Leuphana Universität Lüneburg
Globale Gerechtigkeit im Kontext der „Umweltproblematik“ –
Inwieweit kann ein kosmopolitischer Ansatz potenziell zu mehr globaler Gerechtigkeit beitragen?
Hausarbeit
Eingereicht von Marie-Lisa Feller Matrikelnummer: 3035714 Email: [email protected] Grundweg 2, 21335 Lüneburg Modul „Wissenschaft lehrt Verstehen“ Seminar Digitalisierung, Europa, Philosophie: Wie alle drei zusammen
der Menschheit bei dem Ziel des Weltfriedens sehr zur Hilfe kommen können
Dozent Marco de Angelis Abgabedatum 15.03.2018 Semester Wintersemester 2018/19
2
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ...................................................................................................... 3
2. Begriffsdeutung ............................................................................................. 42.1. Gerechtigkeit.......................................................................................................................................................42.2. Kosmopolitismus..............................................................................................................................................5
3. Theoretische Gerechtigkeitskonzeptionen .................................................. 53.1. ImmanuelKant„ZumewigenFrieden“...................................................................................................53.2. JohnRawls„ATheoryofJustice“................................................................................................................63.3. OtfriedHöffe„komplementäreWeltrepublik?“...................................................................................8
4. Globale Gerechtigkeit im Bezug auf die „Umweltproblematik“ .............. 94.1. UmweltgerechtigkeitalsglobaleHerausforderung...........................................................................94.2. DistributiveGerechtigkeit..........................................................................................................................104.3. Generationengerechtigkeit........................................................................................................................10
5. Kosmopolitische Normen als Lösungsansatz? ......................................... 125.1. „Weltrepublik“und„Weltbürger“...........................................................................................................125.2. KosmopolitischeWeltrepublik–EineUtopie?..................................................................................13
6. Fazit .............................................................................................................. 14
7. Literaturverzeichnis ................................................................................... 16
Eigenständigkeitserklärung ............................................................................. 17
3
1. Einleitung In Zeiten der Globalisierung wird die gesamte Welt in den verschiedenen ökonomischen,
politischen aber auch kulturellen Sphären zunehmend vernetzt. Dadurch werden uns auch
vermehrt globale Gefahren und Herausforderungen vor Augen geführt. Insbesondere die
Umweltprobleme unserer Zeit werden durch eine globale Verflechtung immer deutlicher. Der
Begriff „Umweltproblematik“ vereint hierbei im Folgenden die verschiedenen Krisen wie
etwa die aktuelle Klimakrise, die Umweltverschmutzung, die Ausbeutung natürlicher
Ressourcen oder die Zerstörung von Ökosystemen. Durch diese Probleme und weitere
Herausforderungen nimmt auch die Erkenntnis zu, dass wir alle eine gemeinsame Lebenswelt
teilen und damit verbundene Probleme auch einer gemeinsamen globalen Lösung bedürfen.
Die Ungleichheiten, die auch im Kontext der „Umweltproblematik“ unsere gegenwärtige
Gesellschaft prägen, rücken damit zunehmend die Frage nach globaler Gerechtigkeit in den
Fokus.
Die Herausforderungen, die mit diesen Ungleichheiten verbunden sind, lassen sich nicht auf
einen Nationalstaat begrenzen, da die Kompetenz, diese zu lösen, die Möglichkeiten eines
einzelnen Staates meist übersteigen. Vor diesem Hintergrund ist eine globale
Betrachtungsweise mit globalen Lösungsstrategien erforderlich. Die vorliegende Arbeit
beschäftigt sich daher mit der Frage, inwieweit ein kosmopolitischer Ansatz potenziell zu
mehr globaler Gerechtigkeit beitragen könnte, indem die aktuelle „Umweltproblematik“
exemplarisch für weitere globale zu lösende Probleme steht. Hierfür bezieht sich die Arbeit
schwerpunktmäßig auf die philosophische Herangehensweise eines
Gerechtigkeitsverständnisses, welches in Zeiten der Globalisierung neu debattiert wird. Die
Philosophie soll dabei helfen, die Entwicklungen unserer Geschichte nachzuvollziehen und
gleichzeitig realisierbare Wege für eine gerechtere Zukunft aufzeigen.
Zur Einführung werden die Begriffe „Gerechtigkeit“ und „Kosmopolitismus“ gesondert
betrachtet, um im abschließenden Teil der Arbeit ihre mögliche Verbindung aufzuzeigen. Im
weiteren Verlauf werden verschiedene philosophische Gerechtigkeitskonzeptionen genauer
untersucht. Hierzu dient zunächst die Konzeption der Gerechtigkeit von Immanuel Kant,
welcher durch sein Werk „Zum ewigen Frieden“ bereits 1795 den Gedanken des
Universalismus prägte. Auf Grundlage dessen wird die Konzeption mit dem von John Rawls
geprägtem Kontraktualismus und Otfried Höffes Idee einer globalen komplementären
Weltrepublik in Verbindung gebracht. Bei beiden lassen sich Parallelen zu Kants Ansätzen
4
erkennen, welche jedoch unterschiedlich weitergeführt werden. Darauf aufbauend wird die
der Begriff der Gerechtigkeit in Zeiten der Globalisierung in den Kontext der
„Umweltproblematik“ eingeordnet. Hierfür wird insbesondere die Verteilungs- und
Generationengerechtigkeit genauer betrachtet. Abschließend wird der Kosmopolitismus als
möglicher Lösungsansatz für mehr globale Gerechtigkeit diskutiert, indem unter anderem
genauer auf Ulrich Becks Idee einer „Weltrisikogesellschaft“ eingegangen wird.
