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1 Deutsche Haiku-Gesellschaft e.V.

Mitglied der Federation of International Poetry Associations (assoziiertes Mitglied der UNESCO)

Mitglied der Haiku International Association, T kyMitglied der Humboldt-Gesellschaft für Wissenschaft, Kunst

und Bildung e.V.Mitglied der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik e.V., Leipzig

Die Deutsche Haiku-Gesellschaft unterstützt die Förderung und Verbreitung deutschsprachiger Lyrik in traditionellen japanischen Gattungen (Haiku, Tanka, Renga und Renshi) sowie die Vermittlung japanischer Kultur. Sie organisiert den Kontakt der deutschsprachigen Haiku-Dichter/innen untereinander und pfl egt Beziehungen zu entsprechenden Gesellschaften in anderen Ländern. Der Vorstand unterstützt mehrere Arbeits- und Freundeskreise in Deutschland sowie Österreich, die wiederum Mitglieder verschiedener Regionen betreuen und weiterbilden. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 40 € im Jahr; darin ist die Lieferung der Zeitschrift enthalten.

Anschrift: Deutsche Haiku-Gesellschaft e.V. Hofgartenweg 11 · 60389 Frankfurt am Main Tel.: 069/47 40 92 · Fax: 069/47 88 58 11 Web: http://www.haikugesellschaft.de eMail: [email protected]äsidentin: Margret Buerschaper · Auenstraße 2 · 49424 Goldenstedt-Lutten1. Vorsitzender: Martin Berner · Hofgartenweg 11 · 60389 Frankfurt am Main Tel.: 069/47 40 92 · Fax: 069/47 88 58 11

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2 EDITORIAL

Liebe Mitglieder der Deutschen Haiku-Gesellschaft,

die noch einmal verbesserte äußere Form von SOMMERGRAS hat ein sehr positives Echo gefunden. Es gab auch Wünsche, die Zeitschrift noch besser lesbar zu machen. Das ist verständlich, nur müssen wir abwägen zwischen der Größe der Schrift und dem Platz für die Beiträge: Je größer die Schrift, desto weniger können wir drucken, und das führt wieder zu Unmut.

Kritik erreichte uns auch über den Inhalt: SOMMERGRAS sei zu wissenschaft-lich geworden, so wurde uns gesagt, manche Mitglieder würden gerne anderes lesen. Leider ist mir nicht richtig deutlich, was dieses andere sein könnte. Alle von Mitgliedern eingesandten Artikel und fast alle Rezensionen wurden veröffentlicht. SOMMERGRAS muss ja viele Anforderungen erfüllen: Mitgliederzeitschrift, Fach-zeitschrift für Haiku und Informationsquelle für Leute, die etwas über Haiku erfahren möchten. Da kann nicht immer jeder Artikel für alle gleich wichtig sein.

Moniert wurde, dass wir bei Rezensionen oft die Preise der Bücher nicht nennen. Das hat einen Grund, der mich selbst ärgert: In den Vorschriften für Büchersendungen heißt es: »Die Werbung muss sich auf die Außen- und Innen-seiten des Umschlags und auf höchstens je zwei aufeinanderfolgende Seiten am Anfang und Ende des Werkes beschränken«. Als Werbung gilt alles, so die verbindliche Auskunft der Deutschen Post, was in Euro, Dollar etc. angegeben ist. Einmal habe ich die gesamte Zeitschriftensendung zurück bekommen, weil bei einem Frankfurter Haikuseminar ein Kostenbeitrag genannt war.

Noch eine Anmerkung zu den Leser-Texten: Wir freuen uns, dass das Interesse am Haibun zunimmt und immer mehr Mitglieder diese Form für sich entdecken. Bisher wurden so gut wie alle eingesandten Haibun auch gedruckt, wir stoßen jetzt aber an eine Grenze und können nicht mehr garantieren, dass alle eingereichten Texte berücksichtigt werden können. Ebenfalls aus Platzgründen veröffentlichen wir keine Kasen. Auch für Sequenzen, eine Form, die zum Experimentieren reizt, müssen wir uns die Entscheidung zur Veröffentlichung vorbehalten.

Bevor wir uns hoffentlich zahlreich an Pfi ngsten zum 10. Kongress in Halle sehen, ist ja noch Weihnachten und der Jahreswechsel. Ich wünsche Ihnen frohe Festtage und alles Gute für 2007.

Ihr Martin Berner

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3 INHALTSVERZEICHNIS

DHG-Seite ..................................................................................................... 1Martin Berner: Editorial ................................................................................... 2

AUFSÄTZE UND ESSAYSMario Fitterer: Aus dem Hinterland mit Hänsel und Gretel ins Dickicht der Stadt ......... 4Angelika Wienert: Die Haikupoetin Sugita Hisajo … eine Nora war sie nicht ......... 16

INTERVIEWHaruo Shirane im Gespräch mit Udo Wenzel ................................................... 21

LESER-TEXTEHaiku, Tanka, Haiku-Sequenzen. Verschiedene Autoren ........................................ 27Johannes Ahne: Indianer. Haibun .................................................................... 31Christa Beau: Zwei Haibun ............................................................................ 32Regina Franziska Fischer: Die Verwüstung oder »Die Rettung«. Haibun ................... 33Peter Janßen: Mann aus der Mauer. Haibun ...................................................... 35Udo Wenzel: D‘ Necka nauf. Haibun .............................................................. 36Angelika Wienert: Das Totenbuch. Haibun ........................................................ 38Ruth Franke: Hohle Weiden. Haibun ................................................................ 38Leser-Texte: Tod und Sterben ........................................................................... 40Haiku heute: Verschiedene Autoren .................................................................. 45

HAIKU-BESPRECHUNGENStefan Wolfschütz: Selbstvergessenheit ............................................................. 47Volker Friebel: »Wollblümchen« ....................................................................... 49

REZENSIONENRüdiger Jung: Drei Besprechungen ................................................................... 50Volker Friebel: Über »Im Zeichen des Janus« ...................................................... 56Martin Berner: Über »Japanische Rollbilder im Schloss Moyland« ........................... 58Mario Fitterer: Über »D‘un ciel à l‘autre« u.a. ..................................................... 59

MITTEILUNGEN ............................................................................................ 64

IMPRESSUM ................................................................................................. 68

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Mario FittererAus dem Hinterland mit Hänsel und Gretel ins Dickicht der StadtWandern und Wege aus Sicht japanischer und europäischer Haikuautoren

Mon wo izureba Zum Tor hinaus:ware mo yuku hito Auch ich bin nun ein Wanderer – wieaki no kure der Herbst, der zu Ende geht …

Buson (Übers.: G.S. Dombrady)

1.

Berge sind, wie der Olymp, Sitz der Götter, sind heilige Berge, Stätten der Offenbarung, haben magisch-mystische Ausstrahlung, wie der »weiße

Berg« Erciya Da (hethitisch Harhara = Gott-Berg) in Anatolien. Solche Berge verbreiten natürliche Scheu.

Nur einmal soll Bash den strahlenden Glanz des Fujisan in einem Haiku angedeutet haben:

Brume et pluie Nebel und RegenFuji caché. Mais cependant je vais Fuji verhüllt. Dennoch gehe ichContent (1) Zufrieden.

Bash (Übers.: M. Fitterer)

Bash unternahm ab 1684 mehrere Wanderreisen, über die er Reisetagebücher führte. Über die letzte große Reise von fünf Monaten im Jahre 1689 berichtet das Reisetagebuch Oku no hosomichi. G.S. Dombrady, der das Werk unter dem Titel »Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland« ins Deutsche übertragen hat, sagt im Vorwort, für Bash »bilden Leben und Werk genauso wie Leben und Wandern, dann aber auch Dichten und Wandern eine selbstverststverstst ändliche Einheit«. Seine Wanderreisen charakterisiert er als Kombination des Ideals »in aller Muße umherwandeln« und der Wanderpraxis der Bergasketen. (2)

Einen bestimmten Weg, den Bash »auf seiner Wanderschaft des Dichtens« ging, verfolgt Yoshiko Oshima anhand eines Wandernotizbuches des Dichters: Etwa Ende April 1688 ist Bash , von einem seiner Schüler, dem Haiku-Dichter Tsukoku begleitet, zu einer Wanderschaft aufgebrochen, auf der er auch den Bergpaß Hozo passiert, der, wie Bash notiert, »vom T nomine [617 m.ü.M.] zu Ry mon [904 m.ü.M.] führt«. Hierbei entstand das Haiku:

AUFSÄTZE UND ESSAYS

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Hibari yori / ué ni yasur Hibari yori / ué ni yasur / Über einer Lerche / ruhe ich mich aus / / Über einer Lerche / ruhe ich mich aus /T T ge kana (hier) der Bergpaß

Yoshiko Oshima macht das in ihrer Übertragung wiedergegebene Haiku zum Ausgangspunkt einer Untersuchung, wie sich eine ideelle »Begegnis« Heideggers mit Bash »verstehend auslegen« läßt. Sie zeigt dabei, wie nahe und wie fern sich Denker und Dichter auf dem Bergpaß kommen. (3)

Denken und Dichten sind für Heidegger, der sich lange mit Gedichten Hölderlins und anderer Dichter beschäftigt hat, »nachbarliche« Wege. Dadurch sieht ihn Yoshiko Oshima »in die Ortschaft gewiesen, darin Bash auf seiner Wanderschaft des Dichtens steht und sich nun ausruht«.

Das Haiku hat Martin Heidegger in einer nicht mehr feststellbaren Fassung gekannt und so ausgelegt, »daß gerade in dem Augenblick, da die (Lebens-)Wanderschaft ihren höchsten Ort (den Bergpaß) erreicht hat und zur Ruhe kommt, eine Lerche erscheint (sichtbar oder hörbar wird).«

Beide Wanderer erleben das Bergpaß-Ereignis auf grundverschiedene Weise. Für Heidegger ist »Wanderschaft« nach seinen Worten »Heimkehr«. Auf dem Bergpaß sieht er sich am Ende der (Lebens-)Wanderschaft am Ziel angelangt. In diesem Augenblick – darüber ist er erstaunt – ist plötzlich eine Lerche wahrnehmbar, eine Lerche in der Sinngebung »›Lobvögele‹, welches, Gott lobend, in seine Nähe emporfl iegt«. (4)

Bash , der, so Oshima, »ein wenig außer Atem« den Bergpaß erreicht hat, ruht auf ihm aus. »Weit und breit ist Ruhe.« Gerade in diesem Augenblick hört er überraschend von unten eine Lerche zwitschern und wird »plötzlich gewahr«, daß er sich über der Lerche befi ndet. Darüber ist er »völlig in Erstau-nen versetzt«, sage man doch in Japan gewöhnlich: »Die Lerche zwitschert hoch oben am Himmel.«

Die Lerche, ohne symbolische Bedeutung in Japan, vermittelt Bash die Position, die er, unterwegs auf seiner Wanderschaft, auf dem Bergpaß gerade hat. Eine Position ohne »Zielsetzung«. »Bash geht«, wie bereits erwähnt, »von einem Ort zu einem anderen weiter über einen Paß, der, wie er notiert, ›von T nomine nach Ry mon führt‹«. An jedem Ort, wo er steht, in jedem Augenblick, da er, »vom Seienden angesprochen und darüber erstaunt« ein Haiku verfasse, erfahre er »je und jäh den höchsten Ort auf seiner Wanderschaft«.

Auf dem Weg des Denkens, dem Weg des Dichtens benachbart, ist Heidegger, in größtmöglicher Nähe zu Bash , oben auf dem Bergpaß angelangt, wo er

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»in der nächsten Nähe des Denkens zum Dichten« auf »›ein Anderes noch Ungesagtes‹« stößt. »Am erreichten höchsten Ort, dem Bergpaß«, so Yoshiko Oshima, »ist Ruhe, ›das Geläut der Stille‹, ›das Wesen der Sprache‹« und »möglicherweise ›die Sprache des Wesens‹«.

Bash gelangt darüber hinaus. Sprache, Artikulation ist ohne jede Bedeutung geworden. Der Dichter ist im Bereich des »›Mu‹, des ›ontologischen Nullpunkts‹«, auf dem »Nullpunkt der Nicht-Artikulation« angelangt, wo »alle wesentlichen Festlegungen der Einzeldinge« aufgelöst sind. Hier öffnet sich ihm »eine völlig neue Sicht der Welt«, eine völlig neue Sicht von Bergpaß und Lerche, »in der alle Dinge einander durchdringen«. (5) Die für wahr genommene Welt, das Ereignis auf dem Bergpaß, fällt mit der Welt, wie sie ist, in eins. In diesem Augenblick der »absoluten Freiheit der Artikulation« (5) ist Bash eine neue Freiheit des Artikulierens verfügbar.

2.Berge können sehr fern sein.

Issa, der 1763 geboren, kaum vierzehn Jahre alt, nach Edo gegangen ist, kehrt erst 1791 zum Besuch seines Vaters in die Heimat zurück. 1792 pilgert er für ihn, seinem Wunsch entsprechend, zum Haupttempel der Amida-Religion. Das ist der Beginn acht Jahre dauernder Wanderreisen.

1819 ist Issa »fest entschlossen«, zu einer »Asketen-Wanderung« aufzubre-chen. Nach »zwei, drei Meilen« wird ihm einiges klar. »Auf dem Weg, den ich mir vorgenommen hatte, wollte es denn auch gar nicht recht fl ott vorangehen.« Sich dieses Satzes in Bash s Reisetagebuch »Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland« erinnernd, schreibt er:

Ich mußte mich im Schatten eines Baumes ausruhen, rieb meine ausge-zehrten Beine und hielt Ausschau: jenseits des Berges, dort unterhalb jener Stelle, wo sich gerade eine Wolke herabgelassen hatte, vermutete ich mein Heimatdorf Kashiwabara, und fast absichtslos dichtete ich in meinem großen Trennungsschmerz:

Nicht daran denken?Nicht zurück zu meiner Heimat schauen?Aber kann ich denn anders …?

Issa bricht die Wanderung ab. (6) Wer weiß, ob er dabei das Bild seines Haiku vor Augen hat:

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Kleines Schnecklein, Du!Besteige hin ganz langsam,den Fuji-Berg!

Die Distanz zum Berg bleibt noch immer groß, wenn man erfährt, daß hier nicht vom berühmten Fujisan die Rede ist, sondern von einem kleinen aufgeschütteten, ebenfalls »Fuji« genannten Hügel in der Nähe des Edo-Stadtteils Asakusa, auf dem ein Shint -Schrein steht. (7)

3.Zweihundert Jahre etwa später hört ein Maler in Japan, der sich in die Berge zurückzieht, um zu malen, sich auszuruhen und über seine Kunst und den schöp-ferischen Akt nachzudenken, zu seinen Füßen plötzlich Lerchengezwitscher.

Wie sehr er auch ins Tal hinabspäht, er entdeckt nicht den Schatten einer Lerche. Es gibt nur den widerhallenden Schrei, diesen lebhaften unaufhörlichen Gesang, dieses Zwitschern ohne Atempause. Eine dieser Lerchen scheint sie zu sein, die sich »in das Unbegrenzte von Raum und Zeit« erheben, die, in extreme Höhen aufgestiegen, sich von treibenden Wolken davontragen lassen und dabei ihre Gestalt verlieren und von der im Himmel vielleicht nur ihr Gesang bleibt.

Die Melancholie ist die Begleiterin des Dichters, refl ektiert der Maler. Sei er aber in der Stimmung, die Lerche zu hören, gäbe es keine Spur von Leiden. Undwarum diese Abwesenheit von Leiden? »Weil ich diese Landschaft wie ein Bild betrachte und sie wie ein Gedicht lese.« Nähme man die Landschaft so wahr, wäre man nie versucht, »sich das Gelände anzueignen, es zu erschließen oder ein Vermögen zu machen, indem man darin eine Eisenbahnlinie legt«.

Diese gerafft nachskizzierte Szene fi ndet sich in »Oreiller d’herbes« (Kopfkissen aus Gräsern) von S seki, der das 1906 erschienene Buch »Haiku-Roman« nennt. (8) S seki (1867-1916) war Spezialist für englische Literatur, moderner Romancier, widmete sich phasenweise der Malerei und war Haikudichter. Besonders in späteren Jahren hat er, wie der Maler in »Oreiller d’herbes«, Haiku geschrieben, »um sich Momente der Erleichterung von der düsteren Welt des Streits zu verschaffen, die er als Romancier darstellte«. (9)

4.Sant ka (1882-1940) soll als allein reisender Bettelmönch nach eigenen Worten mehr als 28000 Meilen gewandert sein. Die ersten Pilgerreisen führten ihn zu zahlreichen Schreinen und Tempeln, um für die Ruhe seiner Mutter, die, geistes-

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getrübt, aus dem Leben geschieden war, zu beten. Spätere Reisen waren ohne Ziel.

Well, which way should I go? Nun gut, welchen Weg soll ich gehen?The wind blows. Der Wind weht.

