klar, dass in N := sk(X) samtliche Existenz-Aussagen mitParametern aus N wahr sind, die in M wahr sind. Also ist N ein elementaresSubmodell von M . ļæ½

Wenn unser Universum V alle Axiome von ZFC erfullt, so ergibt sich folgendesBild: Fur jede endliche Teilmenge von ZFC gibt es ein Ī± āˆˆ Ord, so dass VĪ± Modelldieser endlichen Teilmenge von ZFC ist. Das folgt aus dem Reflexionsprinzip. Nachdem Satz von Lowenheim-Skolem hat VĪ± ein abzahlbares elementares SubmodellM . Da āˆˆ fundiert ist, hat M einen transitiven Kollaps N . Da (M,āˆˆ) zu (N,āˆˆ)isomorph ist, erfullt auch N die vorgegebene endliche Teilmenge von ZFC. Jedeendliche Teilmenge von ZFC hat also ein abzahlbares, transitives Modell. Manbeachte jedoch, dass die Quantifikation uber endliche Teilmengen von ZFC in derMetasprache erfolgt. Sonst hatten wir in ZFC bewiesen, dass ZFC konsistent ist.

Es ist auch moglich, abzahlbare, transitive Modelle gewisser unendlicher Teilmen-gen von ZFC zu konstruieren. Mit dem Argument von eben, Satz von Lowenheim-Skolem und Mostowski-Kollaps, genugt es, transitive Mengen zu finden, die vieleAxiome von ZFC erfullen. Zum Beispiel erfullen die VĪ± einige Axiome und sogarrecht viele, falls Ī± eine Limesordinalzahl ist. Weitere wichtige Modelle fur groƟeTeile von ZFC sind die HĪŗ: Fur eine Menge X sei

trcl(X) := X āˆŖā‹ƒX āˆŖ

ā‹ƒ2X āˆŖ . . .

8 STEFAN GESCHKE

die transitive Hulle von X. Wie man leicht nachpruft, ist trcl(X) die kleinste tran-sitive Obermenge von X. Fur jede unendliche Kardinalzahl Īŗ sei

H(Īŗ) := {X :|trcl(X)|< Īŗ}.Ist Īŗ regular und uberabzahlbar, so erfullt HĪŗ alle Axiome von ZFC bis auf, unterUmstanden, das Potenzmengen-Axiom. Eine regulare Kardinalzahl Īŗ > ā„µ0 heiƟtstark unerreichbar, falls gilt:

āˆ€Ī» < Īŗ(2Ī» < Īŗ)Ist Īŗ stark unerreichbar, so gilt VĪŗ = HĪŗ und HĪŗ ist Modell von ZFC.

Ubung 4.4. Zeige Hā„µ0 = VĻ‰.

Ubung 4.5. Welche Axiome von ZFC gelten in (VĻ‰,āˆˆ)?

Ubung 4.6. Gib ein Axiom von ZFC an, welches in (Vā„µ1 ,āˆˆ) gilt, aber nicht in(Hā„µ1 ,āˆˆ).

Welche Folgerung aus ZFC gilt in (Hā„µ1 ,āˆˆ), aber nicht in (Vā„µ1 ,āˆˆ).

Wir stellen noch eine Methode vor, wirklich abzahlbare transitive Modelle vonZFC zu bekommen. Der Haken an dieser Methode ist, dass sie nicht etwa in jedembeliebigen Universum V ein abzahlbares transitives Modell von ZFC liefert (wasaus den oben genannten Grunden auch nicht geht), sondern dass sie ein Modell(M,E) von ZFC liefert, in dem es eine aus der Sicht von M abzahlbare transitiveStruktur (N,Eāˆ©N2) gibt, die von auƟen (auƟerhalb von M) betrachtet ein Modellvon ZFC ist.

Definition 4.7. Wir betrachten die Sprache der Mengenlehre bereichert durch dasKonstantensymbol Ī“. Mit VĪ“ 4 V bezeichnen wir das Formelschema, dass fur jedeFormel Ļ†(x1, . . . , xn) in der Sprache der Mengenlehre (ohne Ī“) die Aussage

āˆ€x1, . . . , xn āˆˆ VĪ“(Ļ†(x1, . . . , xn) ā†” Ļ†VĪ“(x1, . . . , xn))

enthalt.

Lemma 4.8. Falls ZFC konsistent ist, so auch ZFC+VĪ“ 4 V .

Beweis. Nach dem Kompaktheitssatz genugt es zu zeigen, dass jede endliche Teil-menge von ZFC+VĪ“ 4 V konsistent ist.

Sei (M,E) ein Modell von ZFC und T eine endliche Teilmenge von ZFC+VĪ“ 4 V .Da T endlich ist, gibt es auch nur endlich viele Formeln Ļ†1, . . . , Ļ†n, fur die eineAussage der Form

āˆ€x1, . . . , xm āˆˆ VĪ“(Ļ†i(x1, . . . , xm) ā†” Ļ†VĪ“i (x1, . . . , xm))

in T auftritt.Wir argumentieren nun in M . Nach dem Reflexionssatz existiert Ī± āˆˆ Ord, so

dass die Ļ†i uber VĪ± absolut sind. Interpretiert man nun Ī“ in M durch Ī±, so ist(M,E) Modell von T (genauer, (M,E,Ī±) ist Modell von T ). ļæ½

Korollar 4.9. Falls ZFC konsistent ist, so gibt es ein Modell (M,E) von ZFC undN āˆˆM , so dass gilt:

(1) (M,E) |= ā€N ist abzahlbar und transitivā€œ(2) ({x āˆˆM : (x,N) āˆˆ E}, E) erfullt genau dieselben Aussagen in der Sprache

der Mengenlehre wie (M,E) und ist insbesondere Modell von ZFC.

Achtung: Dass ({x āˆˆ M : (x,N) āˆˆ E}, E) Modell von ZFC ist, ist zwar aquiva-lent dazu, dass fur jede Aussage Ļ† āˆˆZFC die Aussage Ļ†N in M gilt. Das heiƟt abernicht, dass M glaubt, dass N Modell von ZFC ist. Das liegt daran, dass das, was Mfur ZFC halt, wenig mit dem wirklichen ZFC, das wir kennen, zu tun haben muss.

MODELLE DER MENGENLEHRE 9

Beweis von Korollar 4.9. Sei (M,E,Ī±) ein Modell von ZFC+VĪ“ 4 V . Wir argu-mentieren in M . Durch Anwendung des Satzes von Lowenheim-Skolem auf VĪ±,erhalt man ein abzahlbares N0, welches elementares Submodell von VĪ± ist. N seider transitive Kollaps von N0. Wie man leicht nachrechnet, leistet N das Gewunsch-te.

Man beachte, dass N (in M) zwar isomorph zu N0 ist und damit dieselbenAussagen erfullt, aber ublicherweise nicht elementares Submodell von VĪ± ist. ļæ½

10 STEFAN GESCHKE

5. Die konstruktiblen Mengen

Wir definieren, in ZF, eine Klasse L, die ZFC+GCH erfullt. GCH ist dabei dieAussage

āˆ€Īŗ āˆˆ Card(Īŗ ā‰„ ā„µ0 ā†’ 2Īŗ = Īŗ+).

L ist Godels Universum der konstruktiblen Mengen. Da wir die Konsistenz von ACmit ZF zeigen wollen, werden wir bei den folgenden Argumenten AC ublicherweisenicht benutzen. Falls AC doch einmal benutzt wird (an unwesentlichen Stellen furdas Entwickeln der Theorie), so wird darauf hingewiesen.

5.1. Definierbarkeit. Die Konstruktion von L verlauft ahnlich der Konstruktionvon WF. Allerdings werden wir nicht in jedem Schritt die volle Potenzmenge desbisher Konstruierten nehmen, sondern die Menge der definierbaren Teilmengen des-sen, was wir bereits konstruiert haben. Dazu mussen wir uns ein paar Gedankenuber Definierbarkeit machen.

Zunachst muƟ man wissen, was eine Formel ist. Wir beschranken uns dabei aufdie Sprache der Mengenlehre. Wie ublich ist eine Formel eine Folge von Zeichen.Es ist sinnvoll, als Alphabet die naturlichen Zahlen zu wahlen. Man legt also zumBeispiel fest, dass 0 das Zeichen fur die Relation āˆˆ ist, 1 das Zeichen fur =, 2 dasZeichen fur āˆ§ und so weiter. In dem Alphabet gibt es unendlich viele Zeichen furVariablen. Formeln sind nun einfach endliche Folgen von Zeichen, also eigentlichAbildungen von einer naturlichen Zahl nach Ļ‰, die gewissen syntaktischen Regelngenugen. Jeder Formel Ļ† in der Metasprache lasst sich nun eine endliche FolgedĻ†e von naturlichen Zahlen zuordnen, in dem man die Zeichen von Ļ† in die ent-sprechenden naturlichen Zahlen unseres Universums ubersetzt. Die Menge dĻ†e inunserem Universum ist die Godelisierung von Ļ†. Man beachte, dass das Godelisierenin der Zahlentheorie etwas aufwendiger ist, weil man da nicht uber endliche Folgenetc. reden kann.

Mit Hilfe des Rekursionssatzes kann man nun eine Formel fml(x) in der Meta-sprache hinschreiben, die definiert, wann die Menge x eine Formel ist. Per Induktionuber den Formelaufbau zeigt man dann, dass fml(dĻ†e) fur jede metasprachliche For-mel Ļ† erfullt ist.

Wiederum mit Hilfe des Rekursionsatzes kann man eine Formel sat(x, y, z) hin-schreiben, die folgendes aussagt:

(i) Es gibt ein n āˆˆ Ļ‰, so dass y eine Formel mit n freien Variablen ist,(ii) es gibt x1, . . . , xn āˆˆ x mit z = (x1, . . . , xn) und(iii) (x,āˆˆ) erfullt die Formel y wenn man die freien Variablen mit x1, . . . , xn

interpretiert.

Durch Induktion uber den Formelaufbau zeigt man dann, dass fur jede FormelĻ†(x1, . . . , xn), jede Menge M und alle a1, . . . , an āˆˆM gilt:

Ļ†M (a1, . . . , an) ā†” sat(M, dĻ†e, (a1, . . . , an))

Die Relation |= konnen wir damit als definierbare Klasse in V auffassen (wobei wir|= nur fur Strukturen der Form (M,āˆˆ) betrachten. Aber der allgemeine Fall gehtgenauso durch).

Man beachte, dass wir uns bei der Definition von sat der Tatsache bedient haben,dass es in der Mengenlehre moglich ist, Mengen a1, . . . , an als eine Menge, namlichals n-Tupel, zu kodieren. Das ist notig, weil eine Formel wie sat eine feste Anzahl vonfreien Variablen haben muss (bzw. automatisch hat, sonst ware es keine Formel).

Es ist nun problemlos moglich, eine Formel hinzuschreiben, die die FormelmengeZFC definiert. Ist man etwas allgemeiner bei der Definition von sat, so kann manauch die Gultigkeit von Formeln in Strukturen der Form (M,E) definieren. Damit

MODELLE DER MENGENLEHRE 11

kann man dann auch eine Formel Con(x) hinschreiben, die sagt, dass die Formel-menge x ein Modell hat. Der schon oft angefuhrte Unvollstandigkeitssatz sagt nuneinfach, dass die Formel Con(ZFC) nicht aus ZFC ableitbar ist. Beachte, dass dasZFC in Con(ZFC) eine in V definierte Formelmenge ist (die eben so definiert ist,wie wir ZFC als Formelmenge definieren wurden), wahrend das zweite ZFC dasmetasprachliche Axiomensystem ist.

Sei nun M eine Menge. Eine Menge P āŠ† M heiƟt definierbar, wenn es eineFormel Ļ†(x, y1, . . . , yn) gibt, so dass fur gewisse b1, . . . , bn āˆˆM gilt:

P = {a āˆˆM : (M,āˆˆ) |= Ļ†(a, b1, . . . , bn)}Mit Hilfe von sat kann man eine Definition der Funktion D angeben, die jederMenge M die in (M,āˆˆ) definierbaren Teilmengen von M zuordnet. Fur jede FormelĻ†(x, y1, . . . , yn) in der Metasprache kann man zeigen, dass fur alle M und alleb1, . . . , bn āˆˆM gilt:

{x āˆˆM : Ļ†M (x, b1, . . . , bn)} āˆˆ D(M)

Lemma 5.1. Fur alle M gilt:(1) D(M) āŠ† P(M).(2) Ist M transitiv, so gilt M āŠ† D(M).(3) āˆ€X āŠ†M(|X|< Ļ‰ ā†’ X āˆˆ D(M)).(4) (AC) |M|ā‰„ Ļ‰ ā†’|D(M)|=|M|.

Beweis. (1) ist klar. Fur (2) sei M transitiv und a āˆˆ M . Dann ist a = {x āˆˆ M :x āˆˆ a}. Damit ist a eine definierbare Teilmenge von M , also a āˆˆ D(M).

(3) ist weniger trivial, als es aussieht. Aus der Tatsache, dass V glaubt, dassX endlich ist, folgt namlich nicht, dass ein n in der Metasprache sowie a1, . . . , an

existieren mit X = {a1, . . . , an}. Es konnte passieren, dass es in V mehr naturlicheZahlen gibt, als nur 0, 1, 2 usw. Wir konnen jedoch in V mittels vollstandiger In-duktion uber die naturlichen Zahlen von V beweisen, dass alle endlichen X āŠ† Mdefinierbar sind.

Es ist klar, dass die leere Menge definierbar ist. Sei nun n āˆˆ Ļ‰ und f : n+ 1 ā†’X eine Bijektion (alles in V ). Nach Induktionsannahme ist f [n] eine definierbareTeilmenge von M , zum Beispiel f [n] = {x āˆˆ M : M |= Ļ†(x, b1, . . . , bm)} furgeeignete b1, . . . , bm āˆˆM . Dann ist

f [n+ 1] = {x āˆˆM : M |= Ļ†(x, b1, . . . , bm) āˆØ x = bm+1},wobei bm+1 := f(n) sei.

(4) folgt aus der Tatsache, dass es nur abzahlbar viele Formeln und fur jedes nnur |M| n-Tupel von Parametern in M zum Einsetzen in Formeln gibt. ļæ½

12 STEFAN GESCHKE

5.2. Definition und elementare Eigenschaften von L.

Definition 5.2. Durch Rekursion uber Ī± āˆˆ Ord definiert man LĪ± wie folgt:(i) L0 := āˆ…(ii) LĪ±+1 := D(LĪ±)(iii) LĪ± :=

ā‹ƒĪ²<Ī± LĪ² , falls Ī± eine Limesordinalzahl ist.

Weiter sei L :=ā‹ƒ

Ī±āˆˆOrd LĪ± die Klasse der konstruktiblen Mengen.

Mittels transfiniter Induktion uber alle Ordinalzahlen ergibt sich aus Lemma 5.1sofort

Lemma 5.3. Fur alle Ī± āˆˆ Ord ist LĪ± transitiv. Fur alle Ī±, Ī² āˆˆ Ord mit Ī± ā‰¤ Ī² istLĪ± āŠ† LĪ².

Insgesamt erfullt die Funktion Ī± 7ā†’ LĪ± damit die Voraussetzungen des Reflexi-onsprinzips (Lemma 4.2) relativ zu L. Wie man leicht sieht, kann man das Reflexi-onsprinzip auch in diesem Falle anwenden. Wir werden das spater ausnutzen.

Ubung 5.4. Sei (WĪ±)Ī±āˆˆOrd eine bzgl. āŠ† wachsende, stetige Folge von Mengen.Stetig heiƟt hierbei, dass fur jede Limesordinalzahl Ī“ gilt: WĪ“ =

ā‹ƒĪ±<Ī“ WĪ±. Formu-

liere und beweise einen Reflexionssatz relativ zu W :=ā‹ƒ

Ī±āˆˆOrdWĪ±. (Der Satz sollaussagen, dass Formeln vom Typ Ļ†W (x1, . . . , xn) bereits in einem WĪ± reflektiertwerden. Man orientiere sich bei der genauen Formulierung an Lemma 4.2.)

Definition 5.5. Fur jedes x āˆˆ L sei Ļ(x) := min{Ī± āˆˆ Ord : x āˆˆ LĪ±+1} der L-Rangvon x.

Lemma 5.6. Fur alle Ī± āˆˆ Ord gilt:(1) LĪ± = {x āˆˆ L : Ļ(x) < Ī±};(2) Ī± āˆˆ L und Ļ(Ī±) = Ī±;(3) LĪ± āˆ©Ord = Ī±;(4) LĪ± āˆˆ LĪ±+1;(5) Jede endliche Teilmenge von LĪ± ist Element von LĪ±+1.

Beweis. (1) ist klar. (2) folgt sofort aus (3). Wir beweisen (3) mittels transfiniterInduktion uber Ī±. Der Induktionsanfang, L0 āˆ©Ord = āˆ… = 0, und die Limesschrittesind einfach. Sei also Ī± āˆˆ Ord und LĪ±āˆ©Ord = Ī±. Dann ist Ī± āˆˆ D(LĪ±), da Ī± einfachdie Menge der Ordinalzahlen in LĪ± ist. Hierbei wird benutzt, dass die Definition vonOrdinalzahlen āˆ†0 ist und damit absolut uber der transitiven Klasse LĪ±. Also giltĪ±+1 āŠ† LĪ±+1. Wegen LĪ±āˆ©Ord = Ī± ist keine Ordinalzahl Ī² > Ī± Teilmenge von LĪ±.Also ist keine Ordinalzahl Ī² > Ī± Element von LĪ±+1. Es folgt LĪ±+1 āˆ©Ord = Ī±+ 1.

(4) ist klar. (5) folgt aus Lemma 5.1(3). ļæ½

Lemma 5.7. a) Fur alle Ī± āˆˆ Ord gilt LĪ± āŠ† VĪ±.b) Fur alle n āˆˆ Ļ‰ gilt Ln = Vn.c) LĻ‰ = VĻ‰.d) (AC) Fur alle Ī± ā‰„ Ļ‰ ist |LĪ±|=|Ī±|.

Beweis. Teil a) folgt sofort mittels transfiniter Induktion. Teil b) folgt per Induktionuber n āˆˆ Ļ‰ unter Ausnutzung von Lemma 5.1(3). Teil c) folgt aus Teil b). Teil d)folgt mittels transfiniter Induktion aus c) zusammen mit Lemma 5.1(4). ļæ½

5.3. ZF in L. Wir setzen nur voraus, dass V ZF erfullt und rechnen ZF in L nach.

Satz 5.8. L erfullt ZF.

Beweis. L erfullt das Extensionalitatsaxiom, da es transitiv ist. Das Nullmengen-axiom ist erfullt wegen āˆ… āˆˆ L. Das Fundierungsaxiom gilt automatisch in Teilklassen

MODELLE DER MENGENLEHRE 13

von V . L erfullt das Unendlichkeitsaxiom, da Ļ‰ āˆˆ L gilt und die Eigenschaften vonĻ‰ genugend absolut sind.

Das Aussonderungsaxiom in L zeigt man wie folgt: Sei Ļ†(x, y1, . . . , yn) eine For-mel und a, b1, . . . , bn āˆˆ L. Wir mussen {x āˆˆ a : Ļ†L(x, b1, . . . , bn)} āˆˆ L zeigen. WahleĪ± āˆˆ Ord mit a, b1, . . . , bn āˆˆ LĪ±. Nach dem Reflexionsprinzip existiert Ī² > Ī±, sodass Ļ† absolut uber LĪ² ist (relativ zu L, d.h., wenn man so tut, als ob V = L gilt).Es gilt dann

{x āˆˆ a : Ļ†L(x, b1, . . . , bn)} = {x āˆˆ a : Ļ†LĪ² (x, b1, . . . , bn)}.Offenbar ist {x āˆˆ a : Ļ†LĪ² (x, b1, . . . , bn)} āˆˆ D(LĪ²) = LĪ²+1 āŠ† L.

Paarmengen-, Vereinigungs-, Potenzmengen- und Ersetzungsaxiom verlangen je-weils nur die Existenz genugend groƟer Mengen. Gute Kandidaten fur genugendgroƟe Mengen sind die LĪ±. Wir rechnen zum Beispiel das Potenzmengenaxiomnach.

Sei a āˆˆ L. Sei Ī± := sup{Ļ(b) : b āˆˆ Lāˆ§b āŠ† a}+ 1. Dann gilt b āˆˆ LĪ± fur alle b āˆˆ Lmit b āŠ† a. Damit ist das Potenzmengenaxiom in L erfullt. ļæ½

5.4. V = L? Es ist eine naheliegende Frage, ob V = L sein kann. Ein guter Kandi-dat fur ein Modell von ZF +V = L ist naturlich L selbst. In der Tat gilt V = L inL, wie wir gleich sehen werden. Das Axiom V = L ist also konsistent mit ZF. Dasermoglicht viele relative Konsistenzbeweise. Man muss nur zeigen, dass eine gewisseAussage Ļ† aus V = L folgt, um ihre relative Konsistenz mit ZF zu zeigen. Auf dieseWeise werden wir im nachsten Abschnitt die Konsistenz von AC und GCH mit ZFzeigen.

Satz 5.9. L ist ein Modell von V = L.

