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5.4.4. NEUE ELEMENTE IN DER TOPOGRAPHIE DER ZIVILSTADT

VON AQUINCUM

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5.4.4.1. VERKEHRS VERBINDUNGEN, WEHRANLAGEN, STRAßENNETZ

Die Topographie der Zivilstadt von Aquincum wurde im Laufe der vergangenen dreißig Forschungsjahre an zahlreichen Punkten ergänzt. Allerdings lassen sich die neuen Ergebnisse, da ihre Aufarbeitung zumeist noch nicht in Angriff genommen oder gerade im Gange ist, vorerst nicht immer in die weiter oben skizzierte Baugeschichte einordnen, so dass sie dort unerwähnt geblieben sind. Der folgende Uberblick befasst sich ausschließlich mit jenen neuen topographischen Elementen, die den früher bekannt gewordenen Grundriss der Zivil-Stadt (SZILÁGYI 1968, Plan I I ; T. NAGY 1973, Beilage I ; LÁNYI 1990/1, Abb. 4) ergänzen bzw. in gewisser Weise modifizieren. (Abb. 1.) Ein Teil der neuen Ergebnisse (das Nord- und das Südtor, Gebäude vor der südlichen und westlichen Stadt­mauer) ist auf den in den zwischenzeitlich erschie­nenen Publikationen veröffentlichten Grundrissen bereits erkennbar (Aquincum 1986, 123, Abb. 47; MÁRITY 1992, 68, Abb. 2; ZSIDI 1994/1, 216, Abb. l ) . Doch wegen ihres Charakters und Maßstabes sind dies im Allgemeinen schematische bzw. symbolische Übersichtspläne, welche die neu-erschlossenen topograhischen Elemente nicht mit geodätischer Exaktheit wiedergeben und die daher nicht als Quellen topographischer Forschungen dienen können. Ein anderer Teil der den Situa­tionsplan der Zivilstadt im untersuchten Zeitraum wiedergebenden Arbeiten ist zwar geodätisch exakt, geht aber lediglich auf das eine oder andere Detail ein (Stadtmauer und ihre Wehranlagen: ZSIDI 1990/2, 145, Abb 1; Wasserleitung: KABA 1976, Bd. 2, 56-59; südöstliche Region: Z S I D I 1998/4, 95, Abb. 6). Diese Detailzeichnungen bieten auf Grund ihrer Art bzw. ihres Maßstabes kein umfas­sendes Bild von der Stadt. Generell bereitet es in der topographischen Forschung Schwierigkeiten,

daß die Aufnahmen der früher erschlossenen und in ihren Zusammenhängen oft fehlerhaft interpre­tierten Stadtteile infolge der vielen zwischenzeitlich vorgenommenen zeichnerischen Korrekturen unge­nau wurden und auch Nachgrabungen häufig nur die Dank früherer Konservierungen erhalten geblie­benen Mauern oder die Stelle eingestürzter Mauern registrieren konnten (PÓCZY 1970, 12). Nicht so sehr die topographische Forschung als vielmehr das Bestreben, sich zwischen den restaurierten Mauern zu orientieren, trägt dazu bei, den auf der Aufnah­me des Wiederherstellungsergebnisses beruhenden und demgemäß interpretierten Gesamtgrundriss von der ZivÜstadt entstehen zu lassen (HAJNÓCZI 1987, 100-103, Abb. 115-118).

Der folgende Überblick geht ausschließlich auf jene neu ans Tageslicht gelangten, einen deut­baren Grundrisszusammenhang zeigenden Bau­ten bzw. Gebäudedetails ein, die den Grundriss der früher freigelegten Gebäude ergänzen bzw. vervollständigen. Zahlreiche für sich allein nicht interpretierbare Gebäude-, Mauer-, Schicht- und Kanalisationsdetails, die bei den Nachgrabungen in Kabel- oder Leitungsgräben zutage kamen, müs­sen hier unerwähnt bleiben, denn sie können erst im Zuge der eingehenden und umfassenden wis­senschaftlichen Aufarbeitung Bedeutung erlangen bzw. zur Mehrung unserer Kenntnisse beitragen.

Verkehrsverbindungen

Im Laufe der Ausgrabungen der vergangenen Jahrzehnte kam jeweils ein weiterer Abschnitt der nördlich, südlich und westlich aus der Zivilstadt führenden Straßen zum Vorschein. (Abb. 2.) Die durch eine etwa 520 cm breite Toröffnung zwischen den Türmen des Nordtores führende,

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Abb. 1. Grundriss der Zivilstadt von Aquincum mit dem markierten Areal der neuen Ausgrabungen

mehrfach erneuerte Straße bedeckte ein Belag aus Steinplatten. Auf der Ostseite begleitete sie ein Kanal, der - den nordöstlichen Torturm umge­hend - die Niederschläge und Abwässer durch die Stadtmauer in den außerhalb befindlichen Wasser­graben leitete (ZSIDI 1990/2, 154). Bemerkens­wert ist die Trassenführung der Straße, die vor dem Tor vorschriftsgemäß (Vitruvius I . 5) nach links abbog und dann vermutlich, nachdem sie den Aquädukt erreicht hatte, an dessen östlicher Seite weiterlief. In diesem Abschnitt war die Stra­ße 7 Meter breit, mit gut sichtbaren Wagenspuren an der Oberfläche1

In dem tiefer gelegenen Gebiet nördlich des Amphitheaters brachten die in den letzten Jahren durchgeführten Ausgrabungen einen Abschnitt der ostwestlichen Straße mit Balkenkonstruktion ans Licht (LÁNG 2002/1).

Ein Strecken­abschnitt der nach Süden aus der Stadt führenden Straße konnte vor der Her­berge aufgedeckt wer­den, wenn auch leider nicht in voller Breite.2

Zum Vorschein kam der westliche Rand der mit Steinplatten gepflasterten und der Mauer der Ladenrei­he folgenden Straße. Die Straße erschien sehr hoch, unmit­telbar unter dem heutigen Straßenni­veau, und nach den auf ihrer Oberfläche gefundenen völker­wanderungszeitlichen Scherben wurde sie auch im Zeitraum nach der Römerherr­schaft benutzt (ZSIDI

1999/4, 588). In der Nähe des Ostturms der südlichen Stadtmauer stießen wir auf ein Stück der den westlichen Abschnitt dieser Mauer außen begleitenden Straße sowie der davon nach Süden abzweigenden nordsüdlichen Route (PETŐ 1984/ 1, 276, 285, Abb. 6).

Z u der im Abschnitt zwischen dem südwestli­chen Eckturm und ersten Zwischenturm gefun­denen späteren Toröffnung im südlichen Teil der westlichen Stadtmauer führte ebenfalls eine mit Platten gepflasterte Straße. Auch diese erschien in ziemlicher Höhe, ihre Breite konnte jedoch nicht festgestellt werden. Auf Grund ihrer Richtung und Lage darf man sie als Fortsetzung der auf der Westseite der Wasserleitung freigelegten3 ostwest­lichen Straße betrachten (ZSIDI 1990/2, 154, Abb. 1). Den außerhalb der Stadtmauer gelegenen Abschnitt dieser Straße gelang es vorerst noch

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nicht zu folgen. Ein weiterer Abschnitt der ost­westlichen Hauptverkehrsader (Straße D) kam im Vorraum der westlichen Stadtmauer zu Tage. Die hier nur noch 6 m breite, mit Steinplatten belegte Straße war auf einem Damm verlegt.4 Nach der Freilegung dieses Abschnitts konnten sowohl die vom Westtor der Zivilstadt ausgehende Straße als auch die Kreuzung der die Stadtmauer begleiten­den via angularis geklärt werden. 5

Generell ungeklärt sind weiterhin die in Rich­tung Osten aus der Zivilstadt führenden Ver­kehrswege. Lediglich in der Nähe des Donauufers gelang es, ein mit Schotter verfülltes und auch Radspuren aufweisendes Detail einer auf einem Damm verlaufenden, erneuerten Straße freizulegen (ZSIDI 2001/1, 78-81), die wohl der ehemaligen Uferlinie der Donau in Richtung Nord-Nord­ost folgte und in die wahrscheinlich zum Fluss führende ostwestliche Hauptstraße der Zivilstadt mündete. Auf der Donauseite begleitete die Trasse der Straße ein Objekt mit einer Pfostenkonstruk­tion, vermutlich die Reste eines dem Schutze der Stadt dienenden Wehrobjektes (ZSIDI 1999/1).

Die Wehranlagen der Zivilstadt

Ein bedeutender Fortschritt konnte in der vorangehenden Forschungsperiode bei der Erfor­schung der städtischen Wehranlagen verzeichnet werden, wobei die Ausgrabungen die Stadtmauer und deren Umgebung an mehr als zwanzig Punk­ten berührten. Die Forschungen erstreckten sich nicht allein auf die Stadtmauer, sondern auf die Konstruktion des ganzen Systems der mit der Stadtmauer im Zusammenhang stehenden Wehr­anlage. Die Zusammenfassung der topographischen Ergebnisse der bis 1990 erfolgten Ausgrabungen liegt bereits vor (ZSIDI 1990/2). Gebildet wurde das die Zivilstadt trapezförmig umgebende System der Wehranlagen von der Stadtmauer bzw. den diese verstärkenden Zwischentürmen, Ecktürmen und Tortürmen, ergänzt von Wassergräben, einem

3 Grabung K. Póczy und Gy. Hajnóczi 1966-67, vorläufiger Bericht: BudRég 23 (1973) 266.

4 Grabung K. Póczy 1975, Plan 3, Nr. 64. 5 Grabung K. Póczy 1983, Plan 6, Nr . 2.

Abb. 2. Die aus der Stadt herausführenden Hauptstrassen der Zivilstadt

inneren Umgang und Straßen. Die Verteidigungs-funktion der Stadtmauer hat sich im Laufe der Römer zeit mehrmals gewandelt.6 Doch bis zum Ende der Römerherrschaft verlief die Stadtmauer, von kleineren Korrekturen abgesehen, im Gro­ßen und Ganzen auf der herkömmlichen Trasse, wohingegen die Konstruktion der Wehranlagen und das von diesen umschlossene Gebiet von Zeit zu Zeit Veränderungen unterlagen.

An der aus der früheren Fachliteratur bekannten Trasse der Wehranlagen der Zivilstadt haben auch die neueren Forschungen nichts geändert. Ihre genaue Länge ist weiterhin nur auf der Westseite bekannt, der 381 m lange Mauerzug entspricht exakt 11 actus. Ein wichtiges neues Resultat vom Gesichtspunkt der Topographie der Zivilstadt von Aquincum bedeutete die Freilegung des Nord-und des Südtores, wobei es im Hinblick auf der Struktur der ZivÜstadt von besonderer Wichtigkeit

6 S. den Abschnitt „Baugeschichtliche Skizze der Zivilstadt" (5.4.3.).

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Abb. 3. Das Nordtor der Zivilstadt und Reste des ersten Gebäudes inner­halb der Stadtmauer

war, daß wir die Stelle des Nordtores feststel­len konnten. Im Falle der schon auf früheren Grundrissen (Abb. 3.) vorkommenden (SZILAGYI 1968, Plan I I ; T. NAGY 1973, Beilage I ; PÓCZY 1976/4, 41 ; LÁNYI 1990/1, Abb. 40), im Osten an die Pfeiler des Aquädukts grenzenden, recht­eckigen Tortürme verliefen die Nachgrabungen ergebnislos.7 Statt dessen kamen auf der Linie des an der Ostseite des Forums verlaufenden sog. Weges „A" die rechteckigen Türme des die Linie der Stadtmauer unterbrechenden zweiteiligen Tores zum Vorschein (ZSIDI 1990/2, 154, 159, Abb. 10). Der westliche Turm des Südtores weist, ähnlich dem Fundament des erneuerten Osttores des Legionslagers, einen kreisförmigen Grundriss auf (POCZY 1984/1, 20; Aquincum 1986, 121). Im Westabschnitt der Stadtmauer war ein später eröffnetes, aus einem Steinfundament mit Holz­aufbau bestehendes Tor von außen an die Mauer gesetzt (ZSIDI 1990/2, 152-153). (Abb. 4.) Was die Trasse der östlichen - der Donau zugewand­ten - Stadtmauer betrifft, sind wir vorerst auf

Vermutungen ange­wiesen. Leider stehen gerade in diesem öst­lichen Teü des in der Neuzeit übrigens meist unbebaut gebliebenen Gebietes der Zivilstadt moderne Häuser. Hier fanden also früher auch keine bedeu­tenderen - präziser dokumentierten - Aus­grabungen statt, und bei den Rettungsgra­bungen in Verbindung mit den Bauvorhaben am Beginn des letzten Jahrhunderts wurde das Gebiet nur in den obersten Schichten erforscht.

Durch die Gegenüber­stellung der topographischen und chronologischen Ergebnisse begann sich die Baugeschichte der Wehr anlagen der Zivilstadt abzuzeichnen (ZSIDI 1990/2, 156-163). Die Zahl der Wassergräben in den verschiedenen Abschnitten der Stadtmau­er, die Breite der Stadtmauer, die Lösung der Wasserableitung innerhalb der Mauer bzw. der Abstand der ersten Gebäude von der Mauer usw. hatten sich geändert. (Abb. 5.) Auf Grund der Grabungsergebnisse lassen sich auch bei den Wehranlagen mehrere Bauperioden absondern.8

Nach der Zusammenfassung von 1990 beschränkten sich die Ausgrabungen auf den süd­östlichen Abschnitt der Wehranlagen der Zivilstadt (ZSIDI 1995/1, 44-46; Z S I D I 2002/3, 46-47; LÁNG 2002/2, 139-142). In den aufgedeckten Abschnitten fand man die Stadtmauer, wie bei den meisten Grabungen, in abgetragenem Zustand vor. Zum Vorschein kamen der innerhalb der Mauer verlaufende Wassersammeikanal bzw. außerhalb ein Wassergraben mit einem verfüllten Teilab-

8 S. dazu den Abschnitt „Baugeschichtliche Skizze der Zivi l ­stadt" (5.4.3.).

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Abb. 4. Fundament des außen an den westlichen Stadtmauerabschnitt angebauten Torturmes

schnitt, in den ein Gebäudefundament aus einer späteren Periode der Römerzeit eingelassen war.

Als Wehranlagen erwähnenswert sind auch jene bei den Ausgrabungen der letzten Jahre ange­troffenen Spuren, die sich mit dem am Donau­abschnitt der Zivilstadt ausgebauten römischen Uferschutz in Verbindung bringen lassen (ZSIDI 1999/1, 84-94) . Schwierig ist die Deutung der Konstruktion insofern, als man das Objekt still­gelegt und dessen Elemente von ihrer ursprüng­lichen Stelle entfernt hat, weshalb nur der durch die Donauströmung stark in Mitleidenschaft gezo­gene Standort zu beobachten war. Westlich von diesem Objekt und parallel dazu verlief eine auf einem Damm verlegte Straße (ZSIDI 1999/1).

Das innere Straßennetz der Zivilstadt

Im östlichen Teil der Stadt, in dem Streifen neben der nordsüdlichen Hauptstraße, ist das Stra­ßennetz der Zivilstadt von Aquincum relativ gut bekannt. Dieses Netz zeigt die auf den überliefer­ten Schemata ausgebauten, aber erst ab der Sever­

erzeit in Gebrauch befindlichen Wege. (Abb. 6.) Das frühere Straßennetz der Stadt bedeckt eine rund 1,5 m dicke, von den Ausgrabungen kaum berührte Verfüllung. Infolge dessen ist die Frage der Anlage eines regelmäßigen Straßennetzes mit Insulae bis heute umstritten (MÁRITY 1992, 67; MÁRITY 1993, 138, 147: Abb. 2, 148: Abb. 3; ZSIDI 1997/1, 282, 287, Abb. 4.) . 9 (Abb. 7.)

Die neuen Grabungsergebnisse haben zu dem aus früherer Zeit bekannten Straßennetz im östli­chen Stadtteil nur wenig beigetragen. Das Gefüge des östlichen Stadtteils bestimmen die beiden sich rechtwinklig treffenden Hauptstraßen (cardo, decu-manus). Obwohl die Trassen der Hauptstraßen in den vier Jahrhunderten Römerzeit im Großen und Ganzen unverändert geblieben sind, zeigen neuere Aufnahmen dennoch geringfügige Veränderungen (Breite, Struktur, Richtung). Bei einer Nachgra­bung im Bereich der die nordsüdliche Hauptstraße begleitenden Ladenreihe stellte sich heraus, daß der Westteil der Straße verschmälert und deren

9 S. Anm. 8.

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Niveau angehoben wurde. 1 0 In der Nähe des Nordtores kam der von einem Kanal gesäumte Abschnitt der an der Ostseite des Forums verlaufenden nordsüdlichen Straße zum Vorschein (ZSIDI 1990/2, 155). Der beim Durchschneiden der Straße entdeckte kleine Abschnitt eines frühen Ziegelkanals deutet darauf hin, daß sich das Straßenniveau im Laufe der Benutzung auch in diesem Fall um mehr als einen Meter angehoben hat.

Ein nicht erwartetes neues Ergeb­nis der vergangenen Forschungsperiode brachte die Freilegung der 3 m breiten, das Aquädukt auf der West- und Ostseite begleitenden Straße. Den Abschluß der Ostseite dieser mit Steinplatten gepflas­terten Straße bildete die an vielen Stel­len bis zu mehreren Metern Höhe erhalten gebliebene rückwärtige Mauer der Ladenreihe (PÓCZY 1984/1, 21). Die schmale Straße diente in erster Linie wahrscheinlich nicht öffentlichen Verkehrs-zwecken, sondern wurde eher als eine Art Service-Weg zur Instandhaltung der Wasserleitung genutzt.

Desöfteren kamen bei den Grabungen, die sich nicht unein­geschränkt ausdehnen durften, entlang der Abschlussmauern der Gebäude Kanalisationsabschnitte ans Licht. Diese hatten vermutlich den Rand einer Straße gebildet, obwohl die Straße selbst nicht freigelegt wurde. An das Vorhandensein einer Straße könnte man beispielsweise im Falle des außerhalb der westli­chen Abschlussmauer des collegium centonarorium

Abb. 5. Schnitte der die Zivilstadt umgebenden Wehranlagen

Abb. 6. Rekonstruktionsskizze des severischen Insula-Systems und Limitationssystems

(nach E. Márity)

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Abb. 7. Rekonstruktionsskizze über die Veränderungen des Insula-Systems der Zivilstadt: (a) Propor­tionen der ursprünglichen (frühen) Absteckung und (b) die (durch Aufteilung des früheren Systems zustandegekommene) spätere Parzellierung

(ZSIDI 1997/4, 50) bzw. in der Nähe der West­seite des sog. Symphorus-Mithräum verlaufenden Kanals (ZSIDI 2002/3, 46) denken.

Der westliche Stadtteil ist nur zu einem kleinen Teil erschlossen und von seinem Straßennetz wis­sen wir vorerst noch sehr wenig. Auf Grund der gegenwärtig verfügbaren Angaben scheint es aber wahrscheinlich, daß das System des Straßennetzes im westlichen Stadtteil den Straßen des östli­chen Stadtteils entsprach. Das bekräftigt ein im westlichen Stadtteil freigelegter Abschnitt der ost­westlichen Hauptstraße der Zivüstadt.11 Den etwa 15 m langen und 11 m breiten, mit Steinplatten gepflasterten Straßenabschnitt begleitete beidseitig ein Kanal, und hinter der die Südseite der Straße säumenden Porticus kamen einige Schwellenstei­ne zu Tage, die für die von der nordsüdlichen Hauptstraße her bekannte Ladenzeile typisch sind.

Den vermuteten severischen Vorgaben zum Abste­cken des Straßennetzes der Zivilstadt ist prinzipiell auch der westliche Stadtteil angepasst (MÁRITY 1993, 148, Abb. 3), obgleich einzelne früher aufgedeckte, einander rechtwinklig schneidende Straßen des Stadtteils sich nur teilweise in dieses System einfügen (MÁRITY 1993, 147, Abb. 2). Vor einigen Jahren wurde versucht, mit Hilfe der Luftfotografie und geophysikalischen Aufnahmen neue Erkenntnisse über den noch nicht erschlos­senen westlichen Stadtteil zu gewinnen. 1 2 Auch hier haben die Messungen an etlichen Punkten die nach ostwestlichen Straßen orientierte, aus schmalen Grundstücken bestehende Einteilung bestätigt, die den Zustand nach der Severerzeit widerspiegelt.

Paula Zsidi

Grabung M . Németh und Gy. Hajnóczi 1971, Plan 1, Nr. 29. Grabung P. Zsidi 1978, Plan 4, Nr . 35.

1 2 Die Ergebnisse der unter Mitwirkung von Zoltán Czajlik (Institut für Archäologie an der ELTE) und Sándor Puszta (Naturwissenschaftliche Fakultät der ELTE) durchgeführten Untersuchungen sind vorerst unveröffentlicht.

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5.4.4.2. WASSERVER- UND ENTSORGUNG, GEBÄUDE DES STADTZENTRUMS

Aquädukt und Kanalisationsnetz

Den Bau eines Aquädukts mit öffentlichen Brunnen und Springbrunnen, mit öffentlichen Bädern, Heilbädern und Privatbädern, Latrinen mit Wasserspülung sowie Entwässerungs- und Abwässerkanälen strebte jede städtische Kommu­nalverwaltung an. Doch nur in wenigen Fällen gelang es, diese Pläne zu realisieren. In Pannonién bot sich bislang nur in Aquincum die Möglichkeit, auf Grund der neuesten Grabungsergebnisse das beinahe vollständige System zu dokumentieren und zu rekonstruieren.

Gespeist wurden die Brunnen und Bäder der Zivilstadt durch das Aquädukt, der an einer kaum einen Kilometer nördlich der Siedlung entspringenden Quellengruppe begann. (Abb. 1.) Ausgangspunkt des Wasserleitungssystems war ein den Nymphen geweihtes Wäldchen im Gebiet des sog. Römischen Strandes, wo die Thermal­quellen auch heute zu Tage treten. Zu den 14 über jeder Quelle errichteten Brunnenhäusern, die 1964-1968 freigelegt wurden (PÓCZY 1972/3, 15-32; PÓCZY 1980/1, 55-60), kamen in den letzten Jahren weitere Überreste hinzu (LANG 2001, 94-95; LÁNG 2002/3, 54-58). In der Umgebung der Quellen bildete sich ein heiliger Bezirk heraus, an dessen Eingang ein Jupiter-Tem­pel stand. Die in diesem heiligen Bezirk ans Tageslicht gelangten Altäre waren unter anderem Aesculapius, Hygieia, Apollon, Sirona, Silvanus und Sol invictus geweiht. Auch ein Hospital entstand in der Nähe der Heilquellen (PÓCZY 1980/1, 104-107).

Aus den über den Quellen errichteten Brun­nenhäusern wurde das Wasser in das oberirdische Wasserleitungssytem gepumpt. Die Leitung des

mehr als 4 km langen, einzelnen Vermutungen zufolge bis zum Amphitheater der Militärstadt rei­chenden Aquädukts hatte ein ein- bis zweiprozen-tiges Gefälle, was den steten Wasserfluss gewähr­leistete. Im Zuge der an den Bau der modernen Straße Nr. 11 anknüpfenden Ausgrabungen kam das Wasserleitungssystem innerhalb der Zivilstadt beinahe vollständig zum Vorschein (KABA 1976,

Abb. 1. Der beim Ausgangspunkt des nordsüd­lichen Aquädukts freigelegte heilige Bezirk mit den Brunnenhäusern der Quellen (Római fürdő) (nach K. Póczy und Gy. Hajnóczi)

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226), (Abb. 2.) und südlich bzw. nördlich davon1

erschienen noch einzelne seiner Details, die unsere Kenntnisse bezüglich der Konstruktion des Aquä­dukts vervollständigt haben. Pfeiler der Größe 1x1,6 m folgten einander im Abstand von 3 m, die Höhe der Pfeilerblöcke bis zur Bogenschul-ter betrug 1,45 m. Der von Norden kommende Aquädukt trat neben dem nördlichen Tor in die Zivilstadt ein und teilte diese, da sie auf der Westseite der nordsüdlichen Hauptstraße verlief, in zwei Teile. Die Grabungen der letzten Jahre förderten am innenstädtischen Abschnitt mehre­re neben dem Aquädukt errichtete und für die Wasserversorgung der Stadt - so auch der Bäder - wichtige Wasserverteiler (castellum) zu Tage (PÓCZY 1980/1, 76; PÓCZY 1984/1, 21). Nach dem fast 200 m langen Abschnitt inner­halb der Zivilstadt führte das Leitungssystem durch die südliche Stadtmauer und dann in Richtung Militärstadt weiter.

Im Laufe der Ausgra­bungen nahm auch die Baugeschichte des Aquä­dukts Gestalt an.2 Die topographische Lage des Aquädukts zum Beispiel zeigt, daß diese noch im vormunizipalen Zeit­alter der Stadt und nicht für die Zivilstadt gebaut wurde. Nach dem gegen­wärtigen Stand ist es also wahrscheinlich,3 dass der Aquädukt während der Herrschaft Trajans ent­stand (ZSIDI 1998/3, 91-92) und ursprünglich vermutlich das Legionslager mit Wasser versorgt

1 Grabung K. Póczy 1975, Plan 3, Nr. 42; Grabung K. Póczy 1980, Plan 5, Nr. 6.; Grabung P. Zsidi 1979, Plan 4, Nr . 56.

2 S. den Abschnitt „Baugeschichtliche Skizze der Zivilstadt" (5.4.3.).

Abb. 2. Die Pfeiler des Aquädukts am Abschnitt innerhalb der Stadtmauer (nach M. Kaba und Gy. Hajnóczi)

Abb. 3. Kanalisationsnetz des Forum-Bezirks der Zivilstadt von Aquincum (nach K. Póczy)

hat (POCZY 1995, 469). Das Abstützen des im Stadtinneren neu freigelegten Abschnitts des Aquä­dukts durch Zumauern der Pfeilerzwischenräume und die weit über dem heutigen Fußbodenniveau

3 Die jüngsten dendrochronologischen Untersuchungen schlies-sen diese Datierung nicht aus. Die Untersuchungsergebnisse von Orsolya Láng und András Grynaeus sind in der Vor­bereitung.

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Abb. 4. Das Stadtzentrum von Aquincum im Ergebnis der neuen Ausgrabungen

erhalten gebliebenen Reste deuten gleichermaßen darauf hin, daß der Aquädukt in der Severerzeit erhöht (PÓCZY 1984/1, 21) und später, vielleicht gleichzeitig mit der erneuten Befestigung des west­lichen Stadtteils im spätrömischen Zeitalter, auf der Westseite der früheren Hochleitung in einen unter­irdisch verlaufenden Kanal verlegt wurde (PÓCZY 1997/1, 62).

Ein anderes wichtiges Element der Wasserent­sorgung war das zur Ableitung der Regen- und Abwässer dienende, mehrere Kilometer lange Kanalisationsnetz, das sich Dank der Nach­grabungen im vergangenen Forschungszeitraum ebenfalls abzuzeichnen begann (PÓCZY 1980/1, 113, Abb. 115; PÓCZY 1997/1, 65-66). (Abb. 3.) Einige hundert Meter östlich von der Stadt stießen wir auf den Vorläufer des in die Donau mündenden Kanalisationsnetzes, ein vermutlich noch in der vormunizipalen Periode der Stadt angelegtes, nicht abgedecktes System von Erd-gräben. Ähnlichen Zwecken diente wohl auch der zugeschüttete Wassergraben, der unter dem Haus

neben dem späteren Victorinus-Mithräum zusam­men mit älteren Gebäudereste freigelegt wurde. 4

Später, nach der Erhebung in den Rang einer Kolonie, baute die Stadt ihr Kanalisationsnetz so aus, daß jede Insula einen eigenen Abfluss zu den Hauptkanälen erhielt (PÓCZY 1997/1, 65). Von einigen Ausnahmen abgesehen, verlief das Kanalisationsnetz während der Römerzeit auf der herkömmlichen Trasse, was zugleich ein Hinweis auf der Struktur des frühen Insula-Systems sein könnte (ZSIDI 1997/1, 282). Eine der wenigen Ausnahmen konnte gerade beim Victorinus-Haus beobachtet werden (NÉMETH 1991/1, 94), wo man verbunden mit dem Umbau des Gebäudes auch die Trasse der Abwasserleitung veränderte. Ein Teil des Kanalisationssystems wurde schon im Zeitraum des Municipiums in Stein verlegt, in dem weiter vom Stadtzentrum entfernten Gebiet kam es dazu erst in der Severerzeit (PÓCZY 1976/4, 48).

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Das Stadtzentrum - der Forumsbezirk

Nach den Vorschriften bestand das kaiserzeitliche Stadtzentrum aus vier Gebäudekomplexen: dem Tempel der Kapitolinischen Trias auf dem Platz des Forums, an der Kreuzung der beiden Haupt­straßen, der für die Rechtssprechung und zum Abwickeln von Geschäften errichteten basilica, der als Sitzungsort der städtischen Magistrats dienenden curia sowie einer öffentlich Therme. Im Falle von Aquincum ergänzten diese schon in der Periode des Municipiums die tabernae bzw. eine Mitte des 3. Jahrhunderts errichtete Markthalle. Das Stadt­zentrum, (Abb. 4.) der Forumsbezirk, bildete sich am Treffpunkt von cardo - der das Nord- mit dem Südtor verbindenen Straße - und decumanus - der das Osttor mit dem Westtor verbindenden Straße - heraus. In diesem Gebiet fanden hauptsächlich in der ersten Hälfte der untersuchten Forschungspe­riode Ausgrabungen statt. Deren Ergebnisse bilden die Grundlage des im Folgenden skizzierten Bildes vom Stadtzentrum.

Informationen über die Ergebnisse der frü­heren Grabungen enthalten die im behandelten Forschungszeitraum erschienenen Publikationen (PÓCZY 1970, 178). Seit Neuestem scheint es immer wahrscheinlicher, daß das Platz- ebenso wie das Straßennetz des Stadtzentrums im Zeit­alter Trajans Gestalt annahmen (PÓCZY 1976/4, 38; PÓCZY 1995, 470), obwohl dieser Zeitraum früher erst in die Mitte des 2. Jahrhunderts gesetzt wurde (PÓCZY 1970, 182). Bemerkens­wert ist die Gestaltung der nordsüdlichen Haupt­straße selbst: die verbreiterte Straße säumte ein Porticus mit auf Steinbasen gestellten Holzsäulen. Offenkundig hat das Aquädukt die Stelle und Ausrichtung der Hauptstraße sowie der in diese mündenden Nebenstraßen bestimmt, und nach dieser Hochleitung richteten sich von da an die Struktur bzw. Bebauung des Stadtzentrums. Übri­gens ist es keine typische Erscheinung, daß ein solches zusammenhängendes Bauwerk mit Mau­erbögen eine Stadt durchquerte (PÓCZY 1995, 469-472).

Auf der Achse der nordsüdlichen Hauptverkehrs­ader lag der sog. Große Tempel, in der Mitte mit

Abb. 5. Grundriss der die nordsüdliche Hauptstraße säumenden Ladenreihe

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dem zum Podium führenden Treppenaufgang. Der Platz war zu dieser Zeit mit Terrazzo belegt, und schon damals entstand auch der Bodenbelag der Opferstätte auf dem Platz. I m Mörtel des Belages kam eine Münze Trajans zum Vorschein (POCZY 1995, 470). Hier stand in dieser Zeit vermutlich das Heiligtum der Kapitolinischen Trias. Nach Tibor Nagy diente der Bau später der Pflege des Kaiserkults (T. NAGY 1973, 119, 120-121). Im Laufe der Grabungen bestätigte sich die Annahme, daß man das Heiligtum nach Erlangung des Colo­nia-Ranges erweitert bzw. vergrößert hat, so dass nur der Grundriss des Tempels unverändert blieb. Der Platz vor dem Heiligtum wurde mit Steinplat­ten gepflastert und mit einer Reihe von Räumen umgeben. Durch die Ausgrabungen konnte der Grundriss des Großen Tempels im nördlichen und westlichen Teil ergänzt werden (PÓCZY 1984/1, 21) Auf der westlichen Seite setzte das Aquädukt dem weiteren Ausbau des Heiligtums Grenzen. Irgendwann im 4. Jahrhundert renovierte man die Fassade des Gebäudes. Es erhielt eine neue Treppe, und in dieser Treppe wurden auch zur früheren Periode gehörende Marmorbruchstücke von Götterskulpturen vermauert (PÓCZY 1980/1, 104).

Die Basilika erhob sich in der ersten Gestal­tungsphase vor dem Podium des Großtempels. An ihrem späteren Standort, auf der Ostseite der Straße A, war zu jener Zeit ein Markt (T. NAGY 1973, 119). Erst im severischen Zeitalter nahm den Gerichtsverhandlungen dienende Basi­lika, die ihren dreischiffigen Grundriss bis ins 4. Jahrhundert bewahrte, den Platz des Marktes ein. Für ihren Umbau im 4. Jahrhundert förderten die Ausgrabungen zahlreiche Beweise an den Tag. 5

Bei den Nachgrabungen an der sog. großen öffentlichen Therme (PÓCZY 1970, 182-184) fand man unter den Steinperioden auch Spuren eines Gebäudes mit Holzkonstruktion. In der Periode des Municipiums wurde das Bad aus Stein errichtet. Damals konnte man es von der ostwestlichen Hauptstraße her betreten. Erst in

5 Grabung K. Póczy und Gy. Hajnóczi 1972, Plan 2, Nr. 3.

der Severerzeit wurde der Eingang an die nörd-südliche Hauptstraße verlegt und auch die Latrine der Therme an das Wasserleitungs- und Kana­lisationssystem angeschlossen. Spätere Umbauten und Veränderungen zeigten sich hauptsächlich im südlichen Teil des Gebäudes. Hier entstand in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts ein laconicum, wobei aber das in südlicher Nachbarschaft stehen­de Fortuna Augusta-Heiligtum von den Umbauten unberührt blieb.

Im Gebiet südlich der großen öffentlichen Ther­me wurde Mitte des 3. Jahrhunderts das macellum errichtet, in dessen früher noch unerforschtem westlichem Trakt man bei den Nachgrabungen auf Reste abgebrochener Steinmauern aus dem 2. Jahrhundert stieß (PÓCZY 1970, 184-186). In der Toreinfahrt seines an der nördsüdlichen Hauptstraße gelegenen Haupteingangs dürfte ein Hausheiligtum gestanden haben, dort kam - dem Charakter des Gebäudes entsprechend — ein mit der Verehrung Minervas verbundenes Steinrelief ans Licht (ZSIDI 1993/1, 187, 190). Neuere Forschungen ergaben, daß sich nördlich des Eingangs Lagerräume und auf der Südseite ein Herd befanden.6

Die gesamte Westseite der nordsüdlichen Haupt­straße säumte eine Ladenreihe (tabernae), bei deren Nachgrabungen auch die Schichten des 2.-4. Jahr­hunderts aufgedeckt wurden. 7 Außerdem konnte dabei der früher bestehende Teil der Ladenreihe (Abb. 5.) in südlicher Richtung ergänzt und im Ergebnis dessen geklärt werden, daß diese sich bis zur südlichen Stadtmauer fortgesetzt hat.8 Ein ganz neues Ergebnis der behandelten Forschungs-periode ist, daß es gelang, einen nahezu 100 m langen Abschnitt der den Aquädukt begleitenden rückwärtigen Mauer der Ladenzeile freizulegen. In der Mauer öffneten sich Fenster mit Eisengittern,

6 O. LÁNG, Az aquincumi macellum ásatási anyagfeldolgozás és építészeti analógiák (az 1965. évi ásatás anyaga). [Das Aquincumer macellum. Aufarbeitung des Grabungsmaterials und bauliche Analogien (Material der Grabung 1965)]. Manuskript der Diplomarbeit. ELTE Régészettudományi Intézet, 2001, 118-136.

7 Grabung M . Németh und Gy. Hajnóczi 1971, Plan 1, Nr. 29.

8 Grabung M . Pető 1975, Plan 3, Nr. 39.

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die auf die enge Gasse gingen, und Treppen führten zu den hinteren Räumen der vermutlich eingeschossigen Läden (PÓCZY 1984/1, 21). Ein weiterer Abschnitt der die Hauptstraße flankieren­den Ladenzeile erschien auf der westlichen Seite der Aquäduktpfeiler, und zwar an der Ostseite

der ostwestlichen Hauptstraße.9 Zur Austattung der Ladenzeüe mit den vom Ostteil der Stadt bekannten Schwellensteinen kam es auf Grund der Vorläufer erst im severischen Zeitalter.

Klára Póczy

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5.4.4.3. ÖFFENTLICHE GEBÄUDE UND WOHNHÄUSER AUßERHALB DES STADTZENTRUMS

Bäder

Das bis dahin zu kaum mehr als einem Drittel erschlossene Gebiet der Zivilstadt von Aquincum hat sich durch die Forschungen der vergange­nen Jahrzehnte neben den vier bislang bekannten öffentlichen Thermen und einem Privatbad um die Reste zweier weiterer öffentlicher Bäder erweitert. (Abb. 1.) Eines der neuen Bäder befand sich im östlich des Aquädukts gelegenen Teil der Stadt, das andere westlich davon. Typisch für die öffent­lichen Thermen der Zivilstadt von Aquincum ist, daß sie auf der Trasse des Kanalisationssystems der damaligen Hauptverkehrswege angesiedelt wurden, und zwar mehrzählig zu Anfang des 2. Jahrhunderts. Die Lage der öffentlichen Ther­men im Stadtgrundriss ist einheitlich, was ihre planmäßige Ansiedlung voraussetzt, und in diese Anordnung fügen sich auch die neu entdeckten Bäder ein. Projiziert man die Bäder auf das ver­mutete Insula-System, fällt auf, daß sie auf je zwei Häuserblöcke (insulae) verteilt sind. Die als Bäder dienenden Gebäude unterlagen während des mehrhundertjährigen Bestehens der Stadt keiner­lei Funktionsänderung, lediglich die Größe ihrer Grundfläche änderte sich. Hauptursache dessen war die Schaffung der strengen, determinierenden Voraussetzung für die Einrichtung von Bädern, so dass man auch die Platzierung der Bäder der Zivilstadt als einen der Beweise für das Vorhan­densein des frühen Insula-Systems werten kann (ZSIDI 1997/1, 282). Zudem lässt die Lage der Bäder vermuten, daß ihr Publikum sich aus ihrer unmittelbaren Umgebung rekrutierte und daß jedes Bad seine eigene Stammkundschaft hatte.

Das im östlichen Teil der Zivilstadt, außerhalb der südlichen Stadtmauer, neu ans Tageslicht gelangte Teil einer Therme bildete mit dem zur nordsüdlichen Hauptstraße hin geöffnete Herberge einen Gebäudekomplex. (Abb. 2.) Bei den Anfang der 1990er Jahre stattfindenden Grabungen wur­den acht Räume des Gebäudes freigelegt (ZSIDI 1995/1). Eindeutig auf eine Therme deuten die Anordnung der Räume, die vom Gewohnten abweichende größere Zahl der Kanäle (Heizung, Wasserleitung, Abwässer) sowie die Verwendung wasserabweisender Materialien (Lehm, Terrazzo und Verputz) hin. Der Grundriss des Gebäu­des ist etwas unregelmäßig, da bei seinem Bau der von der Linie der hier nordwest- südöstlich verlaufenden Stadtmauer und der nordsüdlichen Hauptstraße eingeschlossene Winkel überbrückt werden musste. Das Gebäude hatte man unter Ausnutzung des nach Osten hin abschüssigen Geländes terrassenartig angelegt. Auf der Nord-seite schloss an das Badegebäude eine auf Holz-pfosten ruhende Vorhalle an. Die Mauern der übrigen Räume bestanden aus auf Steinfundament ruhenden Lehmziegeln. Sie wurden später abge­rissen und durch Steinmauern ersetzt. Was ihren Typ anlangt, gehörte die Therme vermutlich zur Gruppe der Reihenbäder. Im Osten begrenzte sie ein großer, quadratischer Hof. Wasser erhielt sie aus derselben vom Aquädukt abzweigenden Lei­tung, 1 von der wahrscheinlich auch das davon östlich gelegene öffentliche Bad gespeist wurde.

1 Die Leitung ist von einer bei der Grabung der Herberge entstandenen Aufnahmezeichnung bekannt ( B T M Aquincu­mi Múzeum, Zeichnungssammlung), Vorbericht: SZILAGYI 1950/1, 308.

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Abb. 1. Die Anordnung der Bäder im Grundriss der Zivilstadt von Aquincum

Die südliche und westliche Hälfte der Therme sind noch nicht erschlossen. Angesichts der hier ans Tageslicht gelangten Funde ist jedoch gewiss, daß das Gebiet in der ersten Hälfte des 2. Jahr­hunderts schon bebaut war. In der Verfüllung des auf der Ostseite des Bades gelegenen Hofes fand sich eine größere Menge Bruchstücke mit Wand­malereien, die auf Grund der ebenfalls geborgenen Münzen mit dem Umbau nach der Mitte des 3. Jahrhunderts zusammenhängen dürften (ZSIDI 2000/2, 136), während die spätesten Funde (unter anderem Terra sigillata chiara, Münze) eindeutig das Ende ihrer Benutzung im ausgehen­den 4. Jahrhundert belegen (ZSIDI 2003).

Das andere neue öffentliche Bad kam im West-teil der Stadt zum Vorschein, und zwar als erstes Bad in diesem Gebiet (PÓCZY 1984/1, 21). Sein

Eingang lag an der Südseite der ostwestlichen Straße, die bekannt wurde, als es in den sechzi­ger Jahren im Südosten des westlichen Stadtteüs zu Grabungen kam. Acht Räume des Gebäudes wurden freigelegt, obwohl die früheren Grabungen höchstwahrscheinlich auch den Westtrakt zu Tage gefördert hatten. Das Gebäude befand sich in einem überraschend guten Erhaltungszustand, in etlichen Fällen wurden Türrahmen bzw. Schwellen­steine in situ vorgefunden, und seine Fußbodenhei­zung war an mehreren Stellen unversehrt. Hinter den Eingangsräumen lagen die wahrscheinlich in Reihen angeordneten Baderäume, deren Mauern stark verkalkter, mehrfach erneuerter farbiger Ver­putz bedeckte und die über ebenfalls mehrfach restaurierte Terrazzo- sowie Ziegelmosaikfußböden verfügten. Mit Wasser wurden sie durch einen

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Abb. 2. Grundriss eines teilweise freigelegten Bades in der Nähe der Herberge

überwölbten Kanal versorgt. In den unteren Perio­den fanden sich Spuren der Bauweise mit Lehm-ziegeln, auf Grund der Münzfunde ist mit ihrer Benutzung bis ins 4. Jahrhundert zu rechnen.

Heiligtümer

Neben dem für den offiziellen Kult genutz­ten Großheiligtum findet man in Aquincum

nur wenige öffentliche Gebäude mit typischem Grundriss, die den Zwecken der Pflege der römi­schen Religiosität entsprochen hätten. Ein solches Gebäude war der sog. Rundtempel am östlichen Stadtrand sowie das südlich der großen Therme gelegene Heiligtum der Fortuna Augusta, dessen Grundriss bei Nachgrabungen in der behandel­ten Forschungsperiode geklärt werden konnte (PÓCZY 1970, 183-184). Im Übrigen erinnern

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nur gegenständliche Denkmäler, Götterskulpturen bzw. Inschriften daran, daß in dem einen oder anderen Gebäude auch religiöse Handlungen vor­genommen wurden, wie im Falle des im Macel­lum ans Tageslicht gelangten Minerva-Reliefs zu sehen war. 2 Auch die vorangehende Forschungs-periode brachte in dieser Hinsicht nur wenig neue Ergebnisse. Die Anfang der neunziger Jahre in der östlichen Nachbarschaft der Basilika durch­geführten Ausgrabungen3 haben die Existenz des bei einer früheren Grabung von János Szüagyi ans Tageslicht gelangten Heiligtums einheimischer Prägung - mit einer viereckigen Cella und für die Götterstatuen errichteten Sockeln - bestätigt.4

Ausgehend teils von den Inschriftdenkmälern und teils von den aus dem Opferbrunnen und dessen Umgebung stammenden Funden brachte die Aus­gräberin das Heiligtum, dessen aus einer Holz-konstruktion bestehender Vorläufer ebenfalls ans Licht kam, mit dem Diana-Kult in Verbindung. Und Dank der Nachgrabungen in den siebziger Jahren wurde auch ein kleines S ilvanus-Heiligtum identifiziert, das an die nordsüdliche Ladenreihe grenzte (PÓCZY 1995, 474).

Der ab dem letzten Drittel des 2. Jahrhun­derts auch in der Zivilstadt Anhänger findende Mithras-Kult hat uns dagegen relativ viele Bau­denkmäler hinterlassen.5 Im bislang freigelegten Gebiet der Zivilstadt sind auf Grund der früheren Grabungsergebnisse bereits die Reste von vier Mithras-Heiligtümern bekannt oder identifizierbar, und zwar in nahezu geradliniger Verteilung pro Bezirk. Drei davon standen in fast gleicher Ent­fernung von der nordsüdlichen Hauptstraße, die in Richtung Donau abschüssigen Geländebedin­gungen gleichermaßen ausnutzend. Außerdem bot sich im vorangehenden Forschungszeitraum die Möglichkeit, bei einer Nachgrabung das in der

2 S. den Abschnitt „Wasserver- und entsorgung und die Gebäude des Stadtzentrums" (5.4.4.2.).

3 Grabung E. Márity 1992, Plan 7, Nr . 33. und 1993, Plan 7, Nr. 46.

4 Vorläufiger Bericht von J. Szilágyi: BudRég 23 (1973) 267.

5 S. den Abschnitt „Ägyptische und orientalische Götter und Kulte" (8.3.).

Nähe der südlichen Stadtmauer stehende Sympho-rus-Mithräum zu untersuchen (ZSIDI 2002/3). Geodätische Aufnahmen, die im Rahmen der mit der Wiederherstellung verbundenen Freilegung in beschränktem Rahmen vorgenommen wurden, haben die frühere Periode des Heiligtums bestä­tigt. Hinsichtlich seiner späteren Nutzung ver­mutet man beispielsweise, daß das Gebäude eine Zeit lang als inoffizielle Prägestätte gedient haben könnte (PÓCZY 1991/1).