Sant kas Wanderungen scheinen nicht uneigennützig. Er wandert, um frei zu sein. »Zu tun, was ich will, und nicht zu tun, was nicht – das ist der Grund, warum ich ein solches Leben anfi ng«, sagt er. Er hält es nicht länger als fünf Monate am selben Fleck aus. »Zu viel Kontakt mit Leuten«, schreibt er, »bringt Konfl ikte, Haß und Bindung. Um mich selbst von inneren Konfl ikten und Ver-haßtem zu befreien muß ich wandern.«

As muddy water fl ows Schmutziges Wasser wird klarerIt becomes clear. wäwäw hrend es fl ießt.

Ein Eintrag in sein letztes Tagebuch lautet: »Ich bin nichts anderes als ein Bettel-Mönch. Ihr könnt nichts über mich sagen, außer daß ich ein törichter Pilger bin, der sein ganzes Leben wandernd verbrachte, wie die Wasserpfl anzen, die von Ufer zu Ufer treiben. Es erscheint furchtbar, aber ich fi nde Glück in dieser mittellosen Person, stilles Leben. Wasser strömt, Wolken ziehen, während ich nirgendwo Halt mache oder mich niederlasse. Wenn der Wind weht, fallen die Blätter. Wie der Fisch, der schwimmt, oder der Vogel, der fl iegt, wandere ich und wandere und gehe immer weiter.«

Sant ka versuchte zeitweise, dem Sake das Wasser vorzuziehen. Wasser war für ihn Symbol seines Lebens und seiner Dichtung, Unkraut, wilde Gräser ver-sinnbildlichten die menschliche Existenz, die Berge die Welt Buddhas. »Wasser und wilde Gräser sind uns nahe, berühr- und verstehbar, Berge erscheinen geheimnisvoll, schwer zu begreifen.«

Wake itte mo wake itte mo aoi yama

Going deeper Gehen tieferAnd still deeper – Und immer tiefer –The green mountains Die grünen Berge

(Übersetzung der Sant ka-Haiku aus dem Englischen: M. Fitterer)

Obwohl die Berge undurchdringlich hoch und weit zu sein scheinen, taucht Sant ka tief in sie ein. »Die im Westen«, schreibt er, »lieben es, die Berge zu erobern, die im Osten, sie zu betrachten. Was mich betrifft, ich will die Berge schmecken.« (10)

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5.Manche deutschsprachigen Haikuautoren heute haben, wie Michael Donhauser bei seinen Fahrten mit dem Rad hinaus in die Landschaft, Bash im Rucksack. Peter Handke, der Nähe zu Bash bekundet, beschreibt sich als einen einzelnen Wanderer, am besten »zu Fuß oder mit dem Autobus, möglichst auf einer steinig kurvigen Landstraße, mit oder ohne Aussicht. Vielleicht kommt die Aussicht von der Innensicht.« Bei seinen Reisen sei er »fast immer allein« gewesen und habe sich »nie einsam gefühlt«. Er zitiert Bash »auf der Reise in den Hohen Norden«: »›Allein unter dem Himmel, das heißt zwei Wanderer.‹ Denn der Himmel zieht auch mit. So habe ich es erlebt.« (11)

»In der Eingangshalle von japanischen Zen-Tempeln befi ndet sich manchmal ein kleines hölzernes Brett mit der Inschrift: ›Sieh unter deine Füße.‹« So beginnt die »Kleine unwissenschaftliche Vorschrift zum Zen-Weg« in »Zen und Haiku«, 1997, von Günter Wohlfart. Der vollständige Titel lautet: »Zen und Haiku oder Mu in der Kunst HaiKühe zu hüten nebst anderen Texten für Nichts und wieder Nichts«. Im Vorwort bezeichnet der Autor die »im südfranzösischen Midi« entstandenen Texte als »Kentaurengeburten« und erklärt: »Jegliche entfernte Ähnlichkeit dieser ›HaiKühe‹ mit verrückten Versen aus dem Osten ist nur ein glücklicher Zufall«. (12)

Der Autor läßt uns einen Blick unter die Füße werfen: »Meistens aber sehen wir gerade das nicht, was unter den Füßen ist. Unter den Füßen ist der Weg.« Nichts Unbekanntes sei zu erkennen, »sondern das Allzubekannte. Es sei durch seine Alltäglichkeit verborgen, obwohl es offen vor unseren Augen liegt«.

Auf dieser Ebene liegen »Blöde Sprüche zu einer altchinesischen Bilder-geschichte«, die er unter dem Titel »Zen für Ochsen« zusammenfasst. Unter der Überschrift »Die Heimkehr auf dem Rücken des Ochsen« heißt es:

Ziel: spielendWegWegSein lassen

In »Zen und Haiku« werden der Zen-Weg, Begriffe wie Wahrheit, Erscheinungen, Leere und andere von verschiedenen Seiten beleuchtet und Verse präsentiert,»die sich bei dem naseweisen Versuch, die Dinge zu schmecken, so wie sie sind, tausendmal auf der Zungenspitze gewendet haben«.

Das in einem Haiku auftauchende »Vögele« läßt an die Lerche in S sekis »Haiku-Roman« denken. Von der Lerche bleibt hier nicht einmal Gesang übrig:

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Vögele

Wolkenspatzzwitschernleerer erscheint der HimmelMorgenlichtfl ittern

»Wolkenspatzzwitschern«: Wie eine geschlossene Wolkendecke hängt die erste Zeile über dem Haiku. Eher jedoch signalisiert sie eine Lerche, die ohne Pause in die Höhe jubiliert. Darauf deutet »Vögele«, die Überschrift. Die Römer nannten die Lerche »alauda«, von Abraham a Santa Clara mit »Lobvögele« übersetzt, ein Vogel, wie kein anderer »geneigt zum Lobe Gottes«. (4)

Der Titel »Lobvögele« gäbe dem Haiku eine religiöse Färbung. Der Autor will sie ausschließen und betont dies, indem er »Wolkenspatz« setzt, die japa-nische sinngebungsfreie Bezeichnung für Lerche. Mit dem Fragment »Vögele« (aus »Lobvögele«) ist eine Spur unseres Kulturhintergrundes gelegt, der zum japanischen sinnfreien Haiku kontrastiert und den Horizont weit öffnet.

In der zweiten Zeile hat sich die Situation verändert, sei es, daß die im ersten Eindruck gesehene Wolkendecke dem Licht gewichen ist, sei es, daß nach der Entfernung jeglicher Sinngebung nun auch noch der Gesang der Lerche und diese selbst verschwunden sind und nur noch »Morgenlichtfl ittern« bleibt. Aus dem akustischen Ereignis ist ein visuelles geworden.

6.Georg Jappe hat eine besondere Weise, Landschaft reisend zu erkunden. In seinem Reisetagebuch »Aufenthalte, ein Haibun«, 2005, sagt er einleitend: Im Unterschied zu klassischen Fußwanderungen durch Japan, »oft durch unwirt-liche Gegenden, von Tempel zu Tempel, von Freund zu Freund«, führe »ein heutiges Schritt-vor-Schritt« »nicht mehr fl ächendeckend von Platz zu Platz«, es sei »eher ein »Hüpfen von einem Trittstein zum andern, wie es in der Sprache des Vogelzugs heißt; von Inspirationsort zu Inspirationsort, von Freund zu Freund«. (13)

ein Tannenhäherauf der Antenne – Jahrtausendwende

In diesem Haiku sind die Berge ungenannt anwesend. Der Tannenhäher bewohnt, erläutert Jappe, »die obersten, einsamen Bergwälder. Wenn er tiefere

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Lagen aufsucht, wird es kalt – weshalb er der Landbevölkerung als verläßlicher Schönwetterprophet gilt.« (14)

Als Umfeld in »Aufenthalte« bezeichnet Georg Jappe »die prosaische Tätigkeit des ›Ornithopoeten‹«, der über Jahrzehnte Vogeltagebücher geführt hat. Vögel schließen ihm die Landschaft auf. Im Vogel »kann sich die ganze Landschaft kristallisieren, er ist ihr Ausdruck oder ihr Gedächtnis oder Bote fremder Räume«, schreibt Jappe in »Ornithopoesie« (15), 1994. Lebensräume von Vögeln werden bedroht. Auch die von Menschen. In »Aufenthalte« wird an einer Stelle gezeigt, wie Beschädigungen der Landschaft und zunehmende Immissionen den Reisenden in die Migranten-Rolle drängen können.

7.Roman York (1935-1996) ist aus der Peripherie der Großstadt wandernd weite Fußwege ins Umland gegangen. Wohl ebenso existentiell wie Gehen und Wandern hat er mechanische Fortbewegungsmittel, Auto und Zug, erfahren. Abschnittstitel wie »Probezüge«, »Loks«, »Trottoirs«, »Sandwege«, »Anschlußzüge«, usw. in »Glaswege«, 1993, und »Glasfelder«, 1998, geben Zeichen davon. Die beiden »kurzgedichte«-Editionen, die sich nach der Vorstellung des Autors »japanischen Vorbildern unterschiedlich weit nähern«, sind als Parallelbände konzipiert und haben ein breites Spektrum: Zivilisation, Sozialkritik, Dialekt und Fremdsprachliches, Konkrete Poesie, Märchenmotive, und andere. (16, 17)

Beiden Bänden sind Zitate aus dem Grimmschen Märchen »Die sieben Raben« als Motto vorangestellt.

›Was sollte es nun anfangen?Seine Brüder wollte es errettenund hatte keinen Schlüsselzum Glasberg.‹

ist Motto zu »Glaswege«, die mit dem Text enden:

in die wand steigen.sich einkrallen, warten auf das licht dahinter

BERGSCHATTEN

Roman York hat Berge innen und außen erkundet.

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mit tastendem licht das tal gefl utetnachts fahren – tunnelwände mit schwarzem lichtaus splitterndem licht scheinwerfer betasten den berg

NACHTFAHRT

Weniger undurchdringlich als diese Berge mag dem in Berlin Geborenen eine andere Gegend gewesen sein:

neben mir fahrenhänsel & gretel lächelndins dickicht der stadt

KNUSPERHÄUSCHEN

Vielleicht fahren sie nach Berlin, wo es sich in aller Muße umherwandeln läße umherwandeln läße umherwandeln l t oder fl anieren mit Uli Becker in seinen »Asphalthaiku«: »Fallende Groschen« (18):

Durch die Stadt fl anieren,wie der dümmste Bauer tun:Plötzlich alles neu!

Die Haiku spielen im Häusermeer einer Großstadt, fast ohne Aussicht, so daß nicht verwundert, wenn er ausruft:

Weist mir den Fluchtweg,in der Wanne die Rostspur:Dem offnen Meer zu!

8.Der Maler in S sekis Haiku-Roman hatte unterwegs in die Berge Ausblicke aufs Meer. Für Odysseus war es existentiell. Das Meer hat eine Stimme, die den, der es wie D.I. Antoniou vergessen will, zurückruft.

Στο βουνο πηγα Den Berg stieg ich hinaufξεχνωντας τη θαλασσα das Meer vergessendμα αυτος που φύsηξe aber er – er wehteφερνοντας τη φωνη σου. und brachte deine Stimme mit.παλι πικροθαλασσα! wieder Bittermeer!

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D.I. Antoniou, 1906 geboren, hatte in jungen Jahren lange Seereisen unter-nommen. Musik und Meer sind Hauptthemen seiner Dichtung. Als seine letzte Veröffentlichung nennt die »Geschichte der neugriechischen Literatur« von Linus Politis (19) die 1972 erschienene Sammlung »XAI-KAI KAI TANKA«, aus der das zitierte Tanka stammt. (20)

Του Σταυρου τ’αστρα’αστρα’ Das Sternbild des Stiersκι οι αλµπατρος µας µας ζι µουζι µουζ und die Albatrosse mit mirστον καβο Φριο.Φριο.Φ am Kap Prio.

(Übersetzung der Antoniou-Texte aus dem Griechischen: M. Fitterer)

D.I. Antoniou »ist ›der Seemann und Freund‹, von dem Seferis mit soviel Sympathie spricht […] und in seiner Dichtung kommt weniger das gewöhnliche Heimweh des Seemanns zum Ausdruck als vielmehr die meditative Konzentration der Gedanken eines einsamen Menschen auf den endlosen Fahrten über das Meer.« (19)

Auch »Stratis Thalassinos« wollte, als er sich als Jugendlicher auf einem Hügel in ein Mädchen verliebt, das Meer vergessen. Wenig später starb das Mädchen, und er »ging auf der Stelle und kehrte zum Meer zurück«, heißt es in »Stratis der Seemann beschreibt einen Menschen«, einem Gedicht in fünf Teilen von Giorgos Seferis. Das Gedicht und »Sechzehn Haiku« fi nden sich in »Übungsheft«, 1940. »Stratis der Seemann« ist Teil des Dichters, doch nicht autobiographisch. (21)

IB’ 12Αγονος γραμμη. Unrentable Linie

Το δοιακι τι εχei; Was ist am Ruder?Н βαρκα γραφει κυκλους Unser Boot beschreibt Kreiseκι’ουτε ενας γλαρος. und nirgends Möwen.

Giorgos Seferis (1900-1971), Jurist, Diplomat, der als der wichtigste Erneuerer der neugriechischen Sprache gilt und 1963 den Literaturnobelpreis erhielt, wurde »1914 von den Türken mit seinen Eltern aus Smyrna vertrieben, 1922 verbrennt dort sein Geburtshaus bei der Griechenverfolgung, 1941 fl ieht er vor den Deutschen aus Athen«. (22)

Giorgos Seferis sah sich und seine Gefährten als »die Argonauten« der Moderne. Das Wesentliche des gleichnamigen Gedichts, in dem persönliches Schicksal und das seines Volkes, von Verfolgung, Flucht und Verbannung gepei-nigt, verknüpft sind, ist in das zitierte 12. Haiku verdichtet. Es heißt dort:

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Doch die Fahrten nahmen kein Ende.Ihre Seelen wurden eins mit den Riemen und Laschenmit dem ernsten Antlitz des Bugsmit der Furche hinter dem Rudermit dem Wasser das ihr Antlitz in Stücke brach. (22)

Da verschiedene Akzente nicht zur Verfügung standen, wurde bei den griechischen Texten einheitlich auf Akzentsetzung verzichtet. Übersetzung der griechischen Haiku von Giorgos Seferis ins Deutsche von Günter Dietz. Die übrigen Übersetzungen aus dem Griechischen stammen von Mario Fitterer.

Anmerkungen / Literaturhinweise:(1) Maurice Coyaud: Fourmis sans ombre, Le livre du haïku, Anthologie-promenadeïku, Anthologie-promenadeï . 312 p.,

Paris: Phébus, 1978.(2) Matsuo Bash : Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland. Aus dem Japanischen übertragen

sowie mit einer Einführung und Annotationen versehen von G.S. Dombrady. 334 S., Mainz: Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, 1985.

(3) Yoshiko Oshima: Nähe und Ferne. Heideggers Begegnis mit Bash . In: »Nähe und Ferne – mit Heidegger unterwegs zum Zen«. 88 S., Würzburg: Königshausen & Neumann, 1998.

(4) Yoshiko Oshima führt in ihrer Schrift aus, daß Heidegger die Lerche zuerst in »Der Feld-weg«, 1949, erwähnt. Auch in seinem Vortrag »Über Abraham a Santa Clara«, 1964, ist von der Lerche die Rede. Abraham a Santa Clara übersetzte »das ursprünglich keltische Wort alauda« mit »Lobvögele« und sah es: »umweilen keines aus der gefi ederten und gefl ügelten Zunft als geneigt zum Lob Gottes wie die Lerche«.

(5) Yoshiko Oshima bezieht sich in einer Fußnote auf: Toshihiko Izutsu: Philosophie des Zen-Buddhismus. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1979, S. 95.

(6) Issa: Mein Frühling. Übertragung aus dem Japanischen von G.S. Dombrady. 192 S., Zürich: Manesse, 1983.

(7) Issa: Übersetzung mit Kommentar und Nachdichtung Deutscher Dichter und Japanischen Scherenschnitten. Hrsg. von Hachir Sakanishi, unter Mitarbeit von Sh z Miyawaki und Horst Hammitzsch. 164 S., Nagano: Shinano Mainichi Shimbun, 1981.

(8) Natsume S seki: Oreiller d’herbes. Traduit du japonais par René de Ceccatty et Ry ji Nakamura. 169 S., Paris: Éditions Rivages, 1987.

Wandern und Wege aus Sicht japanischer und europäischer Haikuautoren

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(9) Makomoto Ueda (Hg.): Modern Japanese Haiku. An Anthology, compiled, translated, with an introduction by Makoto Ueda. Toronto & Buffalo: Univ. of Toronto Press, 1976.

(10) Mountain Tasting. Zen Haiku by Sant ka Taneda. Translated and introduced by John Stevens. 126 S., New York & T ky : Weatherhill, 1991.

(11) Geglückte Tage, unterwegs. »IM GESPRÄCH: Peter Handke erzählt von Reisen allein, von Nomaden und Nesträubern« am 21.10.2005 in »FREITAG 42«.

(12) Günter Wohlfart: Zen und Haiku oder Mu in der Kunst HaiKüZen und Haiku oder Mu in der Kunst HaiKüZen und Haiku oder Mu in der Kunst HaiK he zu hüten nebst anderen Texten füTexten füTexten f r Nichts und wieder Nichts.r Nichts und wieder Nichts.r 181 S., Stuttgart: Philipp Reclam jun., 1997.

