Erforschung des Erwerbs und Ausbaus von
Web-Literalität am Beispiel des
Massive Open Online Course “Competences
for Global Collaboration - cope14”
Jutta Pauschenwein, Sylvia Hojnik
FH JOANNEUM
19. Europäische Konferenz zu
Literalität
Klagenfurt, 13.-16. Juli 2015
Ausgangspunkt /
Fragen
★ Erforschung, inwieweit ein bestimmter digitale Lernraum (MOOC) zu einer
literalen Lernumgebung wurde, in dem die Lernenden neben Fachwissen
auch Web-Literarität aufbauten.
★ Exemplarische Untersuchung, wie Studierende und andere Lernende - eine
inhomogene Gruppe von über 500 Personen - in einem digitalen Lernraum
Informationen aufnehmen, verarbeiten und entschlüsseln.
★ Analyse, wie sie aus diesem Online-Lernprozess verwertbares Wissen für
den eigenen Lebens- und Arbeitszusammenhang generieren.
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Aus Sicht der Moderatorin
und Forscherin
Seit 1986 im Internet aktiv
Interessiert an gemeinsamen Online-Lernprozessen
Gilly Salmon - 5-Phasenmodell
✴ Phase Zugang und Motivation: Ankommen, Unsicherheit überwinden, sich
orientieren
✴ Phase 2 Online-Sozialisierung: sichtbar werden, schreiben, Kontakt aufnehmen,
✴ Phase 3 Informationsaustausch und Phase 4 Gemeinsame Wissenskonstruktion:
Content erstellen, sich vernetzen, neue Quellen finden
✴ Phase 5 Selbstorganisation und Weiterentwicklung: Kompetenz online zu lernen
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Inhalt
★ Was ist ein MOOC (Massive Open Online Course)? -
Beschreibung des MOOC “Competences for Global
Collaboration - cope14”
★ Verschiedene Aspekte von Web-Literalität
★ Untersuchung: Methode und Ergebnisse
★ Ausblick
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MOOCs
★ Massive Open Online Courses – (Zehn-) (Hundert-)Tausende Lernende nehmen
(gratis) teil
★ Erfunden von der Gruppe um Georg Siemens und Stephen Downes
(Konnektivismus), erster MOOC 2008
★ Boom seit 2011, Anbieter anfangs vor allem amerikanische Elite-Unis
★ cMOOC - konnektivistischer MOOC: Lernende und ihr Austausch stehen im
Mittelpunkt, Lernende tragen zum Inhalt bei, ExpertInnen „ermöglichen“ lernen
★ xMOOC - eher konservative Didaktik, ExpertInnen steuern den Lernprozess,
Fokus auf Inhalt, Wissensüberprüfung mittels Online-Tests
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★ 6-wöchiger MOOC
★ 22. April bis 2. Juni 2014
★ Inhalte rund um E-Learning, Wirtschaft und Kommunikation
✴ Week 1: Communication across borders: Introduction and warm- up
✴ Week 2: Legal cultures
✴ Week 3: Doing Business in Emergent Markets
✴ Week 4: Relationships & Networks in Business to Business Marketing
✴ Week 5: International communication and negotiation
✴ Week 6: Transfer into individual contexts
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cope14 Didaktische Ansätze
★ Mischung aus cMOOC und xMOOC
★ Konnektivismus: Lernen im Netz (George Siemens)
★ Aktivitäten: Inhalte sammeln, ordnen (aggregate) - neu zusammensetzen (remix) -
weiterentwickeln (repurpose) - mit anderen teilen (feed forward) (Stephen Downes)
★ 5-Stufenmodell für Online-Gruppen (Gilly Salmon)
★ Förderung von emergent learning sowie Visualisierung mittels der Footprints of
emergence (Roy Williams, Jenny Mackness)
★ Rollen: ExpertInnen der Woche, visiting speakers und zwei Moderatorinnen
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cope14 Technik und Inhalte
★ Multidisziplinäres Projektteam bestehend aus MitarbeiterInnen der Studiengänge Business in Emerging Markets, Journalismus und Public Relations, Informationsdesign und desZML-Innovative Lernszenarien der FH JOANNEUM
★ Offene Wordpress Plattform - Lernen ist auch ohne Einloggen und anonym (mit Nickname) möglich
★ Videos als Lernmaterialien, 2-3 Aufgaben pro Woche nach dem Schema Ziel, Aufgabe, Reaktion (Gilly Salmon)
★ Wöchentliche Videokonferenzen zur Beantwortung von Fragen
★ Aktive Lernende auf Website, in Facebook-Gruppe, in Google+ Community und in eigenemBlog
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cope14 Durchführung und
Ergebnisse
★ 537 Lernende aus 34 Ländern
★ 330 Studierende (11 Studiengänge der eigenen Hochschule, 2 Studiengänge von
anderen österreichischen Hochschulen, sowie Lernende von einer slowenischen
Hochschule)
★ 2600 Kommentare auf www.cope14.at
★ 15% erhielten eine Teilnahmebestätigung
★ Anerkennung der Lernleistung in Lehrveranstaltungen im Ausmaß von einem ECTS
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Neue Literalität
10Anne Thillosen (2008) Schreiben im Netz
★ Die literale Kultur wird anders.
