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Thema:Gottesdienst

Arbeitsstelle Gottesdienstim Haus Gottesdienst und Kirchenmusik der EKiR

undArbeitsstelle Gottesdienst

im Amt für kirchliche Dienste in der EKBO

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36 / 2012

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Inhalt

Editorial

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Bianca Neuhaus Gottesdienst und Glaubensbildung Über den Zusammenhang von Gottesdienst und Glaubenskursen

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Ulrich Weidner Sommerkirche in Cronenberg Dialog von Kunstwerken und biblischen Texten in Gottesdienstreihen

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Sabine Gradtke Gottes Engel sei mit dir Das Walsumer Kolumbarium in der evangelischen Kirche Wehofen

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Frank Peters Orientierungshilfen im freien Feld Deutschschweizerische Variationen zum Verhältnis von Tradition und Erneuerung

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Gudrun Mawick Iona Zur Kommunität und Spiritualität der schottischen Insel

33

„Concerning Worship“ Gottesdienst in der Iona Community

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Ronald Ilenborg Singen mit den Händen

40

Eberhard Kenntner Abend ward, bald kommt die Nacht

45

Jens-Peter Enk Religiöses Erleben durch gottesdienstliche Musik Zur gleichnamigen Studie von Jochen Kaiser

52

Martin Evang und Ilsabe Seibt Monatslieder Liturgische Anregungen für das Kirchenjahr 2012/2013

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Beate Kruppke Blättern ohne Ende? Hilfen zum Finden von Gesängen im Evangelischen Gesangbuch II

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Editorial

Im vergangenen Jahr startete in der EKD die missionarische Bildungsinitia-tive Erwachsen glauben. Unter der Überschrift „Gottesdienst und Glau-bensbildung“ stellt Bianca Neuhaus dar, wie Glaubenskurse und Gottes-dienste in Kirchengemeinden positiv aufeinander einwirken können.

Gottesdienstliche Flauten als Chancen erkennen und nutzen: Ulrich Weid-ner stellt das Projekt „Sommerkirche in Cronenberg“ vor. Die Gottesdienst-reihe ist dem Dialog von Kunstwerken und biblischen Texten gewidmet. Sie hat 2012 zum dritten Mal stattgefunden und strahlt weit über den Stadtteil hinaus.

Eine Kirche nimmt ein Kolumbarium auf – und bleibt doch Kirche, in der die Gemeinde ihre Gottesdienste feiert. Sabine Gradtke erzählt die Geschichte der evangelischen Kirche Wehofen im Duisburger Norden: „Gottes Engel sei mit dir“.

Frank Peters, der vor kurzem seine Dissertation zur Rezeption des Evangeli-schen Gottesdienstbuches veröffentlicht hat1, wirft einen Blick auf zwei neuere liturgiewissenschaftliche Publikationen der deutschsprachigen Schweiz: „Orientierungshilfen im freien Feld“.

Im Februar 2013 kommt John Bell, der inzwischen weltberühmte musikali-sche Leiter der schottischen Iona Community, nach Deutschland.2 Zur Ein-stimmung (und anknüpfend an einen Beitrag in „Thema: Gottesdienst“ 30/2009, S. 53-60) portraitiert Gudrun Mawick die Kommunität von Iona und ihre Spiritualität. Dazu dokumentieren wir den für das Gottes-dienstverständnis der Iona Community programmatischen Text aus dem Iona Abbey Worship Book: „Concerning Worship“. Erhard Griese hat ihn übersetzt.

„S!NGEN“ – dazu hat die Evangelische Kirche im Rheinland im Jahr der Kir-chenmusik 2012 aufgerufen. Dass und wie auch Gehörlose diesem Aufruf folgen, zeigt Ronald Ilenborg in seinem Beitrag „Singen mit den Händen“.

1 Frank Peters: Agende und Gemeindealltag. Eine empirische Studie zur Rezeption des Evangelischen Gottesdienstbuches, Stuttgart 2011. 2 Näheres im Jahresprogramm 2013 des Hauses Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelischen Kirche im Rheinland, S. 5-7 (auch zum Download unter www.haus-gottesdienst-kirchenmusik.de).

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Editorial

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„Abend ward, bald kommt die Nacht …“ – „Es mag sein, dass alles fällt …“: Mit einer Liedpredigt und einer Kyrie-Litanei erinnert Eberhard Kenntner an den Dichter Rudolf Alexander Schröder, der vor 50 Jahren gestorben ist.

Jens-Peter Enk, seit Februar 2012 Kantor im Wuppertaler Haus Gottesdienst und Kirchenmusik, stellt Jochen Kaisers Studie „Religiöses Erleben durch gottesdienstliche Musik“ vor.

Auch in diesem Heft setzen wir die kleinen Einführungen und liturgischen Vorschläge zu den aktuellen Monatsliedern in der ersten Hälfte des Kir-chenjahres 2012/2013 fort.

Abschließend gibt Beate Kruppke wieder Hilfen zum Finden von Liedern und Gesängen im Evangelischen Gesangbuch, diesmal für die Advents- und Passionszeit.

Den Autorinnen und Autoren danken wir herzlich für ihre Beiträge. Den Leserinnen und Lesern wünschen wir eine anregende Lektüre.

Wuppertal und Berlin, im Oktober 2012

Martin Evang und Ilsabe Seibt

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Bianca Neuhaus

Gottesdienst und Glaubensbildung Über den Zusammenhang von Gottesdienst und Glaubenskursen – und wie sie sich gegenseitig befruchten können

Bianca Neuhaus ist Pfarrerin mit besonderem Auftrag im Amt für Gemeindeent-wicklung und missionarische Dienste in Wuppertal.

Es ist heute nicht mehr selbstverständlich, dass Menschen von klein auf in den christlichen Glauben hineinwachsen. Viele kommen als Erwachsene erstmalig oder wieder neu mit Kirche und Glauben in Berührung und ent-wickeln ein Interesse an Glaubensfragen. Im Herbst 2011 startete in der EKD deshalb die missionarische Bildungsinitiative Erwachsen glauben, an der sich auch die Evangelische Kirche im Rheinland als Pilotkirche beteiligt. Die Initiative sieht in Kursen zum Glauben eine gute Möglichkeit, einem Glaubens-Interesse Erwachsener zu begegnen und Wege zum Glauben neu zu eröffnen. Menschen, die danach suchen, sollen möglichst regelmäßig in ihrer näheren Umgebung ein entsprechendes Angebot finden können. Das Ziel ist daher, Kurse zum Glauben in den nächsten Jahren als Regelangebot in Gemeinden und anderen kirchlichen Einrichtungen zu etablieren. Vom Frühjahr 2011 bis zum Herbst 2012 haben über 140 Glaubenskurse in der Evangelischen Kirche im Rheinland stattgefunden, Tendenz steigend.

Ich gehe in diesem Artikel der Frage nach, inwiefern Glaubenskurse den Gottesdienst einer Gemeinde herausfordern können. Was bieten Glaubens-kurse im Unterschied zum Gottesdienst? Verändert sich die Gottesdienst-kultur, wenn Gemeinden regelmäßig Glaubenskurse durchführen? Welche Rolle spielt der Gottesdienst in einem Glaubenskurs? Gibt es Verbindendes und damit die Chance, dass Gottesdienst und Glaubenskurse sich gegensei-tig befruchten können?

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Gottesdienst und Glaubensbildung

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Gottesdienst oder Glaubenskurs?

Man könnte auf den Gedanken kommen, die Darstellung1 zeige Martin Luther in einem Glaubenskurs für seine Gemeinde: hinweisend auf Christus als die Mitte des christlichen Glaubens, das Evangelium für die Gemeinde erläuternd. Tatsächlich zeigt es ihn aber beim Predigen. Die Zeitgenossen haben bei Luther erlebt, was auch heutige Menschen in einem Glaubens-kurs erfahren können: dass sich ihnen die Grundlagen des christlichen Glaubens neu, verständlich und alltagsrelevant erschließen.2

Was ist das? Wie geschieht das? Was nützt das? sind wiederkehrende Fra-gen, mit denen Martin Luther im Katechismus die Hauptstücke des Glau-bens entfaltet. „Die grundlegenden Aussagen des Glaubens kennenzuler-nen, zu verstehen und damit auch zu leben – das war eine große Erzie-hungsaufgabe, an den Erwachsenen ebenso wie an den Kindern. Mit seinen Katechismusschriften hat Luther im Vollzug der evangelischen Kirchenre-form die Grundlage dafür gelegt.“3 In der Glaubensbildung hat Luther die Herausforderung seiner Zeit gesehen: „… der Unterricht in den grundlegen-den Aussagen des christlichen Glaubens hatte schon seit Jahrhunderten Tradition … Aber die Wirklichkeit im Volk Gottes war offensichtlich so, dass nur die wenigsten ihr Christsein in Worte fassen konnten, die die Glau-bensüberlieferung der Kirche dafür bereithielt; geschweige denn, daß sie mit diesen Glaubensaussagen lebten. Die grundlegenden Glaubensaussa-

1 Lucas Cranach, Martin Luther als Prediger, Cranach-Altar in der Stadtkirche St. Marien zu Wittenberg, 1547. 2 Wenngleich sich unser Verständnis von Bildung und damit auch Methoden und Didaktik verändert haben. 3 Hans Mayer, Martin Luther. Leben und Glaube, Gütersloh 1982, S. 162.

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Bianca Neuhaus

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gen standen in gebrochenem Verhältnis zur Existenz der Glaubenden. Die evangelische Kirchenreform war der Veräußerlichung des Glaubens, die in der Papstkirche in religiösen Zwängen und Zeremonien in den Vordergrund gerückt war, mit der Predigt des Evangeliums entgegengetreten. Aber Lu-ther erkannte, daß für die innere Erneuerung der Kirche noch ein anderer Weg eingeschlagen werden mußte. ‚Ich erlebe es täglich, daß mancher, der drei oder vier Jahre lang den Predigten zugehört hat, dennoch nicht antwor-ten kann, wenn man ihn nach dem Glauben fragt.‘ Als Luther das im Herbst 1525 niederschrieb, hat er gleichzeitig darauf hingewiesen, wie notwendig ein ‚Katechismus‘ ist. ‚Katechismus heißt ein Unterricht, in dem man die Heiden, die Christen werden wollen, lehrt und anleitet, was sie glauben, tun, lassen und wissen sollen im Christentum.‘ Mit dieser Erklärung bezog sich Luther auf die Anfangszeit der Kirche, die offensichtlich noch nicht zu Ende war. Unterricht der ‚Heiden‘ im Christentum war eine immer noch unbe-wältigte Aufgabe.“4

Gottesdienst und Katechismusunterricht gehen bei Martin Luther Hand in Hand und tragen wesentlich zur Glaubensbildung (Erwachsener) bei. Ich meine, dass heute Gottesdienst und Glaubenskurse ähnlich in notwendiger Ergänzung zueinander gesehen werden müssen, leisten sie doch beide er-wiesenermaßen einen wesentlichen Beitrag zur Glaubensbildung Erwach-sener.

Die Greifswalder Studie „Wie finden Erwachsene zum Glauben?“5 hat untersucht, welche Faktoren dazu beitragen, dass sich bei Erwachsenen Glaube entwickelt. Traditionelle Gottesdienste und das Abendmahl waren für über 80% der 462 befragten Konvertitinnen und Konvertiten6 bedeut-sam für ihren Glaubensweg. Alternative Gottesdienste und Glaubenskurse waren für 60-70% der Befragten wichtig.7

In welcher Beziehung stehen traditionelle Gottesdienste, alternative Got-tesdienste und Glaubenskurse zueinander? Die Studie interpretiert es so: „Die traditionellen Gottesdienste sind für den Lebenswende- und Vergewis-serungstyp häufiger bedeutsam als für den Entdeckungstyp. Die alternati-

4 A. a. O., S. 163 f. 5 Johannes Zimmermann / Anna-Konstanze Schröder (Hg.), Wie finden Erwachsene zum Glauben?, BEG Praxis, Neukirchen-Vluyn 2010. 6 D. h. Menschen, die als Erwachsene eine wesentliche Veränderung im Hinblick auf den Glauben erlebt haben, sei es als Lebenswende, (Wieder-) Entdeckung oder Ver-gewisserung im Glauben. Siehe Konversionstypologie a. a. O., S. 29 f. und 46. 7 A. a. O., S. 115 f.

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Gottesdienst und Glaubensbildung

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ven Gottesdienste hingegen sind vom Entdeckungs- und Vergewisserungs-typ häufiger als wichtig angegeben worden als vom Lebenswendetyp. … Die traditionelle Gestalt der Kirche ist den ‚Entdeckern‘ vertraut, aber es ist auch die Gestalt von Kirche, von der sie sich abgewandt haben bzw. zu der sie bisher in freundlicher bzw. ablehnender Distanz stehen. Neue Formen und Angebote können für solche Menschen eine Hilfe sein, den Glauben aus der Distanz heraus neu zu entdecken. Nicht die vertraute Gestalt von Kirche, sondern das Erleben von ‚Kirche anders‘ oder ‚Gottesdienst anders‘ ist für ihre Glaubensbiographie bedeutsam. So erleben sie etwas Überra-schendes oder etwas Neues, das möglicherweise auch Vorurteile oder ne-gative Erfahrungen entkräften kann.

Zieht man die von nicht wenigen alternativen Gottesdiensten programma-tisch angestrebte Nähe zur Lebenswelt heutiger Menschen in Betracht, so gewinnt das eine gewisse Plausibilität. Predigten (meist ‚Ansprache‘ ge-nannt) gehen weniger von Bibeltexten, sondern von Lebensthemen aus, die durch Theaterstücke dargestellt werden. Musik orientiert sich an Hörge-wohnheiten vor allem der jüngeren und mittleren Generation. Diese Got-tesdienste versuchen insgesamt, im Sinne einer ‚Inkulturation‘ eine Brücke zu deren Kultur und Lebensweise zu schlagen. Das heißt: Beim Typ ‚Entde-ckung‘ sollten stärker als bei den anderen Typen zur traditionellen Gestalt der Kirche andere Formen hinzutreten. Dazu zählen keineswegs nur nie-derschwellige und unverbindliche Formen, sondern auch Glaubenskurse und Hauskreise, die (bei allen Typen) hohe Werte erzielen …“8

Die Greifswalder Studie zeigt, dass Gottesdienst und Glaubenskurse keine alternativen oder gar konkurrierenden Angebote auf dem Weg zum und im Glauben sind, sondern dass sie in wechselseitiger Ergänzung dazu beitra-gen, dass Menschen sich im Glauben einfinden und beheimaten können. Je vielfältiger das glaubensbildende Angebot einer Gemeinde ist und je mehr Engagierte es mittragen und kommunizieren, umso leichter wird es für Menschen aus unterschiedlichen Kontexten und in verschiedener Nähe und Distanz zur Gemeinde, sich anzudocken.9

Wie kann es nun konkret aussehen, wenn Gottesdienst und Glaubenskurse Hand in Hand gehen?

8 A. a. O., S. 119-121. 9 Vgl. a. a. O., S. 181 ff.

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Bianca Neuhaus

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Der Glaubenskurs als Vertiefungs- und Ergänzungsangebot zum Gottesdienst

In Kursen zum Glauben liegt die Chance, weiter zu bewegen und persönlich zu vertiefen, was in Gottesdiensten gedanklich angestoßen wird oder manchmal auch nur gestreift werden kann. So bieten Kurse, die Kernthe-men des Glaubens behandeln, die Möglichkeit, zu bestimmten Zeiten des Kirchenjahres die Predigtbotschaft zu erweitern und zu vertiefen.

Beispielsweise lässt sich der Emmaus-Kurs10 mit seinen Basis-Bausteinen zu Leben und Bedeutung Jesu Christi11 gut in die Passions- und Osterzeit integ-rieren. Er kann in eine Tauferinnerungsfeier in der Osternacht münden. Auch die Themen Christ werden, Gebet, Bibel, Gemeinde, Abendmahl sind im Konzept vorgesehen und können helfen, die persönliche und gemeindliche Glaubenspraxis zu verstehen und zu vertiefen.

Pfarrer Knut Ebersbach (Kastellaun) beschreibt die Verbindung von Gottes-dienst und Glaubenskurs in seiner Gemeinde so: „Es kam vor, dass ich In-halte aus den Impulsen oder aus der Predigt wechselweise ins Gespräch gebracht habe, z.B. beim Kurs in der Passionszeit zum Thema ‚Bedeutung des Kreuzes‘.“

Die Verschränkung von Gottesdienst und Glaubenskurs bzw. ihre gegensei-tige Befruchtung kommt besonders im Kurs Spiritualität im Alltag zum Tra-gen. Dieser Kurs bietet sieben Schritte als Chance, Gottesdienst und Leben zu verbinden. „Es geht mithilfe der liturgischen Schritte des Gottesdienstes um eine geistliche Vertiefung der persönlichen Erfahrung und die Gewinnung eines geistlichen Verständnisses von Gemeinschaft. Sieben Schritte des Got-tesdienstes in ihrer Beziehung zur persönlichen Erfahrung in der Gemein-schaft mit anderen: In dieser Matrix bewegt sich das Projekt.“12 Die sieben Gottesdienstschritte bzw. liturgischen Elemente: Anrufung, Sündenbekennt-nis / Freispruch / Vergebung, Verkündigung, Glaubensbekenntnis, Dankopfer, Abendmahl, Segen werden gemeinsam in der Gruppe erschlossen und auf den Alltag der Teilnehmenden bezogen. So trägt dieser Kurs ganz besonders zu einem vertieften, lebensweltorientierten Gottesdienstverständnis bei.

10 Emmaus: Auf dem Weg des Glaubens. Basiskurs 2.0, hg. v. Matthias Clausen/Ulf Harder/Michael Herbst, Neukirchen-Vluyn, 2. Aufl. 2008. 11 Auf der Suche nach Wert. Was unserem Leben Halt gibt – Gott kennen lernen – Jesus von Nazareth. Ein faszinierendes Leben – Der Mann am Kreuz: Was soll dieser Tod bedeuten? – Wie der Stein ins Rollen kam. Jesus ist auferstanden! – Sie werden begeistert sein: Der Heilige Geist – Wie man den ersten Schritt tut: Christ werden. 12 Handbuch Spiritualität im Alltag. Sieben Schritte als Chance, Gottesdienst und Leben zu verbinden, Frankfurt am Main 2007, S. 1.

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Gottesdienst und Glaubensbildung

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Der Kurs Expedition zum Ich13 lädt dazu ein, im Dreiklang von persönlichem Bibelstudium, thematisch abgestimmten Gottesdiensten und Austausch in Kleingruppen in vierzig Tagen eine Entdeckungsreise durch die Bibel zu machen.

Im Kurs Zwischen Himmel und Erde14 werden zentrale Themen der Theolo-gie unter Einbeziehung der jüdisch-christlichen Tradition sowie reformato-risch-protestantischer Einsichten erlebt und bedacht.

Andere Glaubenskurse machen mit dem Gebet vertraut, z.B. der Kurs Va-terunser. Ein beinahe alltägliches Gespräch aus der Reihe Stufen des Lebens. Er erschließt das zentrale Gebet unserer Glaubenstradition durch ein viel-schichtiges Bodenbild sehr anschaulich und lädt dazu ein, es als persönli-ches Gebet zu entdecken.

Der Kurs Kaum zu glauben?! führt u. a. in verschiedene Grundformen des Gebets (wie Lob, Dank, Fürbitte, Klage) anhand einer Bodenbild-Begehung von Psalm 23 ein.

Glaubenskurse bieten der Gemeinde eine gute Gelegenheit, die eigene Glaubenspraxis zu reflektieren, verstehend nachzuvollziehen und sich be-wusst anzueignen. Der Gottesdienst bietet wenig Raum, persönliche Fragen zu stellen, und eignet sich kaum als Ort, in Sachen Glauben bei null anzu-fangen. Zu viel wird hier an Kenntnissen und (Ein-) Verständnis vorausge-setzt, und wenn es zu keinem tiefer gehenden Erfahrungsaustausch kommt, bleibt man letztlich allein mit seinem Interesse und auch mit den Fragen, die die Predigt anstößt.

„Da kommen ja doch nur dieselben, die sonst auch zum Gottesdienst kom-men.“ Dies wird oft als Argument oder als Enttäuschungserfahrung gegen Glaubenskurse vorgebracht. Tatsächlich ist das besonders bei den ersten Durchführungen von Kursen häufig der Fall.15 Aber das muss nicht unbe-dingt als Defizit betrachtet werden. Anscheinend hat auch die Gottes-dienstgemeinde das Bedürfnis nach einem ergänzenden Angebot, das ihr der Glaubenskurs bietet:

13 Klaus Douglass/Fabian Vogt, Expedition zum Ich, Glashütten 2008. 14 Zwischen Himmel und Erde. Ein evangelischer Theologiekurs, hg. v. Ulrich Heckel u. a., Bielefeld 22004. 15 Vgl. Friedrich Rößner, Elementare Glaubenskurse als Chance für den Gemeindeauf-bau, Brennpunkt Gemeinde Studienbrief A 72, S. 7 f.

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• Zeit und Raum zum Diskurs über grundlegende Glaubensthemen: Wie oft habe ich schon als Feedback gehört: „Das hat uns richtig gut getan, sich mal wieder intensiv mit geistlichen Themen zu befassen!“

• Vergewisserung hinsichtlich der tragenden Kraft des Glaubens • Austausch und Gemeinschaft mit anderen Gemeindegliedern erfahren,

insbesondere auch mit der Pfarrerin/dem Pfarrer, und sich dabei näher kennenlernen

• eine Atmosphäre erleben, in der man sich traut, sich zu öffnen, weil man persönlich vorkommt

• den Glauben als Experiment neu entdecken, sich z.B. in neue Formen der Spiritualität einzuüben, die über das bereits Bekannte hinausgehen …

Gemeinden nehmen im Glaubenskurs wahr, wie groß das Bedürfnis nach Verstehen und Austausch selbst bei der gottesdienstlichen Kerngemeinde ist. Danach gefragt, ob die Durchführung von Glaubenskursen das eigene Predigt- bzw. Gottesdienstverständnis verändert hat, antwortet Pfarrer Hildebrand Proell (Solingen-Merscheid): „Ich versuche mehr und mehr, einfach und verständlich zu predigen und auch in den Gebeten eine einfa-che Sprache zu finden (noch mehr, als ich es schon immer getan habe), denn das Grundverständnis von Glaubens- und theologischer Fragestellung ist oft weniger präsent als vermutet.“

Gottesdienste feiern im Glaubenskurs

Manche Kurskonzepte (wie z.B. Spur8, Emmaus, Alpha) sehen vor, im Kurs-verlauf selbst einen Gottesdienst zu feiern. Der Gottesdienst hat dann die Funktion, die Teilnehmenden feierlich zu begrüßen, oder er beschließt am Ende die gemeinsame Zeit vor Gott und feiert den Ertrag des Kurses (As-pekte: Erinnern und Danken). Weitere Anliegen sind:

• sich stärken lassen für den kommenden Weg (Aspekte: Aufbrechen und Weitergehen)

• sich der Beziehung Gottes zu uns vergewissern (durch Abendmahl und Segnung)

• das Erlebte/Gehörte in Beziehung zu Gott bringen und Gott im Gebet antworten

• der Beziehung zu Gott Ausdruck geben (z. B. in einem Bekenntnis oder in der Taufe oder einer Tauferinnerung).

Wie erleben Teilnehmende den Gottesdienst im Glaubenskurs? Gibt es Unterschiede zum normalen Sonntagsgottesdienst?