(13) Georg Jappe: Aufenthalte – ein Haibun. 192 S., Köln: Matto Verlag, 2005. Hardcover, Vierfarbdruck, Fadenheftung, Format 23,5 x 17,5 cm.

(14) Das mit einem Kommentar bei »The World Haiku Contest«, 1989, eingereichte Haiku erhielt einen »Special Prize«. Es ist enthalten in: Georg Jappe: Handexemplar – ein Konvolut Haiku. 180 S., Münster: Kleinheinrich, 1993.

(15) Georg Jappe: Ornithopoesie. Literaturbüro Detmold, 1994.(16) Roman York: Glaswege, kurzgedichte, axis 1. 118 S., Freiburg i.Br.: verlag dieter

holz, 1993.(17) Roman York: Glasfelder, kurzgedichte. Nachwort von Georg Jappe, begleit-sätze von

Mario Fitterer. 143 S., Biederbach: Mafora, 1998.(18) Uli Becker: Fallende Groschen, Asphalthaiku. Illustriert von Henning Wagenbreth.

Augsburg: Maro Verlag, 1993.(19) Linos Politis: Geschichte der neugriechischen Literatur. Übers. von Eleonore Bung und

Stathis Maniatis. Köln, 1984.(20) ∆.Ι. ΑΝΤΩΝΙΟΥ, ΧΑΙ-ΚΑΙ ΚΑΙ ΤΑΝΚΑ, 76 σ., ΕΡΜНΣ, ΑΘΗΝΗ, 1981. D.I. Antoniou: CHAI-KAI UND TANKA. 76 S., Athen: Hermes, 1981.(21) Giorgos Seferis: Sechzehn Haikus. Stratis der Seemann, Aus dem Übungsheft. Aus-

gewählt und übersetzt von Günter Dietz, hrsg. von Roswitha Th. Hlawatsch und Horst G. Heiderhoff. 71 S., Waldbrunn: Horst Heiderhoff Verlag, 1983.

(22) Giorgos Seferis: Poesie. Griechisch und Deutsch. Übertragung und Nachwort von Christian Enzensberger. 97 S., Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1987.

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Angelika WienertDie Haikupoetin Sugita Hisajo… eine Nora war sie nicht

Am 30. Mai des Jahres 1890 wird in Kagoshima, Ky sh , ein Mädchen geboren, das den Namen Akabori Hisa trägt und die dritte Tochter der

Eheleute Akabori ist. Bedingt durch den Beruf des Vaters, eines Regierungsbeam-ten, zieht die Familie nach Okinawa und Formosa (heute Taiwan) um. Akabori Renzo und seine Frau Sayo, die als Ikebanameisterin Anerkennung erfährt, legen großen Wert auf die Ausbildung ihrer Kinder – auch, ungewöhnlich für diese Zeit, auf die ihrer Töchter. (Bender/Yachimoto: Echoes Over Hills; Ueda: Far Beyond the Field, Seite 85)

1909, kurz nach ihrem Examen an der Ocha-no-Mizu Women`s High School, heiratet Akabori Hisa den Kunstlehrer und Maler Sugita Unai, Sohn eines Großgrundbesitzers. Bald darauf werden zwei Töchter geboren. Eine der beiden wird als erwachsene Frau äußern, dass ihre Eltern völlig gegensätzlich gewesen seien. Die junge Familie lebt in Ky sh , wo Sugita Unai über vierzig Jahre lang als Lehrer arbeiten wird. (Echoes Over Hills)

Ein älterer Bruder führt Sugita Hisajo, die Takahama Kyoshi (1874-1959), Haikudichter und ab 1898 Herausgeber des Magazins Hototogisu, bewundert, 1915 oder 1916 (die Angaben in der Literatur sind widersprüchlich) in die Kunst der Haikudichtung ein. So erfolgreich auch die Einarbeitung in diese Form der Poesie verläuft, so deprimierend sind ihr Alltag, ihre Ehe. (Ueda, ebd.)

hoku no ware jibo taru ware ya natsu yasenu

haiku poet, Haikudichterin,caring mother – sorgende Mutter –this summer I`m a wreck in diesem Sommer ein Wrack

(in: Ueda, Seite 90) (Übersetzung: AW)

Sie erwägt eine Ehescheidung, verbringt kurz nach dem Tod ihres Vaters über ein Jahr bei ihrer Mutter und muss sich 1920 wegen einer Nierenerkrankung in Tokio behandeln lassen. Als ihre Mutter Sayo, die unter dem Unglück ihrer Tochter leidet, Sugita Unai um das Einverständnis zu einer Trennung bittet, lehnt dieser ab und Sugita Hisajo beschließt, sich wegen ihrer Kinder in die unge-

AUFSÄTZE UND ESSAYS

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liebte Rolle einer in Abhängigkeit lebenden Hausfrau zu fügen. Dies, obwohl sie doch eigentlich eine Intellektuelle ist, Visionen hat, innovativ denkt. Wie viele gebildete Frauen ihrer Zeit in Japan, hat auch sie Ibsens »Ein Puppenheim« gelesen und sich in die Hauptperson des Stückes, Nora, hineinversetzt, sich mit ihr, der es gelang, sich aus gesellschaftlichen Fesseln zu lösen, verglichen. Eben jener Nora, die Ibsen im dritten Akt seines Schauspiels sagen lässt: »Ich muß versuchen, mich selbst zu erziehen. Und du bist nicht der Mann, mir dabei zu helfen. Das muß ich allein schaffen. Und darum geh` ich jetzt weg von dir … Ich muß ganz auf meinen eigenen Füßen stehen … muß versuchen, Erfahrungen zu sammeln …« Dem Ehemann, der sie daran erinnert, dass sie in erster Linie Frau und Mutter sei, ruft Nora entgegen, dass sie dies nicht glaube, in erster Linie sei sie ein Mensch. (Ibsen: Ein Puppenheim. Seite 102 f.; Echoes Over Hills)

tabi tsugu ya Nora to mo narazu kytabi tsugu ya Nora to mo narazu ky shizuma

she mends socks Sie stopft Sockennot quite a Nora keine Norathis teacher`s wife diese Frau des Lehrers

(in: Ueda, Seite 93) (Übersetzung: AW)

Der christliche Glaube spricht die mit ihrem Leben Unzufriedene an, sie kon-vertiert, wird Methodistin und engagiert sich mehrere Jahre in diesem Bereich. (Ueda, Seite 85 f.)

baiburu wo yomu sabishisa yo hana no ame

reading the Bible In der Bibel lesen.this loneliness – Diese Einsamkeit –rain on the blossoms Regen auf den Blüten

(in: Ueda, Seite 89) (Übersetzung: AW)

Schreibt sie zuerst auch Novellen und Tanka, so spezialisiert sich Sugita Hisajo dann auf das Genre Haiku und sie hat schnell den Ruf, dass ihr Themenbereich weit gefächert sei. (Yutaka, 1999)

gikyoko yomu fuyu yo no shokki tsukeshi mama

reading a play Ein Schauspiel lesendishes left in the sink Geschirr bleibt in der Spülethis winter night diese Winternacht

(in: Ueda, Seite 93) (Übersetzung: AW)

Die Haikupoetin Sugita Hisajo

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hi ni n te ko ni oshiyuru ji aki no ame

sewing in the lamplight Nähend im Lampenlicht I teach spelling to my child – mit dem Kind buchstabieren –autumn rain Herbstregen

(in: Ueda, Seite 92) (Übersetzung: AW)

tokonatsu no aoki shio abi waga sodatsu

I grew up Ich wuchs aufbathing in the emerald sea badend im Smaragdmeerof everlasting summers ewiger Sommer

(Übersetzung: Eiko Yachimoto) (Übersetzung: AW)

Takahama Kyoshi, der durch das renommierte Magazin Hototogisu auch Auto-rinnen fördern will, die Rubrik »Küchenlieder« speziell für Frauen eingerichtet hat, erkennt schnell Sugita Hisajos Talent. (Echoes Over Hills)

hanagoromo nugu ya matsuwaru himo iroiro

Slowly undressing Sich entkleidenafter seeing the blossoms – nach dem Blütenfest –rainbow sashes cling. all die Regenbogenschärpen

(Übersetzung: Nakamura Yutaka) (Übersetzung: AW)

Zur Erklärung dieses Haiku sei angemerkt, dass es in Japan Brauch ist, im April die Kirschblüten in Parks und Tempelgärten zu bewundern, ja zu feiern (hana-mi). Frauen kleiden sich zu diesem Anlass gern traditionell, tragen einen hana-goromo (spezieller Kimono). (Yotsuya)

Zum klassischen Kimono gehören sieben Schärpen und Schnüre von unter-schiedlicher Breite und Farbe. 1928 schreibt Sugita Hisajo über dieses Haiku, dass es für eine Frau zwar lästig sei, all die vielen Schnüre zu lösen, da sie nach den Veranstaltungen erschöpft sei, sie aber auf der anderen Seite so ganz für sich allein die Farbenpracht der sonst verborgenen Kleidung genießen könne. (Yutaka)

Kyoshi schätzt dieses Haiku sehr, spricht davon, dass das Weibliche dieses Textes von keinem Mann imitiert werden könne. (Ueda, Seite 89)

Ab 1931 beginnt für Hisajo auf dem Gebiet der Haikupoesie eine beson-ders erfolgreiche Zeit. Sie gewinnt Wettbewerbe, arbeitet für Hototogisu und

Die Haikupoetin Sugita Hisajo

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gründet 1932 ihr eigenes Haiku-Magazin Hanagoromo. Als Mitglied des elitären Kreises um Kyoshi und aufgrund ihrer literarischen Erfahrung gelangt sie zu einer führenden Rolle unter den Autorinnen. Hashimoto Takako (1899-1963), die durch Hisajo gefördert wurde, wird bei Hanagoromo veröffentlicht, was wesentlich zu ihrem literarischen Durchbruch beiträgt. (Echoes Over Hills; Bender/Yachimoto: Toward the Starry Sky; Ueda, Seite 97 ff.)

Vier Jahre später, im Oktober 1936, ereignet sich Seltsames. Aus unerfi nd-lichen Gründen wird Sugita Hisajo zusammen mit zwei anderen Dichterinnen, Hino Sojo und Yoshioka Zenjido, aus der Hototogisu-Gruppe um Kyoshi ausge-schlossen. Fühlt sich der Bewahrer Kyoshi durch Hisajos literarische Experimente vor den Kopf gestoßen? Gibt es zwischen ihr und Kyoshi private Verstimmungen? Liegen möglicherweise ganz einfach Missverständnisse vor? (Echoes Over Hills) Jedermann hat eine Erklärung für den Ausschluss der beiden anderen Dichte-rinnen, sind diese doch Kritikerinnen Kyoshis. Niemand aber versteht, warum Hisajo, die stets loyal ist, ja Kyoshi verehrt, dieses Schicksal trifft. (Ueda, Seite 86). Später wird vermutet, dass ihr eine Portion Egoismus, die Neigung zu Prahlerei und extremen Verhaltensweisen eigen gewesen seien. (Echoes Over Hills) David McMurray sieht die Erklärung eher in den feministischen Ansichten Sugita Hisajos, die Kyoshi trotz ihres Talentes als destabilisierenden Faktor verstanden haben mag. (McMurray, 2003)

So hoch ihr Aufstieg war, so tief wird nun der Fall. Sie gehört der Hoto-togisu-Gruppe nicht mehr an, ihr Magazin Hanagoromo existiert nicht mehr, und es kommt noch schlimmer. Kyoshi weigert sich, die Einleitung zu Hisajos neuer Haiku-Sammlung zu schreiben. Für die tief gekränkte Autorin macht eine Veröffentlichung ohne Vorwort ihres Idols keinen Sinn. (Echoes Over Hills)

Der Zweite Weltkrieg bricht aus und auch Japan leidet unter Luftangriffen. Isoliert von der Gemeinschaft der Haikuautoren, muss Hisajo ihre Ehekrisen, die Belastungen der Kriegszeit ertragen. Ihr Nierenleiden verstärkt sich, sie wird depressiv. Im Herbst 1945, zwei Monate nach Kriegsende, wird sie in eine Klinik eingewiesen. Es kursieren Gerüchte, dass sie schizophren sei, andere meinen, es handele sich um depressive Verstimmungen, die mit der Menopause einhergehen. Die Ernährungslage in diesen Nachkriegsjahren ist denkbar schlecht und verstärkt ihre organischen Probleme. Sugita Hisajo stirbt am 21. Januar 1946. Begraben wird sie in einer Grabstätte der Familie ihres Mannes, ein Teil ihrer Gebeine wird aber elf Jahre später in der Provinz Shinano (heute Nagano), wo die Vorfahren der Familie Akabori eine Grabstätte besitzen, als Ehrung dieser Familie dort beigesetzt. (Echoes Over Hills)

Die Haikupoetin Sugita Hisajo

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1952, sechs Jahre nach ihrem Tod, schreibt und veröffentlicht Kyoshi die Novelle Kuniko no tegami (Briefe von Kuniko). Kenner meinen, dass der Inhalt durch den Briefwechsel zwischen Kyoshi und Hisajo inspiriert sei. Die älteste Tochter Hisajos wendet sich schriftlich an Kyoshi, bittet ihn, die Haiku ihrer Mutter zu veröffentlichen und durch ein Vorwort zu ehren, was dann auch so geschieht. (Echoes Over Hills)

Sugita Hisajos Leben war geprägt durch Erfolge und Krisen, ein ständiges Wechselbad der Gefühle. Die Verdienste, die sie durch die literarische Förderung von Frauen erwarb, sind bis heute unbestritten. (McMurray, ebd.)

ch te haruyama fukaku mayoikeri

chasing a butterfl y Einem Falter hinterher –deep into the spring woods tief im FrühlingswaldI am lost bin ich verloren

(in: Ueda, Seite 96) (Übersetzung: AW)

Literatur:Bender, Debra Woolard / Yachimoto, Eiko: Echoes Over Hills – the haiku of Sugita Hisajo.

In: World Haiku Review, Vol. 1, Issue 3: November 2001 http://www.worldhaikureview.org/1-3/womenpoets.shtmlBender, Debra Woolard / Yachimoto, Eiko: Toward the Starry Sky – the haiku of Hashimoto

Takako. In: World Haiku Review, Vol. 2, Issue 1: March 2002 http://www.worldhaikureview.org/2-1/womenpoets.shtml Ibsen, Henrik: Ein Puppenheim. Schauspiel. Frankfurt a.M.: Insel-Verlag, 1978McMurray, David: Haiku Composed in Kagoshima. 2003 http://www.synapse.ne.jp/~update/whatup/back/haiku.htmlUeda, Makoto: Far Beyond the Field. Haiku by Japanese Women. New York: CUP, 2003 http://www.columbia.edu/cu/cup/catalog/data/023112/0231128622.HTMYachimoto, Eiko: Haiku by Sugita Hisajo. Selected, classifi ed and translated by Eiko Yach-

imoto. In: World Haiku Review, Vol. 1. Issue 3, November 2001 http://www.worldhaikureview.org/1-3/womenpoets.shtmlYotsuya, Ryu: Hisajo Sugita (1890-1946). In: Mushimegane. History of Haiku. 10 haikuists

and their work. Chapter 8. http://www.big.or.jp/~loupe/links/ehisto/ehisajo.shtmlYutaka, Nakamura: Haiku and Nature. In: Nipponia, No. 8, 1999 http://web-japan.org/nipponia/nipponia8/haiku.html

Auf www.Haiku-heute.de am 10.8.2005 erstmals veröffentlicht. Alle Rechte bei den Autoren.

Die Haikupoetin Sugita Hisajo

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Auf Bash s SpurenHaruo Shirane im Gespräch mit Udo Wenzel

Udo Wenzel: Bash s Geburtstag jährte sich im Jahr 2004 zum 360sten mal, sein Todestag zum 310ten mal. In Japan wurde dieser Tag mit vielen Ver-anstaltungen zelebriert. Welche Bedeutung hat Bash heutzutage noch füheutzutage noch füheutzutage noch f r das japanische Haiku?

Haruo Shirane: Ich denke, Bash ist sehr wichtig für das japanische Haiku. Nicht nur weil er ein Leitbild für die Dichtung ist, er ist auch ein kulturelles Leitbild. Das heißt, seine Lebensführung, seine Reisen, seine Philosophie, sein Mythos – all das ist wichtig und war sehr einfl ussreich für nachfolgende Dichter, auch für die heute in Japan lebenden.

Udo Wenzel: In den meisten Biografi en über Bash wird erwäwird erwäwird erw hnt, dass er ein Laienmönch des Zen war. Bei der Lektüre Ihres Buches über Bash , Traces of Dreams, fi el mir auf, dass Sie das unerwä fi el mir auf, dass Sie das unerwä fi el mir auf, dass Sie das unerw hnt lassen. Denken Sie, dass dieser Punkt zum Verstädieser Punkt zum Verstädieser Punkt zum Verst ndnis seiner Dichtung unwichtig ist? Wollten Sie dem Publikum einen anderen Bash vorstellen, einen Bash ohne den Mythos des Zen?