Beweis. Wir wissen bereits, dass alle Ordinalzahlen in L liegen. Um nun (V = L)L

zu zeigen, genugt es LĪ± = LLĪ± fur alle Ī± āˆˆ Ord nachzuweisen. Das geht mittels

transfiniter Induktion uber Ī±. Der Induktionsanfang, L0 = āˆ… = LL0 , und die Limes-

schritte sind klar.Sei nun Ī± āˆˆ Ord und gelte LĪ± = LL

Ī±. LĪ±+1 = LLĪ±+1 ist dann aquivalent zu

D(LĪ±) = (D(LĪ±))L. Die Definition von D ist eine Formel, die aber den ParameterĻ‰ bzw. Ļ‰<Ļ‰ =

ā‹ƒnāˆˆĻ‰ Ļ‰

n verwendet. In der Formel wird Rekursion uber Ļ‰ verwendet.Die verwendeten Rekursionsvorschriften selbst sind āˆ†0. Wie man leicht nachrech-net, sind rekursiv definierte Funktionen mit absoluter Rekursionsvorschrift wiederabsolut.

Damit ist D absolut uber transitiven Klassen, die Modell von ZF ohne das Po-tenzmengenaxiom sind. (Die Formulierung ā€œModell von ZF ohne das Potenzmen-genaxiomā€ ist nutzlich, weil sie sich einfach hinschreiben lasst und es viele Mengengibt, die das erfullen.) Insgesamt ergibt sich der Satz. ļæ½

Die Absolutheitsbetrachtungen im Beweis von Satz 5.9 liefern sofort, dass furjede transitive Klasse M , die Modell von ZF ohne das Potenzmengenaxiom ist unddie alle Ordinalzahlen enthalt, gilt:

L = LM āŠ†M

In diesem Sinne ist L also das kleinste transitive Model von ZF, dass alle Ordinal-zahlen enthalt.

Wir werden spater sehen, dass V 6= L relativ konsistent mit ZF ist.

14 STEFAN GESCHKE

5.5. AC und GCH in L.

Satz 5.10. V = L implizert AC.

Beweis. Wir zeigen eine starkere Aussage als AC. Wir zeigen, dass man in L ei-ne zweistellige Relation C definieren kann, die eine Wohlordnung auf ganz L ist.Dazu definiert man rekursiv uber Ī± āˆˆ Ord Relationen CĪ±, die jeweils Wohlordnun-gen auf LĪ± sind und Anfangsstucke voneinander. Die Relation C ist dann einfachā‹ƒ

Ī±āˆˆOrd CĪ±.Fur C0 hat man keine andere Wahl, als die leere Relation zu nehmen. Ist Ī³

eine Limesordinalzahl, so hat man, wenn die CĪ± Anfangstucke voneinander werdensollen, keine andere Wahl, als CĪ³ :=

ā‹ƒĪ±<Ī³ CĪ± zu setzen.

Sei nun CĪ± bereits defininiert. Wir definieren CĪ±+1. Dazu benutzen wir soge-nannte lexikographische Ordnungen.

Sei (X,@) eine lineare Ordnung. Fur jedes n āˆˆ Ļ‰ sei @n die folgende Ordnungauf Xn. Fur x, y āˆˆ Xn mit x 6= y sei x @n y, falls x(āˆ†(x, y)) @ y(āˆ†(x, y)) gilt,wobei āˆ†(x, y) := min{i < n : x(i) 6= y(i)} ist. Wie man leicht sieht, ist @n einelineare Ordnung auf Xn, die von @ induzierte lexikographische Ordnung.

Ist @ eine Wohlordnung, so ist auch @n eine Wohlordnung. Sonst gabe es namlichin Xn eine @n-fallende Folge x0, x1, . . . . Schreibe xi als (xi,1, . . . , xi,n). Nach derDefinition von @n ist die Folge (xi,1)iāˆˆĻ‰ fallend bezuglich der Relation

v:=@ āˆŖ(= āˆ©X2).

Da @ eine Wohlordnung ist, wird (xi,1)iāˆˆĻ‰ irgendwann konstant, sagen wir abi1. Die Folge (xi,2)iā‰„i1 ist nach Definition von @n wieder v-fallend in X, wird alsoab einem gewissen i2 konstant. Wir konnen dabei i2 ā‰„ i1 wahlen. Auf diese Weiseerhalten wir naturliche Zahlen i1 ā‰¤ i2 ā‰¤ Ā· Ā· Ā· ā‰¤ in, so dass (xi,k)iā‰„ik

konstant ist furalle k āˆˆ {1, . . . , n}. Damit ist aber auch die Folge ((xi,1, . . . , xi,n))iā‰„in

konstant, einWiderspruch zur Wahl der xi.

Mit Hilfe der @n definieren wir nun eine Ordnung auf X<Ļ‰ :=ā‹ƒ

nāˆˆĻ‰ Xn. Fur

x, y āˆˆ X<Ļ‰ mit x 6= y sei x @<Ļ‰ y, falls der Definitionsbereich von x echt kleinerist, als der von y oder falls es ein n āˆˆ Ļ‰ gibt mit x, y āˆˆ Xn und x @n y. Mitim wesentlichen dem gleichen Argument wie fur @n sieht man, dass @<Ļ‰ eineWohlordnung ist, falls @ eine Wohlordnung ist.

Die Relation CĪ±+1 sei nun wie folgt definiert: Fur x, y āˆˆ LĪ± sei x CĪ±+1 y, fallsx CĪ± y. Fur alle x āˆˆ LĪ± und alle y āˆˆ LĪ±+1 \ LĪ± sei x CĪ±+1 y. Es bleibt der Fallx, y āˆˆ LĪ±+1 \ LĪ± zu betrachten. Seien also x, y āˆˆ LĪ±+1 \ LĪ± verschieden. Nach derDefinition von LĪ±+1 sind x, y āˆˆ D(LĪ±).

Betrachte die ubliche Wohlordnung < auf Ļ‰. Seien a, b āˆˆ Ļ‰<Ļ‰ jeweils <<Ļ‰-minimal, so dass fur gewisse (c1, . . . , ck), (d1, . . . , dl) āˆˆ L<Ļ‰

Ī±

(1) x = {z āˆˆ LĪ± : sat(LĪ±, a, (z, c1, . . . , ck))}

bzw.(2) y = {z āˆˆ LĪ± : sat(LĪ±, b, (z, d1, . . . , dl))}

gilt. Wahle c = (c1, . . . , ck) āˆˆ L<Ļ‰Ī± sowie d = (d1, . . . , dl) āˆˆ L<Ļ‰

Ī± jeweils C<Ļ‰Ī± -

minimal mit (1) bzw. (2). Setze nun x CĪ±+1 y, falls entweder a <<Ļ‰ b oder a = bund c C<Ļ‰

Ī± d.Man rechnet leicht nach, dass alle CĪ± Wohlordungen sind. AuƟerdem ist fur alle

Ī±, Ī² āˆˆ Ord mit Ī± ā‰¤ Ī² die Wohlordung (LĪ±,CĪ±) ein Anfangsstuck von (LĪ² ,CĪ²).Damit ist C:=

ā‹ƒĪ±āˆˆOrd CĪ± eine Wohlordnung auf ganz L. ļæ½

Die Aussage, dass man das gesamte Universum wohlordnen kann, wie wir dasgerade fur L gezeigt haben, wird mit global choice bezeichnet.

Um GCH in L nachzuweisen, benotigen wir

MODELLE DER MENGENLEHRE 15

Lemma 5.11. Sei Īŗ eine regulare Kardinalzahl > Ļ‰. Dann ist LĪŗ ein Modell vonZF ohne das Potenzmengenaxiom.

Beweis. Jede unendliche Kardinalzahl ist Limesordinalzahl. Der Beweis von Null-mengen-, Extensionalitats-, Fundierungs-, Paarmengen- und Vereinigungsaxiom inL geht auch fur LĪ± durch, wenn Ī± eine Limesordinalzahl ist. Wir zeigen das Ausson-derungsaxiom in LĪŗ. Sei a āˆˆ LĪŗ, Ļ†(x, y1, . . . , yn) eine Formel und b1, . . . , bn āˆˆ LĪŗ.Da Īŗ eine Limesordinalzahl ist, existiert ein Ī± < Īŗ mit a, b1, . . . , bn āˆˆ LĪ±.

Wir machen jetzt den Beweis des Reflexionsprinzips in LĪŗ nach, um zu zeigen,dass ein Ī² < Īŗ existiert, so dass Ļ†(x, y1, . . . , yn) in LĪŗ absolut uber LĪ² ist. SetzeĪ²0 := Ī±. Angenommen, fur n āˆˆ Ļ‰ kennen wir bereits Ī²n āˆˆ Īŗ. Wahle Ī²n+1 āˆˆ Īŗ,so dass fur jede Teilformel der Form āˆƒzĻˆ(z, z1, . . . , zm) von Ļ† folgendes gilt: Furalle c1, . . . , cm āˆˆ LĪ²n mit āˆƒz āˆˆ LĪŗ Ļˆ

LĪŗ(z, c1, . . . , cm) gibt es ein c āˆˆ LĪ²n+1 mitĻˆLĪŗ(c, c1, . . . , cn). Das geht, da fur alle Ī³ < Īŗ die Machtigkeit von LĪ³ echt kleinerist als Īŗ.

Da Īŗ regular ist und > Ļ‰, ist Ī² := supnāˆˆĻ‰ Ī²n < Īŗ. Wie im Beweis des Reflex-ionsprinzips sieht man, dass Ļ†(x, y1, . . . , yn) in LĪŗ absolut ist uber LĪ² .

Damit ist

{x āˆˆ a : Ļ†LĪŗ(x, b1, . . . , bn)} = {x āˆˆ a : Ļ†LĪ² (x, b1, . . . , bn)}.Die Menge auf der rechten Seite der Gleichung ist aber eine definierbare Teilmengevon LĪ² , also ein Element von LĪ²+1 und damit von LĪŗ. Das zeigt das Aussonde-rungsaxiom in LĪŗ.

Es bleibt, das Ersetzungsaxiom nachzurechnen. Sei F eine Funktion auf LĪŗ unda āˆˆ LĪŗ. Wir suchen eine Obermenge von F [a] in LĪŗ. Sei Ī± < Īŗ so, dass a āˆˆ LĪ±

gilt. Dann ist a āŠ† LĪ± und damit |a|ā‰¤|LĪ±|=|Ī±|< Īŗ. Wegen der Regularitat von Īŗ istsup((Ļ ā—¦ F )[a]) < Īŗ. Setze Ī² := sup((Ļ ā—¦ F )[a]) + 1. Dann gilt F [a] āŠ† LĪ² āˆˆ LĪŗ. ļæ½

Satz 5.12. V = L impliziert GCH.

Beweis. Angenommen V = L. Sei Īŗ eine unendliche Kardinalzahl. Wir zeigenP(Īŗ) āŠ† LĪŗ+ . Wegen |LĪŗ+|= Īŗ+ folgt daraus 2Īŗ = Īŗ+.

Sei also A āŠ† Īŗ. Wahle eine regulare Kardinalzahl Ī» > Īŗ mit A āˆˆ LĪ». Sei Mein elementares Submodell von LĪ» mit LĪŗ āˆŖ {A} āŠ† M und |M |= Īŗ. M existiertnach dem Satz von Lowenheim-Skolem. Da M das Extensionalitatsaxiom erfullt,existieren eine transitive Menge T und ein Isomorphismus Āµ : (M,āˆˆ) ā†’ (T,āˆˆ), derMostowski-Kollaps von M .

Da LĪŗ transitiv ist und A eine Teilemenge von LĪŗ, ist auch LĪŗ āˆŖ {A} transitiv.Wegen der Eindeutigkeit des Mostowski-Kollapsā€™ ist Āµ auf LĪŗ āˆŖ {A} die Identitat.Insbesondere ist A āˆˆ T . Da T isomorph zu M ist und da M ein elementares Submo-dell von LĪ» ist, glaubt T , die Vereinigung der LĪ±, Ī± āˆˆ Ord, zu sein. Da T transitivesModell von ZF ohne das Potenzmengenaxiom ist und wegen der Absolutheit derFunktion Ī± 7ā†’ LĪ± (und wegen der Absolutheit der Ordinalzahlen) uber solchenKlassen gilt

T =ā‹ƒ

Ī±āˆˆTāˆ©Ord

LĪ±.

Wegen der Transitivitat von T ist T āˆ© Ord aber selbst eine Ordinalzahl Ī². Damitist T = LĪ² . Insbesondere gilt A āˆˆ LĪ² . Wegen | T |= Īŗ ist Ī² < Īŗ+. Das zeigtP(Īŗ) āŠ† LĪŗ+ . ļæ½

16 STEFAN GESCHKE

6. Forcing

Ziel dieses Abschnittes ist es, einen Weg zu finden, das Universum zu vergroƟern.Als Mittel zum Zweck dienen dabei sogenannte generische Filter uber Halbordnun-gen.

6.1. Halbordnungen, Filter und dichte Mengen.

Definition 6.1. Sei P eine Menge und ā‰¤ eine zweistellige Relation auf P. (P,ā‰¤)ist eine Halbordnung oder auch eine partielle Ordnung, falls gilt:

(i) (Transitivitat) āˆ€x, y, z āˆˆ P(x ā‰¤ y āˆ§ y ā‰¤ z ā†’ x ā‰¤ z)(ii) (Reflexivitat) āˆ€x āˆˆ P(x ā‰¤ x)(iii) (Antisymmetrie) āˆ€x, y āˆˆ P(x ā‰¤ y āˆ§ y ā‰¤ xā†’ x = y))Die Elemente von P heiƟen Bedingungen. Fur p, q āˆˆ P mit p ā‰¤ q sagen wir p

erweitert q oder auch p ist starker als q. Zwei Bedingungen p, q āˆˆ P sind kompatibel,falls sie eine gemeinsame Erweiterung haben, d.h., falls es eine Bedingung r āˆˆ P mitr ā‰¤ p und r ā‰¤ q gibt. Sonst heiƟen p und q inkompatibel. Im diesem Fall schreibtman p āŠ„ q. Aus technischen Grunden betrachten wir nur partielle Ordnungen P,die ein groƟtes Element haben. Dieses wird mit 1 bezeichnet.

Wenn mehrere Halbordnungen gleichzeitig betrachtet werden, so versieht manā‰¤, āŠ„ und 1 gerne noch mit einem Index, der anzeigt, uber welche Halbordnunggerade gesprochen wird. Zum Beispiel wird das groƟte Element von P dann mit 1Pbezeichnet.

Wir betrachten ein paar Beispiele. (N,ā‰¤) ist in unserem Sinne keine Halbord-nung, weil es kein groƟtes Element gibt. (N,ā‰„) ist in unserem Sinne eine Halbord-nung, aber langweilig, weil je zwei Elemente kompatibel sind.

Sei O die Menge aller offenen, nichtleeren Teilmengen von R. Dann ist (O,āŠ†)eine sehr schone Halbordnung. Zwei nichtleere, offene Teilmengen von R sind indieser Halbordnung genau dann kompatibel, wenn ihr Durchschnitt nicht leer ist.Das groƟte Element von O ist R.

In gewisser Weise dual zu O ist die Halbordnung M aller messbaren Teilmengenvon R, deren MaƟ echt groƟer als 0 ist. Die Ordnung ist wieder āŠ†. Zwei Elementevon M sind genau dann inkompatibel, wenn ihr Durchschnitt eine Nullmenge ist.Man beachte, dass die Bezeichnungen M und O keine Standardbezeichnungen sind,sondern nur ad hoc gewahlt. In der Literatur betrachtet man diese Halbordnun-gen ublicherweise in etwas anderer Form. Anstelle von O betrachtet man die engmit O zusammenhangende Cohenalgebra C (bitte nicht mit den komplexen Zahlenverwechseln) und anstelle von M die MaƟalgebra B.

Eine weitere, sehr schone Halbordnung ist

Fn(X, 2) := {p : p ist Funktion von einer endlichen Teilmenge von X nach 2}fur eine beliebige Menge X. Die Ordnung auf Fn(X, 2) ist āŠ‡, die umgekehrte men-gentheoretische Inklusion. Das groƟte Element von Fn(X, 2) ist die leere Funktion.Zwei Bedingungen p, q āˆˆ Fn(X, 2) sind genau dann kompatibel, wenn ihre Verei-nigung eine Funktion ist. Man kann sich die Elemente von Fn(X, 2) als moglicheendliche Approximationen einer Funktion von X nach 2 vorstellen. Die Halbord-nung Fn(Ļ‰, 2) ist ubrigens fur unsere Zwecke praktisch dasselbe wie O und C. (Wirwerden spater feststellen, warum.)

Definition 6.2. Sei (P,ā‰¤) eine Halbordnung und D āŠ† P. Dann liegt D dicht in P,wenn es fur alle p āˆˆ P ein q āˆˆ D mit q ā‰¤ p gibt. Fur p āˆˆ P ist D āŠ† P dicht unterhalbvon p, wenn es fur jedes q ā‰¤ p ein r āˆˆ D mit r ā‰¤ q gibt. Eine Menge A āŠ† P isteine Antikette, wenn die Elemente von A paarweise inkompatibel sind. Eine MengeG āŠ† P ist ein Filter, falls gilt:

MODELLE DER MENGENLEHRE 17

(i) āˆ€p āˆˆ Pāˆ€q āˆˆ G(q ā‰¤ pā†’ p āˆˆ G)(ii) āˆ€p, q āˆˆ Gāˆƒr āˆˆ G(r ā‰¤ p āˆ§ r ā‰¤ q)

Ist D eine Familie dichter Teilmengen von P und G āŠ† P ein Filter, so heiƟt GD-generisch, falls G jedes Element von D schneidet.

Wie sehen dichte Teilmengen von O aus? Ist D āŠ† O dicht, so ist X :=ā‹ƒD eine

offene Menge, da X Vereinigung offener Mengen ist. Die Dichtheit von D bedeutet,dass es fur jede nichtleere, offene Menge U āŠ† R ein V āˆˆ D mit V āŠ† U gibt. Dadie leere Menge kein Element von O ist und damit auch nicht von D, folgt, dassjede nichtleere, offene Menge U āŠ† R die Menge X schneidet. Also ist X dicht imtopologischen Sinne.

Sei umgekehrt X āŠ† R dicht im topologischen Sinne und offen. Setze D := {V āˆˆO : V āŠ† X}. Wegen der Dichtheit von X gilt X āˆ© U 6= āˆ… fur jede nichtleere, offeneTeilmenge von R. Insbesondere ist fur alle U āˆˆ O die Menge V := X āˆ© U einElement von D, welches U erweitert (im Halbordnungssinne). Also ist D dicht inO. Beachte, dass die Vereinigung uber D wieder genau die Menge X ist. Aber nichtjede dichte Teilmenge von O ist die Menge aller nichtleeren, offenen Teilmengeneiner bestimmten offenen, topologisch dichten Teilmenge von R. Sei zum BeispielĪµ > 0 und

DĪµ := {U āˆˆ O : U ist offenes Intervall mit einer Lange < Īµ}.

Jedes DĪµ ist dicht in O und es giltā‹ƒDĪµ = R. Aber offenbar ist DĪµ 6= O.

Sei nun x eine reelle Zahl. Dann ist Gx := {U āˆˆ O : x āˆˆ U} ein Filter in O,der {DĪµ : Īµ > 0}-generisch ist. Ist umgekehrt G āŠ† O ein Filter, der {DĪµ : Īµ > 0}-generisch ist, so gibt es genau eine reelle Zahl x mit x āˆˆ

ā‹‚UāˆˆG U . Es gilt jedoch

nicht unbedingt x āˆˆā‹‚G.

Ubung 6.3. Betrachte die Halbordnung Fn(Ļ‰, 2). Zeige:

(1) Ist G āŠ† Fn(Ļ‰, 2) ein Filter, so istā‹ƒG eine Funktion.

(2) Fur alle n āˆˆ Ļ‰ ist Dn := {p āˆˆ Fn(Ļ‰, 2) : n āˆˆ dom(p)} dicht in Fn(Ļ‰, 2).(3) Ist G āŠ‚ Fn(Ļ‰, 2) ein {Dn : n āˆˆ Ļ‰}-generischer Filter, so ist

ā‹ƒG eine

Funktion von Ļ‰ nach 2.(4) Fur jede Funktion f : Ļ‰ ā†’ 2 ist die Menge Gf := {p āˆˆ Fn(Ļ‰, 2) : p āŠ† f}

ein {Dn : n āˆˆ Ļ‰}-generischer Filter.

Folgender Satz liefert die Existenz ausreichend generischer Filter und ist in Wirk-lichkeit eine Variante des Baireschen Kategoriensatzes.

Satz 6.4. (Satz von Rasiowa-Sikorsky) Sei (P,ā‰¤) eine Halbordnung und D ei-ne abzahlbare Familie dichter Teilmengen von P. Dann existiert ein D-generischerFilter G āŠ† P.