2. Begriffsdeutung
2.1. Gerechtigkeit Die Idee einer von Gerechtigkeit geformten Welt, gehörte schon früh zu den erstrebenswerten
Zielen der Menschheit und prägte daher als Begriff bereits in der Antike die philosophischen
Debatten. So befasst sich schon Platon (428/427 – 347 v.Chr.) in seinem Dialog „Politeia“
(„Der Staat“) mit der Legitimation von Gerechtigkeit durch eine mögliche Umsetzung in
Form einer Philosophenherrschaft. Auch im 21. Jahrhundert, also rund 2500 Jahre nach
diesen Überlegungen, scheint unsere Gesellschaft geprägt von Ungerechtigkeiten und
Ungleichheiten, die eine fortwährende Auseinandersetzung mit der Thematik erfordern. So
stellt Gerechtigkeit auch für zeitgenössische Philosophen noch ein bedeutendes Thema dar:
„Ursprünglich bedeutet Gerechtigkeit lediglich die Übereinstimmung mit dem geltenden Recht. Bis heute heißt die dem Recht dienende Behörde, das Gerichtswesen, Justiz. Ohne die enge Beziehung zum Recht aufzugeben, hat die Gerechtigkeit aber seit langem eine umfassendere und stärker moralische Bedeutung.“ (Höffe, 2004, S.9)
Die multidimensionale Bedeutung, die der 1943 geborene deutsche Philosoph Otfried Höffe
betont, wird in der aktuellen Gerechtigkeitsdebatte durch die zunehmende Globalisierung
besonders deutlich. Vertreter der politischen Philosophie beschäftigen sich vermehrt mit der
Frage, ob Gerechtigkeit notwendigerweise an einen Staat gekoppelt ist und daher aus der
Perspektive eines Staates organisiert werden sollte, der für gerechte Regeln und deren
Einhaltung sorgt, oder ob das Verblassen von Staatsgrenzen im Zuge der Globalisierung auch
zu einer Verschiebung der Verantwortung hin zu einer globaleren Ebene beiträgt (vgl.
Goppel/Mieth, 2016, S.16). Daraus ergibt sich außerdem die Frage, ob die Globalisierung
schon weit genug vorangeschritten ist, um überhaupt ein globales Gerechtigkeitsverständnis
zu entwickeln.
5
2.2. Kosmopolitismus Der Begriff „Kosmopolitismus“ reicht zurück bis in die griechische Antike, von wo aus er
sich bis heute zu unterschiedlichen Theorieansätzen weiterentwickelt hat. Die ursprüngliche
Idee des kynischen Philosophen Diogenes von Sinope, sich als „Kosmopolit“, also als
‚Weltbürger’ zu bezeichnen, meint dabei die eigene Identifikation mit einer universellen
Gemeinschaft (vgl. ebd., S.223). Heute verwenden wir diesen Ausdruck unteranderem, um zu
beschrieben, dass jemand weltgewandt ist und sich als Teil einer globalen Weltordnung
wahrnimmt (vgl. Henning, 2009, S.223). Vertreter des Kosmopolitismus verweisen auf eine
globale Vernetzung des gesamten ‚kosmos’ (griechisch: Universum, Ordnung, Weltordnung)
und streben nach einer Weltgesellschaft, in der die Nationalstaaten nicht isoliert voneinander
betrachtet werden. Insbesondere in Zeiten der Globalisierung, in der sich Nationalstaaten
nicht mehr unabhängig voneinander entwickeln können und Menschen verstärkt ihre
gegenseitige Abhängigkeit erfahren, gewinnt der Begriff zunehmend an Bedeutung (vgl. ebd.,
S.29).
3. Theoretische Gerechtigkeitskonzeptionen
3.1. Immanuel Kant „Zum ewigen Frieden“ Bereits 1795, lange bevor der Globalisierungsprozess begann, formulierte der deutsche
Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) in seinem Werk „Zum ewigen Frieden“ die Idee von
Gerechtigkeit in Form eines föderalen Völkerstaats. Gerechtigkeit und damit auch ewiger
Frieden ist für ihn nur in im Sinne einer demokratischen Völkergemeinschaft zu realisieren
(vgl. Kant, 1795, S.135f.). Dem gegenüber steht eine Weltgemeinschaft, die durch die
Existenz von vielen Nationalstaaten ohne gemeinsamen Konsens gekennzeichnet ist. Durch
seine Unterscheidung in „Staatsbürgerrecht, Völkerrecht und Weltbürgerrecht“ (ebd., S.349)
schließt er in seine Überlegungen nicht nur innerstaatliche Dimensionen, sondern auch die
Beziehung zwischen Menschen aus verschiedenen Staaten mit ein und verdeutlicht damit
bereits einen ersten kosmopolitischen Ansatz. Das Weltbürgerrecht basiert auf dem
sogenannten „Recht der Hospitalität“, welches wie ein Besuchsrecht für andere Länder
verstanden werden kann. Demzufolge ist jedem Individuum auch außerhalb des eigenen
Landes ein friedvoller Umgang garantiert (vgl. ebd., S.357). Obwohl das Weltbürgerrecht
noch nicht den Schutz von Menschenrechten, sondern lediglich das Besuchsrecht in anderen
Ländern einschließt, kann seine Idee als ein entscheidender Fortschrittsgedanke hin zu einer
neuen Friedens- und Rechtsordnung angesehen werden (vgl. Henning, 2009, S.73f.).
