InvaProtect – Nachhaltiger Pflanzenschutz gegen invasive Schaderreger im Obst- und Weinbau
Diese Publikation wurde im Rahmen des Projekts InvaProtect „Nachhal-
tiger Pflanzenschutz gegen invasive Schaderreger im Obst- und Weinbau“
veröffentlicht.
1 Einführung
Der Klimawandel und der weltweit zunehmende Waren-
verkehr begünstigen die Ausbreitung neuer invasiver Scha-
derreger auch im Oberrheingraben. Dazu gehört auch die
Maulbeerschildlaus (Pseudaulacaspis pentagona) (Abb. 1). Sie gilt
weltweit als wichtiger und gefährlicher Schädling von Obst- und
Ziergehölzen sowie Wald- und Parkbäumen.
1.1 Bedeutung der Maulbeerschildlaus
Massiver Befall durch die Maulbeerschildlaus führt innerhalb
weniger Jahre zum vollständigen Absterben der Bäume und
Sträucher. Im Obstbau sind am Oberrhein besonders Pfirsich
und Johannisbeere betroffen (Abb. 2–4). In den letzten Jahren
wurde auch zunehmender Befall an Stachelbeeren und Süßkir-
schen (Abb. 5) festgestellt.
Seit 2016 werden zusätzlich zum Teil massive Fruchtschäden
an Pfirsich beobachtet. Besonders betroffen sind die Sorten Royal
Glory (Abb. 6), Benedicte und Weinbergspfirsich. An anderen
Kulturen wurden bislang keine Fruchtschäden registriert.
Bei Aprikosen trat bisher kein Befall durch Maulbeerschild-
laus im Oberrheingraben auf.
Die Maulbeerschildlaus am OberrheinLeitfaden zur Bedeutung, Verbreitung, Biologie, Erfassung und
Monitoring sowie Bekämpfung
Abb. 1: Weibliche Maulbeerschildläuse, Abb. 2: Von männlichen
Schilden überzogener Pfirsichstamm
Fotos: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz
Abb. 3: Befall an Pfirsich
Foto: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz
Abb. 4: Befall an Roter Johannisbeere
Foto: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz
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Die Maulbeerschildlaus am Oberrhein
Verbreitungskarte wird permanent bei Auftreten neuer Funde
aktualisiert (siehe Hinweis auf letzter Seite) und ist online unter
www.isip.de/isip/servlet/isip-de/info/karten/pseudaulacaspis-
pentagona und www.ltz-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Ueber+uns/
Publikationen+und+Ergebnisse zu finden.
Abb. 6: Fruchtschäden an Pfirsich
Foto: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz
Abb. 7: Nachweise der Maulbeerschildlaus und ihrer natürlichen
Gegenspieler im Oberrheingraben (Stand: Sept. 2018)
Abb. 5: Befall an Süßkirsche
Foto: Dahlbender/DLR Rheinpfalz
1.2 Verbreitung
Seit 2001 verursacht diese invasive Schildlaus vor allem in
Süddeutschland zunehmend in den o.g. Obstkulturen große
Schäden. Im Pfälzer Anbaugebiet wurde die Maulbeerschildlaus
erstmals 2002 an der weißfleischigen Pfirsichsorte Benedicte
nachgewiesen. Seither hat sie sich rasant über das gesamte
Anbaugebiet ausgebreitet. Man findet sie mittlerweile nahezu
in jeder Pfirsichanlage.
In den Folgejahren breitete sich der Schädling in allen
Pfirsichanbauregionen des Oberrheingrabens (Rheinhessen,
Pfalz, Nord-, Mittel- und Südbaden) weiter aus. Bis 2010 wei-
tete sich der Befall auf Johannis- und Stachelbeeren aus (Pfalz
und Mittelbaden). Seit 2016 findet man nun zunehmend Befall
an Süßkirschen. Bisher sind in der Pfalz, Rheinhessen und in
Nordbaden die Sorten Grace Star, Samba und vereinzelt Penny,
Linda, Skeena und Zoe betroffen.