Haruo Shirane: Ob er ein Laienmönch des Zen war, ist unklar. Offensichtlich ist, dass er Kontakt mit dem Zenbuddhismus hatte. Ebenso hatte er Kontakt mit anderen Formen des Buddhismus, auch mit dem Shint . Er war von vielen Quellen beeinfl usst, Zen ist nur eine davon. Da im Westen Bash s Beziehung zum Zen überbetont wurde, dachte ich, es wäre besser sie nicht hervorzuheben. Es ist nicht so wichtig, das Gewicht auf den Zenbuddhismus zu legen, sondern vielmehr auf die in Japan traditionell begründete Nähe zur Natur (Shint ) und auch auf das Nicht-Selbst, das dem Dichter erlaubt, eins zu werden mit seinem Gegenstand. Dies sind Dinge, die Bash betonte, obgleich er nie Zen-Ausdrücke verwendete. Diese Verbindung zwischen Dichter und Gegenstand erlaubte es dem Poeten über seine Umgebung zu schreiben, ohne dass ihm sein Selbst oder Ego im Wege steht. Liest man Bash s Reisetagebücher, erkennt man, dass er an die lokalen Gottheiten glaubte, manchmal an die Shint -Götter, manchmal an die buddhistischen. Er empfand eine gewisse Ehrfurcht gegenüber der Natur oder auch gegen-

INTERVIEW

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über Orten, beispielsweise als er den Ry shakuji-shakuji-shakuji Tempel (einen Bergtempel) besuchte oder den Hiraizumi in »Schmaler Pfad ins Hinterland« Hiraizumi in »Schmaler Pfad ins Hinterland« Hiraizumi (Oku no hosomichi).hosomichi).hosomichi Über diese Ehrfurcht schreibt er und drückt sie in seiner Dichtung aus. Das ist wichtiger als der Begriff des Zenbuddhismus. Fast alle Japaner sind polytheistisch und die lokalen Gottheiten oder Kami sind sehr wichtig.

Udo Wenzel: Der Titel Ihres Buches über Bash lautet Traces of Dreams: »Spuren der Träume«. Ist »Träumen« ein wesentlicher Begriff in Bash s Dichtung? Welche Bedeutung hat er?

Haruo Shirane: Den Titel entlehnte ich dem bekanntesten Gedicht aus Oku no hosomichi (Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland):no hosomichi (Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland):no hosomichi natsukusa ya tsa-monodomo no yume no ato. »Sommergras – / Spuren der Träume / alter Krieger.« Ich betrachte dieses Haiku als repräsentativ für den gesamten Text und für vieles in Bash s Dichtung, weil es zwei Landschaften zur selben Zeit darstellt: die gegenwärtige Landschaft, das Sommergras vor den Augen des Reisenden, und die vergangene Landschaft, das Schlachtfeld, auf dem viele Krieger in einem sinnlosen Kampf ihr Leben verloren haben. Das Wort »Traum« ist wichtig, weil es auf die fl üchtige Natur des menschlichen Lebens hindeutet. Zugleich ist es ein Traum von der Vergangenheit, der das Leben historischer Personen wieder erleben lässt, somit die Zeit transzendiert und ihnen mit Hilfe von Dichtung und Angedenken Wiederanerkennung gewährt. Dichtung, insbesondere das Haiku, hat diese Kraft das Flüchtige und die Vergangenheit einzufangen, und in diesem Fall überlagert sich beides. Der »Traum« deutet gleichzeitig den Traum des Waki an, ein WandermWaki an, ein WandermWaki önch aus einem N -Stück. Dieser kommt zu einem Ort, an dem er von der Ver-gangenheit und den Geistern der Toten träumt, die ihm von ihren ehemali-gen Leiden, Hoffnungen und Anhaftungen erzählen. Daraufhin spricht der Wandermönch ein Gebet, um die Seelen der Toten zu trösten. Das Gedicht ist eine Art Andacht für die Geister der Verstorbenen, die hier ihre Leben vergebens verloren haben. Das sind für mich ganz bedeutsame Momente in Bash s Lebenslauf und in seinem dichterischen Werk.

Udo Wenzel: Somit kann man sagen, dass Bash kein reiner Naturdichter war, sondern jemand, der die Nähe zur Natur wertschätzte, zugleich aber auch ein ausgeprägtes Bewusstsein von den kulturellen Bedeutungen der Land-schaften besaß. Hatte er auch ein Gespür dafür dafür daf r, wenn sich Landschaften zum Stereotyp entwickelt hatten? Als er auf einer Reise endlich vor einer der »heiligen« Landschaften Japans, dem Fuji steht, dichtet er: kirishigure Fuji

Haruo Shirane im Gespräch mit Udo Wenzel

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o minu hi zo omoshiroki (Nebliger kalter Herbstregen / der Fuji war heut‘ nicht zu sehen – / wie interessant …1).

Haruo Shirane: Ja, ich stimme mit Ihnen überein, dass Bash gegen poetische Klischees und kulturelle Stereotypen angearbeitet und angespielt hat, wie es das Gedicht nahelegt, das Sie zitieren. Eine der wichtigsten Charakte-ristiken der haikai-Dichtung, oder dessen, was ich haikai-Dichtung, oder dessen, was ich haikai »haikai-Geist« nenne, »haikai-Geist« nenne, »haikaiwar das Bewusstsein von den geläufi gen Assoziationen der Dichtung, und das Bedürfnis, diese zu relativieren und kritisch zu behandeln, oftmals auf humoristische Weise. Das ist einer der Punkte, worin sich das haikai vom haikai vom haikaiRenga (der konventionellen Kettendichtung) und vom waka (der klassischen waka (der klassischen wakaDichtung) unterscheidet: das Bedürfnis zu bereits bestehenden Assoziationen oder poetischen Klischees neue Vorstellungen und Blickwinkel zu entwi-ckeln. Ich denke, ein wichtiges Merkmal des modernen Haiku ist, dass es uns erlaubt (oder erlauben sollte), die Welt auf andere Weise, mit neuen Augen zu sehen.

Udo Wenzel: Sie schreiben in Traces of Dreams: »Reisen bedeutete die stetige Anstrengung, neue Gegenden und Sprachen zu entdecken, aber auch die fortwährende Suche nach neuen Sichtweisen auf Natur, Jahreszeiten und Landschaft, den Trägern von Poesie und kulturellem Gedächtnis.« 2 Haiku-2 Haiku-2

Schreiber unterscheiden häufi g zwischen dem Stil Bash s, dem Stil Busons oder dem Stil Issas und gehen dabei von der Annahme aus, dass die Dichter einen einheitlichen Stil entwickelt haben. Gibt es solche homogenen Stile überhaupt?

Haruo Shirane: Bash hatte nicht nur einen dichterischen Stil. In diesem Sinne war er weder homogen noch einheitlich. Er wechselte die Stile. Z.B. benutzte er in seinen frühen Arbeiten einen chinesischen Stil mit vielen chinesischen Schriftzeichen, einer chinesischen Bildwelt und chinesischer Syntax. Im Gegensatz dazu verwendete er gegen Ende seines Schaffens einen ganz leichten, an der Umgangssprache ausgerichteten Stil, der versuchte, das

Haruo Shirane im Gespräch mit Udo Wenzel

1 Übersetzung von Robert F. Wittkamp aus: Die Antilandschaft bei Bash . Ergänzungen zur Kritik am postmodernen Landschaftsbegriff. Zuerst erschienen in: Die Deutsche Literatur (Doitsu bungaku) 48. S. 107-126.

2 Haruo Shirane: Traces of Dreams, S. 286; Übersetzung: Gerhard P. Peringer.

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Empfi nden des Alltaglebens der Bürger zu vermitteln. Ich kann dafür keine Beispiele in englischer Sprache geben, weil es sich nicht gut übersetzen lässt. Andererseits ist es aus einer sehr weiten Perspektive ziemlich leicht den Stil Bash s von dem eines Buson oder Issa zu unterscheiden. Das hat in erster Linie zu tun mit Thematik und Gesinnung. Beispielsweise verwen-det Buson eine große Anzahl klassischer Wörter und chinesischer Wörter. Die Art und Weise, wie er Welten und Szenen imaginiert, die niemals in der Realität existierten, zeigt, dass er sehr viel von einem Romantiker hat. Mehrere seiner Gedichte beziehen sich auf die Zeit des Altertums oder des Mittelalters, Jahrhunderte, bevor er geboren wurde. Nicht so Bash , der über die Gegenwart schreibt. Auch wenn er über die Vergangenheit schreibt, tut er es immer aus dem Blickwinkel der Gegenwart.

Buson beginnt häufi g in der Vergangenheit und verbleibt dort. Issa richtet seine Aufmerksamkeit ebenfalls auf die Gegenwart. Der Unterschied zu Issa ist, dass dieser stärker auf weltliche und humorvolle Angelegenheiten fokus-siert: auf kleine Lebewesen, wie Fliegen, Frösche, Kleintiere und Vögel, auch auf Kinder. Bash macht das im Allgemeinen nicht. Sowohl Bash als auch Issa verwenden einen alltagssprachlichen Stil, aber mit vollkommen unter-schiedlichen Absichten. Bash ist viel mehr geistig orientiert, Issa dagegen eher derber und weltlicher. Shiki wiederum ist ein moderner Dichter, weshalb auch seine Sprache tendenziell moderner ist. Solche Unterschiede gehen bei der Übersetzung verloren. Wesentlich ist, dass Gehalt und Gesinnung verschieden sind.

Udo Wenzel: Wie Sie schreiben, sind bei der Betrachtung von Bash s haikai-Dichtung zwei Achsen zu berücksichtigen. Die erste, horizontale Achse ist gegenwartsbezogen und betrifft das unmittelbare Erleben. Die andere, vertikale, ist in die Vergangenheit gerichtet und knüpft an frühere Dichtkunst an. Wie aber kann man sich das vorstellen? Entsteht ein haikai-Gedicht nicht spontan? War Bash die frühe chinesische und japanische Literatur dermaßen präsent, dass diese an den jeweiligen Aufenthaltsorten mit dem eigenen Erleben und der eigenen Dichtung verschmolz, oder entstand seine Dichtung als »Kopfgeburt«, als Ergebnis langen Nachdenkens?

Haruo Shirane: Sie haben recht damit, dass ein Haiku meistens aus dem Moment heraus und spontan entsteht. Ebenfalls ist es wahr, wie Sie schreiben, dass Bash s Gedichte über die Gegenwart auf frühere Gedichte chinesischer und japanischer Dichter rekurrieren. In japanischen Gedichten ist das häufi g

Haruo Shirane im Gespräch mit Udo Wenzel

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der Fall, weil sie so kurz sind, und so existiert eine ständige Bezugnahme auf frühere Texte, um ihnen eine zusätzliche inhaltliche Tiefenebene zu verschaffen. Aber das tritt nicht unbedingt offen zutage. Es ist gut, wenn es der Leser versteht, wenn nicht, ist es auch gut. Man muss kein Gelehrter sein, um ein Gedicht richtig zu lesen. Zerbrach sich Bash den Kopf über Anspielungen auf andere Gedichte? Nein, ich glaube nicht. Die Dichter dieser Zeit teilten einen gemeinsamen Wissenshorizont. Gewöhnlich schriebBash viele Versionen eines Gedichtes, schließlich entschied er sich für die Version, die ihm am besten gefi el. In einigen Fällen würde das Gedicht das Echo eines anderen Gedichtes oder Textes hervorrufen. In vielen Fällen verweist das Gedicht auf nichts als die Gegenwart. Manchmal nimmt einen das Gedicht in die Vergangenheit mit, manchmal nicht. Das hat viel zu tun mit der Kettendichtung, welche bestimmungsgemäß eine imaginäre Reise war, die oftmals die Vergangenheit einschloss.

Udo Wenzel: Setzt das Haiku immer eine eigene Erfahrung voraus, oder ist es möglich Haiku als Kunst, also als »reine Literatur«, jenseits von persönlicher Erfahrung zu dichten?

Haruo Shirane: Defi nitiv ja! Diese Art zu Haiku zu schreiben, als Kunst, ist ein wichtiger Teil der japanischen Literatur. In Japan wird häufi g während eines Banketts oder anlässlich anderer gesellschaftlicher Ereignisse gedichtet. Die Teilnehmer schreiben über ein vorgegebenes Thema. Notwendigerweise ist dies eine vorgestellte Situation. Wenn das Thema lautet: »eine Frau wird von ihrem Mann verlassen«, und ein Mann schreibt das Gedicht aus der Perspektive einer Frau, ist es fi ktional. Selbst wenn es von einer Frau gedichtet ist, wäre es fi ktional, sofern sie niemals eine vergleichbare Erfah-rung gemacht hat. Innerhalb der japanischen Dichtung ist »eine Frau wird von ihrem Mann verlassen« ein populäres Thema, worüber Tausende von Gedichten verfasst werden.

Udo Wenzel: Ist es sinnvoll, sich als nicht-japanischer Autor an Bash s ästhe-tischen Idealen zu orientieren? Sind diese spezifi sch japanisch oder uni-versal?

Haruo Shirane: Es ist nur sinnvoll, wenn man vergleichbare Erfahrungsbereiche hat. Ist man beispielsweise ein Reisender und teilt ein paar von Bash s Reise-aussichten, kann man ihn als Modell nutzen oder auf seine Dichtung mit eigener Dichtung antworten. Wenn man nicht gerne reist, sich selbst aber

Haruo Shirane im Gespräch mit Udo Wenzel

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als Reisenden imaginieren möchte, kann man sich seiner ebenfalls bedienen. Möchte man gar nichts mit Reisen zu tun haben, sondern sich wie ein Ein-siedler an der Natur erfreuen, könnte Bash ebenfalls der richtige sein.

Udo Wenzel: Sie forschten zunächst über den japanischen Klassiker Genji monogatari (Die Geschichte des Prinzen Genji) aus der Heian-Periode (um 1000 n.Chr.). Wie kamen Sie auf Bash ? Gibt es eine Verbindung zwischen den beiden, 600 Jahre auseinander liegenden, dichterischen Werken?

Haruo Shirane: Nachdem ich meine Arbeit zu Genji monogatari beendet hatte, monogatari beendet hatte, monogatariregte sich mein Interesse an literarischer und poetischer Theorie, das heißt an den Debatten über Literatur und Dichtung. Was sagen Autoren über die Romanliteratur? Über die Dichtkunst? Über das Drama? Ich stellte fest, dass viele literarische Abhandlungen darlegen, auf welche Weise Dichtung verfasst wird. Das heißt, sie sind keine Literaturtheorie oder -kritik, sondern praktische Handhabungen zum Schreiben von Gedichten. Das zeigt uns sehr viel über den Charakter der japanischen Literatur: Ein Großteil war dazu ausersehen, gestaltet und ausgetauscht zu werden, und nicht nur, um von einem entfernten Publikum konsumiert zu werden. Für das Haiku ist das sicherlich wahr. Von den vielen literarischen Abhandlungen, die ich gelesen habe, waren diejenigen von Bash und seinen Schülern die interessantesten. Ihr Gegenstand war sowohl die Praxis als auch die Wertschätzung von Dichtung. Das ist der Hauptgrund, weshalb ich Forschungen über Bash anzustellen begann.

Udo Wenzel: Welche Bücher können Sie demjenigen empfehlen, der sich heute mit Bash s Dichtung näher beschäftigen möchte?

Haruo Shirane: Neben meinem eigenen Buch Traces of Dreams empfehle ich Makoto Uedas Bash and His Interpreters, das unterschiedliche Interpreta-tionsweisen zu Bash s Gedichten vorstellt, und sein früheres Buch Matsuo Bash , das eine gute biografi sche Übersicht liefert.

Udo Wenzel: Vielen Dank für das Gespräch.

Haruo Shirane ist »Shincho Professor« füist »Shincho Professor« füist »Shincho Professor« f r japanische Literatur und Kultur in der Abteilung füAbteilung füAbteilung f r Ostasiatische Sprachen und Kulturen an der Columbia Universitär Ostasiatische Sprachen und Kulturen an der Columbia Universitär Ostasiatische Sprachen und Kulturen an der Columbia Universit t, New York. Das Interview wurde im Juli/August 2006 per eMail gefüDas Interview wurde im Juli/August 2006 per eMail gefüDas Interview wurde im Juli/August 2006 per eMail gef hrt.

Haruo Shirane im Gespräch mit Udo Wenzel

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Leser-TexteHaiku, Tanka, Haiku-Sequenzen und Haibun

Immer wieder gibt es Diskussionen und Überlegungen zur Gestaltung dieser Rubrik. Von »Vechtaer Texte« über »Texte der Mitglieder« sind wir nun auf den

Titel »Leser-Texte« gekommen. Hier können Mitglieder der DHG Haiku, Tanka und Haibun veröffentlichen. Für jede Nummer müssen Texte (Haiku/Tanka max. drei, Haibun eines) neu eingesandt werden. Sie werden in der Reihenfolge des Eingangs aufgenommen und nicht bewertet oder geprüft. Jede/r Einsender/in ist also für die Qualität der eigenen Texte verantwortlich. M.B.