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Gottesdienst und Glaubensbildung

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Pfarrer Hildebrand Proell beschreibt die Gottesdienste im Glaubenskurs als „sehr persönlich, innig, vertraute Gemeinschaft, die aus dem Kurs gewach-sen ist.“

Eine Erfahrung von Pfarrerin i. R. Renate Voswinkel ist: „In den letzten Jah-ren habe ich viel mit den Perlen des Glaubens gearbeitet. Am Ende des Kur-ses haben wir immer einen Gottesdienst auf unsere Art … gefeiert, liebevoll gestaltet, im kleinen Kreis mit persönlicher Gemeinschaft, mit einem Erfah-rungsaustausch auf kreative Weise, mit Stille und der Erfahrung der liebe-vollen Aufmerksamkeit Gottes, mit Mitarbeit aller und einer sehr persönli-chen Mahlfeier als Stärkung auf dem Weg, manchmal auch mit Trauer, dass alles schon vorbei ist. Teilnehmende äußerten sinngemäß: ‚Wenn das Kirche ist, was wir hier erlebt haben, warum wird das nicht in die ‚kühlen‘ Gottesdienste übernommen? Dann ginge ich wieder in die Kirche‘.“

Wer einen Gottesdienst im Glaubenskurs mitfeiert, erlebt Gottesdienst in einer anderen Form und mit hoher innerer Beteiligung und sieht von da aus mitunter auch den Sonntagsgottesdienst und seine Traditionen mit ande-ren Augen, achtsamer, bewusster, erwartungsvoller, vielleicht aber auch kritischer. Gemeinden können sorgfältig registrieren, was an Erwartung, Kritik oder Enttäuschung geäußert wird, und es zum Anlass nehmen, über die Gestaltung des Sonntagsgottesdienstes neu nachzudenken, zumal wenn das Anliegen laut wird, über die Kerngemeinde hinaus auch neue Zielgruppen zu erreichen.

Einfluss von Glaubenskursen auf Gemeindegottesdienste

Zur Wirkung von Glaubenskursen auf die Gottesdienstkultur einer Ge-meinde äußert sich Pfarrer Knut Ebersbach: „Am Abschlusswochenende des Glaubenskurses (Samstag) feiern wir jeweils einen eigenen kleinen Gottesdienst, mit Gelegenheit zum persönlichen Ja zu Gott und in der Regel auch mit dem Angebot zu persönlicher Fürbitte und Segnung. Dazu gehen wir auch in die Kirche. Das ist immer sehr intensiv für Teilnehmende und Mitarbeitende. Solche Elemente (wie die Möglichkeit zur Fürbitte) finden sich aber in den letzten Jahren immer öfter bei anderen Gottesdiensten oder im Anschluss daran oder z.B. bei Adventsandachten. Ich weiß nicht, ob ich hier von einer Wechselwirkung sprechen würde. Eher ist es wohl so, dass die Teilnehmenden viele Dinge, die sie im Glaubenskurs erleben, auch im Gottesdienst wieder erleben können: Lieder, Theateranspiele, Gemein-schaft, Gespräche bei Essen und Trinken usw. Insofern ist das hoffentlich für sie stimmig und sie erleben es nicht als zwei Welten. Mein Predigt- und Gottesdienst-Verständnis ist eigentlich auch sonst so, dass ich versuche,

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elementare Fragen verständlich zu beantworten oder zu diskutieren. Aber das wird während der Wochen, in denen der Glaubenskurs läuft, noch merklich verstärkt.“

Der Glaubenskurs beeinflusst hier weniger die Gottesdienstkultur, weil beide bereits aus einer gemeinsamen Haltung heraus geschehen und ent-sprechend gestaltet werden. Dennoch rückt diese Haltung während des Glaubenskurses noch einmal verstärkt ins Bewusstsein; die Sensibilität für die Adressatengemäßheit des Gottesdienstes erhöht sich.

Christina Brudereck berichtet (e/motion, Essen): „Der Gottesdienst wird bei uns grundsätzlich so konzipiert und gestaltet, dass er im Kern (Predigt, Abendmahl, Lieder) so verständlich ist, dass Gäste (Kurs-Teilnehmende) sich angesprochen fühlen können, und am Rand (Aktionen, Moderation, Lieder) noch so spirituell und jesuanisch, dass die Kerngemeinde ihn als inspirie-rend erleben kann. Der Glaubenskurs macht der Kerngemeinde bewusst, dass es Suchende gibt, für die der Gottesdienst (auch) gemacht ist und für die er (auch) attraktiv sein soll. Der Kurs ermutigt die Kerngemeinde, Gäste einzuladen. Die Kurs-Teilnehmenden werden über längere Zeit meistens zu Gottesdienstbesuchern/innen. Sie bestehen darauf, jeweils und von Fall zu Fall selber zu entscheiden, ob sie Beobachtende oder Beteiligte sein wollen. Beide Möglichkeiten müssen angeboten werden. Beteiligung: Die Teilneh-menden erkennen z.B. ihre Themen wieder oder ein Wunschlied; Beobach-tung: Niemand wird aufgefordert oder gar genötigt, sich zu äußern; der ‚Friedensgruß an den Nachbarn‘ wurde z.B. abgeschafft.“

Solche Berichte zeigen, dass der Glaubenskurs zur Herausforderung für den Gottesdienst und seine Gestaltung werden kann. Was Gäste im Glaubens-kurs erlebt haben, hoffen sie auch im Gottesdienst wiederzufinden. Inhalt-lich soll er verständlich, zeitgemäß, lebensnah sein, atmosphärisch und persönlich ansprechen, ein ausgewogenes Verhältnis von Nähe und Distanz aufweisen sowie die Möglichkeit zur Beteiligung bieten.

Auch die Haltung der Gemeinde verändert sich, besonders wenn Glaubens-kurse zum festen Bestandteil der Gemeindearbeit werden. Die Offenheit für Fremde nimmt zu. Neue Gäste kommen auch im Gottesdienst verstärkt in den Blick und man schenkt ihnen mehr Aufmerksamkeit, etwa durch einen Begrüßungsdienst an der Kirchentür.

Außerdem verändert sich die Beteiligung bei der Gestaltung von Gottes-diensten; Ehrenamtliche übernehmen Lesungen und Gebete, manchmal bereiten Teams einen Gottesdienst vor. „Menschen, die in den Glaubens-kursen geistlich angerührt wurden, hatten auch eine rasche Bereitschaft,

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Gottesdienst und Glaubensbildung

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dies im Gemeindebriefartikel oder Interview im Gottesdienst weiter-zugeben. Aber auch die Bereitschaft zur Mitgestaltung im Gottesdienst ist nach den Glaubenskursen gestiegen“, berichtet Pfarrer Ulrich Ehinger (Bit-burg).

Natürlich kann man solche Veränderungen in der Gottesdienstkultur auch ohne Glaubenskurse fördern und erreichen, aber die Bereitschaft dazu wächst erfahrungsgemäß mit ihrer nachhaltigen Durchführung.

Das Gottesdienstverständnis bei Glaubenskurs-Teilnehmenden

Vikar Sebastian Baer-Henney (Köln) schreibt: „Wir haben in unserer Ge-meinde im vergangenen Herbst den Kurs Kaum zu glauben?! durchgeführt. Teilgenommen haben in erster Linie Menschen, die schon mit der Ge-meinde verbunden waren und auch schon in den Gottesdienst gehen. Inso-fern sind Glaubenskurs und Gottesdienst schon miteinander verknüpft gewesen. In meinen Predigten bin ich auf den Kurs eingegangen. Außer-dem war für eine Teilnehmerin der Glaubenskurs Taufseminar, und bei der Feier ihrer Taufe wurde auch noch einmal ausführlich auf den Kurs Bezug genommen. Ich denke, dass die Teilnehmenden die Gottesdienste, die wäh-rend der Kursphase stattfanden, bewusster wahrgenommen hatten. Es wurden Fragen geweckt und Anstöße zum Weiterdenken gegeben. Einen Beleg hierfür habe ich aber nicht. Ich hoffe, dass die Wirkung auf die Teil-nehmenden auch nachhaltig war. Ich denke, dass sie bezüglich ihres Glau-bens sprachfähiger geworden sind. Hier ist wohl die nachhaltigste Ent-wicklung zu sehen. Außerdem hat ein Mitglied des Teams, das den Kurs durchgeführt hat, danach auch weitere organisatorische Aufgaben in Ge-meindeprojekten übernommen.“

Das Erleben im Glaubenskurs kann auch ein neues Interesse am Sonntags-gottesdienst wecken. So erging es etwa der Glaubenskursteilnehmerin Cornelia Bank (Oberhausen): „Seitdem ich am Glaubenskurs teilgenommen habe, gehe ich regelmäßig in den Gottesdienst und versuche mich auch in der Gemeinde mehr einzubringen. Wenn ich einmal oder öfter einen Got-tesdienst versäume, fehlt mir etwas. Ansonsten gehe ich irgendwie ge-stärkt in die neue Woche. Im Gottesdienst finde ich Ruhe und Kraft für meine täglichen Aufgaben. Ich gehe zu den Abendandachten in der Passi-onszeit. Zu Sylvester habe ich nach langen Jahren wieder mal das Abend-mahl erlebt und dadurch viel Trost erfahren. Der Glaubenskurs hat mich angeregt, häufiger im Gesangbuch zu lesen, Gebete neu zu erfahren. Ich bin froh, diese Erfahrung gemacht zu haben, und halte schon immer Aus-schau, wann es wieder einen neuen Kurs gibt.“

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Bianca Neuhaus

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Manchmal gehen Teilnehmende aus einem Glaubenskurs bewegt nach Hause, weil sie gespürt haben: Hier bin ja ich gemeint, von Gott angespro-chen und geliebt. Sie haben sich im Glaubenskurs segnen lassen und einen Platz gesucht, wo sie sich in der Gemeinde engagieren können. Pfarrer Hil-debrand Proell berichtet: „Aus Glaubenskursen bei uns sind zwei Haus-kreise erwachsen. Die Teilnehmer sind die regelmäßigsten Gottesdienstbe-sucher.“

Der Glaubenskurs ist für manche der (Wieder-) Einstieg ins Gemeindeleben, so etwas wie ein Appetitanreger; aber zum Wachsen im Glauben braucht es dann mehr: „Die Teilnehmenden erwarten vom Gottesdienst geistlich et-was –‚Futter‘ für ihren Glauben“, so Pfarrer Ehinger (Bitburg). So kann der Gottesdienst auch fortführen, was im Glaubenskurs begonnen wurde, nämlich die Gemeinschaft untereinander und die Beziehung zu Gott zu pflegen und lebendig zu halten.

Nun lässt sich aber daraus nicht der Umkehrschluss ziehen, dass die Teil-nehmenden nach dem Glaubenskurs automatisch in den Gottesdienst kommen, insbesondere Neue. Ein Kurs zum Glauben ist ein offenes, zeitlich begrenztes Angebot, das von vielen zu Recht auch als solches wahrgenom-men wird. Pfarrer Udo Otten (Rheinberg) beschreibt seine langjährigen Erfahrungen mit Glaubenskursen so: „Einzelne Teilnehmende kommen während des Kurses regelmäßiger in den Gottesdienst, hilfreich dabei ist die Nähe von laufenden Glaubenskursen zu den Hauskreisen. Warum ge-lingt die engere Verbindung von Glaubenskurs und Gottesdienst nicht so, wie ich mir das wünschen würde? Der Glaubenskurs wird durchgehend als wichtige Zeit in der individuellen Lebensgeschichte jedes einzelnen Teil-nehmers gesehen. Das führt aber nicht zwangsläufig zu einer Vergemein-schaftung im Gottesdienst. Wohl aber zu einer lebendigen Teilnahme am Hauskreis und zu Verabredungen im Freizeitbereich. Die Glaubenskurs-Teilnehmenden stehen aber einer projektmäßigen Mitarbeit auch im Got-tesdienst (ab und an) nicht ablehnend gegenüber.“

Weder die Kirchenbindung noch das Erreichen neuer Adressaten, die sonst nicht zur Kirche kommen, ergeben sich automatisch aus einem Glaubens-kurs. Die Erfahrung zeigt vielmehr, dass in den ersten Durchläufen über-wiegend die Kerngemeinde erreicht wird; erst bei der dritten oder vierten Durchführung eines Glaubenskurses werden zunehmend auch Menschen vom Rand der Gemeinde erreicht.16 Geduld und Beharrlichkeit sind nötig, wenn es durch den Glaubenskurs zu nachhaltigen Veränderungen in der

16 Vgl. bei voriger Fußnote.

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Gottesdienst und Glaubensbildung

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Gemeinde, insbesondere im Gottesdienst kommen soll. Aber in der Zwi-schenzeit sind doch behutsame, kleine Reformen möglich, die Schritt für Schritt das Klima positiv verändern können, z.B. bei der Liedauswahl, der Einbeziehung anderer Bibelübersetzungen, der Sprache der Gebete, der Einführung kleiner Rituale wie dem Anzünden von Fürbittkerzen …

„Elemente des Glaubenskurses können auch den Gemeindegottesdienst beleben. Weniger Predigt, mehr Interaktion, weniger Worte, mehr Raum zu eigenen Gedanken, die dann auch ihren Ort im Gottesdienst finden“, so Pfarrer Udo Otten.

Verbindung von Sonntagsgottesdienst und Glaubenskurs

Manche Gemeinden verbinden die Kursgottesdienste bewusst mit dem Gottesdienst der Gemeinde. So schreibt Pfarrer Ulrich Ehinger (Bitburg): „Wir hatten in unseren Alpha-Glaubenskursen immer einen Eröffnungsgot-tesdienst und einen Abschlussgottesdienst, der von unserem Gottesdienst-Team gestaltet wurde. Im Abschlussgottesdienst wurden dann Interviews mit Teilnehmern einbezogen. Im Beta-Kurs gab es nur einen Abschlussgot-tesdienst, der von den Teilnehmern selbst gestaltet wurde.“

Eine gute Möglichkeit, Gottesdienst und Glaubenskurs zu verbinden, be-steht darin, die sonntäglichen Predigtthemen auf den Glaubenskurs abzu-stimmen, wie es manche Gemeinden tun. Ich selbst habe am Ende eines Kurses Stufen des Lebens einmal einen Sonntagsgottesdienst mit Kursteil-nehmenden vorbereitet. Der Inhalt des Gottesdienstes wurde vom Kurs-thema bestimmt; ausgesuchte Elemente aus den Einheiten wurden noch einmal aufgegriffen bis dahin, dass in der Kirche ein Bodenbild aus dem Kurs aufgebaut war. So konnte die ganze Gottesdienstgemeinde einen Einblick in das Kursgeschehen nehmen.

Die Verbindung mit dem Sonntagsgottesdienst erhöht Transparenz und Vertrauen und macht deutlich, dass es sich beim Glaubenskurs nicht um ein Sonderprogramm der Gemeinde handelt. Wichtig ist, dass in den Got-tesdiensten zum Kurs eingeladen wird, besonders dann, wenn die Ge-meinde aus mehreren Bezirken besteht und der Glaubenskurs zentral für alle stattfindet.

In den Sonntagsgottesdiensten kann auch auf den Glaubenskurs einge-stimmt werden, wie es Pfarrer Ebersbach beschreibt: „Es kam vor, dass ich Gottesdienste speziell auf den Glaubenskurs hin geplant habe. In den Wo-chen vor dem Glaubenskurs im Frühjahr 2011 z.B. hatten wir … eine drei-wöchige Gottesdienst- und Predigtreihe zum den Themen: 1. Gott ist einla-

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Bianca Neuhaus

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dend (für den Gottesdienst hatte eine Jugendliche aus der Jugendgruppe speziell ein Gedicht geschrieben und vorgetragen); 2. Du bist eingeladen; 3. Einladende Gemeinde. Dadurch wollten wir auch die Gemeinde noch ein-mal aktivieren, entweder selbst am Kurs teilzunehmen, vor allem aber auch andere einzuladen, und ein gastfreundliches Klima verstärken.“

Christina Brudereck (Essen) beschreibt die Schnittmengen zwischen Got-tesdienst und Glaubenskurs so: „Der Kurs wird von Personen begleitet, die auch im Gottesdienst sichtbar sind (Predigt, Moderation, Musik, Infos, Büd-chen ‚Kennenlern-Angebot‘, Küche). Das Eingangswort des Gottesdienstes wird zum Beginn jedes Kurs-Abends vorgestellt und dient dem Kurs als inhaltliches Geländer; so gibt es einen Wiederkennungseffekt am Sonntag. Die Räumlichkeiten sind dieselben. Im Kurs wie im Gottesdienst gibt es Getränke und ein Buffet; die Gastfreundschaft schafft in beiden Fällen den entscheidenden Rahmen … Der Kurs gibt die Predigt-Themen vor. Ganz besonders in dem Monat, in dem der Kurs stattfindet.“

Wechselseitige Befruchtung von Gottesdienst und Glaubenskurs?

Dies wird dies am ehesten gelingen, wenn die Verbindung von Gottesdienst und Glaubenskurs von einer breiten Basis in der Gemeinde gewollt und bewusst gestaltet wird. Je größer und unübersichtlicher eine Gemeinde ist, je divergierender die theologischen Prägungen, desto mehr Sorgfalt, Ge-duld und Vertrauen bedarf es hier. Bei der erstmaligen Einführung eines Glaubenskurses braucht es eine Annäherungsphase, ein warming up; dabei wird am besten auch die Gottesdienstgemeinde von Anfang an einbezogen.

Nach meiner Erfahrung kann es keinen Automatismus einer gegenseitigen Befruchtung geben; gute Ansätze sowie Aufbruchsstimmung können auch wieder verpuffen, wenn sie nicht nachhaltig gepflegt und gestaltet werden. Schnelle Veränderungen sind nicht zu erwarten; vor allem die einmalige Durchführung eines Glaubenskurses bewirkt weniger als wiederholte An-gebote. Ein weiterführendes Glaubensangebot nach der Durchführung eines Kurses in Ergänzung zum Gottesdienst (wie Haus- oder Bibelkreis) hilft Menschen, sich in der Gemeinde dauerhaft zu beheimaten.

Vor allem erscheint mir wichtig, dass Teilnehmende im Gottesdienst und seinem Umfeld etwas von der Atmosphäre wiederentdecken können, die sie im Glaubenskurs erlebt haben: Gastfreundschaft, Offenheit, persönliche Ansprache, die Möglichkeit zum Austausch mit anderen – wie Pfarrer Knut Ebersbach es formuliert hat: dass es für sie stimmig ist und sie Gottesdienst und Glaubenskurs nicht als zwei Welten erleben.

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Ulrich Weidner

Sommerkirche in Cronenberg Dialog von Kunstwerken und biblischen Texten in Gottesdienstreihen

Ulrich Weidner ist Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Cronenberg in Wuppertal.

Die Sommerkirche ist ein Gottesdienstprojekt, das, inzwischen im dritten Jahr, vermehrt auch Menschen über die Gemeindegrenzen hinaus aus ganz Wuppertal in den südlichen Stadtteil Cronenberg lockt. Als der Verfasser in den Sommerferien 2010 fünf Gottesdienste in Folge zu halten hatte, bot es sich an, der gewohnten sommerlichen Flaute im Gottesdienstbesuch krea-tiv etwas entgegenzusetzen und diesen Gottesdiensten unter dem Marken-zeichen „Sommerkirche“ einen besonderen Charakter zu geben: Sie sollten durch ein übergreifendes Thema verbunden sein, wobei natürlich trotzdem jeder Gottesdienst abgerundet für sich selbst stehen würde. Und musikali-sche Leckerbissen sollten zum festlichen Charakter beitragen.

Die musikalische Gestaltung bedeutete zugleich die größte Schwierigkeit, da an den meisten Sonntagen auf den hauptamtlichen Kirchenmusiker ver-zichtet werden musste, der sich zu dieser Zeit regelmäßig im Jahresurlaub befindet. Es gelang, in allen drei Jahren für jeden der jeweils fünf Sonntage Instrumentalisten zu gewinnen, meist Solisten, mitunter ein Duett oder ein fünf- oder sechsstimmiges Bläserensemble. Sie spielten teils als qualifi-zierte Laienmusiker der Gemeinde unentgeltlich, teils als Berufsmusiker gegen ein bezahlbares Honorar. Mit allen Musikern gab es Vorgespräche, um die musikalischen Beiträge dem Charakter der Gottesdienste entspre-chend auszuwählen – das war für beide Seiten eine besonders beglückende Erfahrung. Die Musiker dachten sich, oft mit hartnäckigen Nachfragen, in die Thematik der Gottesdienste ein, trugen unterschiedliche Stücke zur Auswahl vor und schätzten es, dass ihre Musik nicht nur Dekor war, son-dern in Hinführung oder Antwort auf Wortbeiträge als Teil eines dialogi-schen Gottesdienstes ernst genommen wurde.

Ein Gemeindeglied stellte graphisch gelungene Flyer her, die durch treffend gewählte Motive schon auf die Thematik verwiesen und einen Wiederer-kennungswert boten. Sie lagen auch in den City-Kirchen Wuppertals aus, außerdem wurde durch Anzeigen und redaktionelle Texte in der Lokal-presse und zusätzlich im Kirchenkreis-Info auf die Gottesdienste hingewie-

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Ulrich Weidner

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sen, das weckte Neugierde. Und ab der zweiten Sommerkirchenreihe wur-den die jeweiligen Texte und Themen der Gottesdienste zuvor in Bibel- oder Gesprächskreisen diskutiert – Impulse aus diesen Gesprächen wurden in den Predigten aufgenommen.

Thematisch war ursprünglich an eher „leichte Kost“ gedacht. Liebesgedichte und Liebesgeschichten in der Bibel waren Gegenstand der ersten Reihe, un-ter dem Titel Zärtlichkeit und Schmerz. Aber die Arbeit an der Auswahl der Geschichten und dann an den Texten selbst zeigte, dass alle Aspekte des Menschheitsthemas Liebe hier zur Sprache kommen müssten, die berau-schenden wie auch die bitteren. So begann die Reihe wohl mit den poeti-schen Liedern des Hohen Liedes unter dem Titel Shulamit und ihr Freund. Zauber und Stärke der Liebe. Aber schon der zweite Gottesdienst mit der Liebesgeschichte von Jakob und Rahel stand unter dem Untertitel Die Liebe und die unromantischen Störungen des Lebens, und wer sich diese biblische Geschichte vergegenwärtigt, mag erraten, was mit diesen Störungen ge-meint sein kann und wie sie für heutige Erfahrungen zu aktualisieren wa-ren. Der vierte Gottesdienst über David und Bathseba brachte unter Die Liebe im Schatten der Schuld auch das destruktive Potential in Liebeserfah-rungen zur Sprache – und wie im Licht des Evangeliums damit zu leben sein könne. Dazwischen fiel der dritte Gottesdienst auf den Israelsonntag. Er sollte nicht der Reihe zuliebe übergangen, sondern in sie integriert werden. Es bot sich an: Hosea und Gomer. Seltsame Liebesgeschichte als Symbol für Gott und sein Volk. Der letzte Gottesdienst thematisierte den Wert, den Freundschaft hat, auch im Blick auf Menschen, die nicht in einer Lebens-partnerschaft leben: David und Jonatan, eine fast unmögliche Männer-freundschaft: Vom Geschenk menschlicher Solidarität. Zuweilen, eher spar-sam, gab es Querverweise zwischen den Gottesdiensten. Und wie ein roter Faden gewannen zwei Zeilen aus Hoheslied 8 in unterschiedlichen Kontex-ten unterschiedliche Bedeutung: Liebe ist stark wie der Tod und Liebe ist eine Flamme des Herrn.