Im Elsass tritt die Maulbeerschildlaus in Einzelfunden in
Kriegsheim (2016) und in Ammerschwihr (2017) auf. Eine
weitere Ausbreitung über diese Fundstellen hinaus wurde
bislang nicht beobachtet.
In der Schweiz konnte die Maulbeerschildlaus bisher nur
am Genfer See und im Tessin nachgewiesen werden. Es gibt
noch keine Funde in der Nordschweiz und somit im Schweizer
Teil des Oberrheingrabens.
Abbildung 7 zeigt die Verbreitung der Maulbeerschildlaus
und ihrer natürlichen Gegenspieler im Oberrheingraben. Diese
3
Die Maulbeerschildlaus am Oberrhein
2 Biologie der Maulbeerschildlaus
2.1 Wirtspflanzen der Maulbeerschildlaus
Aus den USA sind 121 Wirtspflanzenarten vieler verschiedener
Pflanzenfamilien bekannt, darunter Obstarten wie Pfirsich, Birne,
Walnuss, Johannisbeere, Himbeere oder Kiwi sowie verschiedene
einheimische Zierpflanzen wie Ahorn, Bartblume, Blauglocken-
baum, Eiche, Esche, Flieder, Linde, Maulbeere, Robinie, Trom-
petenbaum. Im Oberrheingebiet gab es zusätzlich im Obstbau
erste Hinweise auf den Befall von Stachelbeere und Süßkirsche.
2.2 Lebensweise und Biologie
Die lachsfarbenen bis ziegelroten Wanderlarven (Crawler)
der ersten Generation schlüpfen ab Mitte/Ende Mai.
Die männlichen Larven verbleiben in der Nähe der Mut-
terschilde, die weiblichen Crawler wandern umher und
besiedeln die jungen Triebe, um sich dort festzusetzen. Die
sich entwickelnden adulten Weibchen beginnen ab Mitte Juli
mit erneuter Eiablage. Im August schlüpfen die Wanderlar-
ven der zweiten Generation. Die Maulbeerschildlaus bildet
geflügelte Männchen aus, deren Flugaktivität mit Hilfe von
Pheromonfallen ermittelt werden kann.
Im Oberrheingraben fliegt die erste Männchengeneration
von Mitte Juni bis Ende Juli, die zweite von September bis
Oktober (Abb. 8).
Die Verbreitung der Maulbeerschildlaus erfolgt hauptsäch-
lich über die Windverfrachtung der Wanderlarven (Abb. 9).
Der Befall kann sich innerhalb von Obstanlagen sehr schnell
von Baum zu Baum ausbreiten.
Abb. 8: Lebenszyklus der Maulbeerschildlaus (nach Frankenhuyzen und Stigter, 2002: Schädlinge und nützliche Insekten und Milben an
Kern- und Steinobst in Mitteleuropa; mod. nach den Erfahrungen vom Oberrheingraben, Orth/DLR 2011)
Abb. 9: Wanderlarven der Maulbeerschildlaus auf der Rinde
Foto: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz
Abb. 10: Weibchen der Maulbeerschildlaus
Foto: Wahl/DLR Rheinpfalz
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Die Maulbeerschildlaus am Oberrhein
Abb. 11: Festsitzende ungeflügelte Männchen der Maulbeerschild-
laus Foto: Wahl/DLR Rheinpfalz
Abb. 12: Geflügelte männliche Tiere, orange bis rötlich mit durch-
sichtigen Flügeln im Juli (1. Generation) und im September/Okto-
ber (2. Generation) Foto: Wahl/DLR Rheinpfalz
Abb. 13 und 14: Eigelege der Maulbeerschildlaus Fotos: Wahl/DLR Rheinpfalz
Abb. 15: Wanderlarven der Maulbeerschildlaus
Foto: Wahl/DLR Rheinpfalz
Abb. 16: Lachsfarbene Wanderlarven
Foto: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz
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Die Maulbeerschildlaus am Oberrhein
2.3 Die verschiedenen Stadien der Maulbeerschildlaus
Die Weibchen der Maulbeerschildlaus sind weiß bis gelbo-
range gefärbt, besitzen eine ovale Form und sind 2 bis 2,5 mm
groß (Abb. 10). Sie sind stets nur auf oder unter der Rinde bzw.
unter den männlichen Schilden zu finden. Die weiblichen Tiere
bilden keine geflügelten Formen.