6
Globale Gerechtigkeit kann sich für Kant folglich nicht aus einem rein nationalstaatlichen
Denken, sondern nur aus einem gemeinsamen ‚Weltgeist’ entwickeln, der auf dem
Zusammenschluss einer föderalen Republik basiert (vgl. Höffe, 2011, S.80). Dass „die
Rechtsverletzung an einem Platz der Erde an allen gefühlt wird“ (Kant, 1795, S.360) betont
diese globale und universelle Sicht Kants auf die Beziehungen zwischen den Staaten. Für ihn
stellt das Friedensinteresse der einzelnen Völker ein ausreichendes Motiv dar, welches die
Völker dazu veranlasst, sich international auf freiwilliger Basis auf einen weltbürgerlichen
Völkerrechtsvertrag einzulassen, mit dem Bestreben, den ewigen Frieden zu garantieren.
Gerade dieses Vertrauen in die Kooperationsbereitschaft der Republiken, die er als Prämisse
sieht, stellt laut Henning (vgl. 2009, S.74) die Realisierbarkeit Kants Vision in Frage. Zwar
spricht Kant noch nicht von einer konkreten Umsetzung globaler Gerechtigkeit, zum Beispiel
in Form einer politischen oder distributiven Gerechtigkeit, jedoch hat er durch die Idee einer
freiwilligen Föderation von Staaten im Sinne eines kosmopolitischen und universellen
Ansatzes „ein entscheidende[n] Schritt hin zu einer Theorie globaler Gerechtigkeit getan“
(Broszies/Henning, 2010, S.17).
3.2. John Rawls „A Theory of Justice“ Weiter gedacht wurde dieser Ansatz unter anderem von dem bedeutendsten zeitgenössischen
Vertreter der Vertragstheorie, dem US-amerikanischen Philosophen John Rawls (1921-2002),
welcher die moderne politische Philosophie entscheidend prägte. Sein Werk „Eine Theorie
der Gerechtigkeit“ (A Theory of Justice) (1975) wird als eine der einflussreichsten
Gerechtigkeitstheorien betrachtet, weshalb die vorliegende Arbeit auf die wichtigsten seiner
Grundposition eingeht. Rawls’ Kontraktualismus baut auf zwei wesentlichen
Gerechtigkeitsprinzipien auf. Der Grundsatz des Freiheitsprinzips und der des
Differenzprinzips. Ersterer spricht jedem Individuum das gleiche Maß an Grundfreiheiten zu,
während letzterer besagt, dass ungleiche Verteilungen innerhalb einer Gesellschaft nur dann
zu rechtfertigen sind, wenn sie dem Wohle der gesamten Bevölkerung zu gute kommen, also
auch den schlechter gestellten einen Vorteil bringen (vgl. Rawls, 1975, S.336).
Gerechtigkeit definiert sich für Rawls als „erste Tugend sozialer Institutionen“ (ebd., S.19).
Für ihn ergibt sich Gerechtigkeit demnach aus der politischen Institutionalisierung staatlicher
Strukturen, die hinsichtlich ihrer Gerechtigkeitsprinzipien bewertet werden können (vgl.
Goppel/Mieth, 2016, S.25). Besonders interessant erscheint dabei die Generierung dieser
Gerechtigkeitsprinzipien. Rawls schreibt jedem Menschen eine „aus der Gerechtigkeit
entspringende Unverletzlichkeit [zu], die auch im Namen des gesamten Wohles der ganzen
7
Gesellschaft nicht aufgehoben werden kann“ (Rawls, 1975, S.19f.). Diese Gerechtigkeit
ergibt sich für ihn aus dem „Urzustand“, in dem sich freie und vernunftbegabte Individuen auf
gemeinsame und faire Vereinbarungen einigen. In diesem fiktiven Gedankenexperiment setzt
Rawls den sogenannten „Schleier des Nichtwissens“ (ebd., S.159) voraus. Dieser besagt, dass
die Individuen bei der Ausarbeitung der Vereinbarungen nicht über ihre gesellschaftlichen
individuellen Umstände in Kenntnis gesetzt sind und daher nicht versuchen können, die
Gerechtigkeitsprinzipien zu ihren Gunsten zu beeinflussen (vgl. ebd., S.159f.). Nur hieraus
kann sich für Rawls die „Gerechtigkeit als Fairneß“ ergeben.
Obwohl seine Gerechtigkeitskonzeption an die von Kant angelehnt ist (vgl. Henning, 2009,
S.85), unterscheiden sich beide doch in sehr wesentlichen Aspekten. Während sich bei Kant
bereits Ansätze des Kosmopolitismus wiederfinden lassen, gilt Rawls als Vertreter des
Partikularismus. Diese beiden Grundpositionen unterscheiden sich insbesondere in Bezug auf
Gerechtigkeit sehr deutlich. Der Kosmopolitismus geht normativ davon aus, dass alle
Menschen von gleicher moralischer Wichtigkeit sind und man daher auch von globaler
Gerechtigkeit sprechen kann, welche die gesamte Menschheit umfasst (vgl.
Broszies/Henning, 2010, S.10). Im Gegensatz hierzu vertritt der Partikularismus die
Auffassung, dass der Einflussbereich von Gerechtigkeit begrenzt ist und sich etwa nur auf
Mitglieder eines Staates oder einer Nation beschränken lässt (vgl. ebd., S.11.).
Als Vertreter des Partikularismus vertritt Rawls daher die Auffassung, dass die Vision einer
Weltrepublik nicht erstrebenswert ist, da Gerechtigkeit für ihn eine interne Angelegenheit der
Völker darstellt (vgl. Henning, 2009, S.85). Dass sich sein Gerechtigkeitsmodell in seiner
1975 formulierten Vertragstheorie noch am Nationalstaat orientiert und nicht in den globalen
Kontext einer internationalen Rechtsgemeinschaft einzuordnen ist, geht insbesondere aus
folgendem Auszug hervor:
„Ich bin zufrieden, wenn es gelingt, einen vernünftigen Gerechtigkeitsbegriff für die Grundstruktur der Gesellschaft zu formulieren, wobei wir uns die Gesellschaft vorerst als geschlossenes System vorstellen, das keine Verbindung mit anderen Gesellschaften hat.“ (Rawls, 1975, S.19f.)