Schon diese erste Gottesdienstreihe hatte dialogischen Charakter, nicht nur zwischen Musik und Text, sondern auch zwischen den alten Geschichten und gegenwärtigen Erfahrungen (wie es ja die Aufgabe jedes ernstzunehmenden Gottesdienstes ist). Dieser Charakter zeigte sich noch mehr in der zweiten Reihe Lyrische Sommerkirche im Jahr 2011, wo Gedichte aus verschiedenen Jahrhunderten in Dialog mit biblischen Texten gestellt wurden. Eröffnet wurde mit einem Programmgedicht der Romantik Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren des großen Novalis. Unter dem vielversprechenden Untertitel Den Zugang zum Zauber und Geheimnis des Lebens finden wurde es in Dialog

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Sommerkirche in Cronenberg

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zu Versen aus 1 Kor 8 und 1 Kor 13 gestellt. Conrad Ferdinand Meyers symbol-trächtiges Gedicht Der römische Brunnen fand dann unter Vom Nehmen und Geben in der Fülle seine Entsprechung im Verheißungsvers 2 Kor 9,8.

Kontroverser gestaltete sich der Dialog mit Bert Brechts Gedicht Die Lieben-den, das mit dem resignierenden Schluss „so scheint die Liebe Liebenden ein Halt“ Anlass zur Frage gab, was Liebenden Halt gibt. Der darauf bezogene fast allzu bekannte Vers 1 Kor 13,13, wo der Liebe in Gemeinschaft mit Glaube und Hoffnung Bestand verheißen ist, sollte Brecht weder vereinnahmen noch platt fromm korrigieren, sondern einen echten Dialog eröffnen. Nicht fehlen durfte in Wuppertal Else Lasker-Schüler, von der mit gleich drei Gedichten ein kurzes Lebensbild gezeichnet wurde; das Gedicht Ich suche allerlanden eine Stadt klang unter dem Motto Die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies mit der biblischen Hoffnungsvision aus Offb 21,1-5 zusammen. Eine Neuentde-ckung mag für viele der Exilsdichter Karl Wolfskehl gewesen sein, dessen Ge-dicht Wir ziehn besonders für den Israelsonntag geeignet erschien. Er ver-dichtet darin jüdische Erfahrungen im wandernden Gottesvolk, die nach Heb-räer 11 auch für den christlichen Glauben prägend sind.

Für die dritte Sommerkirche 2012 gab es andere Dialogpartner. Unter dem Motto ECCE HOMO (Sehet den Menschen) – Bilder des Menschen vor Gott standen diesmal mehr oder weniger bekannte Bilder der Kunstgeschichte im Dialog zu biblischen Texten. Zunächst wurde anhand von Michelangelos berühmten Deckenfresko aus der Sixtinischen Kapelle Die Erschaffung Adams nach dem Geheimnis des Menschen als Gottes Ebenbild gefragt, in Bezug auf Gen 1 und den Ps 8. Dann wurde Emil Noldes Gemälde Der alte Gärtner gleich unter zwei Gesichtspunkten gedeutet: Der Mensch als Pflanze Gottes und zugleich selber als Gärtner, hierzu ließen sich Ps 92 und Gen 2 befragen. Der Titel In Konflikten Segen erfahren verrät die Tendenz der Betrachtung von Rembrandts Spätwerk Jakobs Kampf mit dem Engel, verbunden mit der Auslegung der dort dargestellten Geschichte aus Gen 32. Das Bild, das der Reihe den Namen gab, ECCE HOMO (Jesus und Pilatus) von Lovis Corinth wurde unter Geist und Macht begegnen der Wahrheit an-gekündigt und natürlich in Bezug auf Joh 18 und 19 ausgelegt. Für den Is-raelsonntag bot sich Marc Chagalls Weiße Kreuzigung an, gemalt in den Tagen nach dem 9. November 1938. Die betont jüdische Darstellung des Gekreuzigten führt mitten in Zentralfragen des jüdisch-christlichen Dia-logs, zusammen mit einer Auslegung von Versen aus Röm 9 und 11.

Herausforderung und auch Reiz dieser Gottesdienstreihen lagen in ihrem notwendig dialogischen Charakter. Es war wichtig, den Gedichten und Bil-dern zunächst als selbstständigen Beiträgen im Kontext des Lebenswerks

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Ulrich Weidner

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der Künstler gerecht zu werden und sie nicht vorschnell auf die biblische Aussage zu beziehen. Es war ebenso wichtig, den biblischen Texten in sorg-fältiger Exegese nachzugehen und die Spannungen zu den Aussagen der Dichter und Maler nicht zu glätten, selbst da, wo ein Maler ein Bild aus-drücklich zu einer bestimmten biblischen Geschichte gemalt hatte. Und es war wichtig, die liturgischen Teile organisch auf die jeweiligen Themen zu beziehen, auch in der Liedauswahl. So konnte es gelingen, bei alledem den Charakter von Gottesdiensten zu wahren, also die Predigt nicht mit einem Volkshochschulvortrag zu verwechseln, sondern mit der Musik und mit Lie-dern und Gebeten, in einigen Gottesdiensten auch mit Abendmahlsfeiern zu einer dynamischen Einheit zu gestalten, in der alles dem Zuspruch des Evangeliums dienstbar wird. Das Echo zeigte, dass die Gottesdienste auch so verstanden und so angenommen wurden.

„Leichte Kost“ war es allerdings tatsächlich nicht. Den Gottesdienstbesu-chern wurde einiges an Aufmerksamkeit abverlangt. Es schien ihnen aber nicht zu viel, was nicht zuletzt die hohen Besucherzahlen auswiesen. Ka-men früher statt der sonst durchschnittlich 50-60 Besucher in Ferienzeiten noch 20-30, so stieg die Zahl jetzt auf etwa 100. Es gab viele Rückmeldun-gen, persönlich beim anschließenden Kirchenkaffee oder in E-Mails. Teil-nehmer aus der Kerngemeinde fanden die neuen Horizonte anregend und hörten auch altvertraute Bibeltexte im neuen Kontext neu. Und kulturinte-ressierte Feinschmecker, die teils seit Jahren wieder einen Gottesdienst be-sucht hatten, zeigten sich im Nachgespräch mitunter gerade von Aspekten der biblischen Botschaft betroffen. In einem Gottesdienst mit dialogischem Charakter, in dem beide Seiten in ihrem Eigenen zur Sprache kommen und ausreden dürfen, fühlen sich offenbar auch Teilnehmer ernst genommen mit dem, was sie gerade an Anliegen mitbringen.

Fazit: Diese Gottesdienstreihen haben viel Arbeit gekostet. Sie hat sich reich gelohnt.

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Sabine Gradtke

Gottes Engel sei mit dir Das Walsumer Kolumbarium in der evangelischen Kirche Wehofen

Sabine Gradtke ist Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Walsum-Aldenrade in Duisburg.

Seit dem 21. Oktober 2011 ist das Walsumer Kolumbarium in der Evangeli-schen Kirche Wehofen eröffnet. „Oh, das ist aber schön hier – wenn man so etwas über einen Friedhof überhaupt sagen darf!“ Diese Äußerung zu den Räumen des Kolumbariums ist mehr als einmal gefallen. Sowohl Mitglieder der evangelischen Kirchengemeinde Aldenrade als auch Angehörige ande-rer Konfessionen, sowohl Menschen mit anderer Religionszugehörigkeit als auch Personen ohne religiöses Bekenntnis sind sich darin einig. Besonders die Bewohner und Bewohnerinnen des Duisburger Stadtteils Wehofen freuen sich, dass sie nun ihren „eigenen“ Friedhof haben und auch im Tod dort bleiben können, wo sie gern gelebt haben. Bis es allerdings so weit war, ist die Kirchengemeinde gemeinsam mit zwei Bestattern vor Ort einen langen Weg gegangen.

Anlass und Konzeption

Aufgrund der finanziellen Lage und konzeptionellen Ausrichtung der Kir-chengemeinde war eine Neustrukturierung für das Gemeindezentrum Wehofen notwendig geworden. Das denkmalgeschützte Gebäude wurde von 1913 bis 1973 immer wieder nach den Bedürfnissen der Menschen und der Gemeinde verändert. Danach blieb es auf demselben Stand. Nun war ein weiterer Schritt fällig, das Gebäude den Bedürfnissen der Menschen, einer zeitgemäßen Ausstattung und den finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde anzupassen.

So hat die Gemeinde nach Möglichkeiten einer erweiterten Nutzung des Gemeindezentrums gesucht: Etwa 60 Prozent der bislang gemeindlichen Flächen, der ehemalige Gemeindesaal mit Küche, die Sakristei und der große Vorraum sollten einem anderen Zweck zugeführt werden. Die An-frage der beiden Walsumer Bestattungsunternehmen „Buschmann Bestat-tungshaus“ und „Fritz Paschke & Söhne“ nach Räumlichkeiten für ein Ko-lumbarium wurde aufgenommen.

Der verbleibende Teil des Zentrums musste saniert und völlig umgestaltet werden. Bautechnische und energetische Erneuerungen waren notwendig.

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Sabine Gradtke

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Die Gottesdienststätte wurde für eine Mehrfachnutzung vorgesehen. Der Raum soll zukünftig für Gottesdienste, Trauerfeierlichkeiten und als Ge-meindesaal dienen. Im ehemaligen Jugendhaus wurden Gemeinderäume untergebracht, wozu ebenfalls umfangreiche Sanierungs- und Modernisie-rungsarbeiten notwendig waren.

Konzeptionell gründet die Errichtung des Kolumbariums in den Räumen der Kirchengemeinde auf Erkenntnissen der Stadtteilsoziologie und der verän-derten Bestattungskultur des 21. Jahrhunderts:

• Die Bestattung in einem Kolumbarium hat eine lange, auch christliche Tradition. Sie stammt aus römischer Zeit, in der die Asche der Verstor-benen in Kolumbarien beigesetzt wurde. In Anlehnung daran hat die christliche Gemeinde ihre Verstorbenen in den Katakomben bestattet. Danach wurde über Jahrhunderte in der christlichen Theologie das Verbrennen von Toten abgelehnt, da eine leibliche Auferstehung aus der Asche nicht vorstellbar war. Vor allem seit den 1920er Jahren hat sich diese Sicht in der evangelischen Theologie geändert; Urnenbe-gräbnisse gelten als legitime Form einer christlichen Bestattung.

• In der gegenwärtigen Bestattungskultur ist ein Trend zur Abkehr von den großen Friedhöfen am Rand der Städte zu kleineren Friedhöfen im Quartier wahrzunehmen.1 „Zugleich zeigt sich städtebaulich eine zu-nehmende Tendenz in der Gesellschaft, die Friedhöfe nicht mehr aus den Ballungszentren hinauszuverlagern, sondern sie wieder mitten in sie hineinzunehmen. … So, wie jeder Stadtbezirk eine Bezirkssportan-lage hat, sollen die Stadtteile auch wieder eigene Beisetzungsräume oder Trauerhallen haben.“2 Dadurch kommt auch eine alte, eine ur-sprüngliche Aufgabe der Kirche wieder neu in den Blick.

• Aus finanziellen Gründen oder um Angehörige nicht mit der Grab-pflege zu belasten, nimmt die Zahl der anonymen Bestattungen stän-dig zu.3 In der Seelsorge wird jedoch sichtbar, dass Angehörigen ano-nym bestatteter Menschen häufig der Ort fehlt, wo sie im Gedenken an ihre Verstorbenen verweilen können. Ein Kolumbarium bietet diese Möglichkeit. Denn es entstehen den Angehörigen geringere Kosten und eine Urnennische im Kolumbarium erfordert keine intensive Grabpflege.

1 Vgl. Herausforderungen evangelischer Bestattungskultur. Ein Diskussionspapier, hg. v. Kirchenamt der EKD, Hannover 2004. 2 Ebd. 3 Vgl. Im Sterben: umfangen vom Leben. Gemeinsames Wort zur Woche für das Leben, 1996.

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Gottes Engel sei mit dir

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• Im Stadtteil Wehofen ist bislang kein Friedhof vorhanden. Gern wur-den Verstorbene auf dem benachbarten evangelischen Friedhof in Holten bestattet. Seit einigen Jahren ist dies für Auswärtige aber nur noch eingeschränkt möglich. Angehörige müssen nun den weiteren Weg zu städtischen Friedhöfen in Kauf nehmen.

• In unserem Kolumbarium prägt sich ein ökumenischer Gedanke aus, der in der Kirchengemeinde zentrale Bedeutung hat: Neben Verstor-benen aller christlichen Konfessionen können hier auch Verstorbene anderer oder ohne Religionszugehörigkeit bestattet werden. Dem dient die räumliche Gestaltung. Angehörige aller Menschen sollen die Möglichkeit haben, in Ruhe und Frieden Abschied zu nehmen.

Von der Planung zum Baubeginn

Die Planungen für die Errichtung eines Kolumbariums begannen 2008. Es folgten zahllose Beratungen, Planungen, Vertragsabschlüsse. Die Kirchen-gemeinde ist Trägerin des Kolumbariums, die neu gegründete Firma „Se-pulcrum Dienstleistunsgesellschaft mbH“ betreibt den Friedhof. Die Pla-nungen fanden nicht hinter verschlossenen Türen statt. Die innergemeind-liche Öffentlichkeit und die Kommunalgemeinde waren informiert und beteiligt.

„Ich habe gehört, wir kriegen in Wehofen jetzt eine Cola-Bar.“ – „Wie kön-nen wir Feste feiern, wenn direkt nebenan ein Friedhof ist?“ – „Werden alle Gemeindegruppen einen Platz finden in einem Haus, das nur noch halb so groß ist?“ Solche Fragen zeigten den Diskussions- und Erläuterungsbedarf. Deshalb fanden eine Gemeindeversammlung und Informationen in allen Kreisen und Gruppen statt.

Es zeigte sich auch, dass beide Bauvorhaben, die Grundsanierung von Ge-meindehaus und Kirchraum und die Errichtung des Kolumbariums, nicht getrennt werden konnten. Auch wenn beide Gebäudeteile durch einen Lagerraum getrennt sind, verschiedene Eingänge haben und unabhängig voneinander sind, gingen die Planungs- und Baumaßnahmen Hand in Hand.

Außerhalb der Gemeinde wurden die notwendigen Genehmigungen der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Stadt Duisburg und des Landes Nordrhein-Westfalen zur Errichtung eines Friedhofs eingeholt. Der Denk-malschutz wurde befragt, die landeskirchliche Bauberatung war integriert.

Von Anfang an war es der Kirchengemeinde wichtig, dass Planung und Durchführung des Projektes auf einer breiten gemeinsamen Basis standen.

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Sabine Gradtke

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Das Vorhaben sollte transparent für den Stadtteil sein und mit möglichst vielen Menschen kommuniziert werden. In unserer Gemeindekonzeption heißt es: „Ein gutes Miteinander dient den Interessen der Menschen im Bereich unserer Kirchengemeinde am meisten. Wir sind froh darüber, dass es mit den Verantwortlichen der lokalen Politik und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ämter ein gutes Miteinander gibt.“4 Deshalb wurden Gespräche mit Vertretern und Vertreterinnen der Parteien im Stadtteil Walsum geführt, die auch während der Zeit des Baus immer wieder zu In-formationsveranstaltungen eingeladen waren.

Bauphase

Die eigentliche Bauphase begann mit einem Abschiedsgottesdienst Silves-ter 2009. Darin wurden gute Wünsche und Hoffnungen für die Zeit des Umbaus und für die Zeit nach der Wiedereröffnung geäußert. In Liedern, Texten und Gebeten haben wir Gott als den Herrn des Baus angerufen und ihn um seinen Segen für alle Beteiligten gebeten: für die Verantwortlichen und Mitarbeitenden am Bau wie für die Gemeindeglieder, die nun eine längere Zeit ohne Gemeindezentrum und Kirche sein würden. Die Gebete wurden erhört!

Unter der Leitung des Architekten Michael Hesse und der Architektin Birgit Segerath begannen die Sanierungsmaßnamen zunächst mit dem „Ab-bruch“ der vorhandenen Inneneinrichtung, Wände und Decken des Ge-meindehauses. Hierzu fand sich eine Gruppe ehrenamtlicher Mitarbeiter, die über den Zeitraum von mehreren Wochen das Haus soweit vorbereite-ten, dass die Aufbauarbeiten beginnen konnten. Dabei ergaben sich Über-raschungen, wie es in einem alten Gebäude so oft der Fall ist. Da die Decken entfernt wurden, musste die Statik vollständig neu berechnet werden. Eine Firma, die Stützträger nach Maß baut und dabei noch bezahlbar ist, musste gefunden werden. Das Dach, von dem wir dachten, es hält noch einige Jahre, brauchte eine neue Eindeckung. Dabei stellte sich heraus, dass der Dachstuhl ebenfalls erneuert werden musste. Außer Rissen im Holz und zu geringer Tragfähigkeit sind in den letzten fast 100 Jahren Generationen von Holzwürmern dort satt geworden. Der kalte Winter ließ die vorhandenen alten Rohre der sanitären Anlagen platzen – auch hier wurde eine Erneue-rung notwendig.

4 „Wir stellen uns vor“: Konzeption der Evangelischen Kirchengemeinde Walsum-Aldenrade, S. 22.

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Gottes Engel sei mit dir

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Durch diese im Vorfeld nicht absehbaren Umstände dauerte die Bauphase länger als geplant und wurde der Umbau teurer als kalkuliert. Aber im gu-ten Miteinander der Kirchengemeinde und der „Sepulcrum Dienstleistuns-gesellschaft mbH“ konnten auch diese Schwierigkeiten gemeistert werden. So konnten am Erntedanktag, dem 2. Oktober 2011, die grundsanierte Kir-che und das Gemeindezentrum wieder eröffnet werden. Mit einem Dank-gottesdienst und einem anschließenden Fest bei strahlendem Sonnen-schein war das einer der schönsten Tage für die Kirchengemeinde. Knapp drei Wochen später, am 21. Oktober 2011, wurde das Kolumbarium eröff-net und in Betrieb genommen.

„Engel wacht über Kolumbarium“5

Unter dieser Überschrift präsentiert Eva Schmidt in „Bestattungskultur“, der Zeitschrift des deutschen Bestatterverbandes, das Kolumbarium: „Der Raum wirkt groß und licht und hat doch etwas Heimeliges, dafür sorgen die dunklen Verstrebungen, die die hohe Decke tragen. Ein großer Engel wacht über Angehörige und beschützt die Trauergemeinde.“6

Dieser Engel ist ein Werk von Martina Reimann aus Voerde. Die freischaf-fende Künstlerin ist der Gemeinde durch andere Projekte eng verbunden. Engel und biblische Gestalten stehen im Zentrum der Werke der bekennen-den Christin. Das Bild des Engels bedeckt eine Fläche von sechs Metern Höhe und einem Meter Breite. Vier Teilstücken sind zu einem Gesamtbild verbunden. Es zeigt eine Engelgestalt, die im oberen Teil vom Licht der Sonne bestrahlt wird.

Auf diesen Engel blicken die Trauernden, die bei Urnenbeisetzungen in der Mitte des Raumes Platz nehmen. Ca. 40 bis 50 Sitzplätze sind vorhanden. Falls es eine größere Trauerfeier wird, findet der Trauergottesdienst im Kirchraum direkt nebenan statt.

Das Kolumbarium wird bis zu 1000 Urnen aufnehmen können. Die Einzel-, Doppel- und Familienplätze befinden sich in verschiedenen Seitennischen, in denen die Stelen aufgebaut sind. Nach der Belegung der Nischen werden Kuben eingeschoben Die in Holz oder satiniertem Glas ausgeführten Front-flächen bieten die Möglichkeit, den Namen und die Lebensdaten der Ver-storbenen in einheitlicher Form aufzunehmen. Auf einem Holzrahmen

5 Bestattungskultur, Heft 4/2012, S. 52. 6 Ebd.

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Sabine Gradtke

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können ein Bild oder eine kleine Pflanze aufgestellt werden.7 Damit wird dem Bedürfnis nach persönlicher Gestaltung Rechnung getragen, ohne dass ein einheitliches Gesamtbild gestört wird.

„Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit“

Evangelische Trauerfeiern im Kolumbarium werden nach der Bestattungs-agende der UEK8 gefeiert. Nach dem Segen begibt sich die Trauergemeinde zur Urnennische. Ein Musikstück, an der Orgel gespielt oder von einem Ton-träger (MP3 oder CD) eingespielt, begleitet diesen Weg. Der Raum ist so gestaltet, dass Blickkontakt zum Musiker bzw. zur Musikerin oder zu der Person, die die Musikanlage bedient, gegeben ist.

An der Nische selbst unterscheidet sich die Beisetzung im Kolumbarium von einer Sarg- oder Urnenbestattung auf einem herkömmlichen Friedhof vor allem dadurch, dass der Erdwurf entfällt. Ein Kreuzzeichen und Segens-wort sind hier gute Möglichkeiten. Auch die Angehörigen finden eine an-dere Form des Abschiednehmens, da sie keine Erde oder Blumen in ein Grab werfen können. Ein festes Ritual für diese letzte Abschiedshandlung9 ist noch nicht gefunden. Der er-wähnte Holzrahmen bietet die Mög-lichkeit, dort Blumen in eine kleine Vase zu stellen oder eine Kerze10 auf-zustellen. Wegen der geringen Größe ist das jedoch nur für die nächsten Angehörigen möglich. Für die anderen Trauergäste stehen Blumenvasen bereit.

7 Weitere Informationen: www.walsumer-kolumbarium.de. 8 Bestattung. Agende für die Union evangelischer Kirchen in der EKD, Band 5, Biele-feld 2004. 9 Vgl. a. a. O., S. 110. 10 LED-Leuchte.

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Gottes Engel sei mit dir

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Erst nach dem Verlassen des Kolumbariums wird die Frontplatte vor der Urnennische angebracht. Das entspricht dem Zuschütten des Grabes.

Nachfeiern finden für bis zu 40 Personen im angrenzenden Trauercafé statt. Dies ist auch der Raum für die seelsorgliche Begleitung von Trauern-den durch die Kirchengemeinde. Einmal im Monat bieten zwei ehrenamtli-che Mitarbeiterinnen, eine ausgebildete Trauerbegleiterin und eine Mitar-beiterin des Hospiz, ein Trauercafé an. Wenn über dieses niederschwellige Angebot hinaus eine weitere Betreuung gewünscht wird, ist eine feste Trauergruppe geplant.

Fazit

Nach zehn Monaten können wir dankbar sagen, dass sich alles sehr gut entwickelt: Die Nutzung des Kolumbariums ist besser als erwartet, so dass sich der Umbau auch wirtschaftlich rechnet. Der Umbau von Kirche und Kolumbarium einschließlich neuer Konzeption haben zu einer Belebung des Zentrums geführt.

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Frank Peters

Orientierungshilfen im freien Feld Deutschschweizerische Variationen zum Verhältnis von Tradi-tion und Erneuerung1

Dr. Frank Peters ist Vikar in Essen-Altstadt.

Wie viel Freiheit lässt eine einheitliche Agende der liturgischen Kreativität? Diese Frage treibt die aus der altpreußischen Union hervorgegangenen unierten deutschen Kirchen seit ihrer Entstehung um. Dabei schlägt die Auseinandersetzung heutzutage bei Weitem nicht mehr so hohe Wellen wie der Agendenstreit des 19. Jahrhunderts, als der preußische König Fried-rich Wilhelm III. 1822 mit einer gemeinsamen Agende die Einheit seiner (protestantischen) Untertanen besiegeln wollte und bei diesen damit auf teilweise erbitterten Widerstand stieß. Das im Jahr 2000 eingeführte Evangelische Gottesdienstbuch verlegte sich demgegenüber darauf, eine gemeinsame vierschrittige Grundstruktur zu definieren, die nicht nur Raum für die beiden klassischen Gottesdienstformen der lutherischen Messe und des sog. reformierten Predigtgottesdienstes2, sondern auch für die immer zahlreicher werdenden alternativen „Zweitgottesdienste“ lassen will.