Kollegiensitze

Von der Existenz der Kollegien in Aquincum künden bereits Angaben vom Ende des 1. Jahr­hunderts, namentlich Inschriften, die in dem westlich der Zivilstadt gelegenen Gräberfeld zum Vorschein kamen. Demnach muss es unter den am frühesten errichteten öffentlichen Bauten der Zivilstadt auch Kollegiensitze gegeben haben. Längs der nordsüdlichen Hauptstraße stieß man bei den Forschungen bislang auf zwei von Kol­legien genutzte, große öffentliche Gebäude. Eines davon, das auf der Südseite der das macellum im Süden begrenzenden Nebenstraße stehende Bau­werk, zeigte die charakteristische Grundrissanord­nung mit einem großen, von Pfeilern gestützten Empfangssaal und kleineren Räumen (PÓCZY 1991/2, 38).

Wesentlich mehr wissen wir über den Sitz des Feuerwehrkollegiums, bei dessen Freilegung im Jahre 1930 ein weltweit berühmt geworde­nes Instrument, die Wasserorgel von Aquincum, ans Licht kam (L. NAGY 1934/2). Die bron­zene Inschrifttafel der Orgel ermöglichte es, die Funktion des Gebäudes zu bestimmen, und bei kleineren Grabungen konnte in der zurückliegen­den Forschungsperiode auch der schon ältere Grundriss etwas ergänzt werden (ZSIDI 1997/4, ZSIDI 1998/4). Der Sitz des Feuerwehrkollegi­ums erhob sich neben dem südlichen Stadttor, an der Innenseite der Stadtmauer. Nach den frühe­ren Grabungen wurden ca. 70 % des Gebäudes bekannt. I m jetzt behandelten Forschungszeitraum gelang es, den Toreingang bzw. die östlich davon gelegenen Räumlichkeiten sowie den östlichen

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Abschluss des Gebäudes freizulegen. Unter der Periode des 2. Jahrhunderts, dem Steingebäude, erschien auch die frühere Lehmziegel-Periode, was darauf hindeutete, daß dieses Gebiet Anfang des 2. Jahrhunderts bereits bebaut war.

Öffentliche Bauten mit unbekannter Funktion

Außer den Genannten gibt es in der Zivilstadt von Aquincum mehrere Gebäude, die aufgrund ihrer Größe und Gestaltung wahrscheinlich als öffentliche Bauten gedient haben, deren frag­mentarischer Grundriss jedoch keine genauere Bestimmung ihrer Funktion gestattet. Eines dieser Gebäude war der an der Ostseite der Basilika ans Tageslicht gelangte, fünf Perioden aufweisende Bau mit elf Räumen, wo man in einer der späten Perioden auf Spuren von handwerklicher Tätigkeit stieß.6

Erwähnung in der Reihe der öffentlichen Bau­ten verdienen ferner zwei größere Gebäude mit gegenwärtig noch unbekannter Funktion, die in der vorangehenden Forschungsperiode bei einer Nachgrabung im Westen der Zivilstadt zu Tage kamen.7 Die zwei Gebäude erhoben sich auf der Südseite der ostwestlichen Hauptstraße, ihre öst­liche Abschlussmauer säumte den die Pfeiler des Aquädukts im Westen begleitenden Weg. Beide Gebäude wurden mehrmals von Grund auf umge­baut. Ihr westlicher Teil ist unerschlössen, während ihr östlicher Teil in einem wirklich guten Zustand erhalten blieb. Vom nördlichen Gebäude konnten sechs, vom südlichen drei Räume freigelegt wer­den. Die Schwellensteine und Terrazzofußböden der Perioden des 3. Jahrhunderts lagen in situ, die zur Wasserversorgung der Gebäude installierten Kanäle waren weitgehend unbeschädigt.

Wohnhäuser in der Zivilstadt von Aquincum

Aufbauend auf den früheren Zusammenfassun­gen beträgt die Zahl der bekannten Wohngebäude

6 Grabung K. Póczy und Gy. Hajnóczi 1972, Plan 2, Nr. 3; Grabung K. Póczy und P. Zsidi 1990, Plan 7, Nr . 17; Grabung E. Márity 1991-1993, Plan 7, Nr. 29, 33, 46.

7 Grabung P. Zsidi 1978, Plan 4, Nr. 35.

der Zivilstadt von Aquincum im Moment mehr als 40, ihre zur Zeit bekannten Grundrisse erin­nern überwiegend an den um die Wende 2.-3. bzw. im 3. Jahrhundert üblichen Grundriss. Die Grundrissanordnung der Wohngebäude von Aquincum vertritt, wie bei früheren Forschungen festgestellt wurde, verschiedene Typen (SZILAGYI 1950/2; SZILÁGYI-HORLER 1965, 474-477; T. NAGY 1973, 155-156). In der vorangegange­nen Forschungsperiode kam es in mehreren zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden der Zivilstadt zu Nachgrabungen, die hauptsächlich dazu dien­ten, den früheren Grundriss zu ergänzen und die Bauperioden zu dokumentieren. Auch schon früher beobachtete Besonderheiten im Gefüge der Zivilstadt fanden bei den neueren Ausgrabungen Bestätigung: Wohnzwecken dienende Gebäude standen weiter vom Stadtzentrum entfernt und waren in der Mehrzahl in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts errichtet worden, die Schichten des 4. Jahrhunderts blieben im Allgemeinen nicht erhalten.

Bei Forschungen in dem als „Haus eines Metz­gers" bekannt gewordenen Gebäude an der Ecke der Strasse E-F 8 konnte der Grundriss eines mit fließendem Wasser und Fußbodenheizung ausge­statteten Gebäudes mit Mittelgang aufgenommen werden, in dessen Innenhof ein kleines Nymphae-um mit Apsis stand. Das Haus hatte man im 2. Jahrhundert errichtet, später mehrmals umgebaut und es war bis ins 4. Jahrhundert bewohnt. Eine schmale Gasse trennte das „Haus des Metzgers" vom sog. „Haus eines Kaufmanns", das in dessen östlicher Nachbarschaft stand. Im nordöstlichen Teil des Gebäudes9 kamen die östliche Abschluss -mauer und ein Raum mit Apsis zum Vorschein.

Mit einem Wohnhaus sind vielleicht auch die Mauerreste in Verbindung zu bringen, die bei den östlich vom Museumsgebäude von Aquin­cum durchgeführten Grabungen gefunden wurden (PARRAGI 1971/2, 403-410). Diesen in den sechziger Jahren des 2. Jahrhunderts verfallenden

8 Grabung K. Póczy 1982, Plan 5, Nr. 44 bzw. 1984, Plan 6, Nr . 23.

9 Grabung P. Zsidi und A. Kovács-Borosi 1982, Plan 5, Nr. 4 1 .

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Bau mit Lehmmauern hatte man, den Grabungs-ergebnissen zufolge, nicht renoviert. Auf Grund der Zahl und Zusammensetzung der von hier stammenden Tierknochenfunde bestimmte der Ausgräber die Funktion des Gebäudes als Fleisch-Verarbeitungsbetrieb.

Die umfangreichsten, mehrere Grabungskampa­gnen umfassenden Ausgrabungen10 fanden in dem Wohnhaus neben dem sog. Victorinus-Mithräum statt (NÉMETH 1991/1, 94). Hier bestätigten die Periodenforschungen, daß das Gebäude an der Wende 1.-2. Jahrhundert errichtet und sein Grund­riss bzw. seine Ausdehnung im 2.-3. Jahrhundert bei mehrmaliger Umbauten verändert wurden.

Eine Nachgrabung ermöglichte es, das in östli­cher Nachbarschaft des sog. großen Wohnhauses schon früher freigelegte einfache Wohngebäude

mit Seitengang erneut zu untersuchen.11 Die Aus­grabungen hatten sich nur auf die oberen, bereits gestörten Schichten erstreckt, so dass wir lediglich die Grundrisszusammenhänge der Periode des 3. Jahrhunderts dokumentieren konnten.

Bei den an die Periodenforschungen in der Zivilstadt anknüpfenden Forschungen im Gebiet eines Gebäudes ebenfalls mit Peristyl, das sich südlich des sog. großen Wohnhauses befand, kam eine bedeutende Menge Wandmalereien zum Vor­schein. Die rekonstruierten Wandmalereien deuten darauf hin, daß das Innere des Gebäudes in der ins zweite Viertel des 2. Jahrhunderts zu datieren­den Periode schon reich ausgeschmückt gewesen sein muss (NÉMETH 1973, 115-119).

Paula Zsidi

1 0 Grabung O. Madarassy 1987-1990, Plan 7, Nr. 14. 1 1 Vorläufiger Bericht: Z S I D I 1999/5, 142.

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5.4.4.4. DIE BEBAUUNG AUßERHALB DER STADTMAUER

Amphitheater

Das Amphitheater ist eines der am frühesten freigelegten und der Öffentlichkeit vorgestellten Denkmäler der Zivilstadt. Aus diesem Grund könn­te man zu Recht vermuten, daß auf die Nachwelt nur wenig unberührtes und zugängliches Gebiet gekommen ist. Dennoch bietet sich von Zeit zu Zeit, wenn es notwendig ist, die Gelegenheit zu weiteren Forschungen. So geschah es auch in der jetzigen Forschungsperiode, als wir teÜs an die Wiederherstellung des Amphitheaters anknüpfend, teils anlässlich der in seiner Umgebung laufenden Bauvorhaben in diesem Gebiet tätig waren.

Die Untersuchungen der letzten Forschungsperi­ode1 haben auch archäologische Hinweise erhärtet, nach denen das Amphitheater im 3. Jahrhundert umgebaut wurde bzw. dass es damals Ehrenlogen und neue Aufgänge erhielt. Später kam bei Aus­grabungen des Stadtmauerabschnitts neben dem Amphitheater2 der die Stadtmauer begleitende, in diesem Abschnitt doppelte Wassergraben zu Tage. Und erwähnen sollte man auch die Nachgrabungen in den Jahren 1990-1991, die mit glaubwürdigen archäologischen Beweisen bezüglich der frühesten Periode des Amphitheaters dienten.3 Nicht doku­mentiert werden konnte bei dieser Gelegenheit das am Südwesttor des Amphitheaters erbaute Neme­sis-Heiligtum, dessen Reste im Laufe der letzten Jahrhunderte völlig von der Oberfläche verschwan­den. 4

1 Grabung K. Póczy und Gy. Hajnóczi 1970, Plan 1, Nr. 13.

2 Grabung K. Póczy 1980, Plan 5, Nr . 5. 3 Grabung P. Zsidi 1990-1991, Plan 7, Nr. 18, 28. 4 Bei seinen Forschungen 1963 fand János Szilágyi die Spur

der in Lehm verlegten Mauern des Heiligtums noch - Vor-

Vielleicht auf die Spuren eines der Nebengebäude der in der westlichen Nachbarschaft des Amphithe­aters stehenden sog. Gladiatoren-Kaserne sind wir westlich vom Amphitheater gestoßen. Das Gebäude befand sich in einem äußerst verfallenen Zustand und blieb nur in Form von Spuren der Holz­konstruktion bzw. ausgerissenen Mauern erhalten. Hier wies das Gelände in Richtung Norden starkes Gefälle auf, was darauf hindeutet, daß das Gebäude ursprünglich auf derselben Anhöhe wie das Amphi­theater stand.5 In der Nähe kam außerdem ein Abschnitt der mit dem Amphitheater in Verbindung stehenden, aber schon in der nördlich gelegenen Senke verlaufenden ostwestlichen Straße mit Bal­kenkonstruktion zum Vorschein (LANG 2002/1), die gleichsam den Abschluss des Amphitheaters und der ihm angeschlossenen Objekte bildete.

Wohngebäude

Auch in Bezug auf die Bebauung der Zivilstadt außerhalb der Stadtmauer führten die Ausgrabun­gen der letzten Jahrzehnte zu neuen Ergebnissen, die das alte topographische Bild weitgehend ver­ändert haben. Im Gegensatz zu der Alteren, auf dem beschränkten Forschungsstand beruhenden Meinung, außerhalb der Stadtmauer hätte es keine zusammenhängende Bebauung gegeben (T. NAGY 1973, 119), förderten die Grabungen der zurück­liegenden Forschungsperiode hauptsächlich im westlichen Stadtteil sowie außerhalb der südlichen und westlichen Stadtmauern bedeutende Gebäu-

bericht: BudRég 22 (1971) 387 - , doch als die Grabungs­kampagne 1990-91 begann, war von dem Heiligtum keine Spur mehr vorhanden. Heute sind an Ort und Stelle nur jüngere Gebäudereste zu sehen.

5 Vorläufiger Bericht: P. Zsidi, Aqfüz 5 (1999) 143-144.

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dereste zu Tage. Von diesen ausgehend wurde es notwendig, die früheren Feststellungen zu modifi­zieren (PÓCZY 1984/1, 21 ; PÓCZY 1986/1 25, Anm. 60). Ebenso deuteten die Stadtmauerforschungen darauf hin (ZSIDI 1990/2, 163), daß in dem Zeitraum nach der Severerzeit im Vorraum der Stadtmauer mit einer vorstadtartigen Bebauung zu rechnen ist.6

Die ausdehnungsmäßig größten zusammenhängen­den Gebäudereste wurden an der die Stadt in westli­cher Richtung verlassenden Straße freigelegt.7 Das erschlossene, zusammen­hängend bebaute Areal erstreckte sich entlang der nach Westen aus der Stadt führenden ostwestlichen Hauptstraße. Geklärt wer­den konnten die Grundrisse von fünf Gebäuden, denen sich Wirtschaftszwecken dienende Gebäude­teile, Werkstatt-, Laden- und Lagerräume anschlös­sen (Aquincum 1986, 128). (Abb. 1.) Diese außer­halb der Stadtmauer beobachtete Bebauung längs der ostwestlichen Hauptstraße ist vermutlich Teil desselben Stadtordnungskonzeptes gewesen, auf dem der Ausbau des ostwestlichen Abschnitts der Ladenreihe innerhalb der Stadtmauer beruhte. Dass das Gebiet schon früher genutzt wurde, darauf deuten einige während der Freilegung der Gebäude entdeckte Gräber sowie der kleine Herd hin, den man in dem Gebiet südlich davon, außerhalb der Wehranlagen der westlichen Stadtmauer, fand und aus dem eine an die Wende 1— 2. Jahrhundert zu datierende Münze stammt (ZSIDI 1990/2, 154).

6 Für eine derartige Bebauung ist, zumindest teilweise, die Herberge mit dem angrenzenden Badegebäude zu halten, s. den Abschnitt „Öffentliche Gebäude und Wohnhäuser" (5.4.4.3.).

7 Grabung K. Póczy 1975, Plan 3, Nr. 64.

Abb. 1. Die Grundrisse der Gebäude in der westlichen Vorstadt der Zivilstadt im 3. Jahrhunder (Grabung von K. Póczy)

An der Kreuzung der die südliche Stadtmauer der Zivüistadt außen begleitenden Straße und der davon ausgehenden nordsüdlichen Straße kamen Mauerreste zum Vorschein, die zu drei Gebäuden gehörten (PETŐ 1984/1, 276.). Da ihr Grundriss ziemlich fragmentarisch ist, kann ihre Funktion nur ungefähr bestimmt werden: Wirtschaftsgebäu­de, eine Straßenstation, eventuell eine Herberge. Das in den Gebäuden geborgene Fundmaterial ermöglicht eine gute Datierung dieser Bebauung in die Severerzeit.

Handwerkerviertel

Außerhalb der Mauern, aber dennoch in der Nähe der gleichzeitig ihren Absatzmarkt bedeu­tenden Zivilstadt, entstanden die Handwerker-viertel. Die großen, im Umkreis der Zivilstadt entstandenen Handwerkerviertel wurden schon von der früheren Forschung erschlossen (PÓCZY 1956, 92-125), so dass das große (sog. Gas­fabrik-) Handwerkerviertel im Osten, die Töp-

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fersiedlung westlich der Stadt (beim Militärma­terialdepot) sowie die Töpfersiedlung außerhalb der südlichen Stadtmauer (beim Gasthof Schütz) bereits bekannt waren (T. NAGY 1973, 119, 122). Die Ausgrabungen der neuen Forschungs­periode trugen nur mit wenigen neuen Angaben zur Topographie dieser Gewerbestandorte bei. In dem östlichen Handwerkerviertel kamen einige zusätzliche Öfen ans Licht (ZSIDI 1984), und in der südlichen Töpfersiedlung gelang es, weitere Objekte freizulegen sowie die Ausdehnung der Siedlung genauer einzugrenzen (POCZY 1986/1, 25, Anm. 60; ZSIDI 2001/2, 72-74). Einige neue Informationen lieferten die jüngsten Aus­grabungen auch im Hinblick darauf, wie lange dieses Handwerkerviertel tätig waren. Die Pro­duktionszeit der Werkstatt Gaswerke (östliches Handwerkerviertel) ist nach den Ergebnissen der neuesten Forschungen bis an die Wende 2.-3. Jahrhundert zu verfolgen (PÓCZY-ZSIDI, 1992, 24), und die Datierung der südlichen Töpfersied­lung (Gasthof Schütz) ins severische Zeitalter hat neben der Publikation der alten Grabungsdaten (BÓNIS 1993, 229-243) auch die Stratigra­phie der neuen Ausgrabungen bekräftigt ( Z S I D I 2002/4, 145).

Die Gräberfelder der Zivilstadt8

An dieser Stelle beschäftige ich mich nur mit denjenigen Bezügen der Gräberfelder, welche die Topographie der Zivilstadt betreffen. Die meisten größeren Nekropolen der Zivilstadt waren schon im Zeitraum vor der behandelten Forschungs-periode bekannt (L. NAGY 1942/1, 464-485) . Bekannt waren das westliche (sog. Aranyárok-) bzw. östliche (sog. Dunaparti-Donauufer) Grä­berfeld, und wir kannten vereinzelte Bestattungen östlich der nach Süden aus der Stadt führenden Straße sowie einige spätrömische Gräber in der Nähe der westlichen Stadtmauer. Während der zurückliegenden Forschungsperiode haben sich unsere Kenntnisse hinsichtlich aller früheren Grä­berfelder bzw. - details beträchtlich erweitert.

8 S. den Abschnitt „Gräberfelder von Aquincum" (5.5.1.) .

Weitere Gräber bzw. Grabbauten kamen in dem Friedhof am Aranyhegyi árok genannten Bach zum Vorschein (POCZY 1984/1, 21). Bei einer Prüfung des früheren Gräberfeldplans erwies sich, daß der Friedhof bzw. die während der munizipalen Periode der Stadt enstandenen Grab­gärten einer regelmäßigen, 25x25 römische Fuß messenden Parzellenordnung folgten ( M . 1 1 NAGY 2001, 205-206, 213, Abb. 1-2). Diese Angabe deutet auch darauf hin, daß unsere Vermutung, die Stadt müsse schon in ihrer Periode als Muni­cipium über ein geregeltes, sowohl das Gebiet des Gräberfeldes wie auch der Stadt einschließendes Limitationssystem verfügt haben, nicht ganz unbe­gründet ist.

Für die Ausdehnung der östlichen Nekropole der Zivilstadt am Donauufer ergab sich bei den neueren Forschungen, daß sie weiter südlich ver­lief als zuvor beobachtet (ZSIDI 2001/1). Die im Südabschnitt der Nekropole freigelegten Gräber vertreten überwiegend zwei Perioden. Auf Grund der ins 2. Jahrhundert zu datierenden Brandbe­stattungen steht nun fest, daß in diesem Gebiet nicht erst im spätrömischen Zeitalter mit dem Bestatten begonnen wurde. Man muss aber hinzu­fügen, daß sich dieser neue Gräberfeldteil südlich von den in der sog. Töpfersiedlung Gasfabrik freigelegten Befunden befindet und vorerst kein unmittelbarer Zusammenhang mit früher erschlos­senen Gräberfeldteilen festgestellt werden kann. Eine andere Gräbergruppe, Bestattungen mit aus Ziegeln gemauerten Grabkammern und in der Mehrzahl ohne Beigaben, wurde rund zweihundert Jahre später angelegt.

Die meisten neuen Gräber gelang es im südli­chen Gräberfeld freizulegen (ZSIDI 2001/2, ZSIDI 2002/4). Das Areal wurde in zwei Perioden der Römerzeit zu Bestattungszwecken genutzt und neben Grabgarten- und Sarkophagbestattungen kamen hier auch spätrömische Grabparzellen vor.

Mi t neuen Angaben trugen die nördlich des Amphitheaters gefundenen Brandgräber zum Thema Nekropolen der Zivilstadt bei (ZSIDI 1996). Die kleine, separate, ins 2. Jahrhundert zu setzende Gräbergruppe mit bescheidenen Beigaben gehörte vielleicht zu dem außerhalb der Stadtmauer

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stehenden Gebäudekomplex, der das Amphitheater und die Gladiatorenkaserne einschloss (Gladiator -bestattungen?). Eine ähnlich abgesondert liegende Grabparzelle konnte im Laufe der Freilegung der kleineren Gräbergruppe südlich des Amphitheaters der Militärstadt registriert werden (HABLE 1996, 37-39) .

Weitere Bestattungen außer den oben Genannten tauchten sporadisch auf und entstammten zumeist

entweder der frühesten oder der spätesten Sied­lungsperiode. Frühe Grablegen kamen außerhalb des westlichen Stadttores bei den Ausgrabungen der Häuser des späteren Wohnviertels zum Vorschein,9

und im westlichen Teil der Zivilstadt, außerhalb der südlichen Stadtmauer, wurden spätrömische Gräber beobachtet (PETŐ 1984/1, 276).

Paula Zsidi

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5.5. NUTZUNG DER ZUR SIEDLUNG GEHÖRENDEN GEBIETE

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5.5.1. DIE GRABERFELDER VON AQUINCUM

Schon mit der Herausbildung des Verwaltungs­systems im 5. Jahrhundert v. Chr. wurde die Bestattungsordnung der italischen Städte behörd­lich geregelt.1 Dasselbe bezog sich im allgemeinen auch auf die Begräbnistätten am Rande der Sied­lungen in den Provinzen, selbst wenn man die vorgeschriebenen 500-600 m Abstand von den Stadtmauern nicht immer einhielt.

Bei römischen Siedlungen, wo wegen der mehr­schichtigen Bebauung nicht alle Bauperioden zuver­lässig geklärt werden können, sind die Bestattungen besonders wichtig. Denn die den Toten mitge­gebenen Bekleidungs- und Gebrauchsgegenstände oder die die Gräber kennzeichnenden - in außer­gewöhnlichen Glücksfällen in situ verbliebenen -Steindenkmäler verraten etwas über das Geschlecht der Verstorbenen, ihr Alter, ihre gesellschaftliche Stellung und über den Zeitpunkt ihrer Bestattung. Da das Aufstellen von Grabsteinen mit Inschrift anerkannterweise ein Brauch mediterran-italischen Ursprungs ist, zeigt die relative Häufigkeit der in Aquincum gefundenen frühen (2. Hälfte des 1. Jahrhunderts), die Namen von Einheimischen über­liefernden Grabinschriften2 eine rasche Romanisie-rung der ÜTyrisch- keltischen (in unserem Gebiet hauptsächlich eraviskischen) Bevölkerung.3

Obwohl die in Budapest im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts einsetzende Bautätigkeit gewalti­gen Ausmaßes in archäologischer Hinsicht große Verwüstungen angerichtet hat, lassen sich die zum

1 Vgl . Zwölftafelgesetz und Cicero, de leg. 2, 24, 6 1 . 2 Zusammenfassend: MÓCSY 1959, M Ó C S Y 1983, M Ó C S Y

1985. 3 Z . B. Grabstein des Eburo Mil io/nis f.: Lapid. Aq . Inv.

Nr . 63. 10. 20 = KUZSINSZKY 1934, 176 = NÉMETH 1999/2, Nr. 13 oder Grabdenkmal der dakischen Familie Scorilo: CIL I I I 13379 = Lapid. Aq . Inv. Nr. 63.10.110 = NÉMETH 1999/2, Nr. 3 oder Grabstein des Namio: C I L I I I 15173 = Lapid. Aq. 64.10.183 = NÉMETH 1999/2, Nr. 16.

Gebiet der römischen castra und canabae (Flórián tér und Umgebung) bzw. zur Zivilsiedlung (äuße­rer West- und Ostabschnitt der Szentendrei út) gehörenden Gräberfelder dennoch relativ gut von­einander trennen.4

Die Forschung der letzten dreißig Jahre konnte in erster Linie auf dem Gebiet der Freilegung der großen städtischen Gräberfelder bedeutende Fortschritte verzeichnen. (Abb. 1.) Mehrere tau­send Gräber kamen im westlichen (sog. Bécsi út, Budaújlak) bzw. nördlichen (sog. Filatorigát, Kaszásdűlő-Raktárrét) Gräberfeld der Militärstadt und im südlichen (sog. Benedek Elek utca, Szent­endrei út) Gräberfeld der Zivilstadt zum Vorschein. Neuere Grabungen haben die Benutzungszeit der Friedhöfe von der Wende 1.-2. Jahrhundert bis ans Ende des 4. Jahrhunderts bestätigt.

Im spätrömischen Zeitalter (3.-4. Jahrhun­dert) belegte Gräberfeldteile gibt es im östlichen Gräberfeld (sog. Gasfabrik) und im Vorfeld der südlichen Stadtmauer der Zivilstadt. Ein Teil der spätrömischen Friedhöfe der Militärstadt (Szőlő u. bzw. Vályog u.) wurde, dies haben die For­schungen der letzten Jahre bewiesen, nach der Römerzeit, im 5.-8. Jahrhundert, weiter benutzt (M. NAGY 1 1993, 360 ff., Fundliste 1, Karte 1; ZSIDI 1999/4, 585 f f ) .

Die Gräberfelder der Militärstadt

Das früheste Gräberfeld Aquincums, südlich des Legionslagers von Óbuda, entstand mit dem M i l i ­tärlager der sog. Víziváros (WasserStadt) zu bin­den. Bei den Bauarbeiten um die Jahrhundertwen-

4 Zusammenfassend zuerst: HAMPEL 1891, J. A. Fehér, Budapest Székesfőváros temetőinek története [Geschichte der Friedhöfe der Residenzhauptstadt Budapest]. Budapest 1933, 13 ff.; L . NAGY 1942/1, 464 ff.; zuletzt: SZILÁGYI 1968, 90, 95; Aquincum 1997, 303 ff.

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Abb. 1. Die Gräberfelder von Aquincum: 1. Gräberfeld beidseitig der Limesstraße (1.-2. Jh. n. Chr.), 2. Westfriedhof an der Bécsi út (Ende 1.-4. Jh.), 3. Nordfriedhof der Militärstadt (Kaszásdűlő-Raktárrét) (2.-4. Jh.), 4. Nordfriedhof der Militärstadt (?) (Benedek Elek u.) (Ende 1.-4. Jh.), 5. Zeitweilig genutztes nördliches Gräberfeld der Militärstadt (Ladik u.) (Ende 1.-2. Jh. -Anfang 3. Jh.), 6. Zeitweilig belegtes westliches Gräberfeld der Zivilstadt (längs des Aranyárok) (Ende 1. Jh.—Anfang 2. Jh.), 7. Friedhof nördlich der Zivilstadt (Csillaghegy) (2. Jh.), 8. Südfriedhof der Zivilstadt (2.-4. Jh.), 9. Ostfriedhof der Zivilstadt (Gasfabrik) (2.-4. Jh.)

de kamen in schmalen Streifen zu beiden Seiten der Limesstraße zahlreiche Bestattungen ans Licht, leider zumeist ohne verwendbare Dokumentation. Einige frühe Grabsteine5 und Sarkophage (60-90 n. Chr.) für Reitersoldaten (hauptsächlich ala I Hispanorum) lassen sich an die dem Legionsla­ger vorausgehenden Alenkastelle (auch das Lager der ala I Tungrorum Frontoniana) anschließen. Ebenfalls zum Alenlager der Víziváros6 (Bem tér - Csalogány u., KÉRDŐ 1997/1) gehören vermutlich die jüngst unter dem Corvin tér ent­deckten Gräber (HABLE 1998, HABLE-BERTIN 1998), obwohl man das Lager nach 107 nicht mehr benutzt hat.

5 Z . B. Lapid. Aq. Inv. Nr. 63.10.98 = NÉMETH 1999/2, Nr. 21 ; SZILÁGYI 1937, 275 ff.; Lapid. Aq. Inv. Nr. 63.10.150 = NÉMETH 1999/2, Nr. 22 mit Literatur; Lapid. Aq. Inv. Nr. 66.11.45 = KUZSINSZKY 1934, 210, 158; CIL I I I 15163 = Inv. Nr. 63.10.19 = NÉMETH 1999/2, Nr. 23.

6 Zur Lokalisierung des Lagers s. Den Abschnitt „Das Alen­lager und Vicus der Víziváros" (5.2.1.1.).

Einzelne (die nördlichsten) Teile dieses Gräber­feldes (Zsigmond tér und Umgebung, berühmtes­tes Grab ist der Lupus-Sarkophag) 7 durften auch die unter Domitianus (81-96) in Aquincum stati­onierte legio I I Adiutrix sowie die sich rasch ent­wickelnde Militärstadt nutzen (FACSÁDY 1996). Aber im letzten Jahrzehnt des 1. Jahrhunderts entwickelte sich das große westliche Gräberfeld der Canabae legionis (Bécsi út), das in Süd-Nord Richtung in einem rund 2,5 km langen, wenn auch nicht zusammenhängenden, 40 m (Bécsi út 98-104) bis 200 m (Bécsi-Farkastorki út) brei­ten Streifen (das hing von der Höhe und dem geomorphologischen Zustand des ihn im Westen begrenzenden Hügelzuges ab) bis zum Ende des 4. Jahrhunderts belegt wurde. 8 In den südlichs-

7 Lapid. Aq. Inv. Nr . 64.10.38, mit einer epikureischen Inschrift in Versform und dem Namen des Dichters LVPVS (NÉMETH 1999/2, Nr . 183, mit Literatur).

8 Erste Erwähnungen: Grabinschrift C I L I I I 3549 = RD 84; gefunden: 1851, inventarisiert: 1855, im Nationalmuseum, Paur, Pester Zeit, 11. Okt. 1861; F. Römer, Magyar régés­zeti krónika [Ungarische archäologische Chronik]. Archae-ologiai Közlemények 7 (1868) 193; F. Rómer, Egyveleg. ArchÉrt 2 (1869) 314 ff.

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ten Parzellen dieses großen Gräberfeldes9 gibt es neben den Brandgräbern der hier stationierten Soldaten auch Körperbestattungen der einheimi­schen Bevölkerung, in denen die alten Stammes-brauche noch zu beobachten sind (TOPAL 1997/ 1, TOPÁL 2000). In nördlicher Richtung zeich­nen sich sechs weitere Parzellen ab, 1 0 in denen Brandschüttungsgräber des 2.-3. Jahrhunderts zusammen mit Steinplatten- und Ziegelgräbern aus dem 3.-4. Jahrhundert bzw. mit Sarkophagen vorkommen. Mindestens drei Gräbergruppen der sieben eingrenzbaren Parzellen (mit bisher fast 850 Gräbern) hatten eine Steinummauerung. Zwischen den einzelnen Grabummauerungen bestand zuwei­len ein Zwischenraum von 100-200 m. Nicht selten konnte in ein und derselben Grabgrube der Wechsel vom Brand- zum Körperbestattungs-ritus beobachtet werden. Das heißt also, auch im Falle der Nachbestattung innerhalb einer Familie wechselte der Bestattungsbrauch plötzlich. In der bislang als nördlichste bekannten Grabparzelle mit niedriger Einfriedungsmauer stand das Postament der - heute leider schon fehlenden, damals aber

9 Bécsi út 25: FACSÁDY 1999/1 (Zu welcher Siedlungseinheit die von A. Facsády südlich der Linie der Szépvölgyi út frei­gelegten Grabparzellen gehört haben, ist fraglich.); Bécsi út 38-60: Grabung E. Márity 1993, Plan 7, Nr. 48; BERTIN 1996, BERTIN 1998, BERTIN 1999, HABLE 2000, Kecs­ke u. 25, 29: TO PÁL 1996/2, Bécsi út 78-82: L . NAGY 1937/1, 268; TOPÁL 2003.

1 0 Grabparzelle 2: Bécsi út 98—104: F., Rómer, Egyveleg. ArchÉrt 3 (1870) 96; H A M P E L 1891, 67, 76 ff.; T. NAGY 1943/1, 373, 376; KABA 1959, Grabung J. Topái 1984, Plan 6, Nr. 26, 1988, Plan 6, Nr. 60. Parzelle 3: Bécsi út 134 = St. Margaretenspital: Grabung J. Topái 1983, Plan 6, Nr. 7, hier wiederum ein Sarkophag mit Versinschrift in Hexametern: Lapid. Aquincum Inv. Nr. 85.9.30, und Mumienbestattung: NÉMETH-TOPÁL 1991, Parzelle 4: Bécsi út 203: mit wenigstens drei frühchristlichen Bestattungen und einer unterirdischen bemalten Gabkammer: TOPÁL In : Christentum 2000, 32 ff. Parzelle 5: Kreuzung Bécsi út - Perényi u.: PARRAGI 1964, Grabung J. Topái 1980, Plan 5. Nr. 8, Zusammenfassend TOPÁL 2003, M . Németh 1980, Plan 5, Nr. 9; FACSÁDY 2000. Parzelle 6: Bécsi út 166—172 - Farkastorki u. = Viktoria (Bohn) Zie­gelfabrik: HAMPEL 1891, E. Foerk, Újabb leletek a Viktória telkén. BudRég 10 (1923) 74 ff.; L. NAGY 1937/1, 273; TOPÁL 1993/1, Graveyard V I , FACSÁDY 1999/2, 95 ff., und Grabparzelle 7: Bécsi út 267-269: GARÁDY 1943/2, 407 ff.; TOPÁL 1993/1, Graveyard V I I .

wahrscheinlich mehrere Meter hohen Grabstele — noch in situ. Es war mit schön behauenen, mittels Eisenklammern befestigten Steinplatten verkleidet und schloss unmittelbar an die mit opus incertum-Technik errichtete Einfriedungsmauer an (TOPAL 1993/1, Graveyard V I I , Taf. 112). 1 1

Nach dem Niedergang des organisierten städti­schen Lebens wurde im westlichen Gräberfeld der Militärstadt nicht mehr bestattet. Bei den an der Ostseite der Bécsi út gefundenen kleineren oder größeren Gräbergruppen12 handelt es sich um in den Mauern oder im Fußboden verlassener Gebäu­de angelegte Gräber des Zeitraums Ende 4. bis 5. Jahrhundert,13 die unserer Meinung nach nicht zu dem städtischen Gräberfeld gehören. Diese Begräbnisstätten spiegeln bereits den im spätrömi­schen Zeitalter allgemeinen Prozess wider, als das bewohnte Gebiet der Stadt zusammenschrumpfte und die Friedhöfe näher heranrückten. Unter die­sen Bestattungen kam auch ein frühchristliches Grabdenkmal mit fünf Apsiden zum Vorschein (PARRAGI 1976/3, 177 f f . ) . 1 4

Ein Gräberfeld ähnlich großer Ausdehnung wie das westliche, das man ebenfalls drei Jahrhunder­te lang kontinuierlich benutzt hat, wurde 1880/81 am Nordrand der Militärstadt beim Bau des Fila-tori Dammes (Filatorigát) entdeckt. 1 5 Die Bestat­tungen lagen auf der Nordseite der sog. Diago­nalstraße, die in nordwestlicher Richtung von der nordsüdlichen Verbindungstraße zwischen Zivi l-und Militärstadt abzweigte. Besondere Erwähnung

1 1 Grabung Gy. Parragi und M . Németh 1978, Plan 4, Nr . 42.

1 2 Kiscelli-Kiskorona u. : PÓCZY 1955, Emese-Váradi u.: M . Lenkei, Későrómai temetőrészlet az Emese utcában [Spät­römischer Gräberfeldteil in der Emese utca]. BudRég 18 (1958) 535 ff.; Bécsi-Gyenes u.: PARRAGI 1964, PARRA­G I 1993, Selmeci u.: L . NAGY 1937/1, 273.

1 3 T . NAGY 1943/1, 378; Grabung I . Wellner 1972, Plan 2, N r . 11; SZIRMAI 1975/2, Grabung K. Kérdő 1982, Plan 5, Nr. 51; Grabung K. Debitzky 1989, Plan 7, Nr . 11; TOPÁL 1996/1 , MADARASSY 1998/2, MADA­RASSY 1999/4. Ausführlich: M . [ N A G Y 1993, 360, mit Literatur.

1 4 S. dazu noch den Abschnitt „Das Christentum" (8.4.). 1 5 F. Rómer, Egyveleg. ArchÉrt 2 (1869) 41-44, 65-68,

91 -94 ; HAMPEL 1891, 51-75, mit kurzer Beschreibung von 45 Gräbern.

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verdient der Sarkophag der Aelia Sabina,^ die dem Text der Inschrift zufolge im Orgelspiel sogar ihren Mann übertraf. 1 7 Von dem sog. Gräberfeld Raktárrét (Magazinsried), das gegen­wärtig unter dem Namen Kaszásdűlő-Raktárrét geführt wird, sind bislang rund 470 birituelle Bestattungen bekannt, auf deren Grundlage die Gräberfeldbenutzung rekonstruiert werden konnte (ZSIDI 1990/1, ZSIDI 1996-1997). Die Brand­bestattungen des 2. Jahrhunderts sind zumeist in weitläufig angelegten Familiengrabgärten zu fin­den. Zwischen den einzelnen Gräbergruppen ver­laufen steingepflasterte Gehwege. Vom Ende des 2. Jahrhunderts an nimmt man auch in diesem Friedhof überwiegend Körperbestattungen vor. Doch Mitte des 3. Jahrhunderts wird der Platz immer enger, und nicht selten kommt es vor, daß Verstorbene in vier bis fünf Schichten überein­ander bestattet sind. Wahrscheinlich aus diesem Grund beginnt man im 4. Jahrhundert, auch den bis dahin vermutlich in Vergessenheit geratenen Gräberfeldteil des 2. Jahrhunderts wieder zu nut­zen. In der Grabparzelle D (ZSIDI 1996-1997, 38-40, Abb. 2-3) sind mehrere frühchristliche Gräber zu vermuten ( Z S I D I In: Christentum 2000, 33-34, Abb. 27 -28 ) . Die letzten Gräber am Nordrand der Begräbnisstätte stammen aus den Jahren um 370 n. Chr. Es sind hauptsächlich Männergräber mit ärmlichen Beigaben. Danach gab man das Gräberfeld ganz auf.

Südlich des Gräberfeldes Kaszásdűlő-Raktárrét, nicht weit von der Südseite der Diagonalstraße entfernt, erschienen mit der Verkleinerung des bewohnten Gebietes ebenfalls Bestattungen (L. NAGY 1937/1, 266, 268, 273). In dem an der Bogdáni út freigelegten spätrömischen Gräberfeld (PARRAGI 1963) kamen im vergangenen Zeit­raum nur sporadisch einige Gräber zu Tage. 1 8

Auch auf der Ostseite der in nördlicher Rich­tung aus der Militärstadt führenden Straße, nahe zur Donau, stieß man schon sehr früh auf eini-

1 6 Lapid. Aq . Inv. Nr. 63.10.138 = CIL I I I 10501; J. Hampel, Aquincumi sírvers. ArchÉrt új foly. 2 (1882) 121 ff.

1 7 Deutsche Übersetzung der Inschrift s. im Abschnitt „Musik­denkmäler aus Aquincum" (7.3.).

1 8 Grabung I . Wellner 1972, Plan 2, Nr. 11.

ge Bestattungen.1 9 Die Struktur des Gräberfeldes wurde allerdings erst mit den Ausgrabungen der letzten zehn Jahre bekannt. Das auf der Linie der heutigen Ladik utca gelegene, aus sowohl Brand- wie auch Körperbestattungen enthalten­den Grabumfassungen bestehende Gräberfeld war nur zeitweilig, von der Wende 1—2. bis zum Ende des 2. bzw. Anfang des 3. Jahrhunderts, in Benutzung (ZSIDI 1997[1998]). Auf Grund der hier gefundenen Architekturfragmente wurde die hypothetische Rekonstruktion eines der zu dem Gräberfeld gehörenden Grabdenkmäler möglich ( Z S I D I 1997/2).

Zwischen 1967 und 1974 kam etwa 300 m nördlich vom Gräberfeld Kaszásdűlő-Raktárrét, durch einen natürlichen Wasserlauf (Radi Graben) von diesem getrennt, an der Westseite der Limes-Straße (zur Zeit der Ausgrabungen in der Benedek Elek u. und deren Umgebung) ein weiteres aus­gedehntes Gräberfeld ans Licht. Hier konnten im Zuge der Bauarbeiten einer Industrieanlage 727 Bestattungen aufgedeckt und geborgen werden. 2 0

Die Gräber lagen in einer Tiefe von kaum 30 cm, da man die darüber befindliche, nur zu landwirt­schaftlichen Zwecken genutzte Bodenschicht zum Bau des oben erwähnten Filatori Dammes (Füato-rigát) abgetragen hatte. Die Mehrzahl der Bestat­tungen waren ins 2. Jahrhundert datierbare Brand -schüttungsgräber. Die Kremation fand auf einem öffentlichen, gemeinschaftlichen Verbrennungsplatz (ustrinum publicum) statt und die Beisetzung der Uberreste erfolgte an anderer Stelle. Aber es gab darunter auch einige Verbrennungen direkt über der Grabgrube (busta). Aus dem 3. und. 4. Jahr­hundert kennen wir ein paar Steinplatten- und Ziegelplattengräber, die jedoch meist gestört waren. Während die Süd- und Westgrenzen der Nekropole heute bekannt sind, ist die nördliche Ausdehnung des Gräberfeldes in Richtung Zivüstadt Aquincum vorerst noch ungeklärt. Vor dem Bau einer Wohn­siedlung vorausgehend untersuchte man 1977-80 das sumpfige Gebiet zwischen dem Gräberfeld und

1 9 F. Römer, Egyveleg. ArchÉrt 2 (1869) 41^t4 , 65-68, 91-94 .

2 0 Grabung M . Kaba 1970, Plan 1, Nr . 12 bzw. 1971, Plan 1, Nr. 28.

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der südlichen Mauer der Zivilstadt in einer Länge von 1200 m. Außer einigen Flecken mit Holzkoh­len (Aschengruben oder Brandschüttungsgräber ?) wurden jedoch keine Hinweise beobachtet, die auf eine Fortsetzung der Bestattungen hindeuteten.21

Nachdem sich das Gräberfeld unweit vom nörd­lichen Rand der Militärstadt erstreckt, ist nicht auszuschließen, daß es ebenfalls einen Teil des Nordfriedhofs der Militärstadt bÜdet. Eine unmit­telbare topographische Verbindung zwischen den Gräberfeldern Kaszásdűlő-Raktárrét und Benedek Elek utca ist gegenwärtig nicht nachweisbar.22

Alle großen städtischen Gräberfelder der M i l i ­tärstadt schließen mit dem Ende des 4. Jahrhun­derts. Lediglich einige von diesen unabhängigen Gräbergruppen südlich und westlich des spätrö­mischen Kastells sind auf Grund der Funde mit mehr oder weniger sicher in die ersten Jahrzehnte des 5. Jahrhunderts zu datieren ( M . 1 NAGY 1993, 360, Karte 1-3, Abb. 1-3; TOPÁL 1996/1, MADARASSY 1998/2, 63, Abb. 24). Die geringe Anzahl der Gräbergruppen zeigt einen radikalen Rückgang der Bevölkerungszahl.

Die Gräberfelder der Zivilstadt2 3

Das große Gräberfeld entlang des Aranyhegyi Baches (Aranyhegyi patak), dessen erste Gräber in den Jahren 1895-96 bei der Bachregulierung bzw. beim Bau der Eisenbahnlinie Budapest-Esz­tergom zum Vorschein kamen, gilt bis heute als Westfriedhof der Zivilstadt von Aquincum. Leider sind von dem dortigen Material heute nur die Steindenkmäler mit einer ganzen Reihe Inschriften von Personen norischer bzw. italischer Herkunft eindeutig zu identifizieren. 2 4 Zwischen 1926 und

2 1 PETO 1984/1, neuerdings mit abweichenden Ergebnissen: Z S I D I 1999/3, zu einem Gutshof gehörende Grabparzelle.

2 2 Nach Meinung der Ausgräberin M . Kaba dürfte diese Begräb­nisstätte (die monographische Aufarbeitung ist im Gange) eher der Südfriedhof der Zivilstadt von Aquincum gewesen sein.

2 3 S. den Abschnitt „Die Bebauung außerhalb der Stadtmauer" (5.4.4.4.).

2 4 Z . B. Lapid. Aq . Inv. Nr. 63.10.10 = KUZSINSZKY 1934, 170, 410. = NÉMETH 1999/2, Nr. 66, Inv. Nr . 63.10.13., Inv. Nr . 63.10.107 = K U Z S I N S Z K Y 1934, 204, 409 = NÉMETH 1999/2, Nr.39.

1929 wurden bei der Errichtung des parallel zu dieser Bahnlinie verlaufenden Straßen- und Bahndammes, in einem 3 0 0 x 5 0 m umfassenden Gebiet 261 frühkaiserzeitliche Brandbestattungen (Brandschüttungs- und Urnengräber) und — in der Nähe der Westmauer der Zivilstadt — einige späte Körperbestattungen (4. Jahrhundert) aufge­deckt (L. NAGY 1937/1, 265; L. NAGY 1942/1, 465 ff.). Hier konnte der Ausgräber nicht weniger als 50 kleinere Familiengrabgärten mit Ummau-erung dokumentieren (L. NAGY 1942/1, Abb. 10), deren Architektur und Dekoration italischen Geschmack verraten (L. NAGY 1942/1, Abb. 12, 13, 14). Eine dieser Grabumfassungen (L. NAGY 1942/1, Plan Nr. XXV) hat er als gemeinsamen Verbrennungsplatz (ustrina publica) des Gräber­feldes beschrieben: die erste (und bislang einzige) derartige Anlage in Aquincum (L. NAGY 1931/1, 260 ff.). Im Zuge der 1978 durchgeführten Aus­grabungen2 5 erhöhte sich die Zahl der bekannten Gräber des Gräberfeldes auf 422. Unter den Grabbeigaben befinden sich relativ viele flavische Importgegenstände, obgleich die dem municipium Aelium der Zivilstadt vorausgehende Periode noch nicht hinreichend bekannt ist. Erklären könnten diesen Widerspruch eventuell die Ergebnisse der jüngsten Forschungen in der Zivilstadt, welche die Annahme gestatten, daß es in der vormunizipalen Periode in diesem Gebiet ein Militärlager gab. 2 6

Nördlich der Zivilstadt, in der Umgebung des Csillaghegy genannten Stadtteils, stieß man auf einige frühe Grabsteine27 und Altäre,28 die die Existenz eines kleineren Friedhofs zu belegen scheinen. Der überwiegende Teil der Gräber wurde im Zuge der Bebauung des Gebiets ver­nichtet, aber sekundär verwendete Stücke kamen in den letzten Jahren häufiger ans Licht (PETO 1976/1).