Diese Begrenzung auf einzelne Gesellschaften erweitert Rawls jedoch in seinem 2002
verfassten Werk „Das Recht der Völker“ (The Law of Peoples). Hier überträgt er seine
nationale Gerechtigkeitskonzeption auf eine internationale Ebene, die jedoch nach wie vor auf
den wichtigsten Interessen der Völker basiert (vgl. Henning, 2009, S.86). Mit dieser
8
Erweiterung nährt er sich den Konzeptionen eines Weltbürgerrechts – und somit einer
kosmopolitischen Ebene – zwar an, stimmt jedoch hinsichtlich eines Völkerrechtsvertrags, der
laut Kant auch ohne eine Weltregierung möglich ist, nicht mit diesem überein (vgl. ebd.,
S.70).
3.3. Otfried Höffe „komplementäre Weltrepublik?“ Höffe hat sich umfassend mit diesen beiden vorangegangen und weiteren einflussreichen
Philosophen beschäftigt, die sich ihrerseits schon mit der Thematik befasst haben, um durch
eine Weiterentwicklung dieser Ansätze zu seiner eigenen philosophischen
Gerechtigkeitskonzeption zu gelangen (vgl. Höffe, 2004). Insbesondere beschäftigt er sich mit
der Frage der Gerechtigkeit im Zeitalter der Globalisierung. In diesem Zusammenhang wirft
Höffe die Frage auf, ob die bereits von Kant entworfene Idee einer Weltrepublik
erstrebenswert und realisierbar ist. Da sich im Zuge der Globalisierung auch die Frage der
Gerechtigkeit im Zusammenhang mit aktuellen Problemen wie der „Umweltproblematik“ neu
stellt, bietet Höffe’s kosmopolitische Vision einen besonders interessanten Ansatz.
Für Höffe ist der sogenannte „Welt-Gerechtigkeitssinn“ (Höffe, 1999, S.342ff.) eine
Voraussetzung, um soziale Gerechtigkeit global zu realisieren. Durch diesen globalen
Gerechtigkeitssinn sind Mitglieder einer globalen Gesellschaft eher bereit auf eigene
Freiheiten zu verzichten, um zum Wohle aller Gerechtigkeit für jedes Mitglied dieser
Gemeinschaft zu garantieren (vgl. Henning, 2009, S.29). Dieser universelle Anspruch Höffe’s
verdeutlicht die Gegensätzlichkeit zu der von Rawls vertretenen Idee des Partikularismus,
welcher sich eher als Vertreter des Kosmopolitismus sieht. Er geht jedoch noch weiter als
Kant, in dem er die Idee einer auf Freiwilligkeit basierenden Föderation von Staaten
zurückweist. Da diese Art der Freiwilligen Föderation in Anbetracht der komplexen Probleme
der Globalisierung wie beispielsweise den ökologischen Herausforderungen nicht ausreicht,
stellt er eine komplementäre „Weltrepublik als gleichermaßen rechtsmoralisch geboten und
realpolitisch möglich“ (ebd., S.76) dar.
In diesem Zusammenhang weist er auf eine von der Globalisierung geprägte
„Schicksalsgemeinschaft“ (Höffe, 1999, S.20) hin, die verdeutlichen soll, dass das Teilen von
gemeinsamen globalen Herausforderungen und Problemen entscheidend ist, um seine Idee
einer komplementären Weltrepublik zu realisieren. Hierfür setzt er außerdem eine
Souveränitätsabgabe der einzelnen Nationalstaaten voraus, die in Teilen für die globale
gesellschaftliche Weltrepublik geleistet werden muss (vgl. ebd., S.126f.). Die Realisierung
9
dieser komplementären Weltrepublik ist jedoch laut Henning (vgl. 2009, S.83) in Frage zu
stellen, welcher auf die Problematik der freiwilligen Souveränitätsabgabe verweist.
4. Globale Gerechtigkeit im Bezug auf die „Umweltproblematik“
4.1. Umweltgerechtigkeit als globale Herausforderung Seit Beginn der Menschheitsgeschichte stellt die naturale Umwelt unsere Lebensgrundlage
dar, die uns mit notwendigen Ressourcen versorgt. Trotzdem nehmen wir – scheinbar ohne
besondere Rücksichtnahme – insbesondere seit der Industriellen Revolution zunehmenden
direkten und indirekten negativen Einfluss auf diese Grundlage (vgl. Goppel/Mieth, 2016,
S.406). Schon lange besteht ein wissenschaftlich fundierter Konsens, dass wir Menschen das
Klima verändern und damit für viele Umweltprobleme unserer Zeit zum großen Teil selbst
verantwortlich sind (vgl. IPCC, 2018). Obwohl alle Menschen global zu dieser Entwicklung
beitragen, gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Hauptverantwortlichen, die zu einer
Verschärfung des Problems beitragen, und den Leitragenden, die die größten Auswirkungen
zu spüren bekommen (vgl. Tilman, 2007, S.18). Hier liegt eine enorme
Unverhältnismäßigkeit vor, da einige Länder, insbesondere die Industrieländer, durch einen
besonders hohen Lebensstandard deutlich mehr Treibhausgase verursachen als andere, meist
die sogenannten Entwicklungsländer. Trotzdem werden die Folgelasten des Klimawandels
nicht dementsprechend geographisch „zurückverteilt“, sondern treffen in Form von
klimabedingten Naturkatastrophen häufig Länder, die deutlich weniger Treibhausgase
emittieren (vgl. ebd., S.19).