Gerd Börner

die junge Frau Morgensonnemit dem Haartuch – das gefrorene Graser lüftet seinen Hut wieder mit dem Wind

Seechenam Ende des Stegssein Plappern

pegun

auf deiner reisein den herbstabend schneckenimmst du dein haus mit

Christina Rekittke

Im späten Licht gestrandet –glüht das Herbstblatt, trudelt – felsensplittrige SchätzeRosenkelche weit zeitgeschliffen

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Claudia Brefeld

Chanukka-Leuchter. Der nächste SchachzugDas Fenster der Nachbarn scheint Kurz glimmt im Pfeifenkopfmir wieder heller der Tabak auf

WinterseestilleAus meiner Hand ein Kieselzwitscht über das Eis

Gerold Effert

Nachts faucht Winterwind. – Zwölf dumpfe Schläge.Am Morgen das Fensterglas Das neue Jahr schwer verhülltverweht vom Neuschnee. vom Winternebel.

Verloren im Dunstdes trüben Winterabendsrudert die Krähe.

Ramona Linke

Halbschlaf … Über Stoppelfelder …jemand ruft die Wärmemeinen Namen unter der Mähne

Ladenkasse –ein Hauchseines Duftes

Matthias Stark

Hagebuttenzeit Rotes Schokoherznur eine Biene noch sucht glänzend auf dem Gabentischder Hecke Blüten im Innern Leere

LESER-TEXTE

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Ingrid Gretenkort-Singert

Oktober In Gilbhards ArmenZugvögel und Blätterfall tief errötetdennoch wilder Wein

Stille!Aus Zeit und Raumtropft Morgentau

(für Wolfgang Dobberitz)

Conrad Miesen

Schneesturm tobt sich aus! Drei EdelsteineHinter der Haustür empfängt fallen ihm aus der Krone –uns Bratapfelduft … Tanzender Kaspar

Dem Eis vertrauend:ein Dreikäsehoch schlittertüberm tiefen Teich …

Gabriele Reinhard

Der Ostwind trommelt. Fliehende Raben.Auf dem Waldboden tanzen Silberfl ug ins Irgendwo –Kalenderblätter ersehnte Landung

Steine im Rollen.Meeresbrandung schlägt meineWorte in den Wind

LESER-TEXTE

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Kurt F. Svatek

Der Morgen dämmert, Die müden Knochenseit Stunden formt der Bäcker künden schon seit TagenWeihnachtsstollen. den Schneesturm.

Selbst wenn da einerganz allein über ihn gehtächzt winters der Steg.

Angelika Ortrud FischerSequenz

Lesestunden

Großvater liest vor –hingerissen lauscht das Kinddem Struwwelpeter

Auswendig mitgesprochensind die Texte noch schöner

Für Max und Moritzentfl ammt – das Singspiel Kretschmarssteigert den Genuss

Gestenreich ritsche ratschewird die Brücke angesägt

Und erst Grimms Märchen –Schneeweißchen und Rosenrotals Bild auf dem Shirt

Selbstvergessen nachgespieltmacht der Esel bricklebrit

LESER-TEXTE

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Johannes AhneHaibun

Indianer

Als Bub war ich Indianer. Hatte alles was dazu nötig war, Federschmuck, Kriegsbeil und Friedenspfeife, Pfeil und Bogen, Speer, sogar ein Messer, einen freien Geist, uneingeschränkte Liebe zur Natur und den Mut zum Leben. In erster Linie war ich Jäger. Meine Jagdgründe lagen hinter der großen Wiese in dem hügeligen Bannwald, nicht bei den dunklen, engen, stacheligen Fichten, nein, auf dem Laubwaldhügel, bei den alten Buchen, dem Ahorn und den Eschen. Licht war es dort und es gab viel Platz zwischen den Stämmen.

Unten am Hang lag ein Tümpel, der Silbersee, darin leuchteten die goldenen Augen der Molche. Ein Bächlein plätscherte dort, in seinem Schwemmsand funkelte das Katzengold.

Zum Indianersommer wurde das Laubdach bunt und immer heller. Es war nicht leicht lautlos dort zu pirschen, raschelten doch schon die Blätter am Boden bevor man sie berührte. Dennoch begegnete ich dem Fuchs, dem Reh, dem Eichhörnchen und harmlosen Schlangen, einem wildernden Hund.

Ich sah und hörte den Specht, den Kleiber, den Häher, den Raben lernte die Lieder der Amsel, der Finken und Meisen, antwortete dem Bussard mit schrillem Schrei: »Yiaah, Yiaah.«

»Fliegender Pfeil« nannte ich mich; manchmal, viel zu selten, ging ein Mädchen mit mir, das hieß dann Blaue Taube, Weiße Feder oder Roter Mohn. Ich führte sie durch mein Indianerland, wir sammelten Bucheckern, Haselnüsse, Steine, Gräser, Wurzeln und manchmal tauschten wir scheue Küsse – oh Manitu– oh Manitu– !

Wenn heute im weichen Herbstlicht die Buchen sich färben, auf der Lichtung die Mücken tanzen, darüber der Bussard kreist, dann spür ich Indianerblut in mir. Sehnsucht steigt auf nach der großen Mutter Erde – nach stolzer Freiheit – nach stolzer Freiheit – – nach der Weißen Feder – nach der Weißen Feder – – nach den Jagdgrün-– nach den Jagdgrün-–den – den ewigen.– den ewigen.–

Kleiner Indianerer wohnt in meinem HerzenSchon von Kindheit an.

LESER-TEXTE

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Johannes Ahne

Die Kraniche zieh´n Nach Zuckerwattesagen sie, im Radio an – schmeckt der Kuss des Mädchensbei diesem Nebel? ich komm auf den Geschmack

KirchweihDie Tagungsteilnehmersitzen die ganze Nachtin dem Weinkeller

Christa BeauZwei Haibun

Ein Lieblingsbuch

Im braunen Ledereinband singt es vom Leben. Texte klingen in meiner Seele mit all den Buchstaben, die aneinander gereiht zu mir sprechen. Liebe, Hoffnung, Sehnen, Traurigkeiten verbinden mich mit einer Welt, die so schön sein kann – aber auch so grausam.

zwischen den zeilenlese ich vom leben –dem anderen

Lese von goldenen Blumen die blühen, duften, wachsen, lese von Küssen auf blaue Augen, den fremden Soldaten, die töten und morden, dem Mann, der die junge Frau schändet.

Fühle mich verbunden mit der Schönheit der Natur, dem Duft der Kamille, dem weißen Windröschen und dem Menschen im Abseits des Lebens. Träume mich in die Wolken und die Weite des Himmels, spüre den wirbelnden Wind, den Regen, der an Wimpern haften bleibt, sitze am Bach durch den ein Mädchen mit fl achsblonden Haaren schreitet, lese von Nofrotetes Nacken, der in Träume schleicht.

vom lebenerzählen –worte des dichters

LESER-TEXTE

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Kürbisparty

Mit Freunden im Garten, lachend die kleinen Kürbisse an diesem Abend. Vögel zwitschern vor dem Gartenhaus in dem das Abendessen serviert wird. Die Luft ist noch warm und der Garten duftet, lockt uns hinaus. Ein Lagerfeuer wird entzündet, Flammen lodern.

Sterne funkeln –heller leuchtetder Feuerschein

Christa Beau

geburtstagsfeier – radtour zu zweit –in ihren lebensabend im herbstwaldduften blumen dein lächeln

der alte tümpel –zwischen wasserpfl anzenjunge fi sche

Regina Franziska FischerHaibun

Die Verwüstungoder »Die Rettung«

Spätsommer – zwischen den Bäumen kleine Sonnen im fast gelben Blatt-werk. Bereits jetzt schon Vorfreude auf all die feuerspeienden Farbtupfer! Trostpfl aster für die schmerzhafte Vergänglichkeit …

Tief atme ich die frische Septemberluft ein, ein Geschenk, bevor sich noch einmal im Laufe des Tages die abgeschwächte Sonnenglut Bahn brechen würde.

Plötzlich wird dieser Frieden brutal erschüttert: Ein bedrohliches Dröhnen und Brummen mit Druckwellen über Haus und Gartenpark. In die eben so erlebte Stille rieseln hilfl os noch nicht abgestorbene Blätter,

LESER-TEXTE

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schwanken feingliedrige Äste, brechen sogar ab. Fenster knallen, Terra-cottatöpfe im äußeren Eingangsbereich gehen polternd zu Bruch.

Als ich das Wohnzimmerfenster neben dem Kamin aus Sicherheitsgrün-den schließen will, erblicke ich einen Krankentransporter bzw. Rettungs-wagen vor dem Nachbarhaus. Zusätzlich landet der Rettungshubschrau-ber auf der Nachbarwiese. Es geht um das Leben des Nachbarn.

Rechtzeitig wird er ins Krankenhaus transportiert.Ich höre wie der Pilot wieder aufdreht, nachdem der Rettungsarzt mit sei-Ich höre wie der Pilot wieder aufdreht, nachdem der Rettungsarzt mit sei-Ich höre wie der Pilot wieder aufdreht, nachdem der Rettungsarzt mit

nem Spezialkoffer eingestiegen ist. Nach Minuten des alles erstickenden Dröhnens und Tösens entschwinden sie in die blaue Septemberluft.

Als ich eine Stunde später nach den Herbstblumen in unserem Bau-erngarten neben der Wiese, im hinteren Gartenbereich schaue, erblicke ich ein Feld der Verwüstung: Die zarte Cosmea, die in ihrer Farbenviel-falt protzigen Zinien, die englischen Teerosen, die sich gerade in der Septembersonne entfaltenden Gaukler mit ihren spitzen, lila Dolden, alle standen sie geschwächt in Schräglage. Die Astern zum größten Teil abgeknickt! Der Rittersporn hatte ganz aufgegeben. Die Abdeckung der Regentonne hatte vor Schreck das Weite gesucht, ein italienischer Tonkrug war durch die Druckwellen umgekippt und alle Windspiele und Bambusfl öten scheinen aus dem zarten Astwerk weggepustet.

Der Rasen? Übersät mit schillerndem, herbstlichen Blattwerk, dem der unerwartete künstliche Wirbelsturm zu früh den Garaus gemacht hatte. – Am 11. September 2006 …

Wild wirbeln Blätter –selbst Blumen ducken sich vormRettungshubschrauber

Regina Franziska Fischer

zum ersten Mal – im grellen Lichtzaghaftes Zupfen der Stelzentänzer vor derder Sansula uralten Mühle

in der MondnachtKindergeschreinach dem Teddy

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Peter JanßenHaibun

Mann aus der Mauer

Mann aus der Mauer, so nennen die Kinder in der Nachbarschaft den Alten mit den kurzen, grauen Haaren und dem roten Gesicht. Er wohnt allein, hinter einer Backsteinmauer, die Teil einer mit schwarzen Schindeln gedeckten Scheune ist. Diese grenzt links an einen Bauernhof, rechts erstreckt sich ein Vorgarten, der zu einem weiter zurückliegenden Wohn-gebäude gehört. Zwei der drei Fensteröffnungen in der Backsteinmauer sind mit Brettern zugenagelt. Am Holzrahmen des dritten Fensters, hinter dem die Behausung des Mannes liegt, blättert der weiße Lack ab. Die Scheiben haben Sprünge und sind grob gekittet. Die Tür links neben dem Fenster ist grau gestrichen und mit kleinen Brettchen gefl ickt. An warmen Sommertagen steht sie manchmal offen. Der Blick geht in eine dunkle Höhle, in der die Möbel, der Kohleofen und der übrige Hausrat kaum zu erkennen sind. Von der Decke hängt eine Glühlampe ohne Schirm herab.

Oft steht der Alte in Pantoffeln vor der Tür, mürrisch, mit zusammen-gekniffenen Augen, die Hände in den Taschen der ausgebeulten Hose. Oder er hält sich am nahen Kiosk auf, schwankend, eine Flasche Bier in der Hand. Hier krakeelt er auch mal mit heiserer Stimme. Es kommt vor, dass er eine Zeitung vom Tresen nimmt, wenn er sich unbeobachtet glaubt, und in die Jackentasche schiebt, ohne sie zu bezahlen.

Jeden Freitag, zur Mittagszeit, schlurft der alte Mann mit einem weißen Teller in der Hand in den kleinen Laden an der Ecke. Wenn er ihn wieder verlässt, trägt er den Teller, über dessen Rand jedes Mal ein grauer Fischschwanz ragt, behutsam und mit andächtigem Gesicht zurück in sein dunkles Zimmer.

Nach dem Mittagsmahlwartet der Alte am Fenster –bald ist die Schule aus.

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Udo WenzelHaibun

D‘ Necka nauf

Nur dünne Schleierwolken bedecken den Himmel. Der erste warme Tag im Jahr. Durch die Altstadtgasse hinunter zum Neckar. In manchen Kähnen steht noch Regenwasser, erst einer ist am Vormittag schon herausgeputzt. Ein junger Mann sitzt in seinem Kahn und liest in einem Buch. Als wir näher treten, springt er bereitwillig auf. Ja, gerne fahre er uns ein wenig »d‘ Necka nauf«. Während wir zögern, bietet er eine Fahrt zum halben Preis an. Wir willigen ein, betreten vorsichtig unter Schwanken das Boot, suchen einen Platz und lehnen uns gegenüber an die seitlich befestigten Bretter. Langsam und gleichmäßig schiebt der Stocherkahnfahrer das Boot mit seiner langen Stange fl ussaufwärts.

Wie still es hier ist – fast nichts mehr ist zu hören von den Geräuschen der Stadt. Die Spitzen des Hölderlinturmes und der Stiftskirche ragen ins helle Blau. Dichtbewachsen die Ufer. Stange für Stange geht es voran.

Was dort blüht,im Schatten des Dickichts,verrät nur sein Duft.

Feine Lichtwellen kräuseln sich auf der Rinde der Uferbäume. Inmitten des grünen Laubs wächst eine prächtige Rotbuche, die das Morgenlicht zu schlucken scheint. Aus ihrem Schatten schwimmt ein Entenpaar auf den Kahn zu und begleitet uns für kurze Zeit. Nach einer Weile wendet der Fahrer, legt die Stange ab, nimmt Platz und lässt das Boot gemächlich zurücktreiben. Wir wechseln nur wenige Worte. Meine Frau und der junge Mann lächeln sich zu. Das Wasser des Neckars fl ießt ruhig, ein trübes Hellbraun, in dem sich nichts zu spiegeln scheint. Am Ufer der Insel hockt ein Alter mit Angelrute. Unsere Blicke treffen sich. Berührt und beschämt schaue ich zur Seite. Wieder geht es durch die Bärlauchwolke, bis wir am Anlegeplatz vorübergleiten. Der Schiffer steht auf, stößt die Stange in den Fluss und wendet noch einmal. Geschickt lenkt er das Boot in die schmale Lücke zwischen den anderen Barken. Inzwischen hat die

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Sonne den Zenit erreicht. Liebespaare und junge Leute sonnen sich auf der aufgewärmten Ufermauer. Wir setzen uns zu ihnen und lauschen den gedämpften Stimmen.

Unterm Turm,an Klöppelgardinen vorbeifl iegt eine Krähe.

Udo WenzelZwei Haiku

Rendezvous Schornsteindächer.im Heckenbogen Schatten wehenfängt sich der Wind in den Schnee

Zwei Tanka

Vorüber Unsere Blickedie Hitze folgen dem Reiherdie Nächte wie langsam dochwo wir uns liebten er sich hinaufschwingtzwischen den Monden ins Abendlicht

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Angelika WienertHaibun(Erstveröffentlichung: Haiku-heute.de, 2005)

Das Totenbuch

Bei den Freunden geben wir ein Geschenk für die kranke Mutter ab. »Bestellt ihr Grüße.« Auf dem Rückweg beginnt es zu nieseln. Zu wenig, als dass es sich lohnte, die Scheibenwischer einzuschalten.

Wir halten am Soldatenfriedhof, wie immer parkt mein Mann das Auto bei den Erlen.

Zwanzig Jahre, vierundzwanzig, achtunddreißig … – es entstehen Bil-der. Brian, Timothy, Dean haben Münder, Nasen, Ohren, Haare, Hände in meiner Phantasie. Sie lachen, fürchten sich vor einer Abschlussklausur, sind verliebt oder gerade Vater geworden. Kreuz reiht sich an Kreuz, gleicher Stein, gleiche Schrift – uniformiert auch im Tod. Das Grab eines Greises gibt es hier nicht.

Nahe am Ausgang die kleine Kapelle, im Vorraum das Totenbuch.

Kein Kerzenschein –Maria hält den Sohnin ihren Armen

Ruth FrankeHaibun

Hohle Weiden

Es ist der gleiche Weg wie früher an Vaters Hand, vom Stadtrand durch den Prinzenpark bis zu den Teichen. In 60 Jahren ist der Grüngürtel schmaler geworden, Häuser stehen dort, wo Großvaters Garten lag, mit der Laube zwischen den Obstbäumen. Da hockte das Kind zu Vaters Füßen und lauschte: »Der Soldat ließ sich durch das Loch in den Baum hinuntergleiten und stand in einem großen Gang mit vielen hundert Lampen …« Ich muss die hohlen Weiden wieder sehen.