Einen „Agendenzwang“ wie die meisten deutschen evangelischen Landeskirchen kannten und kennen die reformierten Kirchen der deutsch-sprachigen Schweiz nicht – und sind darauf durchaus stolz. Gleichwohl wird dort in den letzten Jahren und Jahrzehnten die Frage des Verhältnisses von Einheit und Vielfalt nicht weniger leidenschaftlich diskutiert, nur mit entge-gengesetztem Vorzeichen: Wie viel Einheit braucht eine Kirche bei aller grundsätzlichen Freiheit in liturgicis? Als Beitrag zu dieser Diskussion ver-steht sich das bereits 2006 erschienene Buch Der neue Gottesdienst des Zürcher Liturgikers Ralph Kunz. Bei den meisten Kapiteln handelt es sich um den Wiederabdruck bereits erschienener Artikel des Autors zu unterschiedlichen liturgischen Themen (wie Buße, Eucharistie, Kirchenmu-

1 Rezension von: Ralph Kunz, Der neue Gottesdienst. Ein Plädoyer für den liturgi-schen Wildwuchs, Zürich 2006; ders. / Andreas Marti / David Plüss (Hg.), Reformierte Liturgik – kontrovers, Zürich 2011. 2 Genau betrachtet handelt es sich bei der Grundform II nicht um einen Nachfahren des oberdeutschen Predigtgottesdienstes, sondern um ein im 19. Jahrhundert geschaffenes Konstrukt, das als „Andere Form“ reformierte Gemeinden mit der Preußischen Agende versöhnen wollte.

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Orientierungshilfen im freien Feld

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sik, liturgische Ausbildung). Zum Einstieg widmet sich Kunz, der sich 2000 in Bonn über die Gottesdienstreform Huldrych Zwinglis habilitierte, aber der grundlegenden Frage eines gesunden Verhältnisses von „Wildwuchs“ und „Gewachsenem“, von liturgischer Erneuerung und Tradition. Dabei schlägt er sich keineswegs so eindeutig auf eine der beiden Seiten, wie es der Untertitel „Ein Plädoyer für den liturgischen Wildwuchs“ glauben ma-chen könnte. Vielmehr erklärt er sich „davon überzeugt, dass das Gewach-sene nicht gegen den Wildwuchs ausgespielt werden kann. Denn in dem, was gewachsen ist, lernen wir auf Spuren der Erneuerung zu achten, und indem wir Neues wagen, gewinnen wir Achtung vor dem, was unsere Vorfahren gewagt haben“ (8).

Insgesamt ist die Debatte um eine (einheitliche) liturgische Form in der schweizerischen Kirche relativ jung. Lange Zeit kam der Gottesdienst einer von Gebet und Gesang gerahmten Predigt gleich, so dass sich schon von daher die Frage nach einer agendarischen Vereinheitlichung nicht auf-drängte. Immerhin schon in den 1960er Jahren entstand die „Zürcher Litur-gie“3, die sich nicht nur als Gegenstück, sondern geradezu als Vorläufer des deutschen „Strukturpapiers“ von 1974 präsentiert.4 Die Zürcher Liturgie zeichnet die Dramaturgie des Gottesdienstes als Weg in fünf Schritten nach: Sammlung – Anbetung – Verkündigung – Fürbitte – Sendung. Im Un-terschied zum Vierschritt des Evangelischen Gottesdienstbuches mit seinen beiden Hauptteilen „Verkündigung und Bekenntnis“ sowie „Abendmahl“ läuft dieses Modell damit auf die Predigt als alleinigen Höhepunkt zu und von dort wieder hinab. Gleichwohl sei mit diesem Modell kein neuer Gottesdienst geschaffen worden, „sondern eine Ordnung, die der evangeli-schen Gesinnung und dem ursprünglichen Sinn der reformierten Volkslitur-gie entsprechen sollte“ (21).

Wirkmächtig wurde dieser liturgische Entwurf mit seiner Aufnahme in das „Gesangbuch der Evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz“5. Dieses zeigt – analog zum deutschen Konzept der Erneuerten Agende und des Evangelischen Gottesdienstbuches – anhand von vier Bei-

3 Vgl. dazu auch: Andreas Marti, Liturgie reformiert. Gottesdiensterneuerung und Musik in den evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz, in: Musik und Kirche 74 (2004) 4–11, URL: http://www.liturgiekommission.ch/Dokumente/ LiturgieCHref_AM.pdf (31.03.2012). 4 Das „Strukturpapier“ wurde zur Grundlage der jüngsten agendarischen Reform in den meisten deutschen Landeskirchen, die zunächst die „Erneuerte Agende. Vorent-wurf“ und schließlich das „Evangelische Gottesdienstbuch“ hervorbrachte. 5 Zürich 1998, dort unter den Nummern 150–153 (S. 234–238).

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spielmodellen, wie die fünf Phasen auf unterschiedliche Weise (als Predigt-, Tauf-, Buß- oder Abendmahlsgottesdienst) gefüllt werden können.6 Für Kunz hängt dabei der Wert des Modells davon ab, ob und inwiefern die Ge-meinde den so beschrittenen Weg tatsächlich versteht und bewusst nachvollzieht: „Der Höhepunkt ist die Anrede. In der dialogischen Rede wird die Gemeinde als Hörerschaft angesprochen und – hoffentlich! – zum Den-ken angeregt. Nüchternheit, Einfachheit und Verständlichkeit sind die charakteristischen Merkmale dieses liturgischen Typus“ (22).

Das Fünf-Phasen-Modell zieht Kunz in der Folge als Basis für eine mögliche Typologisierung neuer Gottesdienstformen heran. Die in den vergangenen Jahrzehnten als „alternative Gottesdienste“ entstandenen Feiern legten den Akzent nämlich zumeist auf eine der fünf Phasen und könnten damit als Sammlungs-, Anbetungs-, Predigt-, Fürbitt- oder Segnungsgottesdienst beschrieben werden. Dabei ordnet der Autor die Kasualgottesdienste als „die ‚erfolgreichsten‘ Gottesdienste der Volkskirche“ mit einiger Berechti-gung den Segungsgottesdiensten zu. Zwar will Kunz mit seiner Systematik keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, erkennt aber in der sich diversifizierenden Gottesdienstlandschaft weniger Neukreationen als viel-mehr „neue Kombinationen in der liturgischen Sinnküche“ (26).

Einen anregenden Einblick in die (nicht nur!) in der Schweiz geführte liturgiewissenschaftliche Diskussion bietet ein weiterer Band, den Ralph Kunz im vergangenen Jahr zusammen mit seinen Berner Kollegen Andreas Marti und David Plüss unter dem Titel Reformierte Liturgik – kontrovers herausgegeben hat. Dafür haben die drei Liturgie- und Kirchenmusik-wissenschaftler 21 Autor(inn)enpaare gebeten, sich über ein konkretes Thema, näherhin über ein Gegensatz-Paar, einen schriftlichen Schlagab-tausch zu liefern. Exemplarisch sei die erste Diskussion zwischen Matthias Zeindler und Albrecht Grözinger über die Frage skizziert, ob der reformierte Gottesdienst denn „reformatorisch oder (post-)modern“ sei.7

In seinem Eröffnungsstatement zeichnet Zeindler den reformierten Gottes-dienst der Anfangsjahre als nüchternen, ja geradezu kühlen Gegenentwurf zur spätmittelalterlichen Sinnenfreude. Nichts sollte das reformatorische Kernanliegen verdunkeln: den Menschen das Evangelium zu Gehör zu brin-

6 Weiter entfaltet wird das Fünf-Schritt-Schema in der jüngst erschienen „Liturgie. Taschenausgabe“ (Zürich 2011). In deutlich handlicherem Format als das Evangeli-sche Gottesdienstbuch oder die Reformierte Liturgie versammelt dieser praktische Band gebrauchsfertige Texte für Predigt-, Abendmahls- und Kasualgottesdienste. 7 A. a. O., S. 11–30.

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Orientierungshilfen im freien Feld

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gen und nicht etwa vor Augen zu führen. In der an der Bibel orientierten Verkündigung als primär sprachlichem Vorgang handle zuallererst Gott am Menschen. Damit aber kann Zeidler in der (scheinbaren) Nüchternheit der frühen reformierten Liturgien ein umso größeres „Vertrauen in den Reich-tum des verkündigenden (!) Wortes“ erkennen (17). Dieser historische Be-fund dürfe gleichwohl nicht zu einer dogmatischen Absage an jegliche Sin-nenhaftigkeit umgemünzt werden: „Wir sprechen […] von einem Primat, nicht von einer Exklusivität der Sprache“ (18). Darum könne die „Auslegung und Aneignung des biblischen Textes […] in vielerlei Gestalten geschehen: im diskursiven und im poetischen Wort, in Bild und Musik, in Gestus und Tanz“ (ebd.). Ja, kein Geringerer als Calvin habe die Bedeutung der Sakra-mente betont, durch die „Gott uns mit seiner Wahrheit als ganze Menschen ergreifen will. […] Das reformierte Verständnis vom Abendmahl bedingt […], dass die sinnliche Dimension in der Feier des Abendmahls tatsächlich zur Geltung kommt!“ (19). Das Abendmahl sei zudem – bei aller berechtigten Individualität – der „Ernstfall“ des Gemeinschaftsbezugs eines jeden Gottesdienstes: „Wer gemeinsam zum Abendmahl kommt, muss sich vor-her versöhnen. Nur wer sich die Hand [zum Friedensgruß] reicht, kann mit dem andern Brot und Wein genießen“ (20).

In seiner postmodernen relecture des reformierten Gottesdienstes kann Albrecht Grözinger seinem Gesprächspartner größtenteils zustimmen. Die beiden Attribute „reformatorisch“ und „postmodern“ seien schließlich kein Gegensatz, sondern könnten sich gegenseitig beleuchten und erhellen. Ge-gen Zeindler betont Grözinger allerdings, dass sich Inhalt und Form – auch für die Reformatoren – nicht trennen ließen. Zwingli habe den Kirchenge-sang nicht abgelehnt, weil der den Inhalt der Form vorgezogen habe, son-dern weil für ihn „die Form der unverständlichen Litaneien […] der Klarheit des Evangeliums“ widersprochen habe (24). Liturgie dürfe und könne nicht formlos sein, sehr wohl aber müsse sie transparent sein: „für die Gottesge-schichte in all ihrer Vielfalt und in all ihrem Spannungsreichtum“ ebenso wie „in die individuellen Lebensgeschichten der Menschen hinein“ (ebd.). Der barmherzige Blick auf die oft gebrochenen Biographien lässt Grözinger zudem auf Distanz zu Zeindlers These gehen, der Abendmahlsempfang be-dürfe notwendig der vorhergehenden gegenseitigen Versöhnung. Gerade die Postmoderne habe den Einzelnen befreit „von dem Dauerstress, ein star-kes Subjekt sein zu müssen“ (25) – und damit seine Erlösungsbedürftigkeit noch unterstrichen. Gottesdienst sei von daher „der Ort, wo ich meine Versuche, mein eigenes Leben zu verstehen und zu entwerfen, vor Gott bringen kann“ (ebd.).

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Einer solchen Versöhnung von reformatorischer Rechtfertigungslehre mit der postmodernen Ahnung von der Zerbrechlichkeit des Subjekts kann Zeindler in seiner Replik schwerlich widersprechen. Er erklärt sich mit Grözingers Versuch einverstanden, „postmoderne Perspektiven als eigentli-che Weiterentwicklungen reformatorischen Ansätze zu interpretieren“ (27). Tatsächlich gehe es Reformation wie Postmoderne „zuallererst darum, un-sere Lebensgeschichten gelten zu lassen“; Gottesdienst zu feiern bedeute daher nicht zuletzt „Einübung in einen achtsamen Blick“ (28). Gegenseitige Versöhnung sei mithin keine (überfordernde) Zugangsvoraussetzung zum Abendmahl; vielmehr wohne „jedem Abendmahl die Verheißung inne, dass wir durch die Erinnerung an die Tat Christi und durch die Bitte um das Kom-men des Heiligen Geistes dazu bewegt werden, einander die Hand zu rei-chen“ (29).

Grözinger beschließt den Dialog mit einem letzten, entschiedenen Verweis auf die Bedeutung des Sichtbaren, der Ästhetik, der sich auch der Gottes-dienst nicht entziehen könne und dürfe. Liturginnen und Liturgen seien – im Sinne des mittelalterlichen Kunst-Begriffs – wie die Baumeister der gro-ßen Kathedralen „Artisten“, die „wissen, dass alles auf ihr Können an-kommt, aber das gelingende Ganze immer mehr ist als das, was sie ‚tun‘. Von solch bescheidenem und anspruchsvollem Artistentum lebt auch der Gottesdienst – reformatorisch und postmodern“ (30).

Dieses erste der 21 Streit-Gespräche des Sammelbands ist ein schönes Bei-spiel, wie sich (scheinbare) Gegensätze im aufmerksamen Aufeinander-Hö-ren vielleicht nicht immer auflösen, wohl aber in ein fruchtbares Verhältnis zueinander bringen lassen. Der Band dokumentiert damit keineswegs Diskussionen aus dem Inneren eines eidgenössisch-reformierten Elfenbein-turms, sondern bietet lesenswerte Orientierungen für all jene, die die Frage eines gleichermaßen traditionsbewussten wie zeitgenössischen Gottesdienstes umtreibt.

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Gudrun Mawick

Iona Zur Kommunität und Spiritualität der schottischen Insel1

Gudrun Mawick ist Pfarrerin in der Arbeitsstelle für Gottesdienst und Kir-chenmusik der Evangelischen Kirche von Westfalen, Villigst.

Mildes Licht scheint durch die bunten Fenster des alten Kirchraumes. Es wirft farbige Abbilder der Glasscheiben auf dicke Säulen und fügt sich wunderbar in den meditativen Gesang aus etwa 100 Kehlen. „Come now o prince of peace, make us one body“. Vierstimmig, in schlichtem Satz er-klingt das Lied aus Korea, wieder und wieder, am Ende nur noch gesummt. Nur zurückhaltend wird es am Flügel, leicht durch ein Mikrophon verstärkt, begleitet.

Diesen Moment in der romanischen Klosterkirche auf der kleinen Insel Iona werde ich nie vergessen. Nicht nur die Bilder und der Klang haben sich in meine Erinnerung eingeprägt, auch der Duft der Altarblumen und alles andere, was zur Stimmung dieses gesungenen Gebetes im Abendgottes-dienst gehörte. Rund um die Kirche wehte ein milder Wind und etwas von seinem Salzgeruch und seinem Sausen war auch im Mittelschiff wahrzu-nehmen.

Fast zehn Jahre ist es her, dass ich auf der Insel Iona bei der dortigen Kommunität eine Woche zu Gast war. Immer wieder habe ich seitdem zu den von dort mitgebrachten Liederbüchern und Melodiesammlungen ge-griffen.

Was ist das Besondere an diesem winzig kleinen Eiland am äußersten Rand der schottischen Inselgruppe der Hebriden? Der Dichter Theodor Fontane notiert nach seinem Besuch: „Iona ist … nur klein. Seine Länge beträgt et-was mehr als eine halbe, seine Breite kaum eine Viertelmeile. Die Ufer sind flach, sandig, unfruchtbar und nur in der Mitte der Insel erheben sich ein paar kahle Felsen, die gegen vierhundert Fuß hoch sein mögen. Es fehlt diesem Eilande jeder landschaftliche Reiz …(Es) scheint nur ein geeigneter Platz für Seeadler- und Möwennester zu sein.“2

1 Ansprache bei der Stockumer Vesper am 29.6.2012 im fffz in Düsseldorf. 2 Theodor Fontane, Jenseits von Tweed, Kapitel 25, zitiert nach: http://gutenberg.spiegel.de/buch/4444/25.

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Gudrun Mawick

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Und doch lag dieser Ort einmal am Nabel der Welt. Der vielbefahrene See-weg von Norwegen nach Irland und Spanien führte direkt an Iona vorbei – damals, im frühen Mittelalter. Hier siedelten sich Mönche an, die Insel galt bald als heiliger Ort. Etliche mittelalterliche Könige aus mehreren Nationen sind hier begraben worden.

Fontane schreibt weiter: „Ums Jahr 560 verließ der Mönch Columba mit zwölf Gefährten die irische Küste und segelte in einem offenen Boot nach Schottland hinüber. Er und seine Genossen waren Schüler St. Patricks. Die Schlichtheit und der heilige Eifer des irischen Apostels war auch auf seine Jünger übergegangen, zumal auf Columba. Sie wählten die Insel Iona als Aufenthaltsort, weil sie nah genug der Küste lag, um von ihr aus ihr Missi-onswerk beginnen zu können, und zu gleicher Zeit die Möglichkeit jener völligen Zurückgezogenheit bot, die den Grund- und Lehrsätzen ihres Meis-ters entsprach … In derselben Weise wie … St. Patrick zählten sie sich zur griechischen und nicht zur römischen Kirche, zu der sie mehr denn einmal eine feindliche Stellung einnahmen.“3

Iona wurde einer der Ausgangspunkte für die Mission der Mönche, die bis weit nach Südeuropa reichte. Bis ins 16. Jahrhundert hinein standen auf dem Inselchen um die 100 Steinkreuze, zwei prachtvolle Exemplare – etwa 1000 Jahre alt – sind erhalten, typisch keltisch: Das Kreuz inmitten des Sonnenkreises.

Auch heute prägen ihre zurückgezogenen Lage und ihre spirituelle Aus-strahlung wieder die Insel. Keine Handelsschiffe fahren mehr direkt vorbei, vielmehr muss die Reisende jetzt stundenlang durch die schottischen Highlands fahren, dann zur großen Insel Mull übersetzen, diese durchque-ren und endlich die kleine Fähre besteigen, die in nur zehn Minuten Iona erreicht. Dort gibt es nur wenige Häuser und kleine Hotels, aber ein großes wiedererrichtetes Kloster aus dem Mittelalter samt modernem Gästehaus. Und bis zu 250 Gäste aus aller Welt. Sie suchen den Rückzug aus dem Alltag und die konzentrierte Gemeinschaft. Sie besuchen die Iona-Kommunität, einen modernen, ökumenischen Orden mit mehreren Standbeinen.

Work and Worship, Prayers and Politics, Sacred and Secular sind die Über-schrift dieser internationalen Gemeinschaft. Sie versucht zu verbinden und zu leben, was in Kirchen oft schmerzlich vermisst wird: Arbeit und Gottes-dienst, Gebet und Politik, Heiliges und Weltliches.

3 A. a. O.

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Iona

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1938 wollte sich der Pfarrer George McLeod mit seiner leeren Kirche in ei-nem sozial schwachen Stadtteil Glasgows nicht mehr abfinden. Er predigte auf Straßen und in Pubs, suchte die Leute an weltlichen Orten auf und ini-tiierte den Wiederaufbau historischer Gebäude als Arbeitslosen-Projekte, bei denen auch Theologen kräftig Hand anlegten. Diese Erfahrungen ermu-tigten ihn zur Gründung einer christlichen Gemeinschaft, die aus Arbeitern und Pfarren bestehen und so die Kluft zwischen Kirche und Welt überbrü-cken sollte. Trotz zahlreicher Hindernisse und Widerstände gelang es Mc-Leod, eine solche Kommunität zu gründen. Während der Kriegsjahre kam es so zum Wiederaufbau der mittelalterlichen Abtei auf Iona als spirituelles Zentrum der Initiative.

Bis heute prägt das Ineinander von politischer und sozialer Arbeit sowie von spiritueller und liturgischer Besinnung die Kommunität. Sie besteht aus Menschen verschiedener Herkunft, Lebenssituationen und kirchlicher An-bindung. Etwa 260 Mitglieder, 1600 Assoziierte Mitglieder und 1600 Freunde bilden die Gemeinschaft, die meisten von ihnen auf den britischen Inseln, die Übrigen in aller Welt. Wer nach ihren Regeln lebt, verpflichtet sich zu täglichem Gebet und politischem Engagement.

Dabei beziehen sie sich auf die Schöpfungsverbundenheit der frühmittelal-terlichen keltischen Spiritualität, auch auf die Freiheit ihrer Theologie. Bei-des wurde im Laufe der Geschichte von römisch-katholischer oder protes-tantisch-puritanischer Theologie unterdrückt. Sie alle kennen die Renais-sance des irischen Segens. Er entstammt in seiner Naturverbundenheit und theologischen Vielfalt dem keltischen Christentum.

Wer auf der Insel zu Gast ist, spürt von allem etwas. Gut ist es aber auch, vorher dem Glasgower Zentrum der Kommunität einen Besuch abzustat-ten. Hier geschieht weiterhin Sozialarbeit, auch der Verlag mit liturgischen Büchern und Musik-CDs hat hier seinen Sitz.

Work and Worship, Prayers and Politics, Sacred and Secular – dieses Zusam-menspiel hat mich beeindruckt. Bodenständig und weltweit widerspricht sich hier nicht. Die Bitte des Liedes: „Come now o prince of peace, make us one body“ bringt die christliche Einheitssehnsucht zum Ausdruck. Der Aus-gangspunkt für die reiche Musik von Iona sind die schottischen Folktunes. Doch sie bleiben nicht für sich, sondern werden vernetzt und verbunden mit Klängen aus aller Welt. So haben wir in den Gottesdiensten auch Lieder aus Afrika und Amerika gesungen. Die heilige, abgeschiedene Insel Iona konzentriert so Altes und Neues, Lokales und Weltumspannendes. Damit ist sie für mich ein Erlebnisort der ökumenischen Verheißung des 21. Jahrhun-

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Gudrun Mawick

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derts: Zu keiner Zeit konnte das Christentum aus einem so großen musika-lischen Schatz schöpfen: Die Musik nahezu aller Zeiten steht uns zur Verfü-gung. Aber nicht nur das: Durch die fortschreitende Globalisierung können wir auch Lieder aus der ganzen Welt in den Mund nehmen. Der Reichtum in der Tiefe und in der Breite des Repertoires an klingendem Gotteslob ist riesig. So ist das kirchliche Singen endgültig in sein ökumenisches Stadium eingetreten. Im Gesang aus verschiedenen Traditionen verbindet sich, was als Kirche in der Kraft des Heiligen Geistes immer schon zusammengehört. Im Singen der Verschiedenen kann sich heute schon die verheißene öku-menische Kirche, die eine Kirche von morgen abbilden.4 Eine Reise nach Iona ermutigt so dazu, gelassen auf den Heiligen Geist als Kantor des guten und gerechten Lebens zu vertrauen.

So haben wir in der Abtei das alte, neue Lied bis zur letzten Strophe gesungen:

„Come, Hope of unity, make us one body; Come, o Lord Jesus, reconcile all nations. Amen.“

4 Vgl. Peter Bubmann, Singen im Protestantismus heute und morgen, S. 222f., in: Ders./Konrad Klek (Hg.), Davon ich singen und sagen will, Leipzig 2012.

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„Concerning Worship“ Gottesdienst in der Iona Community

Übersetzung des einführenden Abschnitts aus dem Iona Abbey Worship Book1 von Pfarrer i. R. Dr. Erhard Griese, Düsseldorf.

Die Texte unseres „Worship Book“ geben wichtige Aspekte davon wieder, was die Iona Community unter Gottesdienst versteht.

Unsere Existenz als Kommunität verdanken wir der zentralen Erkenntnis des Evangeliums, dass „Gottesdienst“ alles umfasst, was wir sind und was wir tun. Entweder ist alles, was wir tun, Dienst für Gott, oder nichts ver-dient diesen Namen. Wir können da nicht etwas herauspicken und nur das als Gottesdienst bezeichnen.