2 5 Grabung M . Kaba 1982, Plan 5, Nr . 44. 2 6 S. dazu den Abschnitt „Baugeschichtliche Skizze der Z iv i l ­

stadt" (5.4.3.). 2 7 Lapid. Aq. Inv. Nr. 63.10.20 = KUZSINSZKY 1934, 176, 286

= NÉMETH 1999/2, Nr. 13, Inv. Nr. 63.10.21 = KUZSINSZ­KY 1934, 177, 287 = NÉMETH 1999/2, Nr. 14.

2 8 CIL I I I 3440 = Lapid. Aq. Inv. Nr . 64.10.190 = NÉMETH 1999/2, Nr. 122, Inv. Nr. 63.10.96 = K U Z S I N S Z K Y 1934, 209, 462 = NÉMETH 1999/2, Nr. 32.

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Schließlich gab es noch das östliche Gräberfeld der Zivilstadt, das sich im Gebiet zwischen der östlichen Stadtgrenze (Töpferwerkstatt) und der Donau ausdehnte. Bereits 1830 kamen hier bei Erdarbeiten vier Sarkophage zum Vorschein. 2 9 Im Jahr 1892 fand eine kleinere Rettungsgrabung statt, 3 0 die weitere 13 Gräber zu Tage förderte, teilweise mit sekundär verwendeten Relief- und Inschriftdenkmälern.31 Zwischen 1909 und 1913 wurden beim Bau der Gasfabrik nahezu 100 Grä­ber dieses spätrömischen Gräberfeldes aufgedeckt. Allerdings leider nur die Steinkisten 3 2 und Ziegel-gräber, während die Erdbestattungen unberück­sichtigt blieben. Ein Teil der Gräber umgab ein mit Apsis versehenes Gebäude, das vielleicht eine frühchristliche basilica coemeterialis gewesen sein könnte (L. NAGY 1942/1, 469, 770, Abb. 39). Bei den in jüngster Zeit fortgesetzten Rettungsgra­bungen kamen wiederum einige Gräber ans Licht, die Beobachtungen zufolge zur südlichsten Grup­pe des Friedhofs gehört haben dürften (ZSIDI 2001/1). Im Rahmen dieser Freilegung wurde die frühere Beobachtung, nach der die Benutzung des Ostfriedhofs Anfang des 3. Jahrhunderts einsetzte, erneut fraglich, da man hier auch eine Gruppe mit ins 2. Jahrhundert datierbaren Brandschüt-tungsbestattungen vorfand.

Die spätesten Gräber der Bewohner der Zivil­stadt stammen vom ausgehenden 4. Jahrhundert und sind im Allgemeinen am Fuße der Stadtmau­ern zu finden. Diese Bestattungen, zumeist mit ärmlichen Beigaben, künden von immer unsicherer werdenden Zuständen bzw. von einem radikalen

2 9 Sas, Jahrg. 1831, 130-132. 3 0 B. Kuzsinszky, Római kor i temető Aquincumban [Römi­

sches Gräberfeld in AquincumJ. ArchErt 12 (1892) 446 ff.

3 1 Lapid. Aq . Inv. Nr. 63.10.32 = Kuzsinszky ArchÉrt 17 (1897) 78 und Abb., Inv. N r . 64.10.32 = Kuzsinszky ArchÉrt 17 (1897) 93, Inv. Nr . 66.11.12 = Kuzsinszky ArchÉrt 17 (1897) 104 und Abb. = NÉMETH 1999/2, Nr. 144, aber mit dem Fundort Aranyárok, Inv. Nr . 66.11.21 = Kuzsinszky ArchÉrt 17 (1897) 88, Inv. Nr . 63.10.136 = NÉMETH 1999/2, Nr. 53, mit Literatur.

3 2 Meistens ebenfalls mit sekundär verwendeten Inschriften, z. B. aus Grab 46 = Lapid. Aq . Inv. Nr . 63.10.4 = K U Z S I N S Z K Y 1934, 167, 340.

Rückgang der Bevölkerungszahl. Bei den Ausgra­bungen der letzten Jahre kamen jedoch nahe der südlichen Stadtmauer der Zivilstadt (Záhony u. - Szentendrei út) zwei Teile eines Gräberfeldes größerer Ausdehnung zu Tage 3 3 (ZSIDI 1998/2). In einem aus Steinplatten zusammengestellten, mit Mörtel luftdicht verschlossenen Kindergrab (ZSIDI 1999/5) und in den weniger zerstörten Ziegel- und Erdbestattungen fanden sich in erster Linie Glas-und Münzbeigaben, die von der Ende des 4. Jahr­hunderts hier lebenden Einwohnerschaft zeugen.

Bestattungen im Territorium der Stadt

Die vom Territorium der Stadt bekannten Grä­ber findet man in verschiedenen Mitteilungen von Lajos Nagy (L. NAGY 1935/2, L. NAGY 1937/1, 269, 274; L. NAGY 1945, 535 f f ) . Die frühes­ten Begräbnisstätten gehörten zu den vicusartigen Siedlungen, z. B. Solymár (außerhalb des Buda­pester Stadtgebiets, KOCZTUR 1991) oder im StadtteÜ Csúcshegy3 4 sowie in der Aranypatak u . 3 5

Jedes dieser Gräberfeldteile zeigt im Hinblick auf Bestattungsbräuche, Tracht und Gebrauchsgegen­stände eine starke Bindung an die lokale keltische Einwohnerschaft.

In jüngster Zeit kamen 17 Gräber in einem geschlossenen ummauerten Grabbezirk einer Villa zum Vorschein, und zwar entlang der bisher als Hofmauer der Villa interpretierten Steinmauer. Etwa die Hälfte der in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts angelegten Bestattungen waren Brandschüttungsgräber mit ärmlichen Beigaben, die andere Hälfte Körperbestattungen. An der Frontseite des ummauerten Grabgartens regelmä­ßiger Form mag ein prächtiges Grabmal gestan­den haben, von dem nur das massive Fundament erhalten blieb (ZSIDI 1999/3).

Der 1983 beim Bau der Wohnsiedlung Gaz­dagrét am Westrand von Budapest (XI . Bezirk)

3 3 Bislang etwa 6, meist zerstörte Gräber aus den 3. Jh. und 13 ebenfalls mehr oder weniger beraubte Körperbestattun­gen aus den 4. Jh.

3 4 Vorläufiger Bericht von M . Németh und K. Szirmai in: BudRég 23 (1973) 261 .

3 5 Notgrabung E. Márity 1993, Plan 7, Nr. 56.

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entdeckte spätrömische Friedhof mit 116 Gräbern, dessen späteste Gruppe vom Ende des 5. Jahrhun­derts n. Chr. stammt,3 6 läßt sich mit keinem der städtischen Gräberfelder Aquincums in Verbindung bringen (ZSIDI 1987). Dieser Friedhof dürfte zu einer dörflichen Siedlung gehört haben, die an einer der vom Limes ins Innere der Provinz füh­renden Straßen lag. Die hier beobachteten Bestat­tungsbräuche und das ans Tageslicht gelangte Fundmaterial dienen als Beweise für das Zusam­menleben der provinzialrömischen Einwohnerschaft und der starke barbarische Züge tragenden Bevöl­kerung der foederati.

Zusammenfassung

Auf Grund der Grabungsbeobachtungen der letz­ten Jahrzehnte läßt sich sagen, daß man vermutlich parallel zum Ausbau der städtischen Verwaltung jene Gebiete im Territorium des Municipiums kennzeichnete, die Bestattungszwecken dienen sollten. Diese wurden entweder von den Bewoh­nern eines Stadtviertels (insula) oder von einer geschlosseneren ethnischen Gemeinschaft (syri­scher, kleinasiatischer etc. Herkunft) oder sogar von den Mitgliedern eines Bestattungsvereins (col­legia funeratica, collegium fabrum et centonariorum etc.) benutzt. Oftmals umgab man diese Parzellen, um ihren geschlossenen Charakter hervorzuheben,

mit einer niedrigen Steinmauer. An einer in der Mauer eingelassenen Tafel waren die Namen dort Ruhenden - ob reich, ob arm - verewigt. Diese Grabummauerungen und die einzelnen Grabstätten wurden häufig besucht, nicht nur anlässlich offi­zieller Feiertage, und bei dieser Gelegenheit auch Speise- und Trankopfer dargebracht. Die zwischen den einzelnen Gräbern ausgebauten gepflasterten Wege, die auf den Steinplatten am Eingang der ummauerten Familiengräber (area maceriae cincta) gefundenen Speisereste und Lampen (lux aeterna, das ewige Licht), die (zum Zwecke der profusio) in die Grabgrube geleitete, aus Deckziegeln (imbrices) bestehende „Speisezuführung" oder die im Friedhof ausgebaute Wasserleitung, dies alles sind Beweise eines intensiven Totenkults.

Mi t Ausnahme von einigen oben erwähnten Begräbnisstätten, die man im spätrömischen Zeitalter an der Stelle früher bewohnter Gebiete anlegte, ist die Kontinuität der großen städti­schen Gräberfelder Aquincums im 6.-7. Jahrhun­dert nicht nachzuweisen.37 Die hier verbliebene Einwohnerschaft verschmolz nach Aufgabe des Grenzgebiets an der Donau (limes Romanus) mit den aus dem Barbaricum einströmenden ethni­schen Gruppen der Ostgermanen, Hunnen, Alanen und Donausueben.

Judit Topái

Nach Meinung des Ausgräbers könnte der Friedhof sogar den Anfang des 6. Jahrhunderts erlebt haben (ZSIDI 1987, 72).

S. noch den Abschnitt „Zur Frage des Kontinuitäts in Aquincum" (4.3.).

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5.5.2. DIE FRAGE DES „MILITÄRISCHEN TERRITORIUMS"

Unter den in den letzten Jahrzehnten in Aquin­cum durchgeführten topographischen Forschun­gen verdienen besonders jene Ausgrabungen Aufmerksamkeit, die nördlich des einzugrenzen­den Territoriums der Militär Stadt, in dem bis zur Zivilstadt reichenden sowie im südlich der Militärstadt gelegenen Gebiet erfolgten. Von der früheren Forschung wurden diese Gebietsteile als unbebaut angesehen und in den topographischen Zusammenfassungen oft gar nicht erwähnt. In der Fachliteratur erschienen sie meist nur als für die städtischen Gräberfelder gekennzeichnete Zonen (L. NAGY 1942/1, 469; T. NAGY 1973, 117, 119).

Die neuen Forschungen dagegen brachten zahl­reiche neue Befunde im Hinblick auf die Nutzung der besagten Gebiete an den Tag (PÓCZY 1984/ 1, 20; FACSÁDY 1996, Z S I D I 1997/1, 281-282; HABLE 2002, 267-278), was zugleich die Frage der Funktion bzw. des Rechtsstatus dieser Gebie­te aufwarf (KOVÁCS 2000/1, 46-47). In der Römerzeit ist für die besagten Gebiete von Aquin­cum der Wechsel zwischen Bestattungs- und wirt­schaftlicher Funktion charakteristisch. Im Lichte der neuen Informationen scheint es gegenwärtig, als hätte auch ein Zusammenhang zwischen den von Zeit zu Zeit erfolgenden Funktionsänderungen und dem veränderten Rechtsstatus der Gebiete bestanden. Zusammenfassungen des Themas für den niederpannonischen Limes trugen wesentlich zur Bewertung der Verhältnisse in Aquincum bei (MÓCSY 1980, 370-373; KOVÁCS 1996-1997, KOVÁCS 1999/1, 105-119; KOVÁCS 2000/1, 39-56; KOVÁCS 2000/3).

Gebietsnutzung zwischen Militärstadt und Zivilstadt (Abb. 1.)

In dem Gebiet zwischen der Militär- und Zivil­stadt deuteten im früheren Zeitraum ein Teil des sog. Gräberfeldes Kaszásdűlő-Raktárrét, einige längs der südlich der Stadtmauer verlaufenden Straße sporadisch ans Tageslicht gelangte Gräber sowie die ebenfalls von hier stammenden Reste einer Töpferwerkstatt aus dem 3. Jahrhundert auf die Nutzung dieses Gebietes hin (T. NAGY 1973, 117, 119, 122). Bei den seither durchgeführten Forschungen kamen in dem Gebietsteil nahe der Militärstadt ein frühes Militärobjekt, der Rest eines Bades (ZSIDI 2001/3, Z S I D I 2002/2), auf der östlichen Seite der die Zivü- mit der Militär Stadt verbindenden Straße ein weiterer Gräberfeldteil (ZSIDI 1997[1998]), ebenfalls hier ein Teil einer größeren Wehranlage (ZSIDI 1995/2, 41-42), am Bett des Aranyhegyi-Baches Reste eines Brücken­pfeilers (PÓCZY 1984/1, 20) sowie am Donauufer ein die Verbindung zur gegenüberliegenden Insel herstellender Brückenkopf (ZSIDI 1999/2) zu Tage. Im Gebietsteil nahe der Zivilstadt dagegen fand man über frühen, Wehranlagen ähnelnden Objekten einen zusammenhängenden Gräberfeldteil mit Brandbestattungen, zu einem Handwerker-viertel gehörende Bebauung und schließlich zur spätesten Periode der Zivilstadt gehörende Gräber vor (ZSIDI 2002/4). Betrachtet man diese Ver­änderungen in chronologischer Reihenfolge, sind die frühesten Spuren in beiden Teilen des unter­suchten Gebiets militärischer Prägung. Danach, an der Wende 1.-2. Jahrhundert, wurde zunächst das Gräberfeld im Gebiet nahe der Müitärstadt angelegt, dem das Brandgräberfeld des nördlichen

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Teils erst im ersten Drittel des 2. Jahrhunderts folgte. Die Aufgabe beider Gräberfelder ist in den gleichen Zeitraum zu setzen und nachweisbar auf eine bewusste, einheitliche Geländeerschließung zurückzuführen (ZSIDI 2002/1). Im nördlichen Teil entstand nach der Anlaßung des Friedhofs ein Handwerkersbetriebe, im südlichen Teil, auf der Westseite der die Wasserleitung tragenden Pfeiler­reihe, wurde damals vermutlich das Bad errichtet, während das Gebiet östlich der Straße unbebaut blieb. Hier benutzte man weiterhin die zur Insel führende Brücke, und dadurch wuchs - verglichen mit früher - auch die strategische Bedeutung der Straße am Donauufer (T. NAGY 1973, 120; ZSIDI 2002/4).

Eine kürzlich publizierte Meinung zieht die Grenze zwischen dem militärischen und zivilen Territorium in diesem Gebiet auf der Linie des Aranyhegyi-Baches (KOVÁCS 2000/1, 47). Der Aranyhegyi-Bach durchquerte das Gebiet zwi­schen den beiden römischen Siedlungseinheiten von Nord-Nordwest nach Süd-Südost. Nach der zitierten Meinung wäre somit das linke, der Zivil­stadt näher gelegene Bachufer das Territorium der Zivilstadt und das rechte Ufer das „militärische Territorium" gewesen. Diese Auffassung scheint auch die Lage der Gräberfelder der Militär- und Zivilstadt zu bekräftigen.1 In dem Falle würde jedoch der strategisch wichtige Brückenkopf am Donauufer nicht in das Militärterritorium fal­len, obwohl er höchstwahrscheinlich auch dann noch hatte militärisch nutzbar bleiben müssen, als Canabae und Municipium in den Rang einer Colonie erhoben und beide Siedlungen gemeinsam verwaltet wurden. Vielleicht wurde der östlich der Wasserleitung gelegene Teil des Gebiets nördlich der Militärstadt nach den Ordnungsmaßnahmen der Severerzeit gerade deshalb nicht bebaut, weil die Militärstadt auch nach der Rangerhöhung -angesichts ihrer strategischen Bedeutung — weiter­hin militärischen Zwecken vorbehalten blieb. Das „militärische Territorium" muss nicht unbedingt zusammenhängend gewesen sein, sondern könn-

1 Vgl . den Abschnitt „Die Gräberfelder von Aquincum" (5.5.1.). S»-s)Yerkstättef~f | p W g

+ G r à H r f e l d , <

Abb. 1. Veränderung der Gebiets -nutzung zwi­schen der Zivil- und der Militärstadt:

a. Reste aus dem 1. Jh. n. Chr.,

b. Nutzung im 2. Jh. n. Chr.,

c. Veränder­ungen im ers­ten Jahrzehnt des 3. Jahr­hunderts

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Abb. 2. Nutzung des Gebiets südlich der Militärstadt auf Grund der jüngsten Ausgrabungen (nach A. Facsády und T. Fiable)

te aus mehreren abgesonderten Gebietseinheiten bestanden haben (KOVÁCS 1999/1, 119). Wie groß dieses Gebiet — zwischen Militär- und Zivi l ­stadt - in unserem Fall war, lässt sich vorerst nicht umreißen. Seine ostwestliche Ausdehnung dürften die Pfeiler des Aquädukts bzw. die nord-südliche Straße und die Donau bestimmt haben. Im Norden verlief die Grenze eventuell auf der Linie zwischen dem Aranyhegyi-Bach und der Kreuzung der nordsüdlichen Straße.

Gebietsnutzung i m südlichen Vorfeld der Militärstadt (Abb. 2.)

Eine weitaus vielschichtigere Gebietsnutzung ist im südlichen Vorfeld der Militärstadt zu beobach­ten. Auch hier kann man die in den verschiede­nen historischen Epochen erfolgten und eventuell ebenfalls mit einer Veränderung des territorialen Rechtsstatus einhergehenden Funktionsänderungen gut verfolgen (FIABLE 2002, 267). Besonderes Gewicht besitzt dieses Gebiet im Hinblick auf die Bestimmung des militärischen Territoriums, denn von hier stammt das momentan einzige Inschrift­denkmai der Severerzeit, auf dem das territórium legionis erwähnt ist (CIL I I I 10489, KOVÁCS 1999/1, 107). In den vergangenen rund andert­halb Jahrzehnten wurden südlich des Militäram­phitheaters, in dem schmalen Gebietsstreifen zwi­schen den Budaer Hügeln und der Donau, den im Südwesten die natürliche Linie des Szépvölgyi árok genannten Grabens abschließt, annähernd einhundert Grabungen bzw. archäologische Beob­achtungen vorgenommen. 2

Entscheidend für die Topographie des Gebietes war auf jeden Fall ein Graben mit ursprünglich natürlichem und später dann künstlich regulier­tem Bett.3 Von diesem etwa 25 m breiten, durch­schnittlich zwei Meter tiefen Graben mit trogarti­gem Profil kam im nördlichen Teil des besagten Gebietes ein rund 200 m langer, Nordwest-Süd­ost verlaufender Abschnitt zutage (HABLE 2002,

2 Zusammenfassend: HABLE 2002 sowie FACSÁDY 1996, FACSÁDY 1999/4, FACSÁDY 2001/1-2.

3 S. den Abschnitt „Die Geographie Aquincums" (3.).

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271, 278, Abb. 1). Der Ausgangs- oder Endpunkt des Grabens ist noch ungeklärt, so dass sich vorerst auch nichts über seinen Charakter (ein Donau-Arm: FÜLEKY-MÁRITY 1998, 242-244, oder ein das Wasser der nahegelegenen Quellen ableitender Graben) sagen läßt. Auf Grund der hier geborgenen Funde ist jedoch wahrscheinlich, daß der Graben zumindest in einer bestimmten Periode der Römerzeit (hauptsächlich vom Anfang des 2. bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts) als offener Wasserlauf existiert hat.

Das andere bestimmende Element der Topogra­phie des Gebietes war das Straßennetz (FACSÁ­DY 1996, 14, Abb. 3; HABLE 2002, 278, Abb. 1). Die größte Bedeutung unter den freigelegten Straßenabschnitten kam der Limesstraße zu, deren Trasse in der behandelten Forschungsperiode an einer Stelle identifiziert werden konnte (HABLE 2003). 4 Die Bedeutung der im Großen und Gan­zen parallel zur Limesstraße, auf dem Hügelab­hang westlich von dieser verlaufenden Straße ergibt sich aus den beiderseits der Straße angelegten Friedhofsparzellen und Gräbern (HABLE 2002, 269-271). Auf längeren Gebrauch deuten ein klei­nes Stück eines nordsüdlichen Straßenabschnitts, das zwischen den beiden oben erwähnten Straßen freigelegt wurde, sowie der im rechten Winkel von der Limesstraße abbiegende und zum Südtor des Amphitheaters führende Straßenabschnitt hin (HABLE 2002, 272). Die Verbindung zu dem Gebiet westlich der Limesstraße stellten vermut­lich die in diesem Gebiet aufgedeckten kleineren ostwestlichen Straßenabschnitte her (FACSÁDY 1996, 16-17). Da die Chronologie der Benutzung der Straßen noch nicht ganz geklärt ist, kann man auch das Netz der Verkehrsadern vorerst nicht rekonstruieren.

Als bestimmende Elemente der Topographie sind außerdem die im mittleren Teil des betref­fenden Gebiets freigelegten bzw. beobachteten Abschnitte einer Wasserleitung zu betrachten. Die der nordsüdlichen Straße in 10 bis 15 m Abstand und über eine längere Strecke folgen-

4 Sowie die Grabung von K. Szirmai 1989, Plan 7, Nr. 2.

de, in mehreren Details freigelegte Leitung kann auf Grund ihrer Konstruktion (BERTIN 1997, 21-23) und Ausdehnung eindeutig als Teil eines öffentlichen Leitungsnetzes gedeutet werden. Die andere Wasserleitung verlief westlich davon, den Beobachtungen zufolge parallel zu dieser, am höchsten Punkt des Hügelabhangs und ebenfalls in nordsüdlicher Richtung (HABLE 2002, 271). Ihre Konstruktion wich von der der östlicher gele­genen Leitung ab. Doch da der kurze aufgedeckte Abschnitt nur wenige Beobachtungen ermöglich­te, ist die Frage nach dem Charakter bzw. der Funktion nicht zu entscheiden. Möglicherweise ist die ältere Wasserleitung durch die fortgesetzte Erosion, der sie am Hügelabhang ausgesetzt war, zu einem späteren Zeitpunkt „abgerutscht". Es ist aber auch nicht auszuschließen, daß es sich bei dem hier ans Tageslicht gelangten Abschnitt um einen Nebenzweig der Wasserleitung, eventuell zur separaten Nutzung, handelt. Eine Wasserleitung war in der frühen Periode für die hier ausgeübte handwerkliche Tätigkeit (Töpferei) ebenso wichtig wie im späteren Zeitraum für den Bau des in der erwähnten Inschrift genannten Bades, das zwar noch nicht identifiziert werden konnte, mit dessen Auffindung in der Nähe des behandelten Gebiets jedoch zu rechnen ist. Diese Wasserleitung (en) hat (haben) höchstwahrscheinlich das Wassser der auf der nahen Kisceller Terrasse entspringenden und zum Teil noch heute fließenden Quellen befördert.

Einheitlich sind im ganzen Gebiet vom Amphi­theater bis zur Linie des Szépvölgyi árok die Siedlungsspuren des 1. Jahrhunderts anzutreffen (HABLE 1996, 34; FACSÁDY 2001/2, 16-18). Mitunter erschienen die Pfosten bzw. Grubenob­jekte sogar in mehreren Schichten, ihre Anlage und das ans Tageslicht gelangte Fundmaterial deuten auf die in der Siedlung ausgeübte Gewer-betätigkeit hin (HABLE 2002, 270). Im südlichen Teil des Gebiets wurden die frühen Bauten aus Lehmziegeln bzw. mit Holzkonstruktion schon an der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert von Steinbauten abgelöst (FACSÁDY 1996, 16-17; FACSÁDY 1999/1, 21), während man im nörd­lichen Teil, am Ostrand der über den Hang ver-

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laufenden Straße, bereits die ersten Bestattungen mit Grabgärten in geschlossen Reihen anzulegen begann (HABLE 2002, 270). In dieser Periode befand sich im Vorraum des Amphitheaters eine ausgedehnte Töpfersiedlung (VAMOS 2003). Ihren Platz nahm später ebenfalls ein Gräberfeld ein, dessen Gräber die von den Bestattungen am Straßenrand weiter entfernte Parzelle einnahmen (HABLE 1996, 33-39). Ab dem 3. Jahrhundert ging die Dichte der zu beiden Seite der — als eine Art „Gräberstraße" fungierenden - Straße am Hügelabhang gelegenen Bestattungen zurück. Im 4. Jahrhhundert kam es nur noch sporadisch zu Bestattungen, und an der Stelle der aufgegebenen Parzellen sowie in deren weiterem Umkreis begeg­net man erneut Spuren handwerklicher Tätigkeit (Kalkbrennen: HABLE 2001 , 23-24; Ziegelher­stellung: FACSÁDY 1997, 14-17).

Die Nutzung des Gebiets zwischen den östlichen Bestattungen der Gräber straße und der Limes-straße wirft mehrere Fragen auf. Nicht eindeutig sind vorerst Datierung, Charakter und Funktion der beidseitig des Grabens ans Tageslicht gelang­ten Pfostenkonstruktionen (Getreidespeicher oder Straßenfundament: HABLE 1995, 28-29; HABLE 2002, 271) sowie der südlich davon dokumentier­ten Steingebäude (HABLE 2002, 271.). Ein im südlichen Teil aufgedecktes größeres Steingebäude mit steingerahmtem Eingang und Schwellenstein, das man auch im Mittelalter benutzt hat, unter­streicht die Bedeutung des Gebiets im spätrömi­schen Zeitalter (FACSÁDY 1996, 20-21).

Über die Bebauung der östlichen Seite der Limesstraße stehen nur wenig neue Angaben zur Verfügung, da sich die Ausgrabungen hier auf ein relativ kleines Areal erstreckt haben. Die Ergebnis­se der früher durchgeführten Grabungen bekräf­tigten den militärischen Charakter des Gebiets (T. NAGY 1973, 120; FACSÁDY 1996, 14-16). In dessen nördlichem Teil waren bei den Forschun­gen der zurückliegenden Periode in der Nähe des Amphitheaters kontinuierliche Spuren der Bebau­ung vom 1. bis ans Ende des 3. Jahrhunderts zu beobachten. Die Stelle zurückgearbeiteter Mauer­reste nahm ein bis zum Anfang des 5. Jahrhun­derts belegtes Gräberfeld ein (MADARASSY In: Christentum 2000, 41-43; HABLE 2003).

Wesentlich im Hinblick auf den Rechtsstatus des Gebiets könnte die Vermutung sein, derzufolge die früher als „Statthalter-Villa" gedeuteten Denkmäler (T. NAGY 1973, 120, Abb. 56) in Wirklichkeit „zu dem an den Kaiserkult anknüpfenden Bezirk des Jupiter-Teutanus-Heiligtums gehört haben" (POCZY 1999, 201-207). Besagte Gebäudereste kamen an einem erhöhten Punkt des Hügelabhangs im west­lichen TeÜ des Gebiets zum Vorschein. Zweifellos dürften die in solcher Nähe zu dem Gebiet gefun­denen Denkmäler (Altäre, Wehinschriften, lebens­große Marmorskulptur eines Mannes in Prunkrüs­tung: PETŐ 1984/2, 269-272) nicht ausschließlich auf dessen militärisch-strategische, sondern auch religiöse Bedeutung hinweisen.5

Paula Zsidi

5 Dennoch haben die auch gegenwärtig laufenden Ausgrabun­gen in dem Gebiet, teilweise in Folge der beträchtlichen neuzeitlichen Störungen, bislang keine weiteren Reste des heiligen Bezirkes zu Tage gefördert (FACSÁDY 2002/2).

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5.5.3. TERRITORIUM DES MUNICIPIUMS - V I L L E N UND DÖRFER

Die Erforschung des Territoriums des Municipi­ums von Aquincum innerhalb der gegenwärtigen Stadtgrenzen von Budapest hat in den letzten drei Jahrzehnten weniger spektakuläre Ergebnisse vorzuweisen als beispielsweise die Forschungen im Gebiet der Zivilstadt oder der Militärlager. Der Grund dafür ist, daß das - auch heute als Vi l ­lengürtel eingestufte - Gebiet westlich des dicht bebauten, modernen Stadtgebiets bei Großinvestiti­onen im untersuchten Zeitraum umgangen wurde. Große, flächendeckende Ausgrabungen konnten wir nur sehr wenige durchführen. Diese wenigen aber haben mit zahlreichen neuen Fundorten bzw. Angaben über die Lage, den Charakter, die Sied­lungsgeschichte, Ausdehnung usw. der Aquincum umgebenden Siedlungen zu Vervollkommnung des Bildes beigetragen.

Die frühere Forschung beschränkte sich in ers­ter Linie auf das Zusammenstellen der geborge­nen Funde. Im Mittelpunkt des Interesses standen einzelne Funde (Bestattungen, Gebäudereste), die man als isolierte Erscheinungen publizierte, ohne die Zusammenhänge zwischen den Funden auf­zudecken. Das spiegelt sich auch in den Zusam­menfassungen über Aquincum des vorangehenden Zeitraums wider, welche die archäologischen Denkmäler der Siedlungen in der Umgebung der Stadt kaum berührten (L. NAGY 1942/1, 378; SZILÁGYI 1968, 90, 95-97). Selbst die letzte größere Publikation über Aquincum erwähnt die Villen ohne Zusammenhänge bzw. Interpretation lediglich andeutungsweise (T. NAGY 1973, 113, 115, 118-119, 155.), obgleich die die Herausbil­dung und Entwicklung der Villengüter (Gutshöfe bzw. Meierhöfe) von Aquincum zusammenfassen­den, bis heute grundlegenden Werke zum Zeit­

punkt des Entstehens letztgenannter Arbeit bereits verfügbar waren. Géza Alföldy analysierte die im Umkreis der Stadt gefundenen Schriftdenkmäler und zog auf diesem Wege Rückschlüsse hinsicht­lich der Lage und Größe sowie der Eigentümer und Pächter der Gutshöfe in der Umgebung Aquincums (ALFÖLDY 1959/2). In Verbindung mit der Veröffentlichung der Villa in Békásme­gyer gelangte Klára Póczy durch Untersuchung der dem Themenkreis zuzuordnenden archäolo­gischen und Baudenkmäler unter verschiedenen Aspekten zu neue Erkenntnisse im Hinblick auf die Bau- und Siedlungsgeschichte der Villen sowie die dort ausgeübte Wirtschaftstätigkeit (POCZY 1971). Auch die in letzter Zeit erschienenen Zusammenfassungen, die sich mit den Villen bzw. Villengütern von Aquincum beschäftigen, basieren zum Teil auf den beiden oben erwähnten Studi­en, natürlich ergänzt mit den seither gewonnenen archäologischen Angaben (PÓCZY-ZSIDI 1986, Z S I D I 1991, Z S I D I 1994/2). Die größeren, ganz Pannonién erfassenden Publikationen gehen eben­falls auf die Villen in der Umgebung Aquincums ein. Sie behandeln die Villen und Villengüter von Aquincum im Zusammenhang mit der Entwick­lung der pannonischen Siedlungsordnung bzw. des Wirtschafts- und Gütersystems (BÍRÓ 1974, LÁNYI 1990/2, VISY 1994).

Die archäologische Forschung der Siedlungs-struktur des zum Municipium von Aquincum

1 Vgl . FITZ 1971, 47; MÓCSY 1973, 382; VISY 1994, 429; SOPRONI 1994, 314, Abb. 4. Die Ausdehnung des Terr i to­riums dürfte - nach gegenwärtigem Forschungsstand - das von der nördlichen Provinzgrenze, dem Balaton (Plattensee) bzw. der Straße Aquincum-Gorsium—Poetovio eingeschlos­sene Gebiet bedeutet haben.

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gehörenden Territoriums, dessen Ausdehnung vorerst noch ungewiss ist,1 stützt sich weniger auf die Ergebnisse systematischer Grabungen, sondern in erster Linie auf Ländebegehungen und Fund-bergungen. Aus diesem Grund ist der ins Gebiet moderner Siedlungen - hauptsächlich ins Stadt­gebiet von Budapest - fallende Teil auch besser erforscht, während aus den Gebieten, die sich weiter ab von den heutigen Siedlungen erstrecken, weniger Befunde vorliegen (VISY 1994, 424). In der jetzigen Zusammenfassung gehe ich in erster Linie auf das zum Forschungskreis des Aquin­cum- Museums gehörende Gebiet ein, d.h. auf jenen Teil, der nahe bei der antiken Stadt und innerhalb der heutigen Stadtgrenzen liegt.2

Siedlungsgeschichte

Bevor ich zur detaillierten Behandlung der Fragen im Zusammenhang mit den Villen und Gutshöfen komme, ist es notwendig, einige cha­rakteristische Züge der Entwicklung und Verände­rung der Siedlungsstruktur zu erwähnen, die sich auf Grund der Forschungen in den letzten Jahren abzuzeichnen beginnen.

Vormunizipaler Zeitraum (etwa bis 124)

Im Zeitraum vor der Entstehung des Municipi­ums Aquincum gehörte das Territorium zur civitas Eraviscorum. Für die einheimische Bevölkerung seiner dörflich geprägten Siedlungen war die frü­here Lebens- und Wirtschaftsweise kennzeichnend (VISY 1994, 424-425; GABLER 1997, 88). Von den dauerhafte bauliche Elemente im Allgemei­nen entbehrenden Siedlungen (vici) dieses frühen Zeitabschnitts wissen wir nur wenig. Außer spo­radischen Angaben, die von Geländebegehungen stammen, informieren über diese Siedlungseinhei­ten die Ergebnisse einiger kleinerer Grabungen sowie jeweils ein Steindenkmal mit Inschrift. 3

Spuren der dörflich geprägten Siedlungen dieser

2 Über das Territorium s. „Aquincum in der Kaiserzeit" (4.2.).

3 Ausführlich dazu s. den Abschnitt „Eraviskersiedlungen im Raum Aquincum" (5.1.).

Periode kamen in erster Linie in den Gebieten nahe am Limes zum Vorschein: 4 in letzter Zeit unter anderem auf dem Gellértberg und in des­sen Umgebung (PETO 1979) sowie am Abhang des Budaer Várhegy (Burgberges) (HABLE 1998, HABLE 1999). Ein Teil dieser Siedlungen ist vorbehaltlich an die Lager der Hilfstruppen zu binden (PÓCZY-ZSIDI 1992, 37-38).

Etwas später - vermutlich vom trajanischen Zeitalter an - werden für die Siedlungen der Ein­heimischen neue Stellen innerhalb der Limeslinie ausgewählt, und zwar auf dem Csúcshegy genann­ten Hügel (ZSIDI 1997/3), in Solymár (KOCZ-TUR 1991, KOCZTUR 1998) bzw. entlang des Ördögárok (Teufelsgraben) genannten Wasserlaufs (PETŐ 1997/1, 251-253). Wahrscheinlich in die­sen Zeitraum gehört auch die am Südrand der späteren Militärstadt gelegene Siedlung: Budaújlak (BERTIN 1996, 40; BERTIN 1997, 21 ; BERTIN 1999, 29-30). Daneben trifft man aber auch in der Nähe des Limes auf neugegründete, dörflich geprägte Siedlungen: Budatétény (SZIRMAI 1978, SZIRMAI 1984/1). Z u den am längsten bestehen­den Siedlungen des frühen Zeitraums können zwei Siedlungen gezählt werden, deren Namen auch Inschriftdenkmäler überliefert haben. Die unter dem Namen vicus Vindonianus bekannte Siedlung lag wahrscheinlich nördlich der Zivilstadt Aquincum (CIL I I I 3626=10570). Die Stelle der Siedlung, die man auf Grund des den Namen vicus Basore-tensis enthaltenden Inschriftdenkmais vermutet, ist vorerst unbekannt (CIL I I I 3673). 5

Der Municipium-Zeitraum (etwa ab 124)

U m 124 stieg die Zivilstadt von Aquincum in den Rang eines Municipiums auf.6 Damit wurde

4 Grabung T. Nagy 1971, Plan 1, Nr. 40. 5 In der Inschrift einer jüngst ans Tageslicht gelangten

Monopodiumplatte wi rd Jupiter von einem vicus Res(?..) ein Denkmal gesetzt. Der Charakter des früher unbekannten Vicus (Auxiliarvicus oder auf dem Terri torium der Stadt stehende Siedlung) sowie dessen Stelle sind vorerst noch ungeklärt (HAVAS 2002, 279-280).

6 S. den Abschnitt „Veränderungen des Rechtsstatus der Siedlung" (5.4.2.).

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sie administrativ - im Großen und Ganzen dem früheren Gebiet der civitas Eraviscorum entspre­chend - zum munizipalen Grundbesitz. In diesem Zeitraum erscheinen auch die vom Territorium des Municipiums stammenden, die Munizipalbe­amten erwähnenden Steindenkmäler, deren Zahl jedoch im Gegensatz zu dem bereits die Beamten der Colonia erwähnenden Inschriftenmaterial aus der Zeit nach den Markomannenkriegen gering ist (ALFÖLDY 1959/2, 21-22). Aus dieser Periode ist uns lediglich ein Steinbau bekannt, der auf ein auch als Wirtschaftszentrum fungierendes Villen­gebäude hindeuten dürfte (PETÓ 1993/2). Alle übrigen Villengebäude bzw. Details, die aus dem untersuchten Gebiet bislang bekannt sind, lassen sich in die Periode nach den Markomannenkriegen setzen (PÓCZY 1971, 94; LÁNYI 1990/2, 233). Ein TeÜ der einheimischen Bevölkerung lebte im Zeitraum nach der Schaffung des Municipiums anscheinen weiterhin in den dörflichen Siedlun­gen, z. B. Budatétény (SZIRMAI 1978, 64) bzw. dem Dorf am Csúcshegy (ZSIDI 1997/3, 62-63). Auf den Gütern in der Nähe des städtischen Ter­ritoriums hat sich das Bauen mit Steinmaterial, nach den archäologischen Befunden zu urteilen, erst später allgemein verbreitet.

Der Colonia-Zeitraum

Auf Grund unserer gegenwärtigen Kenntnisse beschleunigte sich die Veränderung der Siedlungs­struktur im Territorium des Municipiums im Zeit­raum nach den Markomannenkriegen (ALFÖLDY 1959/2, 25-26; PÓCZY 1971, 94; LÁNYI 1990/ 2, 233-234; VISY 1994, 428). Neuen Antrieb erhielt dieser Prozess nach 194 durch den wirt­schaftlichen Aufschwung der Severerzeit, als man das Municipium in den Rang einer Colonia erhob. Aus diesem Zeitraum sind aus dem Gebiet in der näheren bzw. weiteren Umgebung Aquincums die Namen von mehreren Dutzend Beamten - zugleich Grundbesitzern - bekannt. Sogar etwa 90 km von Aquincum entfernt wurden Dekuri-onen gewidmete Inschriften aus diesem Zeitalter gefunden (ALFÖLDY 1959/2, 25-26; SOPRONI 1994, 314).

In Anbetracht der neueren Forschungen kann man sagen, daß die Aufgabe eines von früher her bestehenden Dorfes im Großen und Ganzen mit dem Bau eines Villengebäudes in dessen unmit­telbarer Nähe zusammenfällt, d. h. die für den früheren Zeitraum charakteristische Siedlungsform wird von den im Umkreis eines Gutszentrums errichteten Villengütern abgelöst. Diese vermutete Ánderung der Siedlungsstruktur (PÓCZY 1971, 94) haben die Ergebnisse der neueren Forschun­gen bekräftigt. I m Falle des Gutes am Csúcs­hegy kann man gut verfolgen, wie gleichzeitig mit dem Bau der früher hier freigelegten Villa, die im Inneren schon in den ersten Jahrzehnten des 3. Jahrhunderts mit Stuckatur dekoriert war (L. NAGY 1937/2, 60), das nahegelegene Dor f aufgegeben wurde (ZSIDI 1997/3, 63). Auch bei den Uberresten der Villa am Fundort Kaszásdűlő-Szőlőkert utca ist die frühere Siedlungsspur an der Stelle des zum späteren Gutshof gehörenden Gebäudes gut zu beobachten (ZSIDI 1999/3, 103-105). Ob mit diesen Veränderungen auch eine Neuordnung des Gebiets, d.h. ein erneutes Abstecken der Grundstücke, einherging, ist vor­erst ungeklärt. Zumindest bot das neue severische Ordnungskonzept, das auch in der Architektur der Stadt anschaulich wird, eine gute Gelegenheit dazu (ZSIDI 1997/1).

Die Reihe der nach den Markomannenkriegen entstandenen Gutshöfe, die im früheren For­schungszeitraum bekannt wurden, 7 konnte in den vergangenen drei Jahrzehnten mit einigen Details mehrerer Meierhöfe aus der näheren Umgebung Aquincums ergänzt werden.

7 Die im Laufe der früheren Forschungen bekannt gewor­denen Villengüter der Umgebung von Aquincum: Testvér­hegyi dűlő-Ziegelei Lepold: S. Garády, Ásatások az óbudai Lepold-téglagyár mellett [Grabungen im Gebiet neben der Óbudaer Ziegelei Lepold] . ArchErt 49 (1936) 88-96; T . NAGY 1973, 155; Csúcshegy: L. N A G Y 1937/2; Tábor­hegy: T. NAGY 1973; Kapucinus domb: L. Wekerle, Régészeti ásatásaim az ún. Kapuczinus dombon (Meine archäologischen Grabungen auf dem sog. Kapuzinerhügel). ArchÉrt 5 (1885) 20-24; Szépvölgyi út-Pálvölgyi-Höhle: T . NAGY, 1943. Anhand von früheren Beobachtungen bzw. Begehungen vermutete Villen: Római fürdő-Haltestelle der HÉV, Aranyhegy, Mátyáshegy, Szemlőhegy: zusam-

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Auf Grund ihrer Lage haben die im behandel­ten Forschungszeitraum erschlossenen Gutshöfe zur Reihe jener Güter gehört, die sich nahe der Stadt in nordsüdlicher Richtung erstreckten. Als nördlichste in dieser Reihe ist die Villa von Békás­megyer bekannt (POCZY 1971). Südlich davon folgt die sog. Villa am Csillaghegy, von der vor­erst nur ein Teil erforscht ist (PETŐ 1993/2). 8

Dieser schloss sich in südlicher Richtung ein in einem größeren, zusammenhängenden Areal frei­gelegtes Villengut an, die sog. Villa Mocsárosdűlő, hier konnten sowohl der pars urbana, als auch der pars rustica aufgedeckt werden. 9 Den südlichsten Komplex bildet die jüngst freigelegte sog. Villa Kaszásdűlő bzw. deren mutmaßliche Details in der Csikós utca (ZSIDI 1991) und in der Szőlőkert utca (ZSIDI 1999/3). Von diesem Villenkomp­lex kamen das Wohngebäude und die mit einer Mauer umgebene Begräbnisstätte ans Licht . 1 0 Die schon früher bekannten Villen am Testvérhegy bzw. am Csúcshegy vertreten gegenüber den zuletzt freigelegten Villendetails die Reihe der westlicher gelegenen Güter. Wie auch die Lage der neuerschlossenen Villen zeigt, gibt es hier in der Grenzzone, im Bereich des Provinzsitzes, im Gegensatz zum Inneren der Provinz (VISY 1994,

menfassend s. PÓCZY 1971 und ZSIDI 1991, 152-153. Besondere Beachtung unter den schon länger freigelegten Villen verdient der sog. Gebäudekomplex in der Szépvölgyi út (Bp. I I I . Bezirk, Szépvölgyi út 41). Hinsichtl ich der Funktion der von Tibor Nagy als Villa publizierten Über­reste (T. NAGY 1973, 120.) äußerte Klára Póczy kürzlich den Vorschlag, daß diese angesichts der ans Tageslicht gelangten architektonischen Denkmäler bzw. des Fundma­terials eher als Teile eines heiligen Bezirks anzusehen seien (PÓCZY 1999).

8 I m Jahre 2000 in der östlichen Nachbarschaft der früheren Freilegung durchgeführte Sondierungsgrabungen brachten keine römischen Schichten zu Tage: G. Lassányi - G. Szilas, Szondázó jellegű feltárások a Budapest, I I I . ker. Pusztakúti út mentén. (Test excavations along Budapest I I I , Pusztakúti Road). Aqfüz 7 (2000) 96-97.

9 Grabung E. Márity 1986, Plan 6, Nr. 47, 1987, Plan 6, Nr. 57, 1988, Plan 6, Nr . 7 1 . Das Material der Villa wird als Diplomarbeit (Archäologisches Institut der ELTE) von András Kikindai (pars urbana) und Angela Scherlein (pars rustica) aufgearbeitet.

1 0 S. den Abschnitt „Die Gräberfelder von Aquincum" (5.5.1.).

433) vorerst keine Hinweise auf die Herausbil­dung von Latifundien.

Insgesamt haben die Ergebnisse des zurückliegen­den Forschungszeitraums unsere bislang geringen Kenntnisse über die südUch von Aquincum gelege­nen Gutshöfe nicht wesentlich erweitert (PÓCZY 1971, Abb. 17; Z S I D I 1994/2, 294-295).