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Lautes Geschnatterauffl iegender Gänsedie alte Angst

»Bitte nicht füttern« mahnt ein Schild. Jetzt leben Hunderte von Grau-gänsen hier, gar nicht mehr scheu. Der Kreuzteich kommt in Sicht, ganz nah die belebte Durchgangsstraße mit Parkplätzen. »Naturschutzgebiet Riddagshausen«, die Tafel erklärt seltene Vogelarten. Trotz des späten Nachmittags viele Spaziergänger, die Frühlingssonne blitzt durch das Grün der Bäume.

Der Straße Rauschennoch im OhrMoorfroschquaken

Am Schapenbruchteich wird es ruhiger. Ein Teichrohrsänger, im Schilfröh-richt kaum zu entdecken, baut sein Nest, unter tiefhängenden Schwarz-erlenzweigen Blässhühner und Reiherenten. Kraniche balzen im fl achen Wasser, ein Haubentaucher-Paar schaukelt voreinander. Wo sind die Weiden?

Entlang des Baches am Fischerweg entdecke ich sie. Kopfweiden, regelmäßig beschnitten, manche innen verrottet. In jedem hohlen Baum suchte das Kind die Hunde mit den riesigen Augen. »Auf der Kiste saß der Hund mit Augen so groß wie Mühlenräder.« Vor einer alten Weide bleibe ich stehen. Morsches Holz, mit Moos und Pilzen bewachsen, der dicke Stamm mit vielen Hohlräumen. Insekten schwirren mir entgegen, Käfer krabbeln aus dem modrigen Dunkel, aus einer kleinen Höhle der starre Blick eines Steinkauzes.

Die sinkende Sonne spiegelt sich im Wasser zwischen dunklen Zwei-gen. Eine Rohrweihe jagt im Gaukelfl ug über das Schilf, vom anderen Teichufer Unkenrufe und das dumpfe »Prumb« der Rohrdommel.

Heimwärtsvom nahen KlosterAngelusläuten

Anmerkung: Die Zitate sind dem Andersen-Märchen »Das Feuerzeug« entnommen.

LESER-TEXTE

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Tod und SterbenLeser-Texte

Der Aufruf im letzten SOMMERGRAS hat eine ganze Reihe von Einsendungen und auch manche Äußerung des Befremdens bewirkt. Ihr sprecht von Jisei,

so wurde gesagt, das sind aber doch die allerletzten Gedichte von Menschen. Wie könnt ihr uns heute aufrufen, solche Texte einzusenden? Nun, wir haben das Thema bewusst weiter gefasst und nach Texten gefragt, die sich mit der eigenen Vergänglichkeit beschäftigen. Um allzu große Ungleichgewichte zu vermeiden, veröffentlichen wir pro Autor/in maximal drei Texte.

Ingrun Schellhammer

Glückliche Grille Gefällte Weideerhebt die Stimme unter spendet sterbend den Bienenfallenden Blättern. ein Pollenfrühstück.

Abgefallnes Blatt –sein Schatten wandert mit aufdem Grund des Baches.

Christina Rekittke

Ein Strom riss sie fort den Kelch geleert –schon spürte auch ich den Sog geerntet Lebenstraubendoch ließ er mich noch im stillen Weinberg

Am Ufer der Endlichkeitden Augenblick verdoppeln

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Brigitte Jörns

Herbstzeitlose Zeit –die letzten Sonnenstrahlenauf mein dunkles Grab

Gerold Effert

Hoch überm Nebel Wie lang noch, Vollmond,Krähengeschrei. Ich höre schwebt deine goldne Scheibedie schwarze Nachricht. für mich durchs Gewölk?

Nebel überm Strom. –Schwarz im späten Licht gleitetheran die Fähre.

Franka Schütz

Geheimnisvolle Tod – Ende? – Anfang –Schwelle – wir betreten sie Beginn der Unsterblichkeitjenseits der Worte zum Licht in Fülle

spazieren gehenFarben voll Sonne und Schmerz –einverstanden sein

Gabriele Reinhard

schienen wind.verlassen eine schwingedie nacht streift

nureinmalnoch

LESER-TEXTE Tod und Sterben

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Conrad Miesen

Ach, Lerchenlieder! Lapidarer Satz:Mein Nachbar liegt im Sterben – ›was wir sind, das werdet ihr.‹hört sie noch einmal Knochen im Beinhaus

Mutters Teeservice,doch eine Tasse bleibt leer –Allerseelentag

Ruth Franke hat folgendes Haiku von Isolde Lachmann und einige Texte von Roman York ausgesucht:

Isolde Lachmann

ins Uferdunkeltreibt schlafend ein Schwan. Einmalnoch schimmert er auf.

Roman Yorkalle aus »Glasfelder«

langsam vom ufer ein platz hinter glas.schieben eisige spiegel keine winkenden tücher.sich über den see lautlos entgleiten.

nicht zuerst aus der mitte ZUG-ABGANGfangen die spiegel auch mich

KÄLTE

asphodelosweißleuchtet das andre Ufer– wo setz ich über?

(Anm. von Ruth Franke: Die Unterwelt wird bei Homer als »Asphodeloswiese« bezeichnet.)

LESER-TEXTE Tod und Sterben

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Ruth Franke

Blätter schwebenim Abendlicht – wie schwerso leicht zu sein

Johannes Ahne

»Hol über Fährmann« Erste Reiseden Dukaten in der Hand ohne jegliches Gepäckwartet er am Fluss. ist die letzte

Goldener Oktobertag,ihm fallen die Augen zu –genug gesehen.

Martin Berner

schreib schneller vor ihrem Zimmerdie Tage der Arztwerden kürzer mit müden Augen

Vollmondund im Hirnnur die Diagnose

LESER-TEXTE Tod und Sterben

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Ilse HenselHaibun

Die Mitteilung, dass ich mein Jisei zur Veröffentlichung schicken könne.Fast sechsundsiebzig Jahre bin ich alt. Mein Jisei schreiben? Ein

anderer Mensch müsste es übermitteln.Eine Frau erzählt, ihr Mann sei fünfundsiebzigjährig im Schwimmbad

gestorben. Vormittags bin ich geschwommen. Bei Wohlbefi nden mein Jisei schreiben?

Nachmittags in der Septembersonne auf einer Bank in Planten und BIomen, Übersetzungen japanischer Jisei vor Augen.

Lese Jisei blicke aufinmitten des Grünsabgelebter Strauch

LESER-TEXTE Tod und Sterben

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Haiku heutewww.Haiku-heute.de

Wegen der Umstellung von www.Haiku-heute.de auf Vierteljahres-Veröffent-lichung stehen diesmal nur Haiku aus dem Monat August zur Verfügung.

Eingereicht wurden 164 Texte. Im Folgenden die am höchsten eingeschätzten zehn Haiku, alphabetisch nach Autorennamen geordnet.

Sigrid Baurmann

Für die Jahreszeit zu kühl.Kaufe mir Blumenzum Hochzeitstag

Andrea D’Alessandro

Spätsommer –zum Fünfzigstenein Nabelpiercing

Volker Friebel

Feldweg.Ein Junge trägt zwei Angelnhinunter zum See.

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Jane Reichhold

Abendkühle braun und gelbam Strand bei Ebbe der Herbst verschwindet im Graskleine Wellen mit der Katze

Herbstbäume neu sieht er ausim verwehten Drachen im Mondscheindas einzige Grün der Herbst

Sommerendeauch ohne Geburtstagbin ich älter

Norbert Stein

ein Funkeln –dort wo die Birkeden See berührt

Angela Cornelia Voß

Stoppelfelder –eine Kerze mehrauf der Torte

Haiku heute

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Haiku-Besprechungen

Die Nachricht über die Schließung der Haikuwerkstatt hat zu vielen Bedau-ernsbekundungen geführt. Es ist in der Tag schade, dass wir dieses inno-

vative und spannende Projekt nicht fortführen können. Deshalb wollen wir ein neues Experiment wagen. In den Haiku-Besprechungen wird maximal zwei Autoren/innen die Möglichkeit gegeben, Leser-Texte, die in den zurückliegenden vier Ausgaben von SOMMERGRAS erschienen sind, zu kommentieren. Das Ziel ist, Hinweise zu geben auf besonders gut gelungene Lösungen, aber auch, und das ist uns wichtiger (natürlich auch schwieriger!) auf Schwächen. Vorschläge, diese zu beheben, sind möglich. M.B.

Stefan WolfschützSelbstvergessenheit

Das sind wunderbare Momente des Erlebens: wirklich das eigene Selbst zu vergessen, für einen Augenblick befreit zu sein von dem ganzen Ballast,

den man mit sich herumschleppt. Einfach alles weg, nichts mehr zu spüren von Beschwernissen des Lebens. Manchmal vermögen Haiku diese Augenblicke einzufangen und was noch viel wichtiger ist, sie weiterzugeben, dem der liest und sich einlässt.

Auf der Suche nach Haiku, die mich bewegen und mich reizen, sie zu besprechen, stachen mir im SOMMERGRAS Juni 2006 gleich drei ins Auge, die alle drei auf ihre eigene Weise vom Glück des Selbstvergessens erzählen:

diese Nachtigallsie meint mich

Martin Berner

Zuerst stutzen. Wieso mich? Dann, beinah im gleichen Augenblick, die Erin-nerung an das einzige Mal, als ich eine Nachtigall habe singen hören und ihr ganz selbstvergessen gelauscht habe. Die Einzigartigkeit des Gesangs einer

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Nachtigall macht die Begegnung so einzigartig berührend, dass der Hörer meint, einzig er sei gemeint, so gemeint, dass er seiner selbst zu vergessen vermag.

selbstvergessenküsst sieihr Mobiltelefon

Martin Berner

Mag sein, dass der Liebste nachtigallengleich ins Mobiltelefon gesäuselt hat, um am Ende des Gespräches mit einem Kuss, den er nicht zu Gesicht bekommt, verabschiedet zu werden. Das Haiku liefert explizit ein Stichwort, mit dem ein Thema bezeichnet wird: selbstvergessen. Diese Benennung ist seine Stärke und seine Schwäche zugleich. Stark, weil das Thema grandios und in der Beob-achtung ganz und gar aufgehoben ist. Schwach, weil es das Thema explizit ausspricht, statt es vielmehr mit den Möglichkeiten lyrischer Ausgestaltung zu zeigen und dem Leser die Entdeckung der Selbstvergessenheit zu ermöglichen. So trifft es ins Auge, aber geht von da aus mehr in den Kopf, als ins Herz.

Und schließlich ein Haiku von Johannes Ahne, das mich beim Lesen sofort mit Haut und Haaren ergreift und mich mit der ganzen Leichtigkeit des Sommers an jenem Ort selbstvergessen macht.

Wo einen der Windam Strand des kleinen Seesüberall streichelt

Johannes Ahne

An diesem Haiku wird für mich, wieder einmal, die Stärke einer jahreszeitlichen Stimmung deutlich. Die sommerliche Stimmung ergreift mich sofort mit allen mei-nen Sinnen und weckt die Sehnsucht nach diesem Augenblick der mich schon so oft hat meiner selbst vergessen lassen. Besonders gefällt mir die Lautmalerei mit den w- und s-Lauten, die die Ohren für den Wind öffnen.

Eines ist allen drei Texten gemein: Ihre Diktion ist spielerisch, einfach und leicht. Alle drei vermögen den Leser mit dieser Leichtigkeit anzustecken, um dann selbstvergessen den Bildern nachzuhängen. Das ist wohltuend.

HAIKU-BESPRECHUNGEN

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Volker Friebel»Wollblümchen«

Zwischen Grasbüschelndas Lamm –Wollblümchen

Christine Hallbauer

Veröffentlicht im September 2006 als Leser-Text auf Seite 37 von SOMMERGRAS Nr. 74.

Die Sprache ist gut, das Bild eines erfahrenen Augenblicks deutlich: Ein Lamm hat sich niedergelassen zwischen Gräsern. Unvermittelt kommt dann

nur noch ein Name: »Wollblümchen«. Zwei Zeilen für ein Bild, dann eine lose Assoziation: Viele gelungene Haiku sind so gebaut.

Als »Wollblümchen« fi nde ich Bastelbedarf: Kleine Blumen, aus Wolle gemacht. Da kann nun jemand stehen, das Lamm betrachten und an eine sol-che Bastelarbeit denken. Vielleicht steht ein Kind daneben, das einen Kranz solcher Blumen im Haar hat.

»Wollblümchen«, besser noch »Wollblume«, ist aber auch ein anderer Name für die Königskerze, ein an Wegrändern, auf Ödland, selbst in der Stadt wild vorkommendes bis zwei Meter hohes Kraut mit vielen gelben Blüten. Dieser Name lässt meine ersten Assoziationen kippen.

Der König hat abgedankt, ist vergessen. Nur auf den Schutthalden blüht sein Gedächtnis, am Wegrand, überall dort, wo das Land nichts wert ist, in den Zwischenbereichen des Nutzbaren, Berechneten.

Die Königskerze zieht auch das Lamm ins Symbolhafte: Sinnbild der Geduld und der Unschuld, als »Lamm Gottes« Bezeichnung für Jesus Christus, hat es sich niedergelassen zwischen Büscheln von wildem Gras. Ich sehe es kauen und diese Königskerze betrachten.

Da hänge ich nun zwischen zwei Verständnisweisen des Haiku, leicht und spielerisch ist die eine, symbolträchtig und tief die andere.

»Wollblümchen« – manche Haiku gewinnen durch Mehrdeutigkeit. Vielleicht – manche Haiku gewinnen durch Mehrdeutigkeit. Vielleicht –ist das so, wenn die Sichtweisen einander ergänzen oder vertiefen. Hier stehen sie weit voneinander entfernt.

Für sich genommen ist jede Sichtweise schön, aber gegeneinander stellen sie sich in Frage, löschen sie sich aus; das Haiku entgleitet mir.

HAIKU-BESPRECHUNGEN

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Drei BesprechungenVon Rüdiger Jung

Haiku heute (Hrsg.): Worte für die Wolken. Haiku-Jahrbuch 2005. 128 Seiten.Tübingen: Wolkenpfad-Verlag, 2006. ISBN 3-936487-08-1.

Zum dritten Mal legt Haiku heute ein Jahrbuch vor. Es enthält Haibun (S.41-44), Kurzlyrik-Zyklen (S.47-50), einen Herbstkasen (S.51-57), Aufsätze und

Essays (S.61-98) und Interviews (S.101-119). Vor allem aber enthält es 100 Haiku von 36 Autoren (S.11-38), die dazu einladen, Tendenzen und Entwick-lungen in den deutschsprachigen Haiku des vergangenen Jahres wahrzuneh-men. Wieder begegnen uns unterschiedliche Themen, Stile, Zugehensweisen, persönliche Handschriften.

Wenn ich für mich eine Tendenz besonders benennen sollte, dann die, dass – wenn schon nicht das Ich, so doch – der Mensch im Haiku mehr und mehr hoffähig wird. Keine Frage, dass die Auswahl auch ganz klassische Naturge-dichte enthält. Aber die Kürze und Prägnanz der Form lädt vermehrt dazu ein, ganze Lebensthemen, ganze Lebenswege auf das Allerkürzeste zu umreißen. Es handelt sich um Verse, die den Leser ganz direkt und unmittelbar berühren, ohne dass es eines einzigen kommentierenden Wortes bedürfte:

Der Befund.Er gießt sich Tee einwie jeden Tag

(Andrea D`Alessandro, S.15)

rennenkonnte ich im traumrennen

(Angelika Wienert, S.37)

Möglichkeit und Begrenzung des Gesprächs, der zwischenmenschlichen Begegnung scheinen auf:

REZENSIONEN

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Der Fremdeerzählt mir sein Lebenniemand steigt zu

(Marita Schrader, S.31)

Ein Vers, der sich jeder eindeutigen Interpretation entzieht und gerade dadurch zu Deutungsversuchen einlädt. Der Fremde bleibt fremd oder rückt nahe – beide Verständnisse lassen sich aus diesen drei Zeilen ableiten. Im ersten Fall hat das »niemand steigt zu« den Charakter eines Stoßseufzers, weil das lyrische Ich von der fremden Lebensgeschichte ungefragt und -gewollt überfallen wird. Im zweiten Fall schreibt das »niemand steigt zu« sich wie ein abschließendes Ausrufezeichen dieser Lebensgeschichte ein und bezeichnet tiefe Einsamkeit – vielleicht nicht nur des Fremden, vielleicht auch des lyrischen Ich. Bei letzterer Deutung ist es paradoxerweise die Einsamkeit, die zum Treff- und Schnittpunkt zweier Lebensläufe wird.

Zum Ort gelingenden Miteinanders wird nicht selten der Traum. Das Haiku hat in der poetischen Begegnung mit dem Traum anderen literarischen Zugehens-weisen gegenüber den Vorzug absoluter Unmittelbarkeit: Es lässt den Traum stehen als das, was er im Moment des Traumes ist – absolut real:

Mit Großvaternoch einmal Hasenbrot geteiltvergangene Nacht

(Ramona Linke, S.27)

Solch eine poetische Communio sprengt die Grenze der Zeit, gegebenenfalls auch jene von Leben und Tod.