Unser gesamtes Leben, so glauben wir, ist Suche nach Ganzheit. Wir möchten ein menschliches Leben in seiner ganzen Fülle leben, ohne Aufteilung in sa-kral und säkular, geistlich und weltlich. Wir möchten Gott gegenüber völlig gegenwärtig sein, so wie er völlig gegenwärtig für uns ist, sei es in unserem Nächsten oder in der politischen und sozialen Aktivität der Welt um uns herum, sei es in Kultur oder Wirtschaft, sei es im gemeinsamen Gebet und Lobpreis oder ganz zentral im Inneren, in der Seele unseres Wesens.

Aus uns selbst heraus können wir das nicht schaffen. Wir können uns nicht ganzheitlich heil machen, so wenig wie wir uns glücklich oder gut machen können. Aber wir glauben, dass wir unser Leben durch die Gnade gestalten sollen, als Einzelne wie gemeinsam, im Gehorsam gegenüber der Vision, die uns Gott gegeben hat von dem, was ganzheitliches Heil bedeutet, vor allem durch Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi.

So sind wir auf Iona davon überzeugt, dass alles, was wir tun, Gottesdienst ist, sowohl innerhalb der Kirche wie außerhalb. Wir beginnen jeden Tag mit gemeinsamem Gebet, denn wir bilden eine Gemeinschaft, in der jeder dem anderen von Gott geschenkt wurde. Die morgendliche Zusammenkunft beenden wir nicht mit einem Segen, der einen Abschluss darstellt, sondern mit wechselnden Gebetsrufen, die uns dafür vorbereiten, in das Leben der Welt hinauszutreten und dort den Gottesdienst weiterzuführen im Kontext unserer täglichen Arbeit. Am Abend kommen wir zum gemeinsamen Gebet wieder zusammen, aber wir beginnen es nicht mit einem üblichen „Ruf zum Gottesdienst“, denn wir haben uns den ganzen Tag hindurch im Got-

1 Iona Abbey Worship Book, Glasgow 2001 (reprint 2005), S. 11 f.

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tesdienst befunden. Nur im Abendgebet gibt es dann einen Segen für den Abschluss des Tages.

Auf diese symbolische Weise versuchen wir auszudrücken, dass nach unse-rer Überzeugung der gesamte Tag eine Ganzheit darstellt, zusammen-gehalten durch das gemeinsame Beten, aber durch alle Arbeiten und Auf-gaben des täglichen Lebens, gemeinsame Zeiten und Stunden der Rekrea-tion hindurch sich kontinuierlich fortsetzend als die eine Liturgie, der eine Dienst in der Gegenwart Gottes.

Auf Iona speist sich das gemeinsame Leben aus vielen Quellen. Da ist die Vergangenheit überall um uns herum gegenwärtig. Wir sind Erben der keltischen Tradition mit ihrem tiefen Empfinden für Jesus als das Haupt von allem und für Gottes Herrlichkeit in der gesamten Schöpfung. So ver-wenden wir Gebete der keltischen Kirche, die Anwesenden willkommen zu heißen, Gebete für die Arbeit und Gebete, um die Not der Welt in Worte zu fassen. Wir sind auch Erben der benediktinischen Tradition mit ihrer Über-zeugung, dass „ora et labora“ (bete und arbeite) beschreibt, was untrenn-bar zusammengehört, mit ihrer Verpflichtung zur Gastfreundschaft und mit dem Sinn für Ordnung. All dies spiegelt sich in unserem Gottesdienst und unserem „lifestyle“ wider. Und wir sind Erben der Reformatoren mit ihrem evangelischen Eifer, ihrem Ruf zur Hingabe, ihrem tiefen Verständnis für die in jeder Generation auftretende Herausforderung, neue Wege zu finden, um alle Herzen zu berühren. All dies, hoffen wir, werdet ihr in unse-rem Beten und Arbeiten auf Iona antreffen.

Da wir eine ökumenische Gemeinschaft sind, beziehen wir auch neuere Traditionen aus der Christenheit in unsere Gottesdienste ein. Wir sehen das als große Chance und schätzen es sehr hoch. Es erinnert uns auch immer wieder daran, dass unser Leben und unser Dienst für Gott nicht in einer versteckten Ecke vor sich geht. Alles, was wir sind und tun, unsere Arbeit und unser Gebet, ist Teil des fortwährenden Betens und Tuns der ganzen Kirche im Himmel und auf Erden: Wir gehören zu der Gemeinschaft der Heiligen.

Eine Zeit auf Iona verändert Menschen oftmals. Gott hat offensichtlich diesen Ort über Jahrhunderte hin in sehr kraftvoller Weise gebraucht. Die Iona Community glaubt nicht, dass wir hierher gebracht wurden, um „reli-giöse“ Leute zu werden, sondern vielmehr, damit wir in einem erfüllteren Sinne Menschen werden. Auf dieses Ziel hin bewegt sich unser gemeinsa-mes Leben einschließlich unserer liturgischen Handlungen.

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„Concerning Worship“

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Mit den Worten des deutschen Blutzeugen Dietrich Bonhoeffer glauben wir, dass ein Christ nicht eine religiöse Person ist, sondern einfach ein menschliches Wesen, so wie Jesus eines war, zutiefst im Diesseits zuhause, bestimmt durch Disziplin und das beständige Wissen von Tod und Aufer-stehung.

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Ronald Ilenborg

Singen mit den Händen

Ronald Ilenborg ist Gehörlosenpfarrer in den Kirchenkreisen Solingen und Lennep.

„Gemeinsames Singen bildet und konstituiert und festigt die Gemeinde. Wie es keine Gemeinde ohne Gottesdienst gibt, so keinen Gottesdienst ohne gemeinsames Singen und Musizieren. Kirchenmusik, in welcher Art auch immer, ist unverzichtbar für eine Gemeinde …“ Dieser Abschnitt aus dem kirchenmusikalischen Konzept meiner Wohnsitzgemeinde in Bremen hat mich vor ein paar Jahren sehr getroffen. Warum? Weil in jener Zeit die Gottesdienste der Bremer Gehörlosengemeinde in dieser Kirche stattfan-den – und da Gehörlose nun einmal nicht hören können, gibt es in ihren Gottesdiensten auch keine Musik.

Kein Gottesdienst ohne gemeinsames Singen und Musizieren? Was aber, wenn die Gemeindeglieder gehörlos sind, wenn sie aufgrund dieser Beson-derheit nicht singen und musizieren können, wenn für sie Gesang einfach nur das Öffnen und Schließen des Mundes ist und Musik eine (manchmal) leicht fühlbare Vibration? Gibt es für Gehörlose keinen Gottesdienst? Die Evangelische Kirche im Rheinland hat den Sonderfall der Gottesdienste mit Gehörlosen in ihrem Positionspapier zur Kirchenmusik von 2006 ausdrück-lich berücksichtigt: „Ein evangelischer Gottesdienst ohne Gemeindegesang ist außer in Gehörlosengemeinden nur als Grenzfall vorstellbar …“1

Die Frage nach dem Gottesdienst der Gehörlosen und der Musik hat mich dann noch einmal beschäftigt, als um mich herum die Kirchenmusik zu einem Jahresthema der Reformationsdekade wurde. Die Deutsche Arbeits-gemeinschaft für Evangelische Gehörlosenseelsorge (DAFEG) gibt eine Zei-tung für Gehörlose heraus – und die Redaktion fragte sich: Kann das Jahr „Reformation und Musik“ zum Thema für uns werden? Die Antwort war schließlich „Ja“ – denn auch wenn im Gottesdienst der Gehörlosen kein Lied gesungen wird und keine Musik ertönt, „Kirchenlieder“ gibt es auch dort. Gebärdete Lieder.

1 Positionspapier zu gegenwärtigem Stand und zukünftigen Aufgaben der Kirchenmu-sik in der Evangelischen Kirche im Rheinland, beschlossen von der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland am12. Januar 2006, S. 5.

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Singen mit den Händen

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Als ich vor gut zwanzig Jahren begann, in der Gehörlosenseelsorge zu arbei-ten, gab es die ersten Versuche, Kirchenlieder für den Gottesdienst mit Gehörlosen in Gebärdensprache zu nutzen. Sie wurden dazu sprachlich vereinfacht und lautsprachbegleitend gebärdet (siehe Exkurs zur Gebär-densprache).

Diese Gebärdenlieder wurden entweder von einem kleinen „Chor“ vorge-tragen oder von der Gemeinde gebärdet. Als Problem für die Gemeinde erwies sich dabei, dass man nicht gleichzeitig einen Liederzettel in der Hand halten und gebärden kann. Die Texte wurden darum entweder mit einem Overheadprojektor auf Leinwand projiziert oder von einem „Vorsän-ger“ vorgebärdet.

Den „Gebärdenliedern“ fehlte allerdings noch das Mehr, das aus einem Text ein Lied macht, ein visuelles Äquivalent zur Melodie.

Ein paar Jahre später hat eine gehörlose Linguistikstudentin aus Frankfurt auf einer Tagung der DAFEG dann ihre Form von Gebärdenlied vorgestellt. Für mich zum ersten Mal tatsächlich mit einer Melodie in Gebärdenspra-che. Der Vortrag war rhythmisch gegliedert, man konnte Stimmungsfär-bungen erkennen. Der Text des Liedes stand nicht mehr allein im Vorder-grund, sondern wurde getragen von den durch ihn ausgedrückten Gefüh-len. Es kam nicht allein auf das Verstehen an, sondern auch auf das Emp-finden.

In den vergangenen Jahren haben viele Gemeinden und Gebärdenchöre begonnen, für sich Formen der Gebärdenlieder zu suchen und zu entwi-ckeln. Manchmal angelehnt an vorhandene klassische und moderne Kir-chenlieder. Manchmal auch ganz eigenständig. Die Texte sind nun öfter in Deutscher Gebärdensprache. Ergänzt werden sie durch pantomimische Anteile. Es gibt einstimmige (also simultan gebärdete) und mehrstimmige Lieder. Rhythmus, die Ausführungsgeschwindigkeit von Gebärden, Orts-wechsel von Gebärden, Mimik oder eine Art von visuellem Reim (Gebärden mit gleicher Handform, Bewegung oder Ausführungsstelle) lassen die Me-lodie der Gebärdenlieder sehen.

Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Gebärdenliederformen. Manche Lieder werden von der Gemeinde gebärdet. In vielen Gehörlosengemeinden werden sie von Chören oder Solisten vorgetragen. Und deren Mitglieder sind durchaus nicht nur gehörlos. In einigen Gemeinden begeistern sich auch Hörende für das Singen mit den Händen.

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Ronald Ilenborg

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Die DAFEG bietet Gebärdenchorleiter- und Gebärdenlieder-Seminare an, in denen sich gehörlose und hörende haupt- und ehrenamtliche Mitarbei-tende der Gehörlosengemeinden austauschen können. Im Vergleich mit der jahrhundertelangen Geschichte des Kirchenlieds steht das Gebärdenlied im Gottesdienst noch ganz am Anfang und wartet noch auf viele Entdeckun-gen.

Ein Problem ist die Verschriftlichung, weil nicht jede Gebärde durch ein Wort eindeutig wiedergegeben werden kann und so etwas wie Noten für den „melodischen“ Teil nicht existieren. Durch Hoch- und Tiefstellung oder durch Ergänzung mit Richtungspfeilen und eingeklammerten Kurzbe-schreibungen wird versucht, Lieder festzuhalten und weiterzugeben.

Zwar gibt es mehrere Systeme, Gebärden und ihre Ausführung für ge-druckte Medien festzuhalten. An der Universität Hamburg wurde ein Nota-tionssystem (HamNoSys) entwickelt, das in der Sprachforschung Verwen-dung findet. Ein zweites System (Gebärdenschrift) basiert auf Zeichen, die ursprünglich benutzt wurden, um Tänze aufzuzeichnen. Beide Systeme sind kompliziert und konnten sich für Gebärdenlieder nicht durchsetzen.

So werden heute oft Fotos mit Pfeilen, die eine Gebärdenbewegung zeigen, benutzt, um Gebärdenlieder abzubilden. In den Liederheften der letzten Kirchentage konnte man solche Gebärdenliederfotos finden. Die Zeitung UNSERE GEMEINDE hat so in den vergangenen Monaten einzelne Gebär-denlieder vorgestellt. Und in Bayern ist gerade ein Gebärdenliederbuch in dieser Form erschienen2.

Wirklich exakt festhalten kann man Gebärdenlied wohl nur durch die Auf-zeichnung als Film. Unter www.gehoerlosenseelsorge.de findet man unter dem Menüpunkt „Gebärdenlieder“ einige Beispiele dafür. Darunter auch die Gebärdenlieder, die in der Zeitung UNSERE GEMEINDE abgedruckt sind. Die DAFEG plant für die nächste Tagung mit gehörlosen und hörenden Teil-nehmern aus ganz Deutschland die Aufzeichnung von Gebärdenliedern, die dann im Internet als Gesangbuch zur Verfügung gestellt werden sollen.

Kleiner Exkurs Gebärdensprache

Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Arten, Gebärden zu nutzen. Zum einen werden sie zur Unterstützung der Lautsprache benutzt. Dabei wird jedes gesprochene Wort mitgebärdet, man nennt das: lautsprachbeglei-

2 Gottesdienst Visuell – Gebärdenlieder lebendiger Ausdruck des Glaubens, hg. v. der Deaf-Ararat-Akademie in Nürnberg, 2012.

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Singen mit den Händen

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tendes Gebärden (LBG). Diese Form wurde lange Zeit in den Gottesdiensten der Gehörlosengemeinden benutzt. Heute oft noch, wenn gemeinsame Gottesdienst von Hörenden und Gehörlosen stattfinden.

Davon unterscheidet sich die Deutsche Gebärdensprache (DGS). Sie ist eine selbstständige Sprache, die eine eigene Grammatik hat. Sie setzt sich aus Gebärden, Mimik und Mundbild zusammen. Körperhaltung und Richtung der Gebärden können Beziehungen ausdrücken, Substantiv und Verb wer-den oft zu einer einzigen Gebärde inkorporiert. Für viele Gebärden gibt es keine lautsprachliche Entsprechung, sie müssen umschrieben werden – ein Problem, wenn man versucht, Gebärdenlieder zu verschriftlichen.

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Ronald Ilenborg

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Eberhard Kenntner

Abend ward, bald kommt die Nacht Predigt über das Abendlied von Rudolf Alexander Schröder (EG 487)mit einer Kyrie-Litanei zu dessen Lied „Es mag sein, dass alles fällt“ (EG 378)1

Dr. Eberhard Kenntner ist Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Rhein-bach und Superintendent des Kirchenkreises Bad Godesberg-Voreifel.

Zur Erinnerung an Rudolf Alexander Schröder

(† 22. August 1962)

Liebe Schwestern und Brüder,

das Singen von Abendliedern ist weitgehend aus unserem Kulturkreis ver-schwunden. Als kleines Kind habe ich im Urlaub noch erlebt, wie im Allgäu oder in Südtirol nach getaner Arbeit die Bauersfamilie und das Gesinde zusammen-kamen, um singend den Tag ausklingen zu lassen. Erlebnisse wurden dabei ausgetauscht und kommentiert, Außergewöhnliches oder Überraschendes in den Erlebniskreislauf von Tag, Woche und Jahr eingeordnet, manchmal auch schon Erwartungen an den kommenden Tag formuliert und so das Ende der Nacht, der großen Dunkelheit vorweggenommen.

Den Abend erlebte man so in Gemeinschaft, und der Abend gab Gelegen-heit, miteinander Bilanz zu ziehen im Blick auf Beides, das Gelungene und das Missratene. Man konnte danken und sich für Versäumtes entschuldi-gen, und beides konnte man im Gebet Gott anvertrauen. Nichts musste unbearbeitet mit in den Schlaf genommen werden. Eine Ahnung von Frie-den scheint auf.

Doch diese Welt gibt es längst nicht mehr. Bis zum Morgen geht das Fern-sehprogramm in zigfacher Variation, auch das Radio hat keine Nachtpause mehr. Manche Disco öffnet erst um 23.00 Uhr, Supermärkte schließen mancherorts gar nicht mehr, und auch dunkel wird es nicht mehr wirklich. In solch digital gesteuerter Kunstwelt ist all das, was ich gerade über den Abend in Erinnerung rief, verlorengegangen. Gemeinsames Singen, Bilanz-ziehen, den Tag mit Gott beenden – das war einmal.

1 Der Gottesdienst mit Kyrie-Litanei und Predigt wurde am 2. September 2012 in Rheinbach gefeiert.

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Eberhard Kenntner

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Auch als der Dichter Rudolf Alexander Schröder 1942 das Abendlied „Abend ward, bald kommt die Nacht“ dichtete, war jene Zeit schon untergegangen. Mehr noch: Spätestens ab 1942 spürte man, dass der II. Weltkrieg an einem Wendepunkt stand und der Untergang des angeblich 1000jährigen Reiches der Nazis unabwendbar war. Die Nacht wurde zur Zeit des Grauens. Sirenen zerrissen die Stille, die Zeit der Dunkelheit war die Zeit der Bombenangriffe, das grelle Licht der Flakscheinwerfer tastete sich durch den Himmel über verdunkelten Städten. Und an den Fronten und in den besetzten Gebieten das millionenfache Sterben.

Eine angsterfüllte Zeit, in der Rudolf Alexander Schröder den Menschen Trost und Zuversicht geben will. Er tut dies, indem er sich als ein „Wieder-Holer“ versteht im doppelten Sinne des Wortes: Er erfindet weder im Vers-maß noch in der Wortwahl wirklich Neues, sondern wiederholt, was schon bekannt und damit vertraut ist oder war; damit holt er aber auch Gedanken und Aussagen wieder, die verschüttet oder verloren waren.

Zugleich versteht er, der christliche Dichter, sich ganz bewusst als einer, der in der generationenalten „Wolke der Zeugen“ ganz hinter der Botschaft des Evangeliums zurücktritt. Christus gilt es für ihn zu verkündigen, nicht einen Kreativwettbewerb für neues Liedgut zu gewinnen. Das macht es für uns als Sänger und Hörer nicht immer leicht.

1. Abend ward, bald kommt die Nacht, schlafen geht die Welt; denn sie weiß, es ist die Wacht über ihr bestellt.

Eine wunderbar beruhigende Melodie, die Samuel Rothenberg in der bitte-ren Nachkriegszeit 1948 für Schröders Lied gefunden hat. Sie verstärkt in vollendeter Weise die Absicht des Dichters: Verlorengegangenes zu wie-derholen, um es wieder zu holen. Vor dem geistigen Auge entsteht ein Bild des Friedens: Abendsonne über weiter, gesegneter Landschaft, ein Dorf mit heimeligen Häusern, von der Dorfkirche wie von einem Wachturm über-ragt. Idylle pur, Abendstille überall.

Doch wer das Lied so singt und versteht, bleibt an der Oberfläche und be-kommt die Dramatik, ja Kampfansage an die Gottlosigkeit der Nazis nicht mit. Denn natürlich ist Rudolf Alexander Schröder sich 1942 dessen be-wusst, dass eine Flucht in die Idylle das Grauen des II. Weltkrieges und des Holocaust nicht vertreiben kann. War er doch eng befreundet mit Jochen Klepper, mit dessen Morgenlied wir deshalb den Gottesdienst begonnen

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Abend ward, bald kommt die Nacht

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haben; am Ende des Jahres, in dem unser Lied entsteht, geht Jochen Klep-per mit seiner Frau, die als Halbjüdin verfolgt wurde und die er nicht retten konnte, in den Tod, am Abend, bevor sie ins KZ abgeholt werden soll. Da ist kein Platz für Romantik.

Da ist vielmehr Platz für etwas ganz Zentrales, was der Dichter wieder-holt: „Abend ward“. Mit dieser altertümlichen Vergangenheitsform des Wortes „Werden“ beschreibt der Dichter, was dem Zugriff des Menschen entnom-men ist. Dass es Abend wird, kann der Mensch nicht machen; es ist Werk Gottes, der seiner Schöpfung eine Ordnung gegeben hat, in die hinein sich seine Menschen bergen können. Angesichts der Größe solcher Schöpfung werden die Allmachtsphantasien der Nazis – heute hört uns Deutschland, morgen die ganze Welt – deutlich in ihre Schranken gewiesen.

Auch im zweiten Teil der Strophe kommt solch versteckte Kritik zu Tragen: „Schlafen geht die Welt“. Das wird als eine Selbstverständlichkeit gesetzt, über die man nicht diskutieren muss. Wer sich der von Gott gesetzten Ord-nung fügt, bestimmt nach ihr auch den Rhythmus seines Tuns. Gott lässt es Abend werden, also geht die Welt schlafen. So hat es Gott gewollt. Wer anderes tut, plant und denkt, steigt aus Gottes Ordnung aus.

Wer aber annimmt, dass Gott es hat Abend werden lassen, der darf sich voll und ganz darauf verlassen, dass er zusammen mit der ganzen Welt im Schlaf behütet und beschützt wird. Wieder holt Schröder alte Worte hervor, die uns fremd klingen, doch ungemein Beruhigendes aussagen: „Denn … es ist die Wacht über ihr bestellt.“ Gott sorgt dafür, dass mein Ohnmacht im Schlaf mir nicht schadet, dass kein Feind mich überwinden kann. Eine tröstliche Botschaft, nicht nur zur Nacht.

2. Einer wacht und trägt allein ihre Müh und Plag, der lässt keinen einsam sein, weder Nacht noch Tag.

Nach der ersten Strophe, die die ganze Welt und die die sie tragenden Set-zungen Gottes beschrieb, in denen wir Schutz und Geborgenheit finden können, kommt nun der Grund solchen Geborgenseins in den Blick. Gott ist kein Prinzip, keine Formel, kein Fatum, das in fernen Welten unnahbar exis-tiert. Der Gott, den Rudolf Alexander Schröder als den biblischen verkün-digt, ist ein persönlicher Gott, der aktiv den Weg seiner Schöpfung beglei-tet. Er „wacht“ über ihr, er ist nicht ferne, schwebt nicht über den Galaxien, sondern ist nahe, so wie ein Angehöriger, der am Bett wacht.

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Eberhard Kenntner

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Mehr noch: Gott ist in das Schicksal seiner Welt verwoben, müht sich um sie, ist da, wo es schwierig wird: „trägt … ihre Müh und Plag“. Er greift ein, wo Lasten zu schwer, Wege ungangbar werden. Und was das Wichtigste ist: Er „lässt keinen einsam sein“. Schröder weiß um die Nöte, die entstehen, wenn keiner da ist, der zuhört, keiner da ist, der einen in den Arm nimmt, noch nicht einmal jemand da ist, um mit einem zu streiten. Nicht erst in unserer Zeit ist die Einsamkeit ein brennendes Problem für so viele Menschen.

Da ist die Botschaft unseres Liedes pures Evangelium: „Der lässt keinen einsam sein“. Gott ist Vater und Mutter, ein Freund, ein lebendiges Du, mit dem wir reden können und das uns zuhört und antwortet. Notwendiger-weise verlässt der Dichter hier den Charakter des Abendliedes und weitet seine Aussagen über ein Tagzeitengedicht aus. Was nützt auch jemand, der mich „nicht einsam sein“ lässt, wenn er an feste Sprechzeiten gebunden ist, wenn ich ihn nicht rund um die Uhr, vor allem dann, wenn die Not und Einsamkeit am größten ist, rufen und zu ihm reden kann? Gottes Dasein für uns ist nicht an Tages- oder Nachtzeiten gebunden; „er lässt keinen einsam sein, weder Nacht noch Tag.“

3. Jesus Christ, mein Hort und Halt, dein gedenk ich nun, tu mit Bitten dir Gewalt: Bleib bei meinem Ruhn.

Die Gedanken der beiden ersten Strophen, die Gottes Für-uns-Dasein und seine Sympathie, sein Mitleiden mit seinen Geschöpfen, in Erinnerung rie-fen, münden nun folgerichtig ein in das Gebet, die direkte Zwiesprache mit diesem Gott. Die Zwiesprache wird dadurch erleichtert, dass sich Gott uns Menschen offenbart hat, dass er in Jesus Christus einer von uns geworden ist und als unser Herr und zugleich auch als unser Bruder mit Namen ange-redet werden kann.