Beweis. Sei {Dn : n āˆˆ Ļ‰} eine Aufzahlung von D. Wahle eine Folge (pn)nāˆˆĻ‰ āˆˆ Pwie folgt: Die Bedingung p0 sei ein Element von D0. Angenommen fur n āˆˆ Ļ‰ sei pn

bereits definiert. Wahle pn+1 ā‰¤ pn mit pn+1 āˆˆ Dn+1. Das geht, da Dn+1 dicht ist.Setze nun

G := {p āˆˆ P : āˆƒn āˆˆ Ļ‰(pn ā‰¤ p)}.Aus der Definition von G folgt sofort, dass Bedingung (i) in Definition 6.2 erfulltist. Fur (ii) seien p, q āˆˆ G. Dann existieren n,m āˆˆ Ļ‰ mit pn ā‰¤ p und pm ā‰¤ q.O.B.d.A. sei n ā‰¤ m. Da die pi eine fallende Folge bilden, gilt pm ā‰¤ p und pm ā‰¤ q.AuƟerdem ist pm āˆˆ G. Das zeigt Bedingung (ii) in Definition 6.2.

Fur die Generizitat von G sei n āˆˆ Ļ‰. Offenbar gilt pn āˆˆ G. Nach Wahl von pn

ist pn āˆˆ Dn und damit G āˆ©Dn 6= āˆ…. ļæ½

18 STEFAN GESCHKE

Ubung 6.5. Seien (A,ā‰¤A) und (B,ā‰¤B) abzahlbar unendliche, dichte lineare Ord-nungen ohne Endpunkte. Zeige, dass A und B isomorph sind.

Anleitung: Benutze den Satz von Rasiowa und Sikorski. Betrachte dazu die Halb-ordung P der endlichen partiellen Isomorphismen zwischen A und B, geordnet durchumgekehrte Inklusion. Finde eine abzahlbare Familie D dichter Teilmengen von P,so dass fur jeden D-generischen Filter G āŠ† P die Funktion

ā‹ƒG ein Isomorphismus

zwischen A und B ist. Man orientiere sich insgesamt an Ubung 6.3.

6.2. Generische Erweiterungen. Um die Konsistenz von ZFC+Ā¬CH zu zeigen,genugt es nach dem Kompaktheitssatz der Pradikatenlogik zu zeigen, dass jedeendliche Teilmenge von ZFC+Ā¬CH widerspruchsfrei ist. Naturlich mussen wir vor-aussetzen, dass ZFC selbst konsistent ist. Wir stellen uns vor, dass wir in einemUniversum V leben, das alle Axiome von ZFC erfullt. Sei F eine endliche Men-gen von Aussagen in ZFC+Ā¬CH. Wir zeigen, dass es dann eine endliche Menge F ā€²

von Axiomen in ZFC gibt, so dass wir aus einem abzahlbaren, transitiven ModellM von F ā€² ein abzahlbares, transitives Modell N von F konstruieren konnen. DieKonstruktion von N aus M hangt dabei nicht von der Menge F ab. Wir werdeneinfach so tun, als ware M ein abzahlbares transitives Modell von ganz ZFC. Dannkonstruieren wir die Menge N . Wenn wir nun fur ein Axiom Ļ† von ZFC+Ā¬CHnachweisen wollen, dass Ļ† in N gilt, so genugt es zu wissen, dass M eine gewisseendliche Menge von Axiomen in ZFC erfullt.

Um endlich viele Axiome von ZFC+Ā¬CH in N nachzuweisen, genugt es also zuwissen, dass M eine gewisse endliche Menge von Axiomen von ZFC erfullt. Und dieExistenz abzahlbarer transitiver Modelle von beliebigen endlichen Teilmengen vonZFC folgt aus dem Reflexionsprinzip, dem Satz von Lowenheim-Skolem, und derExistenz des Mostowski-Kollapsā€™ von extensionalen, fundierten Strukturen.

Damit konnen wir, auch wenn wir in ZFC nicht zeigen konnen, dass es abzahlba-re transitive Modelle von ZFC gibt, doch so tun, als gabe es solche. (In Wirklichkeithaben wir oben aus der Konsistenz von ZFC die Konsistenz folgender Menge vonAussagen abgeleitet: Wir fuhren in die Sprache der Mengenlehre noch ein Kon-stantensymbol M ein. Unsere Menge von Aussagen sei ZFC zusammen mit ZFCM ,also allen Relativierungen von ZFC-Axiomen nach M , und der Aussage ā€œM istabzahlbar und transitivā€.)

Sei nun M ein abzahlbares transitives Modell von ZFC und (P,ā‰¤) eine Halb-ordnung in M . Fur jedes D āˆˆ M ist die Eigenschaft, dichte Teilmenge von P zusein, absolut uber M , da die entsprechende Formel āˆ†0 ist. Nach Satz 6.4 existiertein Filter G āŠ† P, der alle dichten Teilmengen von P schneidet, die Elemente vonM sind. So ein Filter heiƟt P-generisch uber M . (Man beachte die leichte Inkonsi-stenz mit der Definition eines D-generischen Filters fur eine Familie D von dichtenTeilmengen von P.)

Ubung 6.6. Sei (P,ā‰¤) āˆˆM eine Halbordnung, so dass fur alle p āˆˆ P zwei Elementeq0, q1 ā‰¤ p mit q0 āŠ„ q1 existieren. G sei P-generisch uber M . Zeige G 6āˆˆM .

Anleitung: Angenommen G āˆˆ M . Finde eine dichte Menge D āˆˆ M , die G nichtschneidet.

Wir wollen nun die generische Erweiterung M [G] von M konstruieren. M [G]wird folgende Eigenschaften haben:

(i) M [G] ist ein abzahlbares, transitives Modell von ZFC,(ii) M āŠ†M [G], G āˆˆM [G], Ordāˆ©M = Ordāˆ©M [G] und(iii) M [G] ist das kleinste Modell von ZFC, das M umfasst und G enthalt.

Wenn die Halbordnung P geschickt gewahlt ist, wird M [G] auch Ā¬CH erfullen.Um M [G] zu definieren, benotigen wir das Konzept der P-Namen.

MODELLE DER MENGENLEHRE 19

Definition 6.7. Eine Menge Ļ„ ist ein P-Name, wenn Ļ„ eine Menge von Paaren istund fur jedes Paar (Ļƒ, p) āˆˆ Ļ„ gilt: p āˆˆ P und Ļƒ ist ein P-Name. MP sei die Klassealler P-Namen in M .

Beachte, dass die Definitionen von P-Namen rekursiv ist, wobei die Rekursions-vorschrift absolut uber M ist. Ein Element von M ist also genau dann ein P-Namein M , wenn es P-Name in V ist.

Die Elemente von MP sollte man sich als Namen fur Elemente von M [G] vor-stellen. Um aus einem Namen das entsprechende Element von M [G] zu machen,benutzt man G.

Definition 6.8. Sei G ein P-generischer Filter uber M . Fur Ļ„ āˆˆMP sei

Ļ„G := {ĻƒG : āˆƒp āˆˆ G((Ļƒ, p) āˆˆ Ļ„)}

die Auswertung von Ļ„ in Bezug auf G. Weiter sei

M [G] := {Ļ„G : Ļ„ āˆˆMP}.

Man beachte folgendes: G ist ublicherweise (d.h., auƟer in trivialen Fallen) keinElement von M . Damit brauchen auch die Ļ„G, Ļ„ āˆˆ MP, keine Elemente von M zusein.

Die Absolutheit der Definition der Ļ„G liefert sofort

Lemma 6.9. Ist N transitives Modell von ZFC mit M āŠ† N und G āˆˆ N , so giltM [G] āŠ† N .

Um M āŠ†M [G] zu zeigen, mussen wir fur jedes x āˆˆM einen Namen x angeben,fur den x = xG gilt.

Definition 6.10. Fur alle x sei x := {(y, 1P) : y āˆˆ x} der kanonische Name von x.

Lemma 6.11. Fur alle x āˆˆM ist xG = x.

Beweis. Induktion uber den Rang von x. Wir benutzen hierbei 1P āˆˆ G. ļæ½

Um G āˆˆM [G] zu zeigen, mussen wir einen Namen fur G angeben.

Definition 6.12. Setze Ī“ := {(p, p) : p āˆˆ P}.

Lemma 6.13. Ī“G = G.

Beweis. Ī“G = {pG : p āˆˆ G} = {p : p āˆˆ G} = G. ļæ½

Wir sammeln ein paar Eigenschaften von M [G].

Lemma 6.14. a) M [G] ist transitiv.b) Fur alle Ļ„ āˆˆMP ist rk(Ļ„G) ā‰¤ rk(Ļ„).c) Ordāˆ©M = Ordāˆ©M [G].

Beweis. Fur a) sei y āˆˆ M [G] und x āˆˆ y. Dann existiert ein Ļ„ āˆˆ MP mit y = Ļ„G.Wegen x āˆˆ y existiert ein Paar (Ļƒ, p) āˆˆ Ļ„ mit p āˆˆ G und ĻƒG = x. Offenbar istx āˆˆM [G].

Induktion uber die Relation āˆˆ liefert b). In c) folgt Ordāˆ©M āŠ† Ordāˆ©M [G] sofortaus M āŠ† M [G]. Sei nun Ī± āˆˆ Ordāˆ©M [G]. Wahle Ļ„ āˆˆ MP mit Ļ„G = Ī±. Nach b) istĪ± = rk(Ī±) ā‰¤ rk(Ļ„) āˆˆM . Wegen der Transitivitat von M folgt daraus Ī± āˆˆM . ļæ½

Der einfachere Teil des Nachweises von ZFC in M [G] ist

Lemma 6.15. M [G] erfullt das Fundierungs-, Extensionalitats-, Paarmengen-,und Vereinigungsaxiom.

20 STEFAN GESCHKE

Beweis. Das Extensionalitatsaxiom folgt aus der Transitivitat von M [G]. Das Fun-dierungsaxiom folgt aus der Fundiertheit von āˆˆ in V . Fur das Paarmengenaxi-om seien x, y āˆˆ M [G]. Wahle Ļƒ, Ļ„ āˆˆ MP mit ĻƒG = x und Ļ„G = y. Setze Ļ :={(Ļƒ, 1P), (Ļ„, 1P)}. Offenbar gilt Ļ āˆˆMP sowie ĻG = {x, y}.

Fur das Vereinigungsaxiom sei F āˆˆM [G]. Wahle Ļ„ āˆˆMP mit Ļ„G = F . Setze

Ļƒ := {(Ļ, 1P) : āˆƒp, q āˆˆ PāˆƒĻ€ āˆˆMP((Ļ€, p) āˆˆ Ļ„ āˆ§ (Ļ, q) āˆˆ Ļ€)}.

Offenbar ist Ļƒ āˆˆMP.Wir zeigen

ā‹ƒF āŠ† ĻƒG. Sei x āˆˆ

ā‹ƒF . Dann existiert y āˆˆ F mit x āˆˆ y. D.h., es

gibt Ļ€, Ļ āˆˆ MP und p, q āˆˆ G mit Ļ€G = y, ĻG = x, (Ļ, q) āˆˆ Ļ€ und (Ļ€, p) āˆˆ Ļ„ . NachDefinition von Ļƒ ist (Ļ, 1P) āˆˆ Ļƒ und damit x āˆˆ ĻƒG. Das zeigt das Vereinigungsaxiomin M [G]. ļæ½

Die technischen Hilfsmittel, die benotigt werden, um den Rest von ZFC in M [G]nachzuweisen, werden im nachsten Abschnitt bereitgestellt. Zunachst stellen wirnoch ein paar Tatsachen uber generische Filter fest.

Definition 6.16. Eine Teilmenge D einer Halbordnung P heiƟt pradicht, wenn dieMenge {p āˆˆ P : āˆƒq āˆˆ D(p ā‰¤ q)} dicht ist. D āŠ† P heiƟt pradicht unterhalb von p āˆˆ P,falls {r āˆˆ P : āˆƒq āˆˆ D(r ā‰¤ q)} dicht unterhalb von p ist. Eine Menge O āŠ† P heiƟtoffen, falls fur alle p āˆˆ P und alle q āˆˆ O mit p ā‰¤ q gilt: p āˆˆ O.

Ein gutes Beispiel fur pradichte Mengen sind maximale Antiketten (maximalbezuglich āŠ†). Ist A āŠ† P eine Antikette, so ist A offenbar genau dann maximal,wenn fur alle p āˆˆ P ein q āˆˆ A existiert, so dass p und q kompatibel sind. Ist alsoA maximale Antikette in P, so ist die Menge {p āˆˆ P : āˆƒq āˆˆ A(p ā‰¤ q)} eine dichte,offene Teilmenge von P und damit A pradicht.

Umgekehrt enthalt jede dichte Teilmenge von P eine maximale Antikette: SeiD āŠ† P dicht. Wahle A āŠ† D maximal mit der Eigenschaft, dass je zwei Elementevon A inkompatibel sind. Dann ist A eine maximale Antikette in P. Falls nicht, soexistiert ein p āˆˆ P, das zu allen Elementen von A inkompatibel ist. Ist q ā‰¤ p undq āˆˆ D, so ist auch q zu allen Elementen von A inkompatibel, ein Widerspruch zurMaximalitat von A in D.

Lemma 6.17. Sei M abzahlbares, transitives Modell von ZFC, P āˆˆ M eine Halb-ordnung und G āŠ† P ein Filter.

a) Ist G generisch uber M und p āˆˆ P, so gilt

p āˆˆ Gā†” āˆ€q āˆˆ G(p 6āŠ„ q).

b) Folgende Aussagen sind aquivalent:(1) G ist generisch uber M .(2) G schneidet jede pradichte Menge D āŠ† P mit D āˆˆM .(3) G schneidet jede dichte, offene Menge D āŠ† P mit D āˆˆM .

c) Sei p āˆˆ G. Dann sind folgende Aussagen aquivalent:(1) G ist generisch uber M .(2) G schneidet jede Menge D āŠ† P mit D āˆˆM , die dicht unterhalb von p ist.(3) G schneidet jede Menge D āŠ† P mit D āˆˆ M , die pradicht unterhalb von p

ist.

Beweis. a) Ist p āˆˆ G, so ist p kompatibel zu allen Elementen von G. Fur die andereRichtung sei p kompatibel mit allen Elementen von G. Die Menge D := {q āˆˆ P :q ā‰¤ p āˆØ q āŠ„ p} ist dicht in P. Sei namlich r āˆˆ P. Angenommen, r 6āŠ„ p. Danndann existiert q āˆˆ P mit q ā‰¤ r, p. Insbesondere ist q ā‰¤ r und q āˆˆ D. Das zeigt dieDichtheit von D. Offenbar gilt D āˆˆM . Wegen der Generizitat von G ist Dāˆ©G 6= āˆ….

MODELLE DER MENGENLEHRE 21

Sei q āˆˆ Gāˆ©D. Da p mit q kompatibel ist, gilt nach der Definition von D: q ā‰¤ p. Esfolgt p āˆˆ G.

b) Offenbar gilt (2) ā‡’ (1) ā‡’ (3). Es bleibt (3) ā‡’ (2) zu zeigen. Angenommen,G schneidet jede dichte, offene Teilmenge von P, die Element von M ist. Sei D āŠ† Ppradicht und ein Element von M . Dann ist Dā€² := {p āˆˆ P : āˆƒq āˆˆ D(p ā‰¤ q)} dicht,offen und ein Element von M . Nach Annahme ist existiert ein p āˆˆ G āˆ© Dā€². Nachder Definition von Dā€² existiert ein q āˆˆ D mit p ā‰¤ q. Da G Filter ist, gilt q āˆˆ G.Also ist G āˆ©D 6= āˆ….

c) Die Aquivalenz von (2) und (3) sieht man wie die Aquivalenz der entsprechen-den Aussagen in b). Fur (1) ā‡’ (2) sei G generisch uber M und D āˆˆM dicht unter-halb von p. O.B.d.A. konnen wir annehmen, dass D nur Elemente unterhalb von penthalt. Wie im Beweis von a) sieht man, dass die Menge Dā€² := {q āˆˆ P : q āŠ„ p}āˆŖDdicht in P ist. Offenbar istDā€² āˆˆM . Wegen der Generiztat von G existiert q āˆˆ Dā€²āˆ©G.Wegen p āˆˆ G ist p kompatibel mit q. Also ist q āˆˆ D und damit G āˆ©D 6= āˆ….

Fur (2) ā‡’ (1) genugt es zu bemerken, dass jede dichte Teilmenge von P auchdicht unterhalb von p ist. ļæ½

6.3. Die Forcing-Relation. Wir brauchen eine Methode, Gultigkeit von Formelnin M [G] in gewissem MaƟe schon in M zu beschreiben. Das leistet die Forcing-Relation . Auf der linken Seite der Relation stehen dabei Bedingungen aus P undauf der rechten Seite Formeln aus der Forcing-Sprache. Die Forcing-Sprache bestehtaus allen Zeichenfolgen der Form Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n), wobei Ļ„1, . . . , Ļ„n P-Namen sind,Ļ†(x1, . . . , xn) eine Formel in der Sprache der Mengenlehre mit den freien Variablenx1, . . . , xn ist und Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n) durch Substitution der Variablen x1, . . . , xn durchdie Namen Ļ„1, . . . , Ļ„n entsteht.

Definition 6.18. Seien Ļ„1, . . . , Ļ„n āˆˆ MP, Ļ†(x1, . . . , xn) eine Formel und p āˆˆ P.Dann setzt man

p Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)genau dann, wenn fur alle P-generischen Filter G uber M mit p āˆˆ G gilt:

M [G] |= Ļ†((Ļ„1)G, . . . , (Ļ„n)G)

Das Zeichen wird ā€erzwingtā€œ gelesen.

Uberraschender Weise lasst sich die Relation in M definieren, also ohne dieKenntnis irgendwelcher generischer Filter uber M . Ziel dieses Abschnittes ist es,genau das zu zeigen.

Definition 6.19. Fur eine Formel Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n) aus der Forcing-Sprache von M sei

[[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]] := {p āˆˆ P : p Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)}der Wahrheitswert von Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n).

Man beachte, dass diese Definition der Wahrheitswerte keine Standard-Definitionist. Ublicherweise definiert man Wahrheitswerte nur, wenn die Halbordnung P vonder Form B \ {0} ist, wobei B eine vollstandige Boolesche Algebra ist und 0 daskleinste Element von B. In diesem Falle setzt man

[[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]] := sup{a āˆˆ B \ {0} : a Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)}.Da Suprema in allgemeinen Halbordnungen P jedoch nicht existieren mussen, be-gnugen wir uns mit der oben angegebenen, etwas weniger eleganten Definition von[[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]].

Wir halten ein paar elementare Eigenschaften von Wahrheitswerten fest.

Lemma 6.20. Sei Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n) eine Formel aus der Forcing-Sprache von M .Dann ist [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]] eine offene Teilmenge von P. Ist p āˆˆ P und [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]]pradicht unterhalb von p, so ist p āˆˆ [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]].

22 STEFAN GESCHKE

Beweis. Angenommen p Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n). Sei q ā‰¤ p. Dann gilt p āˆˆ G fur jedenFilter G mit q āˆˆ G. Insbesondere gilt q Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n). Das zeigt die Offenheit von[[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]].

Sei nun [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]] pradicht unterhalb von p āˆˆ P und G P-generisch uber Mmit p āˆˆ G. Wegen der Offenheit von [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]] ist bereits die Menge

D = {q āˆˆ P : q ā‰¤ p āˆ§ q āˆˆ [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]]}pradicht unterhalb von p. Nach Lemma 6.17 c) existiert q āˆˆ G āˆ© D. Wegen q āˆˆ[[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]] gilt

M [G] |= Ļ†((Ļ„1)G, . . . , (Ļ„n)G).Da G beliebig war mit p āˆˆ G, folgt daraus p Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n), also p āˆˆ [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]].

ļæ½

MODELLE DER MENGENLEHRE 23

Um zu zeigen, dass inM definierbar ist, genugt es naturlich nachzuweisen, dassdie Abbildung Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n) 7ā†’ [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]] in M definierbar ist. Dazu definierenwir fur alle Formeln Ļ†(x1, . . . , xn) und alle Ļ„1, . . . , Ļ„n āˆˆ MP eine Approximation[[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]]āˆ— von [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]] und rechnen nach, dass die beiden Mengen gleichsind.

In den folgenden Definitionen und Bemerkungen tun wir so, als ob wir in Mleben.

Definition 6.21. Fur A āŠ† P sei

reg(A) := {p āˆˆ P : A ist pradicht unterhalb von p}die Regularisierung von A. Wir nennen A āŠ† P regular offen, falls A = reg(A) gilt.Fur A,B āŠ† P sei

A+B := reg(AāˆŖB), A Ā·B := reg(A)āˆ©reg(B) und āˆ’A := {p āˆˆ P : āˆ€q āˆˆ A(p āŠ„ q)}.Fur p āˆˆ P und A āŠ† P sei A Ā· p := p Ā· A := A Ā· reg({p}) und āˆ’p := āˆ’ reg({p}). FurF āŠ† P(P) sei āˆ‘

F := reg(ā‹ƒF) und

āˆF :=

ā‹‚{reg(A) : A āˆˆ F}.

Beachte, dass reg(A) offen ist und alle p āˆˆ P enthalt, unter denen reg(A) pradichtist. Die Menge reg(A) ist die kleinste Obermenge von A mit diesen Eigenschaften.Alle Teilmengen von P, die durch Anwendung einer der oben definierten Opera-tionen enstehen, sind regular offen. Die Menge aller regular offenen Teilmengenvon P wird mit ro(P) bezeichnet und ist mit den oben definierten Operationen einevollstandige Boolesche Algebra, die Vervollstandigung von P. Mittels der Abbildunge : P ā†’ ro(P); p 7ā†’ reg({p}) lasst sich jedes Element von P als Element von ro(P)auffassen.