Die ungeflügelten länglichen Männchen sind ca. 0,7 mm lang
und gelblich, sowie an einem weißlichen wachsüberzogenen Schild
zu erkennen (Abb. 11). Männliche Tiere verbleiben von Mai bis
November auf dem Holz, bilden aber auch auch geflügelte For-
men (Abb. 12) in zwei Generationen im Frühsommer und im
Spätsommer aus (vgl. Abb. 8 Lebenszyklus). Nach dem Ausfliegen
der Männchen bleiben deren leeren Schilde auf den Ästen zurück.
Die Eiablage erfolgt unter den weiblichen Schilden (Abb.
13 und 14). Die Eier sind oval sowie gelblich bis orange gefärbt.
Ein Weibchen legt 100 bis 150 Eier ab.
Die Wanderlarven (Crawler, nur weibliche Tiere) sind
lachsfarben bis ziegelrot gefärbt, längs-oval und ca. 0,2 mm groß
(Abb. 15 und 16). Sie sind maßgeblich an der Ausbreitung des
Schädlings und damit des Befalls beteiligt.
3 Überwachungs- und Monitoringmaßnahmen
Durch eine regelmäßige Kontrolle der Obstanlage sollte
sichergestellt werden, ob Befall vorliegt oder nicht. Alter Befall
mit leeren Schilden sollte von Befall an den neuen Austrieben
unterschieden werden. Dazu sollten Astproben geschnitten
und an den Pflanzenschutzdienst weitergeleitet werden, wenn
selbst keine visuelle Kontrolle erfolgen kann. Dieses präven-
tive Monitoring ist für eine Ausbreitungsüberwachung sowie
Bekämpfung der Schildläuse von größter Bedeutung. Über die
aktuelle Verbreitungskarte kann festgestellt werden, ob die Rote
Austernförmige Schildlaus in der Region vorkommt.
Diese liegen bei der regionalen Pflanzenschutzberatung vor
und werden von den Pflanzenschutzdiensten aktualisiert und
publiziert. Für die überregionale Erfassung des Auftretens von
invasiven Schildläusen steht der Pflanzenschutzberatung die
Monitoring-APP von ISIP zur Verfügung.
3.1 Befallssymptome
Das Auftreten von Männchen, Weibchen und Wanderlarven
der Maulbeerschildlaus kann am Baum im Bestand visuell über-
wacht werden. Hilfreich ist eine mindestens 15-fach vergrößernde
Lupe. Nachfolgende Fotos und Hinweise dienen als Hilfestel-
lung zum Erkennen des Schadbildes. Im Verdachtsfall kann
die zuständige Pflanzenschutzberatung hinzugezogen werden.
Bei massivem Maulbeerschildlausbefall am Holz sehen die
Stämme und Leitäste wie „weiß gekalkt“ aus (= eindeutiges Indiz
für die Maulbeerschildlaus, Abb. 17). Dieses Symptom ist ganzjährig
zu beobachten. Weiterhin bildet sich bei massenhaftem Auftreten
männlicher länglicher Schilde ein wachsartiger Überzug (Abb. 18).
Auf oder in Rissen in der Rinde sitzen die rund-ovalen
rötlichen Weibchen der Schildlaus, häufig unter den alten
weißlichen Schilden der männlichen Tiere (Abb. 19 und 20).