„Jesus Christ, mein Hort und Halt“: das ist solche direkte Anrede und ist zugleich auch noch mehr, nämlich ein Bekenntnis. Der Beter setzt nicht auf die eigene Kraft, auf die Macht eigenen Könnens, auch nicht auf andere menschliche Möglichkeiten. „Jesus Christ, mein Hort und Halt“, das war in der Zeit, in der der Adolf Hitler sich als von der Vorsehung gesandter Führer als Herr über Leben und Tod ganzer Völker gebärdete, wiederum eine klare Absage an die widergöttliche Nazi-Ideologie. Heute kann uns solches Gebet helfen, die Mächte zu entlarven, die meinen, unser Leben in letztgültiger Weise in der Hand zu haben oder bestimmen zu können.

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Abend ward, bald kommt die Nacht

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Wobei der Dichter durchaus weiß, dass das Gebet nicht automatisch in Erfül-lung geht. „… tu mit Bitten dir Gewalt“: das erinnert an biblische Erzählungen wie die vom bittenden Freund oder dem ungerechten Richter, in denen Jesus uns ermuntert, mit unserem Bitten vor Gott durchaus unverschämt zu werden. Wobei es ja nicht darum geht, Reichtum oder Macht zu erlangen.

„Bleib bei meinem Ruhn“: Einen größeren Reichtum kann es gar nicht geben als Gottes bleibende Nähe, als die Gewissheit, dass auch im Schlaf Gott bei uns ist.

4. Wenn dein Aug ob meinem wacht, wenn dein Trost mir frommt, weiß ich, dass auf gute Nacht guter Morgen kommt.

Das Abendgebet klingt in großartigem Gottvertrauen aus; hier hat ein Mensch Frieden gefunden, wie ihn die Welt nicht geben kann, und ist von einer Zuversicht getragen, die unerschütterlich ist. Diese Zuversicht kommt nicht daher, dass hier ein Glaubensheld alle menschlichen Schwächen überwunden hat, sondern ganz im Gegenteil daher, dass hier ein Mensch nichts mehr von sich, sondern alles von Gott erwartet: „wenn dein Trost mir frommt“.

„Frommen“ ist ein althochdeutsches Wort und bedeutet nützen, helfen. Der Glaube, aus dem heraus und um den wir zugleich bitten, um in den Gefährdungen dieses Lebens bewahrt zu werden, ist Geschenk Gottes. Ein Geschenk, um das wir jeden Tag und Abend neu bitten dürfen und mit dem wir zugleich fest rechnen können. Das meint die schwierige Formulierung: „wenn dein Trost mir frommt“. Im Wort „frommen“ steckt nicht nur die Bedeutung „helfen, nützen“, sondern auch, dass solche Hilfe verlässlich ist und der Helfer ein treuer Helfer ist.

Gott ist verlässlich und treu – aus solcher Erfahrung wächst die Gewissheit, „dass auf gute Nacht guter Morgen kommt“. Rudolf Alexander Schröder hat in schwerer Zeit diese Gewissheit mit seinem Abendlied weitergeben wollen.

Wobei jedes Abendlied, ausgesprochen oder unausgesprochen, noch eine viel weitere Perspektive hat. „Herr, bleibe bei uns am Abend dieses Tages, am Abend des Lebens, am Abend der Welt.“ In dieser Art hat schon die Ur-christenheit gebetet und darin deutlich gemacht, dass Abend nicht allein eine Tageszeit meint, sondern die Begrenztheit unserer Lebenszeit über-haupt. „… weiß ich, dass auf gute Nacht guter Morgen kommt.“

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Eberhard Kenntner

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Damit kommt nicht nur der nächste Tag, sondern die Ewigkeit in den Blick. Rudolf Alexander Schröder hatte lange Jahre als deutschnationaler Dichter Werte wie Volk und Vaterland vergöttert. Nach dem I. Weltkrieg brach ihm diese Welt zusammen. In einem Bekehrungserlebnis fand er zu „Jesus Christ“, seinem „Hort und Halt“. Dabei wurden ihm die Osterberichte des Neuen Testaments besonders wichtig. Er sagte 1930: „Für meine Hilflosig-keit habe ich keinen besseren Trost und keine bessere Deutung gefunden als die, die in der Botschaft der Evangelien zu finden ist.“ „… weiß ich, dass auf gute Nacht guter Morgen kommt.“

Wer das sagen kann, während in Stalingrad die Armeen verbluten, der hat eine Botschaft, die nicht nur am Abend des Tages, sondern auch am Abend des Lebens und am Abend der Welt trägt. Das ist der Grund, warum die Dichtung Rudolf Alexander Schröders zeitlos ist und in ihrer eigentümlich wiederholenden Sprache auch uns allen im Jahr 2012 eine Hilfe und Stär-kung im Glauben sein kann.

Kyrielitanei

Gott, die Welt ist voller Krieg und Elend. Der Nahe Osten, Afrika, die kauka-sische Region, Afghanistan, Kaschmir und Tibet – die Welt gleicht einem Pulverfass, und niemand weiß, wer Frieden stiften soll. Herr erbarme dich!

1. Es mag sein, dass alles fällt, / dass die Burgen dieser Welt / um dich her in Trümmer brechen. / Halte du den Glauben fest, / dass dich Gott nicht fallen lässt: / er hält sein Versprechen.

Gott, die Welt ist voller Betrug und Unehrlichkeit. Politiker, Banken, Religionen – bald weiß niemand mehr, wem man noch trauen kann. Herr erbarme dich!

2. Es mag sein, dass Trug und List / eine Weile Meister ist; / wie Gott will, sind Gottes Gaben. / Rechte nicht um Mein und Dein; / manches Glück ist auf den Schein, / lass es Weile haben.

Gott, die Welt ist voller Gottlosigkeit und Spott über den Glauben. Und so oft hat es den Anschein, als ob die, die sich an deine Gebote halten wollen, von vornherein unterliegen. Herr erbarme dich!

3. Es mag sein, dass Frevel siegt, / wo der Fromme niederliegt; / doch nach jedem Unterliegen / wirst du den Gerechten sehn / lebend aus dem Feuer gehn, / neue Kräfte kriegen.

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Abend ward, bald kommt die Nacht

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Gott, die Schrecken und Mühen dieser Welt und dieses Lebens scheinen älter und mächtiger zu sein als die Verheißung von Leben, die du uns Men-schen gegeben hast. Es fällt so oft schwer, deiner Verheißung zu glauben. Herr erbarme dich!

4. Es mag sein – die Welt ist alt – / Missetat und Missgestalt / sind in ihr ge-meine Plagen. / Schau dir's an und stehe fest: / nur wer sich nicht schrecken lässt, / darf die Krone tragen.

Gott, oft scheint die Sorge vor dem, was morgen kommt, übermächtig zu werden und droht, uns zu lähmen; mache du selbst uns bereit, den Kampf gegen das Böse zu wagen. Herr, erbarme dich!

5. Es mag sein, so soll es sein! / Fass ein Herz und gib dich drein; / Angst und Sorge wird's nicht wenden. / Streite, du gewinnst den Streit! / Deine Zeit und alle Zeit / stehn in Gottes Händen.

Gnadenzusage

Hört das Wort der Gnade: Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet (Joh 3,17f).

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Jens-Peter Enk

Religiöses Erleben durch gottesdienstliche Musik Zur gleichnamigen Studie von Jochen Kaiser1

Jens-Peter Enk ist Kantor in der Arbeitsstelle Kirchenmusik im Theologischen Zentrum Wuppertal sowie in der Evangelischen Kirchengemeinde Unterbar-men in Wuppertal.

Welche Rolle spielt die gottesdienstliche Musik für den „normalen“ sonntägli-chen Gottesdienst? Wird die gottesdienstliche Musik nur als „schmückendes Beiwerk“ für einen schönen Rahmen – eine möglichst feierliche Ausgestal-tung – verstanden oder ist sie mehr als das? Welches religiöse Erleben wird durch gottesdienstliche Musik bei den Gottesdienstbesuchern und -besuche-rinnen wachgerufen und in Schwingung gebracht?

Jochen Kaiser, Dozent für Liturgik und Hymnologie am Kirchenmusikali-schen Seminar in Halberstadt und Kirchenmusiker in Wernigerode, geht diesen Fragen in seinem Buch „Religiöses Erleben durch gottesdienstliche Musik“ ausführlich und wissenschaftlich fundiert nach.

Das Buch ist übersichtlich angelegt und die Einteilung sieht im Groben wie folgt aus:

1. Theorie und Forschungsdesign 2. Vorstellung der empirischen Daten 3. Auswertung 4. Ergebnisse

Ein schnelles Zurechtfinden ist garantiert, da im mehrseitigen Inhaltsver-zeichnis auch alle Unterpunkte mit aufgezählt sind.

In einem einführenden „Singerlebnis“ über den bekannten Choral „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut, dem Vater aller Güte ...“, der am Sonntagmor-gen in einer großen Kirche gesungen wird, stellt Kaiser vor Augen, wie Mu-sik im Gottesdienst den Glauben der Einzelnen mit Körper und Geist, mit Leib und Seele ausdrücken kann und wie sich im Gottesdienst durch den gemeinsamen Gesang eine „temporäre spirituelle Gemeinschaft“ bildet.

1 Jochen Kaiser, Religiöses Erleben durch gottesdienstliche Musik. Eine empirisch-rekonstruktive Studie (Arbeiten zur Pastoraltheologie, Liturgik und Hymnologie 71), Göttingen 2012.

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Religiöses Erleben durch gottesdienstliche Musik

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Damit sind wir schon im Zentrum des Buches. Der „innere Antrieb“ für die Studie ergab sich für Kaiser aus der Beschäftigung mit den Fragen:

• Wie kann die Qualität unserer Gottesdienste Menschen so ansprechen, dass sie wieder gern einen Gottesdienst besuchen?

• Wären die Gottesdienste besser besucht, wenn Kirchenmusiker andere Musik spielen würden?

Wie gottesdienstliche Musik erlebt wird, hängt erfahrungsgemäß stark von den einzelnen Menschen und ihrer Prägung ab. Den damit zusammenhän-genden Fragen widmet Kaiser das erste, das Theorie-Kapitel seiner Untersu-chung. Religiosität und Glaube, Musik und Singen, rituelle Erfahrungen des einzelnen Menschen, ein populär-modernes Ritualverständnis: Erörterun-gen zu diesen Themen bestimmen dieses Kapitel.

Im zweiten Kapitel befasst sich der Autor unter einander ergänzenden Blickwinkeln mit (Vor-) Verständnissen gottesdienstlicher Musik (Stich-worte: Musik und Musizieren in der Bibel; Musik und Lieder im Gottes-dienst; Kommunikation, Inszenierung und Aufführung des Evangeliums).

Das dritte Kapitel schließlich erkundet empirisch, wie Teilnehmende an Got-tesdiensten gottesdienstliche Musik erfahren und welche Sichtweisen da-von sie ausbilden. Einem Schreibaufruf mit der Bitte, die persönliche Wahr-nehmung gottesdienstlicher Musik und das damit einhergehende religiöse Erleben in schriftlicher Form festzuhalten, folgten 64 Menschen verschiede-nen Alters aus unterschiedlichen Wohnorten und sozialen Kontexten. Der Schreibaufruf wurde ergänzt durch das Einspielen von fünf Stücken geistli-cher Musik verschiedener Epochen und Genres2.

In der Auswertung der gewonnenen Daten zeigt Kaiser eindrucksvoll die vielfältige Wirkweise von gottesdienstlicher Musik auf. So ist festzuhalten, dass von den 64 Befragten 57, das sind fast 90%, ganz selbstverständlich vom Singen im Gottesdienst erzählen und so die Bedeutung des Singens für den Gottesdienst unterstreichen.

Singen wird in unterschiedlichen Kategorien beschrieben, z.B. als Selbstaus-druck und Emotionsbewältigung (Lösen von Emotionen: Trauer, Ängste und Freude), als Gemeinschaftsaktion und Gemeinschafts-Konstitution (Singen von bekannten Liedern, besonders z.B. Weihnachtsliedern), als Ausdruck des

2 „Laudate pueri Dominum“ (feierliche Psalmodie in mittelalterlicher Tradition); „Herr, auf dich traue ich“ (Motette von Heinrich Schütz); „Präludium und Fuge in G-Dur“ (Orgelwerk von Johann Sebastian Bach, BWV 541); „Lobet den Herren“ (vierstimmiger Chorsatz von Johann Crüger); „Oh Happy day“ (Gospel).

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Jens-Peter Enk

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persönlichen und gemeinsamen Glaubens.

Der Typ „Singen als Glaubensausdruck“ war als einziger in allen Teilgruppen stark vertreten. Konnte die Nennung des Singens im Gottesdienst als zent-rale Kirchenmusik erwartet werden, so erwies sich darüber hinaus, dass Singen vor allem als Ausdruck des Glaubens der Versammelten erlebt wird.

In der vergleichenden Aufnahme der Motivation für den Gottesdienstbe-such zeigte sich ein differenziertes Bild der Dominanz von „Singen als Glau-bensausdruck“. In einer Typologie der Motivation für den Gottesdienstbe-such werden acht Typen differenziert und zu zwei großen Gruppen zusam-mengefasst: einmal die „Klassischen Gottesdienstbesucher“, die aus Ge-wohnheit zum Gottesdienst gehen, zum andern die „Modernen Gottesdienstbesucher“, die aus bestimmten individuellen Anlässen kom-men. Die „Klassischen Gottesdienstbesucher“ sind mit der Musik sehr zufrieden und wollen das Spezifische der Kirchenmusik erhalten, während die „Modernen Gottesdienstbesucher“ stärker von ihrem alltäglichen Musikgeschmack beeinflusst sind und ähnliche Musik in der Kirche erwar-ten. Allerdings sind Orgelspiel und Singen auch für sie typische Gottesdienstmusik.

Das „Singen als Glaubensausdruck“ ist bei den „Modernen Kirchenbesu-cher“ nicht dominant. Sie stellen das „Gemeinschaftserlebnis“, das sich bei einem Gottesdienst durch die Worte und die Musik einstellt, ins Zentrum und erfahren im Gottesdienst eine temporäre spirituelle Gemeinschaft. Für die „Klassischen Kirchenbesucher“ hingegen ist Singen beides: Glaubensausdruck und Gemeinschaftserlebnis.

Zum Abschluss des Buches reflektiert Jochen Kaiser noch eine ambivalente Beobachtung über Erwartungen an Gottesdienste – und nicht erkennbare Konsequenzen. Menschen erleben schöne Gottesdienste und berichten da-von, auch wenn sie den Sonntagsgottesdienst im Allgemeinen kritisieren, hauptsächlich bezogen auf die Musik. Und da sind die Kirchenmusiker und -musikerinnen, haupt- wie nebenamtliche, gefordert, sich Gedanken zu ma-chen. „Die Schilderungen erzählen von glücklichen Momenten im Gottes-dienst, in denen die Menschen zufrieden und erfüllt sind. Allerdings motivieren anscheinend auch die als wohltuend erlebten Gottesdienste nicht dazu, Gottesdienste regelmäßiger zu besuchen. Die Erwartung der kirchlich Verantwortlichen, die daran arbeiten, die Qualität des Gottesdienstes so ansprechend zu entwickeln, dass mehr Menschen regelmäßig einen Gottesdienst besuchen, werden wohl auf dem

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Religiöses Erleben durch gottesdienstliche Musik

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eingeschlagenen Weg ‚Qualitätsentwicklung‘ kaum erfüllbar sein.“3

Denn die Motivation für einen nächsten Gottesdienstbesuch ist – so Kaiser – nicht am Erlebten, sondern am persönlichen Leben und den individuellen Erwartungen orientiert. Diese Orientierung „begrenzt den regelmäßigen Gottesdienstbesuch, führt aber dazu, dass die selten erlebten (außergewöhnliche Gottesdienste) eine relativ große (lang anhaltende) Bedeutung für das Leben bekommen.“4

3 Vgl. „Kirche der Freiheit“ Perspektiven für die evangelische Kirche im 21. Jahrhun-dert. Ein Impulspapier des Rates der EKD, S. 52. 4 Vgl. „Musik und Kirche“ September/Oktober 2012, Heft Nr. 5, S. 318.

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Martin Evang und Ilsabe Seibt

Monatslieder Liturgische Anregungen für das Kirchenjahr 2012/2013

I: Dezember 2012 bis Mai 2013

1. Sonntag im Advent bis Christnacht – Dezember 2012 (ME): Gott sei Dank durch alle Welt (EG 12)

In der Adventszeit erwartet die Gemeinde die Ankunft des Gekommenen. Das Lied „Gott sei Dank durch alle Welt“ von Heinrich Held1 erinnert in Dank (1,1), Prädikation (1,2-4), Proklamation (Str. 2-3) und Salutation (4,1f.) an das Gekommensein des Heilsbringers: Er war von Gott verheißen (1,2-4) und von den Alten ersehnt und angekündigt (Str. 2) – als „Zions Hilf und Abrams Lohn, Jakobs Heil“ (3,1f.). In der Ankunft Jesu – „der Jungfrau Sohn, der wohl zweigestammte Held“ (3,2f.: vere Deus, vere homo) – haben sich die Erwartungen „erfüllt in Herrlichkeit“ (2,4). In der letzten Strophe wird „der Sünder Trost und Rat“ (1,3) persönlich als „mein Heil“, „mein Teil“ (4,1f.) begrüßt und gebeten, er, der einst zur Welt Gekommene, möge nun auch bei denen, die das Lied singen, Einzug halten: „Richte du auch eine Bahn / dir in meinem Herzen an“ (4,3f.).

Das kurze Lied verbindet in großen Bögen Gott und die Welt, die Welt und das einzelne Herz, Altes und Neues Testament, Israel und Kirche, Heilsge-schichte und persönlichen Glauben. Zum Schema „Verheißung und Erfül-lung“ („ist erfüllt in Herrlichkeit“, 2,4) ist an die mittlerweile gewonnene bessere Einsicht zu erinnern, dass auch die Kirche die Erfüllung „in Herrlich-keit“ an der Seite Israels und in Solidarität mit der ganzen Schöpfung erst noch erwartet. Davon unberührt bleibt das Anliegen, dass Christinnen und Christen durch die Adventszeit und das Weihnachtsfest zu einer Vergewis-serung des Glaubens gelangen, an Jesus den existenztragenden „Trost und Rat“, das „Heil“ und „(Erb-) Teil“ zu haben.

Die Melodie hat Schwung und Weite. In ihr steigt der Dank zu Gott empor (1. Zeile) und steigt der Gottessohn zur Welt herab und bahnt sich seinen

1 Das Lied ist „eine erneute Übertragung des Adventshymnus Veni redemptor gen-tium des Bischofs Ambrosius“: Eberhard Schmidt, 12 Gott sei Dank durch alle Welt, Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch (HEG 3), Heft 3, Göttingen 2001, S. 3-6, Zitat S. 3. Weiteres zum Lied siehe dort.

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Monatslieder

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Weg in das menschliche Herz (3.-4. Zeile). Nach dem Hinweis im EG kann das Lied auch nach der adventlich codierten Melodie „Nun komm, der Hei-den Heiland“ gesungen werden.

Das Lied eignet sich sowohl als Eingangs- wie als Schlusslied, kann aber auch den biblischen Texten der Adventssonntage und der Christvesper eigens zugeordnet werden – z.B. wie folgt:

Am 1. Sonntag im Advent (2.12.2012) kann das Lied sowohl – alternativ zum Wochenlied EG 4 – zwischen der alttestamentlichen Schriftlesung Jer 23,5-8 (gerechter Spross Davids für Juda und Israel) und dem Evangelium Mt 21,1-9 (Einzug in Jerusalem; „Hosianna“) als auch nach der Predigt über den Lobgesang des Zacharias (Lk 1,67-79) gesungen werden.

Zum 2. Sonntag im Advent (9.12.2012), der auf die Wiederkunft des Ge-kommenen zur Welt blickt, steht das Lied, das seinen Einzug im Herz der Frommen erbittet, in einer produktiven Spannung. Man kann sie spürbar und ggf. auch zum Thema machen, wenn man das Lied zu den Lesungen oder zur Predigt stellt. Als Eingangslied gesungen, bezieht sich seine Schlussbitte auf den beginnenden Gottesdienst, in dem Jesus Christus bei denen, die ihn feiern, Einkehr halten möge.

Das Evangelium des 3. Sonntags im Advent (16.12.2012) aus Mt 11 bezeugt, dass in den Taten Jesu die messianischen Verheißungen in Erfüllung gehen und er als Messias kenntlich ist. Dazu fügt sich das Lied vorzüglich – ebenso wie zum Predigttext (Jes 40,1-8 bzw. 11), aus dem das „Bahn“-Motiv stammt (V. 3). Man wird das Lied also am ehesten vor dem Evangelium oder als Lied vor oder nach der Predigt singen lassen.

Dasselbe gilt für den 4. Sonntag im Advent (23.12.2012). Dessen Evange-lium, das Magnificat (Lk 1,46-55), oszilliert je nach Lesart zwischen Erfül-lung und gespannter Erwartung. Im vorgeschlagenen Predigttext Joh 1,19-23 bzw. 28 klingt, wenn auch entfernt, das Bahnmotiv aus Jes 40,3 im Zitat an (V. 23). Bemerkenswert sind auch die Motivanklänge zwischen dem Lied und der alttestamentlichen Lesung Jes 52,7-10.

In der Christvesper (24. Dezember) wird das Lied am besten zu der alttesta-mentlichen Lesung Jes 9,1-6 bzw. zu der Folge der Lesungen aus dem AT gestellt. Ebenso kann es zur Predigt über Joh 7,27-29 gesungen werden, womit es im Motiv der Sendung des Sohnes durch den Vater zusammen-klingt (vgl. 1,4).

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Martin Evang und Ilsabe Seibt

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Christfest bis Epiphanias – Dezember 2012 bis Januar 2013 (IS): Wisst ihr noch, wie es geschehen (EG 52)

Wisst ihr noch, wie es geschehen – ihr Hirten damals auf den Feldern bei Bethlehem? Wisst ihr noch, wie es geschehen – ihr Frauen, Männer, Kinder heute? Mit eigenen Augen gesehen, mit eigenen Ohren gehört und weiter-erzählt – so bildet sich Erinnerung, so werden Menschen zu einer Erinne-rungsgemeinschaft. Wer zu dieser Erinnerungsgemeinschaft gehört, dem gilt das „Heute“ des Evangeliums (vgl. Lk 19,9).

