Brass Bands sind als Klangmedium urbritisch. Ihre Existenz war folglich zunächst auf die britischen Inseln begrenzt. Bis in die 60er Jahre unseres Jahrhunderts verbreiteten sie sich nahezu ausschließlich im angelsächsischen Raum und waren außerhalb Großbritanniens vermehrt nur in Neuseeland und Australien beheimatet.
Die Verbreitung über den angelsächsischen Raum hinaus steht vermutlich ursächlich mit der innerbritischen Entwicklung nach 1945 in Zusammenhang. Dort begann unmittelbar nach Ende des Krieges geradezu ein Abstieg der Brass Band, der schließlich in die »dunkle Periode« der 50er Jahre mündete. Es war dies die Zeit des absoluten Tiefpunkts, in der manche rraditionsreiche Kapelle von der musikalischen Landkarte verschwand. Mit den 60er Jahren begann die Renaissance der Brass Band und die Anziehungskraft dieses besonderen Orchestertyps erwies sich plötzlich wieder als ungebrochen. Im Zusammenhang mit diesem Wiedererstarken der Brass-Band-Bewegung setzte die »)Eroberung« des Kontinents ein. Aufgrund großer Anziehungskraft und schnell zunehmender Beliebtheit bei Musikern und dem Publikum gleichermaßen müssen heute vor allem Norwe-
The Canadian Brass
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gen, die Niederlande, Belgien und die Schweiz - neben Großbritannien! - als Hochburgen für Brass Bands betrachtet werden. In Deutschland, Österreich und auch in Südtirol dagegen sind sie bis jetzt nur vereinzelt anzutreffen. Das Brass-Band-Fieber hat seine »Opfer« hier noch nicht gepackt. .. Zwischen 1835 und 1870 entstanden vor allem in den industriellen Ballungsräumen Großbritanniens viele Blas-
orchester, die ursprünglich allerdings Holz- und Blechblasinstrumente umfaßten. Zusammen mit den vielerorts gleichfalls ins Leben gerufenen Männerchören bildeten sie in der Freizeit einen Gegenpol zur harten Arbeitswelt und förderten in den kleineren Gemeinden auch das Gefühl der Zusammengehörigkeit.
Die Erfindung der Ventile und die rasche Verbreitung der Saxhorn-Instfumentenfamilie (ca. 1845 vom belgischfranzösischen Instrumentenbauer Sax erfunden) bedingten letztlich das Verschwinden des Holzes aus diesen Orchestern - und die Brass Band war geboren. Verhältnismäßig zügig setzte sich darüber hinaus ein instrumentaler Wandel durch, der das Klanggewand des noch jungen Orchesrertyps wesentlich prägte: Das Kornett nahm die Stelle der Trompete ein, und den Platz des Wald-
horns im Orchester übernahm das Althorn. Es gelangten also Instrumente zur Einführung, die bei gleicher Notierung leichter spielbar sind als Trompete und Waldhorn. Die Brass Band klang nun insgesamt runder, lyrischer und noch heute trifft das Urteil zu, daß überragende BrassBand-Solisten mit ihren Instrumenten förmlich »singen«.
Die weitgehend normierte Standardbesetzung, die bei Wertungsspielen allerdings bindend ist, umfaßt folgendes Instrumentarium:
1 Es-Soprankornett, 9 B-Kornetts, 1 B-Flügelhorn, 3 EsAlthörner, 2 B-Tenorhörner, 2 B-Baritontuben, 2 Tenorposaunen, 1 Baßposaune, 2 Es-Bässe, 2 B-Bässe, Schlagwerk (2). Diese Besetzung ist in der Welt der Blasmusik einzigartig, wobei Ensembles in Australien, Neuseeland, Norwegen usw. dem britischen Vor-
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bild ohne Abweichungen folgen. Es sei deshalb an dieser Stelle die Anmerkung erlaubt, daß die bisweilen hitzig und emotional geführten Diskussionen um eine verbindliche Besetzung für sinfonische Blasorchester (Holz- und Blechblasinstrumente) für Brass Bands zur Gänze entfallen.