Die spätrömische Zeit

In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts lassen sich im Grundriss der Villen bedeutende Umbau­ten beobachten (PÓCZY 1971, 96-98), was zugleich darauf hindeutet, daß die Grundstücke vermutlich mehrmals den Besitzer wechselten.11

Die archäologischen Funde zeigen auch Verände­rungen in der Wirtschaftstätigkeit (ZSIDI 1991, 151). Weiters ist zu beobachten, daß man die Villen im spätrömischen Zeitalter weiter benutzte und häufig Maßnahmen zu ihrem besseren Schutz ergriff. Im Gebiet der VÜla Mocsárosdűlő z. B. wurde ein typisches befestigtes Horreum errich­tet. 1 2 Auch die Villa Kaszásdűlő war bis ins ausge­hende 4. Jahrhundert in Gebrauch (ZSIDI 1991, 151). Diese neuen Ergebnisse ergänzen die auf früheren Beobachtungen fußenden Angaben hin­sichtlich der kontinuierlichen Benutzung der Villen in der Spätantike (VÜla von Békásmegyer: PÓCZY 1971, 99; Villa am Csúcshegy: L. NAGY 1937/2, 43—45) und weisen — zumindest scheint das die Verdichtung der Funde des 5.-7. Jahrhunderts im Bereich der früheren Villen zu vermitteln - auf deren mögliche Rolle als Refugium im Zeitraum der Auflösung der römischen Verwaltung hin (ZSIDI 1999/4, Abb. 3).

Gleichzeitig mit der Entvölkerung der Städte und der Weiterbenutzung einzelner Villen erschie­nen in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts

1 1 Darüber hinaus ist zu beobachten, daß man die Villengebäu­de um Räume identischer Funktion erweitert. Die Villa am Csúcshegy (L. NAGY 1937/2, Raum Nr . 12) und die Villa Kaszásdűlő-Csikós utca (ZSIDI 1991, Räume Nr. 8-9) erhalten annähernd zur gleichen Zeit jeweils weitere Räume mit „Becken". Ob diese Räume der Bequemlichkeit der Villenbewohner oder eventuell religiösen Zwecken gedient haben, ist vorerst fraglich.

1 2 Grabung E. Márity 1988, Plan 6, Nr . 71 .

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im Hinterland des Limes neue Dörfer, die in der Nähe oder an der Stelle von Villen gegründet werden. Diese kann man, wie zu sehen war, 1 3 mit der Umgestaltung des Grenzschutzsystems bzw. mit der Schaffung neuer Verteidigungspunkte in Verbindung bringen. Ein solcher mit Verteidi­gungsaufgaben betrauter Punkt dürfte auch die zu dem im Wohnviertel Gazdagrét freigelegten Gräberfeld gehörende Siedlung gewesen sein, die wahrscheinlich bis zum Anfang des 6. Jahrhun­derts bestanden hat (ZSIDI 1987). Doch die Bevölkerung dieser Siedlung war bereits Träger bedeutender barbarischer Elemente.

Die Limitation

Uber die Landvermessung im Umkreis von Aquincum bzw. das Abstecken der Grundstü­cke blieben nur sehr wenige Angaben erhalten, und zur Rekonstruktion des Zenturiationsnetzes wurden bislang nicht einmal Versuche unternom­men. Als besonders schwierige Aufgabe erweist sich das im Fall des Territoriums innerhalb der heutigen Budapester Stadtgrenzen, das teils moderne Gebäude, teils Wälder bedecken. Gewiss ist, daß es ähnlich wie in zahlreichen anderen Siedlungen des Imperiums auch in Aquincum zur Landvermessung bzw. Parzellierung des Geländes kam. 1 4 Bekannt sind aus dem Fundmaterial aus Aquincum die Fragmente von Instrumenten zur Landvermessung, unter denen das Bruchstück einer tabula gromatici hervorzuheben ist, das erst kürzlich im Gebiet der Canabae von Aquincum gefunden wurde (MADARASSY 1993, NOÉH 1993). Sämtliche Fragen im Zusammenhang mit diesem Thema: wann die limitatio erfolgte, ob es zu einer Neuvermessung des Territoriums kam, welche Spuren von der Parzellierung zurückblie­ben usw., sind vorerst offen.

Die Parzellierung des zur Stadt gehörenden Bodens - auf der Grundlage des römischen

1 3 S. den Abschnitt „Zur Frage der Kontinuität in Aquincum" (4.3.).

1 4 Zusammenfassend: U . Heimbert, Römische Landvermes­sung. Stuttgart 1977, 51-52.

Rechtssystems - musste spätestens bis zur Zeit Hadrians, als die Stadt den Rang eines Muni­cipiums erlangte, erfolgt sein, da nur so Kauf, Verkauf oder Pacht von Gütern und Einziehung von Steuern denkbar sind. In Aquincum allerdings musste man das Territorium noch vorher vermes­sen bzw. die Hauptrichtungen der Siedlungsstruk­tur abgesteckt haben. Denn Voraussetzung für umfangreichere Bauarbeiten im Zusammenhang mit der ständigen Stationierung einer Legion, dem Ausbau des Limes sowie der Verlegung bzw. Versorgung von Truppenverbänden war es, die Grenzen der Gebiete (territórium) mit unter­schiedlichem Rechtsstatus abzustecken (MOCSY 1975/1) und - eventuell — die Zivilssiedlungen in regelmäßige Einheiten (centuria) zu unterteilen. Diese Tätigkeit (centuriatio) fiel vermutlich in den Zeitraum der Schaffung der ständigen Militärlager aus Aquincum 1 5 und dürfte zum Ende der Herr­schaft Trajans oder etwas später, während der Regierungszeit Hadrians, abgeschlossen gewesen sein. Gleichzeitig mit der Zenturiation, nachdem Aquincum erneut Provinzhauptstadt geworden war, hat man vermutlich auch das Straßennetz abgesteckt, und mit der Herausbildung der stän­digen Lagerplätze der Militäreinheiten nahmen die Grenzen des Territorien ebenfalls dauerhaften Charakter an. Möglichkeiten zu Weiterentwicklung der einzelnen Siedlungsteile mit unterschiedlicher Rechtsstellung ergaben sich aus der Festlegung ihrer Gebiete, dem Ausbau des Straßennetzes und der Schaffung von Wasserleitungen. In den Anfangsjahrzehnten der Herrschaft Hadrians hat­ten die grundlegenden Umrisse der Topographie Aquincums bereits Gestalt angenommen ( Z S I D I 1998/3, 91).

Gewisse Regelmäßigkeiten, die sich in der Topo­graphie von Aquincum beobachten lassen, teilwei­se Ubereinstimmungen im antiken und modernen Straßennetz bzw. in der Ausrichtung des antiken Straßennetzes und der auf einer Karte aus dem 18.-19. Jahrhunderts markierten Flurwege sowie die Verbreitung der in städtischer Umgebung nur

1 5 Zur allgemeinen Revidierung der Landvermessung im Zeit­alter Vespasians s. HEIMBERG, op. cit. 52-54.

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selten anwendbaren Luftbildauswertung dürften es ermöglichen, das Limitationssystem auch im Raum von Aquincum rekonstruieren zu können. Wie bisherige Beobachtungen zeigen, beschränkten sich Landvermessung und Parzellierung nicht aus­schließlich auf die Gebiete innerhalb der Reichs-grenze am rechten Donauufer, sondern dehnten sich auch auf das linke Ufer der Donau aus.

Der Rechtsstatus der parzellierten Gebiete hat sich im Laufe der Zeit wahrscheinlich mehrmals geändert.1 6 Diese Veränderungen der Siedlungs-struktur im Territorium des Municipiums von Aquincum (s. oben) setzen voraus, daß zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Landver­messungen regionaler Bedeutung vorgenommen wurden (ZSIDI 1991, 152).

Topographie

Limitationssystem und Siedlungsgefüge fallen nicht unbedingt zusammen.17 Einer der Gründe dafür ist, daß die Landvermessung theoretischen, d.h. geometrischen Regeln unterliegt, während die Lage der Siedlungen von bestimmten Sied­lungsfaktoren abhängt. Demgemäß sind die bei den Grabungen freigelegten Überreste der zum Territorium von Aquincum gehörenden Gutshöfe in erster Linie am Rande der wichtigeren Han­dels- und Fernstraßen, in natürlichen Tälern und an Gewässern (Quellen oder Wasserläufen) zu finden (Aranyhegyi-Bach, Solymár-Tal, Ördögárok (Teufelsgraben), Rózsa-Tal) (ZSIDI 1994/2, 294, Abb. 1; SOPRONI 1994, 314, Abb. 3). Ein Mag­net für die Herausbildung der Siedlungsstruktur war auch die Nähe der Stadt (ZSIDI 1994/2, 294; VISY 1994, 424). Nach unseren bisherigen Kenntnissen blieben die bergigen, bewaldeten TeÜe des Territoriums unbebaut.

Die Fachliteratur zählt die Villengüter in der Umgebung von Aquincum zur Kategorie der mittleren bzw. kleinen Güter (ALFÖLDY 1959/2;

1 6 Hinweise darauf sind auch Veränderungen der Siedlungs-funktion des Territoriums, z. B. im Falle Csúcshegy (ZSIDI 1997/3, 60—65). S. dazu noch den Abschnitt „Die Frage des militärischen Territoriums" (5.5.2.).

1 7 Vgl . HEIMBERG, op. cit. 49.

LÁNYI 1990/2, 233). Die Größe der römischen „mittelständischen" Güter zeigt je nach Zeital­ter und Provinz ein sehr differenziertes Bild. In Aquincum wurde - auf Grund teils epigraphi­scher, teüs archäologischer Befunde - für diese Güter eine Größe von 3—4 km bis 10 k m festge­stellt (ALFÖLDY 1959/2, 22-23; PÓCZY 1971, 91; SOPRONI 1994, 314; ZSIDI 1994/2, 294; VISY 1994, 432). In Gebieten mit dichterem Siedlungsgefüge betrug die Entfernung zwischen den Zentren der einzelnen Gutshöfe ca. 1—2 km (ZSIDI 1991, 152). (Beilage I.)

Die zu den bislang bekannten Villengütern gehörenden Gebäude erheben sich entweder auf dem Niveau der Straße, in deren Nähe man die Villa angesiedelt hatte (Csillaghegy, Testvérhegy, Kaszásdűlő, Mocsárosdűlő), oder sie liegen etwas höher, am Hang eines sanft ansteigenden Hügels (Békásmegyer, Csillaghegy, Csúcshegy, Kapuczinus domb). Die Orientierung der Gebäude richtet sich teilweise nach der Limestrasse bzw. den vermu­teten Limitationsgrenzen (z. B. Villa Kaszásdűlő), in vielen Fällen (z. B. Csúcshegy) passt sie sich aber auch einer nahen verkehrsreichen Straße an (ZSIDI 1994/2, Abb. 14).

Villengebäude

Vom Gebiet der gegenwärtig in der Umgebung Aquincums bekannten Gutshöfe kennen wir aus dem mit Ende des 2. Jahrhunderts beginnenden Zeitraum zahlreiche Steingebäude. In vielen Fällen kann die Funktion der Gebäude, da sie nur par­tiell freigelegt sind, nicht geklärt werden (PETŐ 1993/1). Außerdem ist auch die Terminologie Villengebäude, Wirtschaftsgebäude, Wohngebäude usw. in der Fachliteratur uneinheitlich (VISY 1994, 428).

Bislang wurde keiner der Gutshöfe auch nur annähernd vollständig freigelegt. Auf Grund der uns vorliegenden Teilbefunde darf man aber vermuten, daß die Villengüter in Aquincum (villa rustica) nach denselben architektonischen Grundsätzen entstanden wie ähnliche Wirtschafts­einheiten in anderen Gebieten des Imperiums. Bezeichnend ist jedoch, daß von den Gutshöfen,

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die zum Municipium Aquincum gehört haben, im Allgemeinen das Hauptgebäude (pars urba­na) bzw. Teile davon erhalten blieben (VISY 1994, 428). Lediglich im Falle der sog. Villa Mocsárosdűlő kennen wir auch einzelne Ele­mente des pars rustica, und im Falle der am Fundort Kaszásdűlő-Szőlőkert utca freigelegten Villa könnte es sich bei einigen Überresten um Elemente des Wirtschaftsteils handeln (ZSIDI 1999/3, 108).

In der vorangegangenen Forschungsperiode hat die Forschung anhand der Maße, Grund­risse bzw. Innendekoration auch die Architektur der bekannten Villengebäude analysiert (POCZY 1971). 1 8 Von fünf der 18 bekannten und vermu­teten Villen ist uns die Grundrissanordnung mehr oder weniger bekannt. Die Gebäude mit auswert­barem Grundriss vertreten drei Typen (POCZY 1971, 95). In der Mehrzahl gehörten sie zum Typ mit Mittelkorridor (Békásmegyer, Kaszásdűlő-Csikós utca). (Abb. l.a—b) In diesen Gebäuden konnten nur ein oder zwei Räume beheizt wer­den, die Räume hatten Terrazzofußboden. Unter den Elementen der Gebäudedekoration begegnet man hier den Stuckverzierungen bescheidenerer Qualität. Bei der anspruchsvolleren Variante die­ses Typs wurde auf der Achse des Mittelgangs eine Apsis errichtet (Csúcshegy II, Mocsárosdűlő). Beim dritten Grundrisstyp (Villa am Csúcshegy) befand sich die Porticus an der Seite des Hau­ses, während die Apsis auf dessen Querachse lag. Ein zu letzterem Typ gehörendes Villengebäude verfügte über allen Komfort des Urbanen Lebens (Leitungswasser, Fußbodenheizung, Kanalisati­on) und eine luxuriöse Innendekoration (Stuck, Fresken). Das Hauptgebäude der am Fundort Mocsárosdűlő freigelegten Villa war mit einem Bad ausgestattet.19 (Abb. l.c) Die Räume 8 bzw. 9 im Hauptgebäude der Villa Kaszásdűlő-Csikós utca mögen vielleicht ein Heiligtum beherbergt haben (ZSIDI 1991, 144).

1 8 Gy. Hajnóczi, Pannónia villaépítészete [Die Villenarchitektur Pannoniens]. Építés-építészettudomány 1-2 (1975) 1-61; s. dazu die kritischen Anmerkungen von LÁNYI 1990/2, 361, Anm. 6.

1 9 Grabung E. Márity 1989, Plan 7, Nr. 13.

Abb. 1. Grundrisse der neuergabenen Villen­gebäude von Aquincum: a. der Villa in Békásmegyer (nach K. Póczy), b. der Villa Kaszásdűlő - Csikós utca, c. der Villa Mocsáros­dűlő (nach E. Márity)

i - . - . - . - . - i L e h m b o d e n

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Über den zweiten - pars rustica - Bereich der Gutshöfe, wo sich zum Teil Gesindewohnungen, Wirtschaftsgebäude, Kornspeicher, Magazine, Stal­lungen usw. befanden, liegen uns ebenfalls kaum Angaben vor. Diesem Kreis lassen sich der Rest eines Getreidespeichers in der Nähe der Einfrie­dungsmauer des Gutes sowie eines - vermutlich zum Ziegelbrennen benützten - Ofens aus dem spätrömischer Zeit, beide im Gebiet der Villa Mocsárosdűlő, zuweisen. Daneben deuten spora­disch zum Vorschein kommende Brunnen (ZSIDI 1999/3, 107), eine Einfriedungsmauer (ZSIDI 1999/3, 106) oder eine Werkstatt (ZSIDI 1991, 151) auf die Existenz von Wirtschaftsgebäuden der Villenanlagen. Möglich, daß auch die Gebäude mit bescheidenerer architektonischer Lösung am Testvérhegy, die zu den früher in der Umgebung des Municipiums Aquincum freigelegten Gebäu­deresten gehören, solche der Wirtschaftstätigkeit dienenden Bauten waren. 2 0

Bestattungen21

Eine andere bedeutende Gruppe der im Terri­torium anzutreffenden archäologischen Denkmäler sind die Bestattungen. Diese Gruppe informiert in erster Linie über die Bewohner der Gutshöfe. Bei den Gräbern im Territorium des Municipiums von Aquincum handelt es sich im Allgemeinen um Einzelbestattungen oder um kleinere Gräber-gruppén. Eine Zusammenfassung der Bestattun­gen des Territoriums gab zuletzt Lajos Nagy (L. NAGY 1945). Die überwiegende Mehrzahl der Gräber sind Körperbestattungen aus dem 3.-4. Jahrhundert, häufig kommen Sarkophage bzw. Grabaediculen vor. Die Zahl der Bestattungen hat sich in der jetzt abgeschlossenen Forschungspe­riode kaum erhöht. In der Aranypatak utca am Csúcshegy kam ein vom Ende des 1. — Anfang des 2. Jahrhunderts stammendes Körpergrab zum

2 0 Hajnóczi hält sie ebenfalls nicht für Villengebäude, sondern eher für Teile einer mansio (vgl. Csúcshegy I I ) : HAJNÓCZI op. cit. 26. Uber die Ergebnisse der gegenwärtigen Ausgra­bungen auf dem Testvérhegy: LANG 2003/1.

2 1 Z u diesem Thema s. noch den Abschnitt „Die Gräberfelder von Aquincum" (5.5.1.).

Vorschein, das wahrscheinlich noch zu dem vor Ausbau der Villa bestehenden Vicus gehörte. 2 2 Der auf dem Hof der Villa Kaszásdűlő ohne Beigaben bestattete Tote gelangte vermutlich infolge einer Notsituation dorthin (ZSIDI 1991, 151). Die meisten Gräber fand man bei den Ausgrabungen des in der Szőlőkert utca gelegenen Teils der Villa Kaszásdűlő, wo innerhalb eines Grabgartens unmittelbar an der Einfriedungsmauer der Villa 17 Gräber, zum Teil Brand-, zum Teil Skelettgräber, zu Tage kamen (ZSIDI 1999/3, 106-107).

Darüber hinaus haben wir neben früher freige­legten, zu den Gutshöfen gehörenden Bestattun­gen in den vergangenen Jahrzehnten die bedeuten­deren Grabkomplexe vom Ende des 3. - Anfang des 4. Jahrhunderts neu ausgewertet (BURGER 1984). Die Gräber mit reichen Beigaben bzw. mit besonderem Bestattungsritual (Mumifizierung) lieferten weitere Informationen in Bezug auf die ethnische Zugehörigkeit der Villenbesitzer sowie deren Rolle in der Verwaltung der Zivilstadt (PÓCZY 1998/3).

Grundbesitzer, Pächter

Neben den Bestattungen erfährt man auch aus den epigraphischen Denkmälern Wichtiges über die Bewohner der Villen, insbesondere über ihre Eigentümer bzw. Pächter. Die mehreren Dutzend im engeren Territorium Aquincums geborgenen Steindenkmäler mit Inschrift verraten die Herkunft bzw. den gesellschaftlichen Rang der Grundbe­sitzer. Als Erster hat Géza Alföldy die aus dem Gebiet des Municipiums von Aquincum stam­menden Inschriften auf seine Zusammenhänge untersucht (ALFÖLDY 1959/2). Später befasste sich Klára Póczy mit dem Material und zog dar­aus Rückschlüsse auf die Eigentümer der Villen (PÓCZY 1971, 94). Zuletzt stellte Sándor Sopro­ni die in der Umgebung von Aquincum vermute­ten Gutszentren zusammen, wobei er sich auf die in diesem Gebiet gefundenen, von Zivilbeamten gestifteten Inschriften stützte (SOPRONI 1994, 312—314). Auch der noch nicht lange erschie-

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nene Band über die Inschriften des Territoriums von Aquincum (FITZ-MÓCSY-SOPRONI 2001) publiziert Funde von außerhalb des Budapester Stadtgebiets.

Untersucht man die Angaben der epigraphi­schen Denkmäler aus dem Territorium nahe beim Stadtgebiet, fällt auf, daß in diesem Gebiet am Limes, hauptsächlich in dem der Donau folgen­den 4—4,5 km breiten Streifen, viele Denkmäler von Soldaten (veteranus, miles, centurio, signifer) und Beamten der Statthalterbehörde (cornicula-rius, beneficiarius) zum Vorschein kam (ZSIDI 1994/2, 295). Diese Erscheinung ist ein Hinweis darauf, daß das Militär in den näher am Limes gelegenen Gebieten angesiedelt war. Hier bemüh­te man sich, den Veteranen Boden zukommen zu lassen (VISY 1994, 423), wohingegen die städtische Aristokratie versuchte — so scheint es zumindest anhand der Inschriften —, sich weiter von der Stadt entfernt Grundbesitz zu beschaffen, dessen Boden besser zur Bewirtschaftung geeig­net war. Je weiter man sich also vom Limes entfernt, desto häufiger begegnet man den von solchen Munizipalbeamten in Aquincum gestifteten Steindenkmälern, die neben ihren Stadthäusern in Aquincum auch im Territorium des Munici­piums ausgedehnte Ländereien gepachtet hatten und diese bewirtschafteten. Eine der aus den ersten Jahrzehnten des 3. Jahrhunderts bekannten Persönlichkeiten war Marcus Antonius Victorinus. Wir kennen sowohl das im vornehmen Viertel der Zivilstadt stehende Haus mit angrenzendem Mithräum, das der aedilis und späteren duumvir der Colonia Aquincum bewohnte, als auch das ihm (oder einem Mitglied seiner Familie gehören­de) Gut in Budaörs (SOPRONI 1994, 312-313). Zwar geht aus den Inschriften nicht hervor, ob in diesen Fällen von Eigentümern oder Pächtern die Rede ist. Dennoch darf man auf Grund einer frü­her gefundenen Inschrift aus Aquincum (CIL I I I 3626=10570) für wahrscheinlicher erachten, daß es sich im Falle der Gutsherren von Aquincum um Inhaber des Pachtrechts (possessio) gehandelt hat (ALFÖLDY 1959/2, 24).

Nach Aussage der Inschriften nahm der Anteil der Villenbewohner orientalischer Herkunft ab der

zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts zu (PÓCZY 1971, 94). Das Auftreten der Pächter griechi­scher, kleinasiatischer bzw. nordafrikanischer Abstammung führte auch zu bedeutenden Verän­derungen in der Art der Bewirtschaftung.

Wirtschaftstätigkeit in den zum Municipium Aquincum gehörenden Gutshöfen 2 3

Die veränderte Betrachtungsweise unserer For­schungen der letzten Jahre spiegelt sich auch darin wider, daß wir die Villen nicht mehr nur als einfache Bauten bzw. Siedlungseinheiten, sondern als Zentren jenes Netzes von Wirtschaftsgütern ansehen, wo die verschiedenen Wirtschaftstätigkei­ten des jeweiligen Zeitraums ausgeübt wurden. 2 4

Uber die Struktur bzw. Effektivität der Bewirt­schaftung der Gutshöfe liegen uns nur wenige direkte Angaben vor. Soviel scheint jedoch gewiss, daß man in den näher zur Stadt gelegenen Gütern vorwiegend Ackerbau und nur in geringem Maße Viehzucht betrieb (Aquincum 1997, 215-250). Darauf deuten der am Fundort Mocsárosdűlő ans Tageslicht gelangte Getreidespeicher,25 die landwirtschaftlichen Geräte (PETŐ 1975, PETŐ 1976/3, PETŐ 1977, Z S I D I 1999/3, 103, Abb. 5) und Überreste von Tierknochen hin (CHOYKE 1998/1-3).

Zum Getreideanbau waren die weiter von der Stadt entfernten, von Hügeln umgebenen, flachen Becken besser geeignet, während das sanft hügeli­ge Gelände nahe der Stadt eher eine gartenartige Bewirtschaftung ermöglichte. Eine wichtige Rolle bei der Herausbildung des auf Bewässerung beru­henden Gartenbaus sowie im Bereich des Obstan­baus spielte die sich Ende des 2. und im 3. Jahr­hundert in Aquincum ansiedelnde Einwohnerschaft orientalischer Herkunft. Durch sie wurden bis dahin unbekannte Pflanzen, vor allem Obstsorten, in Pannonién heimisch (PÓCZY 1971, 94-95) .

2 3 S. dazu noch den Abschnitt „Die Wirtschaft Aquincums im Spiegel der neuen Funde" (6.).

2 4 f. Percival, The Villa Economy: Problems and Perspectives. In: The Economies of Romano-British Villas. Ed. K. Bra-nigan-D. Miles. Sheffield 1986, 5-8.

2 5 S. Anm. 12.

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Besondere Erwähnung verdienen der Weinbau und das Keltern der Trauben. Obwohl dieser Wirtschaftszweig lange Zeit keine staatliche Unterstützung genoss, sprechen dennoch zahlrei­che archäologische Befunde für seine Existenz. Die sonnigen Hänge der stadtnahen Hügel boten sich geradezu an, Reben darauf zu pflanzen. Neben Darstellungen auf Steindenkmälern kün­den in erster Linie Gerätschaften bzw. römische Traubenkerne vom damaligen Weinbau. 2 6

Wenige Angaben liegen auch über die Holz-gewinnung in den Wäldern der Umgebung vor. Etwas mehr wissen wir dagegen über den Kalksteinabbau in den etwa drei bis vier Ki lo­meter von der Zivilstadt entfernten Steinbrüchen (PETŐ 1998, 124; TORMA 1984).

Denkmäler zur handwerklichen Tätigkeit in den Gutshöfen fehlen vom engeren Terri torium Aquincums bis zum 4. Jahrhundert einstweilen vollständig. Die Bewohner der Villen wurden sehr wahrscheinlich ebenso wie die Stadtbe­wohner und das Militär mit den Produkten des in der Umgebung der Zivilstadt angesiedelten „Handwerkerviertels" versorgt. Zur Versorgung trug auch der Handel auf den verkehsreichen

Landstraßen und dem gut schiffbaren Donauwas­serweg bei. Dieser Umstand wirkte sich ungüns­tig auf die Entwicklung der handwerklichen Tätigkeit in den Gutshöfen aus. Das Vorkommen lokaler Handwerkersbetriebe außerhalb der Stadt war vor dem 4. Jahrhundert ausschließlich für die dörflich geprägten Siedlungen (vici) - z. B. im Dorf am Csúcshegy — kennzeichnend, deren Einwohner sich die teueren Waren nicht leisten konnten und sie deshalb selbst herstellen muss-ten. 2 7

Hauptsächlich von der Mitte des 4. Jahrhunderts an - als sich überall im Reich bedeutende poli­tische, soziale und wirtschaftliche Veränderungen vollzogen — kann man jedoch beobachten, daß in den Gutshöfen von Aquincum (in den Gebäu­den mit nunmehr schon bescheidenerem Äußeren bzw. in deren Nähe) neben Landwirtschaft auch Gewerbe betrieben wurde. Vom Gebiet der Villa Mocsárosdűlő beispielsweise liegen Befunde zur Ziegelherstellung (PÓCZY-ZSIDI 1992, 35) 2 8

und aus der Villa Kaszásdűlő zu einer Bronze­werkstätte (ZSIDI 1991, 151).

Paula Zsidi

2 6 Die Denkmäler im Zusammenhang mit dem Weinbau in Aquincum hat O. Dalnoki i m Rahmen einer Diplomarbeit (Archäologisches Institut der ELTE) aufgearbeitet. Manus­kript, Budapest, 1998.

2 7 Das Fundgut einiger aus dem Dorf bekannter Gruben enthielt Materialien (Färbemittel, Gussmodel usw.), die auf lokales Handwerk hindeuten (ZSIDI 1997/3, 62-63).

2 8 S. A n m . 9.

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6. D I E WIRTSCHAFT AQUINCUMS IM SPIEGEL DER NEUEN FUNDE

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6.1. LOKALES GEWERBE UND HANDEL

Zur Zeit der Severer, die als seine Blütezeit gilt, war Aquincum als Hauptstadt das Verwaltungs­und müitärische Zentrum der Provinz Pannónia Inferior. Daneben gehörte die Siedlung mit ihren mehreren Zehntausend auf dicht bebautem Gebiet lebenden Einwohnern, ihrem regen Handel, ihrer entwickelten und exportfähigen Handwerk und ihrer Handwerksproduktion zu den größeren Provinzstädten des Imperium Romanum. Ihre Einwohner, die sich aus Elementen der einhei­mischen Bevölkerung und aus nahezu sämtlichen Teilen des Reiches stammenden Komponenten zusammensetzte, lebte in Siedlungsteilen mit unterschiedlicher Rechtsstellung. Doch gemeinsam bildeten sie — die Zivilstadt, die Militärlager, die Canabae, die Villen und Gutshöfe sowie die Dör­fer am Stadtrand - die Siedlung Aquincum.

Die militärisch-politischen Veränderungen wäh­rend der Römerherrschaft zogen Veränderungen im Wirtschaftsleben, in der Handels-, Industrie -und Gewerbetätigkeit sowie in der landwirtschaft­lichen Produktion nach sich. Eine Aquincum betreffende oder von hier aus geführte militärische Operation bzw. ein größerer Barbareneinfall waren von unmittelbarem Einfluss auf das Wirtschafts­leben der Stadt. Es genügt schon, sich einmal die raschen und tiefgreifenden wirtschaftlichen Veränderungen nach den unter der Herrschaft des Mark Aurels geführten Markomannenkriegen anzuschauen, oder die Auswirkungen des großen Barbareneinfalls Mitte des 3. Jahrhunderts auf den Geldverkehr zu untersuchen. Auch diese Beispie­le zeigen, daß - im Gegensatz zur friedlichen, lange Zeit in Anspruch nehmenden, langsamen Umwandlung der Produktionstätigkeit in Städten anderer, ferner vom römischen Grenzgebiet gele­gener Provinzen — für die Wirtschaft Aquincums, ihre Industrie- und Gewerbeproduktion schnelle und selbst den lokalen Schwankungen der militä­

rischen oder politischen Lage unterworfene Ver­änderungen kennzeichend waren. Diese konnten jedoch von den in der Wirtschaft des Imperiums allgemein vor sich gehenden Abläufen nicht unab­hängig sein.

Zusammenfassende Informationen über das Wirtschaftsleben, den Handel, die lokale Indus­trie- und Gewerbetätigkeit in Aquincum enthält das 1942 erschiene Grundlagenwerk von Lajos Nagy (L. NAGY 1942/1, 651-669). In diese Publikation flössen sämtliche Ergebnisse der systematischen, nach der Mitte des letzten Jahr­hunderts angelaufenen Aquincum-Forschung ein. Tibor Nagy ergänzte diese Arbeit mit den neuen Ergebnissen der danach folgenden 30 Jahre (T. NAGY 1973). Als bislang einzige fremdsprachliche Zusammenfassung zu dem Thema erschien 1968 die Arbeit von János Szilágyi (SZILÁGYI 1968).

Die im seither verstrichenen Zeitraum durch­geführten archäologischen Ausgrabungen haben unsere bisherigen Kenntnisse weiter bereichert. Neue Werkstätten kamen zum Vorschein, neue Befunde über die lokale Produktion einzelner Handwerkszweige und die Handelsbeziehungen Aquincums wurden bekannt. Uber Teilergebnisse dieser Forschungen informieren die Publikationen der letzten Jahre: Terra Sigillata (u. a. GABLER 1991, GABLER 1993, GABLER 1999/1, GAB­LER 1999/2, GABLER 2002), glasierte Keramik (BÓNIS 1990, TOPÁL 1993/2, BUGÁN 2002/1), lokale Keramikherstellung (PÓCZY-ZSIDI 1992, VÁMOS 2002), handgeformte Gefäße (HOR­VÁTH 1999), Glasware (BARKÓCZI 1988), Bronzegefäße (K. SZABÓ 1990), Bronze- und Eisengeräte (SZIRMAI 1986, SZIRMAI 1988, SZIRMAI 1990/2, SZIRMAI 1994, SZIRMAI 1995/1-2, SZIRMAI 1999/1), Beinschnitzerei (BÍRÓ 2000), Schmuck und Gemmen (Aquincum 1995, GESZTELYI 1998), Gagatimport (ALLA-

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SON-JONES 2001), Steinbearbeitung (u. a. T. NAGY 1971/3, SZIRMAI 1999/2). ' Gleichzeitig begann die wissenschaftliche Aufarbeitung einzelner archäologischer Fundgattungen (d. h. der einsti­gen Industrie- und Gewerbe-„Erzeugnisse") wie z. B. der Münzen, Inschriftsteine, Architekturglieder, Beinwerkzeuge, Schmuckgegenstände, Mosaiken und Wandmalereien. Weitere neue Resultate sind auch von den noch nicht lange zur Anwendung kommenden naturwissenschaftlichen Verfahren der Materialuntersuchung zu erwarten. Die an einzelnen Fabrikaten der Töpferwerkstätten von Aquincum (Öllampen, Form- und Reibschüsseln) bisher vorgenommenen Untersuchungen lassen hoffen (ZSIDI-BALLA 2000), daß wir neben den laufenden Ausgrabungen auch aus dem Material alter Grabungen neue und bislang unbekannte Informationen in Bezug auf das Wirtschaftsleben Aquincums gewinnen können.

Außerdem eröffnet sich mit den neuen Ergeb­nissen eine Möglichkeit, die Entwicklung des in ständiger Wechselbeziehung zum Handel stehen­den lokalen Gewerbes in Aquincum zumindest skizzenhaft festzuhalten.

Die frühe Phase der römischen Besetzung (augusteisch-tiberisches Zeitalter)

Rom bereitete die Annexion eines neuen Terri­toriums in mehreren Etappen vor. Dieser Vorgang wurde mit der Anknüpfung engerer Handelsbezie­hungen eingeleitet. Das ist der Grund, weshalb das spätere Pannonién, und innerhalb dessen der Raum Aquincum, schon gut ein halbes Jahrhundert vor der tatsächlichen Eroberung Verbindungen zu Aquileia unterhielt. Sowohl archäologische Funde als auch historische Quellen belegen, daß der Han­del auf den seit Alters her bekannten Handelsrou­ten stattfand. Laut Strabon ( V . l . , 8.) wurden über Aquileia Meeresfrüchte (Austern) sowie Wein und Öl zu den illyrischen Völkern befördert. Selbst im archäologischen Fundmaterial der im Donauraum lebenden keltischen Völker findet man zahlreiche auf dem Handelsweg hierher gelangte Waren

1 S. den Abschnitt „Die Steinbearbeitung in Aquincum" (7.1.).

römischer Herkunft, 2 in erster Linie wertvolle Bronzegegenstände (L. NAGY 1942/1).

Die einheimische Bevölkerung im Gebiet von Aquincum war ein Stamm der Kelten, die sich Eravisker nannten. Sie hatten ihr Stammeszen­trum auf einer Anhöhe (mit heutigem Namen Gellértberg).3 In dem befestigten Oppidum befand sich das wirtschaftliche und religiöse Zentrum des Stammes. Hier prägten die Eravisker, als erste in der Geschichte des Karpatenbeckens, auch Münzen. Ihre SÜbermünzen entstanden nach dem Muster der zur Zeit der Römischen Republik übli­chen Denare (TORBÁGYI 1984). Die Existenz der im augusteisch-tiberischen Zeitalter tätigen Münzstätte kündet nicht nur von den beste­henden Handelsbeziehungen, sondern lenkt das Augenmerk auch auf die herausragenden Produkte des lokalen Handwerks. Außer der Münzprägung stand auch die Metallverarbeitung, insbesondere das Bronze- und Eisengießen (PETŐ 1979), auf einem hohen Niveau. Sehr gefragt waren wegen ihrer ausgezeichneten Qualität die hier produzier­ten Eisenwaffen, die in den an den nördlichen Hängen der Hügel entlang des Donauufers gele­genen Werkstätten hergestellt wurden.

Das Gebiet, auf dem sich die keltischen Era­visker in ihrer handwerklichen Tätigkeit besonders hervortaten, war jedoch die Töpferei. In den nörd­lich vom Oppidum gelegenen Handwerkerviertel kamen dutzende Töpferöfen und daneben zahlrei­che, nicht selten für den Abtransport oder Verkauf gelagerte Fertigwaren ans Licht. Das nördliche Handwerkerviertel (bekannt als Gellérthegy-Tabán) nahm den Betrieb zwar schon im Zeitraum vor Christi Geburt auf, doch ihre Tätigkeit erstreckte sich bis in die erste Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. (BÓNIS 1969). Bemerkenswert ist, daß der Werkstattinhaber eine Gruppe von Gefäßen bester Qualität noch vor dem Brennen mit einem Victoria

2 Wesentlich vom Standpunkt der Handelsbeziehungen ist die auf dem Gellértberg gefundene Amphore des Typs Dressel 1, in der vermutlich italischer Wein eingetroffen war (PETO 1993).

3 Vgl. mit den Abschnitten „Eraviskersiedlungen im Raum Aquincum" (5.1.) und „Aquincum vor der römischen Ero­berung" (4.1.).

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darstellenden Ringstein stempelte, sie sozusagen mit einem Meister- oder Firmenzeichen versah. In diesem Zeitraum galt der Brauch des Stempeins mit einer Gemme in Mittel- und Norditalien als all­gemein übliche Praxis.4 Wesentlich ist jedoch, daß sie dort, bestimmte dekorative Schemata bildend, als Zierelement gedient hat. Das Gegenstück der auf der Gemme vom Fundort Gellérthegy-Tabán abgebildeten Victoria wähnte man an den Verzie­rungen in Capua produzierter Gefäße wiederzu­erkennen (L. NAGY 1942/1). Doch im Grunde deutet die Warengruppe mit Victoria-Gemmen auf italische Beziehungen. Wie aus dieser Schlage hervorgeht, waren es zwei Faktoren, die zur Ent­wicklung des lokalen Handwerks - das sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte zum typischen Handwerk Aquincums herausbüdete - beitrugen: als Basis die niveauvollen Produkte des Handwerks der keltischen Eravisker und daneben der ständige, immer überzeugendere Beweise liefernde italische Einfluss.

An einigen in der eraviskischen Töpfersiedlung gefundenen Keramikfragmenten blieben Spuren einer nach dem Brennen in das Gefäß eingeritzten Kursivinschrift erhalten, die von der Verbreitung der Schrift zeugt (L. NAGY 1942/1). Das Vor­handensein von Geldverkehr und Schriftkundigkeit war den zu römischen Kaufleuten unterhaltenen Beziehungen förderlich, die ihren Handel nach Norden damals auf der Bernsteinstraße und dem bis Aquincum verlängerten Abschnitt der via Pos­tumia (PÓCZY 1998/1) abwickelten.5

Die ersten ständigen Militärlager im Raum Budapest (claudisch-flavische Periode)

Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. gab es im Raum Aquincum - unseren bisherigen Kenntnissen

4 Z u dem norditalischen Gemmengefäßen zuletzt : M . Voloné und S. Jorio, Terra sigillata. In: (a cura di A. M . Tamas-sia) Archaeologia di un ambiente padano. Firenze, 1996, 149-187, A. M . Volonte, Le richerche archaeologiche. In : (a cura di L. Passi Pitcher - M . Volonte) Santa Maria della Senigola. Da villa romána a luogo sacro. Storia della chiesa campestre di Pescarolo. Milano, 2000, 13-24.

5 S. den Abschnitt „Die Geographie Aquincums" (3.).

nach — mindesten 5-6 an den strategisch wich­tigen Punkten des rechten Donauufers errichtete Müitärlager. Ihre Garnison bestand aus jeweils fünfhundert Mann Reiterei. Die neue Militärbasis der Donaustreitmacht kam nach Óbuda (Altofen), wo man im Jahr 89 n. Chr. für die 6000 Mann zählende Legion ein Legionslager baute. In der im Umkreis des Legionslagers entstehenden Mi l i ­tärstadt (canabae legionis) wurden die das M i l i ­tär begleitenden Händler und Handwerksmeister untergebracht. Hier lebten auch die Angehörigen der Soldaten, ihre Frauen und Kinder. Das Auf­treten des annähernd zehntausend Mann starken Heeres im Raum Aquincum verursachte einen grundlegenden Wandel der Lebensweise und stellte zugleich einen sich unverhofft öffnenden riesigen Absatzmarkt dar.

Die ständige militärische Präsenz sowie die zusammen mit dem Militär eingetroffenen und sich hier niederlassenden Kaufleute und Hand­werker riefen in den Handelsbeziehungen der Siedlung und in der lokalen Handwerkproduk­tion einschneidende Veränderungen hervor. Die gewachsene Zivilbevölkerung bedeutete quantitativ und qualitativ höhere Verbrauchererwartungen, die von der lokalen Landwirtschafts- und Hand­werkproduktion nicht zufriedengestellt werden konnten. Das Heer versorgte sich selbst, doch neben den Militärwerkstätten war Aquincum hauptsächlich im ersten Jahrhundert der Römer­herrschaft auf den Import italischer Landwirt­schaftserzeugnisse sowie die Luxusbedürfnisse der Einwanderer angewiesen. Die Bernsteinstraße und die nordöstliche Verlängerung der via Postumia schufen eine schnelle und sichere Verbindung zwischen Norditalien und Aquincum, was die immer bessere Befriedigung der neuen Verbrau­cheransprüche ermöglichte. In diesem aufblühen­den Handelsverkehr nahm Aquileia, die nördliche Hafenstadt an der Adria, eine Schlüsselstellung ein. Mehr als ein halbes Jahrtausend lang war sie für die nördlichen Provinzen des Imperiums, für Raetien, Noricum und Pannonién, die Reprä­sentantin Roms (Aquincum 1995). Über Aqui­leia gelangten allerdings nicht nur norditalische Waren auf die Märkte im Norden. Eine wichtige

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Vermittlerrolle spielte es darüber hinaus — in erster Linie im claudischen Zeitalter und im 2. Jahrhundert, doch in gewisser Weise während der ganzen Römerzeit - im Handel mit der öst­lichen, südgallischen und germanischen Keramik, den Glas- und Bronzeprodukten, dem Spanischen Öl (KELEMEN-GABLER 1984, 127-131.), den mediterranen Früchten, der Fischsoße und dem Wein (PÓCZY 1972/1, 271).

Im 1. Jahrhundert standen hauptsächlich itali­sche Waren auf der Liste der Importartikel. Von den landwirtschaftlichen Erzeugnissen kündet in erster Linie ihre aus haltbarem Material beste­hende Verpackung. Aus Aquincum und seiner unmittelbaren Umgebung stammen sogar mehrere Amphorenfunde dieser Zeit (BEZECZKY 1991, KELEMEN 1987, 29-30, 40-42.). Ein solcher Fund kam im Bereich des einige Kilometer südlich von Aquincum gelegenen Militärlagers zu Tage (T. NAGY 1948, 107-108). Am Rand der zur Lagerung und Beförderung von Olivenöl dienen­den Amphore kann man in einem ovalen Rahmen den Stempel CLAEKB sehen, der davon berich­tet, daß das Vorratsgefäß von einer Werkstatt in Fazano bei C. Laecanius Bassus hergestellt wurde. Bei dem Stempel auf der anderen Seite des Ran­des befindlichen BAR(...) mag es sich um den Namen des Töpfermeisters oder des Olivenöler­zeugers handeln. Ende des 1. Jahrhunderts erhielt die Provinz, ebenso wie Aquincum, das istrische Öl zum Teil schon von kaiserlichen Domänen (GABLER 1990, 185). Beweis dafür sind zwei Amphorenfunde aus Aquincum. Am Rand der einen Amphore, in einem viereckigen Rahmen, der Stempel IMP(eratoris) AVG(usti) GER(manici), die andere ist auf Grund des Stempels IMP(eratoris). NERVAE AUG(usd) das Fabrikat einer Officina bei Parenzo (Porec).

Im spätclaudisch-flavischen Zeitalter kamen dann die Terra Sigillata Gefäße der verschie­denen italischen Manufakturen in Gebrauch. (Abb. 1.) Zuerst im westlichen Teil der Provinz, danach in den östlichen Gebieten, so auch in Aquincum (GABLER 1999/1). Zum Ende des 1. Jahrhunderts wurden die Erzeugnisse italischer Werkstätten nach und nach von der südgallischen

Abb. 1. Italische Sigillaten aus dem frührömi­schen Gräberfeld von Víziváros (Wasserstadt)

Abb. 2. Barbotineschalen aus dem frührömischen Gräberfeld von Víziváros (Wasserstadt)

Ware abgelöst, anfangs durch Vermittlung in Aquileia ansässiger Handelshäuser (PÓCZY 1987, 501-503). Die zweite typische Importkeramik der Zeit neben den Terra Sigillaten war die Gruppe der feinen, dünnwandigen sog. Barbotineschalen. (Abb. 2.) Diesen schwarzen oder dunkelgrauen Gefäßen mit zumeist glänzender Oberfläche und schraffiertem Dekor oder Barbotineverzierung aus dem Zeitraum Mitte bis Ende des 1. Jahrhun­derts begegnet man auch an den Fundorten in Aquincum. 6 Gleichfalls über AquÜeia bzw. Emona

6 Im Fundmaterial der letzten Jahre z. B. aus einem Grab des südlich des Lagers der Víziváros gelegenen Gräberfeldes: H A B L E - B E R T I N 1998, bzw. PÓCZY-ZSIDI 2001, 138, Nr. 4, 5.

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trafen in Aquincum die frühen glasierten Gefäße, die aus Kleinasien kamen, sowie deren italische Nachahmungen ein. Die zitronengelben und grü­nen, mit reichen Pflanzen- oder geometrischen Mustern versehenen, applizierten und barbotine-verzierten Becher bzw. Skyphosoi haben auch die Produkte der späteren lokalen Werkstätten beeinflusst (PÓCZY 1959/1). Die Aufzählung der Importkeramik war im vorliegenden Fall begrün­det, ist diese doch Beweis für den maßgeblichen Wandel des Lebenstils, der auch eine Änderung der Eßgewohnheiten bzw. das Auftreten neuer Gefäßarten mit sich brachte.

Mit dem Stationierung des Militärs kann das Auftauchen der Bronzegefäße im 1. Jahrhundert

Abb. 3. Trifolienkanne, italischer Import des 1.

Jhs., aus einem Grab des späten 3. Jhs.

Abb. 4. Depotfund von fragmentierten Bronzegegenständen aus Víziváros

in Zusammenhang gebracht werden. Ein Teil der Bronzegefäße gehörte zur Ausrüstung der Solda­ten (Schöpfgefäß, Pfanne mit Scharnierstiel). Der andere Teil bestand aus bei religiösen Handlungen bzw. Opferdarbringungen der Römer gebräuchli­che Gegenstände (Kanne, Patera). A m Stiel zweier dieser in Aquincum gefundenen Bronzepfannen ist ein Stempel erkennbar. Eine der Pfannen entstand in der Manufaktur des L . Ansius Diodorus, die andere in der des P. Cipius Polybius in Capua (L. NAGY 1942/1). Bronzegegenstände blieben lange Zeit wertbeständig, weshalb man die im 1. Jahrhundert angefertigten Stücke häufig unter späteren Fundumständen antrifft. In einem in der Militärstadt von Aquincum freigelegten Grab vom Ende des 3. Jahrhunderts beispielweise lag als Beigabe unter anderem eine im 1. Jahrhundert hergestellte Trifolienkanne, die Spuren mehrfacher Reparaturen aufwies (SZIRMAI 1985). (Abb. 3.) Auf dem Weg über Aquileia gelangten ferner die aus Bronze gefertigten kleineren Gebrauchs- bzw. Luxusartikel wie Bronzelampen und kleinere Zier­gegenstände nach Aquincum. Ein Großteil der in der Zeit importierten Bronzegefäße dürfte - da Bronze zur Wiederverwendung geeignet war - den sich später herausbildenden lokalen Bronzegieße­reien als Rohstoff gedient haben.7 (Abb. 4.)