Abb. 17: „Gekalkte Äste“ Foto: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz Abb. 18: Wachsartiger Überzug durch das massenhafte Auftreten
männlicher länglicher Schilde Foto: Wahl/DLR Rheinpfalz
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Die Maulbeerschildlaus am Oberrhein
Abb. 19 und 20: Rund-ovale rötliche Weibchen auf oder in Rissen in der Rinde oder unter den alten weißlichen Schilden der Männchen
Fotos: Wahl/DLR Rheinpfalz
Abb. 21 und 22: Crawler der Maulbeerschildlaus auf Leitästen Foto: Harzer/DLR Rheinpfalz
Abb. 23: Aufgehängte Pheromonfalle
Foto: Harzer/DLR Rheinpfalz
Abb. 24: Eine Seite mit Leim der Pheromonfalle
Foto: Frey/FREDON Alsace
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Die Maulbeerschildlaus am Oberrhein
Die Anhäufungen von Wanderlarven (Crawler), welche als
lachsfarbene bis braun-rötliche Verfärbungen auf der Rinde zu
sehen sind (Abb. 9), sind nur mit einer Lupe gut erkennbar
(mindestens 15-fach vergrößernd). Sie treten von Mitte Mai bis
Juni und von Ende Juli bis August auf. Die Abbildungen 21
und 22 zeigen sie auf Leitästen.
3.2 Monitoring
3.2.1 ÜBERWACHUNGDERGEFLÜGELTENMÄNNCHENMIT
PHEROMONFALLEN
Die Flugaktivität der geflügelten männlichen Tiere kann
mit Pheromonfallen überwacht werden (1 Falle pro Anlage).
Ergänzend zur visuellen Kontrolle können bei Maulbeerschild-
läusen Pheromonfallen (Abb. 23 und 24) eingesetzt werden,
um die flugaktiven, rotbraun gefärbten männlichen Schildläuse
nachzuweisen. Die Fallen dienen nur der Flugkontrolle, sollten
mindestens wöchentlich ausgewertet werden und können nicht
zur Befallsreduktion eingesetzt werden. Für die Klebfläche der
Pheromonfalle sollte Vaseline und nicht Insektenleim verwendet
werden, da das Pheromon auch attraktiv auf die Schlupfwespen der
Schildläuse wirkt und solche Beifänge vermieden werden sollten.
Bezugsquelle: Biogard, via XXV Aprile, 44, 24050 Grassobbio
(BG), E-Mail: [email protected] (Stand: November 2017)
Die rötlich gefärbten geflügelten Männchen mit einer Flü-
gelspannweite von nur 1,4 mm erscheinen auf den Leimböden
wie winzige rot-orange Punkte (Abb. 25 und 26). Befinden sich
auf dem Leimboden massenhaft Tiere, ist nur eine Schätzung
der Anzahl der gefangenen Tiere möglich. Eine mindestens 15-
fach vergrößernde Lupe ist hilfreich. Als ungewünschte Beifänge
können nützliche Schlupfwespen auftreten, die ebenfalls von
dem Pheromon angelockt werden. Daher ist es empfehlenswert
auf der Falle Vaseline anstatt Insektenleim zu verwenden.
3.2.2 BEFALLSÜBERWACHUNGBEIDERERNTEANHAND
VONTYPISCHENFRUCHTSCHÄDEN
(bisher nur bei Pfirsich bekannt)
Ein wichtiges Indiz für möglichen Maulbeerschildlausbefall
sind auch die typischen Fruchtschäden, die bislang jedoch nur
bei Pfirsich beobachtet wurden. Die nachfolgenden Fotos sollen
eine exakte Zuordnung dieser typischen Schäden ermöglichen
(Abb. 27 bis 30).
Die Fruchtschäden an Pfirsich, die durch die Maulbeerschild-
laus versursacht werden, können auf den ersten Blick durchaus
mit denen von Austernschildläusen oder der San José-Schildlaus
(SJS) verwechselt werden (Abb. 27, 28, 29).
Im Gegensatz zu diesen beiden Arten kommt es allerdings
bei massivem Befall durch die Maulbeerschildlaus auch zu
Fruchtdeformationen (Abb. 30) Dellen bzw. Einsenkungen
in der Fruchthaut), die man von der San José-Schildlaus so
nicht kennt.