Die Eingangsfrage des Liedes2 nimmt Sängerinnen und Sänger hinein in die Hirtenschar. Aus ihrer Perspektive erzählt das Lied die Weihnachtsge-schichte. Der Dichter Hermann Claudius verknüpft die Erzählung des Lukas (Lk 2; Str. 2-3.5) mit der Erzählung vom Besuch der Könige, die Matthäus überliefert (Mt 2; Str. 4). In der ersten Strophe verbindet Claudius beide Berichte miteinander: Die Hirten („wir“) sehen den Stern, der nach Mat-thäus den Weisen aus dem Morgenland den Weg gewiesen hat. Diese Überblendung geschieht auch in der Abfolge der Strophen: in Strophe 2 das Leuchten und Singen (der Engel) über der Erde, erst in Strophe 5 erzählt das Lied, was gesungen wird. Die Mittelstrophen 3 und 4 führen die Hirten und die Könige an die Krippe. Die Hirten werden aber nicht genannt, sondern „jeder eilte, dass er’s sähe“. Jeder – das bedeutet: alle sind willkommen, gerade auch die Ärmsten, deren Armut von dem „arm in einer Krippe lie-gen(den)“ Kind nicht beschämt wird. Wer kommt, fühlt Gottes Nähe. Fast wie von selbst wird daraus Anbetung. Die reichen Könige, „hoch geritten“, finden das Kindlein „auch“. Fast scheint es, als sei es für sie schwerer, Zu-gang zu diesem Kind zu finden, sie stehen nicht in der ersten Reihe. Doch wenn sie es wirklich gefunden haben, die Reichen und Schönen dieser Welt, dann treten sie ein in die Erinnerungsgemeinschaft und beten das Kind an, gemeinsam mit allen, die sich dem Kind zugehörig fühlen. Es ist mehr als dichterisches Geschick, dass und wie hier die beiden weihnachtlichen Er-zählstränge ineinander gewoben sind. Es ist ein zutiefst inklusives Lied. Allen – Armen und Reichen – gilt die Botschaft der Engel in Strophe 5 (Lk 2). „Allen Menschen Wohlgefallen, welche guten Willens sind“, heißt es in der Originaldichtung. Damit wird Lk 2,14 nach der lateinischen Überlieferung genau getroffen. Die Textänderung im EG ist keine Verbesserung.

Am ersten Weihnachtstag (25.12.2012) passt das Lied sehr gut zur Evange-lienlesung Lk 2,(1-14)15-20. Wir regen an, biblische Lesung und Lied mit-

2 Vgl. zum gesamten Lied: Udo Wennemuth, 52 Wisst ihr noch, wie es geschehen, Lieder-kunde zum Evangelischen Gesangbuch (HEG 3), Heft 5, Göttingen 2002, S. 39-43.

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einander zu verknüpfen: Wenn die Verse 1-14 mitgelesen werden, vor Be-ginn der Lesung Strophe 1, dann Verse 1-7, es folgen Strophe 2-4, dann Verse 8-14, darauf Strophe 5 und nach Lesung der Verse 15-20 Strophe 6.

Am zweiten Weihnachtstag (26.12.2012) kann das Lied dazu anregen, den Predigttext aus Jes 11 aus der Dimension eschatologischer Zukunft für heute sprechen zu lassen, so wie das Lied das Heilsgeschehen der Geburt in unsere Gegenwart hinein holt. Gedächtnis und Erwartung verdichten sich in der Hoffnung für heute: „Ehr sei Gott! Auf Erden Frieden!“ (Str. 5).

An Epiphanias (6.1.2013) ergibt sich wieder eine Korrespondenz zwischen Lied und Evangelium. Vor der Lesung von Mt 2,1-12 verweisen die Strophen 1-3 noch einmal auf die lukanische Geburtsgeschichte zurück. Nach der Lesung schließen sich die Strophen 4-6 an.

In den dazwischenliegenden Gottesdiensten (30.12.; 31.12.2012; 1.1.2013) gibt es keinen expliziten Bezug der Texte zum Lied. Die 5. Strophe mit dem Gesang der Engel eignet sich an allen Tagen, nach dem Kyrie als Gloria ge-sungen zu werden.

1. Sonntag nach Epiphanias bis Estomihi – Januar bis Februar 2013 (ME): Kam einst zum Ufer (EG 312)

Als Monatslied für die beiden Sonntage nach Epiphanias und die drei Sonntage vor der Passionszeit 2013 schlagen wir Jürgen Henkys‘ Lied „Kam einst zum Ufer“ vor, ein Portrait Johannes des Täufers als Prophet. Henkys hat das Lied nach einer Vorlage von Huub Oosterhuis gestaltet. Die Melodie stammt von Jaap Geraedts. Ihre Sanglichkeit wird dazu beitragen, dass eine Gemeinde sich das Lied schnell aneignen und gerne singen wird.

Die prophetische Botschaft Johannes des Täufers ist in Mt 3,1-12 parr., die über die synoptischen Parallelen hinausreichende sog. „Standespredigt“ in Lk 3,10-14 enthalten. Wir knüpfen das Lied, obwohl es nicht von der Taufe Jesu handelt, an den 1. Sonntag nach Epiphanias, den Sonntag der Taufe Jesu (Evangelium: Mt 3,13-17). Eine Gemeinde, die dies Lied im Repertoire hat, kann es auch gut am 3. Sonntag im Advent, am Buß- und Bettag und am Johannistag singen, ferner in Gottesdiensten, an denen das Proprium des „Bittgottesdienstes für die Erhaltung von staatlicher Ordnung und Gerechtigkeit“ (Evangelium: Lukas 3,[7-9]10-18) gebraucht wird.

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Für den 1. Sonntag nach Epiphanias (13.1.2013) schlagen wir vor, das Monatslied durch eine Liedpredigt zu erschließen. Dazu einige Beobachtungen, zunächst zur Form:

Die sieben Strophen haben je sechs Zeilen, die im Reimschema ABABAB angeordnet sind. Die Zeilen 5-6 nehmen immer zwei der Zeilen 1-4 wieder auf, entweder unverändert oder leicht variiert.

Strophe 1 schildert das Auftreten des Predigers und Rufers Johannes am Ufer „nach Gottes Wort und Plan“. Strophe 2 expliziert den Schriftbezug (vgl. Jes 40,3-5; Lk 3,4-6), wobei „alle Täler sollen erhöht werden“ sinnreich interpretiert wird: „macht groß, was klein geblieben“. Strophe 3 richtet sich als Frage an den Täufer: was er tat – und warum – und was er verkündete. Extrem dicht, aber umfassend legt Strophe 4 Johannes seine Botschaft in den Mund: „Aufschaun, umkehren, / loslassen, was nicht hält! / Das Wort des Herren hören: / Bald wird der Baum gefällt. / Aufschaun, umkehren! / Sonst wird der Baum gefällt.“ Strophe 5 bringt zunächst wieder eine Frage an den Täufer, nun: „Was sollen / wir tun, wenn er jetzt kommt?“, anschließend den ersten, die Gottesbeziehung betreffenden Teil der Antwort: „Dem Herrn die Ehre zollen / und glauben seinem Bund.“ Doch die Antwort hat nicht nur die ‚religiöse‘, sondern auch eine ‚soziale‘ Dimension. Ihr gilt Strophe 6: „Teilt Brot und Mantel, / raubt niemandem sein Gut / und macht mit eurem Wandel / bedrückten Menschen Mut. / Teilt Brot und Mantel, / macht allen Menschen Mut.“ Hier wird die Standespredigt des Täufers einerseits aufgenommen, anderseits im Sinne von Jes 40,6 (in der Aufnahme von Lk 3,6: „Alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen“) generalisiert: Durch einen die Bedrückten ermutigenden Lebenswandel – vgl. 2,3: „macht groß, was klein geblieben“ – kommt Gottes Heil „allen Menschen“ nah. Die Schlussstrophe richtet sich zum einen an das „Volk“, wobei Israel und die Christenheit ineinander zu sehen sind. Indem dem Volk die Bestimmung, „Rufer“ zu sein, zugesprochen wird, erscheint der Rufer Johannes als paradigmatische Gestalt des ersten wie des neuen Gottesvolks: „Volk, auserkoren, / damit du Rufer wirst“. Barmen V beschreibt das prophetische Amt der Kirche so: „Sie erinnert an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten.“ Diese Aufgabe des Volkes hat seinen Grund in der ihm von Gott geschenkten Gabe: „Ein Kind ist dir geboren, / und das heißt Friedefürst.“ Die Strophe und das ganze Lied enden in der Huldigung dieses Kindes, in der das Weihnachtsfest nachklingt: „Kind, uns geboren, / du bist der Friedefürst.“

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Bei der Liedpredigt wird die Gemeinde Strophen des Liedes vor, während und nach der Predigt singen. Wird über einen anderen Text gepredigt – etwa über den vorgeschlagenen Abschnitt Joh 1,29-34 –, so klingt das Lied gut mit der alttestamentlichen Lesung Jes 42,1-4(5-9) oder mit der Epistel Röm 12,1-3(4-8) zusammen.

Zum Proprium des Letzten Sonntags nach Epiphanias (20.1.2013) weist das Lied keine näheren Bezüge auf. Wir schlagen vor, die Strophen 2 und 6 als Sendungsworte vor dem Segen singen zu lassen.

Wenn der Gottesdienst am 27. Januar 2013 das Thema des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus aufnimmt, fügt sich das Lied mit seinem Umkehrruf und mit der (implizit) Juden und Christen zugesprochenen Bestimmung, „Rufer“ zu sein, vorzüglich ein. Wird das Proprium von Septuagesimä gewählt, passt das Lied als Ko-Text zur alttestamentlichen Lesung (Jer 9,22f.) oder zur Epistel (1Kor 9,24-27), kann also statt des Wochenliedes zwischen den Lesungen gesungen werden.

Der Sonntag Sexagesimä (3.2.2013) kann mit seinem Proprium ‚Sonntag vom Wort Gottes‘ heißen. „… nach Gottes Wort und Plan“ (1,2) tritt der Täufer auf; „… das Wort des Herren hören“ (4,3) korrespondiert mit dem Wochenspruch Hebr 3,15: „Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet …“ Die Gemeinde kann das Lied zum Eingang oder im Sendungsteil singen oder zu einer der Lesungen, besonders zu Jes 55,(6-9)10-12a oder zur Epistel Hebr 4,12f. – hier klingen Lied (vgl. 4,4.6) und Text (vgl. V. 12) im Motiv der Schärfe zusammen.

Ebenfalls am Sonntag Estomihi (10.2.2013) zeigen sich vor allem Bezüge zur alttestamentlichen Lesung (Amos 5,21-24: Der äußerliche Gottesdienst tut’s nicht) und zur Epistel (1Kor 13: Das Hohelied der Liebe). Wieder kann „Kam einst zum Ufer“ das Wochenlied zwischen den Lesungen ersetzen.

Aschermittwoch bis Okuli – Februar bis März 2013 (IS): O Herr, nimm unsre Schuld (EG 235)

Schlicht, präzise und knapp in seiner Form, einfühlsam in seiner Sprache und warmherzig in seiner Ausstrahlung ist dieses Lied3 von Hans-Georg Lotz aus dem Jahr 1964. Das für manche schwer verdauliche Wort „Sünde“ kommt nicht vor. Das Lied spricht von Schuld und kommt dabei ohne mo-ralisierenden Unterton aus. Beide Rahmenstrophen beginnen gleichlau-

3 Vgl. Peter Ernst Bernoulli, 235 O Herr, nimm unsere Schuld, Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch (HEG 3), Heft 17, Göttingen 2012, S. 30-33.

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tend: „O Herr, nimm unsre Schuld“ und fassen im Fortgang jeweils genauer, wie Schuld hier verstanden wird: das, was belastet, und das, was bindet. Schuld ist eine Last und hält uns fest, das ist ihr Wesen. Schuld wirkt sich aus auf das Verhältnis zu Gott – dies nimmt die 1. Strophe in den Blick – und auf das Verhältnis zu Mitmenschen – davon spricht die 4. Strophe. Zurückhaltend und behutsam zeigt die 1. Strophe den Weg zu Gott. Die Wegnahme der Schuld öffnet den Weg – aber um ihn zu finden und zu gehen, bedarf es der göttlichen Hilfe: „und führe selbst die Hand, mit der wir nach dir tasten“.

Die Mittelstrophen 2 und 3 bilden eine Einheit. Hier begegnen drei Be-kenntnisaussagen, die eine lebendige Gottesbeziehung charakterisieren: „Wir trauen deiner Macht“; „Wir glauben deinem Wort“; „Wir kennen dein Gebot, einander beizustehen“. Doch damit ist nicht alles gesagt, denn ob-wohl das so ist, gibt es auf unserer Seite Sorgen und Furcht vor dem Mor-gen (Str. 2). Die 3. Strophe führt vom Gottesverhältnis (1. Str.) und Selbst-verhältnis (Str. 2) hinüber zum Nächsten. Der Weg zum Mitmenschen ist oft versperrt durch die eigenen Nöte. In Korrespondenz zur 1. Strophe weist der Schluss der 4. Strophe den Weg zum Nächsten – auch er ist durch Gott zu finden.

Das „Wir“ des Liedes wird nirgends ausdrücklich näher bestimmt. In allen vier Strophen wird aber deutlich, dass es das Wir der christlichen Gemeinde ist, die hier singend bittet – ein „Insider“-Lied also. Zugleich findet der Dich-ter eine Sprache, die allgemein verständlich ist. Das Benennen menschli-cher Erfahrungen, die Glaubende, Zweifelnde und Suchende verbindet, ist die Stärke des Liedes. Hier zeigt sich, dass das Bekennen nicht nur nach außen gerichtet ist, sondern auch eine Funktion für die Stärkung des eige-nen Glaubens hat. „Ich glaube, hilf meinem Unglauben“ (Mk 9,24) – beides bestimmt unser Leben vor Gott und beides darf sein.

Der Predigttext Mt 7,21-23 an Aschermittwoch (13.2.2013) ist anfällig für das Missverständnis der Werkgerechtigkeit. Mit dem Lied ins Gespräch gebracht, kann die Predigt gegenüber der Selbstrechtfertigung derer, die schon immer alles richtig gemacht haben (V. 22), das Handeln Gottes an schuldig gewordenen Menschen ins Licht rücken.

An den Sonntagen Invokavit (17.2.2013) und Reminiszere (24.2.2013) eignet sich das Lied gut als Gesang zwischen den Lesungen. Zu den Episteln Hebr 4,14-16 und Röm 5,1-5(6-11) lassen sich beim Hören und Singen Bezüge erkennen.

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Am Sonntag Okuli (3.3.2013) kann das Lied wieder in einen Dialog mit dem Predigttext Jer 20,7-11a(11b-13) treten. Das Hin- und Hergerissensein des Propheten zwischen Annahme und Verweigerung des Auftrags findet einen Widerhall besonders in der 2. Strophe des Liedes.

Die Knappheit des Liedes macht es auch für den liturgischen Gebrauch sehr geeignet. An allen Sonntagen kann das Lied mit dem Kyrie verbunden wer-den oder es ersetzen.

Lätare bis Osternacht – März 2013 (ME): Korn, das in die Erde (EG 98)

Als Monatslieder schlagen wir im Allgemeinen solche Lieder des EG vor, die in den Gemeinden entweder noch nicht verwurzelt sind oder zu verschwin-den drohen. Beides trifft auf Jürgen Henkys‘ Passions- und Osterlied nicht zu. „Korn, das in die Erde, / in den Tod versinkt“ gehört zu den häufig und gern gesungenen Liedern der Passionszeit. Wenn wir dennoch vorschlagen, es von Lätare bis Karsamstag 2013 in allen Gottesdiensten zu singen, dann in der Erwartung, dass sich den Gemeinden durch das wiederholte Singen und Bedenken des Liedes das Evangelium von Tod und Auferstehung Jesu Christi tiefer erschließen und auch in den Gestalten, die heute oft als schwierig empfunden werden („gestorben für uns“), wieder zugänglicher werden wird.

Der Text ist dem englischen Lied „Now the green blade rises“ von John Macloed Campbell Crum (1928) nachgedichtet, die Melodie geht auf ein französisches Weihnachtslied des 15. Jahrhunderts zurück.

Es bietet sich an, am Sonntag Lätare (10.3.2013) über das Lied zu predigen. Es geht ja vom Wochenspruch (Joh 12,24) aus, der seinerseits dem Evange-lium des Sonntags Joh 12,20-26 entnommen ist. Einige Beobachtungen4:

Das Lied entfaltet in ungemein dichter, dichterischer Sprache den Gedan-ken, den die in allen drei Strophen identische 4. Zeile benennt: „Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.“

„Liebe wächst wie Weizen“ – das heißt im Blick auf Saat und Wuchs: Keim und grüner Halm! – aber nicht ohne das Korn, das vergeht; fruchtbarer Acker! – aber nicht ohne die Erde, zu der alles zurückkehrt; Dringen in den

4 Vgl. detailliert Ulrich Lieberknecht, 98 Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt, Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch, Heft 2 (HEG 3,2), Göttingen 2001, S. 62-65.

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Morgen! – aber nicht ohne Versinken in den Tod: „Liebe lebt auf, die längst erstorben schien“ (Strophe 1).

„Liebe wächst wie Weizen“ – das heißt, auf das Geschick Jesu, der Liebe Gottes in Person, gesehen: nicht ohne ihre definitive Zurückweisung (Kar-freitag): „Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn?“ (Strophe 2)

„Liebe wächst wie Weizen“ – das heißt, auf das Wort gesehen, das Gottes Liebe kündet: zwar verliert es sich; und auf unser Herz gesehen, an das sich das Wort richtet: zwar verstrickt es sich – aber die Saat geht dennoch auf (Ostern). „Hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien“ (Strophe 3).

(Die Verwendung des Gleichnisses vom viererlei Acker in der 3. Strophe empfiehlt das Lied auch für den Sonntag Sexagesimä [3.2.2013], an dem dieses Gleichnis als Evangelium gelesen wird: Lk 8,4-8[9-15].)

Die Gemeinde kann das Lied in den weiteren Gottesdiensten der Passions-zeit regelmäßig als Eingangslied singen. Sie kann dann die Zeile „Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün“ an Stelle des Halleluja, das in der Passionszeit pausiert, als Antwort auf die (erste oder einzige) Lesung singen – wozu die Lektorin bzw. der Lektor durch den Ruf: „Liebe lebt auf, die längst erstorben schien“ das Signal gibt. Die Gemeinde kann das Lied aber auch in wechselnder Zuordnung zu den jeweiligen Texten singen – etwa wie folgt:

An Judika (17.3.2013) kann das Lied sowohl als Kommentar zwischen der alttestamentlichen Lesung (1.Mose 22,1-13) bzw. der Epistel (Hebr 5,7-9) und dem Evangelium (Mk 10,35-45; vgl. Wochenspruch Mt 20,28!) gesun-gen werden, also an Stelle des Wochenliedes. Als Predigtlied nimmt es den Text Joh 11,47-53 (Todesbeschluss) mit der Zeile „Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab“ unmittelbar auf.

Am Palmsonntag (24.3.2013) fügt sich das Lied besonders sinnreich zur alttestamentlichen Lesung (Jes 50,4-9) und zur Epistel (Phil 2,5-11), weniger zum Evangelium (Joh 12,12-19) und zum Predigttext (Joh 17,1[2-5]6-8).

Am Gründonnerstag (28.3.2013) kann das Lied das Evangelium von der Fußwaschung, das mit dem „neuen Gebot“ ausklingt (Joh 13,1-15.34f.), kommentieren wie interpretieren.

Das Lied weist engste Bezüge zu allen Texten von Karfreitag (29.3.2013) und Karsamstag (30.3.2013) auf und kann deshalb an jeder Stelle der Got-tesdienste gesungen werden. Entschieden und mit vollem evangelischen Recht richtet das Lied die Kreuzigung und Grablegung (Str. 2!) auf das

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Ostergeschehen hin aus, so dass es auch in der Osternacht (30. oder 31.3.2013) und darüber hinaus ausgezeichnet passt: „Hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien“ (Str. 3).

Ostersonntag bis Kantate – März bis April 2013 (IS): Der schöne Ostertag (EG 117)

„Doch nun ist er erstanden, / erstanden, erstanden, erstanden“ ist die Os-terbotschaft, in die jede der drei Strophen einmündet.5 Ein großer Osterju-bel, musikalisch äußerst wirkungsvoll ausgeführt mit einem Schlussme-lisma, das eine ganze Oktave durchmisst. „Doch nun ist er erstanden“ – das ist gesagt, gesungen, ja eingeschärft gegen den Zweifel, dass alles Glauben, Kämpfen, Hoffen doch umsonst sein könnte. Wir sind allerdings auf die Zeugen angewiesen und damit auf das Wort der Bibel. In den Evangelien wird berichtet, dass der Stein nicht mehr vor dem Grab lag, dass die Frauen Jesus nicht fanden, dass Jesus den Weg durch den Tod ins Leben gegangen ist. In jeder der drei Strophen wird die biblische Erzählung in die Satzkon-struktion eines Irrealis eingefügt. „Wär vorm Gefängnis ...“ (Str. 1). Die Fort-setzung „... so glaubten wir umsonst“ lässt in der Negierung immerhin noch erkennen, dass umsonst zu glauben, zu kämpfen (Str. 2) und zu hoffen (Str. 3) doch eine reale Befürchtung ist. Gegen allen Glaubenszweifel wird die Osterbortschaft stark gemacht: „Doch nun ist er erstanden ...“.

Der Beginn jeder Strophe stellt einen direkten Bezug des Auferstandenen zu uns, den Sängerinnen und Sängern des Liedes, her. Die erste Strophe fordert auf: „Ihr Menschen, kommt ins Helle!“ Die Osterfreude bricht sich Bahn: „Der schöne Ostertag!“ Die 2. Strophe ist Zuspruch für die, die leiden und kämpfen – Schuld und Krankheit werden konkret benannt; Flut und Beben können als metaphorische Rede oder als bedrohliche Naturkatastro-phen begriffen werden. Die 3. Strophe spricht individuell: „Muss ich von hier nach dort …“ Das ist auch angemessen, denn den letzten Weg geht jeder Mensch für sich allein. Jesu neues Leben begründet die Hoffnung, dabei nicht verloren zu gehen. Jesus ist auf diesem Weg, den er als Weg zu neuem Leben durchschritten hat, Wegweiser und Ziel zugleich. Darauf hof-fen „wir“ – die Hoffnung braucht die Gemeinschaft derer, die sich darin gegenseitig bestärken.

5 Vgl. Wim Kloppenburg, 117 Der schöne Ostertag, Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch (HEG 3), Heft 1, Göttingen 2000, S. 92-94.

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Am Ostersonntag (31.3.2013) passt das Lied, besonders die 2. Strophe, gut zum Predigttext Joh 20,11-18: Maria begegnet dem Auferstandenen am leeren Grab.

Für Ostermontag (1.4.2013) schlagen wir das Lied als Eingangslied vor. Mit dem Beginn der ersten Strophe eignet es sich gut zur Eröffnung des zwei-ten Osterfesttages.

Am Sonntag Quasimodogeniti (7.4.2013) wird über Mk 16,9-14(15-20) ge-predigt. Die mit Jesus unterwegs gewesen sind, können noch nicht glauben, dass er lebt. Der Text kann fruchtbar mit dem Lied ins Gespräch gebracht werden. Das Lied wird dann als Predigtlied gesungen.

Für die übrigen Sonntage Miserikordias Domini (14.4.2013), Jubilate (21.4.2013) und Kantate (28.4.2013) mit ihrer je eigenen, starken themati-schen Prägung schlagen wir vor, den Refrain des Liedes in das Fürbittenge-bet zu integrieren. So erklingt der österliche Jubelruf auch an den Sonnta-gen nach Ostern weiter. Der folgende Vorschlag bietet dafür eine Struktur an, die beibehalten werden kann, auch wenn die Gebetsbitten aktualisiert werden.

Österliches Fürbittengebet

Lob und Dank sei dir, unser Gott. Der Tod ist besiegt, Jesus lebt. G: Doch nun ist er erstanden, erstanden, erstanden.

Gott, wir bitten dich: Greif ein mit deiner Kraft, wo die Mächte des Todes überhand nehmen. In den undurchschaubaren und bedrohlichen Machtsystemen unserer Welt. In den Kriegsregionen. Überall da, wo Menschen an Hunger sterben. Der Tod ist besiegt, Jesus lebt. G: Doch nun ist er erstanden, erstanden, erstanden.