★ Es braucht Kompetenzen im Umgang mit Computer und Internet
★ Keine Trennung zwischen Produktion und Rezeption
★ Interaktivität, Vernetzung
★ Uferlosigkeit des Schreibens (Weller: Abundance)
★ Kombination von Texten und anderen Symbolsystemen
★ Lesekompetenz: technische Ebene, inhaltliche Verstehensfähigkeit, sozial-
kommunikative Kompetenz, Motivation der Mediennutzung, emotionaler Aspekt
der Mediennutzung, Fähigkeit zu Reflexion und Kritik, Anwendungsorientierung
Web-Literalität
★ Niveaus der Web-Literalität: Stufe der Fähigkeiten und Fertigkeiten: Wissensorganisation,
Medienproduktion, Netzwerken - skills - und Stufe der reflektierten Sinnfindung und sich
Verständlich machen für andere - sensemaking (Heinz Wittenbrink)
★ Aufmerksamkeit - Teilhabe - Zusammenarbeit - Erkennung von Sinnhaftem und Sinnlosem
(crap detection) (Howard Rheingold)
★ 12 Teilkompetenzen darunter Spielen, Multitasking, Verhandeln (Henry Jenkins *)
11(*) play, performance, simulation, appropriation, multitasking, distributed cognition, collective intelligence, judgment,
transmedia navigation, networking, negotiation, visualization
Datensätze
12
Datensätze
Material aus Woche 1: Motivation und Woche 6: Transfer und Reflexion
★ A: Motivation wurde mitgeteilt bei der Anmeldung oder in Assignment 1.1
★ B: Reflexion mittels Text in Assignment 6.1 und 6.3 (Abschied)
★ C: Erstellung eines Footprint of emergence (Assignment 6.2) - optional
12 Lernende erfüllten ABC
★ acht Frauen, vier Männer
★ 5 Studierende unserer Hochschule (3 Wirtschaft, 2 Journalismus), 1 Lehrende
(Sprachen)
★ 6 externe LernerInnen (2 Österreich, 3 Russland, 1 England)
★ 11 Lernende bekamen eine Teilnahmebestätigung
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Welche Motive werden
genannt, die zu Web-
Literalität führen?
★ Neu lernen (6 Nennungen, 6 Personen)
✴ ABC01: „different learning methods“
✴ ABC04: „new platforms“
✴ ABC06: „to experience a new way of active education“ – ABC11: „try new ways of learning“
★ Vernetzt lernen (5 Nennungen, 5 Personen)
✴ ABC02: cross-cultural topics are fascinating
✴ ABC03: meet people from different countries
✴ ABC11: learning in the international team
★ Spaß (2 Nennungen, 2 Personen - ABC02, ABC07)
Darüber hinaus: Englisch verbessern (ABC03), sich mit den Inhalten des MOOC auseinandersetzen (4
Personen - ABC03, ABC04, ABC05, ABC08)
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Schlüsse aus den
Statements zur Motivation
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★ Explizit sprechen die Lernenden Aspekte der Web-
Literalität an:
✴ technische Ebene
✴ emotionaler Aspekt
✴ Vernetzung
✴ Zusammenarbeit
★ Lesen-Schreiben (9 Nennungen, 5 Personen)
✴ ABC05: „screen reading needs more concentration“ - „maybe I have to print them"
✴ ABC08: „to stick to the cope14 site, where the information flow was organized in the most
convenient way“
✴ ABC03: „I suppose I read half of them“
★ Orientierung (6 Nennungen, 4 Personen)
✴ ABC08: „the MOOC structure seemed quite complicated“
✴ ABC02: „I was not too sure about the various channels to interact in“
✴ ABC08: „the cope14 website.. was .. my favorite way of commenting and discussing"
✴ ABC08: „it all became clear in a couple of days“
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Reflexion
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★ Vernetzung (14 Nennungen, 7 Personen)
✴ ABC08: „it’s learners who helped me feel more engaged in the topic“
✴ ABC08: „I had a feeling that there are many people in a big university class, talking and
discussing important and interesting things“
✴ ABC08: „my personal experience is a strong feeling of participating in a big and significant
event“
✴ ABC12: „mostly enjoyed learning from other people comments“
★ Keine Vernetzung (4 Nennungen, 3 Personen)
✴ ABC03: I didn´t get in contact with lots of other learners