Um die Saugstellen auf der Frucht bildet sich wie bei der
SJS als Reaktion ein roter Hof (rote mehr oder weniger runde
Abb. 25 und 26: Männliche geflügelte Schildläuse auf Leimboden; rechts vergrößerte Ansicht
Fotos: Olaf Zimmermann/LTZ Augustenberg
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Die Maulbeerschildlaus am Oberrhein
Flecken). Im Innern dieser Flecken findet man allerdings keine
grau-bläulichen Läuse wie bei der SJS, sondern in der Regel
weiße Schilde der Männchen.
4 Regulierungs- und Bekämpfungsmöglichkeiten
Die Bekämpfung der Maulbeerschildlaus ist durch die
versteckte Lebensweise sehr schwierig. Die weiblichen Tiere
sind durch die Schilde der Männchen gut geschützt. Die emp-
findlichsten Stadien sind die frei beweglichen Wanderlarven.
Bei der Bekämpfung stehen nicht-chemische Maßnahmen
im Vordergrund, die nachfolgend beschrieben werden. Voraus-
setzung für eine erfolgreiche Bekämpfung ist das rechtzeitige
Erkennen des Befalls durch den Schädling. Je früher ein Befall
erkannt wird, desto effektiver können die Gegenmaßnahmen (z.
B. geringerer Aufwand, Optimierung des Nützlings-Schädlings-
Verhältnis) sein und desto geringer fällt ein Verlust durch
Schnittmaßnahmen oder befallene Früchte aus.
4.1 Abstrahlen der Bäume
Am Landratsamt Karlsruhe und am DLR Rheinpfalz in
Neustadt wurden in den vergangenen Jahren bei Pfirsich
Versuche zum Abstrahlen der Schildläuse von der Baumrinde
durchgeführt. Mit einem Druck von 20 bis 30 bar wurden
die Stämme und Leitäste während der Vegetationsruhe vor
dem Austrieb mit Wasser unter hohem Druck abgestrahlt
und damit die Maulbeerschildläuse abgewaschen (Abb. 31
und 32).
Abb. 27 und 28: Befallssymptome durch Maulbeerschildlaus Fotos: Wahl, Harzer/DLR Rheinpfalz
Abb. 29: Befallssymptome durch Maulbeerschildlaus
Fotos: Wahl/DLR Rheinpfalz
Abb. 30: Fruchtdeformationen verursacht durch den Befall mit
Maulbeerschildlaus Fotos: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz
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Die Maulbeerschildlaus am Oberrhein
Nachteile: Dieses Verfahren ist sehr arbeitsintensiv (ca.
100 Stunden pro ha) und muss mehrfach wiederholt werden.
Bei Strauchbeeren ist es nicht möglich, da die Rindenschäden
an den Trieben zu groß wären.
Der optimale Anwendungszeitpunkt für die Hochdruckbe-
handlung ist nach dem Blattfall im Herbst bis kurz vor Austriebs-
beginn (März). Sie darf nicht bei Frost durchgeführt werden.
Diese mechanische Maßnahme hat sich bei Pfirsich sehr gut
bewährt und eignet sich auch für Süßkirschen durchführbar
sein, ohne dass Rindenschäden entstehen.
4.2 Abschneiden und Roden
Die wichtigste Gegenmaßnahmne ist zweifelsfrei das Ro-
den stark befallener Bäume und das Wegschneiden befallener
Äste und Zweige (Abb. 33 und 34; vor allem bei Befallsbeginn
sinnvoll) ebenfalls während der Vegetationsruhe vor dem
Austrieb. Dieses mechanische Beseitigen und Verbrennen
von Befallsmaterial wird nach wie vor vorrangig empfohlen.
Sobald jedoch eine Parasitierung des Schädlings durch
natürliche Gegenspieler vorliegt, ist dringend von einer Ver-
Abb. 31: Hochdruck-Abstrahlen der Bäume mit Wasser
Foto: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz
Abb. 32: Ergebnis des Hochdruck-Abstrahlens
Foto: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz
Abb. 33: Rodung von Pfirsichbäumen
Foto: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz
Abb. 34: Befallene Stämme müssen noch entfernt werden
Fotos: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz
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Die Maulbeerschildlaus am Oberrhein
brennung abzusehen (siehe nachfolgender Abschnitt zu na-
türlichen Gegenspielern). Bei Parasitierung mit natürlichen
Gegenspielern sollte das Schnittgut in den Anlagen verbleiben
(siehe nachfolgenden Abschnitt 4.3.). Bei Parasitierung mit
natürlichen Gegenspielern sollte die zwischen Februar und
März nach der Überwinterung der Nützlinge geschnittenem
Äste in den Anlagen verbleiben.