Gott, wir bitten dich: Komm zu Hilfe, wo menschliche Hilfe versagt. Zu den Menschen, die ohne Ausweg sind und am Leben verzweifeln. Zu den Menschen, die an der Last unausgesprochener Schuld tragen. Zu den Enttäuschten, die sich in die Einsamkeit zurückgezogen haben. Der Tod ist besiegt, Jesus lebt. G: Doch nun ist er erstanden, erstanden, erstanden.

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Gott, wir bitten dich: Fördere die Kräfte des Lebens, wo sie sich zeigen. Gib Erfolg im Bemühen um ein gerechtes Wirtschaften in armen und rei-chen Ländern. Lass gelingen, was in Forschung und Entwicklung zum Wohle aller erarbei-tet wird. Schenke allen, die sich ein Kind wünschen, das Glück der Elternschaft. Der Tod ist besiegt, Jesus lebt. G: Doch nun ist er erstanden, erstanden, erstanden.

Rogate bis Trinitatis – Mai 2013 (ME): Herr, du hast darum gebetet (EG 267)

Das Lied von Otmar Schulz steht im EG unter den Ökumene-Liedern und ist nach Inhalt und Intention das intensivste dieser Lieder. In der ebenfalls von Schulz stammenden Melodie klingt vernehmlich Luthers Vaterunser-Lied (EG 344) nach.6

Das fünfstrophige Lied ist ein an Jesus Christus gerichtetes Gebet. Es be-ginnt nach der Anrufung „Herr“ mit einer Prädikation, die das Einheitsmotiv aus dem hohepriesterlichen Gebet Jesu aufnimmt: „Du hast darum gebetet, dass wir alle eines sein“ (vgl. Joh 17,20f.). Der ursprüngliche Beter dieses Gebetes selbst wird – jetzt Herr seiner Kirche – um Erfüllung angerufen: „Hilf du selber uns zur Einheit, / denn die Kirche ist ja dein“ (Str. 1). Die Strophen 2 und 3 charakterisieren nach der einleitenden Bitte: „Lass den Christen uns begegnen, die in andern Kirchen stehn“ diese Christen in dop-pelter Weise: „wie wir es hier tun“, bemühen sie sich um die Nachfolge Jesu (Str. 2), ferner loben sie „mit andern Stimmen“ denselben Namen, „der für sie – wie auch für uns, Herr – Name ohnegleichen ist“ (Str. 3). Der Bitte um Begegnung, die zur Einsicht in die Verbundenheit mit den anderen in Nach-folge und Lob führt (Str. 2-3), folgt die Bitte um Solidarität mit- und Ver-antwortung füreinander: „Lass uns zueinander stehen“. Daran schließt sich die doppelte Bitte um das Kommen des Reiches: „Lass dein Reich in Wahr-heit kommen“ (Str. 4) und: „Brich mit deinem Reich herein“ (Str. 5) – die geschichtliche Realisierung der kirchlichen Einheit ist offenbar sowohl als Voraussetzung wie als Ereignis der Gottesherrschaft vorgestellt. Die ver-doppelte Bitte um das Kommen des Reichs rahmt die ökumenische Basis-

6 Näheres dazu und zum ganzen Lied: Werner Merten, 267 Herr, du hast darum gebetet, Handbuch zum Evangelischen Gesangbuch (HEG 3), Heft 17, Göttingen 2012, S. 37-40.

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Martin Evang und Ilsabe Seibt

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aussage, die sich die Gemeinde, indem sie sie dem himmlischen Herrn der Kirche zusingt, selbst zu Herzen nimmt: „Dein Volk ist nicht unsre Kirche, unsre Konfession allein, denn dein Volk, Herr, ist viel größer …“ (Str. 5).

Am Sonntag Rogate (5.5.2013), an dem über das Vaterunser (Mt 6,[5-6]7-13[14-16]), möglicherweise in Gestalt einer Liedpredigt über EG 344, gepre-digt wird, kann das Ökumene-Lied von Schulz als Fürbittengebet eingeführt werden; denkbar ist auch die Formulierung eines Fürbittengebets, dessen einzelne Bitten die Gemeinden im Gesang der Strophen 1, 4 und 5 auf-nimmt.

An Christi Himmelfahrt (9.5.2013) bildet Joh 17,20-26, der das Grund- und Ausgangsmotiv des Liedes enthält, den vorgeschlagenen Predigttext. Nichts liegt näher, als in der Predigt den biblischen Text in Verbindung mit diesem Lied auszulegen.

An Exaudi (12.5.2013) kann das Lied anstelle des Wochenliedes nach der Epistel gesungen werden: Eph 3,14-21 weist als Fürbitte für die Gemeinde in universaler Perspektive interessante Bezüge zu dem Lied auf.

Auch am Pfingstsonntag (19.5.2013) ist es die Epistel, d.h. die Festge-schichte (Apg 2,1-18) mit ihrem ökumenisch-internationalen Flair, zu der sich das Lied am besten fügt.

Die Texte des Pfingstmontags (20.5.2013) enthalten alle in verschiedener Akzentuierung das Doppelmotiv der Einheit und Vielfalt der Kirche – das Lied kann an verschiedenen Stellen des Gottesdienstes gesungen werden.

Zu den Lesungen und dem Predigttext an Trinitatis (26.5.2013) hat das Lied keine engeren Bezüge. Möglicherweise kann es mit ausdrücklichem Vor-blick auf das – in evangelischer Perspektive herausfordernde – römisch-katholische Fronleichnamsfest (30.5.2013) im Fürbitt- oder Sendungsteil des Gottesdienstes gesungen werden.

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Beate Kruppke

Blättern ohne Ende? Hilfe zum Finden von Gesängen im Evangelischen Gesangbuch

Beate Kruppke ist Kreiskantorin des Evangelischen Kirchenkreises Lichtenberg-Oberspree in Berlin.

II. Adventslieder und Passionslieder

Der Wunsch, im Gottesdienst so lebendig wie möglich zu singen, kann überdeckt werden durch Routine oder durch Mutlosigkeit. Routine zum Beispiel erlebe ich in der Situation des schnellen Suchens nach einem Lied mit den Worten: „Ach, nehmen wir doch ‚Herz und Herz vereint zusammen’ – das passt immer.“ Für Kirchenmusiker kann das musikalisch traurig und unergiebig werden, denn vielen „Immerpass-Liedern“ ist eine entsprechend blasse Melodie eigen. Es gibt eine ganze Reihe von Liedern, bei denen ich in der Suche von qualitätvollen Orgelvorspielen in der Literatur die Segel strei-chen muss, weil es wegen der anspruchslosen Melodie faktisch keine gibt. Dann müssen Pachelbelform, Melisma oder Quartrückungen herhalten – der Fachmensch weiß, was ich damit meine …

Mutlosigkeit gibt es aus vielen, oft gut nachvollziehbaren Gründen. Kann die Gemeinde dieses Lied überhaupt? Ist die Melodie nicht viel zu schwierig, zu mystisch, zu lutherisch, zu herb? Ob sie zu salopp oder zu langweilig sei, wird dagegen seltener gefragt.

Nach über 20 Jahren Arbeit als Kirchenmusikerin habe ich mich kürzlich erstmals getraut, das Lied „Warum sollt ich mich denn grämen“ (EG 370) singen zu lassen. Es hat einen für meinen Geschmack wunderbar mystisch-barocken Text und eine diesem Text entsprechende feine, liebe Melodie. Und die Gemeinde sang. Sie sang tragfähig, weil die Melodie tragfähig ist. Wann hatte sie dieses Lied gelernt? Woher konnte sie es? Wir dürfen die Frage, ob die Gemeinde eine Melodie könne, getrost auch einmal vernach-lässigen. Sie kann! Wissen wir denn, was in den Seelen der Gemeinde schlummert?

Nach dieser Erfahrung traute ich mich weiter mit „Wir glauben all an einen Gott“ (EG 183), dem herrlich kraftvollen Credolied, welches mit dem allseits gepflegten „Wir glauben Gott im höchsten Thron“ (EG 184) öfter einmal alternieren sollte. Und dann „Gib dich zufrieden und sei stille“ (EG 371) – welch ein wertvoller Text, welch weitschwingende, schöne Melodie! Die

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Gemeinde murrte nicht, sie sang. Sie fühlte sich bereichert, weil ernst ge-nommen.

Die in diesem Artikel zu findenden Listen III und IV habe ich erarbeitet, weil ich auch in dieser Form Routine und Mutlosigkeit entgegentreten will. Zum Beispiel sind manche Lieder in anderen EG-Rubriken versteckt und werden nur selten durch Zufall gefunden. Die Magnificat-Lieder sind Lieder für die Adventszeit. Auch das Lied „Komm in unsre stolze Welt“ (EG 428) – es hat glücklicherweise einen festen Ort im Liedschatz der Gemeinden finden können – steht an ganz anderer Stelle im EG, ist aber ursprünglich als Ad-ventslied entstanden.

Passionstexte können viele Nebenthemen eröffnen: Rettung vom Tod, Gnade, Jesus herrscht über den Tod, Erlösung, Schuld auf sich nehmen, Blut vergossen für uns, Freiheit, Erlösung, Nachfolge, Gebot der Liebe, Versöh-nung, Erbarmen usw. Da diese Themen zentrale Gedanken unseres christli-chen Glaubens sind, finden sich in vielen Liedern verwendbare Strophen. Meiner Meinung nach können sie einen erweiterten Horizont des Passions-geschehens schaffen. Manchmal sind wirklich nur Einzelstrophen ver-wendbar. Das beste Beispiel eines versteckten Passionsliedes, in dem alle vier Strophen eine Einheit bilden, ist für mich „Liebe, du ans Kreuz für mich erhöhte“ (EG 415).

Mut braucht es auch, wenn ich zum Sonntag Palmarum das Lied „Wie soll ich dich empfangen“ (EG 11) singen lasse. Ein gängiges Muster wird verlas-sen: ‚Dieses Lied singt man im Advent.‘ Den einen oder andern wird das verwirren, manchen sogar verärgern. Jedoch kann es eine produktive Ver-störung sein, wenn das Lied mit Adventsplätzchenduft in der Nase zu ei-nem ganz anderen Zeitpunkt gesungen und seine Botschaft in diesem neuen Kontext bedacht wird.

Das Lied „Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ (EG 381) ist ein sehr starkes Lied für die Passion, speziell für Karfreitag. Da es nicht ganz einfach zu singen ist, empfehle ich, es als Wechselgesang zwischen einem Chor und der Gemeinde zu singen.1

Möge das hier veröffentlichte Material zur Vielfalt lebendigen Singens im Got-tesdienst beitragen! Wie schon im vorigen Heft sei erwähnt, dass in die Erstel-lung von Liedlisten zu bestimmten Themen persönliche Erfahrungen und Am-bitionen einfließen und die Ergebnisse auch anders aussehen können.

1 Vgl. „Thema: Gottesdienst“ 35/2012, S. 73.

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Liste III: Mögliche Adventslieder und -strophen im EG jenseits der Nummern 1-22

• Einige der Lieder stehen wie eine Brücke zwischen Ewigkeit und Advent, im Themenbereich Warten, Sehnen, Wachsein usw.

• Viele der Lieder haben als Thema die Bitte „Komm!“ • Die Pfingstlieder sind generell an jedem Sonntag des Kirchenjahres

singbar (vor allem als Eingangslied), einige davon stehen in Beziehung zur Bitte „Komm!“

• Fettdruck der Nummern = besonders geeignet, um als Liedgut im Ad-vent gepflegt oder eingeführt zu werden

69 Der Morgenstern ist aufge-drungen, 1-2

Licht; Wachet!

130 O Heilger Geist, kehr bei uns ein, 1.3

Warten; auf dem Weg sein

134 Komm, o komm, du Geist des Lebens, 1

Komm!

141 Wir wollen singn ein’ Lobge-sang

Ankunft; Buße

147 Wachet auf, ruft uns die Stimme

Komm!; Wachsein

152 Wir warten dein, o Gottes Sohn

Warten; Ankunft

154 Herr, mach uns stark Sehnsucht; Warten; Schauen 158 O Christe, Morgensterne (Ein-

gangslied) Sehnen; Licht; Kommen

166 Tut mir auf die schöne Pforte, 1.2.4 (Eingangslied)

Ankunft; bereit sein

175 Ausgang und Eingang Warten; offen sein für Fülle 178.6 Advents-Kyrie Licht; Komm! 248 Treuer Wächter Israel’, 1.3.4.6 Retter; Komm!;

Bezug zum Magnificat 255 O dass doch bald dein Feuer

brennte, 1.5.6.8 Retter

308 Mein Seel, o Herr, muss loben dich

Magnificat

309 Hpch hebt den Herrn mein Herz und meine Seele

Magnificat

310 Meine Seele erhebt den Her-ren

Magnificat

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359 In dem Herren freuet euch Freude; Retter; Licht 361 Befiel du deine Wege, 6.7.9.10 Warten 379 Gott wohnt in einem Lichte,

3.4 Ankunft; Retter

389 Ein reines Herz, Herr, schaff in mir, 2.3

Ankunft; Komm!; Offenheit

390 Erneure mich, o ewigs Licht, Ankunft; Offenheit 428 Komm in unsre stolze Welt Komm! 442 Steht auf, ihr lieben Kinderlein Licht; Heiland; Warten

Liste IV: Mögliche Passionslieder und -strophen im EG jenseits der Nummern 75-98

• Es sind einige Lieder aufgelistet, in denen von der Kraft, den Tod zu zerstören, die Rede ist. Dieses Thema kann auch in der Passionszeit sei-nen Platz haben (z.B. EG 113 am Sonntag Invokavit).

• Die Strophenangaben zeigen an, wo auf Jesu Sterben Bezug genom-men wird. Oft ist es aber sinnvoll, das gesamte Lied zu singen.

• Pfingstlieder können generell an jedem Sonntag des Kirchenjahres gesungen werden (vor allem als Eingangslied). Einige weisen eine un-mittelbare Beziehung zu Passion auf.

• Fettdruck der Nummern = Lieder, die durch ihre thematische Geschlos-senheit besonders geeignet sind, um als Liedgut in der Passionszeit ge-pflegt oder eingeführt zu werden

11 Wie soll ich dich empfangen Palmarum: Einzug 14 Dein König kommt in niedern

Hüllen Palmarum: Einzug; Trost und Hilfe

36 Fröhlich soll mein Herze sprin-gen, 3.4.7.8.10

für uns gegeben

51 Also liebt Gott die arge Welt Tod des Gottessohnes befreit von Schuld und Tod

66 Jesus ist kommen, 2.4.6.8.9 Tod Jesu verschlingt den Tod 68 O lieber Herre Jesu Christ,

1.4.5.6 Jesus leidet den Tod für unsere Sünden

113 O Tod, wo ist dein Stachel nun, 1.2.4.5.8

Kraft gegen Teufel und Tod (In-vokavit)

123 Jesus Christus herrscht als König, 1.3.5.6.7

Jesus herrscht über den Tod

139 Gelobet sei mein Herr, 2 für mich gegeben 144 Aus tiefer Not lasst uns zu

Gott Buße

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146 Nimm von uns, Herr, du treuer Gott, 4

Tod Jesu = Lösegeld

149 Es ist gewisslich an der Zeit, 5 Tod Jesu = Bezahlung der Schuld 152 Wir warten dein, o Gottes-

sohn, 2 Schuld am Kreuz abgetragen

158 O Christe, Morgensterne, 3 Blut vergossen für mich 164 Jesu, stärke deine Kinder erkauft mit deinem Blut 178.4.7.13

Kyrie-Gesänge

179 Allein Gott in der Höh sei Ehr, 3.4

Erlösung durch Tod Jesu Christi

183 Wir glauben all an einen Gott, 2

für uns am Kreuz gestorben

184 Wir glauben Gott im höchsten Thron, 3

litt unser Kreuz, starb unsern Tod

190.1-4

Lamm Gottes Buße; Bitte um Erbarmen; Anbe-tung

192 Litanei 195 Allein auf Gottes Wort will ich,

2 für mich gestorben

209 Ich möcht’, dass einer mit mir geht, 4

durch den Tod gegangen

210 Du hast mich, Herr, zu dir ge-rufen, 2

Mitsterben und Miterstehen mit Jesus

214 Gott sei gelobet und gebe-nedeiet, 2

Christi Leib für uns gegeben

215 Jesus Christus, unser Heiland, 1.3.6

in den Tod gegeben

216 Du hast uns Leib und Seel gespeist

Blut vergossen

217 Herr Jesu Christe, mein ge-treuer Hirte

Buße; Barmherzigkeit; Gnade; Befreiung

223 Das Wort geht von dem Vater aus

Tod Christi als Heil der Welt

226 Seht, das Brot, das wir hier teilen, 3.5

Bund in Christi Blut

232 Allein zu dir, Herr Jesu Christ, 2

frei von Sünden durch Christi Tod

234 So wahr ich lebe, spricht dein Gott, 5

Gnade wegen Christi Blut und Tod

245 Preis, Lob und Dank sei Gott, 3 Christi Blut vergossen 248 Treuer Wächter Israel’, 7 durch Jesu Tod Frieden bei Gott

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250 Ich lobe dich von ganzer See-len, 1.4

Heil durch Christi Blut und Lei-den

251 Herz und Herz vereint zu-sammen, 3

Lebenshingabe nach Christi Vorbild

252 Jesu, der du bist alleine, 8 Teuer erworben durch Tod amKreuz

253 Ich glaube, dass die Heiligen, 3 Gemeinschaft an Jesu Leiden 256 Einer ist’s, an dem wir hangen,

1. 2 mit Blut erkauft

314 Jesus zieht in Jerusalem ein Palmarum: Einzug 325 Sollt ich meinem Gott nicht

singen, 3.8 er gibt ihn für mich hin

329 Bis hierher hat mich Gott ge-bracht, 3

Hilfe durch Jesu Tod

331 Großer Gott, dich loben wir, 8 Freikauf durch Jesu Tod 341 Nun freut euch, lieben Chris-

ten g’mein, 5-8.10 Heil durch Jesu Tod

342 Es ist das Heil uns kommen her, 1.3.4

dein Tod wird mir das Leben sein

345 Auf meinen lieben Gott, 4 Heil durch Tod am Kreuz 346 Such, wer da will, ein ander

Ziel, 2 für uns gestorben

349 Ich freu mich in dem Herren, 2 Heil durch Christi Tod 350 Christi Blut und Gerechtigkeit,

1-3 Heil durch Christi Tod

351 Ist Gott für mich, so trete, 3.5.6

Christi Blut als Lebensgrund

353 Jesus nimmt die Sünder an, 6 Sündenvergebung durch Christi Blut

354 Ich habe nun den Grund ge-funden

Heil durch Christi Tod

355 Mir ist Erbarmung widerfah-ren

rein durchs Blut des Sohnes

370 Warum sollt ich mich denn grämen, 11

Christi Leben mir zugut in den Tod gegeben

373 Jesu, hilf siegen, 2 durch dein Leiden mein sünd-lich’ Fleisch töten

375 Dass Jesus siegt, bleibt ewig ausgemacht

Triumph Jesu kraft seines Todes

381 Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen

Karfreitag

384 Lasset uns mit Jesus ziehen, 2.3

mit Jesus leiden und sterben

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386 Eins ist not, 6.8 Gerechtigkeit und Gnade durch Jesu Blut

388 O Durchbrecher aller Bande, 6.7

durch Christi Tod rein und frei

397 Herzlich lieb hab ich dich, o Herr, 1

der mich durch sein Blut hat erlöst

401 Liebe, die du mich zum Bilde, 3.4.6

für mich gelitten und gestorben

405 Halt im Gedächtnis Jesu Christ, 2

für dich gelitten und gestorben; erlöst

406 Bei dir, Jesu, will ich bleiben, 3 erkauft von Tod und Sünden 409 Gott liebt diese Welt, 5 des Sohnes Sterben 410 Christus, das Licht der Welt, 3 Vergebung durch Christi Tod 412 So jemand spricht: „Ich liebe

Gott“, 5 erkauft durch des Sohnes Blut

415 Liebe, du ans Kreuz für uns erhöhte

Versöhnung; Erbarmen; Liebe

430 Gib Frieden, Herr, gib Frieden, 3

für uns gelitten

445 Gott des Himmels und der Erden, 3

Sündenvergebung durch Jesu Wunden

469 Christe, du bist der helle Tag, 5 erworben durch dein heiliges Blut

475 Werde munter, mein Gemüte, 5

verglichen durch Jesu Tod

484 Müde bin ich, geh zur Ruh, 2 Jesu Blut macht allen Schaden gut

488 Bleib bei mir, Herr, 4.5 Jesus Herr über den Tod 518 Mitten wir im Leben sind, 3 Jesu Blut Genugtuung für Sünde 521 O Welt, ich muss dich lassen, 3 für mich gestorben 522 Wenn mein Stündlein vor-

handen ist, 2.3.4 durch Jesu Tod ewiges Leben erworben

523 Valet will ich dir geben, 3.4 Jesu Tod Trost in der Not 530 Wer weiß, wie nahe mir mein

Ende, Refr. und 3 mach‘s durch Christi Blut mit meinem Ende gut

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Jahreslosung 2013 von Johannes Pöld

Sopran

Alt

Tenor

Bass

S

A

T

B

Text aus Hebräer 13,14 Einsatzfolge: BTAS

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An diesem Heft haben mitgearbeitet:

Kantor Jens-Peter Enk Arbeitsstelle Kirchenmusik Missionsstraße 9 a 42285 Wuppertal E-Mail: [email protected]

Pfarrerin Sabine Gradtke Dr.-Hans-Böckler-Straße 280 47179 Duisburg E-Mail: [email protected]

Pfarrer i. R. Dr. Erhard Griese Bankstraße 8 40476 Düsseldorf E-Mail: [email protected]

Pfarrer Ronald Ilenborg Elisenstraße 12 42561 Solingen E-Mail: [email protected]

Superintendent Pfarrer Dr. Eberhard Kenntner Tulpenbaumweg 6 53177 Bonn E-Mail: [email protected]

Kantorin Beate Kruppke Kirchstraße 4 16356 Werneuchen E-Mail: [email protected]

Pfarrerin Gudrun Mawick Arbeitsstelle Gottesdienst und Kirchenmusik Iserlohner Straße 25 58239 Schwerte E-Mail: [email protected]

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Pfarrerin mbA Bianca Neuhaus Amt für Gemeindeentwicklung und missionarische Dienste der EKiR Missionsstraße 9 a 42285 Wuppertal E-Mail: [email protected]

Vikar Dr. des. Frank Peters Sybelstraße 43 45145 Essen E-Mail: [email protected]

Pfarrer Ulrich Weidner Hauptstraße 37 42649 Wuppertal E-Mail: [email protected]

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Redaktion:

Pfarrer Dr. Martin Evang E-Mail: [email protected]

Maren Weiß E-Mail: [email protected]

Arbeitsstelle Gottesdienst im Haus Gottesdienst und Kirchenmusik der EKiR

Pfarrerin Dr. Ilsabe Seibt E-Mail: [email protected]

Arbeitsstelle Gottesdienst im Amt für kirchliche Dienste in der EKBO

Druckerei:

Druckerei Uwe Nolte, Iserlohn www.druckerei-nolte.de

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Herausgegeben von der

Arbeitsstelle Gottesdienst im Haus Gottesdienst und Kirchenmusik der EKiRMissionsstraße 9 a42285 WuppertalFon: 0202 - 2820 - 320Fax: 0202 - 2820 - 329E-Mail: [email protected]

und der

Arbeitsstelle Gottesdienstim Amt für kirchliche Dienste in der EKBOGoethestraße 26-3010625 BerlinFon: 030 - 3191 - 215Fax: 030 - 3191 - 283E-Mail: [email protected]/gemeinde-und-pastoralkolleg/arbeitsstelle-gottesdienst.de

Aufl age: 7.900


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