Den einzelnen Instrumenten bzw. Registern fallen im Orchester folgende Aufgaben zu:
Die Kornetts sind die Violinen der Brass Brand. Obschon baugleich, erfüllen sie verschiedene Rollen:
Das 5010- oder I. Kornett ist der eigentliche Melodieführer und Solist. Die Stimme ist überwiegend in den oberen Lagen angesiedelt und mehrfach besetzt. Sie wird ergänzt durch das Repiano-Kornett, eine der interessantesten und vielseitigsten Stimmen in der Brass Band. Sie verdoppelt häufig das Solo-Kornett, wird zur U nterstürzung eingesetzt, tritt darüber hinaus häufig solistisch hervor und wird zur Verdoppelung weiterer Instrumente der Brass Band in anderer Oktavierung herangezogen. Das 2. und 3. Kornett sind Füllstimmen, die in den untefen Lagen dieses Instruments notiert sind.
Das Pikkolo der Brass Band ist das Es-Kornett. Es wird für höchste Lagen verwendet und verleiht dem Orchester den für die Brass Band kennzeichnenden Glanz, wenn es diese filigranartig umspielt. Das Flügelhorn sitzt mit dem Kornett zusammen. Wenn auch oft nur Füllstimme, ist es doch der eigentliche Sopran des Orchesters. Die Althörner treten oft solistisch hervor und bilden zusammen mit den Tenorhörnern - diese sind dem Euphonium in jeder Weise nachgeordnet! - die mittleren Lagen. Die Anregung, an ihrer Stelle das Waldhorn
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wieder einzuführen (siehe oben!), stieß in Brass-BandKreisen bislang naturgemäß auf wenig Gegenliebe. Den Part des Cellos übernimmt in der Brass Band das Euphonium. Es ist der »StarSolist« zur Unterstützung der Bässe, wobei seine Vorzüge am klarsten in Melodiestimmen hoher Lagen hervortreten. Das Euphonium ist demzufolge der unumschränkte Beherrscher der Tenor- und Baritonlage und sein Klang ist eines der prägenden Elemente einer Brass Band.
Moderne B- und F-Posaunen, die einfach besetzt sind, haben die früher üblichen GPosaunen abgelöst. In einer Brass Band wird die Posaune geschätzt aufgrund ihres weichen Tones im Piano bis hin zur notwendigen Schärfe im Fortissimo.
Die vier Bässe bilden das solide Fundament einer Brass Band. Zum vollen, runden Klang tritt wie selbstverständlich die Forderung nach absoluter Beherrschung des Instruments. Die Mehrzahl der Kompositionen des klassischen BrassBand-Repertoires ist so geschrieben, daß die erforderlichen Schlaginstrumente von einem Musiker bedient werden können. Heute wird eine Erweiterung angestrebt, um musikalisch notwendige Akzente in der Percussion setzen zu können. Demzufolge sind zwei bis drei Musiker beim
Schlagwerk keine Seltenheit mehr. Kritiker der Brass Band führen immer wieder die zu geringe instrumentale Vielgestaltigkeit dieses Orchestertyps ins Feld. Dieser voreingenommenen (?) Grundhaltung treten Verfechter der Brass-Band-Idee zumeist gegenüber, indem sie die außerordentliche Technik herausstellen, welche die meisten Brass-Band-Musiker auszeichnet sowie die Tonkultur und Brillanz des Klanges, die jede gute Brass Band für sich geltend machen kann. Wenn sich auch die spezifische Qualität der Brass Band einer genauen Definition entzieht, ist es wohl das faszinierende und präzise Spiel, das aber stets warm, unmittelbar ansprechend und beweglich ist, was vermutlich den eigentlichen Reiz dieser Ensembles ausmacht.