4.3 Schädlingsregulation durch Ansiedlung, Schonung und Förderung natürlicher Gegenspieler
Im Rahmen des INTERREG V Oberrhein-Projektes „In-
vaProtect – Nachhaltiger Pflanzenschutz gegen invasive Scha-
derreger im Obst- und Weinbau“ wird seit 2016 zusammen
mit den französischen und schweizerischen Partnern am DLR
Rheinpfalz in Zusammenarbeit mit dem LTZ Augustenberg
nach natürlich vorkommenden Gegenspielern der Maulbeer-
schildlaus am Oberrhein gesucht. Bei Schildlausproben aus
Pfirsichanlagen der Pfalz konnte eine Parasitierungsrate etwa 11
bis 30 % ermittelt werden. Aus der Mehrzahl der parasitierten
Schildläuse sind Erzwespen geschlüpft (vor allem Encarsia ber-
lesei und Aphytis-Arten, seltener Thomsonisca-Schlupfwespen.
Funde von natürlichen Gegenspielern konnten aus Proben aller
Anbaugebiete im Projekt bestätigt werden, u.a. auch aus Befall
an Stachelbeeren, Süßkirschen und Johannisbeeren.
Zur Förderung der natürlichen Gegenspieler und zum
Erhalt vorhandener Nützlingspopulationen wird empfohlen,
geschnittenes Befallsmaterial (Zweige, Äste, ggf. auch aus
anderen Befallsanlagen) unter den Bäumen zu belassen und
nicht zu mulchen. Damit ist gewährleistet, dass von diesem
Befallsmaterial ausgehend eine Wiederbesiedlung z.B. durch
parasitische Wespen (Abb. 35 und 36) und räuberische Gall-
mückenarten auf die Bäume gesichert ist. Erfolgt der Schnitt
in der Winterruhe und vor dem Austrieb, besteht durch das
Fehlen beweglicher Stadien des Schädlings kein vom Schnittgut
ausgehendes Befallsrisiko weiterer Pflanzen oder Pflanzenteile
in der Kultur.
Gegenspieler von Schildläusen treten bereits natürlich auf.
Sie sind flugfähig und wandern mit den Schildläusen von Befall
zu Befall. Neben heimischen Arten treten inzwischen nördlich
der Alpen Nützlinge auf, die zur biologischen Bekämpfung
z.B. in Italien in den 1902ern und 1960ern freigesetzt wurden
(„klassischer biologischer Pflanzenschutz“). Durch diese zu-
sätzliche Etablierung von natürlichen Gegenspielern werden
flächendeckender Effekte erzielt, die ggf. zur Reduktion von
Befall beitragen und die Bekämpfungskosten und den Eintrag
von Pflanzenschutzmitteln langfristig senken könnten.
Erste Tastversuche am LTZ Augustenberg deuten darauf
hin, dass durch das Belassen von befallenem und parasitiertem
Schnittgut in der Obstanlage (z.B. unter den Bäumen) die Para-
sitierungsleistung der vorhandenen natürlichen Gegenspieler auf
einem stabilen Niveau gehalten werden und somit zur Befalls-
reduktion beitragen kann. Neben den Schlupfwespen spielen
Abb. 35: Encarsia berlesei
Foto: Rauleder/LTZ Augustenberg
Abb. 36: Gegenspieler der Schildläuse: dunkel: Thomsonisca sp.,
hellgelb: Aphytis sp., gelb-grau: Encarsia sp.