Ubung 6.22. a) Zeige, dass das Bild von e in ro(P) dicht liegt. Dabei heiƟt eineTeilmenge D einer Booleschen Algebra A dicht in A, wenn D in A \ {0} dicht ist,wobei 0 das kleinste Element von A bezeichnet.

b) Seien p, q āˆˆ P. Zeige, dass e(p) = e(q) genau dann gilt, wenn fur alle r āˆˆ Pgilt: r āŠ„ pā‡” r āŠ„ q.

c) Die Halbordnung P heiƟt separativ, wenn fur alle p, q āˆˆ P mit p 6ā‰¤ q ein r ā‰¤ pmit r āŠ„ q existiert. Zeige, dass e genau dann injektiv ist, wenn P separativ ist.

Definition 6.23. Seien Ļƒ und Ļ„ P-Namen. Setze

[[Ļƒ āˆˆ Ļ„ ]]āˆ— :=āˆ‘

{[[Ļƒ = Ļ]]āˆ— Ā· p : (Ļ, p) āˆˆ Ļ„},

[[Ļƒ āŠ† Ļ„ ]]āˆ— :=āˆ{āˆ’p+ [[Ļ āˆˆ Ļ„ ]]āˆ— : (Ļ, p) āˆˆ Ļƒ}

und[[Ļƒ = Ļ„ ]]āˆ— := [[Ļƒ āŠ† Ļ„ ]]āˆ— Ā· [[Ļ„ āŠ† Ļƒ]]āˆ—.

Seien Ļ†(Ļƒ1, . . . , Ļƒn) und Ļˆ(Ļ„1, . . . , Ļ„m) Formeln in der Forcingsprache. Setze

[[Ļ†(Ļƒ1, . . . , Ļƒn) āˆ§ Ļˆ(Ļ„1, . . . , Ļ„m)]]āˆ— := [[Ļ†(Ļƒ1, . . . , Ļƒn)]]āˆ— Ā· [[Ļˆ(Ļ„1, . . . , Ļ„m)]]āˆ—,

[[Ļ†(Ļƒ1, . . . , Ļƒn) āˆØ Ļˆ(Ļ„1, . . . , Ļ„m)]]āˆ— := [[Ļ†(Ļƒ1, . . . , Ļƒn)]]āˆ— + [[Ļˆ(Ļ„1, . . . , Ļ„m)]]āˆ—

und[[Ā¬Ļ†(Ļƒ1, . . . , Ļƒn)]]āˆ— := āˆ’[[Ļ†(Ļƒ1, . . . , Ļƒn)]]āˆ—.

Sei Ļ†(x, y1, . . . , yn) eine Formel in der Sprache der Mengenlehre und seien Ļ„1, . . . , Ļ„nP-Namen. Setze

[[āˆƒxĻ†(x, Ļ„1, . . . , Ļ„n)]]āˆ— :=āˆ‘

{[[Ļ†(Ļƒ, Ļ„1, . . . , Ļ„n)]]āˆ— : Ļƒ ist ein P-Name}

und

[[āˆ€xĻ†(x, Ļ„1, . . . , Ļ„n)]]āˆ— :=āˆ{[[Ļ†(Ļƒ, Ļ„1, . . . , Ļ„n)]]āˆ— : Ļƒ ist ein P-Name}.

24 STEFAN GESCHKE

Man beachte die subtile Rekursion in dieser Definition. Fur P-Namen Ļƒ0, Ļƒ1, Ļ„0, Ļ„1sei (Ļƒ0, Ļ„0)R(Ļƒ1, Ļ„1), falls rk(Ļƒ0) < rk(Ļƒ1) und rk(Ļ„0) ā‰¤ rk(Ļ„1) oder falls rk(Ļƒ0) ā‰¤rk(Ļƒ1) und rk(Ļ„0) < rk(Ļ„1). Die Relation R ist fundiert. [[Ļƒ = Ļ„ ]]āˆ—, [[Ļƒ āˆˆ Ļ„ ]]āˆ— und[[Ļƒ āŠ† Ļ„ ]]āˆ— werden durch Rekursion uber R definiert, wobei man zuerst [[Ļƒ āŠ† Ļ„ ]]āˆ—

und [[Ļ„ āŠ† Ļƒ]]āˆ— definiert und dann [[Ļƒ = Ļ„ ]]āˆ—. Der Rest der Definition 6.23 ist einegewohnliche Rekursion uber den Formelaufbau. Wir betrachten dabei auch Ļƒ āŠ† Ļ„als atomare Formel.

Lemma 6.24. Sei Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n) eine Formel in der Forcingsprache von M undG P-generisch uber M . Dann gilt Ļ†((Ļ„1)G, . . . , (Ļ„n)G) in M [G] genau dann, wennG āˆ© [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]]āˆ— 6= āˆ… ist.

Beweis. Wir beweisen das Lemma mittels Induktion uber den Formelaufbau. Be-achte dabei, dass Formel in der Forcingsprache von M einfach Formeln in der For-cingsprache sind, bei denen die eingesetzten Namen Elemente von M sind.

Wir betrachten zunachst atomare Formeln. Um das Lemma fur atomare Formelnzu zeigen, benutzen wir Induktion uber dieselbe fundierte Relation R, mit derenHilfe wir [[Ā·]]āˆ— fur atomare Formeln definiert haben.

Seien Ļƒ, Ļ„ āˆˆ MP. Angenommen, ĻƒG āˆˆ Ļ„G. Dann existieren Ļ āˆˆ MP und p āˆˆ Gmit (Ļ, p) āˆˆ Ļ„ und ĻƒG = ĻG. Es gilt (Ļƒ, Ļ)R(Ļƒ, Ļ„). Also gibt es nach Induktionsvor-aussetzung ein q āˆˆ [[Ļƒ = Ļ]]āˆ— āˆ© G. Wegen p, q āˆˆ G existiert r āˆˆ G mit r ā‰¤ p, q. Esgilt r āˆˆ [[Ļƒ = Ļ]]āˆ— Ā· p āŠ† [[Ļƒ āˆˆ Ļ„ ]]āˆ—.

Angenommen, G schneidet die Menge

[[Ļƒ āˆˆ Ļ]]āˆ— =āˆ‘

{[[Ļƒ = Ļ]]āˆ— Ā· p : (Ļ, p) āˆˆ Ļ„}.

Nach Definition vonāˆ‘

istā‹ƒ{[[Ļƒ = Ļ]]āˆ— Ā· p : (Ļ, p) āˆˆ Ļ„} pradicht unterhalb jedes

Elements von [[Ļƒ āˆˆ Ļ]]āˆ—. Wegen der Generizitat von G existiert also (Ļ, p) āˆˆ Ļ„ mit Gāˆ©[[Ļƒ = Ļ]]āˆ— Ā·p 6= āˆ…. Es gilt p āˆˆ G und Gāˆ© [[Ļƒ = Ļ]]āˆ— 6= āˆ…. Nach Induktionsvoraussetzungist ĻƒG = ĻG. Wegen p āˆˆ G gilt ĻG āˆˆ Ļ„G. Damit ist ĻƒG āˆˆ Ļ„G.

Sei nun ĻƒG āŠ† Ļ„G. Angenommen, G āˆ© [[Ļƒ āŠ† Ļ„ ]]āˆ— = āˆ…. Wegen der Generizitat vonG ist existiert q āˆˆ G āˆ© āˆ’[[Ļƒ āŠ† Ļ„ ]]āˆ—. Es gilt

āˆ’ [[Ļƒ āŠ† Ļ„ ]]āˆ— = āˆ’āˆ{āˆ’p+ [[Ļ āˆˆ Ļ„ ]]āˆ— : (Ļ, p) āˆˆ Ļƒ} =āˆ‘

{āˆ’(āˆ’p+ [[Ļ āˆˆ Ļ„ ]]āˆ—) : (Ļ, p) āˆˆ Ļƒ} =āˆ‘

{p Ā· āˆ’[[Ļ āˆˆ Ļ„ ]]āˆ— : (Ļ, p) āˆˆ Ļƒ}

Damit istā‹ƒ{p Ā· āˆ’[[Ļ āˆˆ Ļ„ ]]āˆ— : (Ļ, p) āˆˆ Ļƒ} pradicht unterhalb von q. Also existiert

(Ļ, p) āˆˆ Ļƒ mit G āˆ© p Ā· āˆ’[[Ļ āˆˆ Ļ„ ]]āˆ— 6= āˆ…. Insbesondere ist p āˆˆ G. Damit gilt ĻG āˆˆ ĻƒG.AuƟerdem ist G āˆ© [[Ļ āˆˆ Ļ„ ]]āˆ— = āˆ…. Nach Induktionsvoraussetzung gilt also ĻG 6āˆˆ Ļ„G.Insbesondere ist Ļƒ 6āŠ† Ļ„ .

Sei ĻƒG 6āŠ† Ļ„G. Dann existiert (Ļ, p) āˆˆ Ļƒ mit p āˆˆ G und ĻG 6āˆˆ Ļ„G. Nach Induktions-annahme schneidet G nicht die Menge [[Ļ āˆˆ Ļ„ ]]āˆ—. Wegen der Generizitat schneidetG dann aber āˆ’[[Ļ āˆˆ Ļ„ ]]āˆ—. Es folgt, dass G die Menge

p Ā· āˆ’[[Ļ āˆˆ Ļ„ ]]āˆ— = āˆ’(āˆ’p+ [[Ļ āˆˆ Ļ„ ]]āˆ—)

schneidet. Damit ist G disjunkt zu

[[Ļƒ āŠ† Ļ„ ]]āˆ— =āˆ{āˆ’p+ [[Ļ āˆˆ Ļ„ ]]āˆ— : (Ļ, p) āˆˆ Ļƒ}.

Gelte nun ĻƒG = Ļ„G. Dann ist ĻƒG āŠ† Ļ„G und Ļ„G āŠ† ĻƒG. Wenn G sowohl [[Ļƒ āŠ† Ļ„ ]]āˆ—

als auch [[Ļ„ āŠ† Ļƒ]]āˆ— schneidet, dann auch [[Ļƒ = Ļ„ ]]āˆ—.Wenn umgekehrt G die Menge [[Ļƒ = Ļ„ ]]āˆ— schneidet, dann offenbar auch [[Ļƒ āŠ† Ļ„ ]]āˆ—

und [[Ļ„ āŠ† Ļƒ]]āˆ—. Damit gilt ĻƒG = Ļ„G. Das schlieƟt das Argument fur atomare Formelnab.

MODELLE DER MENGENLEHRE 25

Fur nicht-atomare Formeln benutzen wir Induktion uber den Formelaufbau. AlleFalle gehen glatt durch und benutzen Argumente, die wir oben schon genannt haben(insbesondere mussen wir an ein paar Stellen die Generizitat von G ausnutzen). ļæ½

Mit diesem Lemma bekommen wir relativ leicht

Satz 6.25. Fur alle Formeln Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n) aus der Forcingsprache von M und allep āˆˆ P gilt p āˆˆ [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]] genau dann, wenn p āˆˆ [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]]āˆ— in M gilt.Insbesondere ist in M definierbar.

Beweis. Angenommen p Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n). Wir zeigen, dass [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]]āˆ— pradichtunterhalb von p ist. Angenommen nicht. Dann existiert ein q ā‰¤ p, das mit kei-nem Element von [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]]āˆ— kompatibel ist. Nach dem Beweis des Satzes vonRasiowa-Sikorski existiert ein P-generischer Filter G uber M mit q āˆˆ G. Wegen derWahl von q ist G disjunkt zu [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]]āˆ—. Nach Lemma 6.24 gilt in M [G] dannĀ¬Ļ†((Ļ„1)G, . . . , (Ļ„n)G). Ein Widerspruch. Das zeigt

[[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]] āŠ† [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]]āˆ—.

Sei nun p āˆˆ [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]]āˆ—. Angenommen es gibt einen P-generischen Filter Guber M mit p āˆˆ G, so dass Ļ†((Ļ„1)G, . . . , (Ļ„n)G) in M [G] falsch ist. Nach Lemma 6.24ist dann Gāˆ© [[Ā¬Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]]āˆ— 6= āˆ…. Die Bedingung p ist aber inkompatibel mit allenElementen von [[Ā¬Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]]āˆ—. Ein Widerspruch. Damit gilt p Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n).Das zeigt

[[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]]āˆ— āŠ† [[Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n)]].ļæ½

Korollar 6.26. Sei G P-generisch uber M . Fur eine Formel Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n) aus derForcingsprache von M gilt Ļ†((Ļ„1)G, . . . , (Ļ„n)G) in M [G] genau dann, wenn es einp āˆˆ G gibt mit p Ļ†(Ļ„1, . . . , Ļ„n).

6.4. ZFC in M [G]. Wie oben sei M ein abzahlbares, transitives Model von ZFCund P āˆˆM eine Halbordnung. G sei ein P-generischer Filter uber M .

Satz 6.27. M [G] ist ein Modell von ZFC.

Beweis. Nach Lemma 6.15 sind nur noch Unendlichkeits-, Aussonderungs-, Erset-zungs-, Potenzmengen- und Auswahlaxiom nachzurechnen. Das Unendlichkeitsaxi-om gilt inM [G], da Ļ‰ = Ļ‰G ein Element vonM [G] ist. Fur das Aussonderungsaxiomsei Ļ†(x, y1, . . . , yn) eine Formel und a, b1, . . . , bn āˆˆM [G]. Wir zeigen

{x āˆˆ a : M [G] |= Ļ†(x, b1, . . . , bn)} āˆˆM [G].

Seien Ļƒ, Ļ„1, . . . , Ļ„n āˆˆMP mit ĻƒG = a und (Ļ„i)G = bi fur alle i āˆˆ {1, . . . , n}. Setze

Ļ := {(Ļ€, p) : āˆƒq āˆˆ P((Ļ€, q) āˆˆ Ļƒ āˆ§ p ā‰¤ q) āˆ§ p Ļ†(Ļ€, Ļ„1, . . . , Ļ„n)}.Wegen der Definierbarkeit der Forcingrelation in M ist Ļ āˆˆ M . Wir zeigen ĻG ={x āˆˆ a : M [G] |= Ļ†(x, b1, . . . , bn)}. Sei x āˆˆ ĻG. Dann existiert (Ļ€, p) āˆˆ Ļ mit Ļ€G = xund p āˆˆ G. Nach Definition von Ļ gilt p Ļ†(Ļ€, Ļ„1, . . . , Ļ„n) und p ā‰¤ q fur ein q āˆˆ Pmit (Ļ€, q) āˆˆ Ļƒ. Damit ist x = Ļ€G āˆˆ ĻƒG, und in M [G] gilt Ļ†(Ļ€, Ļ„1, . . . , Ļ„n).

Sei nun x āˆˆ a mit M [G] |= Ļ†(x, b1, . . . , bn). Dann existiert (Ļ€, q) āˆˆ Ļƒ mit x = Ļ€G

und q āˆˆ G. AuƟerdem gibt es p āˆˆ G mit p Ļ†(Ļ€, Ļ„1, . . . , Ļ„n). Da je zwei Elementevon G eine gemeinsame Erweiterung in G haben, konnen wir p ā‰¤ q annehmen.Damit ist (Ļ€, p) āˆˆ Ļ, also x = Ļ€G āˆˆ ĻG. Das zeigt das Aussonderungsaxiom inM [G].

Fur das Ersetzungsaxiom sei Ļ†(x, y, z1, . . . , zn) eine Formel und a, b1, . . . , bn āˆˆM [G], so dass gilt:

M [G] |= āˆ€x āˆˆ aāˆƒ!y(Ļ†(x, y, b1, . . . , bn))

26 STEFAN GESCHKE

Wahle Ļƒ, Ļ„1, . . . , Ļ„n āˆˆMP mit ĻƒG = a und (Ļ„i)G = bi fur alle i āˆˆ {1, . . . , n}. Wahleeine Menge S āŠ† MP, S āˆˆ M , so dass folgendes gilt: Fur alle (Ļ€, p) āˆˆ Ļƒ und alleq ā‰¤ p mit

q āˆƒ!y(Ļ†(Ļ€, y, Ļ„1, . . . , Ļ„n))ist die Menge

{r ā‰¤ q : āˆƒĻ āˆˆ S(r Ļ†(Ļ€, Ļ, Ļ„1, . . . , Ļ„n))}dicht unterhalb von q. Betrachte den Namen S Ɨ {1}. Wir zeigen

M [G] |= āˆ€x āˆˆ aāˆƒy āˆˆ (S Ɨ {1})G(Ļ†(x, y, b1, . . . , bn)).

Sei x āˆˆ a. Dann existiert (Ļ€, p) āˆˆ Ļƒ mit Ļ€G = x und p āˆˆ G. AuƟerdem gibt es q āˆˆ Gmit q ā‰¤ p und

q āˆƒ!y(Ļ†(Ļ€, y, Ļ„1, . . . , Ļ„n)).Nach Wahl von S gibt es Ļ āˆˆ S und r āˆˆ G mit r ā‰¤ q und r Ļ†(Ļ€, Ļ, Ļ„1, . . . , Ļ„n).Damit gilt

M [G] |= Ļ†(x, ĻG, b1, . . . , bn),also insbesondere

M [G] |= āˆƒy āˆˆ (S Ɨ {1})G(Ļ†(x, y, b1, . . . , bn)).

Fur das Potenzmengenaxiom sei a āˆˆ M [G]. Wahle Ļƒ āˆˆ MP mit ĻƒG = a. SeiA := {Ļ€ : āˆƒp āˆˆ P((Ļ€, p) āˆˆ Ļƒ)}. Fur eine Funktion f : A ā†’ P(P) sei Ļ„f := {(Ļ€, p) :p āˆˆ f(Ļ€)}. Setze

Ļ := {(Ļ„f , 1) : f ist eine Funktion von A nach P(P)}.Die Definition von Ļ ist dabei in M zu verstehen.

Wir zeigenM [G] |= āˆ€x(x āŠ† aā†’ x āˆˆ ĻG).

Sei x āˆˆ M [G] mit x āŠ† a. Wahle Ļ„ āˆˆ MP mit Ļ„G = x. Definiere f : A ā†’ P(P) wiefolgt: Fur Ļ€ āˆˆ A sei f(Ļ€) := {p āˆˆ P : p Ļ€ āˆˆ Ļ„}. Beachte, dass f eine Funktion inM ist. Offenbar ist (Ļ„f )G āˆˆ ĻG. Wir zeigen x = Ļ„G = (Ļ„f )G.

Sei y āˆˆ x. Wegen x āŠ† ĻƒG existiert (Ļ€, p) āˆˆ Ļƒ mit p āˆˆ G und y = Ļ€G. Wahleq ā‰¤ p mit q āˆˆ G und q Ļ€ āˆˆ Ļ„ . Nach Definition von f gilt y = Ļ€G āˆˆ (Ļ„f )G. Seinun y āˆˆ (Ļ„f )G. Dann existiert (Ļ€, p) āˆˆ Ļ„f mit y = Ļ€G und p āˆˆ G. Nach Definitionvon f gilt p Ļ€ āˆˆ Ļ„ , und damit gilt y = Ļ€G āˆˆ Ļ„G. Also ist Ļ„G = (Ļ„f )G. Insgesamtist ĻG eine Obermenge von (P(a))M [G].

Fur das Auswahlaxiom sei a āˆˆ M [G], zum Beispiel a = ĻƒG mit Ļƒ āˆˆ MP. Setzewieder A := {Ļ€ : āˆƒp āˆˆ P((Ļ€, p) āˆˆ Ļƒ)}. Da das Auswahlaxiom in M gilt, gibt es in Meine Wohlordnung C auf A. Wegen M āŠ† M [G] ist (A,C) āˆˆ M [G]. In M [G] kannman nun eine Wohlordnung Cā€² auf a wie folgt definieren:

Fur x, y āˆˆ a sei x Cā€² y genau dann, wenn fur das C-kleinste Ļ€ āˆˆ A mit Ļ€G = xund das C-kleinste Ļ āˆˆ A mit ĻG = y gilt: Ļ€ C Ļ. Es ist klar, dass Cā€²āˆˆ M [G] eineWohlordnung auf a ist. ļæ½

Korollar 6.28. Ist ZFC konsistent, so auch ZFC+V 6=L.

Beweis. Sei M abzahlbares transitives Modell von ZFC und P āˆˆ M eine Halbord-nung, in der unter jeder Bedingung zwei inkompatible Bedingungen existieren, zumBeispiel P = Fn(Ļ‰, 2). Sei G P-generisch uber M . Nach Satz 6.27 ist M [G] Modellvon ZFC. AuƟerdem ist M [G] transitiv und hat dieselben Ordinalzahlen wie M .Wegen der Absolutheit der Definition von L gilt LM [G] = LM āŠ†M . Wegen G 6āˆˆMist daher LM [G] 6= M [G], also M [G] Modell von ZFC+V 6=L. ļæ½

MODELLE DER MENGENLEHRE 27

7. CH ist unabhangig von ZFC

In diesem Abschnitt wird mit Hilfe von Forcing gezeigt, dass ZFC weder CHnoch Ā¬CH impliziert. Dass CH mit ZFC konsistent ist, wurde bereits gezeigt, aberes ist lehrreich, auch noch ein Forcing-Argument dafur zu sehen.