An dieser Stelle und in Zusammenhang mit dem Instrumentarium ist auf eine Besonderheit zu verweisen. Es ist das vor allem für britische Kapellen kennzeichnende Vibrato-Spiel, mit denen diese Instrumente geblasen werden. Es gibt viele Gründe dafür, aber auch dagegen ist manches ins Feld zu führen. Roy Newsome, eine der führenden Persönlichkeiten der Brass-Band-Musik und Befürworter dieses Stils, meint, ein Vibrato-Blasen sei unerläßlich, da nur so ein Ausgleich
für das fehlende Holz zu erzielen sei.
Das Repertoire hat eine stetige Weiterentwicklung erfahren. Ursprünglich spielte man Märsche, Tänze und kürzere Auszüge aus Opern. Ab 1870 trat die »Selection«, die große Melodienfolge, als »Sinfonie« in Erscheinung und errang sich auch einen festen Platz bei den Wertungsspielen. Eine Wende zeichnete sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts ab, denn 1913 wurde mit Percy Fletehers Tongedicht »Labour and Love« erstmals originale Brass-Band-Musik im Rahmen eines Wertungsspiels vorgeschrieben. Große Werke der Folgezeit stammen von Holst (.A Moorside Suite«), Elgar (»Severn Suite«), Brirren (»Russian Funeral Music«), Walton, Bliss u. a. m. Die heute übliche Originalliteratur steht auf hohem Niveau und hat längst den »Wertungsspielanstrich« manches Brass-Band-Klassikers hinter sich gelassen. Die Brass Band kannte zunächst keine Dirigenten und stets war es der 1. Kornettist, der diese Aufgabe übernahm. Selbst nachdem die Wertungsspiele bereits eingeführt, Stärke und Besetzung einer Brass Band normiert waren, oblagen ihm Vorbereitung und Direktion. Eine Brass Band trat damals zumeist in Kreisform auf. Der 1. Kornettist stand in der Mitte und dirigierte mit der Hand oder seinem Instrument. Er gab im wesentlichen die Einsätze; winkte das Spiel ab und versuchte nach bestem Vermögen das Tempo zu halten. Seine Kenntnisse waren nur angeeignet, keinesfalls aber erlernt. Es muß daher nicht unterstrichen werden, daß gerade die für Wettbewerbe gebotene verfeinerte Ausbildung und Vorbereitung nicht gegeben und jene musi
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Kurzum, die Schwächen dieses Systems traten immer deutlicher hervor und man strebte eine Lösung des Problems an, indem man Berufsmusiker engagierte, deren Aufgabe es war, die Kapelle auf Wertungsspiele vorzubereiten, bis hin zu der Verpflichtung, das Ensemble in Wertungsspielen auch zu leiten. Für diese Dirigenten bürgerte sich der Ausdruck »professional conductor« (professioneller Dirigent) ein, da es sich bei ihnen um ein Engagement gegen Bezahlung handelte, alle anderen Musiker dagegen Amateure waren. Die Bezeichnung war vielfach insoweit irreführend, als es sich um den ortsansässigen Musiklehrer, Organisten, den Angehörigen eines Militärmusikkorps oder eines Sinfonieorchesters handeln konnte. Viele »professionelle« Dirigenten waren demnach für diese Sonderaufgabe nicht in ausreichendem Maße ausgebildet. Nach den wirklichen Meistern ihres Faches dagegen bestand von Anfang an große Nachfrage. Dies wird um so verständlicher, wenn man bedenkt, daß eine Zeitlang allein in Nordengland gut 200 Wertungsspiele im Laufe eines Jahres angesetzt waren. Jede Generation brachte ihre »Stardirigenten« hervor. Sie teilten die Spitzenensembles unter sich gleich einem Monopol und errangen den Sieg bei nahezu allen Wettspielen. John Gladney, Alexander Owen und Edwin Swift beherrschten die Szene um die Jahrhundertwende. Zwischen den beiden Weltkriegen waren es neben Hunderten von talentierten Dirigenten - die Idee des »professional conductors« hatte sich voll durchgesetzt - vor allem William Rimmer und William Halliwell, die die Spitze für sich beanspruchen konnten. Aufgrund der nun gegebenen soliden Ausbildung des »resident conductors«, des ortsansässigen Leiters einer Brass Band, änderte sich die Lage