Foto: Zimmermann, Rauleder/LTZ Augustenberg
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Die Maulbeerschildlaus am Oberrhein
auch räuberische Gallmücken und Marienkäfer (Strichfleckiger,
Nierenfleckiger Kugelmarienkäfer und Deckelschildlaus-Kugel-
käfer) eine Rolle bei der natürlichen Regulation des Schädlings.
Auch das Übertragen von Nützlingen in Anlagen mit unpa-
rasitierten Schildläusen trägt zur aktiven Förderung der Nütz-
lingspopulationen bei. Dazu wird Schnittgut aus Anlagen mit
höherem Anteil an Schildlaus-Nützlingen in befallene Anlagen
eingebracht. Dadurch können die Gegenspieler langfristig eta-
bliert und die Parasitierungs- und Prädationsrate gesteigert und
somit der Befall reduziert werden. Die in der Winterruhe bis
Mitte März geschnittenen Astbündel können lose in der Anlage
verteilt oder z.B. in Eimer mit Löchern als Schlupfkäfige verbracht
werden (Abb. 37). Durch diese Maßnahme als Routineeingriff
kann in der Obstanlage dadurch das Gleichgewicht zwischen
den Schädlingen und Nützlinge mittelfristig zu Gunsten der
natürlichen Gegenspieler verschoben.
Die Entfernung/das Häckseln des Schnittgutes sollte Anfang
Juni erfolgen, nachdem die Nützlinge das Altholz verlassen
haben, um die Ausbreitung von ggf. auftretenden Holzkrank-
heiten zu vermeiden.
Durch die Schonung und Förderung natürlicher Gegenspie-
ler können die Schildlauspopulationen reguliert werden, um
Massenentwicklungen und ein Überschreiten der wirtschaftli-
chen Schadschwelle zu verhindern. Durch die Vermeidung des
Einsatzes chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel werden
neben der Förderung natürlicher Regulationsmechanismen in
den Obstanlagen auch Nebenwirkungen auf Nichtzielorganismen
in- und außerhalb der Kulturen vermieden. Der verringerte Ein-
trag von Pflanzenschutzmitteln trägt zudem zur Schonung von
Boden und Wasser und der entsprechenden Ökosysteme bei.
4.4 Einsatz von Insektiziden
Die Zulässigkeit des Einsatzes und des genauen Einsatzzeit-
punktes ist für jedes Partnerland des Oberrheingebietes über
die nationale Zulassungssituation in jedem Fall abzuklären.
Chemisch-synthetische Insektizide sollten nur in Ausnah-
menfällen zum Einsatz kommen, wenn andere Maßnahmen
nicht ausreichend wirken. Dabei ist darauf zu achten, dass
eine Bekämpfung gezielt nur auf die empfindlichsten ers-
ten Larven-Stadien ausgerichtet durchgeführt wird (siehe
Versuchsbeschreibungen unten). Dies bedarf einer genauen
Überwachung der Anlagen und der phänologischen Entwick-
lung der Schildlaus. Insektizide aus dem ökologischen Anbau
sind nicht wirksam und zulässig gegen die Maulbeerschildlaus.
Nachfolgend werden Versuche zur Wirksamkeit verschiede-
ner Insektizide vorgestellt. Der Einsatz ist nur möglich, wenn
eine Zulassung vorliegt. Dabei ist auch auf eine nützlingsscho-
nende Wirkung zu achten. Nur bei gezieltem und dauerhaftem
Einsatz weitgehend nützlingsschonender Insektizide, wie
z.B. Movento (Spirotetramat), sind nur geringe nachhaltige
negative Auswirkungen auf die Naturräume am Oberrhein zu
erwarten. Dies sollte unbedingt beachtet werden.
Bekämpfungsversuche der adulten Tiere am DLR Rhein-
pfalz in Neustadt mit verschiedenen chemisch-synthetischen
Insektiziden haben gezeigt, dass die männlichen Schildläuse
zwar zum größten Teil abgetötet werden, die weiblichen
Tiere allerdings die Insektizidbehandlungen zu 80 bis 90 %
überleben und damit eine dauerhafte Regulierung des Befalls
mit dieser Methode nicht möglich ist.