7.1. Erzwingen von CH. Sei M ein abzahlbares transitives Modell von ZFC. Wirdefinieren eine partielle Ordnung P āˆˆ M , so dass fur jeden P-generischen Filter Guber M gilt: M [G] |= CH.

Definition 7.1. In M sei

P := {f : Aā†’ P(Ļ‰) : A ist abzahlbare Teilmenge von ā„µ1}.Die Ordnung auf P sei ā‰¤:=āŠ‡.

Sei G P-generischer Filter uber M . Um zu zeigen, dass in M [G] die Kontinuums-hypothese gilt, stellen wir zunachst folgendes fest:

Lemma 7.2. Sei fG :=ā‹ƒG. Dann ist fG eine surjektive Abbildung von (ā„µ1)M

nach (P(Ļ‰))M .

Beweis. Dass fG eine Funktion ist, liegt daran, dass je zwei Elemente von G einegemeinsame Erweiterung in G haben. Zu je zwei Funktionen in G existiert also einegemeinsame Fortsetzung in G.

Wie ublich seien rng das Bild einer Funktion und dom der Wertebereich. In Mdefinieren wir folgende dichte Teilmengen von P: Fur jedes Ī± āˆˆ ā„µ1 sei DĪ± := {p āˆˆP : Ī± āˆˆ dom(p)}. Fur jedes A āŠ† Ļ‰ sei DA := {p āˆˆ P : A āˆˆ rng(p)}. Wie manleicht sieht, sind alle DĪ± und DA dicht in P. Da G generisch uber M ist, schneidetG alle DĪ±. Es folgt dom(fG) = (ā„µ1)M . AuƟerdem schneidet G alle DA. Es folgtrng(fG) = (P(Ļ‰))M . ļæ½

Um CH in M [G] nachzurechnen mussen wir nur noch zeigen, dass (ā„µ1)M =(ā„µ1)M [G] und (P(Ļ‰))M = (P(Ļ‰))M [G] gelten. Zwei Dinge konnen dabei schief gehen.Zum Einen konnte es passieren, dass die erste uberabzahlbare Ordinalzahl von M ,also (ā„µ1)M , in M [G] plotzlich abzahlbar ist. AuƟserdem konnte es passieren, dasses in M [G] neue Teilmengen von Ļ‰ gibt, also Teilmengen von Ļ‰, die keine Elementevon M sind.

Wenn (ā„µ1)M inM [G] abzahlbar ist, dann gibt es inM [G] eine Bijektion zwischenĻ‰ und (ā„µ1)M , die es in M noch nicht gab. Gibt es in M [G] eine neue Teilmenge Avon Ļ‰, so gibt es auch eine neue Abbildung von Ļ‰ nach 2, namlich die charakteristi-sche Funktion von A. Die beiden genannten Probleme werden also durch folgendesLemma ausgeschlossen.

Lemma 7.3. Sei f āˆˆ M [G] eine Abbildung von Ļ‰ in die Ordinalzahlen. Dann istf āˆˆM .

Beweis. Sei f āˆˆMP ein Name mit fG = f und p āˆˆ G mit

p f ist eine Funktion von Ļ‰ nach Ord .

In M seiD := {q ā‰¤ p : āˆƒg : Ļ‰ ā†’ Ord(q f = g)}.

Wegen der Generizitat von G genugt zu zeigen, dass D dicht unterhalb von p ist.Zunachst stellen wir folgendes fest: Sei q ā‰¤ p und F irgendein P-generischer

Filter uber M mit q āˆˆ F . Insbesondere ist p āˆˆ F . Wegen der Wahl von p istfF eine Funktion von Ļ‰ in die Ordinalzahlen. Sei n āˆˆ Ļ‰. Dann ist fF (n) = Ī±fur irgendeine Ordinalzahl Ī± von M [F ]. Da M und M [F ] dieselben Ordinalzahlenhaben, ist Ī± āˆˆM . Daher existiert ein r āˆˆ F mit r f(n) = Ī±. (In Zukunft werden

28 STEFAN GESCHKE

wir diverse ā€™s weglassen, um die Lesbarkeit etwas zu erhohen.) Wir konnen r ā‰¤ qwahlen. Das zeigt, dass fur alle n āˆˆ Ļ‰ die Menge derjenigen r ā‰¤ p, fur die einĪ± āˆˆ OrdM mit r f(n) = Ī± existiert, dicht unterhalb von p ist.

Von nun an werden wir vollstandig in M argumentieren. Das erspart einige M ā€™s.Eine Halbordnung Q heiƟt Ļƒ-abgeschlossen, wenn fur jede fallende Folge (qn)nāˆˆĻ‰

von Bedingungen in Q eine Bedingung q āˆˆ Q existiert, so dass fur alle n āˆˆ Ļ‰ gilt:q ā‰¤ qn.

P ist Ļƒ-abgeschlossen. Sei namlich (pn)nāˆˆĻ‰ eine fallende Folge in P. Dann istp :=

ā‹ƒnāˆˆĻ‰ pn eine partielle Funktion von ā„µ1 nach P(Ļ‰) mit abzahlbarem Definiti-

onsbereich, also ein Element von P. Offenbar ist p eine gemeinsame untere Schrankeder pn.

Wir zeigen nun, dass D dicht unterhalb von p ist. Sei q ā‰¤ p. Wahle q0 ā‰¤ qund Ī±0 āˆˆ Ord mit q0 f(0) = Ī±0. Das geht nach Bemerkung am Anfang diesesBeweises. Angenommen wir haben qn bereits gewahlt. Wie eben gibt es qn+1 ā‰¤ qnund Ī±n+1 āˆˆ Ord mit qn+1 f(n+ 1) = Ī±n+1. Wegen der Ļƒ-Abgeschlossenheit vonP existiert eine gemeinsame Erweiterung r aller qn. Wir zeigen r āˆˆ D.

Sei g : Ļ‰ ā†’ Ord;n 7ā†’ Ī±n. Fur alle n āˆˆ Ļ‰ ist r ā‰¤ qn. Insbesondere gilt r f(n) = Ī±n fur alle n āˆˆ Ļ‰. Da die naturlichen Zahlen in allen transitiven Modellender Mengenlehre dieselben sind, gilt r f = g. Damit ist r āˆˆ D. Das zeigt, dass Dunterhalb von p dicht ist. ļæ½

Korollar 7.4. M [G] |= CH

Beweis. Nach Lemma 7.3 gilt (P(Ļ‰))M = (P(Ļ‰))M [G], und (ā„µ1)M ist uberabzahlbarin M [G]. Alle Ordinalzahlen unterhalb von (ā„µ1)M sind abzahlbar in M , also erstrecht in M [G]. Damit ist (ā„µ1)M = (ā„µ1)M [G]. Nach Lemma 7.2 existiert in M [G] einesurjektive Abbildung von (ā„µ1)M [G] = (ā„µ1)M nach (P(Ļ‰))M [G] = (P(Ļ‰))M . Also giltM [G] |= |P(Ļ‰)| ā‰¤ ā„µ1. Da die Uberabzahlbarkeit von P(Ļ‰) in ZFC beweisbar undM [G] ein Modell von ZFC ist, gilt M [G] |= CH. ļæ½

Ubung 7.5. Sei P eine Halbordnung. Betrachte folgendes Spiel auf P zwischen zweiSpielern uber Ļ‰ Runden:

Setze p0 = q0 = 1P. In der n-ten Runde wahlt der erste Spieler eine Bedingungpn+1 ā‰¤ qn und der zweite Spieler antwortet mit einer Bedingung qn+1 ā‰¤ pn+1. Derzweite Spieler gewinnt das Spiel genau dann, wenn es eine Bedingung p āˆˆ P gibt,so dass fur alle n āˆˆ Ļ‰ gilt: p ā‰¤ pn.

Angenommen, der zweite Spieler hat eine Gewinnstrategie fur dieses Spiel. Zeige,dass es fur jeden P-generischen Filter G uber dem Grundmodell M in M [G] keineneuen Abbildungen von Ļ‰ in die Ordinalzahlen gibt.

Ubung 7.6 (Schwer!). Sei P eine Halbordung. Angenommen, der erste Spieler hateine Gewinnstrategie in dem oben beschriebenen Spiel.

Zeige: Es gibt einen P-generischen Filter uber dem Grundmodell M , so dass esin M [G] eine neue Abbildung von Ļ‰ in die Ordinalzahlen gibt.

MODELLE DER MENGENLEHRE 29

7.2. Erzwingen von Ā¬CH. Sei M ein abzahlbares transitives Modell von ZFCund Īŗ āˆˆ CardM mit M |= cf(Īŗ) ā‰„ ā„µ1. Wir definieren eine Halbordnung P āˆˆ M ,so dass fur jeden P-generischen Filter G uber M gilt: CardM = CardM [G] undM [G] |= 2ā„µ0 = Īŗ.

Definition 7.7. In M sei

P := Fn(Īŗ, 2) = {f : f ist eine endliche Funktion

mit dom(f) āŠ† Īŗ und rng(f) āŠ† 2}.

P ist geordnet durch umgekehrte Inklusion.

Beachte, dass Fn(Īŗ, 2) uber transitiven Modellen der Mengenlehre absolut ist.Die Aussagen cf(Īŗ) > ā„µ0 und Īŗ āˆˆ Card sind es jedoch nicht.

Lemma 7.8. Sei G P-generisch uber M . Dann existiert in M [G] eine Familie(AĪ±)Ī±<Īŗ paarweise verschiedener Teilmengen von Ļ‰.

Beweis. Offenbar ist Fn(Īŗ, 2) zu Fn(ĪŗƗ Ļ‰, 2) isomorph. Daher konnen wir so tun,als ware G Fn(Īŗ Ɨ Ļ‰, 2)-generisch. Wie man leicht nachpruft, ist fG :=

ā‹ƒG eine

Funktion von ĪŗƗ Ļ‰ nach 2. Fur jedes Ī± < Īŗ sei AĪ± := {n āˆˆ Ļ‰ : fG(Ī±, n) = 1}. Wirzeigen, dass die AĪ± paarweise verschieden sind.

Seien Ī±, Ī² < Īŗ mit Ī± 6= Ī². Setze

DĪ±,Ī² := {p āˆˆ P : āˆƒn āˆˆ Ļ‰((Ī±, n), (Ī², n) āˆˆ dom(p) āˆ§ p(Ī±, n) 6= p(Ī², n))}.

Da die Elemente von P endliche Funktionen sind, ist DĪ±,Ī² dicht in P. Wegen derGenerizitat von G existiert p āˆˆ DĪ±,Ī² āˆ©G. Sei n āˆˆ Ļ‰ mit (Ī±, n), (Ī², n) āˆˆ dom(p) undp(Ī±, n) 6= p(Ī², n). Wegen p āŠ† fG gilt

n āˆˆ AĪ± ā‡” n 6āˆˆ AĪ² .

Insbesondere ist AĪ± 6= AĪ² . ļæ½

Dieses Lemma zeigt M [G] |= 2ā„µ0 ā‰„ |Īŗ|. Allerdings wissen wir nicht, ob Īŗ inM [G] nicht plotzlich die Machtigkeit ā„µ1 hat, auch wenn es in M noch echt groƟerwar. So etwas kann allerdings nicht passieren, wenn jede Kardinalzahl in M auchKardinalzahl in M [G] ist. Beachte, dass jede Kardinalzahl in M [G] automatischauch Kardinalzahl in M ist.

Definition 7.9. Eine Halbordnung Q āˆˆ M erhalt Kardinalzahlen, wenn nach Er-zwingen mit Q (Adjungieren eines Q-generischen Filters uber dem GrundmodellM) alle Kardinalzahlen des Grundmodells auch noch Kardinalzahlen in der generi-schen Erweiterung sind. Q erhalt Kofinalitaten, wenn fur alle Īŗ āˆˆ CardM und alleQ-generischen Filter G uber M gilt: (cf(Īŗ))M = (cf(Īŗ))M [G].

Q ist erfullt die abzahlbare Antiketten-Bedingung (c.c.c., countable chain condi-tion), wenn jede Antikette von Q abzahlbar ist.

Lemma 7.10. Erhalt Q āˆˆM Kofinalitaten, so auch Kardinalzahlen.

Beweis. Sei G Q-generischer Filter uber M und Īŗ āˆˆ CardM . Angenommen, alleĪ» < Īŗ mit Ī» āˆˆ CardM sind Kardinalzahlen in M [G]. Ist Īŗ eine Limeskardinalzahlin M , so ist Īŗ auch in M [G] Supremum einer Menge von Kardinalzahlen und damitselbst Kardinalzahl. Ist Īŗ eine Nachfolgerkardinalzahl in M , so ist Īŗ = (cf(Īŗ))M =(cf(Īŗ))M [G]. Also ist Īŗ auch in M [G] Kardinalzahl. ļæ½

Lemma 7.11. Ist Q āˆˆM c.c.c. (in M), so erhalt Q Kofinalitaten.

30 STEFAN GESCHKE

Beweis. Sei Īŗ āˆˆ CardM und G Q-generischer Filter uber M . Wir konnen cf(Īŗ) >Ļ‰ annehmen. Es ist klar, dass (cf(Īŗ))M [G] ā‰¤ (cf(Īŗ))M gilt. Angenommen Ī± :=(cf(Īŗ))M [G] < (cf(Īŗ))M . Dann existiert eine kofinale Funktion f : Ī± ā†’ Īŗ in M [G].Sei f āˆˆMP ein Name mit fG = f . Wahle p āˆˆ G mit p f : Ī±ā†’ Īŗ.

In M definieren wir eine Funktion F : Ī±ā†’ P(Īŗ) wir folgt: Fur Ī² < Ī± sei

F (Ī²) := {Ī³ < Īŗ : āˆƒq ā‰¤ p(q f(Ī²) = Ī³)}.

Fur alle Ī² < Ī± gilt nun f(Ī²) āˆˆ F (Ī²). Wegen f(Ī²) < Īŗ existieren namlich Ī³ < Īŗ

und q ā‰¤ p mit q āˆˆ G und q f(Ī²) = Ī³.Fur alle Ī² < Īŗ gilt (in M) |F (Ī²)|ā‰¤ ā„µ0. Wir argumentieren in M . Angenommen

| F (Ī²) |> ā„µ0. Dann existieren paarweise verschiedene Ī³Ī½ āˆˆ F (Ī²), Ī½ < ā„µ1, undqĪ½ ā‰¤ p, Ī½ < ā„µ1, mit qĪ½ f(Ī²) = Ī³Ī½ fur alle Ī½ < ā„µ1. Offenbar sind die qĪ½ paarweiseinkompatibel, bilden also eine Antikette. Das widerspricht aber der c.c.c. von Q.

Definiere nun g : Ī± ā†’ Īŗ wir folgt: Fur Ī² < Ī± sei g(Ī²) := sup(F (Ī²)). WegenĻ‰ < (cf(Īŗ))M ist g(Ī²) in der Tat < Īŗ. Nach Wahl von g gilt f(Ī²) ā‰¤ g(Ī²) fur alleĪ² < Ī±. Da f : Ī± ā†’ Īŗ kofinal ist, ist auch g kofinal. Es gilt aber g āˆˆ M . Daswiderspricht Ī± < (cf(Īŗ))M . ļæ½

Ubung 7.12. Zeige, dass eine Halbordnung P genau dann c.c.c. ist, wenn fur jedenP-Namen Ī± fur eine Ordinalzahl eine abzahlbare Menge A existiert, so dass

1P Ī± āˆˆ A.

Dabei heiƟt Ī± Name fur eine Ordinalzahl, wenn gilt

1P ā€Ī± ist Ordinalzahlā€œ.

Um zu zeigen, dass P Kardinalzahlen erhalt, mussen wir nur noch nachrechnen,dass P die c.c.c. erfullt. Dazu benotigt man folgendes Lemma.

Lemma 7.13 (āˆ†-System-Lemma). Sei (ai)iāˆˆI eine uberabzahlbare Familie endli-cher Mengen. Dann existieren eine endliche Menge r und eine uberabzahlbare Fa-milie (ai)iāˆˆJ mit J āŠ† I, so dass fur je zwei verschiedene i, j āˆˆ J gilt: ai āˆ© aj = r.(Man sagt, (ai)iāˆˆJ ist ein āˆ†-System mit Wurzel r.)

Beweis. Wir konnenā‹ƒ

iāˆˆI ai āŠ† Ļ‰1 annehmen. AuƟserdem konnen wir, nach Aus-dunnen von I, annehmen, dass alle ai dieselbe Machtigkeit n haben. Wir beweisennun das āˆ†-System-Lemma durch Induktion uber n.

Fur n = 0 ist die Behauptung trivial. Sei n = m+ 1 und das āˆ†-System-Lemmabereits bewiesen fur Familienm-elementiger Mengen. Fur alle i āˆˆ I sei Ī±i das groƟteElement von ai und bi := ai \ {Ī±i}. Nach Ausdunnen von I konnen wir annehmen,dass (bi)iāˆˆI bereits ein āˆ†-System mit Wurzel r ist. Wir unterscheiden zwei Falle:

1. Fall: |r|= m. In diesem Falle ist (bi)iāˆˆI konstant. Subfall 1: |{Ī±i : i āˆˆ I}|ā‰¤ ā„µ0.Dann existiert ein Ī± < Ļ‰1, so dass J := {i āˆˆ I : Ī±i = Ī±} uberabzahlbar ist. DieFamilie (ai)iāˆˆJ ist dann ein āˆ†-System mit der Wurzel r āˆŖ {Ī±}.

Subfall 2: |{Ī±i : i āˆˆ I}|> ā„µ0. Dann existiert ein uberabzahlbares J āŠ† I, so dassdie Ī±i, i āˆˆ J , paarweise verschieden sind. Offenbar ist (ai)iāˆˆJ ein āˆ†-System mit derWurzel r.

2. Fall: |r|< m. Sei Ī± := max(r). Fur alle i āˆˆ I sei Ī²i := min(ai \ r). Da (bi)iāˆˆI

ein āˆ†-System mit Wurzel r ist und |r|< m gilt, gibt es nur abzahlbar viele i āˆˆ I mitĪ²i ā‰¤ Ī±. Nach Ausdunnen von I konnen wir also Ī²i > Ī± fur alle i āˆˆ I annehmen.Wahle nun eine Folge (iĪ½)Ī½<Ļ‰1 in I, so dass fur alle Ī½ < Ļ‰1 gilt: Ī±iĪ½

< Ī²iĪ½+1 . Dasgeht, weil fur jedes Ī³ < Ļ‰1 nur abzahlbar viele i āˆˆ I mit Ī²i ā‰¤ Ī³ existieren. SetzeJ := {iĪ½ : Ī½ < Ļ‰1}. Dann ist (ai)iāˆˆJ ein āˆ†-System mit Wurzel r. ļæ½

Lemma 7.14. Fn(Īŗ, 2) ist c.c.c.

MODELLE DER MENGENLEHRE 31

Beweis. Seien (pi)iāˆˆI eine uberabzahlbare Familie von paarweise inkompatiblenElementen von Fn(Īŗ, 2). Nach dem āˆ†-System Lemma existiert ein uberabzahlbaresJ āŠ† I, so dass (dom(pi))iāˆˆJ ein āˆ†-System mit einer Wurzel r ist. Da es nur endlichviele Funktionen von r nach 2 gibt, konnen wir nach Ausdunnen von J annehmen,dass je zwei pi, i āˆˆ J , auf r ubereinstimmen. Damit sind aber je zwei pi, i āˆˆ J ,kompatibel. Ein Widerspruch zur Wahl der pi. ļæ½

Korollar 7.15. Sei G Fn((ā„µ27)M , 2)-generisch uber M . Dann gilt M [G] |= 2ā„µ0 ā‰„ā„µ27.

Beweis. Nach Lemma 7.14, Lemma 7.10 und Lemma 7.11 erhalt Fn((ā„µ27)M , 2)Kardinalzahlen. Also gilt CardM = CardM [G]. Damit ist (ā„µ27)M = (ā„µ27)M [G]. NachLemma 7.8 gilt M [G] |= 2ā„µ0 ā‰„ ā„µ27. ļæ½

Wir geben noch eine obere Schranke fur 2ā„µ0 nach Erzwingen mit Fn(Īŗ, 2) an.

Definition 7.16. Ein Name Ļƒ āˆˆMP heiƟt netter Name fur eine Teilmenge von Ļ‰,wenn eine Familie (An)nāˆˆĻ‰ von Antiketten in P existiert mit

Ļƒ =ā‹ƒnāˆˆĻ‰

({n} ƗAn).

Lemma 7.17. Sei Ļƒ āˆˆ MP und p āˆˆ P. Angenommen p Ļƒ āŠ† Ļ‰. Dann existiertein netter Name Ļ„ fur eine Teilmenge von Ļ‰ mit p Ļƒ = Ļ„ .

Beweis. Fur jedes n āˆˆ Ļ‰ sei An eine maximale Antikette von Bedingungen unter-halb von p, die n āˆˆ Ļƒ erzwingen. Setze Ļ„ :=

ā‹ƒnāˆˆĻ‰({n} Ɨ An). Der Name Ļ„ leistet

das Gewunschte:Sei F ein P-generischer Filter uber M mit p āˆˆ F . Angenommen ĻƒF 6= Ļ„F .1. Fall: Es gibt ein n āˆˆ ĻƒF \ Ļ„F . Sei q āˆˆ F mit q n āˆˆ Ļƒ. Wir konnen q ā‰¤ p

annehmen. Wegen n 6āˆˆ Ļ„F existiert r āˆˆ F mit r n 6āˆˆ Ļ„ . Wir konnen r ā‰¤ qannehmen. Nun ist r inkompatibel zu allen Elementen von An. Ein Widerspruchzur Wahl von An.