Am Beispiel dieser Problematik wird deutlich, dass besonders die Frage nach sozialer
Gerechtigkeit verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit rücken muss. Hierfür hat sich
terminologisch bereits der Begriff der Umweltgerechtigkeit etabliert, welcher unter anderem
die Verteilungs- und die Generationengerechtigkeit umfasst (vgl. Goppel/Mieth, 2016, S.406).
Es geht dabei nicht um die Gerechtigkeit der Umwelt gegenüber als eigenes „Subjekt“,
sondern um die anthropozentrische Sicht der Gerechtigkeit im Kontext der Umwelt, also eine
Gerechtigkeit zwischen den Menschen. Dass dies global betrachtet werden muss, ergibt sich
unter anderem dadurch, dass unsere natürliche Umwelt ein grenzüberschreitendes Gut
darstellt, dass keinem Nationalstaat zugeordnet werden kann (vgl. Höffe, 2004, S.107). Des
Weiteren sind die Konsequenzen der umweltschädigenden Handlungen, wie etwa das
Emittieren von Treibhausgasen, auf lange Sicht unabhängig vom Entstehungsort.
10
4.2. Distributive Gerechtigkeit Die distributive Gerechtigkeit, auch Verteilungsgerechtigkeit, stellt eine Kernfrage dieser
Umweltgerechtigkeit dar. Sie kommt überall dort zum Tragen, wo Menschen in einem
kooperierenden Verhältnis zueinander stehen und es darum geht, alle Beteiligten in gleicher
und gerechter Weise zu berücksichtigen (vgl. Henning, 2009, S.26). Konkret geht es dabei
zum Beispiel um die Verteilung von Ressourcen. Höffe betont in seinem „Gesetz der
Knappheit“ (Höffe, 2004, S.26f.), dass sich insbesondere aus der Begrenztheit unserer
natürlichen Ressourcen viele Gerechtigkeitsaufgaben ergeben. Zusätzlich sind diese
Ressourcen zwar zufällig aber nicht gleichmäßig verteilt. Wendet man nun Ralws Idee einer
Verteilungsgerechtigkeit an, die besagt, dass alle „die aufgrund ihrer natürlichen Ausstattung
schlechter gestellt sind [...] kompensiert werden [müssen]“ (Rawls, 1975, S.109), würde das
im Fall der natürlichen Ressourcen eine globale Umverteilung erfordern oder zumindest einen
nötigen Ausgleich dieser Ungleichheit im Sinne einer Kompensation bedeuten.
Des Weiteren schließt die Verteilungsgerechtigkeit aber auch die gemeinsamen Lasten mit
ein. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Folgelasten der Umweltverschmutzung und
denen des Klimawandels. Diese sind genauso wie die Ressourcen arbiträr und damit ungleich
verteilt (vgl. Tilman, 2007, S.20). Bezogen auf Rawls’ Ausgangssituation des Urzustandes
würden die vernunftbegabten Individuen sich nicht nur für ihre größtmögliche Freiheit,
sondern auch für eine faire Umverteilung aussprechen, da keiner das Interesse hat, die
Prinzipien, aufgrund des „Schleiers des Nichtwissens“ zum eigenen Vorteil auszunutzen (vgl.
Goppel/Mieth, 2016, S.111). Die Schwierigkeit, diese Umverteilung zu realisieren, stellt die
Menschheit somit vor ein großes Verteilungsproblem, da sowohl nicht reproduzierbare
Ressourcen im Sinne einer globalen Gerechtigkeit als auch die Folgen der „Umweltprobleme“
verteilt werden müssen.
4.3. Generationengerechtigkeit Eine weitere Form der sozialen Gerechtigkeit stellt die Generationengerechtigkeit dar (vgl.
Henning, 2009, S.27). Der Begriff umfasst dabei sowohl die intragenerationale Gerechtigkeit,
also die Beziehung zwischen heute lebenden Generationen, als auch die intergenerationale
Gerechtigkeit, welche sich auf die Beziehung zwischen den heute lebenden Generationen und
den bereits verstorbenen- oder noch nicht geborenen Generationen bezieht. Da sich bei
philosophischen Diskussionen meist auf den letzteren Fall bezogen wird (vgl. Goppel/Mieth,
2016, S.130), wird im Folgenden schwerpunktmäßig die intergenerationale Gerechtigkeit
eingegangen. Da keiner Generation ein Vorrecht auf die „Nutzung“ der Natur eingeräumt
11
werden kann, wirft die Generationengerechtigkeit folglich auch im Zusammenhang mit der
„Umweltproblematik“ viele Probleme auf.
Besonders die Ressourcenübernutzung, die Umweltverschmutzung sowie der Zerstörung von
Ökosystemen werfen vermehrt die Frage nach Gerechtigkeitspflichten gegenüber zukünftigen
Generationen auf, da diese unumkehrbare langfristige Folgen mit sich bringen. Unser
derzeitiger meist ressourcenintensiver Lebensstandard sowie die zusätzliche Bedrohung der
Artenvielfalt durch den menschengemachten Klimawandel wird die Lebensbedingungen
zukünftiger Generationen maßgeblich beeinflussen (vgl. ebd., S.133). Dadurch ergibt sich
eine Herausforderung des Abwägens der Vorteile für derzeit lebende Generationen, sowie die
gleichzeitige Rücksichtnahme der Nachteile für zukünftige Generationen (vgl. ebd., S.407).