Unseren gegenwärtigen Kenntnissen nach traf erstmals zur Zeit der Flavier über den Umschlag-platz Aquileia auch eine der empfindlichsten, sicheren Transport erfordernden Warengruppen in Aquincum ein, die Gläser. Ihre Empfindlichkeit erklärt ihr relativ spätes Auftreten im Grenzgebiet der Provinz. Die Kaufleute übernahmen die Liefe­rung von Glaswaren vermutlich erst, als die Provinz bereits über ein gut ausgebautes, auch den techni­schen Anforderungen entsprechendes Straßennetz verfügte, oder später, als der Wasserweg auf der Donau schon sicherer geworden war (BARKÓ-

7 Kürzlich kam im nördlichen Teil des zum Lager in der Vízi­város gehörenden Vicus, und zwar in der Planierungsschicht des 1. Jahrhunderts, ein weiterer Bronzegegenstand (strigilis) mit Werkstattzeichen zum Vorschein (KÉRDŐ 2002/1, 72). Das aus Bruchstücken mehrerer Bronzegegenstände beste­hende Ensemble hat vermutlich zum wiederverwendbaren Rohmaterial einer Bronzegießerei gehört.

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Abb. 5. Importierte Gläser aus dem frührömi­schen Gräberfeld von Víziváros (Wasserstadt)

Abb. 6. Lage der Töpferwerkstätten in Aquincum (Ende 1.

bis 3. Jh.): 1. Gellérthegy-Tabán

2. Gellért Bad 3. Kende Str.

Budaújlak-Lajos Str. 5. Budaújlak-Szép­

völgyi Str. 6. Horváth Str. 7. Selmeczi Str.

8. Zápor Str. 9. Kiscelli Str. 10. Bécsi Str.

11. Laktanya Str. 12. Aranyárok 13. Gasfabrik

14. Papföld 15. Macellum

16. Sütz Gasthaus 17. Mocsárosdűlő

18. Budaújlak-Ürö­mi Str.

Tüpferöfen

j^te Ziegclüfen

C Z I 1992). Zu Anfang der Römerzeit wurden im Grenzgebiet nicht aus Glas gefertigte Luxusartikel, sondern in erster Linie die zur römischen Kultur gehörenden Glasgefäße (Flakons für Duftstoffe, geschliffene Becher, Glasurnen usw.) eingeführt. Letztere spiegelt eindeutig die Uberlieferung der Bestattungsbräuche wider, die neue Bevölkerung wollte ihre Toten nach eigener, alter Sitte bei­setzen. (Abb. 5.) Zu den typischen Artikeln des ersten Zeitraums der frühen italischen Importe gehörten Bernstein und Edelmetallschmuck, die besonders im westlichen Teil der Provinz Absatz fanden. In Aquincum waren in erster Linie die billigeren Nachahmungen gefragt, die nach jüngs­ten Aussagen im westlichen Teil der Provinz, in den Werkstätten entlang der Bernsteinstraße her­gestellt wurden (BUORA 2001, 16).

Neben dem Import arbeiteten auch die lokalen Töpferwerkstätten weiter und neue Keramikmanu-fakturen des Militärs wurden in Betrieb genom­men. Nachdem man die Eraviskersiedlungen ver­legt hatte, entstanden neue Produktionszentren, deren Spuren bei den archäologischen Ausgrabun­gen registriert werden konnten. (Abb. 6.) Eine der i m Oppidum auf dem Gellérthegy (Gellértberg) nachgewiesenen bedeutenderen Gruppen war am südlichen Fuße der Anhöhe (heute das vom Gellért-Bad, der Kende utca und der Budafoki út begrenzte Gebiet) angesiedelt (PETO 1976/2, PETO 1979). In der Nähe des Wassers und einer Tongrube gelegenen Siedlungen sind zwei Töpf­erzentren zu identifizieren, die im Großen und Ganzen in einander folgenden Zeiträumen, vom claudischen Zeitalter bis zum Anfang des 2. Jahr­hunderts, tätig waren. In beiden Siedlungen kamen insgesamt neun Töpferöfen zum Vorschein. Kenn­zeichnend für die Produkte der Werkstätten ist, daß sich ihre Verzierungen in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts auf italische und von der Balkanhalbinsel stammende hellenistische Motive zurückführen lassen. Das gut insbesondere für die im späteren Zeitraum tätige Werkstatt in der Kende utca. In den hiesigen Töpferöfen wurden die an die keltischen Gefäßtypen des dakischen Töpfermeisters Resatus anschließenden typischen schwarz oder dunkelgrau glänzenden, Stempel -

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verzierten Gefäße produziert (MARÓTI 1991, 384—386). Ihr charakteristisches Dekor war neben den üblichen Pflanzenmustern die geflügelte, einen Kranz haltende Victoria sowie eine Vogelgestalt. Zu den Aufgaben der beiden Werkstätten gehörte über die Deckung des Bedarfes der lokalen Ein­wohnerschaft hinaus gewiss auch die Versorgung eines nahe gelegenen (bislang noch nicht erschlos­senen) Alenlagers (PÓCZY-ZSIDI 1992, 37).

Dieser Umstand muss deshalb betont werden, weil allein im Raum Aquincum - zusammen mit den beiden obigen - rund ein halbes Dutzend Töpfereien beinahe gleichzeitig in Betrieb war: Kiscelli utca, Selmeci utca, Aranyárok, Budaújlak (PÓCZY 1956, PÓCZY-ZSIDI 1992, VÁMOS 2002). Jede dieser Werkstätten hat — vermut­lich im vicus militaris jeweils eines Alenlagers produziert und - das Militär mit Waren ver­sorgt. Uberwiegend stellten diese Manufakturen ein und dieselbe Gebrauchskeramik her. Doch wie die Verzierungen der anspruchsvolleren Stü­cke verraten, arbeiteten sie alle selbständig bzw. nach den Mustervorlagen jeweils anderer Pro­duktionszentren. Zur Mannschaft der Mitte des 1. Jahrhunderts entlang der Donau bestehenden Militärlager gehörten natürlich auch Handwerker. Und obwohl diese auch ihre Werkstattausrüstung mitgebracht hatten, bezogen sie am neuen Ort ihrer Betätigung auch einheimische Fachleute in die Produktion ein. Aquincum befindet sich in der glücklichen Lage, die Spur annähernd zeitgleicher Werkstattausrüstungen mehrerer AuxÜiarverbände und einer Legion verfolgen zu können. Aus dem Vergleich der Werkstattausrüstungen geht eindeu­tig hervor, daß die Mode zwar einheitlich itali­scher Inspiration unterlag, jeder Verband aber die lokalen Einflüsse seines vorangehenden Standortes bewahrt hat.

Den großen Umschwung brachte die ständige Stationierung der Legion. Ab diesem Zeitpunkt ist Serienproduktion sowie zur Abdeckung des Bedarfs der Bautätigkeit die Herstellung von Baukeramik zu beobachten. An den Waren aus der Manufaktur beim Militärlager von Óbuda (Bécsi út) spiegeln sich die applizierten Motive bzw. Marmorimitati­onen des italischen Töpferhandwerks, aber auch

der traditionelle lokale Stil mit Stempelverzierun­gen wider (PARRAGI 1971/1, PARRAGI 1976/2). Als neues Produkt erschienen damals in der loka­len Keramikherstellung die Tonlampen. Diese von der einheimischen Bevölkerung vor den Römern nicht benutzten Lichtquellen gelangten, früher als man vermutet, als italische Importe nach Aquin­cum. Ein schönes Beispiel für diesen Import ist die von einer Officina in Modena hergestellte Firmenlampe, deren Diskus ein Relief ziert. 8 Die ersten vor Ort hergestellten Firmenlampen waren ebenfalls Fabrikate der Werkstatt in Óbuda (Kis­celli utca). Die mit Schild versehenen Lampen in der Form von Gladiatorhelmen ahmten italische Vorbilder nach (L. NAGY 1942/1, 628). Später dienten importierte Lampen meist nur noch als Muster für die lokalen Produkte, bei deren Her­stellung die südwestpannonischen Werkstätten (vor allem die Werkstatt in Poetovio) eine große Rolle gespielt haben dürften.9 Auch eine andere typisch römische Gefäßform - die Reibschüssel - findet man als Neuheit im Sortiment der Werkstatt. A m Rand zweier Reibschüsseln nennt ein Stempel den Namen des Fabrikanten oder eventuell seines Angestellten: LONGIAIIGEMFIL und MARTIFE (POCZY 1956). Die Resultate der an den Gegen­ständen vorgenommenen Materialuntersuchungen deuten vorerst nicht auf lokale Fabrikate hin (ZSIDI-BALLA 2000).

Die andere wichtige Töpferwerkstatt des Zeit­raums lag westlich der späteren Zivüstadt (Arany­árok-Militärdepot, PÓCZY 1956). Sie versorgte die hier vor dem Municipium existierende Sied­lung (den jüngsten Forschungen zufolge vermutlich eine Militäranlage)1 0 mit Waren. Die typischsten Produkte der Manufaktur waren Volutenlampen, von deren Herstellung ein Dutzend Muster zeugt. Obwohl diese Werkstatt nur relativ kurze Zeit,

8 In der Militärstadt von Aquincum kam vor einiger Zeit das genaue, lokal produzierte Pendant dieser Lampe zum Vor­schein: PÓCZY-ZSIDI 2001, 141.

9 Zsidi P., North Italian influences on the oil lamp products of early Aquincum potters. Acta 38, RCRF Konference i n Rome, 2002, i . D.

1 0 Vgl . mit dem Abschnitt „Baugeschichtlicher Abriss der Zivilstadt" (5.4.3.).

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bis ans Ende des flavischen Zeitalters, betrieben wurde, ist ihr Einfluss auch an den Produkten des großen Töpfers in Aquincum der späteren Perio­de, des Meister Pacatus, noch spürbar. Darüber hinaus wurden in der Officina noch reliefverzierte Henkelpokale sowie bemalte Schüsseln und Gefä­ße mit Appliken hergestellt. In einer vorerst nicht lokalisierten Werkstatt entstanden Gefäße, die die frühe glasierte Importkeramik nachahmten. Einige dieser Stücke sind aus den gleichzeitigen Gräber­feldern in Aquincum bekannt (BARKÓCZI 1992). Daneben produzierte ein Teil der Werkstätten, vorwiegend für das Militär, auch Baumaterial bzw. Baukeramik.

Mit dem Militär waren auch die Steinmetzen und ihre Auftraggeber eingetroffen, deren Tätig­keit ebenfalls an die ersten Truppenverbände anknüpfte (T. NAGY 1971/3, 104-105). 1 1 Der erste nach italischem Muster hergestellte Grab­stein, der gegenwärtig aus Aquincum bekannt ist, war eine einfache Stele zweier Flottenangehöriger. Gut erfassbar sind die italischen Vorbilder an dem mit architektonischen Elementen dekorierten Grabstein des Reitersoldaten NERTUS, der in der ala I . Hispanorum gedient hat. Gleichfalls in einer Werkstätte der Hilfstruppen entstand der Grabstein des TL Claudius. Bald nach den Werkstätten der Hilfstruppen nahm man auch die Werkstatt der Legion in Betrieb. Die im Gräberfeld des einige Kilometer südlich von Aquincum gelegene Mil i ­tärlagers ans Tageslicht gelangten Grabsteine von Legionären sind ein Hinweis auf diese Werkstatt, deren erste Meister zusammen mit der Legion hier eingetroffen sein müssen. Der Grabstein des aus dem italischen Comum gebürtigen C. Castricius Victor, Soldat der legio I I Adiutrix, entstand jedoch in der am Rhein üblichen ganzfigurigen Darstel­lungsweise (T. NAGY 1943/2). Grund dafür ist, daß die längere Zeit in Britannien stationierte legio I I Adiutrix von einem kürzeren Aufenthalt am Rhein nach Aquincum ans Donauufer beordert wurde. Diese Erscheinung ist übrigens für sämt­liche Waren kennzeichend, die in der zu dieser

1 1 Vgl . mit den Abschnitt „Die Steinbearbeitung in Aquincum" (7.1.).

Zeit für die Legion arbeitenden Officina produ­ziert wurden, gleich um welchen Handwerkszweig es sich handelt. Der italische Import bildete den grundlegenden Musterschatz der Werkstatt, den jedoch gallisch-germanische, hauptsächlich aber rheinische Einflüsse bereicherten.

Das Handwerk i n Aquincum wächst zur Industrie heran (Zeitalter von Traianus bis Commodus)

In diese Periode kann man die Blütezeit der Tätigkeit der selbständigen lokalen Werkstätten und Kollegien bzw. die Belebung der Importbezie­hungen zu Gallien setzen. Dort, wo die Straße die Provinzgrenze überquerte oder eine größere Stadt erreichte, wurde auf die Lieferungen Zoll erhoben. Im Zentrum von Savaria (Szombathely), an der Abzweigung der römischen Straße, legten Archäo­logen die Reste einer Zollstation frei. Dabei kam auch ein Zollstempel aus Bronze zum Vorschein (E. TÓTH 1998, 25-26). Auf seiner scheiben­förmigen Kopfplatte ist der Name des leitenden Zollbeamten sowie die Abgabe des Zollbetrages in gekürzter Form zu lesen. Wie dem Text zu entnehmen ist, war der Pächter der oberpannoni-schen Zollstation Caius Titius Antonius Peculiaris, der auch in Singidunum - wie dies Schriftquel­len berichten - Kapital angelegt hatte. Er selbst, oder eventuell sein Sohn (?), finanzierte später als einer der Bürgermeister von Aquincum den Bau mehrerer öffentlicher Einrichtungen (CIL I I I 10495, 10496=6452). Aus einem Vergleich mit anderen Inschriften ergibt sich, daß im Zeitraum zwischen 160 und 180 für die mit Stempel verse­henen speziellen Luxuswaren 12,5% Zoll entrichtet werden musste.

Aquincum gehörte zum illyrischen Zollbezirk (DOBÓ 1940). Über die Tätigkeit des Zollam­tes von Aquincum informieren sogar mehrere Inschriftdenkmäler. Hier gab es für den Zol l in erster Linie durch den Warenverkehr auf der Donau bzw. den als Umschlagplatz dienenden Hafen mehr zu tun. In den Dauben von Holzfäs­sern, die man später als Brunnenverschalung ver­wendete, waren Zollstempel eingebrannt. Der Text

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auf einer dieser Fassdauben besagt, daß die in dem Fass eingetroffene Ware deshalb zollfrei war (immune in rfationem] val[etudinarii] legfionis] II ad[iutricis]), weil es eine Lieferung für das Legionslazarett von Aquincum war (KUZSINSZ­KY 1932). 1 2 In der zurückliegenden Forschungs­periode kamen in Aquincum weitere Funde von Holzfässern zum Vorschein (PETO 1976/4). (Abb. 7.)

Abb. 7. Dauben von Holzfässern mit Inschrift aus dem Legionslager

Zwei Veränderungen ganz anderer Art trugen in diesem Zeitraum zur Belebung des Verkehrs auf der Norditalien mit Aquincum verbindenden Straße bei. Einerseits die schon seit Domitian laufenden Vorbereitungen zur Besetzung der Pro­vinz Dakien, und dann die Bildung der neuen Provinz. Mi t dem nördlichen bzw. nordöstlichen Teil der neuen Provinz konnte die Führungszen­trale, ob nun in Friedens- oder Kriegszeiten, auf

1 2 Zur von Kuzsinszky publizierten Holzdaubeninschrift s. T. Bezeczky, Centuriók a XV. Apollinaris légióból [Zenturionen der legio XV. Apollinaris]. ArchÉrt 121-122 (1994-1995) 32., sowie A. Vaday, Roman Barrel-Wooded Wells. Speci-mina Nova 11 (1995) 187-198.

dem kürzesten weg über Aquincum Kontakt hal­ten. Zudem trieben die Unternehmer eineinthalb Jahrhunderte lang von Aquincum aus Handel mit dem Barbaricum und Dakien.

Die zweite wichtige Veränderung bedeutete der Ausbau der Donaulimes-Straße, die es ermög­lichte, das Heer mit Lebensmitteln zu versorgen und die Luxusansprüche in dessen Umgebung mit den damals mehr und mehr gefragten galli­schen Waren zu befriedigen. Damit war das bis dahin fast uneingeschränkte italische Importmo­nopol gebrochen. Doch obwohl im Handel von da an die westlichen Produkte und Beziehungen dominierten, blieben die Beziehungen zwischen Aquincum und Italien - wenn auch mit wechseln­der Intensität — dennoch weiterhin bestehen. A m interessantesten und überzeugendsten in dieser Hinsicht ist vielleicht jene Gruppe von Steindenk­mälern mit Inschrift aus Aquincum, deren Stif­ter sich in einer Körperschaft namens collegium Agrippinensium Transalpini zusammengeschlossen hatten. Die Rede ist von rheinischen Kaufleuten, welche - dem Attribut Transalpini zufolge - zu Beginn des 2. Jahrhunderts in Aquincum eine weitere, noch entferntere donauländische Filiale (POCZY 1961) ihrer in Colonia Agrippinensis (dem heutigen Köln) angesiedelten aquileischen Tochterfirma eröffneten (L. NAGY 1931/1). Diese Angabe zeigt deutlich, daß die Geschäftsbeziehun­gen - wenn auch bereits mit Kaufleuten vom Rhein und mit rheinischen Waren - noch immer über das gut ausgebaute Handelsnetz abgewickelt wurden. Der Verkehr verlief von der Hafenstadt Aquileia an der Adria teils über die Bernsteinstra­ße, teils über die Verlängerung der via Postumia, unabhängig davon, daß die Donaulimes-Straße damals schon fertiggestellt war (POCZY 1972/ 1, 271). Einfluss auf die Bedeutung der alten, bewährten Route hatten auch die militärischen Ereignisse entlang der Grenze. So war es zum Beispiel natürlich, daß der Handel aus Richtung Italien zur Zeit der Markomannenkriege intensi­ver wurde. 1 3

1 3 F. Maselli Scotti, A római kori Aquileia története [Geschich­te des römischen Aquileia]. In: Aquileia—Aquincum. Buda­pest 1995, 24.

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Abb. 8. Trinkgefässe aus westlichem Import (Trier), aus einem Kindergrab im nördlichem Gräberfeld der Militärstadt

Abb. 9. Gläser, meistens aus westlichen Import (Köln), aus dem Westgräberfeld der Militärstadt

Gleichzeitig mit den oben geschilderten Abläu­fen vollzog sich im Wirtschaftsleben von Aquin­cum ein bedeutender Strukturwandel. Während früher die lokale Industrie- und Gewerbetätigkeit neben dem Import nur eine zweitrangige Rolle bei der Befriedigung der Bedürfnisse gespielt hatte, konnten die örtlichen Werkstätten im behandel­ten Zeitraum in nahezu allen Handwerkszweigen - mit Ausnahme der Luxusartikel - den Bedarf des lokalen Marktes decken.

Die traditionellen Importartikel waren auch zu dieser Zeit Terra Sigillaten, die man aus galli­schen und später dann germanischen Manufaktu­ren nach Aquincum brachte. Großer Beliebtheit erfreuten sich außerdem die sog. rätischen Becher (Abb. 8.) und Schüsseln sowie einzelne glasier­te Gefäßtypen. Geschliffene Gläser lieferte im 2. Jahrhundert noch überwiegend Italien nach Pan­nonién und unter anderem nach Aquincum. Doch schon vom Beginn des 2. Jahrhunderts an tauchte aus westlicher Richtung in größeren Mengen auch die Kölner Glasware auf. (Abb. 9.) Bei Ausbruch der Markomannenkriege kamen diese Kontakte vorübergehend zum Erliegen. Erst Ende des 2. Jahrhunderts wurden sie wieder angeknüpft und ab diesem Zeitraum intensiver als früher gepflegt. Damals importierte man im Vergleich zu früher meist schon reicher verzierte, als Luxus geltende Typen. Den Ansprüchen des alltäglichen Lebens konnte die lokale Glashandwerk bereits genügen (BARKÓCZI 1988, 35-36), und zur gleichen Zeit wurden für den Glasimport auch direkte Handels­beziehungen zum Orient aufgenommen.

Den vormals italischen Import der gleichfalls als Luxusartikel geltenden Bronzegefäße bzw. Wagen-und Pferdebeschläge (SZIRMAI 1994) lösten die hauptsächlich aus Gallien stammenden Gegenstän­de ab. Ein schönes Beispiel dafür ist der mit dem Kopf einer Mänade geschmückte Bronzeeimer aus einem der spätrömischen Gräber Aquincums, der wohl als westlicher Import in den Donauraum gelangte (PARRAGI 1963, 323; K. SZABÓ 1991). Die hier gefundenen Bronzeplastiken und anderen Kunstgegenstände dürften dagegen Arbeiten der alexandrinischen Kopierwerkstätten sein (SZIR­M A I 1986, 4). (Abb. 10.) Bernsteinschmuck bzw. Ringe mit geschliffenem Stein gelangten nach wie vor nur in geringer Zahl an den Limes nach Aquincum. Hinzu kam, daß der nach der Mitte des 2. Jahrhunderts ausgebrochene Krieg mit den benachbarten Barbarenvölkern, von dessen einzel­nen Auswirkungen oben bereits die Rede war, die Beschaffung des Rohbernsteines erschwerte.14 Als Folge davon ging zwar die Produktion der Werk-

1 4 S. Anm. 12.

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Stätten zurück, doch die Freude am Tragen die­ser Schmuckgegenstände verlosch nie ganz. Nach den Markomannenkriegen allerdings mussten sie ihren Platz in der Schmuckmode an den in erster Linie aus Germanien und auch Italien kommen­den Gagatschmuck abtreten (BUORA 2001, 16, ALLASON-JONES 2001, 244). (Abb. 11.)

Ebenso holte man sich die Kopien klassischer Werke der Bildhauerkunst nach Aquincum, und zwar als Dekoration für prächtige öffentliche Bau­ten oder als Einrichtungsgegenstände reicher Pri­vathäuser. Diese Werke wurden - im Gegensatz zu den Arbeiten der lokalen Werkstätten - meist aus wertvollerem Material wie Marmor angefer­tigt. Unter anderem eine Minerva-Büste (ZSIDI 1993/1, 190, N r . l l . ) , die - vermutlich römische - Kopie einer hellenistischen Hygieia- Skulptur (SZIRMAI 1999/2, 34-35) sowie ein Marmorkra­ter (T. NAGY 1971/3) repräsentieren die Reihe dieser Gegenstände. Auch die einen Jüngling (Apollo?) darstellende Arbeit einer Steinmetzwerk­statt in Virunum gelangte so nach Aquincum, wo sie eines der Amphitheater schmückte (T. NAGY 1971/3, 130, Abb. 49).

Den größten Absatzmarkt innerhalb der lokalen Handwerkproduktion hatte die Keramikindustrie. Die Töpferwaren der beiden großen Werkstät-

Abb. 10. Bronzene Amorstatuette,

Import 2. fh., aus der Zivilstadt

ten der Zeit (die Werkstatt der Legion und die Manufaktur am Donauufer nahe dem Municipium) entsprachen nicht mehr nur den breitesten loka­len Bedürfnissen, sondern diese Töpfereien pro­duzierten auch bereits exportfähige Prunkgefäße. Bezeichnend für die beiden wichtigen Werkstätten dieser Periode ist, daß sie sich nicht auf einen ein­zigen Handwerkszweig beschränkten, sondern hier wurden Produkte verschiedener Art hergestellt. In der Werkstatt der Legion produzierte man — wie zu sehen sein wird - außer Keramik noch Gläser, und die Manufaktur der Zivilstadt befasste sich zusätzlich mit Kalkbrennen und Beinbearbeitung.

In der südwestlichen Region der Militärstadt von Aquincum, nahe am Wasser und in der Nähe der Tongruben sowie einer Hauptverkehrsroute, erstreckte sich das Handwerkerviertel der Legion (heute Bécsi út 124-128) (PARRAGI 1971/1, PARRAGI 1976/2), das neben Haushalts- und Prunkgefäßen auch Ollampen bzw. für die legio II Adiutrix Ziegel und Baumkeramik (Tonröhren für Wasserleitungen, Bodenziegel usw.) produzier­te. Diese Manufaktur nahm ihre Tätigkeit bereits Ende des 1. Jahrhunderts auf, und der Betriebsteil für Zierkeramik arbeitete bis zur Herrschaftszeit des Antoninus Pius. In den Motiven ihrer Prunk-gefäße spiegelte sich anfangs der italische, später dann der gallische Einfluss wider. Bei der Freile­gung fand man in der Werkstatt nicht nur Fertig­waren sondern auch Stücke ihrer Einrichtung bzw. Ausrüstung, wie zum Beispiel eine Formschüssel zur Herstellung reliefverzierter Keramik, Stempel, Werkzeug zum Glätten der Gefäße usw. Erhalten blieben ferner ein Fragment von einem Namen-Stempel (.CAE. /.BINL.) sowie das Negativ einer Öllampe mit dem Stempel VRSVU5 (Abb. 12.)

1 5 Die Werkstatt des auf dem Lampenmodel verewigten Töp­fers war laut neuere Forschungen wahrscheinlich in Poeto-vio (J. Istenic, Poetovio, the Western Cemeteries I . Grave Groups in the Landesmuseum Joanneum, Graz. Ljubljana 1999, 194—195). Das in Aquincum gefundene Negativ deu­tet auf eine offizielle Beziehung zwischen den beiden Werk­stätten hin. Zugleich aber läßt ein in Form, Abmessung und Ausführung identisches Negativ vom Fundort Gasfabrik, an dessen unterem Teil das Namenzeichen herausgekratzt war, vermuten, daß die Manufaktur der Zivilstadt illegal in den Besitz des Lampenmodels gelangte (S. Anm. 8).

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Diese Manufaktur setzte die Ziegelproduktion bis ins ausgehende 4. Jahrhundert fort.

Das andere bedeutende Handwerkerviertel des Zeitraums (das sog. Handwerkerviertel Gasfabrik) war am Ostrand des Municipiums, in der Nähe des Donauufers, angesiedelt (KUZSINSZKY 1932, PÓCZY 1956, 102-117). Hier kamen bislang annähernd 40 zum Brennen von Keramik der ver­schiedensten Größe und Qualität geeignete Brenn­öfen zum Vorschein. Neben Küchen-, Tafel- und Prunkgefäßen produzierte die Töpferwerkstatt als Massenartikel unter anderem Öllampen, Stuckmo­del, Baumaterialien, Lebkuchenformen und kleine Terrakottafiguren. In der mit dem Namen des Meisters Pacatus verbundenen Werkstatt fand man

Abb. 11. Gagatperlen aus mittelkaiserzeitlichen Gräbern

Gußmodel des Bodens einer Öllampe mit dem Namen

VRSVL, aus dem Handwerkerviertel

der Militärstadt

bis jetzt 70 unterschiedliche Formschüsseln sowie Dutzende von figuralen Stempeln. Zu den beliebten Motiven des Meisters gehörten außer den typischen Götterfiguren verschiedene laufende Tiere sowie Masken, Weinranken, Weinblätter, Weintrauben usw., die er für seine reliefverzierten Schüsseln in mannigfaltiger Weise verwendete. Interessanterweise sind die mit diesen Formschüsseln hergestellten Fertigwaren aus Aquincum kaum bekannt, und auch anderswo in Pannonién kamen sie weder in großer Zahl zum Vorschein, noch gibt es vorerst überzeugende Beweise für ihren Import. Angesichts der Fundumstände und auf Grund der Materialun­tersuchung der Formschüsseln16 wäre es durchaus denkbar, daß sich diese Werkstatt des Meisters nur mit der Herstellung und dem Export der anspruchsvolleren Formschüsseln beschäftigt hat, während die Massenproduktion einer anderen Fili­ale vorbehalten blieb. Bekräftigt wird diese Annah­me auch durch die beträchtliche Entfernung der Officina von den Tonabbaustätten. In der Werkstatt des Pacatus arbeiteten hochbegabte Töpfermeister, deren Namen uns mit den Meisterstempeln und Signaturen überliefert wurden: Petilius, Respectus, Fabius, Flavinius, Litanus, Alexander, Maximinus, Florentinus, lulius Hilarus. Der Betriebszweig für Prunkgefäße stellte die Produktion bei Ausbruch der Markomannenkriege ein, aber im nördlichen Teil der Werkstatt wurde noch bis zur Wende des 2.-3. Jahrhunderts Haushaltskeramik (Schüsseln, Reibschüsseln, Krüge, Teller) hergestellt (ZSIDI 1984, PÓCZY-ZSIDI 1992, 27-31).

Dass im 2. Jahrhundert auch Glanztonware zum Sortiment der Manufakturen Aquincums gehört hat, ist nur durch das Fundmaterial verifizierbar. Folgende Angaben deuten zumindest darauf hin: die bei den Ausgrabungen der Basilika der Zivil-Stadt von Aquincum gefundenen Mischtiegel für Rohmaterial mit Spuren von Bleiglasur,1 7 die in

1 6 Die Materialuntersuchung (Neutronenaktivierungsverfahren) nahm Márta Balla vor (TU Budapest, Nuklear-Institut), im Rahmen der OTKA-Forschung, Nr. T. 13763, die Ergeb­nisse sind zum Teil noch unpubliziert.

1 7 Die Ausführungen von Tibor Nagy (T. NAGY 1964, 50, A n m . 160) wurde die von den jüngsten Forschungen nicht bestätigt (BUGÁN 2002 /1 , 98).

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dem östlichen Manufaktur der Zivilstadt gefundene Tonlampe mit Glasur sowie die Konzentration gla­sierter Pfannenstielfunde in Aquincum (Abb. 13.) lassen vermuten, daß es sich um lokale Fabrikate handelt (BUGÁN 2002/1). Diese zitronengelb oder grün glasierten Stücke, die hier produziert wurden, sind im Allgemeinen unterschiedliche Einflüsse widerspiegelnde Einzelanfertigungen. Das zeigt auch eine aus den ersten Jahrzehnten des 2. Jahrhunderts stammende Schale (BARKÓCZI 1992, 9-10).

In diesen Zeitraum kann man auch den Beginn der örtlichen Glasherstellung setzen. Beweise dafür sind die Glasschlacke und die Fertigwaren, die in der Werkstatt der Legion geborgen wurden (PAR­RAGI 1976/2, 163-164). Im Zentrum der Zivi l ­stadt produzierte man Fensterglas,18 und von hier stammt auch das Fragment eines sog. Merkur-Glasgefäßes mit Bodenstempel (PÓCZY-ZSIDI 1992, 147). Rein zufällig kam sogar der dazuge­hörige Tonstempel zum Vorschein, ein selbst in Relation des ganzen Imperium Romanum einzigar­tiger Fund (BARKÓCZI 1977, BARKÓCZI 1988, 28-29).

Über die industrielle Produktion des Metallhand­werks liegen uns nur indirekte Angaben vor. Als sicher darf zum Beispiel angenommen werden, daß man in Aquincum, in Gräbern häufig vorkommen­den und auch auf den Grabsteinen abgebildeten Schmuck der einheimischen Frauentracht, die Flügelfibeln, (Abb. 14.) hergestellt hat. Aber auch andere, einfachere, aus Silber oder Bronze her­gestellte Gebrauchs- und Trachtgegenstände oder Schmuck (z. B. Fingerringe, Armreifen) mögen hier, vorwiegend für die Zivilbevölkerung, entstan­den sein. Das Militär wurde zumeist zentral mit Bekleidung und Sonstigem versorgt, an den Stand­orten befasste man sich in erster Linie mit der Reparatur beschädigter oder zerbrochener Stücke. Nach Eröffnung der Goldminen in Dakien begann im südlichen Teil der Provinz das Goldschmiede-handwerk zu florieren. Die Auswirkungen davon

1 8 Angabe von Klára Póczy auf Grund der Fragmente, die bei Nachgrabungen in den 1960er Jahren in der Zivilstadt zum Vorschein kamen.

Abb. 13. Grünglasierte Pfannenstiel aus dem Legionslager

Abb. 14. Flügelfiebel aus dem Nordgräberfeld der Militärstadt

kamen auch an den einfacheren, die bewährten Formen nachahmenden Arbeiten der Goldschmiede in Aquincum zur Geltung (FACSÁDY 2002/1). (Abb. 15.)

Anfang des 2. Jahrhunderts nahmen die Stein­metzwerkstätten der Kollegien von Aquincum ihre Tätigkeit auf, deren typische Produkte die mit Kränzen verzierten Grabsteine sind (BURGER 1959, T. NAGY 1971/3). Diese zeugen nicht nur von der Steinbearbeitung, sondern liefern auch wichtige, durch andere Quellen nicht ersetzbare Informationen in Bezug auf den Organisations­grad der lokalen Industrie- und Gewerbetätigkeit sowie des Handels. In Aquincum schlössen sich,

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wie auch anderswo im Reich, die verschiedenen Berufsgruppen zu Vereinigungen zusammen, was ihnen Schutz, Rechtssicherheit und vor allen Din ­gen die Qualität der produzierten Waren gewähr­leistete. Offiziell war das Wirken der Vereine an eine Bedingung gebunden: sie mussten irgendeine gemeinnützige Aufgabe erfüllen, wie zum Beispiel eine freiwillige Feuerwehr bilden oder die Instand­haltung bestimmter öffentlicher Gebäude überneh­men. Inschriften aus Aquincum belegen bislang die Tätigkeit neun solcher Kollegien, was für eine Provinzstadt eine relative hohe Zahl ist. Mehrere davon waren ausgesprochene Vereinigungen der Händler und Handwerker. Dem conventus civium Romanorum consistentes legionem II Adiutricis gehörten Bürger an, die schon das römische Bür­gerrecht in einer anderen Stadt erlangt hatten. Es waren in erster Linie aus Norditalien kommende Unternehmer, die sich mit Importgeschäften und Finanzinvestitionen befassten. Sie wohnten in der Militärstadt, und das Gebiet nördlich davon war ihnen wohl als Begräbnisstätte zugewiesen wor­den. Darauf deutet auch ein dort freigelegtes, reich geschmücktes Grabmal, das italische Vor­bilder zeigt (ZSIDI 1997/2). Von der Rolle des collegium civium Agrippinensium Transalpini war weiter oben bereits die Rede (L. NAGY 1931/1, POCZY 1961), und das collegium negotiantium, d. h. der Verein der Kaufleute, gibt seine Tätig­keit schon im Namen zu erkennen. Zwei Vereine der Gewerbetreibenden, der das collegium fab-rum, also der Zimmerleute, und das collegium centonariorum, also der Tuchmacher, dürften die Genehmigung deshalb bekommen haben, weil sie das zum Feuerlöschen erforderliche Material her­stellten (L. NAGY 1941/1). Von der Existenz des collegium dendrophorum der Holzbearbeiter- und Lieferanten wiederum kündet ein fragmentierter Grabstein. Im Falle der beiden Vorgenannten ist auch der Sitz ihrer Kollegien in der Zivilstadt von Aquincum bekannt. Kenntnis haben wir dar­über hinaus von einem collegium veteránommá

1 9 Ein im zurückliegenden Zei t raum im westlichen Gräberfeld der Militärstadt freigelegter weiterer Grabstein belegt die Tätigkeit dieses Kollegiums ebenfalls MÁRTON 2002 /1 .

Abb. 15. Goldring mit inschrift VRSA, aus dem Westgräberfeld der Militärstadt

(Abb. 16.) collegium tenuiorum, und collegium scaenicorum in Aquincum. Ein Großteil dieser Körperschaften leistete auch Bestattungshilfe, und das erklärt, weshalb die Steinmetzarbeiten so viele Informationen über sie vermitteln.

Neben den Vereinswerkstätten der Steinmetzen wurden auch die Werkstätten der Legion weiter betrieben. Die Stelen zeigen noch immer in erster Linie italischen Einfluss. Vermutlich als Mustervor­lage für eine der Legionswerkstätten wurde Ende des 1. Jahrhunderts jener große, kunstvoll behau-ene Marmorgrabstein nach Aquincum geliefert, dessen Einfluss auf das lokale Steinmetzhandwerk bis ans Ende des 2. Jahrhunderts verfolgt werden kann (T. NAGY 1971/3, 114). Das hohe Niveau der in den einzelnen Werkstätten hergestellten Erzeugnisse macht es wahrscheinlich, daß dort weiterhin auch wandernde Steinmetze tätig gewe­sen sein dürften. Ab der Mitte des 2. Jahrhunderts tauchten als Neuheiten der lokalen Werkstätten die Sarkophage auf, deren frühe, mythologische Szenen darstellende Exemplare Verwandtschaft mit dem Motivschatz der Werkstatt in Virunum andeuten (T. NAGY 1971/3, 130).

Auch die zur inneren und äußeren Ausschmü­ckung der Gebäude dienenden Wandmalereien, Stuckdekorationen und Mosaiken schuf man in diesem Zeitraum meist nach italischen Vorbildern und häufig unter Mitwirkung wandernder Meis-

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ter. 2 0 Stuck und Wandgemälde lassen sich sowohl in künstlerischer als auch technischer Hinsicht schwer voneinander trennen. Zur Herstellung der Stuckverzierungen wurden die Negativformen in manchen Töpferwerkstätten herausgestellt oder man ließ sie in den großen Handwerkerviertel (z. B. in der sog. Manufaktur Gaswerke) anferti­gen. Nach der Mitte des 2. Jahrhunderts begann man auch in Aquincum, die Fußböden der Gebäu­de mit prächtigen geometrischen oder figuralen Mosaiken zu schmücken. Die Mosaikleger waren wandernde Meister, die zu dieser Zeit aus Italien hierher kamen und ebenso wie die Meister der Wandmalereien nach Musterbüchern arbeiteten. Den Höhepunkt der Innendekoration des Zeital­ters stellen die Wandmalereien und Mosaiken des Statthalterpalastes von Aquincum (PÓCZY 1958, KABA 1958, KÉRDŐ 2000).

Zeitraum der militärischen Konjunktur (von den Severern bis Gallienus)

Nach den Heimsuchungen der Markomannen­kriege erlebte Aquincum im Zeitalter der Severer seine zweite Blütezeit. Viele Städte des Imperiums waren im 3. Jahrhundert zwar bereits vom Nie­dergang gezeichnet, doch die Grenzzone an der Donau nahm ob ihrer militärischen Rolle in politi­scher und wirtschaftlicher Hinsicht eine exponierte Stellung ein. Damals war die Zahl seiner Einwoh­ner am höchsten und die Schicht der Wohlhaben­den am breitesten. Mi t dem Sold der Soldaten und den hier laufenden Befestigungsarbeiten flös­sen größere Geldmengen in die Stadt (GABLER 1966, Z S I D I 2002/1). In den Jahrzehnten, als die Situation am Limes kritisch wurde, war der Kaiser bestrebt, die strategisch wichtigen Punkte durch noch mehr Geld zu stabilisieren, und die sich entfaltende Konjunktur lockte die in anderen Gegenden des Reiches schon verarmten zivilen Unternehmer und Kaufleute auch aus entfernteren Provinzen in den Raum Aquincum. Aquincum konnte seinen Urbanen Charakter relativ lange

2 0 S. den Abschnitt „Die Innendekoration der Gebäude" (7.2.).

Zeit bewahren, und verdankte das eigenartiger­weise gerade seiner unsicheren Lage. Die poli­tischen Verhältnisse erforderten nämlich immer öfter die persönliche Anwesenheit des Herrschers am gefährdeten Donauabschnitt. Zwischen dem 2. und 4. Jahrhundert besuchten die Kaiser die pannonische Limesstrecke so auch Aquincum oft (FITZ 1958/2, FITZ 1982/2, NÉMETH 1976/1, NÉMETH 2000/2, 20). Von hier eröffneten sie ihre Strafexpeditionen zur Niederschlagung ihrer Gegner, und auch einige der das ganze Imperium betreffenden, schicksalschweren Entscheidungen wurden hier gefällt.

Abb. 16. Grabstein mit Erwähnung des colle­gium Veteranorum, aus dem Westgräberfeld der Militärstadt

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Das Wirtschaftsleben von Aquincum kennzeich­nete in diesem Zeitraum der nahezu ausschließ­lich höhere Ansprüche befriedigende Import von speziellen landwirtschaftlichen Gütern, die Einfuhr von Obst oder Luxusartikeln. Neben dem Zurück­drängen der bisherigen Handelsbeziehungen aus Westen und Süden erstarkte der Handel mit dem Orient, und gleichzeitig tauchten an den Produk­ten der lokalen Industrie bzw. des Handwerks orientalische Einflüsse auf. Für die östlichen Han­delskontakte nahm man vorrangig die Donau in Anspruch. Eine bestimmte Schicht der Bevölkerung verstand sich damals schon auf das Abwickeln von Handels- und Finanzgeschäften und war in den für die Unternehmen geltenden ökonomischen und juristischen Regeln bewandert. Ein mit sol­chen Finanzgeschäften befasster Bänker ist Corin-thus nummularius gewesen,21 der in Aquincum zu Ehren des Silvanus einen Altarstein stiftete (CIL I I I 3500). In der Zivilstadt von Aquincum, die zu der Zeit schon den Rang einer colonia inne­hatte, konnte mit Hilfe eines dort ans Tageslicht gelangten bronzenen Prägestocks eine kurzzeitig, zwischen 209 und 219, betriebene Münzstätte rekonstruiert werden (PÓCZY 1991/1).

Nach den Markomannenkriegen, zum Teil als Folge davon, wurden auch die Handelsbeziehun­gen zwischen Imperium und Barbaricum reger und regelmäßiger. Durch die Untersuchung der im Barbaricum gefundenen Terra Sigillata-Gefäße hat sich bestätigt, daß die Straße Aquincum-Poro-lissum eine der Hauptrouten dieses Transithandels war. Aquincum fiel in der Weiterleitung der in erster Linie aus den westlichen Provinzen stam­menden Waren, hauptsächlich der Terra Sigillata, eine wichtige Rolle zu (GABLER - VADAY 1986, 45-47). Die Einwohner von Aquincum standen mit den Barbarenvölkern vom gegenüberliegenden Donauufer zudem in tagtäglicher Handelsbezie­hung. Hier befand sich eine der festgelegten am Donaulimes, die zum Schauplatz der unmittelbaren römisch-barischen Handelskontakte werden konn-

2 1 Zu seiner lehrreichen Karriere s. Gy. Ürögdi, A banké­let nyoma Aquincumban [Eine Spur des Banklebens in Aquincum]. BudRég 21 (1964) 240-245; Gods, Soldiers 1995, 31 .

te. Ein im südwestlichen Teil der Militärstadt von Aquincum freigelegtes großes öffentliches Gebäude hält die Forschung heute für ein Marktgebäude (PÓCZY 1983/1, 256, 258-259; Z S I D I 1999/6, 868). Im Zeitraum nach den Markomannenkrie­gen begannen sich auch die im Territorium der Stadt ausgebauten Villengüter zu entfalten. 2 2

Führender Zweig des lokalen Handwerks blieb weiterhin die Keramikherstellung - damals schon nicht mehr Qualitäts-, sondern überwiegend nur noch Massenproduktion. Auf den Import leicht zugänglicher Luxusartikel reagierte das lokale Handwerk mit Vereinfachung. Die größeren Werk­stätten der früheren Zei wurden entweder aufge­geben (Manufaktur Gasfabrik), oder arbeiteten auf engerem Gebiet bzw. mit eingeschränkter Warenpa­lette weiter. Anstelle der anspruchsvolleren Keramik ging man zur Herstellung einfacher, aber qualitativ guter Gefäße über. Das typische lokale Fabrikat des Zeitalters, die Glanztonware (BÓNIS 1993), entstand in einer südlich der Zivilstadt tätigen Töp­ferwerkstatt (sog. Werkstatt beim Gasthof Schütz). (Abb. 17.) Daneben wurden einfache Firmenlampen, immer häufiger ohne Markenzeichen, sowie Bauke­ramik produziert. Die Fehlprodukte der örtlichen Glasindustrie sind nicht selten als Beigaben in den Gräbern des 3. Jahrhunderts anzutreffen.23

Im gleichen Zeitraum waren vermutlich die über großes handwerkliches Können verfügenden wan­dernden Bronzegießer, die das lokale Metallhand­werk stark beeinflusst haben, in Aquincum tätig. Die Forschung hält den zu einer Paraderüstung gehörenden Brustpanzer aus Aquincum neuer­dings für die lokale Arbeit eines aus dem Osten (Syrien) eingewanderten Bronzegießers.2 4 Die auf

2 2 Z u deren Wirtschaftstätigkeit s. den Abschnitt „Territorium des Municipiums - Vil len und Dörfer" (5.5.3.).

2 3 Z . B. nördliches Gräberfeld der Militärstadt (Kaszás dűlő-Raktárrét), Grab 281. : P. Zsidi, A Kaszás dűlő-raktárréti temető elemzése [Analyse des Gräberfeldes Kaszás dűlő-Raktárrét]. Dissertation am Lehrstuhl für Archäologie der ELTE. Budapest 1984. Manuskript.

2 4 H . Wümbach, Ein Paradeschildbuckel aus Brigetio. Akten des X I . Internationalen Limeskongresses 1976 in Székes­fehérvár. Budapest 1977, 203-204; J. Garbsch, Verschluß­sache: Panzer, Kettenhemden und kimmerische Gewänder. Bayerische Vorgeschichtsblätter 65 (2000) 113.

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Abb. 17. Henkelkrug aus dem südlichen Handwerkerviertel der Zivilstadt

dem Prunkpanzer befindliche Inschrift - LEG(io) I I AD(iutrix), AVR(elius) ING(...) - und die auf lokale Ansprüche zugeschnittenen Darstellungen (Virtus, Honor und Minerva) dürften demnach auf die Produktionsumstände hindeuten.