2. Fall: Es gibt ein n āˆˆ Ļ„F \ ĻƒF . Dann existiert q āˆˆ An āˆ© F . Nach Wahl von An

gilt q n āˆˆ Ļƒ und damit n āˆˆ ĻƒF . Ein Widerspruch zur Wahl von n. ļæ½

Korollar 7.18. Sei M ein Modell von ZFC+GCH und Īŗ āˆˆ CardM mit M |=cf(Īŗ) > ā„µ0. Ist G Fn(Īŗ, 2)-generisch uber M , so gilt M [G] |= 2ā„µ0 = Īŗ. AuƟerdemist CardM = CardM [G].

Beweis. Nach wie in Lemma 7.8 gilt M [G] |= 2ā„µ0 ā‰„ Īŗ. Nach Lemma 7.17 gibt es furjede Teilmenge von Ļ‰ in M [G] einen netten Namen in M . Wir argumentieren einenMoment in M . Da Fn(Īŗ, 2) c.c.c. ist, gibt es in Fn(Īŗ, 2) hochstens Īŗā„µ0 Antiketten.Damit gibt es hochstens ((Īŗ)ā„µ0)ā„µ0 = Īŗā„µ0 nette Namen fur Teilmengen von Ļ‰. WegenGCH und cf(Īŗ) > ā„µ0 ist Īŗā„µ0 = Īŗ.

In M existiert also eine Liste von Īŗ Namen, so dass jede Teilmenge von Ļ‰ inM [G] einen Namen in dieser Liste hat. Damit ist (2ā„µ0)M [G] ā‰¤ Īŗ. ļæ½

32 STEFAN GESCHKE

8. Die Unabhangigkeit von AC

Da generische Erweiterung von transitiven Modellen von ZFC wieder Modellevon ZFC sind, mussen wir uns etwas Neues einfallen lassen, um ein Modell vonZF+Ā¬AC zu konstruieren.

8.1. Durch Ordinalzahlen definierbare Mengen. Wir konstruieren ein inne-res Modell der Mengenlehre, also eine Teilklasse von V , die gewisse Axiome derMengenlehre erfullt, in unserem Fall ZF. Dabei gehen wir etwas anders vor, als beider Konstruktion von L. Wahrend L mit Hilfe einer Rekursion uber die Ordinalzah-len so definiert wurde, dass man, um LĪ±+1 zu definieren, nur auf LĪ± zuruckgreifenmusste, werden wir nun mehr Informationen uber das Universum in ein inneresModell kodieren.

Definition 8.1. Eine Menge X ist definierbar durch Ordinalzahlen, wenn es eineFormel Ļ†(x, y1, . . . , yn) und Ordinalzahlen Ī±, Ī²1, . . . , Ī²n gibt, so dass gilt:

X = {x : VĪ± |= Ļ†(x, Ī²1, . . . , Ī²n)}X ist durch Ordinalzahlen definierbar uber einer Menge A, wenn es eine Formel

Ļ†(x, y1, . . . , yn, z1, . . . , zm), Ordinalzahlen Ī±, Ī²1, . . . , Ī²n und c1, . . . , cm āˆˆ A āˆŖ {A}gibt, so dass gilt:

X = {x : VĪ± |= Ļ†(x, Ī²1, . . . , Ī²n, c1, . . . , cm)}OD ist die Klasse der durch Ordinalzahlen definierbaren Mengen. OD(A) ist

die Klasse der uber A durch Ordinalzahlen definierbaren Mengen. X ist erblichdurch Ordinalzahlen definierbar (uber A), wenn trcl(X āˆŖ {X}) āŠ† OD (trcl(X āˆŖ{X}) āŠ† OD(A)) gilt. HOD (HOD(A)) ist die Klasse der (uber A) erblich durchOrdinalzahlen definierbaren Mengen.

Diese Definition ist in V zu verstehen. Die definierende Formel Ļ† ist also eineFormel im Sinne von V und nicht in der Metasprache. (Ansonsten ware es auchschwierig, zu einer definierbaren Klasse zu gelangen.) Man beachte, dass man al-ternativ anstelle von

X = {x : VĪ± |= Ļ†(x, Ī²1, . . . , Ī²n)}auch

VĪ± |= Ļ†(X,Ī²1, . . . , Ī²n) āˆ§ āˆ€Y (Ļ†(Y, Ī²1, . . . , Ī²n) ā†’ X = Y )fordern kann. Das liefert eine aquivalente Definition der Klassen OD und HOD.Entsprechendes gilt fur OD(A) und HOD(A). In diesem Falle muss man nur nochdie Parameter c1, . . . , cm erganzen. Wir werden diese Bemerkung im nachsten Ab-schnitt stillschweigend benutzen.

Wir interessieren uns fur die Klasse HOD(A) fur eine Menge A.

Lemma 8.2. Fur jede Menge A ist HOD(A) eine transitive Klasse, die ZF erfullt.

Beweis. Es folgt unmittelbar aus der Definition, dass HOD(A) transitiv ist. Damiterfullt HOD(A) das Fundierungs- und das Extensionalitatsaxiom. Offenbar enthaltHOD(A) alle Ordinalzahlen. Insbesondere gelten in HOD(A) das Nullmengen- unddas Unendlichkeitsaxiom. Man sieht leicht, dass HOD(A) abgeschlossen ist unterder Bildung von Paarmengen und unter der Operation

ā‹ƒ. Damit erfullt HOD(A)

das Paarmengen- und das Vereinigungsaxiom.Fur jedes Ī± āˆˆ Ord sei HODĪ±(A) := VĪ±āˆ©HOD(A). Es gilt HODĪ±(A) āˆˆ HOD(A).

Sei namlich Ļ†(x,A) die Formel, die die Klasse HOD(A) definiert. Nach dem Re-flexionsprinzip existiert eine Ordinalzahl Ī² mit A āˆˆ VĪ² , so dass Ļ†(x, y) uber VĪ²

absolut ist. Es gilt also (HOD(A))VĪ² = HOD(A) āˆ© VĪ² . Damit ist

HODĪ±(A) = {x : āˆ€y āˆˆ trcl(x āˆŖ {x})(VĪ² |= (y āˆˆ VĪ± āˆ§ y āˆˆ HOD(A)))}.

MODELLE DER MENGENLEHRE 33

Um das Aussonderungsaxiom in HOD(A) nachzurechnen, wenden wir das Re-flexionsprinzip in HOD(A) auf die Folge (HODĪ±(A))Ī±āˆˆOrd an. Sei X āˆˆ HOD(A)und Ļ†(x, y1, . . . , yn) eine Formel. Weiter seien b1, . . . , bn āˆˆ HOD(A). Wir zeigenY := {x āˆˆ X : Ļ†(x, b1, . . . , bn)HOD(A)} āˆˆ HOD(A).

Nach dem Reflexionsprinzip existiert ein Ī± āˆˆ Ord mit b1, . . . , bn, X āˆˆ HODĪ±(A),so dass Ļ† uber HODĪ±(A) absolut ist. Es gilt also

Y = {x āˆˆ X : Ļ†(x, b1, . . . , bn)HODĪ±(A)}.Wie oben gezeigt, ist HODĪ±(A) āˆˆ HOD(A). Insbesondere ist HODĪ±(A) durch Or-dinalzahlen definierbar uber A. Damit ist auch

Y = {x āˆˆ X : HODĪ±(A) |= Ļ†(x, b1, . . . , bn)}uber A durch Ordinalzahlen definierbar. Also gilt Y āˆˆ OD(A). WegenX āˆˆ HOD(A)und Y āŠ† X folgt daraus Y āˆˆ HOD(A).

Dass HOD(A) das Potenzmengen- und das Aussonderungsaxiom erfullt, folgtauf dieselbe Weise wie schon bei L und WF aus der Tatsache, dass HOD(A) dieVereinigung uber die aufsteigende Kette (HODĪ±(A))Ī±āˆˆOrd ist, wobei alle HODĪ±(A)Elemente von HOD(A) sind. ļæ½

Man kann zeigen, dass HOD das Auswahlaxiom erfullt. Es kann jedoch sein,dass fur eine geeignete Menge A das Auswahlaxiom in HOD(A) verletzt wird. Daskann jedoch nur passieren, wenn V 6= L ist, da wegen der Minimalitat von L sonstHOD(A) = L fur alle Mengen A gilt.

8.2. Ein Modell von Ā¬AC. Die Strategie, ein Modell von Ā¬AC zu konstruierenist folgende: Wir starten mit einem abzahlbaren, transitiven Modell M von ZFC.Dann adjungieren wir, fur eine geeignete Halbordnung P, einen P-generischen FilterG uber M . In M [G] definieren wir eine Menge A, so dass in (HOD(A))M [G] das Aus-wahlaxiom verletzt ist. Das Argument, mit dem man zeigt, dass das Auswahlaxiomin (HOD(A))M [G] nicht gilt, benutzt Automorphismen von P.

Definition 8.3. Sei P āˆˆM eine Halbordnung und Ļ€ ein Automorphismus. Rekursivuber den Rang von P-Namen definieren wir Ļ€ : MP ā†’MP, so dass fur alle Ļƒ āˆˆMP

gilt:Ļ€(Ļƒ) := {(Ļ€(Ļ„), Ļ€(p)) : (Ļ„, p) āˆˆ Ļƒ}

Lemma 8.4. Ist P āˆˆ M eine Halbordnung und Ļ€ āˆˆ M ein Automorphismus vonP, so gilt fur alle p āˆˆ P, alle Formeln Ļ†(x1, . . . , xn) und alle Ļƒ1, . . . , Ļƒn āˆˆMP:

p Ļ†(Ļƒ1, . . . , Ļƒn) ā‡” Ļ€(p) Ļ†(Ļ€(Ļƒ1), . . . , Ļ€(Ļƒn))

Beweis. Der Beweis geht leicht durch indem man die einzelnen Rekursionsschrittein der Definition der Forcingrelation pruft. Alternativ kann man auch direkt dieauƟere Definition der Forcingrelation mit Hilfe von generischen Filtern uber Mbetrachten. Wegen Ļ€ āˆˆ M gehen generische Filter uber M unter Ļ€ in generischeFilter uber. Das zusammen mit der Tatsache, dass Ļ€ ā€œrichtigā€ definiert ist, liefertdann die Behauptung. ļæ½

Satz 8.5. Sei M abzahlbares, transitives Modell von ZFC und P := Fn(Ļ‰, 2). Gsei P-generisch uber M . Dann existiert eine Menge A āˆˆ M [G], so dass AC inN := (HOD(A))M [G] verletzt ist.

Beweis. Wir tun so, als ob G Fn(Ļ‰ Ɨ Ļ‰, 2)-generisch ist. Setze fG :=ā‹ƒG. Dann

ist fG eine Funktion von Ļ‰ Ɨ Ļ‰ nach 2. Fur jedes n āˆˆ Ļ‰ sei an := {m āˆˆ Ļ‰ :fG(n,m) = 1}. Wie im Beweis der relativen Konsistenz von Ā¬CH sieht man, dassdie an paarweise verschieden sind. Setze A := {an : n āˆˆ Ļ‰}. Wie man leicht sieht, istĻƒn := {(m, {((n,m), 1)}) : m āˆˆ Ļ‰} ein Name fur an. Genauer, fur jeden generischen

34 STEFAN GESCHKE

Filter F erfullt (Ļƒn)F die Definition von an. Setze Ļ„ := {(Ļƒn, 1Fn(Ļ‰Ć—Ļ‰,2)) : n āˆˆ Ļ‰}.Dann ist Ļ„ ein Name fur A.

Beachte, dass A Element und Teilmenge von (HOD(A))M [G] ist. Wir zeigen,dass sich A in (HOD(A))M [G] nicht wohlordnen lasst. Wegen (HOD(A))M [G] |=A āŠ† P(Ļ‰) folgt daraus, dass sich auch P(Ļ‰) in (HOD(A))M [G] nicht wohlordnenlasst.

Angenommen, es gibt in (HOD(A))M [G] eine Wohlordnung von A. Dann exi-stiert in (HOD(A))M [G] auch eine injektive Abbildung e von A in die Ordinal-zahlen. Wir argumentieren jetzt in M [G]. Seien Ļ†(x, y1, . . . , yk, z1, . . . , zl, z) eineFormel, Ī±, Ī±1, . . . , Ī±k āˆˆ Ord und c1, . . . , cl āˆˆ A, so dass e in VĪ± durch die FormelĻ†(x, Ī±1, . . . , Ī±k, c1, . . . , cl, A) definiert wird.

Mit den Parametern c1, . . . , cl āˆˆ A und A selbst sowie zusatzlichen Ordinalzahlenlasst sich also in VĪ± die Injektion e : A ā†’ Ord definieren. Daraus folgt, dass sichjedes an mit den Parametern c1, . . . , cl, A zusammen mit zusatzlichen Ordinalzahlenin VĪ± definieren lasst. Man muss nur noch die Ordinalzahl e(an) angeben.

Fur i āˆˆ {1, . . . , l} sei ni āˆˆ Ļ‰, so dass ci = anigilt. Wahle n āˆˆ Ļ‰ \ {n1, . . . , nl}.

Dann gibt es eine Formel Ļˆ(x, y1, . . . , yk+1, z1, . . . , zl, z) und Ī±, Ī±1, . . . , Ī±k+1 āˆˆ Ord,so dass an die einzige Menge in VĪ± mit

VĪ± |= Ļˆ(an, Ī±1, . . . , Ī±k+1, c1, . . . , cl, A)

ist. Wir zeigen, dass diese Situation von keiner Bedingung in P erzwungen werdenkann. Ein Widerspruch.

Sei p āˆˆ P mit

p (VĪ± |= Ļˆ(Ļƒn, Ī±1, . . . , Ī±k+1, Ļƒn1 , . . . , Ļƒnl, Ļ„)).

Wahle m āˆˆ Ļ‰ \ {n1, . . . , nl, n}, so dass fur alle i āˆˆ Ļ‰ gilt: (m, i) 6āˆˆ dom(p). Seig : Ļ‰ Ɨ Ļ‰ ā†’ Ļ‰ Ɨ Ļ‰ die Bijektion, die alle Paare (n, i) āˆˆ Ļ‰ Ɨ Ļ‰ mit (m, i) vertauschtund alle anderen Elemente von Ļ‰ Ɨ Ļ‰ fest lasst. Die Abbildung g induziert einenAutomorphismus Ļ€ von P.

Dieser Automorphismus hat folgende Eigenschaften:

(1) Ļ€(Ļ„) = Ļ„(2) Ļ€(Ļƒn) = Ļƒm

(3) āˆ€i āˆˆ Ļ‰ \ {n,m}(Ļ€(Ļƒi) = Ļƒi)(4) Ļ€(p) 6āŠ„ p

Einer naheren Erklarung bedarf hochstens (4). Da {m} Ɨ Ļ‰ von dom(p) disjunktist, ist dom(p)āˆ©dom(Ļ€(p)) āŠ† (Ļ‰\{n,m})ƗĻ‰. Die Menge (Ļ‰\{n,m})ƗĻ‰ wird abervon g punktweise fixiert. Damit ist p ļæ½ (Ļ‰ \ {n,m})Ɨ Ļ‰ = Ļ€(p) ļæ½ (Ļ‰ \ {n,m})Ɨ Ļ‰.Also sind p und Ļ€(p) kompatibel. Sei q eine gemeinsame Erweiterung von p undĻ€(p). Dann gilt

q (VĪ± |= Ļˆ(Ļƒm, Ī±1, . . . , Ī±k+1, Ļƒn1 , . . . , Ļƒnl, Ļ„)).

Wegen 1P Ļƒn 6= Ļƒm folgt daraus, dass q erzwingt, dass es zwei verschiedeneMengen x mit

VĪ± |= Ļˆ(x, Ī±1, . . . , Ī±k+1, Ļƒn1 , . . . , Ļƒnl, Ļ„)

gibt. Inbesondere kann p nicht erzwingen, dass es nur eine solche Menge gibt. ļæ½

Korollar 8.6. Mit ZFC ist auch ZFC+Ā¬AC konsistent.

Wir beenden diesen Abschnitt mit einem technischen Lemma, das sich oft alsnutzlich erweist. Im Beweis von Satz 8.5 haben wir explizit Namen fur die an

konstruiert, die fur jeden generischen Filter Mengen lieferten, die die Definition deran erfullen. Das folgende Lemma zeigt, dass so etwas allgemein moglich ist.

MODELLE DER MENGENLEHRE 35

Lemma 8.7. (Existential Completeness Lemma bzw. Maximality Principle) SeiP eine Halbordnung in einem abzahlbaren, transitiven Modell M von ZFC undĻ†(x, y1, . . . , yn) eine Formel. Weiter seien Ļ„1, . . . , Ļ„n āˆˆMP und p āˆˆ P mit

p āˆƒxĻ†(x, Ļ„1, . . . , Ļ„n).

Dann existiert Ļƒ āˆˆMP mit

p Ļ†(Ļƒ, Ļ„1, . . . , Ļ„n).

Zum Beweis dieses Lemmas benutzen wir die folgende Ubung.

Ubung 8.8. Sei P eine Halbordnung und p āˆˆ P. Weiter sei A eine Antikette vonElementen unterhalb von p. Fur jedes q āˆˆ A sei Ļƒq ein P-Name. Dann existiert einP-Name Ļƒ, so dass fur alle q āˆˆ A gilt: Ist G ein P-generischer Filter mit q āˆˆ G, sogilt ĻƒG = Ļƒq.

Beweis von Lemma 8.7. Sei q ā‰¤ p und G ein P-generischer Filter uber dem Grund-model M , der q enthalt. Wegen p āˆƒxĻ†(x, Ļ„1, . . . , Ļ„n) und p āˆˆ G gilt

M [G] |= āˆƒxĻ†(x, (Ļ„1)G, . . . , (Ļ„n)G).

Sei a āˆˆM [G] eine Menge mit

M [G] |= Ļ†(a, (Ļ„1)G, . . . , (Ļ„n)G)

und sei Ļ„ ein Name mit Ļ„G = a. Dann existiert eine Bedingung r āˆˆ G mit

r Ļ†(Ļ„, Ļ„1, . . . , Ļ„n).

O.B.d.A. konnen wir dabei r ā‰¤ q annehmen. Dieses Argument zeigt, dass die Menge

D := {r ā‰¤ q : Es gibt einen Namen Ļ„ mit r Ļ†(Ļ„, Ļ„1, . . . , Ļ„n)}dicht unterhalb von p ist.

Wahle eine maximale Antikette A āŠ† D. Fur jedes r āˆˆ A sei Ļƒr ein Name mit

r Ļ†(Ļƒr, Ļ„1, . . . , Ļ„n).

Sei Ļƒ eine Name wie in Ubung 8.8 fur A und die Ļƒr, r āˆˆ A. Es ist eine leichteUbung, zu zeigen, dass Ļƒ das Gewunschte leistet. ļæ½

Ubung 8.9. Man fuhre den Beweis von Lemma 8.7 zuende, indem man

p Ļ†(Ļƒ, Ļ„1, . . . , Ļ„n)

nachrechnet.

36 STEFAN GESCHKE

9. Martins Axiom

Fur Modelle der Mengenlehre, in denen CH falsch ist, drangen sich gewisse Fra-gen auf.

1. Sei Īŗ < 2ā„µ0 eine Kardinalzahl. Gilt 2Īŗ ā‰¤ 2ā„µ0?2. Wieviele Nullmengen (bezuglich der Lebesgueschen MaƟes auf R) braucht

man, um R zu uberdecken?3. Sei X ein topologischer Raum. A āŠ† X heiƟt nirgends dicht, wenn das Innere

des Abschlusses von A leer ist. Wieviele nirgends dichte Teilmengen von Rwerden benotigt, um ganz R zu uberdecken?

4. Eine Familie A āŠ† P(Ļ‰) heiƟt fast disjunkt, falls fur alle A,B āˆˆ Amit A 6= Bgilt: |A āˆ© B| < ā„µ0. Das Zornsche Lemma liefert die Existenz maximal fastdisjunkter Familien von Teilmengen von Ļ‰. Hat jede unendliche, maximalfast disjunkte Familie die Machtigkeit 2ā„µ0?

Alle diese Fragen haben gemeinsam, dass die Antwort unter CH klar ist. Ist2ā„µ0 = ā„µ1, so gilt fur alle Kardinalzahlen Īŗ < 2ā„µ0 : Īŗ ā‰¤ ā„µ0. Damit ist 2Īŗ ā‰¤ 2ā„µ0 .

Es ist klar, dass die Vereinigung abzahlbar vieler Nullmengen wieder eine Null-menge ist. Damit ist R nicht Vereinigung abzahlbar vieler Nullmengen. Unter CHist |R| = ā„µ1. Da jede einelementige Teilmenge von R Nullmenge ist, folgt daraus,dass R die Vereinigung von ā„µ1 Nullmengen ist.