Die Zeit als konkretes und zugleich unfassbares Phänomen zu fassen, ins Wort, ins Gedicht zu bekommen ist, vielleicht eines der ältesten Anliegen von Poesie. Im Haiku wird sie, die Unermessliche, zur messbaren Größe:

Die Kellnerinin leeren Gläsernträgt sie den Abend fort

(Hubertus Thum, S.34)

REZENSIONEN

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Der Mensch als Thema im Haiku – ein rein deutsches und damit eventuell »illegi-times« literarisches Phänomen? Wohl eher nicht. Udo Wenzel stellt Ippekiro Nakatsuka (1887-1946) vor, einen »der Begründer der freien Form des Haiku«. Als Beispiel für dessen Schaffen wird folgender Vers übersetzt:

Sommermorgendas armer Leute Kindzerrt und drückt und herzteinen Kohlkopf (S.72)

Einem Aufsatz Dietmar Tauchners entnehme ich folgenden Beleg dafür, dass das Menschliche und Zwischenmenschliche auch im angelsächsischen Haiku seinen Raum hat bzw. gewinnt:

Hospizbesuch er schlägt mich noch immer im Schach(Joanna Preston, S.78)

Keine Frage, das Haiku macht innerhalb, aber vor allem auch außerhalb Japans (und mithin auch im deutschsprachigen Bereich) vielfältige Wandlungen und Entwicklungen durch. Das ist keine Schande, vielmehr (im Sinne einer lebendigen Poesie) eine Notwendigkeit. Hinter die folgenden Worte Werner Reichholds gibt es – wie mir scheint – kein Zurück:

Wenn wir die kritische Brille noch aufbehalten wollen, dann sei aus-gesprochen, dass wir nicht geneigt sind, lediglich irgendwelche Form-vorstellungen pedantisch zu erfüllen, sondern glauben, dass eine latent vorhandene dichterische Potenz sich Menschen und Medien sucht, die der bestehenden Poesie neue Energien einzuverleiben imstande ist, um sich, wie in diesem Falle, die Entdeckung der japanischen Genres nützlich zu machen. (S.102)

***

REZENSIONEN

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Tagbilder und Gegenwelten. Anthologie des Kärntner Schriftstellerverbandes.Zusammengestellt von Gerard Kanduth. 205 Seiten. Klagenfurt/Celovec, Ljubljana/Lai-bach, Wien/Dunaj: Verlag Mohorjeva/Hermagoras, 2004. ISBN 3-7086-0022-3

Weshalb die Besprechung dieser Anthologie in SOMMERGRAS? Ganz einfach: Weil dort eine bemerkenswerte Dichterin von Haiku und Senryu

zu entdecken ist: »Erna Hahn, geboren 1954 in Wolfsberg; Angestellte; lebt in Wolfsberg; Mitglied der österreichischen Haiku-Gruppe der Nippon Gesell-schaft; Lyrikerin; verschiedene Beiträge in Literaturzeitschriften und Anthologien« (S.197). Mit zehn Beiträgen ist sie vertreten – auf den Seiten 57 bis 61. Und die sind meisterhaft.

Mein Alptraum kreischendals Totenvogel im Baum.Horch! Welche Stille. (S.59)

Deutlich klingt hier die geistige (wie auch regionale!) Nähe zu der großen Dichterin Christine Lavant (1915-1973) an.

Erna Hahn ist eine Meisterin der Lakonie, Prägnanz, Konzentration. Zumal ihre Senryu sind bestechend an Witz und Brillanz, Weisheit und Erfahrung:

Schlag um Schlag gespürt Die Wahrheit gesuchtvon jedem guten Ratschlag Schritt auf Schritt und überalldie Striemen gezählt. (S.57) die Welt verloren. (S.60)

Es steht in der Schrift:Du sollst deinen Herrn lieben…Was ist mit dem Knecht? (S.61)

Solche Verse stehen in ihrer luziden Klarheit für sich selbst ein. Jedes deutende Wort glitte an ihnen ab. Bertolt Brecht hat einmal gesagt, es sei der »Wider-haken«, der ein gutes Gedicht ausmache. Vielleicht der Grund dafür, weshalb mir das folgende Haiku so gut gefällt:

Im Tanz der Flockenleiht ein einsamer Rabedem Tod die Feder. (S.60)

REZENSIONEN

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Die Stimmung ist Wintereinsamkeit, Leben auf dem Rückzug. Gleichwohl erlie-gen diese drei Zeilen keinerlei Larmoyanz. Der »Tanz der Flocken« ist leise und poetisch. Die Worte »einsam« und »Tod« kommen eher sachlich und nüchtern daher. Absolut raffi niert aber ist, dass der »Rabe dem Tod die Feder« nur »leiht«. Ohne jede Penetranz und Aufdringlichkeit hat sich hier der Gedanke einer Auferstehung eingeschlichen. Denn was ich einem anderen (und sei es der Tod!) geliehen habe, das will ich zurück! Also nicht Edgar Allan Poes berühmter »Raven Nevermore«. Sondern ein lyrisches Ich, das selbstbewusst genug ist, nicht nur dem Leben, nein, sogar dem Tod, die Feder nur zu leihen.

***

werner köstenberger: unterwasserwelten. mit Texten von Wolfgang Honsig-Erlenburg, Werner Petutschnig und Jürgen Petutschnig. haiku und senryu von erna hahn. wassermusik (auf einer beiliegenden CD) von gerd schuller.122 Seiten. St.Veit/Glan: Context Verlag, 2005. ISBN 3-902492-02-3.

Zwei Wege, der Welt, in der wir leben, zu begegnen: einerseits der wissen-schaftliche, andererseits der künstlerische, musikalische, literarische. Wege,

die sich nicht ausschließen, sondern im günstigsten Fall jene faszinierende Symbiose eingehen, der sich das vorliegende Buch verdankt. Herrliche Fotos der Kärntner »unterwasserwelten« von Werner Köstenberger sind der Ausgangs-punkt. Wissenschaftliche Texte erschließen die im Bild festgehaltene biologische Vielfalt. Und die Dichterin Erna Hahn und der Musiker Gert Schuller steuern ihre künstlerische Sicht und Umsetzung bei.

Erna Hahn, die das Terrain literarisch erschließt, bewegt sich damit in den Fußstapfen eines Günter Eich, für den die Welt »Unter Wasser« zur Gegenwelt wurde, zum Schauplatz eines Marionettenspiels. Erna Hahn akzentuiert die herrlichen Fotos von Werner Köstenberger durch vierzehn Haiku und Senryu. Sie hält uns die Welt unter Wasser als Spiegelbild vor:

Scherengeplapper ein einzelner Krebsund vergebliches Buhlen tanzt im Wasser, warum wohlam Grund des Flusses (S.17) aus Freude, aus Leid (S.19)

REZENSIONEN

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Märchenhaft nimmt sie sich der Faszination des Themas an:

den Wasserspiegeljäh in Scherben geschlagentausend Jahre Pech (S.27)

Melancholie kommt auf, ein Wissen und Empfi nden um das Fragile, Verletzliche, Unwiederbringliche einer zauberhaften, in sich geschlossenen Welt:

Erinnerung unddas Seerosenblatt welkeneinst war der Teich tief (S.35)

Wie die Kurzlyrik in Japan weiß auch die Adeptin in Österreich virtuos die Klaviatur der literarischen Tradition einzusetzen, um ihre Aussage zu schärfen und zu präzisieren:

Der Tod als Anglerfi schte und fi schtnicht mehr nur alte Stiefel (S.117)

Der Tod als Angler – ein klassisches poetisches Bild der eigenen, menschlichen Vergänglichkeit – ist uns beispielsweise aus der Lyrik Hermann Hesses vertraut. Einen Moment lang scheint das Bild banalisiert, als ginge es »nur« um Fische. Im nächsten Augenblick erweist es sich als verschärft: Wo nurmehr unser Abfall das Bild der Natur bestimmt, da ist eine zauberhafte Welt im Schwinden. Eine, ohne die auch wir auf Dauer nicht werden existieren können. Siebzehn Silben, die nicht als Elegie gelesen werden wollen, sondern als Mahnmal.

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REZENSIONEN

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BuchbesprechungVon Volker Friebel

David Cobb: Im Zeichen des Janus. Haiku und Haibun, deutsch-englisch. Longholm, Wingland (England): Hub-Verlag, 2006. 79 Seiten. ISBN: 1-903746-61-2.

Die Bronze-Figur des Janus auf dem Umschlag von David Cobbs Haiku-Buch wurde in dem angelsächsischen Dorf gefunden, aus dem seine Vorfahren

stammen. Der römische Gott mit dem Doppelantlitz blickt nach zwei entgegen-gesetzten Seiten, dem Ein- und dem Ausgang. Die Texte des Buchs handeln von Leben und Tod.

Ich zähle 62 Haiku, jedes erst Deutsch, dann im englischen Original, und zwei Haibun, gleichfalls zweisprachig. Das Buch ist handgemacht, 16x11 Zentimeter, ein dem Haiku angemessen kleines Format, die Texte sind gut lesbar gesetzt. Über die ISBN sollte das Buch auch in jeder Buchhandlung des deutschsprachigen Raums bestellbar sein.

Etwas über die Verbindungen von David Cobb zum deutschen Festland erfährt der Leser im Vorwort und im Haibun »Auf einem Friedhof am Epiphanien-weg«. Auf der Suche nach einem Grab, an dem er vor 50 Jahren stand, und nun wieder stehen will, vom Tod einer Frau zu berichten, die jetzt in englischer Erde ruht: »Eine Parzelle für Gabler? Vielleicht seine Pacht … Ruhe in Friedenund nahe dabei ein Schild, Nutzungsrecht abgelaufen.« Als er das Grab nicht fi nden kann, im Lietzensee-Park: »Es ist noch immer schön. Damals hatten die Bombardements die Tulpen nicht aufhalten können«.

Als zweites Haibun ist »Business in Eden« aufgenommen, eine Verbindung aus der (realen) Ansprache eines Colonels vor dem Einmarsch in den Irak (»Das Land, das ihr betretet, ist die Gegend des Garten Eden«) und Worten des Autors, manchmal wie eine Fortführung, manchmal wie ein Kommentar gehalten. Beide Haibun sind literarisch interessant und emotional eindrücklich.

Einige der Haiku kenne ich bereits, oft in etwas anderen deutschen Fassungen, die meisten sind mir neu. Hier zehn davon, sie können für sich sprechen:

Frühlingssonnenschein bergauf radelnFingerspuren meiner toten Frau da überholt michan der Fensterscheibe ein Schmetterling

REZENSIONEN

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hellblauer Himmel halber MondMaler verlängern die Leitern sie zieht ihre Augenbrauenso weit es geht noch runder

und wieder Ebbe tiefe Pfl ugfurchendes Wales Kieferknochen wogender Flügelschlagversandet tiefer eines Krähenschattens

im Augenblick Abendbrot alleinzwischen Leuchtturmblitzen Gelegenheit zum Pfeifenkalter Fischgeruch durchs Makkaroni

Tyrannosaurus an der Schwelle zur Ewigkeitein schneller Blick nehm’ ich ihre Hand und sag,auf meine Fingernägel »In Essex schneit es …«

Manchmal sind die Texte ironisch oder scherzhaft, manchmal ernst und tief, immer ist da der Eindruck eines überaus kreativen, gelegentlich etwas exzentri-schen Haiku-Dichters. Solche Farben wünscht man sich mehr in der Haiku-Welt.

Ein sehr lesenswertes Buch.David Cobb widmet es seinen deutschen Haiku-Freunden, besonders Ruth

Franke, von der die meisten Übersetzungen stammen, und dem Andenken an Erika Schwalm.

***

Hinweis: Die von Udo Wenzel in seiner Buchbesprechung (in SOMMERGRASNr. 74) Seite 62 erwähnte, von Frau Inahata herausgegebene Haiku-Fibel »Erste Haiku-Schritte« ist nach wie vor beim Klinge Haiku-Verlag, Hubertusstraße 11 a, 82031 Grünwald (Tel. 089/6414292, Fax 089/6410146) erhältlich.

REZENSIONEN / HINWEIS

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BuchbesprechungVon Martin Berner

Stiftung Museum Schloss Moyland (Hrsg.): Haiku und Haiga. Japanische Roll-bilder aus vier Jahrhunderten aus der Sammlung de Jong.Katalog zu einer Ausstellung in Schloss Moyland vom 30.4. bis 15.11.2006. Amsterdam: Hotei Publishing, 2006.

Auf gut 200 Seiten werden 77 Haiga-Rollbilder vom 17. bis zum frühen 20. Jahrhundert gezeigt und erklärt. Ekkehard May und Daniel McKee

führen in die Kunst von Haiku und Haiga ein. Alle Texte sind deutsch und englisch. Wie wir es von Ekkehard May gewohnt sind, werden die Texte nicht nur übersetzt, sondern in den Zusammenhang der Zeit, in der sie entstanden sind, gestellt und so erklärt, dass auch Europäer, die des Japanischen nicht mächtig sind, sie verstehen und einordnen können. Jedes Mal, wenn ich die Übertragungen und Erklärungen von Ekkehard May lese, erfahre ich Neues über das japanische Haiku, freue mich und bin gleichzeitig betrübt über die schwierigen Umwege, die wir gehen mussten, um etwas mehr zu wissen vom Haiku in seinem Ursprungsland.

Von Daniel McKee habe ich viel Neues erfahren über Haiga. »Wenn wir begreifen, dass Spontaneität zu Intuition führt, dann können wir die Einfachheit, Reduktion und Derbheit akzeptieren … Die lyrische Stimmung von haiga ist selten rein, sondern entsteht aus der Dissonanz des Gewöhnlichen … Andere haiga vermeiden explizite Lyrik überhaupt, indem sie nur das Gewöhnliche und Banale darstellen … Sie erheben das Schlichte und Gewöhnliche zum Sujet der Komposition und verlangen, dass wir es auf eine neue Weise betrachten und unsere herkömmliche Vorstellung von Schönheit und Relevanz hinterfragen.« (S.17) »Denjenigen, die mit der Ästhetik moderner Kunst, insbesondere von Abstraktion und Expressionismus, vertraut sind, bereitet die Umstellung auf haiga keine allzu großen Schwierigkeiten. Doch ist der Gedanke, dass sich japanische Künstler mit diesen ›modernen‹ Denkansätzen bereits im 18. Jahr-hundert befasst haben – wenn auch in einem völlig anderen Zusammenhang – etwas gewöhnungsbedürftig.« (S.14)

Ein wunderbares Buch!

REZENSIONEN

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Mario FittererD’un ciel à l’autre – Von einem Himmel zum anderenEine Haiku-Anthologie mit Autoren aus 16 europäischen Ländern

Die 2003 gegründete l’Association française de haïku (L’AFH)ïku (L’AFH)ï , die Franzö-sische Haiku-Gesellschaft, ist sehr aktiv. Vierteljährlich erhält der Abonnent

zur Haiku-Zeitschrift »GONG« eine 30-40seitige Haiku-Sammlung eines Autors. In diesen Tagen edierte sie »D’un ciel à l’autre« (Von einem Himmel zum ande-ren), eine »Haiku-Anthologie der Europäischen Union« mit 221 Haiku von 66 AutorInnen und mit farbigen Illustrationen von Senadin Tursic, der seit 1992 in Frankreich lebt und als Maler und Graveur arbeitet. Einige Themen waren vorgegeben: Anfang April, die Nacht, der Baum, der Nationalfeiertag, das offene Fenster.

Dominique Chipot, Mitbegründer und Präsident der L’AFH beschränkt sich in einem Vorwort auf den Hinweis, daß hinter den Szenen harmloser Erscheinung, wie sie sich dem Autor im Augenblick ihrer Wahrnehmung ent-hüllen, Empfi ndungen, Emotionen transparent werden müssen, die den Leser fesseln. Dominique Chipot rät ihm, sich von der Magie des Haiku über seine wenigen Zeilen mitreißen zu lassen, wohin ihn seine plötzlich auftauchenden Erinnerungen wohl führen werden. Er schließt das Vorwort mit einem Haiku von Klaus-Dieter Wirth:

la fenêtre ouverte. das Fenster weit offen –sur le rebord une cage, auf dem Brett ein Käfi g,la porte ouverte. sein Türchen offen

Eine öffnende Variante zu einem Haiku des Autors im Innern der Anthologie, das vermeintlicher Freiheit einen Riegel vorschiebt:

Das Fenster weit offen –auf dem Brett ein Käfi g,sein Türchen geschlossen

»Fenêtre ouverte«, offenes Fenster, Stichwort für siebenunddreißig Haiku, ist auch ein Kennzeichen in der Anthologie. Sie ist grenzüberschreitend. Sie versammelt Texte von Autoren aus sechzehn europäischen Ländern in deren Muttersprache,

REZENSIONEN

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in Französisch, Englisch und einzeilig in Japanisch mit Kanji und Hiragana. Deutlich wird, daß sich das europäische Haiku, wenigstens die in der Antho-logie, weitgehend von der engen Bindung an das japanische Original gelöst hat. Freestyle-Haiku sind ebenso selbstverständlich wie die siebzehnsilbigen. Man fi ndet sogar einige wenige ein-, zwei- und vierzeilige Haiku. Das Thema Nationalfeiertag gibt etwa 25 Haiku die Wende in Richtung des Politischen. Die Technik ist mit einigen Texten, vor allem mit Motiven des Straßenverkehrs, vertreten. Insgesamt nehmen naturnahe Situationen einen breiten Raum ein.

sólo pasos rien que des pasen la gravilla sur le graviery la luna et la lune

Isabel Asúnsolo (Spanien) nichts als Schritte auf dem Kies und der Mond

14/07/2005 14.7.2005acrobaties aériennes Kunstfl ügedes hirondelles der Schwalben

Damien Gabriels (Frankreich)

pred zmenkom Avant le premier rendez-vousna slepo – vpla am loto je joue au loto

Edin Sara evi (Slowenien) Vor dem ersten Rendezvous spiele ich Lotto

»D’un ciel à l’autre« ist eine interessante Anthologie. Auch weil sie einen gewis-sen Überblick über Haiku in Europa gibt. Sie läßt immer wieder anhalten, bei einzelnen Texten verweilen, deren Mehrdeutigkeit nachdenken lassen, deren Öffnung in den leeren Raum tiefere Schwingungen des Lesers erreicht.

nuit sans lune Mondlose Nachtdans un verre d’eau une aspirine in einem Glas Wasser verschwindetdisparaît ein Aspirin

Jean-Christophe Cros (Frankreich)

REZENSIONEN

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Skidåkaren stannar Le skieur s’arrêteför att lämna rum pour laisser placeår snöns tystnad au silence de la neige

Kai Falkman (Schweden) der Skiläufer hält an um dem Schweigen des Schnees Raum zu lassen

Die Übersetzungen der Haiku aus dem Französischen stammen von Mario Fitterer, außer den beiden Haiku von Klaus-Dieter Wirth, deren deutschsprachige Version übernommen wurde.