Ein Beweis für den Aufschwung in der Bauin­dustrie ist der schon vor längerer Zeit in der M i l i ­tärstadt geborgene Fund von Zimmermannswerk­zeug (L. NAGY 1937/3). Das andere Handwerk, dessen Arbeitsgeräte relativ gut bekannt sind, war die Steinbearbeitung. Uber die dazu notwendigen Werkzeuge informieren die auf Grabsteinen bzw. an Grabbauten vorkommenden Darstellungen. Im Bereich des Amphitheaters der Zivilstadt stießen wir auf den Lagerbestand einer Anfang des 3. Jahrhunderts tätigen Steinmetzwerkstatt, mit den eingelagerten Fertig- und Halbfertigprodukten

sowie Rohstoffen. Als man das im 2. Jahrhundert benutzte Gräberfeld der Militärstadt (Ladik utca) aufgab, nahm in dessen ehemaligem Gebiet vor­übergehend eine Steinmetzwerkstatt den Betrieb auf. Nur das schon abgerissene und wiederver­wendbare Steinmaterial wurde abtransportiert und der zurückgelassene Abfall und Bruch anschlie­ßend sorgsam planiert (ZSIDI 1997[1998], 143). 2 5 Auch in der Steinbearbeitung läßt sich beobachten, wie der charakteristische orientalische Einfluss auf das lokale Handwerk zur Geltung kam. Stifter der den orientalischen Gottheiten Dea Syria und Baltis gewidmeten, mit dem typischen, oft auch an Sarkophagen vorkommenden Pelten-motiv verzierten Bauinschrift war Caius Iulius Sextinus (KUZSINSZKY, 1937, 135; T. NAGY 1971/3, 134). Laut Inschrift hat der Pächter, gestützt auf einen Beschluss des Stadtrates, auf eigene Kosten ein mit Ziegeln gedecktes und mit einer Tür versehenes Tor errichten lassen.

Der orientalische Einfluss spiegelt sich auch in den Dekorationen im Inneren der Gebäude wider. In Aquincum arbeitete damals eine die Vorbilder der Maler von Dura-Europos benutzen­de Werkstatt für Wandmalereien (PÓCZY 1955), und zur gleichen Zeit erschienen an den neuen öffentlichen Bauten die Arbeiten einer Gruppe syrischer Gebäudedekorateure.26 Die Deckenstu-ckatur in der Villa am Csúcshegy ist an die frühe Phase der Stuckkunst anzuschließen, während die späteren Stuckarbeiten - mit reicheren architek­tonischen Verzierungen und figuralen Darstellun­gen - bereits orientalisch beeinflusst sind. Die schönsten Stuckarbeiten in Aquincum schmückten einst das im nordöstlichen Teil der Militärstadt (Folyamőr utca) stehenden Gebäude (PARRAGI 1991). In demselben Gebäude kamen gleichzei­tig die schönsten Mosaiken der zurückliegenden Forschungsperiode zum Vorschein, und auch in diesen kann man den Einfluss der orientalischen Werkstätten und Meister entdecken (Aquincum 1986, 209, Nr. 755, SZIRMAI 1998/2).

2 5 Dasselbe konnte man bei dem Südgräberfeld der Zivilstadt bemerken, B E S Z É D E S 2002.

2 6 Vgl. den Abschnitt „Die Innendekoration der Gebäude" (7.2.).

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Staatliche Großbetriebe, zentrale Versorgung (das Zeitalter der Tetrarchie und die konstanti­nische Dynastie)

Die Vierteilung Pannoniens im Jahre 294 verän­derte den Handel und das lokale Handwerk von Grund auf. An der gefährdeten Grenze der nord­östlichen Provinz Valeria, in Aquincum, verblieb nur das Oberkommando des Heeres, das Zentrum der Zivilverwaltung verlegte man in eine weiter von dem Limes entfernte, geschütztere Gegend um die Mitte des 4. Jahrhunderts. Mit dieser Maßnahme trug die Administration lediglich einer schon entstandenen Situation Rechnung. Im Jahre 260 hatten die über die Grenzen ins Innere der Provinz vordringenden Germanen, Sarmaten und Roxolanen viele Städte und kleinere Siedlungen an ihrem Weg verwüstet, und eines ihrer Angriffsziele war Aquincum. Der immer stärker auf der nörd­lichen Reichsgrenze lastende Druck veranlasste die Führung des Imperiums, die Provinz Dakien 271, nach kaum eineinhalb Jahrhunderten römi­scher Oberhoheit, auch offiziell aufzugeben. Von da an war der Limesabschnitt von Aquincum den Angriffen der mit der ersten Völkerwanderungs-welle eintreffenden ethnischen Gruppen unmittel­bar ausgesetzt.

Als man das zivile Verwaltungszentrum teil­weise ins Hinterland der Grenze verlegte, war dies eigentlich ein Eingeständnis der Regierung, daß sie die zivilen Liefertransporte nicht mehr für sicher hielt. Als Folge der für den Zeitraum typischen Zentralisierungsbestrebungen veränderte sich die Struktur der kleinen und mittelständi­schen Unternehmen, die von da an im Auftrag des Staates arbeiteten. Auch diesem Umstand ist es zu verdanken, daß sich in der ersten Hälf­te des 4. Jahrhunderts, entgegen der ständigen Gefährdung Aquincums, nicht nur im Territorium der Stadt, sondern auch im Inneren von Panno­nién, Anzeichen eines bedeutenden Aufschwungs zeigten. Nach den von den Barbarenangriffen ver­ursachten Störungen kehrte im Verkehr auf den Diagonalstraßen (den Verkehrsverbindungen Sopi-anae-Savaria, Poetovio-Aquincum, Savaria-Aquin-cum) wieder Ordnung ein.

Die in diesem Zeitraum schon ziemlich hete­rogene, häufig aus fernen, östlichen Provinzen stammende Bevölkerung Aquincums musste also auch am Beginn des 4. Jahrhunderts nicht auf die gewohnten, meist Luxusansprüchen genügen­den Warenartikel verzichten. In der Abwicklung des Handelsverkehrs übernimmt erneut Aquileia eine führende Rolle (BUORA 2001, 19-21). Auf dem Weg über Aquileia gelangen Ol und Wein, Südfrüchte (Feigen, Datteln), Textilien (Seide) und Kork aus Italien, Kleinasien und Afrika nach Aquincum. Einen Teil der aufgezählten Produkte fanden wir in den in Aquincum freigelegten sog. Mumiengräbern tatsächlich vor (PÓCZY 1998/3). Die Mumifizierung der Toten war in den nörd­lichen Provinzen ein selten geübter Bestattungs-brauch, der von Ägypten abgesehen nur noch aus einigen Hafenstädten am Pontus sowie aus Rom selbst bekannt ist. In Aquincum kamen an den

Abb. 18. Glasskyphos aus östlichem Import aus dem Westgräberfeld der Militärstadt

Abb. 19. Figürliches Gagatmedaillon mit Goldfassung, Westgräberfeld der Militärstadt

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Hängen der nördlich der Stadt gelegenen Hügel sowie in den zur Canabae gehörenden Friedhöfen einzelner Siedlungen an der Grenze Pannoniens (Intercisa, Brigetio, Carnuntum) einige Mumien­bestattungen zum Vorschein. Der wertvollste unter den aus diesen Gräbern stammenden Gegenstän­den ist das auf Eichenholz gemalte Porträt eines Mannes mit ausgesprochen orientalischen Zügen (PÓCZY 1966).

Den Glasimport dieser Periode kennzeichnet eine ganz besondere Vielfalt (BARKÓCZI 1988, 46). (Abb. 18.) Aus dem Westen trafen zumeist Serienprodukte der Kölner Manufaktur - große, schliffverzierte Flaschen bzw. Glasbecher mit figu­ralen Darstellungen, z. B. Gladiatoren - in Aquin­cum ein. Aus den Glaswerkstätten des Ostens, in erster Linie von Zypern und Dura-Europos, gelangten geschliffene Schüsseln und Pokale in die nördliche Grenzregion. Mangels Materialun­tersuchung ist vorerst nicht zu entscheiden, ob die fertige Glasware oder deren Hersteller selber nach Aquincum kamen. Nach den Beigaben der spätrömischen Gräber zu urteilen war Aquincum außerdem ein stabiler Absatzmarkt für die in Sir­mium produzierten dickwandigen, blaugepunkten Glasbecher.

Ebenfalls zu dieser Zeit kommt hier an der Grenze der Bernsteinschmuck wieder in Mode. In den Gräbern des Zeitalters sind auffallend viele und wertvolle Goldgegenstände anzutreffen. (Abb. 19.) Die Reihe der traditionellen Schmuck­typen (Halskette, Armband, Ohrgehänge, Bulla) ergänzen golddurchwobener Stoff, ein goldenes Haarnetz 2 7 bzw. mit Gold verzierte Totenschuhe (PÓCZY 1964/2). Und natürlich durften auf den Festtafeln der späten Römerzeit auch in Aquincum unter keinen Umständen die afrikanische Sigillata Chiara-Schüssel (GABLER 2002, 234) und die Silberkanne fehlen.

Der relative wirtschaftliche Aufschwung führte zur Belebung der lokalen Gewerbe- und Indus­trieproduktion. Die größeren, industrieähnlich produzierenden Betriebe arbeiteten in erster Linie für das Militär. In der Notitia Dignitatum wird

2 7 Sammlung des Aquincum-Museums Inv. Nr . 51469.

Abb. 20. Rekonstruiertes Holzkästchen mit Bronzebeschlägen aus einem Grab der Militärstadt

sogar eine Waffenfabrik aus Aquincum - Acin-censis scrutaria - erwähnt (Not. Dign. LX.19.). Neben Aquincum zählt die Quelle noch Sirmium, Carnuntum, Lauriacum und Salona als Orte der Waffenherstellung auf.

Der führende Handwerkszweig des Zeitalters war das Bronzegießen. Die zu den Begräbnisri­tualen verwendeten Kästenbeschläge dürften von einer größeren, zur Herstellung neuer Erzeugnis­se geeigneten Werkstatt in Aquincum produziert worden sein (GÁSPÁR 1986, 77 f f , 110-144). (Abb. 20.) Von den gegossenen, figurai verzierten Griffen sind aus Aquincum mehrere Exemplare bekannt, aber auch nach Brigetio und Intercisa gelangten die Fabrikate dieser Werkstatt. Unbe­dingte Erwähnung verdienen unter den Produkten der Bronzegießereien die im Gussverfahren herge­stellten Zwiebelkopffibeln sowie der billigere Bron­zeschmuck wie Armring, Bulla usw. Aus Bronze gefertigte Trachtgegenstände waren wertvoll und wurden selbst dann nicht weggeworfen, wenn sie kaputt gingen. (Abb. 21.) Es entstanden auch klei­ne, eher in Wohnhäuser betriebene Werkstätten, wo man solche Stücke reparierte. In zwei Gebäu­den im Zentrum der Zivilstadt von Aquincum war eine kleinere Werkstatt tätig (K. SZABÓ 1990,

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Abb. 21. Bronzene Trachtgegenstände aus dem spätrömischen Gräberfeld von Gazdagrét

Abb. 22. Grünglasierte Keramik aus dem spätrö­mischen Gräberfeld von Gazdagrét

131; K. SZABÓ 2000, 158). 2 8 Zwischen den spätrömischen Trümmern eines der östlich vom Gebäude der Basilika gelegenen Privathäuser (sog. Pfauenhaus) wurden ein Gussmodel, auf Bearbei­tung wartende Fragmente sowie kleine, halbfertige Gußstücke gefunden (PÓCZY - Z S I D I 2001, 159, Nr. 105), 2 9 und in einem der Villengebäude nahe der Zivilstadt hatte man einige Räume für

2 8 Die Aufarbeitung des Fundmaterials aus dem Macellum zieht neuerdings die Existenz einer Bronzegießerei in Zwei­fel: LÁNG 2001, 5.

2 9 Grabung K. Póczy und Gy. Hajnóczi 1972, Plan 2, Nr. 3, unpubliziert.

die Reparatur kaputter Verschlüsse von Bronzefi­beln eingerichtet (ZSIDI 1991, 151).

Uber die lokale Glasherstellung der Spätanti­ke liegen uns keine direkten Angaben mehr vor. Doch die sich als sehr beliebten und vielseitigen, vor Ort hergestellten Glas- und Glasflußperlen deuten zweifellos darauf hin, daß hier auf frühe­re Traditionen zurückgreifende, aber mit engerer Produktpalette arbeitende Betriebe existiert haben (BARKÓCZI 1988).

Nach dem Gesamteindruck der aus diesem Zeit­alter freigelegten Gebäude mussten die damaligen Werkstätten für Wandmalerei (PÓCZY 1984/2), Stuckatur und Mosaiken wohl kaum über Auf­tragsmangel klagen, während die beiden früheren „Zugpferde" der Handwerk - die Keramikproduk­tion, vor allem aber die Töpferei, und die Stein-bearbeitung - in dieser Periode niederzugehen begannen. Die für das Zeitalter charakteristischen glasierten Gefäße wurden in Aquincum vermut­lich von einer zur Legion gehörenden Werkstätte produziert, für ihre lokale Provenienz sprechen auch die fehlerhaften bzw. verdorbenen Exemplare (BÓNIS 1990, 26). Ununterbrochen arbeiteten im Gegensatz dazu die damaligen Ziegelbrennereien, und mitunter musste man wegen der langsam nicht mehr abreißenden Wiederherstellungsarbeiten sogar einige neue Brennöfen in Betrieb nehmen.

Die Erzeugnisse der Steinmetzwerkstätten sind in diesem Zeitraum deutlich weniger gefragt. Das Weglassen figuraler und ornamentaler Verzie­rungen an den Grabsteinen des 4. Jahrhunderts belegt neben der Einengung des Marktes auch die Einschränkung der Ansprüche. Häufig kommt es vor, daß man frühere Werke nicht nur als Baumaterial (KOCSIS 2001/1), sondern auch zu propagandistischen Zwecken sekundär verwendet. Von einem zur Grabplastik einer Frau aus Aquin­cum gehörenden Kopf beispielsweise stellte sich erst kürzlich heraus, daß er zum Kaiserproträt umgearbeitet im Wachtturm von Visegrád-Lepence Wiederverwendung fand (SZIRMAI 1999/2, 70-71) . 3 0

3 0 P. Gróf - D. Gróh, The Watchtower of Visegrád-Lepence, BudRég 34 (2001) 117-121.

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Produktion lokaler Kleinbetriebe (von Valentinianus I . bis Attila)

Im Laufe des 4. Jahrhunderts war es die früh­christliche Kirche, welche die Beziehung zwischen Norditalien und der Provinz Valeria, und dort zu Aquincum, enger knüpfte. Die sich an den erhal­ten gebliebenen Baudenkmälern und auch unter den Kleinfunden zeigenden christlichen Einflüsse belegen, daß die Verkehrs- und Handelsroute Aquileia-Aquincum weiterbestand. Über diese Straße dürften aber nicht nur zerbrechliche, feine und teuere Waren (in erster Linie orientalisches Glas, afrikanische Sigillaten), sondern auch das Gedankengut des Christentums in die dauernde Gefahr ausgesetzte Grenzregion und damit nach Aquincum gelangt sein.

Abb. 23. Krug mit eingeglätteten Verzierung aus dem spätrömischen Gräberfeld von Gazdagrét

Die für das Zeitalter typischen, industrieähnlich hergestellten lokalen Produkte beschränkten sich nun schon ausnahmslos auf das Militär. Die Zivi l­bevölkerung dagegen ging zur selbstversorgenden, hauswirtschaftlich betriebenen Handwerkstätigkeit über. Führender Handwerkszweig war vor allem die Herstellung von Baumaterial, das in Folge von Valentinians Befestigungspolitik in unverän­dert großen Mengen benötigt wurde, da man das Donauknie und den Limesabschnitt von Aquin­cum an beiden Ufern durch kleine Kastelle bzw. Wachttürme befestigte. Auf den für die Bauten benutzten Ziegeln standen ab 372-374 die Namen der Generäle des Kaisers. Die Ziegeleien bzw. Brennöfen waren weiterhin in der zum Legions-lager gehörenden Gebiet tätig, jedoch in weitaus größerem Umfang als früher (FACSÁDY 1997, FACSÁDY 2002/2).

Charakteristische Keramiktypen des Zeitalters sind neben der glasierten Keramik (BONIS 1990) (Abb. 22.) die Gefäße mit Einglättverzierung.31

(Abb. 23.) Letztere verbreiteten sich nach der 378 stattgefundenen, einen historischen Wendepunkt bedeutenden Schlacht bei Hadrianopolis in der Provinz. Auf Grund der wenigen aus Aquincum bekannten Stücke 3 2 dürften sie auch hier vor­wiegend bei den zur Garnison der Wachttürme am Limes gehörenden, meist verschiedenen bar­barischen Völkergruppen (foederati) in Gebrauch gewesen sein.

Ab Mitte des 4. Jahrhunderts ging die Einwoh­nerzahl Aquincums zurück. Nach der Schlacht bei Hadrianopolis (378) brach der Geldumlauf ab, eine wirtschaftliche Krisensituation entstand, und in Folge der Ansiedlung von foederati kam es zu einer beträchtlichen Barbarisierung der Bevölke­rung. Die in den dreißiger Jahren des 5. Jahrhun­derts erfolgende offizielle Übergabe der Provinz

3 1 Zuletzt über einen Herstellungsort der eingeglätteten Kera­mik: K. Ottományi, Eine Töpferwerkstatt der spätrömischen Keramik mit Glättverzierung in Pilismarót-Malompatak. ActaArchHung 48 (1996) 71-133.

3 2 Zum Beispiel von dem spätrömischen Wachtturm am Fund­ort Gasfabrik oder aus dem Gräberfeld Gazdagrét ( Z S I D I 1987, 67). Die Aufarbeitung der späten Keramik von Aquincum wurde noch nicht in Angriff genommen.

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an die Hunnen besiegelte schließlich diese Ent­wicklung. Auf Grund späterer Schriftquellen sowie der archäologischen Funde ist für einzelne Teile der ehemaligen Provinzhauptstadt auch im (in den) folgenden Jahrhundert (en) eine kontinuierli­che Besiedlung für zwei Jahrzehnte nachweisbar,

sogar die täglichen Gebräuche änderten sich nicht wesentlich. Die Möglichkeiten des lokalen Handels und Gewerbes reduzierten sich und wurden in einem anderen Rahmen weiter betrieben.

Klára Póczy, Paula Zsidi

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6.2. GELDUMLAUF IN AQUINCUM

Die vollständige oder um Vollständigkeit bestrebte Aufarbeitung des Geldumlaufs aus Aquincum ist eine alte Schuld unserer Forschung. Als einzi­ger Beitrag erschien 1953 die ungarischsprachige Studie von Tamás Pekáry mit einem Resümee in englischer Sprache (PEKÁRY 1953), deren vorran­giges Ziel es war, die nach einer neuen Methode erfolgende Analyse des Geldverkehrs vorzustellen. Diese berücksichtigte bei der Aufarbeitung des Münzmaterials aus Aquincum nicht die tatsächliche Stückzahl, sondern den jährlichen Emissionsdurch­schnitt, der mittels Dividieren der Zahl der Münzen der einzelnen Kaiser durch die Herrschaftszeit des jeweiligen Kaisers errechnet wurde. Als Grundlage der Analyse diente das bis 1951 ins Münzkabinett Aquincum gelangte, tatsächlich vorhandene, in erster Linie aus Streufunden bestehende Material, mit Ausnahme der Hortfunde bzw. der Münzfun­de von größeren Gräberfeldern. Unberücksichtigt blieben weiters die Nominalien der Münzen. Somit gelangte Pekáry auf Grund von 1458 Münzen zu seinen Schlussfolgerungen, die er in einer Graphik auch mit der ähnlichen Carnuntumer Statistik verglich. Den Geldumlauf in Aquincum betreffend stellte er fest, daß im 1. Jahrhundert nur eine geringe Menge Geldes in unser Gebiet gelangte, mit langsam steigender Tendenz ab der Flavierzeit. Ein beträchtlicher Anstieg kann unter Vespasian beobachtet werden. Während des 2. Jahrhunderts ist der Geldverkehr bis auf die Zeit der Qua-den-Markomannenkriege ausgeglichen. Beachtlich selbst angesichts des Aufschwungs zur Severerzeit ist der größte Münzumlauf unter Elagalabus, der unter Severus Alexander wieder annähernd auf die Hälfte absinkt. Im Laufe des 3. Jahrhunderts zeigt der Geldverkehr große Schwankungen, die weder mit der historischen Situation, noch mit der lau­fenden Degradation des Geldes zu erklären sind. Seinen Tiefpunkt erreicht er während der Herr­

schaftszeit Diocletians. Im Hinblick auf die Menge der im 4. Jahrhundert nach Aquincum geflossenen Münzen darf wegen ihres langzeitigen Gebrauchs und der Tatsache, daß die Münzzufuhr Ende des 4. Jahrhunderts abbricht, auch ihr Fundort nicht unberücksichtigt bleiben.

1968 fasst János Szilágyi, gestützt auf ca. 2700 Stück Münzen, die Entwicklung des Geldumlaufs kurz zusammen (SZILAGYI 1968, 102), wobei er zu einem ähnlichen Ergebnis wie Pekáry kommt. Alle späteren Beiträge, die zur Analyse unter ande­rem auch Münzmaterial von Aquincum heranzie­hen, basieren - mangels Neuerscheinungen — auf der Studie von Pekáry bzw. aus numismatischer Sicht auf mangelhaften Münzpublikationen (FITZ 1978/1, 51, 69, 187; LÁNYI 1979, 187).

Breiteren Raum für historische Rückschlüs­se bieten die geschlossenen Münzfundkomplexe, die mehrzählig auch als detaillierte Publikationen erschienen sind. Im behandelten Forschungszeitraum kam es zu einer Neubewertung des sog. Hortfundes von Lágymányos, die neue Erkenntnisse über das Geldprägen des einheimischen Keltenstammes der Eravisker brachte (TORBÁGYI 1984).1 Sehr wichtig sowohl im Hinblick auf die Rolle Pannoniens inner­halb des Imperium Romanum als auch den frühen Geldumlauf ist der 1898 ans Tageslicht gelangte, im Münzkabinett des Ungarischen Nationalmuseums aufbewahrte und heute leider schon stark dezimierte sog. Schatz der Víziváros (TORBÁGYI 1997-1998/ 1). In seinem derzeitigen unvollständigen Zustand schließt der aus Denaren der römischen Republik bestehende Fund mit einer Prägung des Augustus ab. Bei einer Grabung im Herbst 1994 kam ein kleiner Münzfund zu Tage, der neun Aurei bzw. Münzen des Tiberius, Claudius, Nero und Vespasi-

1 Vgl. den Abschnitt „Eraviskersiedlungen im Raum Aquin­cum" (5.1.).

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an enthielt (TORBÁGYI 1997-1998/2, 175),2

seine Schlussprägung ist eine 69-70 gepräg­te Münze Vespasians. (Abb. 1.)

Ein beim Abriss einer römischen Mauer im Vorraum des Militär­lagers gefundener Hort besteht großenteils aus Denaren, die Traianus prägen ließ (JÓNÁS 1937, 287; L. NAGY 1942/1, 361). Zu dem geschlossenen Fund­komplex gehören Dena­re der Republik sowie Prägungen von Galba, Vespasian, Titus, Domi­tian, Nerva und Traian — insgesamt 29 Stück. Ebenfalls aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhun­derts stammt der Denar-Hort, den man in der Hercules-Mythos darstellt, ein in einem Leinen-Selmeci utca, im Gebiet der Militärstadt, neben säckchen verpackten Hort , dessen Bronzemünzen dem Brennofen einer frühen Töpferwerkstatt ver- Prägungen aus dem Zeitraum von Constantinus borgen auffand (JÓNÁS 1937, 287; L. NAGY I . bis Constantius I I . vertreten (WELLNER 1969, 1942/1, 629). Bei einem Teil der 563 Münzen 271).

handelt es sich um Prägungen aus der Zeit der Vom Gebiet der Zivilstadt wurden mehrere Republik, die meisten Stücke wurden jedoch Münzhorte bekannt. Einen zur Zeit des Gal­unter Kaiser Trajan bzw. Hadrian emittiert (147 lienus verborgenen Fund 4 hat schon Edit Thomas bzw. 135 St.). Im Falle eines aus kaiserzeitli- erwähnt (THOMAS 1955), und auf einen anderen, chen Münzen bestehenden, mit einer Prägung im Zeitraum von Septimius Severus bis Traianus des 3. Jahrhunderts abschließenden Münzfundes Decius angehäuften Hort ging Klára Póczy ein sind weder Fundort noch Fundumstände genau (PÓCZY 1956, 130). Über der Zerstörungsschicht bekannt (FITZ 1978/1, 98) ? Von einem aus 33 eines der Mithras-Heiligtümer der Zivilstadt kam Münzen bestehenden Hort des 4. Jahrhunderts ein im Laufe des 4. Jahrhunderts gesammelter, aus dagegen kennen wir die Fundumstände genau. Bei 80 Münzen bestehender Schatz zum Vorschein.5

den Ausgrabungen in der Meggyfa utca lag auf Sein frühestes Stück ist eine Prägung von Con-einem Fußbodenmosaik, das eine Szene aus dem stantius I I . und die Schlussprägung stammt aus

Abb. 1. Aureus Münzfund aus der Víziváros

2 Vgl . den Abschnitt „Alenlager und Vicus der Víziváros" (5.2.1.1.).

3 P. Kerekes, A budai és mendei római éremleletek [Die römischen Münzfunde von Buda und Mende]. N K 13 (1914) 71 .

B. Kuzsinszky, A legújabb aquincumi ásatások 1887-1888 [Die neuesten Grabungen in Aquincum 1887-11 BudRég 1 (1889) 167. B. Kuzsinszky, op. cit. 166; L . NAGY 1942/1, 376.

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der Zeit des Gratianus. Neben den Münzfunden von Aquincum verdient auch der in einem anderem Mithräum der Zivilstadt (sog. Sympho-rus-Mithräum) gefunde­ne Prägestock unbedingt Erwähnung, der von Klára Póczy detailliert behandelt wurde (BÍRÓ-SEY 1982, PÓCZY 1991/1). (Abb. 2.)

Seit Anfang der siebziger Jahre finden systematische, an Bauarbeiten gebundene Aus­grabungen statt, und die dabei zum Vorschein kommenden Münzen werden ab 1975 fortlau­fend publiziert. 6 Einen Überblick können die publizierten Stücke allerdings lediglich über die jeweils in einer Grabungssaison bzw. einem enger begrenzten Gebiet geborgenen Münzfunde geben. Doch um den Geldumlauf in Aquincum analysie-

Abb. 2. Prägestock aus dem Symphorus-Mithräum der Zivilstadt

ren bzw. eventuelle Unterschiede zwischen den einzelnen Siedlungsteilen registrieren zu können, ist das Material des Münzkabinetts ebenso unver­zichtbar wie eine exakte, numismatische Aspekte berücksichtigende Veröffentlichung des gesondert inventarisierten, und stratifízierten Materials der Grabungen. Diesem Ziel dient auch die gegen­wärtige, von Vera Lányi begonnene Arbeit, der sie sich bis zu ihrem Tode gewidmet hat. Der erwartungsgemäß als FMRU (Fundmünzen der Römischen Zeit in Ungarn) Band erscheinende — etwa 3-4000 Münzen umfassende - Münzka­talog enthält, der Thematik der früheren Bände folgend, die neubestimmten früheren sowie die neuerdings ans Tageslicht gelangten Münzfunde. Diese sind nach kleineren, der römischen Topo­graphie entsprechenden Gebietseinheiten geordnet. Darüber hinaus wird der Katalog Möglichkeiten bieten, die Bezüge des Wirtschaftslebens, die sich in seiner Monetärgeschichte ausdrücken lassen, zu analysieren (FACSÁDY-REDŐ 2003).

Annamária R. Facsády

6 K. Biró-Sey - V. Lányi, Fundmünzbericht 1976. ActaArch­Hung 31 (1979) 392; K. Biró-Sey - V. Lányi, Fund­münzbericht 1977. ActaArchHung 32 (1980) 456-458; K. Biró-Sey — V. Lányi, Fundmünzbericht 1978. ActaArchHung 33 (1981) 350-352; K. Biró-Sey - V. Lányi, Fundmünz­bericht 1979. ActaArchHung 34 (1982) 365-368; K. Biró-Sey - V. Lányi, Fundmünzbericht 1980. ActaArchHung 35 (1983) 348-352; K. Biró-Sey - V. Lányi, Fundmünzbericht 1981. ActaArchHung 37 (1985) 163-167., K. Biró-Sey - V. Lányi, Fundmünzbericht 1982. ActaArchHung 38 (1986) 302-306; K. Biró-Sey - V . Lányi, Fundmünzbericht 1983. ActaArchHung 39 (1987) 74-76; K. Biró-Sey - V. Lányi, Fundmünzbericht 1984. ActaArchHung 41 (1989) 512-514; K. Biró-Sey - V. Lányi - M . Torbágyi, Fundmünzbericht 1987-1988. ActaArchHung 45 (1993) 79-80.

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6.3. ANIMALS AND ROMAN LIFEWAYS IN AQUINCUM

Introduction

Archaeozoology is the study of animal bones from archaeological sites. Although an accepted sub-field of archaeology now, there has not always been such enthusiasm for these 'old bones'. Indeed, while the earliest excavation reports from the Roman Civil Town of Aquincum tantalizingly mention butcher shops in the Civil Town market, no bones were actually studied or even saved from these struc­tures.1 The first research efforts concerned with faunal analysis as a separate field is generally attrib­uted to two Swiss researchers, Ludwig Rütimeyer2

and Jan Ulrich Duerst.3 The first decades of the new century saw a number of limited attempts to use data from animal bones but archaeological excavation and analysis was not yet focused on the sort of economic and subsistence questions to which this kind of find material is more suited.

1 Kuzsinszky, B., Az aquincumi ásatások 1882-1884 és 1889 [Excavations in Aquincum between 1882-1884 and in 1889]. BudRég 2 (1890) 77-160. The erstwhile butcher shop is also touched on in K U Z S I N S Z K Y 1934. The only exception is K. Torma, Az aquincumi Amphiteatrum északi fele. (Jelentés az ottani ásatásokról) [The northern half of the Aquincum amphitheater (Report on the excavations there)]. Budapest, 1881, 100-102 .

2 Rütimeyer, L. , Die Fauna der Pfahlbauten der Schweiz. Neue Denkschr. D. Allg. Schweiz. Ges. D. ges. Natwiss. 19, 1861. Rütimeyer was the first to recognize that there were differences between the bones of domestic animals and the bones of their wild ancestors.

5 Duerst, J. U . , Animal remains from the excavations at Anau and the horse of Anau in relation to the races of domestic horses. In : (R. Pumpelly ed.) Explorations in Turkestan 2. Smithsonian Institution, Washington, 1908, 339-442. Duerst spent three years studying a huge bone assemblage from Anau in Russian Turkestan where he claimed to perceive a reduction in the size and texture of bones during the transition from hunting to domestcation.

The years following World War I I saw the rise of a few important scholars working in particular on problems of Neolithic domestication and produc­tion. 4 In Hungary, Sándor Bökönyi began work in the early 1950's both on questions surrounding the Neolithic development in the Near East and Central Europe as well as on other periods including the first scientific work on the animals of Roman Pan­nónia (BÖKÖNYI 1974). 5 Despite the huge volume of his opus, he actually did very little work on bone material from Aquincum itself, despite the fact that it was situated practically in his own backyard (BÖKÖNYI 1969).

I n the past twenty years archaeozoology has undergone a minor boom as researchers began to pose crucial socio-economic questions about past societies and their lifeways. Indeed, such data studied together wi th supporting traditional types of information on material culture can provide strong proof for the presence of certain kinds of agricultural, commercial, dietary and manufactur­ing activities. Variability in dietary and manufac­turing behaviors can also provide insight into the kind of ever-changing pluralistic society we know to have been characteristic in provincial Roman territories. Indeed, while it is convenient to speak of 'Romans' in the sense of political and social organization, the ethnic composition of ancient

4 For example Frederik Zeuner's basic work on domestica­t ion, Charles Reed in the United States who worked on the question of domestication in the ancient Near East, J. Boessneck who established the so-called "Munich School" again to study domestication processes in the Near East. He also developed some of the basic methods used by archaeozoologists today.

5 Bökönyi, S., Animal Husbandry and Hunt ing in Tác-Gor-sium. Budapest, 1984.

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provincial capitals such as Aquincum must have been complex indeed.6

Archaeozoology has gradually increased in importance until today there are few archaeologists who would consider excavating without gathering the faunal material as well as ceramics and other conventional artifacts. Screening soil is a regu­lar phenomenon at excavations insuring a more well-rounded picture of what animals were actu­ally consumed. This has especially impacted the recovery of the bones of smaller animals such as hare, rabbit, dove, chicken and particularly fish as well as the bones of immature animals, including those of piglets which are significantly less likely to be found. Areas of interest have expanded to cover research into changing and variable prefer­ences in draught, diet and butchery. Researchers are also conscious of problems of interpretation related to taphonomic loss resulting from natural agents, ancient human behavior as well as exca­vation techniques. The 'laundry lists' of species of fifty years ago are now considered somewhat naive starting points and not the goal of research. In order to produce stronger arguments, greater attempts are made to coordinate the archaeologi­cal results with those deriving from the analysis of bone materials. The situation at Aquincum is particularly lucky in this regard. With a special bone and plant macro-rest room having been made available students are now abole to come to study bones from individual sites, speeding the analysis of the enormous material.

6 Fitz, J., The Population. In : (A. Lengyel and G.T.B. Radan eds.) The Archaeology of Roman Pannónia, Budapest, 1980, 141; Mócsy, A., Lakoság és társadalom [Population and society]. In : (A. Mócsy and J. Fitz eds.) Pannónia: régészeti kézikönyve [Archaeological Handbook of Pan­nónia], Budapest 1990, 237-242. Aside from the various aboriginal Celtic tribes, there was a continuous influx of foreign soldiers and their families/followers from Italia, Gaul, Britannia, Africa and the East into Pannónia. Small groups of so-called Barbarians also found their way into the region. Al l these groups must have had impact on agri­cultural tradition, tastes and preferences in food, cults and rituals and designs on bone objects. At the same time, the picture is confused by the need to maintain the symbols and tastes of Imperial Rome itself as the superior, sought after, culture.

The excavations which have been conducted at Aquincum have all been carried out under the aegis of the Aquincum Museum since its found­ing well over one hundred years ago as the first Municipal museum in Budapest (POCZY 1998/2, 219). Bones have been regularly collected during excavations since the 1970s even i f the techniques used may not have been as fine tuned as could be desired. As the sites are slowly analyzed, the opportunity for real collaboration increases since the faunal analyst and the archaeologists find themselves under one roof.

Areas of immediate concern for the specialists studying find materials from Aquincum include farming practices, distribution networks for meat products, dietary practices within social and ethnic groups, supplying the military and craft activi­ties such as the preparation of hide, horn, glue and manufacture of bone/antler/ivory objects. The proportion of the species present at a given town, village or fort, kill-off patterns related to age, butchery patterns reflected by body part distributions and butchery marks, estimations of size and marks of manufacture and use wear on bone ornaments all contribute to the general understanding of Roman Period human-animal relationships. We know about the Roman farming and dietary ideals in Italy, but it is useful some­times to look away from the center when trying to understand the nitty-gritty necessities of life in the provinces, including the region surrounding the capital of Pannónia.

A warning is due, however. The bones found during archaeological excavations usually directly reflect consumption behavior at settlements of most types rather than production related to farming, butchery or even craft activities. Any conclusions concerning farming practices based entirely on bone material from urban settlements or cemeteries must be treated with caution. The most secure picture emerges when faunal data can be combined with other kinds of corroborating archaeological evidence. The converse is true of course true of conclusions based on archaeologi­cal material where burdens of proof also include a look at the archaeozoological picture. The great

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advantage of working in the Roman period is that there is a wealth of epigraphic and pictorial (Fig. 1) information available about animal hus­bandry practices in the empire. 7

Taphonomy of complex sites

While there are numerous advantages to study­ing the bones from well documented complex societies, there are also disadvantages. Material coming from archaeological sites can be modi­fied by contemporary cultural behavior such as preferential selection of which animals should be slaughtered, butchering traditions, cooking cus­toms, garbage disposal and clearing work . 8 Sites in Aquincum range from dwellings of native farm­ers to upper class Romans and legionary officers to public housing, to villa-farms to ditches near workshops to military forts and their surrounding villages. The different customs of people and the various ways the sites functioned all ultimately affect which bones from which species are present and how different butchering traditions affect the form of bones.

Since the soils around Aquincum are condu­cive to preservation being largely alkaline, another main source of bias is related to the continual remodeling which took place at these settlements and the shifting of refuse out of its temporal contexts. Further, the exigencies of rescue archae­ology and a lack of training have meant that until recently few archaeologists had the time and energy to learn how to integrate finer excavation techniques, especially screening, into their excava­tion schedules. This is changing now at many of our excavations.

7 Varro T., Rerum rusticarum libri très. Budapest, 1971. Also, there are numerous stone reliefs depicting animals pulling wagons as well as simple depictions of animals. At Aquincum there are honey cake molds (crustullum) showing Bacchus with a donkey, Hermes with a ram and various triumphal marches with elegant horses.

8 Sciffer, M . , Toward the Identification of Formation Pro­cesses. In : Behavioral Archaeology. University of Utah Press, Salt Lake City, 1995, 177-182. Schiffer discusses the gen­eral processes, both natural and cultural which may affect all artifacts.

Fig. 1. Lithograph from Trajen's column in Rome's Forum showing a cattle, sheep and pig being taken away as war bouty. These three domesticates were the basis of animal keeping in Pannónia province.

Roman animal keeping in Pannónia

In general, it can be said that provincial Romans depended largely on domestic animals for a variety of purposes in contrast to the preceding Celtic period during which meat from wild ani­mals such as red deer and wild boar, was much more important in the diet.

In Pannónia, cattle is overwhelmingly dominant in faunal assemblages, especially from military establishments. Cattle will always be slightly over-represented because their larger bones are rela­tively weaker than compact bones from smaller animals and tend to fragment into more pieces.9

Caprines and pig proportions vary depending on the kind of settlement involved, with more Romanized towns having fewer sheep remains. 1 0

9 Binford, L. - Bertram, J. B., Bone frequencies and attritional processes. In (L. R. Binford ed.) For Theory Building in Archaeology. New York, 1977, 77-152. Bartosiewicz, L . , Faunal material from two Hallstatt Period settlements in Slo­venia. Arheoloski Vestnik 42 (1991) 199-205; Bartosiewicz, L., Interim report on the Bronze Age animal bones from Arslatepe (Malatya, Anatolia). In : (Buitenhuis, H . - Bartosie­wicz L. - A. M . Choyke eds.) Archaeozoology of the Near East I I I . ARC Publication 18, Groningen, 1998, 221-232.

1 0 King, A., A Comparative Survey of Bone Assemblages from Roman Sites in Britain. Bulletin of the Institute of Archaeol-

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A number of Roman period researchers have concluded that cattle (Bos taurus L.) were used mostly for haulage, milk and manure in the same way as was customary in the Mediterra­nean area.11 Beef was particularly important in providing meat supplies for the military. 1 2 Large breeds of cattle appear with the Romans although there has been discussion (BÖKÖNYI 1974, 46) as to whether this is a result of better keeping techniques or improved breeding. 1 3 I t seems clear that these larger breeds are usually found on the great estates of rural Pannónia province where their superior strength would have been important in plowing large fields and hauling over greater distances. Cattle were usually slaughtered at a mature age once they were too worn out for work or their milk production had dropped. Beef, posssibly in a form processed for preservation, was a small but important part of provisioning at military forts and fortresses in the province.1 4

Manure for fertilizer must have been a particu­larly important by-product of this species. Other

ogy 15 (1978) 207-232. King showed that in Roman Britain there was a progressive decrease of caprine remains relatve to those of pig and that more Romanized settlements tend to have more pig bones. In Pannónia, comparison of material from a wide variety of sites showed similar trends. However, there also tend to be more wild animals at military sites. See: Bartosiewicz, L., Animal bones as indicators of continuity at Roman Provincial sites. Antaeus (1990-91) 103-124.

1 1 Maltby, M . , The animal bones from Exeter 1971-1975. Exeter Archaeological Reports 2, Sheffield University, Department of Prehistory and Archaeology 31, Sheffield (1976); Davis, S., The Archaeology of Animals. B.T. Bats-ford L td , London, 1987, 183.

1 2 K I N G op. cit. 15. 1 3 DAVIS op. cit. 1988, 183. Bökönyi early on in his career

also identified a large number of wild cattle bones (Bos primigenius Boj.) at the Albertfalva Castrum which was probably inflated. Not as much was known about the large Roman breeds of cattle then so that some of the bones may have been misidentified. Never the less, bones of aurochs are more common at military forts and rural settlements than in urban centers. There is only one bone from this wild species in the bone assemblages from Aquincum - a distal femur from an immature animal.

1 4 For example at the limes forts of Acs-Vaspuszta, Campona and Albertfalva.

1 5 Fitz, J., Economic Life, In : (A. Lengyel and G.T.B. Radan eds.) The Archaeology of Roman Pannónia, Budapest,

important products derived from cattle included hide, 1 5 glue from hooves, horn and worked bone objects.

Sheep (Ovis aries L.) were much more common than goat at settlements in Pannónia. Sheep seem to have been primarily exploited for their w o o l . 1 6

They were exported from various parts of Pan­nónia to Siscia although sometimes lambs were slaughtered for a better class of meals. The Roman sheep are generally larger than the native Celtic ones in Pannónia (BÖKÖNYI 1974, 178-179) and it is likely they produced a medium fine wool similar to modern day Cotswald sheep. Goats (Copra hircus L.) seem to have been much less important than sheep in the diet although their sizes also increase compared to the native Celtic varieties suggesting that improved forms were introduced into the province as well. The first hornless goats appear during the Roman Imperial period in Pannónia, probably as imports.

In Italy, newborn and juvenile pigs (Sus domes-ticus Erxl.) were considered a delicacy with a large number of recipes devoted to pork prepared in many and varied ways.1 7 This too seems to have been the case in Pannónia. At one great villa farm at Nemesvámos -Balácapuszta, a cellar has been preserved with over 4000 bones from young suck­ling piglets. It is clear that the animals' carcasses were being prepared in this cellar before it was

1980, 325. Round wood-lined pits from Aquincum have been interpreted as the remains of tanneries.

1 6 F I T Z J. op. cit. 325. One of the centers of wool process­ing was in Siscia where wool from the Karst region was brought in and processed. Mócsy A., Ólom árucímkék Sis-ciából [Lead labels from Siscia] FolArch 8 (1956) 5—87.

1 7 Apicius, Cookery and dining in Imperial Rome. Dover Pub­lications Inc., New York, 1977. Apicius may have lived in the time of Tiberius [42 BC.-37 A . D . ] although there are two other individuals known for their culinary dedication who may have set down the recipes found in this book. Apicius' chapter on sumptuous dishes (Lib .VII . Polyteles), including delicacies such as spayed sow's womb (vulvae ster­iles), cracklings, pork skin, tenderloin, tails and feet (callum, lumbelli, coticulae, ungellae), fig-fed pork with wine sauce (in ficato oenogarum), pork cutlets, hunter style (offellae aprugneo more), suckling pig paunch (ventrem porcinum) and ham (pernam). O f the meat dishes in that chapter two thirds are made from various parts of the pig carcass.

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suddenly abandoned.18 The high regard for pork as a commodity (BÖKÖNYI 1974, 219-220) is perhaps also reflected in the fact that pig bones may be found associated wi th ritual offerings in cemetery materials. It seems likely that pigs were kept as live animals at military centers in Pan­nónia and slaughtered according to need. 1 9

Horse (Equus caballus L.) and other equids such as ass and donkey (Equus asinus L.) are more commonly found in settlements where haul­ing was important. Since equids were not eaten, except possibly in moments of great food stress, it is hardly surprising that their remains are only rarely encountered in civilian urban centers. Hors­es were kept by the Celts. Their goddess of fertil­ity, Epona, later taken onboard by the Romans, is customarily shown on horseback or surrounded by mares with foals. Despite their small size, Celtic horses were apparently looked upon wi th favor by the Romans for their sturdiness. Germanicus received a supply of them in A.D. 15 while he was campaigning against the Germans.20 Romans also imported and bred larger horses.21 From depictions on gravestones from some of the tombs lining the main roads in Aquincum it can be seen that these animals had a higher status than other equids, always occurring as the mounts of officers and cavalrymen. A bio-metric study was carried out on three almost complete adult horse skel­etons (A.D. 2 n d -3 r d century) from the edge of a

1 8 Vörös, I . , Allatcsontok [Animal bones]. In : (ed. Bíróné Sey K. et. al.) A balácai villagazdaság főépületének pincéje. [The cellar of the Baláca villa-farm's main building] Balá­cai Közlemények I I , Veszprém, 1992, 270-272. BÖKÖNYI 1974 says that various kinds of hams and sausages were known to have been produced by the Romans.

1 9 Lauwerier, R., Animals in Roman Times in the Dutch Eastern River Area. Nederlandse Oudheden, 12, Groningen, 1988.

2 0 Tacitus, Annales I I , 5, Budapest, 1970. 2 1 According to BÖKÖNYI 1974 Varro and Columella were

the two Antique writers who discussed the questions of horse breeding most thoroughly, including questions of feeding, testing of stallions, selection of mares and the various diseases afflicting these animals.

2 2 Lyublyanovics, K Size variability in three Roman period horses from Aquincum. I n : (ed. D. Ruscillo) Aging and Sexing, Oxbow Books, Oxford (in press).

field outside the limes calvalry fort at Albertfalva.2 2

Lyublyanovics determined that all three horses were stallions although the large size suggest they may have been geldings. Wither height estimations based on metapodial bones suggest that these horses belong to the large military of horse and that the phenotypic variability results from mixing of large Italian horses with a local horse stock. The horses can be described as heavily built. The average wither height for Roman military horses has been estimated (BÖKÖNYI 1974) at 142.9 cm although the 144 horses studied from Tác-Gorsium had an average withers height of 139.07 cm. 2 3

Mules and asses were important animals for the military in hauling equipment and supplies and in draught in general. Asses definitely can be considered imports from the Mediterranean area since they cannot be found (and by defini­tion neither can mules) in this region before the Roman conquest. They were traditionally used to run reaping machines and mills. 2 4 Asses milk was held to have purgative value and was also used as a beauty treatment for high society women.