Der Bairesche Satz besagt, dass R nicht abzahlbare Vereinung von nirgends dich-ten Mengen ist. Wie im Falle der Nullmengen ist R unter CH Vereinigung von ā„µ1

nirgends dichten Mengen.Mit einem Diagonalargument sieht man leicht, dass keine abzahlbar unendliche

Familie von Teilmengen von Ļ‰ maximal fast disjunkt ist. Daraus folgt sofort, dassunter CH alle unendlichen, maximal fast disjunkten Familien von Teilmengen vonĻ‰ die Machtigkeit ā„µ1 haben.

Martins Axiom beantwortet auch all diese Fragen, und zwar ohne auf CH zuruck-zugreifen. Die eigentliche Motivation fur Martins Axiom war jedoch eine andere.Eine lineare Ordnung (L,ā‰¤) ist c.c.c., falls es in L keine uberabzahlbare Familievon nichtleeren, paarweise disjunkten offenen Intervallen gibt. (L,ā‰¤) ist separabel,wenn L eine abzahlbare dichte Teilmenge hat. L ist zusammenhangend, wenn Lnicht die Vereinigung zweier disjunkter, nichtleerer offener Teilmengen ist.

Es ist relativ leicht zu sehen, dass jede zusammenhangende, separable lineareOrdnung ohne Endpunkte zu R isomorph ist. Suslins Hypothese (SH) ist die Aus-sage, dass jede zusammenhangende lineare Ordnung ohne Endpunkte, die c.c.c. ist,zu R isomorph ist. CH reicht nicht aus, um SH zu entscheiden. In L ist SH falsch.Martins Axiom wurde erfunden, als man ein Modell der Mengenlehre konstruierenwollte, in dem SH wahr ist.

9.1. Martins Axiom und seine Anwendungen.

Definition 9.1. Sei Īŗ eine Kardinalzahl. MAĪŗ ist die Aussage ā€œfur jede c.c.c.Halbordnung P und jede Familie D von Īŗ dichten Teilmengen von P existiert einD-generischer Filter G āŠ† Pā€. Martins Axiom (MA) ist die Aussage ā€œfur alle Īŗ < 2ā„µ0

gilt MAĪŗā€.

Nach dem Satz von Rasiowa und Sikorski gilt MAā„µ0 . Damit folgt MA aus CH.Als Axiom interessant ist daher meistens nur MA+Ā¬CH. Man sieht leicht, dassMA2ā„µ0 falsch ist. Damit umfasst MA alle relevanten Instanzen von MAĪŗ.

Die einfacheren Anwendungen von Martins Axiom sind die Antworten auf dieFragen 2. und 3.

MODELLE DER MENGENLEHRE 37

Satz 9.2. Martins Axiom impliziert, dass R nicht die Vereinigung von weniger als2ā„µ0 Nullmengen und auch nicht die Vereinigung von weniger 2ā„µ0 nirgends dichtenMengen ist.

Beweis. Um zu zeigen, dass R nicht die Vereinigung von weniger als 2ā„µ0 Nullmengenist, genugt es, selbiges fur [0, 1] zu zeigen. Sei A eine Familie von Nullmengen in[0, 1] mit |A| < 2ā„µ0 . Betrachte die Halbordnung M der messbaren Teilmengen von[0, 1], deren MaƟ echt groƟer als 0 ist. Fur a āˆˆ M sei Āµ(a) das MaƟ von a.

M ist c.c.c.: Sei namlich (bĪ±)Ī±<Ļ‰1 eine Antikette in M. Fur a, b āˆˆ M gilt a āŠ„ bgenau dann, wenn a āˆ© b eine Nullmenge ist. Ist a āŠ„ b, so stimmt b \ a bis auf eineNullmenge mit b uberein und ist disjunkt zu a. Da abzahlbare Vereinigungen vonNullmengen wieder Nullmengen sind, lassen sich die bĪ± induktiv so um Nullmengenabandern, dass sie paarweise disjunkt werden. Wir konnen also annehmen, dass diebĪ± paarweise disjunkt sind.

Fur jedes n āˆˆ Ļ‰ sei Bn := {Ī± < Ļ‰1 : Āµ(bĪ±) > 12n }. Wegen

āˆ‘Ī±āˆˆBn

Āµ(bĪ±) =Āµ(

ā‹ƒĪ±āˆˆBn

bĪ±) ā‰¤ 1 ist jedes Bn endlich. Damit istā‹ƒ

nāˆˆĻ‰ Bn abzahlbar. Es gilt aberā‹ƒnāˆˆĻ‰ Bn = Ļ‰1. Ein Widerspruch.Sei nun P die Halbordnung der abgeschlossenen Elemente von M. Wie man (hof-

fentlich) in der Analysis gelernt hat, ist P dicht in M. Mit M ist auch P c.c.c. Furjedes a āˆˆ A sei Da := {b āˆˆ P : a āˆ© b = āˆ…}. Wie man leicht sieht, ist jedes Da dicht.Martins Axiom impliziert, dass ein {Da : a āˆˆ A}-generischer Filter G āŠ† P existiert.

Da G unter endlichen Durchschnitten abgeschlossen und [0, 1] kompakt ist, exi-stiert x āˆˆ

ā‹‚G. Wegen der Generizitat von G ist x 6āˆˆ

ā‹ƒA. Wegen x āˆˆ [0, 1] zeigt

das, dass [0, 1] nicht die Vereinigung uber A ist.Das Argument fur nirgends dichte Mengen geht im wesentlichen genauso und

benutzt die Halbordnung der Abschlusse von nichtleeren offenen Teilmengen vonR. ļæ½

Um zu zeigen, dass MA+Ā¬CH Suslins Hypothese impliziert, benutzen wir ei-ne halbordnungstheoretische Folgerung von Martins Axiom. Eine HalbordnungP hat die Knaster-Eigenschaft, wenn jede uberabzahlbare Teilmenge von P eineuberabzahlbare Teilmenge von paarweise kompatiblen Elementen hat. Offenbar hatjede Halbordnung mit der Knaster-Eigenschaft die c.c.c. Unter MA gilt auch dieUmkehrung.

Lemma 9.3. Unter MAā„µ1 hat jede c.c.c. Halbordnung die Knaster-Eigenschaft.

Beweis. Sei P eine c.c.c. Halbordnung und (pĪ±)Ī±<Ļ‰1 eine Folge von Bedingungenin P. Fur alle Ī± < Ļ‰1 sei

AĪ± := reg({pĪ² : Ī± ā‰¤ Ī² < Ļ‰1}).

(AĪ±)Ī±<Ļ‰1 ist eine monoton fallende Folge von regular offenen Teilmengen von P.Wegen der c.c.c. von P existiert ein Ī± < Ļ‰1, ab dem diese Folge konstant wird. Furdieses Ī± betrachte die Halbordnung Q := AĪ±.

Auch Q ist c.c.c. Fur jedes Ī² < Ļ‰1 sei

DĪ² := {q āˆˆ Q : āˆƒĪ³ < Ļ‰1(Ī³ ā‰„ Ī² āˆ§ q ā‰¤ pĪ³)}.

Wegen der Wahl von Q ist jedes DĪ² dicht in Q. Sei nun G āŠ† Q ein {DĪ² : Ī² < Ļ‰1}-generischer Filter. Dann sind die Elemente von G paarweise kompatibel, und furjedes Ī² < Ļ‰1 existiert ein Ī³ < Ļ‰1 mit Ī³ ā‰„ Ī² und pĪ³ āˆˆ G. Das zeigt die Knaster-Eigenschaft von P. ļæ½

Ubung 9.4. Es sei L eine zusammenhangende, separable lineare Ordnung undP die Menge der nichtleeren, offenen Intervalle von L, geordnet durch Inklusion.Zeige, dass P die Knaster-Eigenschaft hat.

38 STEFAN GESCHKE

Die Knaster-Eigenschaft verhalt sich etwas besser als die c.c.c., was Produktevon Halbordnungen angeht.

Definition 9.5. P und Q seien Halbordnungen. Das Produkt von P und Q ist PƗQkomponentenweise geordnet.

Lemma 9.6. Haben P und Q die Knaster-Eigenschaft, so auch PƗQ. Insbesondereist PƗQ dann c.c.c.

Beweis. Sei (pĪ±, qĪ±)Ī±<Ļ‰1 eine Folge in PƗQ. Wahle eine uberabzahlbare Menge S āŠ†Ļ‰1, so dass die pĪ±, Ī± āˆˆ S, paarweise kompatibel sind. Wahle eine uberabzahlbareMenge T āŠ† S, so dass die qĪ±, Ī± āˆˆ T , paarweise kompatibel sind. Wie man leichtsieht, sind auch die (pĪ±, qĪ±), Ī± āˆˆ T , paarweise kompatibel in PƗQ. ļæ½

Aus Lemma 9.3 und Lemma 9.6 folgt sofort

Korollar 9.7. Unter MAā„µ1 sind Produkte von c.c.c. Halbordnungen wieder c.c.c.

Satz 9.8. MAā„µ1 impliziert SH.

Beweis. Sei L eine zusammenhangende lineare Ordnung ohne Endpunkte, die c.c.c.ist. Wir zeigen, dass L separabel ist. Betrachte die Halbordnung P der nichtleerenoffenen Intervalle von L. Mit L ist auch P c.c.c.

Angenommen, L ist nicht separabel. Dann existieren aĪ±, bĪ±, cĪ± āˆˆ L, Ī± < Ļ‰1, mit(i) aĪ± < bĪ± < cĪ± und(ii) (aĪ±, cĪ±) āˆ© {bĪ² : Ī² < Ī±} = āˆ….

Fur alle Ī± < Ļ‰1 sei pĪ± := (aĪ±, bĪ±) und qĪ± := (bĪ±, cĪ±). Fur alle Ī±, Ī² < Ļ‰1

mit Ī± < Ī² gilt dann bĪ± 6āˆˆ (aĪ² , cĪ²). Ist bĪ± ā‰¤ aĪ² , so ist pĪ± = (aĪ±, bĪ±) disjunktvon pĪ² = (aĪ² , bĪ²). Ist bĪ± ā‰„ cĪ² , so ist qĪ± = (bĪ±, cĪ±) disjunkt von qĪ² = (bĪ² , cĪ²).Insgesamt ist (pĪ±, qĪ±) inkompatibel zu (pĪ² , qĪ²) in PƗ P. Also ist PƗ P nicht c.c.c.Das widerspricht aber Korollar 9.7. ļæ½

Ubung 9.9. Sei L eine zusammenhangende lineare Ordnung ohne Endpunkte. Wieoben sei P die Halbordnung der nichtleeren offenen Intervalle von L. Zeige: Hat Pdie Knaster-Eigenschaft, so ist L separabel.

Um die Konsistenz von MA+Ā¬CH zu zeigen, benotigen wir noch eine Charakte-risierung von MAĪŗ.

Lemma 9.10. Sei Īŗ eine unendliche Kardinalzahl. Dann gilt MAĪŗ genau dann,wenn MAĪŗ eingeschrankt auf Halbordnungen der Machtigkeit ā‰¤ Īŗ gilt.

Beweis. Sei (P,ā‰¤) eine c.c.c. Halbordnung und (DĪ±)Ī±<Īŗ eine Familie von dichtenTeilmengen von P. Betrachte die Struktur (P,ā‰¤, DĪ±)Ī±<Īŗ. Diese Struktur ist eineStruktur in einer Sprache der Machtigkeit Īŗ. Mit Hilfe von Skolem-Funktionen siehtman, dass eine Unterhalbordnung Q von P existiert, so dass gilt:

(i) |Q| ā‰¤ Īŗ(ii) āˆ€p, q āˆˆ Q(p āŠ„Q q ā†” p āŠ„P q)(iii) āˆ€Ī± < Īŗ(DĪ± āˆ©Q ist dicht in Q)

(Man kann Q einfach nach dem Satz von Lowenheim-Skolem als elementare Un-terstruktur von (P,ā‰¤, DĪ±)Ī±<Īŗ mit Machtigkeit ā‰¤ Īŗ wahlen.) Wegen (ii) ist mit Pauch Q c.c.c. Nach MAĪŗ fur Q existiert ein (DĪ± āˆ©Q)Ī±<Īŗ-generischer Filter G āŠ† Q.Der von G in P erzeugte Filter ist offenbar (DĪ±)Ī±<Īŗ generisch. Das zeigt MAĪŗ furP. ļæ½

MODELLE DER MENGENLEHRE 39

9.2. Iteriertes Forcing. Wir werden folgende Strategie anwenden, um ein Modellvon MA+Ā¬CH zu konstruieren: Wie immer starten wir mit einem abzahlbaren,transitiven Modell M der Mengenlehre. Wir setzen voraus, dass M CH erfullt.

Wir konstruieren eine aufsteigende Kette (MĪ±)Ī±<(ā„µ2)M von generische Erweite-rungen von M , so dass MĪ±+1 jeweils von der Form MĪ±[GĪ±] ist, wobei GĪ± fur einegewisse Halbordnung PĪ± āˆˆMĪ± generisch uber MĪ± ist. SchlieƟlich erhalten wir einegenerische Erweiterung N von M , die das kleinste transitive Modell von ZFC ist,das M umfasst und die Folge (GĪ±)Ī±<(ā„µ2)M enthalt.

Alle MĪ± werden Modelle von CH sein. In N wird 2ā„µ0 = ā„µ2 gelten. Die Kardi-nalzahlen von M sind genau die Kardinalzahlen von N . Die PĪ± werden so gewahltsein, dass fur jede c.c.c. Halbordnung P āˆˆ N mit N |= |P| < 2ā„µ0 und jede FamilieD āˆˆ N von dichten Mengen in P mit N |= |D| < 2ā„µ0 ein Ī± < (ā„µ2)M existiert, sodass folgendes gilt:

(i) P āˆˆMĪ±

(ii) MĪ± |= PĪ±āˆ¼= P

(iii) D āŠ†MĪ±.

Da GĪ± PĪ±-generisch uber MĪ± ist und PĪ± zu P isomorph (in MĪ±), existiert inMĪ±+1, und damit auch in N , ein D-generischer Filter. Das zeigt, dass in N MartinsAxiom eingeschrankt auf Halbordnungen der Machtigkeit < 2ā„µ0 gilt. Nach Lemma9.10 erfullt N damit MA.

Die wesentliche technische Schwierigkeit in diesem Beweis ist, dass es unklar ist,wie man die StrukturN oder dieMĪ± fur Limeszahlen Ī± konstruiert. Die Vereinigungder MĪ± muss kein Modell der Mengenlehre sein. (Es gibt in der Modelltheorie zwarden Satz uber elementare Ketten, aber die Kette der MĪ± ist nicht elementar.) DieLosung dieses Problems ist, dass man direkt eine Halbordnung in M konstruiert,die die verschiedenen GĪ± adjungiert. Das nennt man iteriertes Forcing.

Wir betrachten zunachst die Zweischritt-Iteration. Sei P āˆˆM eine Halbordnungund G P-generisch uber M . Weiter sei Q āˆˆ M [G] eine Halbordnung und F Q-generisch uber M [G]. Man erhalt ein Modell M [G][F ] der Mengenlehre (beachte,dass auch M [G] ein abzahlbares, transitives Modell von ZFC ist). Wir versuchen,M [G][F ] als einfache generische Erweiterung aufzufassen.

Wahle einen Namen Q mit QG = Q. Dann existiert p āˆˆ G mit

p ā€œQ ist eine Halbordnungā€.

Nach Lemma 8.7 konnen wir sogar

1P ā€œQ ist eine Halbordnungā€

verlangen, denn offenbar gilt

1P āˆƒx(x ist Halbordnung āˆ§ (p āˆˆ Ī“ ā†’ x = Q)),

wobei Ī“ der Standardname fur den P-generischen Filter ist. Da wir angenommenhaben, dass alle Halbordnungen ein maximales Element haben, konnen wir auƟer-dem, wieder nach Lemma 8.7, annehmen, dass es einen Namen 1Q mit

1P ā€œ1Q ist das maximale Element von Qā€

und (1Q, 1P) āˆˆ Q. Wir sagen, dass Q ein Name fur eine Halbordnung ist. Beachtedabei, dass mit der ublichen Schlampigkeit die Halbordnung (Q,ā‰¤) mit der MengeQ identifiziert wird. Q ist also streng genommen ein Name fur ein Paar, namlicheine Menge zusammen mit einer Relation. Wir werden Q aber auch als Namen furdie unterliegende Menge benutzen (welches in Wirklichkeit ein anderer Name ist alsder fur ganze Halbordnung). Mit ā‰¤ bezeichnen wir einen Namen fur die Ordnung

40 STEFAN GESCHKE

auf Q. Der Name ā‰¤ existiert wieder nach Lemma 8.7, ist aber, wie auch 1Q, nichteindeutig bestimmt. Wir wahlen irgendeinen.

Definition 9.11. Sei P āˆˆ M eine Halbordnung und Q āˆˆ MP ein Name fur eineHalbordnung. Setze

P āˆ— Q := {(p, q) : p āˆˆ P āˆ§ āˆƒr āˆˆ P((q, r) āˆˆ Q) āˆ§ p q āˆˆ Q}.

Fur (p0, q0), (p1, q1) āˆˆ P āˆ— Q sei (p0, q0) ā‰¤ (p1, q1) genau dann, wenn p0 ā‰¤ p1 undp0 q0 ā‰¤ q1.

Wir zeigen, dass sich M [G][F ] als Pāˆ— Q-generische Erweiterung von M auffassenlasst.

Definition 9.12. Seien P0 und P1 Halbordnungen mit P0 āŠ† P1. P0 ist vollstandigin P1 eingebettet, falls gilt:

(i) āˆ€p, q āˆˆ P0(p āŠ„P0 q ā†” p āŠ„P1 q)(ii) āˆ€p āˆˆ P1āˆƒq āˆˆ P0āˆ€r āˆˆ P0(r ā‰¤ q ā†’ r 6āŠ„ p)

Beachte, dass sich mit (i) ein Index an āŠ„ in (ii) erubrigt. Eine Bedingung q wie in(ii) heiƟt Projektion von p auf P0.

Ubung 9.13. Seien P und Q Halbordnungen. Wir identifizieren P mit der MengePƗ {1Q} āŠ† PƗQ. Zeige, dass P vollstandig in PƗQ eingebettet ist.

Lemma 9.14. Seien P0,P1 āˆˆ M Halbordnungen und P0 vollstandig eingebettetin P1. Ist G P1-generisch uber M , so ist G āˆ© P0 P0-generisch uber M und es giltM [G āˆ© P0] āŠ†M [G].

Beweis. M [G āˆ© P0] āŠ† M [G] ist klar, falls G āˆ© P0 P0-generisch uber M ist. Wirzeigen, dass Gāˆ© P0 alle dichten Teilmengen von P0 schneidet, die Elemente von Msind.

Sei D āˆˆM eine dichte Teilmenge von P0. Betrachte Dā€² := {p āˆˆ P1 : āˆƒq āˆˆ D(p ā‰¤q)}. Dann ist Dā€² dicht in P1. Sei namlich p āˆˆ P1. Da P0 vollstandig in P1 eingebettetist, existiert eine Projektion q von p auf P0. Da D dicht in P0 ist, existiert r āˆˆ Dmit r ā‰¤ q. Nach Wahl von q ist r kompatibel mit p. Sei s āˆˆ P1 mit s ā‰¤ r, p. Esgilt s āˆˆ Dā€². Das zeigt die Dichtheit von Dā€² in P1. Wegen der Generizitat von Gschneidet G die Menge Dā€². Da G ein Filter ist, schneidet G auch D.

Es ist noch nicht klar, dass Gāˆ©P0 uberhaupt ein Filter ist. Offenbar ist mit einerBedingung q āˆˆ P0 auch jede groƟere Bedingung in P0 ein Element von Gāˆ©P0. Seienp, q āˆˆ G āˆ© P0. Betrachte die Menge

D := {r āˆˆ P0 : r ā‰¤ p, q āˆØ r āŠ„ p āˆØ r āŠ„ q}.D ist dicht in P0. Sei namlich s āˆˆ P0 mit s 6āŠ„ p. Dann existiert t āˆˆ P0 mit t ā‰¤ s, p.Nun ist entweder t āŠ„ q oder es gibt r ā‰¤ t mit r ā‰¤ p, q. In jedem Falle existiertr āˆˆ D mit r ā‰¤ s.

Wegen der Dichtheit von D existiert r āˆˆ D āˆ© G. Die Falle r āŠ„ p und r āŠ„ qkommen nicht in Frage, da je zwei Elemente von G kompatibel sind. Also ist r āˆˆG āˆ© P0 eine gemeinsame Erweiterung von p und q. Damit ist G āˆ© P0 in der Tat einFilter. ļæ½

Lemma 9.15. Seien P und Q wie in Definition 9.11. Identifiziere P mit {(p, 1Q) :p āˆˆ P} āŠ† P āˆ— Q. Dann ist P vollstandig eingebettet in P āˆ— Q.

Beweis. Seien p0, p1 āˆˆ P kompatibel in P āˆ— Q. Dann existiert (p, q) āˆˆ P āˆ— Q mit(p, q) ā‰¤ (p0, 1Q), (p1, 1Q). Offenbar ist p gemeinsame Erweiterung von p0 und p1 inP.

Fur (p, q) āˆˆ P āˆ— Q ist p eine Projektion von (p, q) auf P. ļæ½

MODELLE DER MENGENLEHRE 41

Dass sich M [G][F ] als P āˆ— Q-generische Erweiterung auffassen lasst, besagt fol-gendes Lemma.