✴ ABC05: like talking/posting to a wall
Reflexion
Reflexion
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★ Identität (4 Nennungen, 3 Personen)
✴ ABC05: „It’s .. hard to stay anonym. But it’s possible.“
✴ ABC08: „it was the very first time I ever participated in learning activities like that“
★ Spaß (5 Nennungen, 4 Personen)
✴ ABC02: „like a fun computer game“
✴ ABC08: „exchanging with others, which was fun itself =)“
✴ ABC08: „the way of how we learned serious things was not boring at all"
★ crap detection (1 Nennung, 1 Person)
✴ ABC05: „More feedback from the facilitators too. Might have encouraged me that what I
learned is valid.“ (1 Nennung, 1 Person)
Reflexion
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Darüber hinaus - Lernprozess zur Aneignung von Web-Literalität
★ Selbstorganisation (3 Nennungen, 3 Personen)
✴ ABC04: „the possibility to do what we want and when we want, was a nice diversion from the daily routine at
the university"
✴ ABC08: „anyone can choose when, where and how to participate and contribute“
★ Umgang mit Zeit (10 Nennungen, 9 Personen)
✴ ABC01: „I was able to learn and participate on the MOOC whenever I had time“
✴ ABC02: „The concept of independent learning (“I’ll do what I want and when I want to”) is fun but asks for a
lot of self-discipline “rticipate and contribute“
★ Entwicklung (10 Nennungen, 7 Personen)
✴ ABC05: „I know now that it’s possible to study online“
✴ ABC07: „I grew personally … learned a lot of new things and methods, I’ve never heard before“
✴ ABC05: „I created a blog. I have never had a blog on my own before“
Wie verarbeiteten Lernende die
Informationen:
- Bauten sie Web-Literalität auf?
- War cope14 ein literaler Lernraum?
★ Orientierung: Lernende fanden einen Weg sich zu organisieren, fanden das für sie am besten geeignete Mittel - Wissensorganisation(Wittenbrink), Multitasking (Jenkins)
★ Lesen-Schreiben: Lernende benennen Unterschied beim Lesen und Schreiben im Web - Die literale Kultur wird anders, Uferlosigkeit des Schreibens (Thillosen)
★ Spaß: Lernende vergleichen ihr Tun mit dem bei einem Computerspiel -Aufmerksamkeit (Rheingold), Spielen (Jenkins)
★ Vernetzung: Lernende lernen unterschiedliche Personen, Meinungen kennen (Thillosen, Wittenbrink, Rheingold, Jenkins)
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Ausblick: Footprints of
emergence
Fähigkeit zur Reflexion als Web-Literalität und als Lernkompetenz
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Alex: learner in cope14 and cope15
Downes, Stephen (2009). Connectivism dynamics in communities.
Downes, Stephen (2013). The quality of massive open online courses
Jenkins, H. (2009). Confronting the Challenges of Participatory Culture: Media Education
for the 21st Century. Cambridge, London: MIT Press.
Thillosen, Anne (2008). "Schreiben im Netz." Neue literale Praktiken im Kontext
Hochschule. Münster: Waxmann.
Rheingold, Howard, and Anthony Weeks. Net smart: How to thrive online. Mit Press,
2012.
Salmon, Gilly (2003). E-moderating: The key to teaching and learning online. Psychology
Press.
Salmon, Gilly (2013). E-tivities: The key to active online learning. Routledge.
Siemens, George (2005). Connectivism: A Learning Theory for the Digital Age,
International Journal of Instructional Technology and Distance Learning, Vol 2, No 1, p3-
10.
Weller, Martin (2011a). A pedagogy of abundance. Spanish Journal of Pedagogy, 249, S.
223–236
Williams Roy T. Mackness Jenny & Gumtau Simone (2012). Footprints of Emergence.
International Review of Research in Open and Distance Learning, 13(4) S.49-90
Wittenbrink, Heinz (2011a). Zwei Ebenen der Web Literacy.
Wittenbrink, Heinz (2011b). Fragen zur Web Literacy.
Die Bilder im Vortrag sind aus dem persönlichen Archiv von Jutta Pauschenwein
@jupidu – zmldidaktik.wordpress.com