Rawls hat sich in seiner Gerechtigkeitskonzeption mit diesen Herausforderungen und dem
daraus resultierenden Generationskonflikt auseinandergesetzt. Dieser Konflikt ist nicht nur
ein wichtiger Bestandteil seiner Gerechtigkeitstheorie, sondern stellt für ihn auch ein
besonders herausforderndes Problem dar (vgl. Rawls, 1975, S.319). Zwischen der
intergenerationalen Gerechtigkeit lassen sich Parallelen zu seiner Konzeption der
internationalen Gerechtigkeit ziehen (vgl. Goppel/Mieth, 2016, S.135). Dabei wirft allerdings
der bereits erläuterte Urzustand theoretische Probleme auf, da alle Teilnehmer derselben
Generation angehören, und somit Vertreter zukünftiger Generationen vermutlich nicht
berücksichtigt werden (vgl. ebd., S.481). Um dieses theoretische Problem zu lösen passt
Ralws sein Konzept der Generationengerechtigkeit in seinem 2001 veröffentlichten Werk
„Justice as Fairness. A Restatement“ an, indem er ein Verhalten der Generationen voraussetzt,
dass dem entspricht, welches sie sich die „aktuell“ lebenden Generationen auch von
vergangenen Generationen gewünscht hätten (vgl. ebd., S.481f.).
Höffe, der bezogen auf diese Herausforderungen von einer „neuen sozialen Frage“ (Höffe,
2004, S.89) spricht, entwickelt den Grundsatz, dass „eine Generation, die sich das Recht
nimmt, durch wachsende Bevölkerung die Umwelt stärker zu belasten, [...] die Pflicht [hat],
die ökologische Bilanz insgesamt im selben Maß zu verbessern.“ (ebd., S.108). Gegenwärtig
schöpfen wir unsere Ressourcen jedoch aus und investieren zu wenig in die Aufrechterhaltung
unserer naturalen Umwelt, wodurch die Gerechtigkeit gegenüber zukünftigen Generationen
nicht gegeben ist (vgl. von Egan-Krieger et al., S.14f.) Als möglichen Ausweg aus dieser
misslichen Lage spricht sich Höffe für die bereits erwähnte komplementäre Weltrepublik aus:
12
Da dies „nicht nur regional, sondern in globaler Vernetzung geschieht, ist einmal mehr die
Weltrepublik gefordert.“ (ebd., S.108).
5. Kosmopolitische Normen als Lösungsansatz?
5.1. „Weltrepublik“ und „Weltbürger“ Die Idee einer Weltrepublik steht dabei in enger Verbindung zu der Vision einer globalen
oder auch kosmopolitischen Gerechtigkeit. Diese zielt darauf ab, alle Menschen bei der
Ausarbeitung und Umsetzung von Gerechtigkeitsprinzipien zu berücksichtigen (vgl.
Goppel/Mieth, 2016, S.223). Vertreter des Kosmopolitismus argumentieren, dass eine
Verwendung des Begriffs „globale Gerechtigkeit“ insbesondere im Kontext der weltweit
globalen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten moralisch geboten ist (vgl. Broszies/Hahn,
2010, S.12). Für Höffe stellt insbesondere der „Welt-Gerechtigkeitssinn“ (Höffe, 1999,
S.342), also ein öffentlich geteiltes Gerechtigkeitsverständnis, eine zentrale Voraussetzung für
die Realisierung globaler Gerechtigkeit dar. Es bedarf erst einer gemeinsamen Identifikation
der Mitglieder als ‚Weltbürger’ zu dieser Weltgesellschaft, damit diese bereit sind, ihre eigene
Freiheit zum Wohle der Anderen und im Sinne einer globalen Gerechtigkeit zu begrenzen
(vgl. Henning, 2009, S.29).
Dies basiert auf der Annahme, dass alle Menschen sich wechselseitig als gleichberechtigt
anerkennen und somit weder versuchen andere auszubeuten, noch die eigenen Vorteile und
Privilegien ausnutzen (vgl. Höffe, 2004, S.110). Die Konzeption eines Weltstaates mit einer
globalen Bürgerschaft setzt daher voraus, dass wir uns auch denjenigen gegenüber
verantwortlich fühlen, die uns fremd sind. Der Begriff der Anerkennung beschreibt in diesem
Zusammenhang zunächst einmal den normativen Begriff, „dass man andere in einer
bestimmten Weise wahrnimmt und positiv bestätigt“ (Goppel/Mieth, 2016, S. 328), er wurde
jedoch durch verschiedene Anerkennungstheorien erweitert.
Unter anderem bringt Kant in seinem kategorischen Imperativ den Begriff der Anerkennung
zum Ausdruck, indem er sich dafür ausspricht, Mitmenschen als Zweck und niemals als
Mittel zu gebrauchen (vgl. Kant, 1795, S.429). Diese intersubjektive Anerkennung, impliziert,
dass „das menschliche Subjekt, nicht nur sich selbst [...] sondern auch die anderen Menschen
als schöpferische Wesen betrachte[t], als Subjekte, nicht als Objekte“ (de Angelis, 2016,
S.118). Demnach kann das Konzept einer globalen Gerechtigkeit ausschließlich dann
umgesetzt werden, wenn Menschen sich weltweit anerkennen, da sie sich dann auf faire Art
13
und Weise behandeln und sich nicht gegenseitig ausnutzen würden. Letzteres Prinzip würde
der Anerkennung wiedersprechen. Bezogen auf die „Umweltproblematik“, würde eine
weltweite intersubjektive Anerkennung folglich auch ausschließen, dass wir die Ressourcen
unverhältnismäßig ausschöpfen oder Ökosysteme in anderen Ländern zerstören, um unseren
eigenen Wohlstand zu erhöhen. Dies schließt auch die Anerkennung zukünftiger
Generationen mit ein.