Lemma 9.16. Seien P und Q wie in Definition 9.11. Ist H P āˆ— Q-generisch uberM , so ist

H1 := {qHāˆ©P : āˆƒp āˆˆ P((p, q) āˆˆ H)}QHāˆ©P-generisch uber M [H āˆ© P] und es gilt M [H] = M [H āˆ© P][H1]. Ist umgekehrtG P-generisch uber M und F QG-generisch uber M [G], so ist

H := {(p, q) āˆˆ P āˆ— Q : p āˆˆ G āˆ§ qG āˆˆ F}

P āˆ— Q-generisch uber M und es gilt M [G][F ] = M [H].

Beweis. Sei H P āˆ— Q-generisch uber M . Da P vollstandig in P āˆ— Q eingebettet ist,ist H0 := H āˆ© P P-generisch uber M . Setze

H1 := {qH0 : āˆƒp āˆˆ P((p, q) āˆˆ H)}.

Wir zeigen zunachst, dass H1 uberhaupt ein Filter ist.Sei q āˆˆ H1 und s āˆˆ QH0 mit q ā‰¤ s. Wahle (p, q) āˆˆ H und s mit qH0 = q,

(p, s) āˆˆ P āˆ— Q und sH0 = s. Wegen q ā‰¤ s existiert t āˆˆ H0 mit t q ā‰¤ s. Dabeikonnen wir t ā‰¤ p wahlen. Sei u so gewahlt, dass (t, u) āˆˆ H gilt. Wir konnenannehmen, dass (t, u) ā‰¤ (p, q) ist. Es gilt dann (t, u) ā‰¤ (t, s). Insbesondere ist(t, s) āˆˆ H, also s āˆˆ H1.

Seien nun q, s āˆˆ H1. Wahle (p, q), (r, s) āˆˆ H mit qH0 = q und sH0 = s. Sei(t, u) āˆˆ H eine gemeinsame Erweiterung von (p, q) und (r, s). Dann ist t āˆˆ H0,uH0 āˆˆ H1 und es gilt t u ā‰¤ q, s. Damit ist uH0 eine gemeinsame Erweiterung vonq und s in H1. Das zeigt, dass H1 ein Filter ist.

Sei D āˆˆM [H0] eine dichte Teilmenge in QH0 . Wahle einen Namen D fur D undp āˆˆ H0 mit

p ā€œD ist dicht in Qā€.

Betrachte die Menge

Dā€² := {(r, s) āˆˆ P āˆ— Q : r s āˆˆ D}.

Wie man leicht nachrechnet, ist Dā€² dicht unter (p, 1Q). Damit existiert (r, s) āˆˆDā€² āˆ©H. Offenbar ist sH0 āˆˆ D āˆ©H1. Die Gleichung M [H0][H1] = M [H] ist klar.

Sei nun G P-generisch uber M und F QG-generisch uber M [G]. Setze

H := {(p, q) āˆˆ P āˆ— Q : p āˆˆ G āˆ§ qG āˆˆ F}.

Wie man leicht nachrechnet, ist H ein Filter. Sei nun D āˆˆM eine dichte Teilmengevon P āˆ— Q.

Setze D1 := {qG : āˆƒp āˆˆ G((p, q) āˆˆ D)}. Wir zeigen, dass D1 dicht in QG ist. Seiq āˆˆ QG. Wahle (p, q) āˆˆ P āˆ— Q mit p āˆˆ G und qG = q. Wie man leicht sieht, ist dieMenge

D0 := {r āˆˆ P : āˆƒs((r, s) ā‰¤ (p, q) āˆ§ (r, s) āˆˆ D)}dicht unterhalb von p. Also existiert (r, s) āˆˆ D mit (r, s) ā‰¤ (p, q) und r āˆˆ G. Es istsG āˆˆ D1 und sG ā‰¤ q = qG. Das zeigt die Dichtheit von D1.

Wegen der Generizitat von F existiert q āˆˆ D1 āˆ© F . Wahle (p, q) āˆˆ D mit p āˆˆ Gund qG = q. Dann ist (p, q) āˆˆ D āˆ©H. Es folgt, dass H P āˆ— Q-generisch uber M ist.Die Gleichung M [H] = M [G][F ] ist wieder klar. ļæ½

Ubrigens lasst sich fur jede Halbordnung P1 und jede vollstandig eingebetteteUnterhalbordnung P0 die Halbordnung P1 als Zweischritt-Iteration der Form P0 āˆ—Qauffassen.

42 STEFAN GESCHKE

Ubung 9.17. Sei P eine Halbordnung und Q ein P-Name mit

1P Q = Fn(Ļ‰, 2).

Zeige, dass P āˆ— Q eine dichte Teilmenge hat, die zu PƗ Fn(Ļ‰, 2) isomorph ist.

Als nachstes zeigen wir, dass die c.c.c. unter Iteration erhalten bleibt.

Lemma 9.18. Sei P āˆˆ M eine Halbordnung und Q āˆˆ M ein P-Name fur eineHalbordnung. Angenommen P ist c.c.c. (in M) und es gilt 1P ā€Q ist c.c.c.ā€œ.Dann ist P āˆ— Q c.c.c. (in M).

Beweis. Wir argumentieren zunachst in M . Sei (pĪ±, qĪ±)Ī±<Ļ‰1 eine Antikette in Pāˆ—Q.Setze Ļƒ := {(Ī±, pĪ±) : Ī± < Ļ‰1}. Der Name Ļƒ ist ein P-Name fur eine Teilmenge vonĻ‰1. Da P c.c.c. ist, erhalt P Kardinalzahlen. Die Kardinalzahl Ļ‰1 des Grundmodellsist also gleich dem Ļ‰1 jeder P-generischen Erweiterung.

Sei nun G P-generisch uber M und Ī±, Ī² āˆˆ ĻƒG. Angenommen, (qĪ±)G ist kom-patibel zu (qĪ²)G. Dann existiert ein Name Ļ fur eine Bedingung in QG mit ĻG ā‰¤(qĪ±)G, (qĪ²)G. Wir konnen annehmen, dass ein r āˆˆ P mit (r, Ļ) āˆˆ P āˆ— Q existiert. Esgibt p āˆˆ G mit

p Ļ āˆˆ Q āˆ§ Ļ ā‰¤ qĪ±, qĪ² .

Wegen Ī±, Ī² āˆˆ ĻƒG gilt pĪ±, pĪ² āˆˆ G. Also konnen wir p ā‰¤ pĪ±, pĪ² annehmen. Damitist (p, Ļ) āˆˆ P āˆ— Q eine gemeinsame Erweiterung von (pĪ±, qĪ±) und (pĪ² , qĪ²). Das zeigtĪ± = Ī². Es folgt, dass ĻƒG abzahlbar ist. Insbesondere ist sup(ĻƒG) < Ļ‰1.

Wir argumentieren wieder in M . Sei Ī² ein P-Name fur das Supremum von Ļƒ.Da P c.c.c. ist, gibt es in M eine abzahlbare Menge A āŠ† Ļ‰1 mit 1P Ī² āˆˆ A. SetzeĪ³ := sup(A). Dann gilt 1P Ī² ā‰¤ Ī³. Wegen der Definition von Ī² bedeutet das furalle Ī“ < Ļ‰1 mit Ī³ < Ī“:

1P pĪ“ 6āˆˆ Ī“,

wobei Ī“ wieder der Standardname fur den P-generischen Filter ist. Das ist aberabsurd. Es folgt, dass (pĪ±, qĪ±)Ī±<Ļ‰1 keine Antikette ist. ļæ½

9.3. Lange Iterationen. Wir beschreiben eine Moglichkeit, Forcing-Iterationenunendlicher Lange zu konstruieren. Wir betrachten zunachst endliche Iterationen.

Seien P eine Halbordnung und Q1, . . . , Qn so, dass jedes Qi ein (. . . (P āˆ— Q1) Ā· Ā· Ā· āˆ—Qiāˆ’1)-Name fur eine Halbordnung ist. Dann ist (. . . (P āˆ— Q1) Ā· Ā· Ā· āˆ— Qn) eine Hal-bordnung, deren Elemente die Form (. . . (p, q1) . . . , qn) haben. Wir identifizieren(. . . (p, q1) . . . , qn) mit (p, q1, . . . , qn). Wir konnen P auch als einen P0-Namen Q0

fur eine Halbordnung auffassen, wobei P0 die triviale Halbordnung {āˆ…} ist. In die-sem Falle wird aus (p, q1, . . . , qn) die Folge (q0, . . . , qn), wobei q0 der kanonischeP0-Name fur p ist. Das vereinfacht die Notation etwas.

Diese Darstellung einer Iteration von endlich vielen Halbordnungen verallgemei-nern wir, um unendlich viele Halbordnungen zu iterieren.

Definition 9.19. Sei Ī“ āˆˆ M eine Ordinalzahl. ((PĪ±)Ī±ā‰¤Ī“, (QĪ±)Ī±<Ī“) āˆˆ M heiƟtIteration mit endlichem Trager (finite support iteration) der Lange Ī“, falls in Mfolgendes gilt:

(i) Fur alle Ī± ā‰¤ Ī“ ist PĪ± eine Halbordnung, wobei die Elemente von PĪ± Folgender Lange Ī± sind. Insbesondere gilt P0 = {āˆ…}.

(ii) Fur alle Ī±, Ī² ā‰¤ Ī“ mit Ī± < Ī² und alle p āˆˆ PĪ² ist p ļæ½ Ī± āˆˆ PĪ±.(iii) Fur alle Ī± < Ī“ ist QĪ± ein PĪ±-Name fur eine Halbordnung.(iv) Fur alle Ī± < Ī“ ist PĪ±+1 = PĪ± āˆ— QĪ±. Hierbei konnen wir, da die Elemente

von PĪ± Folgen der Lange Ī± sind, die Elemente von PĪ± āˆ— QĪ± in naturlicherWeise als Folgen der Lange Ī±+ 1 auffassen.

MODELLE DER MENGENLEHRE 43

(v) Fur alle Ī± ā‰¤ Ī“ und jede Folge p der Lange Ī± sei

supt(p) := {Ī² < Ī± : p(Ī²) 6= 1QĪ²}

der Trager von p. Fur jede Limesordinalzahl Ī± ā‰¤ Ī“ und jede Folge p derLange Ī± ist p genau dann Element von PĪ±, wenn p ļæ½ Ī² āˆˆ PĪ² fur alle Ī² < Ī±gilt und zusatzlich supt(p) endlich ist.

(vi) Fur alle Ī± ā‰¤ Ī“ und alle p, q āˆˆ PĪ± ist p ā‰¤ q genau dann, wenn fur alle Ī² < Ī±gilt: p ļæ½ Ī² p(Ī²) ā‰¤ q(Ī²).

Fur alle Ī± ā‰¤ Ī“ sei 1PĪ±die Folge p der Lange Ī± mit p(Ī²) = 1QĪ²

fur alle Ī² < Ī±.

Fur alle Ī±, Ī² ā‰¤ Ī“ mit Ī± < Ī² und alle p āˆˆ PĪ± identifizieren wir p mit der Folgep āˆŖ (1PĪ²

ļæ½ [Ī±, Ī²)) āˆˆ PĪ² . Wie man leicht nachrechnet, ist PĪ± damit eine vollstandigeingebettete Unterhalbordnung von PĪ² .

Das nachste Lemma zeigt, dass die Iteration mit endlichen Trager sich gut verhaltin Bezug auf c.c.c. Halbordungen.

Lemma 9.20. Sei ((PĪ±)Ī±ā‰¤Ī“, (QĪ±)Ī±<Ī“) eine Iteration mit endlichen Trager, so dassfur alle Ī± ā‰¤ Ī“ gilt:

1PĪ± ā€œQĪ± ist c.c.c.ā€

Dann ist PĪ± c.c.c. fur alle Ī± ā‰¤ Ī“.

Beweis. Wir beweisen das Lemma durch Induktion uber Ī± ā‰¤ Ī“. Der Induktionsan-fang ist trivial. Die Nachfolgerschritte ergeben sich aus Lemma 9.18. Sei nun Ī± ā‰¤ Ī“eine Limesordinalzahl. Angenommen, fur alle Ī² < Ī± ist PĪ² c.c.c. Sei (pĪ½)Ī½<Ļ‰1 eineFolge von Bedingungen in PĪ±. Wir zeigen, dass diese Folge keine Antikette ist.

Betrachte die Folge (supt(pĪ½))Ī½<Ļ‰1 . Wegen des āˆ†-System Lemmas konnen wirannehmen, dass (supt(pĪ½))Ī½<Ļ‰1 bereits ein āˆ†-System mit Wurzel R bildet. Sei Ī² :=max(R) + 1. Wir konnen annehmen, das die pĪ½ paarweise verschieden sind. Da PĪ²

c.c.c. ist, existieren p, q āˆˆ {pĪ½ : Ī½ < Ļ‰1} mit p 6= q und p ļæ½ Ī² 6āŠ„ q ļæ½ Ī². Sei r āˆˆ PĪ²

eine gemeinsame Erweiterung von p ļæ½ Ī² und q ļæ½ Ī². Definiere s āˆˆ PĪ± wie folgt:Setze s ļæ½ Ī² := r. Fur alle Ī³ āˆˆ [Ī², Ī±) sei s(Ī³) := p(Ī³), falls Ī³ āˆˆ supt(p), und sonst

s(Ī³) := q(Ī³). Da die Trager von p und q oberhalb von Ī² disjunkt sind, ist s einegemeinsame Erweiterung von p und q in PĪ±. ļæ½

44 STEFAN GESCHKE

9.4. Die Konsistenz von MA+Ā¬CH.

Satz 9.21. Mit ZFC ist auch ZFC+MA+Ā¬CH konsistent.

Beweis. Sei M ein abzahlbares, transitives Modell von ZFC+GCH. Wir konstruie-ren eine c.c.c. Halbordnung P āˆˆ M , so dass fur jeden P-generischen Filter G uberM gilt:

M [G] |= MAāˆ§2ā„µ0 = ā„µ2

Wir stellen zunachst folgendes fest: Sei N ein Modell der Mengenlehre mitN |= 2ā„µ0 = ā„µ2. Um MA in N nachzuweisen, genugt es nach Lemma 9.10 Halb-ordnungen der Machtigkeit ā‰¤ ā„µ1 zu betrachten. Naturlich genugt es dabei, je eineHalbordnung jedes Isomorphietyps von Halbordnungen der Machtigkeit ā‰¤ ā„µ1 zubetrachten. Insbesondere kann man sich auf Halbordnungen mit der unterliegen-den Menge Ļ‰1 oder einer Teilmenge davon beschranken. Aus technischen Grundenwerden wir uns sogar auf Halbordnungen beschranken, die genau die unterliegen-de Menge Ļ‰1 haben. Das geht wie folgt: Anstelle einer abzahlbaren Halbordung Qbetrachten wir die forcing-theoretisch aquivalente Halbordnung, die entsteht, wennman das groƟte Element von Q durch eine Kette vom Ordnungstyp Ļ‰1 + 1 ersetzt.

Wir konstruieren nun in M eine Iteration ((PĪ±)Ī±ā‰¤Ļ‰2 , (QĪ±)Ī±<Ļ‰2) mit endlichemTrager, so dass fur alle Ī± < Ļ‰2 gilt: 1PĪ±

ā€QĪ± ist c.c.c.ā€œ. Wir werden die PĪ± sowahlen, dass fur Ī± < Ļ‰2 gilt: |PĪ±| ā‰¤ ā„µ1. Wir setzen dann P := PĻ‰2 und zeigen

1P MAāˆ§2ā„µ0 = ā„µ2

Nach Lemma 9.20 ist P c.c.c. Wir mussen also, wenn wir zum Beispiel ā„µ1 schreiben,nicht dazu sagen, ob wir ā„µ1 in M oder in einer P-generischen Erweiterung von Mmeinen.

Angenommen, wir haben PĪ± bereits konstruiert. Wir sagen, dass Q ein guterPĪ±-Name fur eine c.c.c. Halbordnung auf Ļ‰1 ist, falls Q ein PĪ±-Name fur einec.c.c. Halbordnung ist und auƟerdem gilt:

(i) Der Name fur die unterliegende Menge von Q ist Ļ‰1.(ii) 1Q = 0(iii) Der Name ā‰¤ fur die Ordnung auf Q ist ein netter Name fur eine Teilmenge

von Ļ‰1 Ɨ Ļ‰1, d.h., ā‰¤ ist von der Formā‹ƒ

Ī²,Ī³<Ļ‰1({(Ī², Ī³)} ƗAĪ²,Ī³), wobei die

AĪ²,Ī³ Antiketten in PĪ± sind.Wie im Falle der netten Namen fur Teilmengen von Ļ‰ sieht man, dass jede ineiner PĪ±-generischen Erweiterung von M auftretende c.c.c. Halbordnung auf Ļ‰1,deren groƟtes Element die Ordinalzahl 0 ist, einen guten PĪ±-Namen hat. Wegen derc.c.c. von PĪ± zusammen mit GCH und |PĪ±| ā‰¤ ā„µ1 gibt es nur ((ā„µ1)ā„µ0)ā„µ1 = ā„µ2 gutePĪ±-Namen fur Halbordnungen auf Ļ‰1.

Beachte, dass wir fur Ī± < Ī² ā‰¤ Ļ‰2 jeden PĪ±-Namen mittels der vollstandigenEinbettung von PĪ± in PĪ² als PĪ²-Namen auffassen konnen. Mit Hilfe von geschickterBuchhaltung konnen wir die QĪ± so wahlen, dass folgendes gilt: Fur alle Ī± < Ļ‰2 undalle guten PĪ±-Namen Q fur eine c.c.c. Halbordnung auf Ļ‰1 gibt es ā„µ2-viele Ī² < Ļ‰2

mit Ī± ā‰¤ Ī² und(1PĪ²

ā€Q ist c.c.c.ā€œ) ā†’ Q = QĪ² .

Wie man leicht sieht, haben alle PĪ±, 0 < Ī± < Ļ‰2, die Machtigkeit ā„µ1. P = PĻ‰2

hat die Machtigkeit ā„µ2. Da P c.c.c. ist, gibt es hochstens ā„µ2 nette P-Namen fur Teil-mengen von Ļ‰. Andererseits sind ā„µ2-viele der QĪ± Namen fur eine feste, zu Fn(Ļ‰, 2)aquivalente Halbordnung auf Ļ‰1. Die von diesen QĪ± adjungierten Teilmengen vonĻ‰ sind paarweise verschieden, wie man mit einem einfachen Dichtheitsargumentnachweisen kann. Insgesamt gilt also 1P 2ā„µ0 = ā„µ2.

Sei nun G ein P-generischer Filter uberM und Q āˆˆM [G] eine c.c.c. Halbordnungauf Ļ‰1 mit 1Q = 0. Weiter sei (DĪ²)Ī²<Ļ‰1 eine Familie von dichten Teilmengen von

MODELLE DER MENGENLEHRE 45

Q. Wahle einen guten P-Namen Q fur eine c.c.c. Halbordnung auf Ļ‰1 mit QG = Q.Fur jedes Ī² < Ļ‰1 sei DĪ² ein netter P-Name fur eine Teilmenge von Ļ‰1 (d.h., einName der Form

ā‹ƒĪ³<Ļ‰1

({Ī³} ƗAĪ³), wobei jedes AĪ³ eine Antikette in P ist), so dassgilt: (DĪ²)G = DĪ² .

Fur einen P-Namen Ļ sei supt(Ļ) die Vereinigung der Trager aller Bedingungen,die in Ļ vorkommen. Da P c.c.c. ist und wegen der speziellen Form der Namen Qund DĪ² , sind supt(Q) und supt(DĪ²), Ī² < Ļ‰1, Mengen der Machtigkeit ā‰¤ ā„µ1. SeiĪ³ < Ļ‰2 eine gemeinsame obere Schranke dieser Mengen. Dann sind Q und DĪ² ,Ī² < Ļ‰1, in Wirklichkeit schon PĪ³-Namen. Fur jedes Ī± < Ļ‰2 sei GĪ± := Gāˆ©PĪ±. Danngilt Q = QG = QGĪ³

āˆˆ M [GĪ³ ]. Beachte, dass Q auch in M [GĪ³ ] c.c.c. ist, da M [G]und M [GĪ³ ] dieselben Kardinalzahlen haben. Umgekehrt muss entsprechendes nichtgelten: Es kann in M [GĪ³ ] c.c.c. Halbordnungen geben, die in M [G] nicht mehrc.c.c. sind.

Wegen der Wahl der QĪ± konnen wir, nach eventueller VergroƟerung von Ī³, an-nehmen, dass Q = QĪ³ gilt. Nach Konstruktion der PĪ± entsteht M [GĪ³+1] aus M [GĪ³ ]durch Adjungtion eines (QĪ³)GĪ³ -generischen Filters F . Offenbar gilt F āˆˆM [G]. DaF uber M [GĪ³ ] generisch ist und wegen DĪ² = (DĪ²)GĪ³

āˆˆ M [GĪ³ ] fur alle Ī² < Ļ‰1,schneidet F alle DĪ² , Ī² < Ļ‰1. Insbesondere gibt es in M [G] einen (DĪ²)Ī²<Ļ‰1-generischen Filter F āŠ† Q. Das zeigt MA in M [G]. ļæ½

46 STEFAN GESCHKE

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