Am empfindlichsten gegenüber chemisch-synthetischen
Insektiziden sind die Wanderlarven (Crawler). Allerdings kön-
nen diese je nach Witterung über mehrere Wochen schlüpfen
und umherwandern. Zudem liegt der Bekämpfungszeitraum je
nach Kultur im Mai/Juni und August, d.h. im rückstandsrele-
vanten Bereich (Abb. 8: Lebenszyklus der Maulbeerschildlaus).
Abb. 37: Schlupfeimer für Gegenspieler der Maulbeerschildlaus
Foto: Rauleder/LTZ Augustenberg
Die Maulbeerschildlaus am Oberrhein
Am DLR Rheinpfalz in Neustadt im Jahr 2009 durchge-
führte Versuche zur Bekämpfung der Wanderlarven im Mai
haben gezeigt, dass mit Spirotetramat (Movento) bei gezielter
Anwendung hohe Wirkungsgrade zu erreichen sind.
Alle anderen in Deutschland, Frankreich und der Schweiz
gegen andere Schaderreger zugelassenen Insektizide mit einer
Nebenwirkung auf Napfschildläuse, zu denen die Maulbeer-
schildlaus nicht gehört (z.B. Confidor (Imidacloprid), Calypso
(Thiacloprid) oder Envidor (Spirodiclofen)) wirken nicht
ausreichend gegen die Maulbeerschildlaus. Da die Napfschild-
läuse Phloemsauger, die Deckelschildläuse aber Xylemsauger
sind, werden durch diese Mittel höchstens die Crawler der
Maulbeerschildlaus im direkten Kontakt abgetötet. Die er-
wachsenen Deckelschildläuse werden durch ihre eine Art
der Nahrungsaufnahme von Mitteln gegen Napfschildläuse
nicht mit erfasst.
In der Regulierung der Schildläuse sollten nur Maßnah-
men ergriffen werden, die eine natürliche Regulierung des
Schädlings nicht beeinträchtigen.
Pflanzenschutzmaßnahmen mit chemisch-synthetischen
Pflanzenschutzmitteln sind entweder nicht zulässig oder haben
durch die Biologie und das zeitliche Auftreten des Schädlings
keine ausreichende Wirkung. Außerdem können sich bei dem
vermehrten Einsatz der Mittel erhebliche Nebenwirkungen
auf die natürlichen Gegenspieler der Schildläuse ergeben,
wodurch sie in der Entwicklung gestört werden oder sogar
absterben. Dadurch wird unbeabsichtigt der Schildlausbefall
oft erst gefördert. Nicht fachgerechte Bekämpfungsmaßnahmen
können zusätzlich negative Folgekosten verursachen durch
die Reduktion der Gegenspieler nicht nur der Schildläuse,
sondern auch der natürlichen Gegenspieler von anderen
Obstschädlingen.
Weitere Informationen
• www.ltz-bw.de (> ueber uns > invaprotect),
• www.dlr.rlp.de (> aktuelles > invaprotect) sowie unter
• www.fredon-alsace.fr (> actualites > projet-invaprotect-
protection-durable-des-vegetaux-contre-les-bioagresseurs-
invasifs-dans-les-vergers-et-les-vignes)
IMPRESSUM
Herausgeber:
• Landwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg (LTZ), Neßlerstr. 25, 76227 Karlsruhe,
Tel.: 0721/9468-0, Fax: 0721/9468-209, E-Mail: [email protected], www.ltz-augustenberg.de
• Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, Breitenweg 71, 67435 Neustadt a. d. Weinstraße,
Tel: 06321/671-0, Fax: 06321/671-390, E-Mail: [email protected], www.dlr-rheinpfalz.rlp.de
• FREDON Alsace (Fédération Régionale de Défense contre les Organismes Nuisibles), 12 rue Galliéni, 67600 Selestat,
Tel.: 0388821807, E-Mail: [email protected]
Redaktion: U. Harzer, W. Dahlbender, J. Sauter (DLR), K. Köppler, H. Rauleder, O. Zimmermann (LTZ), S. Frey (FREDON Alsace)
Layout: Jörg Jenrich November 2018