5.2. Kosmopolitische Weltrepublik – Eine Utopie? Es stellt sich jedoch die Frage, wie diese theoretische Idee in die Praxis umgesetzt werden
kann. Einen ersten Ansatz ließe sich aus Höffes (vgl. 1999, S.342) Idee des ‚Welt-
Gerechtigkeitssinns’ weiterentwickeln. Ein solcher Gerechtigkeitssinn könnte zum Beispiel
durch die „Kosmopolitisierung des Staatsbürgerrechts“ (Henning, 2009, S.141) gestärkt
werden, der hierbei auf die amerikanische Professorin Seyla Benhabib verweist. Benhabib,
die sich insbesondere mit der politischen Konzeption des Kosmopolitismus’ befasst, schlägt
hierfür einen „Pass als Weltbürger“ (Benhabib, 2008, S.158) vor, der die Anerkennung der
Mitbürger und somit kosmopolitische Politik und Gerechtigkeitsnormen voranbringen könnte.
Bestärkt wird diese Idee von Argumenten der politischen Kosmopoliten, die darauf
hinweisen, dass sich im Zuge der Globalisierung bereits „eine Mentalitätsveränderung
einzustellen beginnt [...] [und], dass es heute schon Menschen gibt, die sich als Weltbürger
verstehen.“ (Henning, 2009, S.189).
Diese Mentalitätsveränderung ist auch im Zusammenhang mit der „Umweltproblematik“
ersichtlich. Die globalen Herausforderungen verstärken die sogenannte
„Dependenzerfahrung“ (ebd., S.29), also die Erfahrung, dass Menschen aufgrund der
Wechselwirkung ihrer Handlungen voneinander abhängig sind. Als exemplarisch hierfür kann
der Klimawandel angesehen werden, welcher sich weder im Hinblick auf die Ursache noch
auf die Auswirkungen örtlich beschränken lässt. Der Münchner Soziologe Ulrich Beck spricht
in diesem Zusammenhang von einem sogenannten „Kosmopolitisierungsdruck“ (Beck, 2007,
S.111), der sich durch ein zunehmendes ökologisches Risikobewusstsein der Gesellschaft
verstärkt:
„Die Weltrisikogesellschaft erzwingt den Blick auf die Pluralität der Welt, die der nationale Blick ignorieren konnte. Globale Risiken eröffnen einen moralischen und politischen Raum, aus dem eine über Grenzen und Gegensätze hinweggreifende zivile Kultur der Verantwortung hervorgehen kann. Die traumatische Erfahrung der Verwundbarkeit aller und der daraus entstehenden Verantwortung für Andere, auch um des eigenen Überlebens willen, sind die zwei Seiten des geglaubten Weltrisikos.“ (ebd., S.111)
14
Hieran wird besonders deutlich, dass die gemeinsamen Probleme und Risiken, laut Beck eine
kosmopolitische Betrachtungsweise erfordern. Diese Forderung untermauert er mit der
Beobachtung, dass Nationen globale Probleme nicht ohne die Zusammenarbeit mit anderen
Nationen lösen können und es daher transnationale Abhängigkeiten gibt. Für die Realisierung
von kosmopolitischen Normen bedarf es jedoch nicht nur der Entwicklung eines
kosmopolitischen Gerechtigkeitssinns, sondern auch entsprechender institutioneller
Strukturen und hierdurch einer realpolitischen Umsetzung (vgl. Höffe, 2004, S.110).
Benhabib spricht sich in diesem Zusammenhang für institutionelle Vereinbarungen aus, die
sich nicht auf die Interessen des Staates beziehen sollten, sondern auf die der ‚Weltbürger’,
unabhängig von nationalen Grenzen (vgl. Benhabib, 2008, S.22). Da globale Gerechtigkeit
jedoch nicht gegen den nationalen Willen eines Staates erreicht werden kann, plädiert Beck
dafür, die staatliche Souveränität zu erhalten, die dabei immer mehr in die Abhängigkeit einer
gerechten Weltordnung geraten soll (vgl. Beck, 2007, S.128).
Die dabei vorauszusetzende Souveränitätsabgabe des Staates bringt jedoch auch
Schwierigkeiten mit sich, welche am Beispiel der supranational organisierten Europäischen
Union deutlich werden (vgl. Goppel/Mieth, 2016, S.98). Transnationale Institutionen wie die
Europäische oder die Vereinten Nationen, die auf dem Prinzip der Subsidiarität und
Souveränitätsabgabe basieren, führen zwar in vielen Bereichen zu internationalen
Abkommen, sind dabei allerdings laut Höffe trotzdem nicht in der Lage, globalen
Herausforderungen wie etwa dem Umweltschutz angemessen zu begegnen (vgl. Henning,
2009, S.76), da einzelne Nationen das Finden eines gemeinsamen Konsenses aufgrund
nationaler Eigeninteressen erschweren. Die Umsetzung globaler Gerechtigkeit im Kontext der
„Umweltproblematik“ verlangt deshalb, in einer von souveränen Nationalstaaten dominierten
Welt, nach der Gründung neuer globaler Institutionen oder nach einer Reformation bereits
bestehender transnationaler Strukturen, die darauf ausgerichtet sind, globale und
intergenerationelle Herausforderungen zu lösen und dabei nicht die nationalen Interessen
sondern die der gesamten Weltrepublik in den Fokus nehmen.