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Failsworth Band
nach Ende des Zweiten Weltkrieges grundlegend. Die einstige Bedeutung des »professional conductors« w ird seitdem schrittweise abgebaut. Dominierende Persönlichkeiten in der Welt der Brass Band unter den »professionals« seit 1945 sind bzw. waren Harry Mortimer, Eric Ball, Major G. H. Willcocks, W. B. Hargreaves, Geoffrey Brand, Major Peter Parkes, Roy Newsome und Howard Snell. Der Grad der Wirkungsmöglichkeit des Berufsdirigenten ist bei den einzelnen Kapellen sehr unterschiedlich. Es ist aber keinesfalls so, daß er dort nur jeweils ein »kurzes Gastspiel« absolviert. Es ist vielmehr die intensive Zusammenarbeit zwischen ihm und dem ortsansässigen Dirigenten (»resident conductor«), das gemeinsame Formen von Orchester und Werk, das spätere Erfolge vorbereitet bzw. erst ermöglicht. Wertungsspiele sind für Brass Bands das Salz in der Suppe. Dies tritt augenfällig in der Originalbezeichnung zutage: Championship, das - heißt Meisterschaft. Die bedeutendsten unter ihnen sind heute längst zu veritablen »Festivals« geworden, die alljährlich Tausende Freunde dieser Mu~ sizierform anlocken. Erste Brass-Band-Wettbewerbe sind bereits um 1890 nachzuweisen. Die Begeisterung) die damals die Werkskapelle in den britischen Industriezentren leitete, war der eigentliche Motor für die Durchführung solcher Wertungsspiele, die schon bald das gesamte Land zu Hunderten überzogen. Regionale Wertungsspiele werden meist für 20 bis 30 Kapellen ausgelegt. Die entsprechenden Regeln, die nicht festgeschrieben sind, werden vom jeweiligen Organisationskomitee bestimmt. Die großen Festivals dagegen sind bestmöglich durchorga-
nlSlert und unterliegen zudem festen Bestimmungen. Dazu gehört die normierte Spielstärke von 25 Musikern mit wahlweise zwei Mann Schlagwerk, das bei Wertungsspielen übrigens noch nicht lange zugelassen ist. Die Musiker müssen ihrem Orchester wenigstens sechs Wochen vor dem Wertungsspiel angehört haben und Amateure sein.
Brass Bands treten in vier Wertungsstufen an; für Jugendkapellen gibt es eine eigene Stufe. Die Zuordnung einer Kapelle erfolgt nach ihrem Leistungsgrad. Verbindliche Richtlinien hierzu sind nicht vorhanden. Sieger eines Wertungsspiels haben allerdings im darauffolgenden Jahr in der nächsthöheren Leistungsstufe anzutreten.
Zum Mekka der BrassBand-Anhänger sind vor al-
lern zwei überregionale Wertungsspiele geworden: die National Championships, die in der Royal Albert Hall in London durchgeführt werden) und die British Open Championships in Belle Vue, Manchester. Juroren bei Brass-Band-Wertungsspielen sitzen in eigens für diese Zwecke gebauten Boxen. Diese sind so konstruiert, daß die gerade musizierende Kapelle zwar gehört) nicht aber gesehen werden kann. Da die Reihenfolge zudem mittels Los bestimmt wird, ist dem Juror in keinem Fall bekannt, welches Orchester gerade spielt. Diese Maßnahmen dienen naturgemäß dem Zweck) weitestgehende Objektivität in der Beurteilung der Kapellen, die sich einem Wertungsspiel unterziehen, sicherzustellen.
Werner Probst
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