D’un ciel à l’autre. Anthologie de haï Anthologie de haï Anthologie de ha ku de’Union Europïku de’Union Europï éenne, illustré par Senadin Tursic, éd. par l’Association française de haïaise de haïaise de ha ku. ïku. ï293 p., Seichamps, 2006. – ISBN 2-9522178-0-7.

REZENSIONEN

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Mario FittererDie Wendeltreppe

Haut immeuble. Hochhaus.L’escalier en colimaçon atteint Die Wendeltreppe erreichtla lune. (1) den Mond.

Alenka Zorman (Slowenien) (Übers.: M. Fitterer)

Kleines Schnecklein, Du!Besteige hin ganz langsamden Fuji-Berg! (2)

Issa (Japan)

Ein Vergleich des Haiku von Alenka Zorman mit dem von Issa, in der Über-setzung von Horst Hammitzsch, scheint weit hergeholt. Hier ist allerdings nicht

vom berühmten Fujisan die Rede, sondern von einem kleinen aufgeschütteten, ebenfalls »Fuji« genannten Hügel in der Nähe des Edo-Stadtteils Asakusa. (2)

Wenn die Entfernung zum Fuji-Hügel auch geringer ist als vermutet, bleibt doch ein Verbindendes: das (scheinbar) Unerreichbare. Die Schnecke wird wohl kaum auf dem Gipfel ankommen. Die Wendeltreppe kann den Mond nur ideell erreichen.

Seine Übersetzung ins Deutsche gibt das französische Haiku nur unzurei-chend wieder. »colimaçon« in »escalier en colimaçon« = »Wendeltreppe« bedeutet »Schnecke«. Diese Feinheit lädt den Leser ein, Issas Schnecke auf der Wendeltreppe unterwegs zum Mond zu sehen. Die Unmöglichkeit, daß die Wendeltreppe auf dem Mond anlegt, wird so gesteigert.

(1) D’un ciel à l’autre. Anthologie de haïkus de l’Union Européenne, illustré par Senadin Tursic, éd. par l’Association Française de Haïku. 293 p., Seichamps, 2006. – ISBN 2-9522178-0-7.

(2) Issa: Übersetzung mit Kommentar und Nachdichtung Deutscher Dichter und Japanischen Scherenschnitten. Hrsg. von Hachir Sakanishi, unter Mitarbeit von Sh z Miyawaki und Horst Hammitzsch. 164 S., Nagano: Shinano Mainichi Shimbun, 1981.

REZENSIONEN

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Mario FittererDramatische Wendein einem Haiku von Günter Wohlfart

Ile de Houat

alleinBretagne blauweißer Möwenschreidein Gesicht

Ile de Houat ist eine kleine bretonische Insel 15 km südöstlich vor Quiberon, zirka 5 km lang, 1 km breit und bis zu 30 m hoch. Wie Inseln wirken die

Zeilen zueinander, unverbunden, ohne grammatikalische Weiterführung, mit angehaltener Sprache. In vier Zeilen, deren Silben mit denen der Überschrift 17 ergeben, sind die Worte hingetuscht, knapp, Hinweise. Die Stationen der Veränderung von Augen-Blick zu Augen-Blick bis zur überraschenden Vision entwickeln sich direkt aus den Worten.

Eine Person oder zwei, »allein« auf der »Ile de Houat« in der »Bretagne«, das (intensive Azur) Blau (der Gegend) vor Augen. Ein »weißer Möwenschrei« verändert das Gesichtsfeld dramatisch. Er rückt »dein Gesicht«, das Gesicht des Begleiters oder der Begleiterin ins Blickfeld oder erinnert an ein Gesicht jenseits der Insel. Das Weiß des Möwenschreis scheint sich auf den Teint des aufscheinenden Gesichts zu übertragen. Die Landschaft geht in die Landschaft eines Gesichts über.

Günter Wohlfart: Zen und Haiku oder Mu in der Kunst HaiKühe zu hüten nebst anderen Texten für Nichts und wieder Nichts.Stuttgart: Philipp Reclam jun., 1997, 181 S. – ISBN 3-15-009647-2.

REZENSIONEN

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»Der Sperling« – eine minimalistische haishiVon Hubertus Thum

Der Sperling«, diese überall gefährdete Art, ist das Projekt einer minimalisti-schen deutschen Haiku-»Zeitung« (haishi(haishi( )haishi)haishi , die einmal wöchentlich erschei-

nen und als eMail verbreitet werden soll. Herausgeber ist Hubertus Thum.»Der Sperling« ist ausschließlich dem Haiku gewidmet. Er will bescheiden

beginnen und bescheiden bleiben. Der Hektik, Anonymität und ausufernden Gesprächigkeit des World Wide Web setzt er bewusst die Stille, Vertrautheit und Konzentration der persönlichen Mitteilung entgegen.

Veröffentlicht werden jeweils nur ein einziges oder wenige sorgfältig aus-gewählte Haiku in deutscher, englischer oder spanischer Sprache sowie kurze Texte. Die Arbeiten ausländischer Autorinnen und Autoren erscheinen im Original und in deutscher Übersetzung.

Der Bezug via eMail ist kostenfrei. Die erste Ausgabe wird voraussichtlich im Januar 2007 vorliegen. Subskriptionen sind ab sofort unter folgender eMail-Adresse möglich: [email protected]

Es genügt die Übersendung einer eMail mit dem Eintrag »Subskription« oder »Abonnement« in der Betreffzeile. Ebenso unproblematisch kann die Abbestellung oder Adressenänderung erfolgen. Anregungen und konstruktive Kritik sind ausdrücklich willkommen. Soweit sie mit der Konzeption vereinbar sind, fl ießen sie stillschweigend in die künftige Arbeit ein.

Deutsche und ausländische Autorinnen und Autoren, selbstverständlich auch Newcomer, sind jederzeit eingeladen, qualitativ anspruchsvolle und möglichst un-publizierte Haiku zur Veröffentlichung einzureichen. Akzeptiert werden Haiku im freien und im gebundenen Format, mit oder ohne Jahreszeitenwort, sowie experimen-telle Arbeiten, falls diese die Zugehörigkeit zum Genre Haiku erkennen lassen.

Bitte alle Einsendungen nur im Body. Anhänge können nicht geöffnet werden. Es wird gebeten, nicht mehr als zwei Texte auf einmal vorzulegen und Name, Vorname, Wohnort und Nationalität sowie gegebenenfalls die Daten der Erstver-öffentlichung mitzuteilen. Mit der Einsendung ist die Erlaubnis zur unentgeltlichen einmaligen Veröffentlichung unwiderrufl ich erteilt, bei fremdsprachigen Texten auch zu ihrer Übersetzung ins Deutsche. Alle Rechte bleiben bei den Autoren. Eingangsbestätigungen oder Rücksendungen erfolgen nicht. Von jeder Veröffent-lichung wird ein Beleg zur Verfügung gestellt. Es ist nicht auszuschließen, dass die ausgewählten Arbeiten erst nach längerer Wartezeit erscheinen können, um sie der jahreszeitlichen Thematik zuzuordnen.

MITTEILUNGEN

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Haiku-Jahrbuch 2006Von Volker Friebel

Für das Haiku-Jahrbuch 2006 werden die besten Haiku gesucht, die 2006 entweder geschrieben oder erstmals veröffentlicht wurden. Ausdrücklich

sind Verse mit und ohne Einhaltung der bekannten 17 Silben, mit und ohne Jahreszeitenwort gleichermaßen erwünscht, gerne auch in Mundart (zur leich-teren Beurteilung bitte mit Übersetzung). Die Haiku werden von einer Jury aus Mitarbeitern von »Haiku heute« und Mitgliedern der DHG ausgewählt.

Bitte beachten Sie, dass die Auswahl wie schon bei den ersten drei Jahr-büchern ausschließlich Haiku-orientiert sein wird. Es geht nicht darum, einen Band mit möglichst breitem Autorenspektrum vorzustellen, das leisten andere Veröffentlichungen. Es geht ausschließlich um die möglichst vollständige Samm-lung der besten Haiku aus 2006, um eine Auswahl nach rein qualitativen Gesichtspunkten also. Senden Sie deshalb bitte Ihre besten Haiku des Jahres ein (maximal 50), diese müssen keineswegs unveröffentlicht sein.

Jeder ins Jahrbuch aufgenommene Autor erhält ein Freiexemplar, alle Rechte an den Haiku verbleiben zur weiteren Verwertung bei den Autoren. Die Ein-sendefrist für das Jahrbuch endet am 31. Januar 2007.

Einsendungen bitte an Volker Friebel, Denzenbergstr. 29, 72074 Tübingen, vorzugsweise elektronisch lesbar durch Diskette oder durch Versand an: [email protected] (Papier wird aber durchaus auch gern genommen). Bitte dazu vermerken, dass die Einsendung für das Jahrbuch gedacht ist.

Über die obere Adresse sind auch die ersten drei Jahrbücher bestellbar:

Gepiercte Zungen. Haiku-Jahrbuch 2003. 108 Seiten. ISBN: 3-936487-05-7

Der Lärm des Herzens. Haiku-Jahrbuch 2004. 84 Seiten. ISBN: 3-936487-07-3

Worte für die Wolken. Haiku-Jahrbuch 2005. 128 Seiten. ISBN: 3-936487-08-1

MITTEILUNGEN

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Der 10. Kongress der Deutschen Haiku-GesellschaftVorankündigung

Er fi ndet statt vom 25. bis 27. Mai 2007 in Halle/Saale. Wir tagen in der »Schöpfkelle«, einem Seniorenzentrum, in dem wir unter uns sind und

genügend Platz und Ruhe haben, uns ausführlich mit allen möglichen Themen rund um das Haiku zu beschäftigen. Die Kongressgebühr haben wir mit 20 Euro für Mitglieder und Ehegatten bewusst gering gehalten (Nichtmitglieder zahlen 50 Euro) und hoffen, dass sich mehr Mitglieder als sonst dafür entscheiden, am Kongress teilzunehmen. Fast direkt neben unserem Tagungsort gibt es günstige Übernachtungsmöglichkeiten (Einzelzimmer mit Dusche und Toilette 35 Euro, Frühstück inbegriffen, Doppelzimmer 41 Euro, daneben werden noch günstigereMöglichkeiten in der Stadt in Mehrbettzimmern ohne Frühstück angeboten).

Hier das (noch nicht endgültige) Programm:

Freitag, 25. Mai 200719 Uhr Eröffnung des KongressesGrußworteBekanntgabe der Preisträger des Haiku-Preises der DHG

Samstag, 26. Mai 20079 bis 11 Uhr Haibun-Workshop mit Dr. Lydia Brüll12 Uhr Mittagessen 13.30 bis 15 Uhr Ginko (Haiku-Spaziergang)16 bis 17.30 Uhr Workshop mit Mario Fitterer »Haiku zwischen Schweigen und Sprechen – Minimieren der Worte im Haiku«18 Uhr Abendessen20 Uhr eine weitere Veranstaltung, Art und Thema noch offen

Sonntag, 27. Mai 20079 bis 12 Uhr Mitgliederversammlung Nachmittags, auch eventuell Montag, touristisches Programm

Es gibt viel zu sehen in Halle.In den Tagungsräumen gibt es die Möglichkeit, Haiga und Fotohaiku auszu-

stellen. Ausstellungsobjekte bitte rechtzeitig vorher an Christa Beau schicken.Es wäre gut, wenn wir frühzeitig wissen, wer auf jeden Fall teilnimmt (Mit-

teilung bitte an Martin Berner). Die Formulare für die endgültige Anmeldung fi nden Sie im nächsten SOMMERGRAS.

MITTEILUNGEN

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67 MITTEILUNGEN

Haikupreis der Deutschen Haiku-Gesellschaft

Die DHG sucht die besten deutschsprachigen Haiku. Eine feste Form wird nicht vorgegeben. Jede/r Einsender/in kann sich mit höchstens einem bisher noch nicht veröffentlichten Haiku beteiligen. Bewertungskriterien sind Ausdrucksstärke und sprachliche Qualität der Texte. Es werden drei Preise vergeben: Der erste ist mit 500 Euro dotiert, der zweite mit 300 Euro und der dritte mit 200. Die Jury besteht aus dem Vorstand der DHG. Die Preisträger werden bei der Eröff-nungsveranstaltung des Kongresses am 25.5. 2007 um 19 Uhr in Halle/Saale bekannt gegeben. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass der Rechtsweg ausgeschlossen ist. – Einsendungen bitte bis 28.2.2007 mit Vor- und Zunamen und Adresse der Verfasserin oder des Verfassers an Martin Berner. Die Einsen-der/innen stimmen zu, dass ihre Texte veröffentlicht werden.

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Anthologie der Deutschen Haiku-Gesellschaft

Der Vorstand hat beschlossen, im Jahr 2007 eine Anthologie mit Haiku der Mitglieder der Deutschen Haiku-Gesellschaft herauszubringen. Jedes Mitglied kann bis zu drei Haiku zur Veröffentlichung einreichen. Es werden keine Vor-gaben zu Form und Inhalt gemacht. Teilnahmegebühren entstehen nicht, alle Teilnehmer/innen erhalten ein Freiexemplar, weitere Exemplare können bestellt werden. – Einsendungen bitte bis 31. März 2007 an Martin Berner.

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Die Stiftung Künstlerdorf Schöppingen schreibt u.a. 12 Stipendien für Literatur aus. Die Stipendien sind international offen, es gibt keine Altersbeschränkung. Die Stipendienhöhe beträgt 1025 Euro im Monat, die maximale Spendendauer (mit Aufenthalt im Künstlerdorf Schöppingen) beträgt sechs Monate. Bewer-bungen bis 15. Januar 2007 an: Stiftung Künstlerdorf Schöppingen, Postfach 1140, 48620 Schöppingen. www.stiftung-kuenstlerdorf.de

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68 IMPRESSUM

Vierteljahresschrift der Deutschen Haiku-Gesellschaft19. Jahrgang · Dezember 2006 · Nummer 75

Herausgeber: Martin Berner (v.i.S.d.P.)Hofgartenweg 11 · 60389 Frankfurt am Main

Tel.: 069/47 40 92 · Fax: 069/47 88 58 11eMail: [email protected]

Wechselnde Mitarbeiter · Freie Mitarbeit erwünscht.Beiträge bitte (per eMail) an den Herausgeber.Redaktionsschluss für Nr. 76: 1. Februar 2007

Redaktion und Gestaltung: Gerhard P. PeringerNernstweg 24 · 22765 Hamburg

Tel./Fax: 040/39 64 76 · eMail: [email protected]

Druck: Hamburger Haiku Verlag – Erika WübbenaCurschmannstraße 37 · 20251 Hamburg

Tel.: 040/48 34 62 · Fax: 040/460 958 12 Web: www.haiku.de · eMail: [email protected]

Vertrieb und Anzeigen: Geschäftsstelle der Deutschen Haiku-Gesellschaft e.V.Georges Hartmann · Saalburgallee 39-41 · 60385 Frankfurt am Main

Tel.: 069/45 94 33 · eMail: [email protected]

Jahresabonnement Inland (incl. Porto) 25 € Jahresabonnement Ausland (incl. Porto) 30 €

Einzelheftbezug Inland/Ausland 6 € (zuzügl. Versandkosten)Auslandsversand nur auf dem Land-/Seeweg.

Für Mitglieder der DHG ist der Bezug im Mitgliedsbeitrag enthalten.

Aufl age: 300ISSN: 1863-088X

© Alle Rechte bei den Autoren.Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers gestattet.

Titelillustration: Aquarell von Ramona Linke

SOMMERGRAS


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