6. Fazit Im Kontext der gegenwärtigen globalen Ungerechtigkeiten, die im Zusammenhang mit der
„Umweltproblematik“ besonders deutlich werden, ist eine stetige Auseinandersetzung mit
dem Gerechtigkeitsbegriff unerlässlich. Dabei wird deutlich, dass dieser vielschichtig zu
begreifen ist, da er sowohl soziale, als auch politische Dimensionen der Gerechtigkeit
umfasst. Philosophische Gerechtigkeitstheorien zeigen, dass es verschiedene Konzepte und
15
Ansätze gibt, welche sich stark voneinander unterscheiden. Jedoch bestehenden diese
Unterschiede überwiegend in der Art und Weise der Umsetzung, da alle geschilderten
Ansätze das gemeinsame übergeordnete Ziel teilen, die Welt zu einem gerechteren und
friedlicheren Ort zu machen.
Philosophisch betrachtet, ist dabei die Vision einer Weltrepublik im Sinne einer
kosmopolitischen Ordnung logisch besonders gut begründbar, da diese auf dem Prinzip der
gegenseitigen Anerkennung beruht und somit ein globales Gerechtigkeitsverständnis evoziert.
Kosmopolitische Ansätze können in diesem Zusammenhang dazu beitragen, die Erkenntnis,
dass wir eine gemeinsame Lebenswelt teilen, zu bestärken und dadurch auch ein weltweites
öffentliches Gerechtigkeitsverständnis herbeiführen. Erste Ansätze dieses globalen
Verständnisses bietet Kant bereits 1795. Dieses wurde von zeitgenössischen Philosophen
aufgegriffen, um Kants Idee eines ‚Weltgeistes’ zu konkreten Ansätzen wie etwa dem Pass als
Weltbürger weiterzuentwickeln. Trotzdem bleibt die Frage nach einer realpolitischen
Umsetzung bestehen. Ob diese in Form eines komplementären Ansatzes, wie von Höffe
gefordert, oder im Sinne einer grundsätzlichen Neustrukturierung transnationaler Institutionen
erfolgt, bleibt dabei offen. Unabhängig von der konkreten Umsetzung setzen kosmopolitische
Normen jedoch voraus, dass sich die Nationalstaaten zu Gunsten der gemeinsamen
Weltrepublik unterordnen und damit Teile ihrer Souveränität abgeben. Dabei sollte letzteres
nicht als Abgabe im Sinne eines Verlusts aufgefasst werden, sondern als Bereicherung, durch
die Entstehung einer gemeinsamen globalen Souveränität.
Obwohl wir in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung also „vernetzter“ sind als je
zuvor, hat dieser Prozess uns offenbar gleichzeitig weit voneinander entfernt. Das
gegenwärtige Erstarken nationaler Identitäten, bestätigt dies. Damit wird auch das Finden von
gemeinsamen Lösungen für globale Herausforderungen wie der „Umweltproblematik“
erschwert. Wir sollten deshalb versuchen uns weniger auf nationale Identitäten zu fokussieren
und stärker für einen gemeinsamen globalen und intergenerationellen Konsens arbeiten, da
wir trotz geographischer, geschichtlicher und kultureller Unterschiede alle einen
gemeinsamen Lebensraum teilen. Dieses kosmopolitische Verständnis ist nicht nur
erforderlich um globalen Problemen und Herausforderungen wie der „Umweltproblematik“
zu begegnen, sondern auch, um unsere Mitbürger – jetzt lebende sowie zukünftige – zu
achten, indem wir sie fair und gerecht behandeln.
16
7. Literaturverzeichnis Beck, U. (2007). Weltrisikogellschaft: Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit.
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Benhabib, S. (2008). Kosmopolitismus und Demokratie: Eine Debatte. Frankfurt am Main:
Campus Verlag. Broszies, C. / Henning, H. (2010). Globale Gerechtigkeit: Schlüsseltexte zur Debatte
zwischen Partikularismus und Kosmopolitismus. Berlin: Surkamp Verlag. De Angelis, M. (2016). Philosophie für alle (1.0): Manifest für die philosophische Identität
des europäischen Volkes. Möhnesee: Phileuropa. Goppel, A. / Mieth, C. (2016). Handbuch Gerechtigkeit. Berlin: J.B. Metzler Henning, H. (2009). Globale Gerechtigkeit: Eine philosophische Einführung. Frankfurt am
Main: Campus Verlag Höffe, O. (1999). Demokratie im Zeitalter der Globalisierung. München: C. H. Beck Höffe, O. (2004). Gerechtigkeit: Eine philosophische Einführung. München: C. H. Beck Höffe, O. (Hg.) (2011). Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden. Berlin: Akademie Verlag IPCC (2018): „Special Report: Global Warming of 1,5 ºC“. In: The Intergovernmental Panel
on Climate Change, URL: https://www.ipcc.ch/sr15/, (Zugriff 08.02.2019). Kant, I. (1795). Zum ewigen Frieden. München: Königsberg. Rawls, J. (1975). Eine Theorie der Gerechtigkeit. Übersetzt von Hermann Vetter. Frankfurt
am Main: Suhrkamp Verlag. Tilman, S. (2007). Klimawandel und globale Gerechtigkeit. In: Aus Politik und
Zeitgeschichte, No. 24, S. 18-24. Von Egan-Krieger, T. / Ott, K. / Voget, L. (2007). Der Schutz des Naturerbes. In: Aus Politik
und Zeitgeschichte, No. 24, S. 10-17.
17
Eigenständigkeitserklärung Name: Marie-Lisa Feller Matrikelnummer: 3035714 Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Hausarbeit selbständig verfasst habe.
Ich versichere, dass ich keine anderen als die angegebenen Quellen benutzt und alle wörtlich
oder sinngemäß aus anderen Werken übernommenen Aussagen als solche gekennzeichnet
habe, und dass die eingereichte Arbeit weder vollständig noch in wesentlichen Teilen Gegen-
stand eines anderen Prüfungsverfahren gewesen ist.
Lüneburg, 14.03.2018 ___________________ Ort, Datum Unterschrift