Dogs (Canis familiáris L.) present a very variable picture during this period in Pannónia depending on whether one considers the animals kept by the native Celtic populations or the vari­ous breeds of dogs used by the Romans them­selves. These latter dogs ranged in size from small lapdogs with thin legs, probably household pets in wealthy families, to strong German shepherd-size animals. It is thought, for example, that up to six breeds of dog may have lived in the town of Tác . 2 5 Most dogs however, were small to medium size and probably looked much like the pariah dogs of Eurasia. Larger dogs were probably used as herding or watch dogs. Many of the larger dogs were certainly used by the upper classes in hunting (in spite of the fact that so few bones

2 3 Bökönyi, S., Animal Husbandry and Hunt ing in Tác-Gor­sium. Budapest, 1984, 6 1 .

2 4 Toynbee, J. M . C , Animals in Roman Life and Art, Ithaca, New York, 1973, 15, 196, 295. Also see: White, K D. , Roman Farming, Thames and Hudson, London, 1970.

2 5 BÖKÖNYI op. cit. 18, 23, 66.

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from game appear on Pannonian sites). There are indications that the Emperor Hadrian, during his tenure as governor of Pannonian province, hunted boar there 2 6 using hunting dogs. Dogs were also used from time to time in cultic rituals 2 7 and appeared as symbols of death and healing. 2 8

Cats (along with domestic rabbit) are also found for the first time in this region on Roman sites. They were probably used as much for killing ver­min in the close quarters of towns as pets. There were exceptionally large numbers of cat bones recovered during the excavations at the town of Tác-Gorsium. 2 9 Their bones are small and, aside from the fact that they may not have been par­ticularly common animals in the province, rough excavation techniques mean that they are rarely encountered in faunal materials from this time.

Three domestic bird species were exploited by the Romans in Pannónia: domestic hen (Gal­lus domesticus L . ) , goose (Anser domesticus L.) and domestic pigeon (Columba domesticus L . ) . Chickens were brought by the Scythians to the Carpathian Basin and taken up by the Celts. Roman chicken breeds were larger than aboriginal ones which may have weighed between one and one and half kilograms. Today, a breed of black chicken found in Romania with a live weight of around 1.5 kilos are thought to be the descen-dents of Roman chickens.3 0 The Roman birds could weigh as much as two k i lo . 3 1 Varro and Columella wrote down accurate instructions for their keeping, forage and the construction of hen houses although traces of these are not preserved

2 6 F ITZ, J. op. cit. 324. 2 7 Vörös, I . , A Ritual Red Deer Burial from the Celtic-Roman

Settlement at Szakály in Transdanubia. ActaArch Hung 38 (1986) 31-40.

2 8 Toynbee op. cit., 122-124., descibes the votive offerings wi th depictions of dogs on them left by pilgrins at the cult center for healing of the Roman-Celtic God Nodens in Gloucestershire in Britain.

2 9 BÖKÖNYI op. cit. 65. 3 0 Dr . Miklós Mézes (Szent István Agricultural University,

Gödöllő), personal communication. This breed of chickens, in addition to its small size, is genetically distinct from all other modern chicken breeds in the region.

3 1 BÖKÖNYI op. cit. 94.

in the archaeological material. Goose bones are much less common in the faunal assemblages of Pannonian sites than those of chicken. Again, we hear of goose from Varro and Columella and indeed this bird species is mentioned quite often by Antique authors. Romans may have introduced force feeding of geese to produce enlarged livers. Goose fat was used in many medicines. Finally, although we know that Romans kept domestic pigeons, their relatively small bones are exceed­ingly rare on sites in the province. This may be because they were actually rare, their bones were somehow destroyed during food processing or they are not being recovered in the absence of screening. Domestic pigeon remains have been found elsewhere in the empire, however,3 2 espe­cially where care has been taken to screen.3 3

The most common wild animal species found at provincial sites is Red deer (Cervus elaphus L . ) . It is likely that a combination of climatic changes and shrinking environments relative to expanding agricultural territories reduced the deer population. The Celts hunted this animal widely and it appeared to have had some place in Celtic mythology. Sacrifices of red deer have been found buried in pits on Celtic-Roman sites in the province. 3 4 In Roman times, it ceased to be an important meat animal in the province and was hunted by the upper classes for sport. Many of the remains from this species occurs in the form of fragments of the antler rack which stags shed in the Spring. A number of workshops with half-finished objects made from antler,3 5 as well as

3 2 Schibler, J. - Furger, A., Die Tierknochenfunde aus Augus­ta Raurica (Grabungen 1955-1974). Forschungen in Augst, Band 9, Augst, 1988, 22.

3 3 LAUWERIER op. cit. 22. A sieving experiment was car­ried out by this Dutch researcher on soil from five pits at the Roman perod site of Nijmegen. Various bird species were recovered along with fish remains that belonged to five species.

3 4 VÖRÖS op. cit. 31 , 40. 3 5 Choyke, A. M . , Modified animal bone. In: (D . Gabler

ed.) The Roman fort of Acs-Vaspuszta (Hungary) on the Danubian limes. Part I I . BAR 531, Oxford, 1989, 624-632. Vörös, I . , Campona-Nagytétény római tábor állatcsontma­radványai [The Animal Bone Remains from the Roman Fort at Campona-Nagytétény]. FolArch 40 (1989) 75-118 here

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microscopic analysis of carved 'bone' objects from Aquincum have shown that antler was quite an important raw material for artisans in Pannónia as elsewhere in the Empire 3 6 . Organized gather­ing trips, possibly controlled by the producers of worked bone and antler objects, were probably arranged each Spring to collect antler from partic­ular territories where the red deer stags regularly shed their antler racks. Individual workshops may have had rights to particular gathering territories to insure supplies of this valuable raw material.

Another wild species which occurs on Pannoni­an sites is the European brown hare (Lepus euro-paeus Pali). Hunting this species became quite popular during the Period of the Roman Empire and its meat was considered tasty. There is evi­dence from Augusta Raurica that young hares were kept in enclosures called leporaria and hare bone is found from time to time in the mate­rial of Pannonian excavations.37 So far, however, there is no evidence for organized hare keeping in Pannónia. Again, there would be a bias against finding the small bones of this species in the absence of fine excavation techniques. Bones from domestic rabbits (Oryctolagus cuniculus L . ) , which the Romans certainly brought into the provinces for the first time, have not yet been recognized in Pannonian Roman faunal assemblages. The

85. Campona is one of the auxilary forts on the Danube river. It was established by the ala I Tungrorum Frontoni-ana in the 2 n d century, destroyed during the Marcomannic Wars in the end of the 2 n d century and rebuilt afterwards. The workshop comes from this second period and contains several antler roses and rectangles of antler waiting to be worked into various tools.

3 6 Deschler-Erb, S., Römische Beinartefakte aus Augusta Raurica. Forschungen in Augst 2 7 / 1 , Augst, 1998, 59-60 . This is the first serious attempt to try and distinguish between the raw materials used to make bone, antler and ivory artifacts.

3 7 TOYNBEE op. cit. 200. Varro describes these enclosures on the country estates of late republican times as being carefully fenced in and carefully planted in grass and shrub in which the hares could hide. Organized hunts w i t h bow and arrow sometimes took place. Hare meat was considered a delicacy and they were sometimes made into pets. Hares are occasionally depicted on Pannonian Samian ware and on stucco molds.

Romans themselves did not distinguish between hare and rabbit as separate species.

Finally, it is known that larger farm estates in the province had fishponds. Varro describes such freshwater ponds (dulces) on latifundia in Italy. There is a well- preserved dam at Kikeritó in western Hungary which was used to block off a small valley. Another pond bed was found to the north of Tác-Gorsium. Fish were considered delicacies and a staple of Roman cuisine. It is a certainty that wild fish were also caught. Due to rough recovery methods, the only bones usually found come from mature specimens of the larger fish species for example, pike (Esox lucius L . ) , carp (Cyprius carpio L.) catfish (Silurus glanis L.) and even sturgeon (Acipenseridae) . 3 8 There are many Roman fish recipes, and given the proxim­ity of marshland and rivers to settlements it does seem likely that with the introduction of screening and flotation techniques a clearer picture of fish exploitation ponds as well as freshwater fishing customs in Pannónia wi l l emerge.

Luxury foods such as oysters, and song birds would also have bee consumed by the Roman elite in Pannónia as elsewhere. However, the latter have not yet been found anywhere in Pannónia and wil l not be until dry and wet screening and even some flotation is seriously and regularly employed on excavations. However, there is an example from Augusta Raurica in Switzerland where the archaeozoologist carefully sampled soil from a elegant house in the town center. Among the bones of the usual meat animals appeared remains from tiny song birds whose tongues were supposedly eaten by the discerning 3 9

3 8 Bartosiewicz, L., Animal remains from the fort. In: (D. Gabler ed.) The Roman fort of Acs-Vaspuszta (Hungary) on the Danubian limes. Part I I . BAR 531, Oxford, 1989, 600—623, here 614—615. Fish species found at this Castrum located near the Danube river include the common carp (Cyprinus carpio L . ) , pike (Esox lucius L . ) , pikeperch (Sti-zostedion lucioperca L.) and great sturgeon (Huso huso L . ) . Although, this latter fish species is now found only in the lowermost reaches of the Danube it is known to have been fished extensively in medieval times in Hungary, prior to the construction of mid 20 t h century hydroelectric dams.

3 9 SCHIBLER-FURGER op. cit. 225.

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Aquincum - the town and its territórium

Aquincum can be thought of as having existed in three parts: The legionary fortress around with the Military Town, the Civil Town and the surround­ing territórium.40 Examination of the animal bones from a variety of locations indicate that animal consumption customs differed according to social status and ethnic affiliation. For example inhabitiants of 'suburban' villages slaughtered their own animals and butchered them in a way that would have been familiar to their Celtic ancestors. The bones from these village sites represent all body parts of the slaughtered animals indicating that they were butch­ered on the spot. The bones themselves display the spiral fracturing characterisic of prehistoric fractured animal bone. (Fig 2a) In the Military Town, meat was procured from a centralized butcher. Thus, body parts are selected and the bones display regular chopping marks (Fig. 2b) The presence of half-finished worked bone products shows that there were bone manufacturing workshops scattered in the more industrial sections of the town. (Fig. 8)

The faunal remains found in the Civil Town come mainly from older animals who must have been brought to the edge of town to be slaugh­tered once they were too old to be useful. Cattle predominates. After being slaughtered, skinned and roughly divided they were brought to centralized butchers in the town to be chopped and filleted into the parts and sizes which fit the traditional pots employed in Roman cuisine, as exemplified by Epicius. Only the house of Marcus Antonius Victorinus4] contained the remains of piglets and lambs, reflecting his wealth and a more refined taste. Bones have also been studied from the area of the southern townwall where the so-called Fireman's collegium headquarters42 was located.

A small amphitheater north of the Civil Town was built during the A D 2 n d century to hold the­ater performances, gladiator fights and political

4 0 Detailed information on the layout of Aquincum can be found in this volume in the "Topography" chapter (5.).

4 1 Unpublished excavation O. Madarassy 1989-1991, Plan 6, Nr. 48, 58 and Plan 7, Nr . 1, 14.

4 2 Z S I D I 1997/4.

Fig. 2. a. Bone broken in traditional manner resulting in spiral fracture compared to b. a bone chopped by a Roman butcher

gatherings. Serious excavations there in the 19 t h

century 4 3 by Károly Torma 4 4 recovered a large number of remains from animals, mostly outside the walls of the arena. While bones from upper layers probably post dated the Roman occupation, three groups of bones found clustered together are worth mentioning: dog bones by the 3 r d sup­porting pillar, horse and oxen bones by the 7 t h

supporting pillar and autopodial bones from cow, mule, roe deer, wolf and wild boar together wi th scattered bones from horse, domestic pig and dog. The presence of wild animals in exactly this spot is surely of some significance since such finds are virtually non-existent elsewhere in Aquincum. The author also suggests that some of the bones may be from European bison which could not be indentified because of the lack of comparative specimens in the University compara­tive collections. The bones themselves have long since disappeared. The area stretching from the eastern edge of the Civil Town to the port on

4 3 The analysis of the material was carried out by Mr. József Szukáts and the identification of the bones by dr. Tivadar Margó.

4 4 TORMA op. cit. 100-102.

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the Danube was an industrial area where activities such as pottery manufacturing and blacksmithing, crafts employing fire and therefore dangerous in the close confines of the own itself, were carried out. There is a little evidence of local bone or antler working in the form of half-finished pieces. It may be presumed that glue and hide processing were also important crafts although again, little direct evidence has been preserved.

A series of middle-sized (between 1 and 10 km 2 ) villa-farms and villa-manufacturing locals were situated on the floodplain of the Danube stretching towards the Buda hills. With the excep­tion of areas south of Gellért hill and north of Arany hill, from the Buda hills to the Danube there was only a limited amount of land truly suitable for agriculture (PÓCZY 1971, 85, 91) . 4 5

At some of these villa's it appears that whatever meat was being eaten came from the centralized butchers of the town rather than being slaugh­tered on location.

These villas are not to be confused wi th the luxury buildings located in the Buda hills which were places of relaxation for the Roman elite. One notable example is the villa of the aforementioned Marcus Antonius Victorinus which was found by chance during earth-moving work in the hills in a suburb of Budapest some 12 km from the Civil Town 4 6 where he also had a house. While one would expect a variety of luxury foods to come from the kitchen middens of such a villa given what was found at his house in the Civil Town mentioned above, however, the site was excavated at a time when animal remains were not being carefully saved so that we can only imagine the kinds of foods which would have been consumed at this wealthy, powerful man's table.

4 5 On the basis of finds of inscriptions and villa remains it would seem that the estates were from 5 to 8 k m 2 . After the Marcomann wars many of the inscriptions from villa-farms are oriental.

4 6 Póczy, K., Aquincum: The Roman Town in Budapest, 2 n d

edition of the guide to the permanent exhibition, Budapest History Museum, 36. He and his wife Ulpia Spectata raised an altar to Terra Mater, a fertility goddess. A hoard of some 2236 silver coins was also found buried here, almost certainly the family fortune.

Forts near Aquincum along the limes

Aquincum with its legionary fortress occupied an important position along the Danubian limes or border of the Roman Empire for 400 years. In addition to the protection offered by the forces of the legion there were a series of forts spaced out along the banks of the Danube which played an instrumental role in the Romanization of the local population. The soldiers stationed at them would have brought some of the culinary tastes and traditions from their own native lands.

Each of these forts was surrounded by its own settlement or views. Two of these are worth par­ticular mention because they have been extensively excavated and the faunal materials analyzed. Both provide an interesting counterpoint to dietary hab­its at civilian settlements in and around Aquincum itself.

The fort at Albertfalva (the original Latin name is not known) held one thousand eques­trian troops Remains of meat provisions and an increased number of wild animals were found here (BÖKÖNYI 1974, 351). Domestic equids were also relatively common in the faunal assem-blege from the vicus. The remains of a number of horses were found buried around what would have been an open field near the fort. A metric analysis has been carried out on these skel­etons. 4 7 There was a civilian settlement which spread out around the fort from which we also have faunal material. Excavation has been carried out i n areas northwest, southwest and west of the fo r t . 4 8

The Roman fort at Campona was also located on the west bank of the Danube several km upstream from the Albertfalva encampment. The fort itself measured 178 by 200 meters and was also surrounded by a vicus. A similar situation in terms of meat consumption practices was found here as at the neighboring Albertfalva fort. The remains of a small antler tool workshop represents an outstanding find from this site.

4 7 LYUBLYANOVICS op. cit. 4 8 See in this volume the chapter "Castellum and Vicus at

Albertfalva" (5.2.2.1.).

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Recent excavation work and the faunal material

Faunal material from the spate of rescue exca­vation either awaits analysis or is currently under analysis but the simple mass of finds means that inevitably backlogs will buildup. However, the poten­tial for comparing the faunas exploited at contempo­rary sites of different kinds has perhaps never before existed. Furthermore, sudents have begun to take on individual site materials for their diploma work in the newly established 'bone' laboratory which should eventually help alleviate some of these problems.

At the same time, as a result of the pressures of rapid excavation, a separate trend may be observed. On the one hand, it is sometimes neces­sary to work in the mud and cold - no chance here for the niceties of excavation techniques. On the other hand, archaeologists are adopting new recording techniques4 9 and screening as a response to the need to producing reports quickly. There is reason here for a great deal of optimism for the more efficient processing of the animal bone material as well.

Animal keeping in the territórium around Aquincum

It cannot be sufficiently emphasized that saying anything about animal keeping around Aquin­cum and the role of animals in the economy of the surrounding middle sized villa-farms is very problematic i f the only source of information is faunal remains. Faunal remains directly reflect modes of consumption and only very indirectly tell us something about production traditions. Before they arrive on the archaeozoologist's table, bones pass through numerous filtering processes: primary and secondary butchering, re-distribution to indiviual households and workshops, natural destruction and excavation methods. All of these may bias any attempt to extapolate back to the original live animal in a herd.

4 9 For example, the Harris matrix recording technique. Regu­lar examination of macro remains of plants adds a new dimension to our understanding of the dietary customs of different peoples.

The faunal assemblages which have been ana­lyzed to date, originate from sites in the Civil Town, a mithraeum in the legionary fortress5 0, a cemetery51, south of the Military Town 5 2 , the area of a 1 s t century fort and stone building located north of the Military T o w n 5 3 and two nearby military forts on the limes.54 Some of these mate­rials have been published others not. Differences between different kinds of sites may be seen in the graph. (Fig. 3) Quite a number of the bones have been identified but not analyzed so many of the remarks must rely on impressions of special features gathered during identification work.

What little information can be gleaned con­cerning animal keeping practices around and in Aquincum. A hint about cattle keeping at any rate comes from the bones found at the Firemen's Headquarters in the Civil Town. In the first place, the overwhelming majority of the cattle bones recovered here come from mature animals, as is the case in general on Pannonian sites. Furthermore, where sex could be determined (on horncores and complete metapodials) most of the animals brought to Aquincum were cows.

Eleven complete metatarsals, preserved in full length, 5 5 could be used in estimating the stature of Roman Period cattle from this site. According to the small values of relative proximal breadth (expressed as the % of greatest length, "Nobis index"), all metatarsals originate from cows 5 6

which were of small and medium size respec-

5 0 House of the tribunus laticlavius KOCSIS 1991. 5 1 Budapest, Ladik street: Z S I D I 1997[1998]. 5 2 Budaújlak 6 Kolossy Square Unpublished excavation from

E. Márity, 1993. 5 3 Budapest, Filatorigát ZSIDI 2002/2 . 5 4 Albertfalva S Z I R M A I 2002/2, 2 0 0 3 / 1 . , Campona, excava­

tion of Ferenc Fülep, 1949-1957, 1960, Fülep F., Pannó­nia Research in Hungary, Aquincum. In: (A. Lengyel and G.T.B. Radan eds.) The Archaeology of Roman Pannónia, Budapest, 1980, 33-56.

5 5 Measurements after Driesch, A., A guide to the measure­ment of animal bones from archaeological sites. Peabody Museum, Bulletin 1, Cambridge, Massachusetts, 1976.

5 6 Nobis, G , Ur- und frühgeschichtlicher Rinder Nord- und Mitteldeutschlands. Zeitschr. f. Tierzüchtg. u.nd Züchtungs-biol. 63 (1954) 155-194. The value o f the Nobis index is greater than 24% for bulls and should be at least 2 1 % for

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50%

• domestic hen E3dog • horse

• p i g • sheep/goat • cattle

Period 1 = 103 Period 2 = 3 9 Period 3 = 67 Period 4 = 53 Period

Period and N1SP

Fig. 3. The percentile contribution of domesticates at three different types of sites

tively. Only two of the horncores found at the Firemen's Headquarters site came from bulls. None were from oxen.

These proportions as well as the dearth of juvenile individuals strongly suggest that cattle were not raised exclusively for meat. That cows were also used in draught work is shown by two horncores from cows which came from a trench running along the southern wall of the Civil Town. These cores had indentations on their bases resulting from intensive yoking. A relatively few horncores from this same trench came from oxen which would have been valuable in hauling heavy loads as well.

The withers heights of the animals from the Firemen's Headquarters show that, with the exception of three animals, these animals were small, falling below the minimum withers height calculated for Roman breeds in Pannónia (between 120-140 cm) 5 7 but well within the range

oxen, the presence of these latter, however, could not be identified on a morphological basis.

5 7 BÖKÖNYI op. cit. 128.

of Celtic cattle. These measurements suggest a scenario in which local peasants brought their old dairy cows (these animals would also have been used for haul­ing) to the edge of the town where they were slaughtered, a messy job not suitable for the densely inhabited town. The roughly sectioned carcass could then be brought into a butcher-shop where it could be further processed. The picture differs some­what from the medium and large Roman cattle breeds more typically found in rural settle­ments related to large

estates.58 The floodplain between the city and the Buda hills was large enough to support small farms but perhaps the smaller Celtic breeds would have been, by and large, strong enough to do the work on them as well as to ultimately provide a supply of meat and milk to the town. This would explain the generally small size of cattle from refuse deposits in the Civil Town. (Tab. 1)

Small numbers of sheep and goat were also kept in the territórium around Aquincum. The former were certainly kept for their wools and both species for their meat. These animals had a

5 8 Vörös, I . , Animal bone finds from the Imperial settle­ment o f Balatonaliga (in Hungarian). A Veszprém Megyei Múzeumok Közleményei. 19-20 (1993-1994) 195-214. He found that juvenile cattle had a withers height of between 120.0—130.0 cm, adult cows had a withers height between 125.4—127.0 cm, the single bull had a withers height of 137.7 and their was an oxen with a withers height of 136.7 cm. These were strong boned animals of medium to large size chiefly used in plowing and transport. Interest­ingly enough an actual i ron plow blade was found in the excavations. It was badly worn with a shovel shape typical for heavy plows of this period.

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Period and Size category

Age Greatest length, mm

Proximal Breadth, mm

Nobis index, %

Withers Height 1, mm

Withers height 2, mm

Period 1 Small Adult 210.0 46.0 21.90 1121.4 1182.3 Medium size Mature 240.3 47.5 19.77 1283.2 1352.9 Period 3 Small Mature 215.4 43.6 20.24 1150.2 1212.7 Small Adult 203.6 42.0 20.63 1087.2 1146.3 Small Adult 201.5 41.8 20.74 1076.0 1134.4 Small Adult 212.2 45.0 21.21 1133.1 1194.7 Small Adult 210.0 44.5 21.19 1121.4 1182.3 Period 4 Medium size Mature 244.2 51.7 21.17 1304.0 1374.8 Small Mature 211.1 39.0 18.47 1127.3 1188.5 Period 5 Medium size Mature 227.0 48.6 21.41 1212.2 1278.0 Small Adult 204.5 41.3 20.20 1092.0 1151.3

Mean value, mm Standard deviation, mm Coefficient of variation

1155.3 77.6

0.067

1218.0 81.8

0.067

Tab. 1. Distribution of the size, age and withers height calculations based on the basis of the grea­test length of complete bones from the Fireman's headquarters site in the Civil Town. Withers heights were estimated using coefficients developed by Calkin,59 Matolcsi (withers height l)è0 and Boessneck (withers height 2)61 respectively. The Nobis index reflects the sex.

certain economic importance as meat animals for the elite since bones from more elegant dwellings in the Civil Town show that lamb meat was also purchased. The practical Romans undoubtedly skinned these after they were slaughtered. These hides (and bones for tools) would then have been processed for leather. There is no evidence that this was a regular activity in the same way as for cattle. The relative lack of skull elements from sheep or goat also shows that the animals may even have been slaughtered at the farm and the butchered carcasses brought into the town for sale. The meat from sheep seems to have been prefered among certain ethnic enclaves in Aquincum as seen from food offerings left at a cemetery for people from Northern Italy which will be discussed in detail later.

Pig is exclusively exploited for its meat. Typi­cally, pigs are kept and fattened as household animals although the pigs may be gathered and taken out to for age rather than being penned. Pork was considered an important element of the

diet, especially the meat from young animals. The large litter sizes of pig made it easier to procure this latter delicacy.

An interesting aspect related to animal keeping on villa-farms concerns a small but very suggestive bone material from the Kaszásdűlő - Csikós street

5 9 Calkin, V., Izmenchivost metapodii i eo znachenie dla izuchenia krupnogo rogatogo skota. (Metapodial varia­tion and its significance for the study of ancient cattle). Biull. Mock. Obshch. Ispit. Prirodi, Otdel. biol. 65 (1960) 109-126.

6 0 Matolcsi, J., Historische Erforschung der Körpergrösse des Rindes auf Grund von ungarischem Knochenmate­rial. Zeitschrift für Tierzüchtung und Züchtungsbiologie 63 (1970) 155-194.

6 1 Boesseck, J., Ein Beitrag zur Errechnung der Widerristhöhe nach Metapodienmasse bei Rindern. Zeitschrift für Tier­züchtung und Züchtungsbiologie 68/1 (1956) 75-90. These works have been summarized Bartosiewicz, L. , Sexual dimorphism of long bone growth in cattle. Acta Veternaria Hungaricae 3 2 / 3 - 4 (1984) 135-146. The coefficients devel­oped by the first two authors for Kalmük and Hungar­ian Grey respectively result in somewhat smaller estimates than the values recommended by Boessneck. This is due

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site. 6 2 (Fig. 3) This site was discovered during ground leveling work by bulldozers lying about 1/2 km from the Aquincum Civil Town. It belongs to the category of small industrial villa-farms from the AD 3 r d and 4 t h centuries. These more indus­trial type villas produced goods with slave labor such as metal objects, bricks and ceramics for the markets of Aquincum. In this case, a metal workshop or smithy was discovered adjacent to the main building. The sparse animal bones come from outside the walls of this building.

Considering that this villa complex was occu­pied for at least 150 years there are remarkably few bones from this part of the site. The speed and intensity of deposition was very low 6 3 . Most interesting as far as the question of animal keep­ing is concerned is the fact that the majority of the bones from food refuse were from parts of carcass low in meat quality. The bones of cattle show the unmistakable chopping marks character­istic of carcasses prepared in the butcher shops of the town. As far as it is possible to tell the cattle bones were mostly from small local animals. While sheep, goat and pig may have been kept at the farm in small numbers it is clear that someone else other than the people working the smithy were getting the higher quality meat cuts. Common people in any case were probably more dependent on plant foods such as grains, legumes, fruits and vegetables in their daily diet.

Suprisingly, only a single dog bone was found in the refuse bone of the villa. At the same time, there is other bone material from the stone build­ing located near a Roman cross-road, on the mod­ern Kolossy square, 1/2 k m south of the Military

to the fact that while Calkin and Matolcsi used series of unimproved cows, Boessneck worked with the mixed group of reference animals that also included modern animals whose distal extremity segments are relatively shorter even in cows.

6 2 The material from this site has been analyzed but not pub­lished by the author. All the information in the following section come from these notes.

6 3 This is expressed by the restricted area where bones were found and their weahered surfaces showing they were not bur ied immediately as was typical within the town of Aquincm.

town amphitheater, where a good number of dog bones was recovered. These were Airdale terrier-size animals who must have been used as guard dogs. Dog bones are encountered from time to town at sites in the Civil Town. Most of these are small-medium size dogs with thin legs. Since there is no evidence for dog's gnawing bones in the faunal assemblages from the towns, it is clear that dogs did not run free in Aquincum's streets. There is one bone from a large dog, German shepherd size, and a few from lap dog size animals. Only one cat bone, an extremity bone, has been recov­ered from all the Aquincum faunal assemblages.

However, as can be seen on the compara­tive graph (Fig. 3) there were large numbers of 'horse' bones present in the Kaszásdűlő-Csikós street villa. While none of the bone was from ass it is not possible to say with absolute certainty whether the elements present come from horse or mule. 6 4 These animals were certainly used to carry or haul goods around and to and from the villa. They were not eaten and the fact that they died at the villa is shown by the presence of bones from all parts of the skeleton.

During the course of the analysis of animal bones from a small Avar settlement65 faunal material from a small 2 n d -3 r d century bath building from settle­ment north of the Military Town were also identi­fied. Material from the nearby 1 s t century timber fort has not been selected and awaits identification and analysis. Interestingly, the proportion of domes­tic animals is remarkably similar to what was found at the Kaszásdűlő-Csikós utca villa with the meat coming from the centralized butcher shops of the town and relatively more equids, perhaps mules.

Finally, a few general words should be said about bird keeping and fish exploitation around and in Aquincum. Bird bone seems to have to

6 4 W H I T E op. cit. 295. Larger measurments must surely have come from horses but the bones in the smaller range may have come from mules produced by crossings between mares and jack-donkeys. Crossings between jennies and stallions result in smaller hinnies.

6 5 Daróczy-Szabó L., Pásztorhagyományok a Filátorigáti településen. Régészeti szakdolgozat, Eötvös Loránd Egye­tem, Budapest (2002), personal communication.

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come from whole carcasses, that is, bones from all parts of the carcass may be found on sites where finer excavations techniques were employed. However, there is no way of telling whether birds were kept around the town and smaller settle­ments since they represent easily 'movable' goods. There have been no finds of eggs, even from burials as grave offerings, although we know that eggs were a part of the diet.

There is no evidence for carp farming or other form of fish keeping in ponds from Aquincum. Altogether, a grand total of two pike bones have come to light from a Celtic-Roman settlement west of the Civil Town and a settlement (as well as one sturgeon bone from this same area) just south of the Military Town respectively. However, numerous Cyprinidae (carp family) remains were recovered from a site along Bécsi Street where screening was regularly carried out by the excavat­ing archaeologist. The lesson is clear. These were all most likely fished directly out of the nearby Danube river by this Romanized native population to supplement the meat diet from domesticates.

Animals in the diet

One of the aspects of the faunal material from the more recent excavations at Aquincum is the wide variety of sites it derives from. Because assemblages exist from such variable sources, in principal it should be possible to say quite a bit about differences in the meat diet between differ­ent social groups.

Cattle, sheep/goat, pig and chicken provide the basis of the meat diet. (Fig. 1) The information available to date makes it clear that in the Aquin­cum towns, remarkably little game was consumed. Fish may have been important for certain dishes or as a supplement to the diet for all but that is still unclear. Horse and dog were not eaten at Aquincum. In addition to the fact that bones from these two species bones are very rare they are usually unbroken and show no sign of butchering although horse bone may have skinning marks on the extremity bones. Differences seem to exist between the various parts of Aquincum, the villa-

farms and the close by military forts of Albertfalva and Campona, although a great more work needs to be done to clarify why these difference exist.

The Civil Town

Three sites from the Civil Town serve to illus­trate the eating habits of better off people who lived there in the end of the 1 s t , 2 n d and 3 r d

centuries.66 Table 2, which shows the skeletal part distribution from the Civil Town shrine site provides a typical example of refuse bone in the town. 6 7 (Tab. 2)

At all three sites cattle was most important, comprising up to 70% of the everyday diet, as for example, at the Firemen's Headquarters. (Fig. 7) The same picture is also shown by a small material from the canabae of the Military Town (BÖKÖNYI 1974, 351) where cattle dominates. 6 8

Although there are bones from every part of the skeleton, they tend to be chopped up with heavy metal tools. These large bones can be chopped lengthwise and even the dense short bones are chopped across. (Fig. 4) The butchers work-

6 6 The Civil Town shrine was excavated in the early 1990's but has not been published due to the death of the exca­vator, Erzsébet Marity, Plan The dwelling of Victorinus was excavated slightly earlier (see note 41.)- While the archaeological and faunal material has been identified actual analysis has been put off until the stratigraphie clarifica­tion of the faunal material is complete. Both excavations were carried out prior to planned reconstruction of the 2 n d - 3 r d century structures. The analysis of bones from the Firemen's Headquarters (ZSIDI 1997/4) is complete.

6 7 Because this end of the first beginning of the 2 n d century material has not been published before, skeletal part distribu­tions are also provided here. Only cattle remains were found in the pit next to the shrine and over 1/3 of the bones was made up by rib fragments. While cattle also dominated in the assemblage from the shrine, bones from this animal were only twice as many as from pigs. Anatomically, the cattle remains not only included remains of high meat value: numerous short bones, metatarsals and phalanges of the metapodium belong to the commercially less important of the animals. Once the shrine ceased to function the area was leveled and filled in with debris from the nearby shrine complex. The bones here may very well represent the remains of food offerings.

6 8 While the numbers here are truly very small and the material was not screened the trends in species proportions are repeated.

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ing in the meat shops of the Civil Town must have been immensely strong. The idea is to pot-size cuts of meat for stews and to allow the rich tasty nutrient marrow to get into the food. 6 9 Sometimes the butchers chopped the meat from the leg bones to produce fillets. The evidence for this are overlapping shal­low chop marks running down the diaphyses of long bones of c attle legs, par­ticularly humerus and femur. (Fig. 5)

One of the most common bones from cattle are ribs which have cut off from the vertebrae. (Tab. 2) Sometimes these ribs even have long striations where diners scraped the last bits of tasty meat from them. Finally, a total of three complete scapulae from cattle have been recovered from the Civil Town. A l l have a hole through the blade where the shoulders were hung, probably for smoking. (Fig. 6) Curiously enough there is no evidence of such smoked meat being eaten in the Military forts studied here. This latter is strange because such bones are relatively common at Roman military sites in England and Holland. 7 0 Smoked meat exports from Pannónia and Gaul were well known in the Roman Empire and these specimens show it was consumed locally as well.

6 9 BARTOSIEWICZ op. cit. 630-632. also see: Grant, A , Some Observations on Butchery in England f rom the Iron Age to the Medieval Period. Anthropozoologica Premier Numéro Special, Paris, 1987, 53-58.

7 0 LAUWERIER op, cit, 195. Also see: Izard, K., The Animal Bone. I n : (Ed. T. Wilmott) Birdoswald excavations of a Roman Fort on Hadrian's Wall and its successor settle­ments, 1987-1992, English Heritage Archaeological report 14, 1997, 369. At the military fort at Birdoswald on Hadrian's Wall 17 of the 65 cattle scapulae had such holes in them. Izard also interprets this as a sign of smoking and further that the shoulders were smoked at the fort.

Pit Shrine

cattle cattle sheep goat sheep/goat Pig dog hen human

horn core 3 3 1 1 skull fragment 4 5 1 1 1 Mandibula 8 4 1 3 Vertebrae 1 4 1 1 Rib 10 12 2 Scapula 1 2 Humerus 1 2 1 1 1 Radius 4 Ulna 1 2 1 Metacarpus 2 Pelvis 3 1 1 Femur 2 2 Tibia 5 4 1 short bone 3 1 Metatarsus 10 1 Phalanges 4 1

NISP total 28 64 4 2 3 21 1 1 1

Tab. 2. Skeletal Part distribution at the Civil Town Shrine and Adjacent Refuse Pit

Most of the bone remains from cattle come from adult or mature animals which must mean that Romans, even the better off ones, tolerated rather chewy meat.

The bones from sheep are not particularly common at these three sites in the Civil Town, amounting to between 10 and 15% of the total bones. (Fig. 3) Goat bones are even rarer. At the Firemen's Headquarters there even seems to be a slight decline in their numbers which mirrors the situation in the province. With the exception of the faunal material from Victorinus' dwelling, not quantified here, the bones are from adult indi­viduals. Over half the sheep or goat bone from this house however, did not have fused epiphyses. In other words they came from lambs, a much greater delicacy and therefore more expensive. The bone parts found in the Civil Town shrine come from meaty regions, the pelvis and ribs. (Tab. 2 and Fig. 3)

Pig in the Civil Town shows a more variable picture. It is dangerous to draw conclusions on the basis of such small numbers but it is safe to say that pig was eaten slightly more often than

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mutton in the town. (Fig. 3) The percentages of pig in the Firemen's Headquarters appear small because cattle is so dominant. This dominance is not entirely related to gastronomic activities in this building as we shall see later. The bias toward cattle distorts the percentages. The animals butch­ered in the shops were generally young animals although bones from new born or suckling pigs have not yet been recovered, perhaps because of sampling problems. All parts of pig were eaten as can be seen by the distribution of body parts from the Civil Town shrine site. As noted previously Apicius' recipe book is dominated by pork dishes. Pork was generally a favored Roman meat. How­ever, it can be said that one encounters pig bone in Aquincum assemblages less often than would be expected based on other provincial Roman sites.71

It is very tempting to suggest that this was a reflection of the dietary preferences or prohibitions of the Syrian soldiers and merchants who came to Aquincum in the A D 3 r d and 4 t h centuries.

The people living in the Civil Town ate chicken regularly. Probably the number of bones from this species would be found more often with screen­ing. (Tab. 2 and Fig. 3) Their bones are slightly more common in the refuse from the Victori­nus house. Bones from goose were also found there.

The diet of the Romanized native population

Unfortunately, not very much of the large bone material from settlements72 of the Romanized native population has been analyzed although some of it has been identified. 7 3 Beef certainly dominated in the diet but species proportions compared to sites in the towns are not available. One thing is clear. The people living in villages outside Aquincum in

7 1 For example, Augusta Raurica in Switzerland where pig percentages can reach 35% as opposed to 20% at Aquin­cum. Schibier- Furger 1988, 175.

72 4 4 _ 4 6 B é c s i R o a d BERTIN 1998, BERTIN 1999. 7 3 This is largely because the stratigraphie situation has not

been clarified because of the tragic death of the excavator, Erzsébet Márity.

7 4 Excavation of E. Márity, 1990 Budaújlak, Lajos Street and Budaújlak Csemete Street, Plan 7, Nr. 4.

its territórium brought animals into the habita­tion area to slaughter them. A l l parts of skeleton appear but even more significant, the bones rarely display any trace of the chopping marks typical of the town material. Furthermore, the long bones at these village sites have been broken in the old traditional manner which produces a spiral frac­ture on the diaphysis.

A series of huts dating from the first period of the military occupation 7 4 was discovered in an area just south of what was to be the canabae and the area of the future Mili tary amphitheater. The faunal material from these huts was striking in its similarity to that found in the villages of the native population which was later moved into this area. The soldiers at this point in the pro­cess of Romanization seem not to be relying on military supplies but depended on the local Celtic population for their meat. Not strictly related to food is the find here of a wolf crania from one of these huts. It is tempting to think that the skin and cranium of this wolf ultimately decorated the uniform of the Roman living in this hut.

The Military Diet

There are two military forts south of Aquin­cum, Albertfalva and Campona, for which faunal analyses exist (BÖKÖNYI 1974, 351; CHOYKE

Fig. 4. Chopped bones and bones with marks of filleting

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Fig. 5. A cattle bone bone with scalloped marks of filleting

Fig. 6. Cattle shoulder-bone with hole where the shoulder was suspended during smoking

1993, 133-135; CHOYKE 1994-1995, 51-60) . 7 5

The forts themselves mirror the situation found elsewhere in the province. Cattle bones at both sites seem to have been brought into the Cas­trum area in a processed form. Sheep or goat and pig seem to occur in roughly equal numbers within the fort however pig bone was much more frequently encountered i n the vicus surrounding Albertfalva. (Tab. 3) Soldiers at both forts seem to have supplemented their meat diet with game including wild cattle (Bos primigenius Boj.), red deer (Cervus elephus L . ) , roe deer (Capreolus capreolus L), hare, wild birds and fish.

Animals and Draught w o r k

Cattle were used in plowing and hauling work. At Aquincum there are cow horncores from the Civil town mentioned above which are direct proof of yoking with indentations at their bases caused

7 5 VÖRÖS op. cit.

by long term contact with the yoke. The horncores from oxen also show that this domestic species would have been used in plowing and hauling heavy loads where speed was not needed.

Those settlements discussed above where draught and movement of men and goods would have been important include the Kaszásdűlő-Csikós utca villa where an extraordinarily high proportion of the bones came from smallish equids, probably mules. This picture is mirrored at another unpublished industrial villa at Mocsárosdűlő 2 k m from the Kaszásdűlő Csikós utca villa site ( V I T E V ) 7 6 This villa seems to have produced bricks. The yard of this second villa was strewn with the complete bones of horse and mule. Complete equid bones were also relatively common in the faunal materi­als of both of the military forts discussed above, Albertfalva and Campona. These animals were not eaten but the skins were probably removed and so the carcasses remained close to the settle­ments. Mules and mule breeding are known to be important in the Roman military system (Fig. 7) in the forum in Rome showing mules drawing a wagon in a military setting). Horses were ridden by officers and calvalrymen. They may be seen on numerous gravestones of soldiers with proudly arched necks compared to the more plebeian look of mules shown pulling wagons on family grave­stones from around Aquincum.

Goods from animals

There are three by-products made from slaugh­tered animals whose traces can actually found in Aquincum. These include hide and hide process­ing as well as bone, antler and ivory carving.

A large ditch excavated by the southern wall of the Civil Town contained the bones of many animals, mostly cattle. Typically for some kind of hide processing area are the accumulations of horncores and metapodials which is what was found here, mixed with some other food debris. 7 7

There has been some speculation that this was

7 6 Mocsárosdűlő: E. Márity excavation, Plan 7, Nr. 13.; Kaszásdűlő-Csikós utca: ZSIDI 1991.

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a hide processing area which was in use during one of two periods after the Civil Town had been attacked and before the town had really recovered. At the same time, there is suggestive and similar material coming from the Firemen's Headquarters which is located by the southern wall.

The building functioned as a collegium for almost 400 years and the faunal material in it is quite separate in terms of its composition from that in the trench. Aside from the food refuse bone already discussed in this paper, there are numbers of metapodia and connected foot bones as well as skulls with attached horn cores which is associated with hides. In fact, one of the means of fire fighting (SZILÁGYI 1984, 51, 68) included raw hides soaked in water or vinegar and raw animal hides filled with chaff and soaked. These skin bags were called cento. It is very likely that the extremity bones would have been left in the legs of these skins for easier handling. As the skins would have gotten burned or worn out they would have been discarded - per­haps into the very trench previously thought to be part of a hide pro­cessing operation. The bones from the Firemen's Headquarters itself would be from the last phase of each building stage. (Fig. 8)

Another type product regularly manufactured in Roman towns are objects made from bones and ant­lers. By the Roman period, bone was carved by hand or on a lathe into ornaments, fittings, bits of inlay and parts of complex objects in centralized workshops which were undoubtedly tied in to the butchershops which provided them with the appropriate raw mate­rial . 7 8 While the concrete location

Serjeantson, D., Animal Remains and the Tanning Trade. In: Diet and Crafts in Towns: D . Serjeantson and T. Waldron eds., BAR British Series 199; Oxford (1989) 129-146, here 136.

Fig. 7. Lithograph of a panel from Trajen's column in the Forum in Rome showing mules being used for military transport

Periods Period Period Period Modern 1 and 2 2 3 1 to 5 or

mixed mixed mixed

Cattle 78 18 3 45 17 Caprine 52 11 5 20 8 Sheep 2 2 1 3 2 Goat 4 1 Pig 56 18 25 11 Horse 26 1 4 11 Dog 5 1 Domestic hen 3 1 2

N I S P domestic 226 51 9 101 49

Red deer 1 1 1 Roe deer 1 1 Wi ld pig 1 Sturgeon 1 Sturgeon 1

N I S P wild 4 1 2 1

N I S P total 230 53 9 103 50

Human 2 Rodent 1 Fish 2 Unio 1 1 Non-ident. 19 5 2 6 3

Tab. 3. The Species Distribution from the Albertfalva Vicus. all wild animal NISP is smaller than 10%

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location of these workshops is unknown, remains of debitage or half-finished pieces indicates their general locations. (Fig. 9) Horse and cattle autopodial long bones were most often worked in addition to red deer antler. A brief review of the Roman objects from Aquincum 7 9 and the Roman period objects in the National Museum of Hungary 8 0

show that they range from the very elaborate to crudely carved imitations made at home from available bones. This stands in interesting contrast to the bones from the Roman fort of Acs-Vaspuszta which more closely resembled prehistoric or Sar-matian tools. 8 1 There were few ornaments and the tools retained many of the features of the bone such as the epiphyses.

Although these objects from Aquincum are often so heavily worked that all identifying features of the raw material are removed from the bone, new research has shown that some of the microscopic features related to the structure of the particular material are retained.8 2 On this basis it has been determine that at least 30% of the objects are made from red deer antler. Red deer was appar­ently not hunted at Aquincum but, as mentioned

7 8 Maltby, M . , Urban Rural Variations in the Butchering of Cattle in Romano-British Hampshire. I n : ( D . Serjeantson and T. Waldron eds.) Diet and Crafts in Towns, BAR Brit­ish Series 199, Oxford, 1989, 75-106, here 89.

1 9 This research into the Aquincum bone tools is ongoing by the author and Mária Bíró.

8 0 Bíró, M . , The Bone Objects of the Roman Collection. Catalogi Musei Nationalis Hungarici Series Archaeologicica I I , Budapest, 1994.

8 1 Choyke, A., Worked animal bone at the Sarmatian site of Gyoma 133. In: (ed. by A. Vaday) Culture and Landscape Changes in South-East Hungary, Budapest, 1996, 307-322. As well as Choyke op. cit. 1989, 624-632.

8 2 DESCHLER-ERB op. cit. 33-47. A microscope with mag­nification of up to 80 X should be sufficent to make these identifications.

sheep/goat

Fig. 8. The percentile contribution of animals at the Firemen's' Headquarters

previously, there must have been organized gath­erings of its antler each Spring. Interestingly, half finished pieces made from antler do appear scat­tered throughout Aquincum but no concentrations of workshop debris have yet come to light here except for the antler workshop discovered in the military fort at Campona (VÖRÖS, 1989, 85 ) . 8 3

It contained antler burrs with the beam sawn off as well as plaques carved from the beam and ready for further working, possibly into comb sections.

Animals in rituals

Animals played their own part in religion and ritual at Aquincum. From time to time a site is excavated where the bone material is clearly related to this type of activity. In the 1980s the house of the Tribunus Laticlavius was excavated

8 3 Vörös I . , Campona-Nagytétény római tábor állatcsontmarad­ványai [The Animal Bone Remains from the Roman Fort at Campona-Nagytétény] FolArch 40 (1989) 75-118, here 85.

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in the Military Town. Attached to this luxury house was a mithreum. The cult of Mithras was brought from Persia originally by the influx of eastern people mentioned previously. One of the scenarios of this cult was the image of Mithras, representing light, killing and therefore over­coming the bull, representing dark. Bulls were regularly sacrificed in the underground shrines dedicated to this God however, it seems the prac­tical Romans ate the animals afterwards because accumulations of cattle bones are never found near these mithraeum. However, a number of extremely interesting animal bone remains were recovered from a sealed-off context - the altars by the northern wall and in particular the snake altar within this particular cult place. The animals found here included domestic hen, pig, domes­tic goose, food remains of cattle, hare and fish. Most significant were the 16 chicken bones found together.8 4 As previously mentioned, a roe deer (Capreolus capreolus L.) was possibly sacrificed at the altar of Nemesis by the amphitheater of the Civil Town.

Other ritual contexts with related bone finds include three skulls from large dogs found under a threshold at the stone building excavated at Kolossy Square south of the Military Town. The building included human burials within the walls, a distinctly non-Roman custom. This and some of the finds led the excavator to suggest that this building had been occupied by Romanized Celts who still followed some of the old ways. 8 5

The cemetery/shrine complex located near the northern edge of the Military Town was first excavated in 1984 (ZSIDI 1997[1998]). The small sample of bones from food offerings placed in the graves and offered at the associ­ated shrine indicated that this area was used by people from northern Italy. The offerings seem to be the remains of stew-like meals. As opposed

8 4 Vörös I . , A Tribunus Laticlaviusok háza az Aquincum 2-3. sz.-i legio-táborban - A mithraeum állatcsont-leletei [The House of the Tribunus laticlavius in the legionary fortress of 2 n d - 3 r d century Aquincum - the animal bone remains from the Mithraeum]. BudRég 28 (1991) 118-132, here 132.

8 5 Erzsébet Márity, personal communication.

Fig. 9. Find spots of debitage from antler and bone working may mark the general area of for­mer workshops

to elsewhere in Aquincum the remains of sheep or goat dominate over pig. This patterning is probably related to some kind of food preference. Since other grave offerings (CHOYKE 1998/2, 150) clearly point to northern Italy it is safe to say that people taking part in the graveside rituals brought foods which would have been eaten by the deceased in life The analysis of the bones and archaeological material offers a rare but happy example of the use of faunal and material culture data to strengthen the interpretations concerning the ethnicity of of the people buried in this cem­etery parcel.

Finally, as increasing numbers of graves are excavated, finds of special bones are being recov­ered such as the goose foot bone tucked in the swaddling of a baby buried in the late 4 t h century, located on Vályog Street near the former Military Town. 8 6 The symbolic meaning of this bone has been lost to us.

8 6 Vályog Street, MADARASSY 2002.

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Conclusions

The work on the many sided relationship between the human population and their animals is ongoing. As more and more material is studied, it is expected that the picture of how animals were used in the town and on the villa-farms in the surrounding territory. The various social classes and the different ethnic groups that made up the pluralistic society of most Roman towns also left their mark on dietary traditions and, with luck, patterns in species proportions and body part distribution will emerge which can be related

to discrete parts of the town and the settlements surrounding it.

Altogether, animals were an integral part of Roman life. A better understanding of the way they were exploited and viewed at this particular site will help us to escape the 'ideal' and nor­mative picture offered by antique authors and develop a three-dimensional view of how Romans and the people they conquered adapted, lived together and thrived for almost 400 years in the Pannonian environment.

Alice M. Choyke

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7. KUNSTDENKMÄLER AUS DEN JÜNGEREN FORSCHUNGEN

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7.1. DIE STEINBEARBEITUNG IN AQUINCUM

Forschungsgeschichte

Während der Herrschaft des ungarischen Königs Matthias begann man damit, die römischen Steine zu sammeln. Das Katalogisieren der Sammlung war dem Veroneser Feiice Feliciano anvertraut, dessen Werk mehrere Budaer Inschriften enthält. Das CIL (Corpus Inscriptionum Latinarum) ver­wendete unter anderem auch diese Angaben für die gesammelte Herausgabe der im Römischen Reich ans Tageslicht gelangten Inschriften. In den einschlägigen zeitgenössischen Katalogen des 16. Jahrhundert sind auch die aus Aquincum stammenden Steindenkmäler zu finden. Im 18. Jahrhundert werden die von Kardinal Migazzi im Bischofspalast zu Vác gesammelten römischen Denkmäler publiziert, darunter zahlreiche Stücke aus Aquincum. Die erste Ausgrabung in Óbuda fand unter Leitung von István Schönvisner statt, der in seiner 1778 in lateinischer Sprache erschie­nenen Publikation auch auf die Steindenkmäler eingeht.

Als 1847 das Ungarische Nationalmuseum seine Pforten Öffnete, übernahm es neben der oben erwähnten bedeutenden Sammlung von Vác auch die Steindenkmäler in Aquincum. 1873 schlös­sen die Redakteure Flóris Rómer und Ernest Desjardins ihre Publikation über die römischen Steindenkmäler im Ungarischen Nationalmuseum ab, ein Werk gewaltigen Umfangs, das mehr als einhundert Steindenkmäler von dem Fundort Aquincum enthält.

Seit seiner Gründung im Jahre 1894 sammelt das Aquincum Museum die im Gebiet der Haupt­stadt ans Tageslicht gelangten Steindenkmäler. Heute befinden sich im Lapidarium von Aquincum zusammen mit den vielen kleineren Fragmenten mehr als 1000 mittelgroße und größere Inschrift -und plastische Denkmäler.1 In dem 1889 - vor

110 Jahren - erschienenen I . Band von Budapest Régiségei (Budapester Altertümer) wurde begon­nen, die Steindenkmäler in Aquincum in der Rei­henfolge ihres Auffindens zu publizieren. Vierzig bis fünfzig Jahre später erschien die erste kurze Zusammenfassung über die Plastik aus Aquincum von Lajos Nagy, der in seiner Arbeit bereits die Fragen der die Steindenkmäler in Aquincum her­stellenden, fremden und lokalen Steinmetzwerk­stätten behandelte (L. NAGY 1942/1, 600-613). Die längere Studie von Tibor Nagy enthält eine Synthese der Steinbearbeitung in Aquincum und Plastik (T. NAGY 1971/3). 1971 erschien, ver-fasst von Margit Németh, der Führer durch einen bedeutenden Teil des Lapidariums des Aquincum-Museum (NÉMETH 1971), und 1974 das pos­tume Büchlein über die pannonischen Steindenk­mäler von Gizella Erdélyi (ERDÉLYI 1974), das auch die Analysen mehrerer Steindenkmäler aus Aquincum beinhaltet.

Seit 1995 erwähnen die Ausgräber - je nach Gelegenheit - auch die Steindenkmäler in ihren Vorberichten über die Grabungen i n Aquincum. 2 1999 stellte Margit Németh die überarbeitete Fassung des 1971 herausgege­benen Führers durch das Lapidarium fertig

1 Jüngste Zusammenfassung zu dem Thema: M . Németh, Lapidarium Aquincense. Magyar Múzeumok 1998/3, 2 8 -29 bzw. K. Póczy, Az aquincumi kőemlékek gyűjtéséről. - Die Anfänge des Sammeins römischer Steindenkmä­ler im Stadtbereich von Budapest. BudRég 34 (2001) 7-13 .

2 In den (Aquicumi füzetek) u.a.: BERTIN 1999, 31-32; FACSÁDY 1995, 33; FACSÁDY 1999/2, 96-97; FACSÁDY 2000, 59-61; FACSÁDY 2001/1, 5 0 - 5 1 , HABLE 2001 , 29; HABLE 2000, 28-29; MADARASSY 2002, 31; TOPÁL 1996/2, 48; Z S I D I 1999/3, 104; Z S I D I 2002/3, 46. Z u den schönsten Funden der letzten Jahre gehört u.a. der Kopf einer Plastik vom Territorium des Municipium Aquin­cum: LASSÁNYI 2002, 64, sowie ein Jupiter Torso: L A N G 2003/2.

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(NÉMETH 1999/2). Im gleichen Jahr erschien der Ausstellungskatalog über die Skulpturenköp­fe von Krisztina Szirmai (SZIRMAI 1999/2). Mit den frühchristlichen Steindenkmälern von Aquincum haben sich Klára Póczy, Judit Topái und Paula Zsidi in einer Publikation des Jah­res 2000 befasst (Christentum 2000). Daneben informieren Neuerscheinungen fortlaufend über neu ans Tageslicht gelangte Steindenkmäler aus Aquincum bzw. die Ergebnisse der unter neuen Aspekten vorgenommenen Analysen des frühe­ren Materials (BESZÉDES 2002, ERTEL 2002, HAVAS 2002, MÁRTON 2002/1, S Z I R M A I 2000/2, SZIRMAI 2001 /1 , SZIRMAI 2001/2, SZIRMAI 2002/3). 3

Das Material der Steinmetzarbeiten

In den vergangenen drei Jahrzehnten wurde neben der Analyse der Steindenkmäler unter verschiedenen künstlerischen und historischen Aspekten auch mit der naturwissenschaftlichen Untersuchung des Steinmaterials begonnen. Einen kleinen Teil der Steindenkmäler — kaum mehr als 2% - bilden die Marmordenkmäler. Früheren Materialuntersuchungen zufolge kam der Marmor - den heutigen Landesgrenzen ent­sprechend - aus Griechenland, Italien, Osterreich und Rumänien (BADINSZKY-SZABÓ 1975, 275-277). Bei einigen Marmorstücken führten wir erneute Materialanalysen durch, deren Aus­wertung jetzt erfolgte (KÉRDŐ 1999/3, MÜL­LER 1999). Die meisten römischen Steindenk­mäler wurden aus lokalem Kalk- und Sandstein gefertigt. Neben dem schon früher bekannten Steinbruch von Budakalász (TORMA 1984) fan­den in den letzten Jahren auch Forschungen im Gebiet des Steinbruchs am Gellértberg (PETO 1998) statt.

3 Hier sei darauf verwiesen, daß einige typische Steindenk­mäler aus der Sammlung des Aquincum-Museum auch regelmäßig bei in- und ausländischen Ausstellungen gezeigt werden, in deren Katalogen sie der jeweilige Veranstalter ebenfalls publiziert: Aquincum 1986, Gods, soldiers, 1995, Religion 1998, Augustus-Attila 2000, Christentum 2000, Lyon 2001.

Grabsteine

Einen Großteil des Steinmaterials bilden die Grabsteine. Mit der Unterscheidung der die Grab­steine herstellenden Werkstätten - auf epigraphi­scher und stilkritischer Grundlage — hat sich zuletzt Tibor Nagy beschäftigt (T. NAGY 1971/3), der die Tätigkeit der einzelnen Werkstätten topo­graphisch wie auch zeitlich absonderte.

Ala- und Legionswerkstätten in Buda und Óbuda ( 1 . Jahrhundert)

Die frühesten Denkmäler der Steinmetztätigkeit in Aquincum sind die Grabsteine, und zwar die Grabsteine der Soldaten des Auxiliarlagers der Víziváros. Aufgrund ihrer Inschriften gehörten die Grabsteine der Reitersoldaten der ala Hispanorum I . zu den Erzeugnissen der frühen Alawerkstatt, die im Zeitalter des Claudius und Nero in Aquin­cum tätig war. Den Produkten dieser Werkstatt ist auch der 3 m hohe Grabstein des Reiterveterans Nertus zuzuordnen. Diese Steindenkmäler zeigen eine lokale Variante der Vorbilder italischen Typs (T. NAGY 1971/3, 104). Die zweite Gruppe der frühen Grabdenkmäler deutet bereits auf rheini­sche Vorbilder hin. Kennzeichnend für sie sind die mit Büste geschmückten Grabmäler des 77. Claudius, C. Iulius Rufus und C. Petronius (T. NAGY 1971/3, 105-106; BARKÓCZI 1982-83, 123-151). Grabsteine mit Brustbild und einer Reitergestalt wurden in den weiterarbeitenden Alawerkstätten auch nach dem Abzug des hispa­nischen Truppenverbandes hergestellt.4

Im spätflavischen Zeitalter entstanden in den hiesigen Legions- und Alawerkstätten die Grab­steine für die Soldaten der legio I I Adiutrix und der ihr beigestellten Reitertruppe (T. NAGY 1971/3, 109). Hier tauchen auch zum erstenmal die Grabsteine mit ganzgestaltiger Darstellung, so die Darstellung an der Grabtafel des aus Como stammenden Legionärs Castricius Victor mit vollständiger Bewaffnung, sowie die mit

4 S. z. B. Grabstein eines Reitersoldaten aus Buda: T. NAGY 1971/3, 106-107.

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einem das Brustbildfeld ablösenden Lorbeerkranz geschmückten Grabdenkmäler auf, unter anderem der Grabstein des Legionärs M. Fulvius Secundus (T. NAGY 1971/3, 107-108.). Die Grabtafel des Reitersoldaten Reginus, der in der ala Auriana I . diente, knüpft an die sog. Steine vom Vigadó tér an (T. NAGY 1971/3, 110). Dieses Denkmal ist jedoch ein Grabstein vom Typ Noricum.

Ala- und Legionswerkstätten in der Canabae ( 1 . Jahrhundert - Mitte 2. Jahrhundert)

In der Canabae neben dem Óbudaer Legi­onslager wurde im 1. Jahrhundert ebenfalls eine Steinmetzwerkstatt betrieben, die bis zur Ankunft der legio X. Gemina tätig war. Hier ist der Grabstein des Reitersoldaten T. Fl. Bonio der ala Frontoniana zu erwähnen. Dieses Grabdenkmal entstand entweder in der Werkstatt der Legion oder in der von ihr beeinflussten Alawerkstatt (T. NAGY 1971/3, 110-111). Außerdem zählen wir hierzu noch ein Marmorgrabmal vom Ende des 1. Jahrhunderts bzw. aus der Zeit der Jahrhundert­wende, das vermutlich — auf Grund der typischen Dekorationen - ein oberitalischer Wandermeister angefertigt hat. Das sog. Windgott Protome-Grabsteinfragment mit Nische entstand Ende des 1. Jahrhunderts oder um die Jahrhundertwende wahrscheinlich schon von der Hand eines der Nachfolger des italischen Meisters (T. NAGY 1971/3, 113).

An den in der Óbudaer bzw. Budaer (Víziváros) Alawerkstatt gefertigten Grabsteinen der Einheimi­schen erschienen gemeinsam die Darstellung von Männern in Toga und daneben von Frauen in der charakteristischen, durch Schmuck ergänzten keltisch-eraviskischen Tracht. Sogar Reiter- und Wagenszenen kamen im Repertoire der Werkstatt vor (u. a. Grabstein des Scorilo oder Matoma-rus). Diese Grabsteine, Arbeiten der Alawerkstät­ten, sind die an den Beginn des 2. Jahrhunderts zu datieren (T. NAGY 1971/3, 110; BARKÓCZI 1983, 57-66) .

Nachdem man das Lager in der Víziváros auf­gegeben hatte, wurden auch die Alawerkstätten geschlossen und den Steinmetzen in der Werk­

statt der Legion oder einer anderen Alawerkstatt Arbeit zugewiesen. Das belegen unter anderem die kranzverzierten Grabsteine des 77. Claudius, Satto und Bebius Valens aus dem trajanisch-hadriani-schen Zeitalter (T. NAGY 1971/3, 110).

Fast parallel zu diesen Werkstätten nahm u m 110 in der Canabae eine neue Steinmetzwerkstatt der Legion ihre Tätigeit auf, die ebenfalls italische Vorbilder verwendete. Die einfacher ausgeführten Grabsteine des Valerius Crescens und der Sabina spiegeln den Einfluss dieser Werkstatt wider, zu deren Arbeiten auch der Grabstein mit Kranz und palmettenverzierten Ecken gehört (T. NAGY 1971/3, 114). Die Werkstatt bestand nur kurze Zeit. An ihrer Stelle nahm man in den späteren Jahren der Herrschaftszeit Hadrians eine neue Werkstatt in Betrieb, die ebenfalls mit italischen Traditionen arbeitete. Das wird an dem Grabstein des Hornisten Aelius Quintus deutlich, wobei hier auch schon das Bildfeld mit zwei Gestalten bzw. der Opferszene erscheint. Das Denkmal entstand in den 30er-40er Jahren des 2. Jahrhunderts. Auch der hadrianische Grabstein des P. Aelius Mestrius optio ist an diese Werkstatt zu binden (T. NAGY 1971/3, 115). Im Zeitalter der Antoniner tauchte am Grabstein des Veteranen P. Aelius Lucus ein neuer Typ der Darstellung einer stehenden Gestalt auf. Diesen „barockisierenden" Stil mit Victoria und Geniusgestalten zeigen sowohl die Grabdenk­mäler des M. Furius Rufus und des Zenturionen Flavius Magnus, als auch die Inschriften aus dem Militäramphitheater. Daneben werden hier weiter­hin die sog. Einheimischen-Grabsteine hergestellt, und auch die medaillonförmigen Grabdenkmäler sind Produkte der Werkstätten der Militärstadt (T. NAGY 1971/3, 117-120).

Steinmetzwerkstätten der Zivilstadt (2 . -3. Jahrhundert)

Denkmäler der Steinbearbeitung in Aquincum im 1. Jahrhundert sind aus diesem Gebiet noch nicht bekannt. Bei den frühesten Grabsteinen, die aus dem frühen Gräberfeld der Zivilstadt (Aranyhegyi-árok) stammen, handelt es sich bereits um Werke der lokalen Werkstatt. Eines der schönsten Stücke die-

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ser Werkstatt ist der Grabstein des T. Plotius Pam-pilus, eines Soldaten der legio II Adiutrix. Daneben bildet sich hier in den ersten Jahrzehnten des 2. Jahrhunderts eine Steinmetzwerkstatt heraus, die einerseits von der Legionswerkstatt das Verfahren der Herstellung kranzgeschmückter Grabsteine von der Legionswerkstatt übernahm. Anderseits dürfte das Grabdenkmal des Veteranen T. Magius Clemens mit einer tabula ansata gleichfalls in dieser Werk-

Abb. 1. Grabstein mit Relief eines einheimisches Ehepaares von Csúcshegy

statt entstanden sein (T. NAGY 1971/3, 117-120). Wie auch der 124 gefertigte prachtvolle Stein des Veteranen M. Baei. Fronto zeigt, wurden von die­sen Werkstätten die besten Traditionen der Stein­bearbeitung der Militärstadt (Nische mit Brustbild, Opferszene) bewahrt. Als neues Element kam die rankenverzierte Einfassung des Inschriftfeldes hinzu (T. NAGY 1971/3, 117-120).

Von den zwanziger Jahren an bis zu den Mar­komannenkriegen bemühten sich zwei Werkstätten der Zivilstadt, den Ansprüchen der Mitglieder der Handwerkerkollegien in Bezug auf kranzverzierte Grabsteine gerecht zu werden (BURGER 1959). Nach Meinung der Forschung ist für die Grabstei­ne der Werkstatt „A" die Bekrönung Kölner Typs charakteristisch, während die mit „B" gekennzeich­nete Steinmetzwerkstatt die herkömmliche Bekrö­nung mit Akanthusblättern bzw. Palmetten verwen­dete. Die Werkstatt „B" war nur bis zur Mitte des Jahrhunderts tätig, die Werkstatt „A" hingegen bestand weiter. Eines ihrer spätesten Werke ist der bekränzte Grabstein des M. Herennius Pudens (T. NAGY 1971/3, 122-124). Auch der norische Typ taucht erneut auf, und zwar mit einem Grab­stein, den der vermutlich aus Noricum stammende Sallustius Sabinus und seine Gattin ihrem Kinde errichten ließen (T. NAGY 1971/3, 124-125).

Die Arbeit eines Steinmetzen der Zivilstadt repräsentiert ein Familiengrabstein mit fünf Gestalten aus der Zeit Caracallas. Im nördlichen Teil der Zivilstadt, in der sog. Malomdűlő (Müh­lenflur), kamen die Lagerbestände einer Stein-metzwerkstatt zum Vorschein (Altäre, Fackelhal­ter, einen Stierkopf zermalmender Löwe, bemalte Trachitsäule) (T. NAGY 1971/3, 125). Dieselben Erscheinungen wie in der Zivilstadt sind auch unter den Denkmälern der sich entwickelnden Militärstadt zu beobachten.

Steinmetzwerkstätten der Canabae (zweite Hälfte 2. Jahrhundert - 4. Jahrhundert)

Eine der in der Militärstadt tätigen Werkstätten hat der Nachwelt mit den Darstellungen an ihren Werken die Typen der wichtigsten Arbeitsgeräte überliefert. Dies sind eigentlich Meister- bzw.

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Abb. 2. Fragmentierte Grabstele mit der Darstellung der Lupa Capitolina aus dem Westgräberfeld der Militärstadt

Werkstattzeichen, doch in Aquincum kamen sol­che Werkzeuge tatsächlich ans Licht: Hämmer (asciae), ein Meißel (scalpra), ein Zirkel (circinus), ein Bleilot (perpendiculum), Winkelmesser (norma) aus Eisen und Bronze (L. NAGY 1937/3). Aus dieser Werkstatt, die in den ersten Jahrzehnten des 3. Jahrhunderts noch tätig war (T. NAGY 1971/3, 125), stammen Grabsteine, mehrteilige größere Grabbauten sowie Sarkophage.

Einer anderen, auf höherem Niveau arbeitenden Werkststatt der Canabae ist ein Grabsteinfragment mit Brustbild zuzuordnen, das man auf dem Platz des 15. März fand. Der große Grabstein des Aur. Aulupor entstand bereits im ersten Drittel des 3. Jahrhunderts, und auch das Grabdenkmal für Aur. Bitus und seinen Sohn - eine große Grabtafel - wurde nach der Severerzeit angefertigt. Erwähnt sei noch der Grabstein des Aur. Eufemianus, bei dem die Abmessung des Inschriftfeldes schon an die auf den Sarkophag gelegte Inschrifttafel erinnert. An den Grabsteinen des 4. Jahrhunderts wurde jeder figurale und ornamentale Schmuck weggelassen (T. NAGY 1971/3, 125-127).

Auch in den letzten Jahrzehnten kamen in Aquincum viele Grabsteine zum Vorschein. Erwähnung verdient ein weiteres Fragment des vom Csúcshegy stammenden Grabsteins mit

5 Rettungsgrabung M . Németh und K. Szirmai 1968, Vorbe­richt: BudRég 23 (1973) 261 .

Abb. 3. Grabstatue einer Frau aus der Militärstadt

Wagenszene und einer sitzenden Eraviskerin (Abb. 1.) (NÉMETH 1999/2, 15, Nr. 17). 5

Auf einem Grabstein aus dem westlichen Gräberfeld der Militär-Stadt erschien der Bild-typ mit Darstellung des Totengelages (TOPAL 1993/1, 78, Taf.148). Györgyi Parragi fand in der spätrömischen Festungsmauer mehre­re sekundär eingebaute Grabsteine (PARRAGI 1976/1, 137-140). In der Mauer des Törley-Schlosses in Budafok waren ebenfalls mehre­re römische Grabsteine verbaut (SZIRMAI 1991/2, 181-187). Auch Grabsteine mit

verschiedenen Varianten der lupa Capitolina Szene wurden in Aquincum gefunden (Abb. 2.) (FACSÁDY 2001/3, HABLE 2001, 29; MÁR­T O N 2002/2), und eine der neueren Grabun­gen förderte einen weiteren Typ des Steins des Windgottes Protomes zu Tage (SZIRMAI 1971, 259-263; SZIRMAI 1989/2, 162-167). 6 Niveau­volle Werke der Grabplastik in Aquincum sind jene Steindenkmäler, die Györgyi Parragi, (Abb. 3.) Erzsébet Márity bei ihren noch unpublizierten Grabungen freilegte.7 In dem die Wagendarstel­lungen der pannonischen Grabsteine behandeln­den Band sind auch die Steine aus Aquincum vetreten (VISY 1996, 20-21 , 27-30, 48). Die im

6 Erwähnte den Stein von Aquincum mit einer Darstellung des Windgottes in Protome zuletzt in: J. Beszédes, Másodlagosan felhasznált római kori kőemlékek a kalocsai székesegyház Paksra kerülő faragványai. [Sekundär verwendete römische Steindenkmäler...]. Paksi Múzeumi Füzetek. Paks 2000, 14, Abb. 8.

7 U . a. bei der Freilegung im westlichen Gräberfeld der M i l i ­tärstadt. Grabung E. Márity 1991, Plan 7, Nr. 48.

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zurückliegenden Zeitraum ans Tageslicht gelang­ten Grabsteine werden laufend publiziert (FACSÁ­DY 2001/4, SZIRMAI 2001/1). In jüngster Zeit untersuchte man die Grabsteine aus Aquincum unter dem Gesichtspunkt der militärischen Aus­rüstung (SZIRMAI 2000/2, SZIRMAI 2002/3), und mehrere Forscher beschäftigten sich mit den Darstellungen der Denkmäler des Musiklebens in Aquincum auf Grabsteinen (POCZY 1997/2, TOPAL 1997/2, 2001).

Grabbauten

Bei den Grabkapellen in Aquincum befanden sich an den Außenseiten eine Attis oder Opfer-figuren, innen an den Rückseiten waren eine Büste oder ganzgestaltige Darstellungen der Verstorbenen in Stein gehauen. An der Innen­seite der Deckenplatte erschien ein symbolisches Porträt. Die den Grabgarten bildenden Eckpfeiler zierten Dioscur, Attis oder die Gestalten dio­nysischer Szenen. Teile des Grabbaus konnten Theseus-Minotaurus und Priamos-Achilles darstel­lende Tafeln sein. Diese Grabbauten stellten die Werkstätten in Aquincum während des ganzen 2. Jahrhunderts her, und selbst im 3. Jahrhundert waren sie noch gefragt (T. NAGY 1971/3, 128; BARKÓCZI 1973, 78-80) .

An dieser Stelle sei vermerkt, daß László Kocsis beim Abbruch der Westfront der spätrömischen Festungsmauer auf zehn zu einem Grabgarten gehörende Werksteine stieß (KOCSIS 2001/2, ERTEL 2001/2). Eine zusammenfassende Studie über die Grabbauten in Aquincum stammt aus der Feder von Christine Ertel (ERTEL 1999/2). József Beszédes erwähnt in seiner Publikation auch die an Ecksteinen aus Aquincum ausgeformten Dios­cur-Darstellungen (BESZÉDES 1996, 133-155), und Paula Zsidi gelang anhand kleiner Fragmente die Rekonstruktion eines Grabbaus (ZSIDI 1997/ 2, 247-255.). 8

8 Vielleicht zu einer Grabplastik gehörte der Kopf, welcher zusammen mit einigen Architekturgliedern eines monumen­talen Grabdenkmals zum Vorschein kam und Bestandteil des Grabbaus einer der Villen im Municipium von Aquincum gewesen sein dürfte: LASSÁNYI 2002, 64.

Sarkophage

I m zweiten Drit tel des 2. Jahrhunderts ver­breitet sich in Aquincum die Benutzung des Sarges. Der häufigste Typ hat die Form einer einfachen Kiste. Den Sarkophag des L . Valerius ziert nur eine Inschrift mit profiliertem Rah­men, während der Sarg der Pia Celerina schon an allen vier Seiten Verzierungen aufweist. Bei Sarkophagen mit mythologischen Szenen wur­den die Vorder- und die beiden Seitenplatten verziert. Die Filiale einer in Virunum ansässigen Werkstatt verwendete Vorbilder mit Leda bzw. Ganymedes. Uber diese Werkstatt gelangten die mythologischen Themen nach Aquincum (Flucht der Iphigenie, Perseus ermordet Medusa, Mene-laos und Helena, Theseus und Ariadne etc.). Auch ein Fragment eines Klinésarkophags, der griechisch-balkanische bzw. italische Einflüsse zeigt (T. NAGY 1971/3, 133), kam in Aquin­cum zum Vorschein.

Die Sarkophage des 3. Jahrhunderts sind drei­fach gegliedert: zwischen zwei kleinen Nischen eine Inschrifttafel. In den Nischen wurden Attis, Genius- bzw. Opfergestalten dargestellt. Bei einem Teil der Särge Findet man - in dieser Zeit — auch Pelten- und tabula arcsata-Dekorationen. Eines der späteren Denkmäler vom Ende des 3. bzw. Anfang des 4. Jahrhunderts ist schon weni­ger sorgfältig ausgearbeitet, hat aber noch immer eine Inschrift (Sarg des Aur. Martialis und seiner Gattin) (T. NAGY 1971/3, 129-139). Zuweilen aber wurde die Inschrift auch schon weggelas­sen.9

In jüngster Zeit befasste sich Erwin Poch-marski mit einzelnen Typen der Sarkophage aus Aquincum (POCHMARSKI 1998, 181-200), deren Zahl durch neuerliche Erdarbeiten wieder­um angestiegen ist (SZIRMAI 1993, 421-427; FACSÁDY 1999/2, 96-97) . 1 0

9 G. Koch - H . Sichtermann, Römische Sarkophage. Mün­chen, 1982, 325-326.

1 0 Sekundär verwendete (halbfertige?) Sarkophage kamen bei der Freilegung der römischen Qelleneinfassung im Gebiet des Strandbades Römerufer zum Vorschein (LANG 2001, 92).

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Grabaltäre, Votivaltäre

Wegen der Häufigkeit der Grabsteine fanden die Grabaltäre in Aquincum keine allgemeine Ver­breitung. Die Altäre lassen sich vier Haupttypen zuordnen: Altäre mit einfachem Gesims, mit glat­tem Abakus, mit Polstergurt und mit glatten oder palmettenverzierten Eckakroterien. Die frühesten Stücke, die wir von den drei letzteren Typen kennen, stam­men aus den zwan­ziger Jahren des 2. Jahrhunderts. Vom Ende des 2. Jahr­hunderts an tauchen im Material von Aquincum verschie­dene Varianten der Altäre mit Akro-terien auf. Unter der Herrschaft des Gallienus erscheinen erneut die Altäre mit Polstergurt (unter anderem die Altäre des T. Clementius Silvius, P. Aelius Aelianus und M. Antonius Valentini­anus). An den Sei­tenflächen befindet sich im allgemeinen keine Dekoration. Man kann aber auch Opfergefäße, Opfergestalten oder

Götterfiguren sehen und auf den Seitenplatten eines Altares aus dem Jahr 164 sogar an klassi­sche Vorbilder erinnernde Gestalten: die auf ihren Schild schreibende Minerva, den unbekleideten Mars und den Genius mit „Corona muralis". Hier stehen diese Figuren in engem Zusammenhang mit der Inschrift. Seinen Darstellungen zufolge wurde dieser Altar wohl in der Filiale in Aquin­cum der Werkstatt von Virunum hergestellt. Einer

Abb. 4. Muscheln halten­de Frauenfigur auf einem Altarstein ohne Inschrift aus Csillaghegy

der spätesten Altäre aus Aquincum stammt aus den ersten Jahrzehnten des 4. Jahrhunderts.

Nach den Markomannenkriegen wurden in Aquin­cum auch die altarartigen Postamente gefertigt, die, nachdem man eine Säule mit Kapitell zwischengeschoben hatte, Götter- oder K a i s e r s k u l p t u r e n trugen. Am besten repräsentiert diese Gruppe das 6,5 m hohe Denkmal des Jupiter Opti-mus Maximus aus der Szépvölgyi út (T. NAGY 1971/3, 139-142).

Auch die Zahl der Altäre ist in der vorangegangenen Periode beträcht­lich gestiegen. Zu erwähnen sind darunter die bei den Quelleneinfassungen gefundenen, in epigraphischer und künstlerischer Hinsicht gleichermaßen bedeutenden Altarstei­ne (POCZY 1972/3), ebenso wie die aus dem Heiligtum am Csillaghegy stammenden muschel­verzierten, tierköpfigen Altäre (PETO 1976/1). (Abb. 4.) Ein Altar mit kanneliertem Abakus kam in der südlichen Nachbarschaft der Zivilstadt ans Licht (SZIRMAI 1984/2, 255-259), (Abb. 5.) und sogar unter den Steinen der südlichen Festungs­mauer fand Györgyi Parragi einen Altar, dessen Oberteil ein Taubenmotiv schmückt (Christentum 2000, 52). Die im Mithreum des Legionslagers aus dem 2-3. Jahrhundert freigelegten Altarsteine verdienen wegen ihrer Inschrift und Dekoration besonderes Interesse (KOCSIS 1991, 117-121).

Votivtafeln

Die Votivtafeln vertreten im Steinmaterial aus Aquincum je nach Form und Abmessung mehr-

Abb. 5. Altarstein für luppiter Optimus Maximus von Uccinus curator mili-tum gestiftet, aus der Zivilstadt

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ere Gruppen. Die die sitzenden Jupiter—Juno bzw. Gottheiten der Unterwelt abbildenden Tafeln aus der Vihar utca entstanden u m die Wende des 2. zum 3. Jahrhundert in der auch Grabsteine herstellenden Werkstatt der Canabae. Das stehende Götterpaar Jupiter-Juno sowie eine Darstellung der Aesculapeius—Hygieia erscheinen in Form eines Hochreliefs. Die mehrgestaltige Dionysos—Ariadne-Tafel vom Gellértberg deutet bereits auf orientalisch-balkanische Vorbilder hin. Figuren im Zusammenhang mit dem dionysischen Kreis erscheinen auch an dem im Statthalterpalast gefundenen großen Krater aus Kalkstein. (Abb. 6.) Häufig kommen in Aquincum kleinere Silvanus-Tafeln aus Kalkstein vor, es gibt aber auch eine Marmortafel mit der Gestalt der Göttin Diana (T. NAGY 1971/3, 143-146).

Unter den Neuzugängen bei den Votivtafeln wären eine stehende Darstellung des Paares Jupiter-Juno (Religions 1998, 77, Nr. 77) und eine bei einer neueren Grabung freigelegte Nym-pha-Tafel (Aquincum 1986, 214, Nr. 777, Abb. 46) (Abb. 7.) zu erwähnen. Zugleich erschien in den letzten Jahren eine Studie über ein verloren gegangenes Nympha-Denkmal (NÉMETH 1996). Und zu diesem Kreis gehört auch das Fragment einer Tafel aus dem Mithras-Sol Kult (NÉMETH 1991/2, NÉMETH 1993/2). Darüber hinaus wurde das Lapidarium Aquincum um einige Tafeln mythologischen Inhalts reicher. Darunter eine Leda mit dem Schwan abbildende Tafel (DIEZ 1993) sowie eine Odyssee-Darstellung aus dem unveröffentlichten Material von Orsolya Madarassy (ERTEL 1999/2, 208, 226).

Skulpturen, Porträts

Dem Material der aus Steinmetzwerkstätten von Aquincum stammenden Rundplastiken lassen sich schon jetzt etwa 160 Denkmäler zuordnen. Die größten Gruppen in Aquincum bilden mit 65 Stück die erhalten gebliebenen Götterskulp­turen. (Abb. 8.) Bislang kamen annähernd 30 Grabplastiken sowie mehrere Statuen offizieller Natur zum Vorschein, und auch die Zahl der zu Rundplastiken gehörenden kleineren Fragmente

Abb. 6. Fragment eines Marmorkraters mit der Bacchus-Darstellung

Abb. 7. Kalksteinrelief einer Göttin mit Zweig, aus dem Legionslager

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(Hand, Fuß, Gewandfalte usw.) beläuft sich auf annähernd 50 Stück. Die meisten der Tierskulp­turen sind Löwendarstellungen,11 (Abb. 9.) aber auch Stier und Vogel erscheinen an den lokalen plastischen Steindenkmälern (T. NAGY 1971/3, 82, 151; KUZSINSZKY 1932, 383).

Bei den Götterstatuen bzw. Jupiter-Denkmä­lern sind aus Aquincum der Typ des stehenden Jupiter mit dem Adler (PÓCZY 1999, 201-207) bzw. des sitzenden (Kapitolinischen) Jupiter bekannt (SZIRMAI 1973/1, 83-89). Eine Mar­morskulptur der sitzenden Juno gibt es in Aquin­cum ebenfalls.12 Typische Fragmente Minerva darstellender Rundplastiken befinden sich schon seit langem in der Sammlung des Museums, und Margit Németh steuerte zu diesen in den letzten Jahrzehnten noch einen schön ausgearbeiteten Torso bei (ZSIDI 1993/1, 190, Nr. 14). Den Bildtyp der auf einem Globus stehenden Victoria ergänzen weitere Victoria-Darstellungen (Gods, soldiers 1995, 48, Nr . 145; 39, Nr. 6). Drei

" Der jüngste Fund kam im Gebiet des westlichen Gräberfel­des der Militärstadt ans Licht: BERTIN 1999, 32.

1 2 Zur Bestimmung der in Sekundärlage gefundenen Skulptur s. K É R D Ő - P Ó C Z Y - Z S I D I 1999.

Abb. 9. Steinlöwe aus einem Grabdenkmal aus dem Westgräberfeld der Militär­stadt

Kalksteintorsos der Göttin Fortuna bewahrt das Aquincum-Museum auf, an einem davon blieben rote Farbspuren erhalten (Gods, soldiers 1995, 40, Nr. 14 und 24; 48, Nr . 146). Eines der niveauvollsten Werke der Rundplastik ist die im Statthalterpalast gefundene, ursprünglich mehrfarbig bemalte, aus zwanzig Fragmen­ten rekonstruierte Nemesis-Fortuna Skulptur (SZIRMAI 1999/2, 38-39, Nr . 19). Mi t der Statue der sitzenden Roma Dea (Gods, soldiers 1995, 39, Nr. 8) hat sich Zoltán Kádár befasst (KÁDÁR 1963). Auch den bekannten Bildtyp des Silvanus sowie einen Silvanus Vertumnus Torso findet man unter den Götterskulpturen von Aquincum. A n Letzterem sind noch Spuren der originalen dunkelgrünen, weißen und roten Bemalung erkennbar (Gods, soldiers 1995, 40, Nr . 15-16). Z u erwähnen sind außerdem die typischen Darstellungen von Diana, Satyr und Bacchus (T. NAGY 1962, 489; KÉRDŐ 1999/ 3, 271, Nr. 4; SZIRMAI 1999/2, 27, Nr. 9; 28, Nr. 10). Von den Darstellungen der Venus können in Aquincum mehrere Typen an Marmor-und Kalksteindenkmälern belegt werden (Gods, soldiers 1995, 51 , Nr. 185; SZIRMAI 1975/1), ebenso wie Skulpturen von Apollo und Hygieia bzw. noch unpublizierte Nympha-Darstellungen (SZIRMAI 1999/2, 30, Nr. 12; 34-35, Nr. 16; Gods, soldiers 1995, 39, Nr. 9) . Ein namhaftes Steindenkmal des Aquincum-Museums ist die aus dem Symphorus-Mithräum stammende Mithras-Skulpturengruppe (Vermaseren 1956-61, Nr . 1768, 233-4, Abb. 460; Gods, soldiers 1995, 63, Nr. 348) mit Cautes und Cautopates (Gods,

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Abb. 10. Marmostatue

mit Prunk­harnisch aus

der Militärstadt

soldiers 1995, 63, Nr. 349) . Und die charak­teristischen Attis-Figuren tauchen in der lokalen Plastik ebenfalls auf ( I . TÓTH 1984, 143; I . TÓTH 1989, 92; I . T Ó T H 1990, 135-137).

Die zweite Gruppe der Rundplastik vertreten die Torsos von Grabplastiken. Eine der bekanntes­ten Grabplastiken aus Aquicum ist ein Torso der Medea mit ihren Kindern. 1 3 Ein anderes Werk der lokalen Plastik, der Frauentorso mit Schmuck vom Fundort Szemlőhegy, zeichnet sich durch seine nahezu malerische Ausführung aus (SZIRMAI 1999/2, 70, Nr. 50), und auch Györgyi Parragi verdankt das Museum die Grabplastik einer Frau (SZIRMAI 1991/3). Unter den Grabplastiken von Männern sind mehrere Torsos mit Toga auf uns gekommen (L. NAGY 1937/1, 240; WELLNER 1968, 26; Gods, soldiers 1995, 56, Nr. 240). Die Darstellung der liegenden Gestalt auf dem weiter

1 3 Zuletzt darüber: V. Gaggadis-Robin, Iason et Medea. Sur les Sarkophages d'epoque imperiale. Roma 1994, Abb. 66.

1 4 Grabung E. Márity 1991, Plan 7, Nr. 48.

oben erwähnten Kliné-Sarkophag gehört ebenso zu diesem Kreis (T. NAGY 1971/3, 133; Augus-tus-Attila 2000, 39, Nr. 282) wie die vom Gebiet des westlichen Gräberfeldes der Militärstadt (Bécsi út) stammende centurio Büste mit der Darstellung einer Scheibenfibel mit behelmtem Kopf. 1 4 Oftmals deuten nur die ans Tageslicht gelangten Köpfe auf eine Grabplastik hin, auch davon gibt es in der Sammlung von Aquincum mehrere Exemplare (SZIRMAI 1999/2, 45-55, Nr. 25-35) .

Die sog. offiziellen Statuten bilden die nächste Gruppe der Rundplastiken. Ein auch mit seinen Maßen herausragender Vertreter dieser Gruppe ist der aus dem Statthalterpalast stammende Kaisertorso mit reich gefältelter Toga, der wahr­scheinlich Marc Aurel darstellte (Gods, soldiers 1995, 48). Ebenfalls unikal unter den Bildwerken ist die Marmorstatue eines Statthalters (PETŐ 1984/2, BARKÓCZI 1995/1, KÉRDŐ 1999/3, 271, Nr . 3) (Abb 10.), die zusammen mit dem vor längerer Zeit ans Tageslicht gelangten Torso in Rüstung (Gods, soldiers 1995, 4 1 , Nr. 34. und der oben erwähnten centurio Büste mit Inschrift eine Fundgruppe bildet. (Abb. 11.)

Abb. 11. Steinbüste eines Centurios aus dem Westgräberfeld der Militärstadt

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Darüber hinaus gibt es im Steinmaterial in Aquincum annähernd 50 Steinköpfe. Zu dieser Gruppe gehören die Köpfe von Kaisern und Göt­tern, Porträts von Grabplastiken sowie Köpfe, die sich von Grabsteinen abgelöst haben 1 5 bzw. die zu Votivtafeln und Baudekorationen gehörenden Kopfdarstellungen (mit Ausnahme der Masken). Das Porträt Mark Aurels und das Marmorporträt des Gallienus kamen in Aquincum zum Vorschein. Die lokalen Denkmäler weisen auch die Wirkung der Porträts der Kaiserinnen Faustina d. A. (SZIR­M A I 1973/2), Faustina d. J. und Iulia Domna auf. Unter den Götterköpfen verdient ein kleiner Jupiterkopf Erwähnung, der an den Zeus von Otricol aus dem 2. Jahrhundert erinnert. Daneben enthält das Material eine ganze Reihe Bildnisse von Privatpersonenen, Männern wie Frauen, die zu Grabplastiken oder Grabdenkmälern gehört haben. (Abb. 12-13.) Der in Albertfalva gefunde­ne - einzig artige - Frauenkopf war Teil einer Grabplastik (SZIRMAI 1999/2, 54, Nr. 34), ebenso wie ein weiterer Männerkopf vom Gebiet des Legionslagers Aquincum (KOCSIS 2001/2). (Abb. 14.) Und schließlich sind Kopfdarstellungen auch an den verschiedensten Architekturdenkmä-lern zu beobachten (SZIRMAI 1999/2, Nr. 1, 2, 37-38, 26, 17, 27, 19, 3, 30, 45-46 und Nr. 10-12 bzw. 45-64).

Baudenkmäler, kleinere Schnittsteine und tabula gromatici

Säulen, Sockel, Säulenkapitelle, Gesimse usw. kamen in Aquincum in großer Zahl zum Vor­schein (A. KISS 1987, 31-46). Hierzu gehören auch die in Außen- und Innenräumen verwende­ten kleineren Schnittsteine: Bankfüße, Monopodia, Brunnenschmuck, Mahlsteine, Steinkugeln, Ossua-rien sowie Schalen, Flaschen usw. (Gods, soldiers 1995, 64, Nr. 355; SZIRMAI 1999/2, 47; M . " NAGY 1988/1, M . 1 1 NAGY 1988/2, Christentum

1 5 Vgl. Anm. 8. Darüber hinaus sei hier noch auf ein neues Fragment einer Knabenskulptur: Z S I D I 1999/3, 104, Abb 6, sowie ein noch unveröffentlichtes Priapus-Fragment ver­wiesen, das Krisztina Szirmai im Gebiet des Legionslagers Aquincum freilegte: Grabung 1992, Plan 7, Nr. 41 .

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2000, 51, Nr. 3; HAVAS 2002). Diese Funde sind Werke der lokalen Steinmetzwerkstätten aus dem 2. bis 4. Jahrhundert.

Zur Gruppe der Bauplastiken gesellte sich ein neuerdings gefundenes Architekturelement mit einer monumentalen Darstellung des Jupiter Ammon (SZIRMAI 1999/2, 65, Nr. 45), und hinzu kamen in den letzten Jahrzehnten ein großes, reich ver­ziertes und bemaltes Gesimsfragment sowie meh­rere niveauvolle korinthische Säulenkapitelle vom Gebiet des Legionslagers des 2.-3. Jahrhunderts (SZIRMAI 1976/2, SZIRMAI-ALTMANN 1976, 234, Abb. 256, ERTEL 1999/1).

Erwähnung verdienen nicht zuletzt, wenn auch nicht vorrangig in Bezug auf ihren künstlerischen Wert, die in der Militärstadt von Aquincum ans Tageslicht gelangten (MADARASSY 1993, NOÉH 1993), zur Landvermessung dienenden tabula gro-matici aus Marmor. 1 6 (Abb. 15.)

Krisztina Szirmai

Abb. 15. Fragment eines Ingenieurinstrument (tabula gromatici) aus der Militärstadt

In der obigen Aufzählung haben wir unter den mehreren hundert Denkmälern nur die bereits publizierten genannt. Inzwischen wurde das Manuskript des die Grabplastiken von Aquincum behandelnden CSIR-Bandes fertiggestellt (T. Nagy, M . Németh, K. Csontos). Gegenwärtig bereitet man die RIU-Bände zum Druck vor ( I . Tóth, B. Lőrincz, M . Németh). Daneben werden die Bauskulpturen für den CSIR-Band aufgearbeitet (Christine Ertel, Wien) und der Katalog der Rundplastiken ist in Vorbereitung ( K Szirmai), im Rahmen der OTKA-Forschung Nr. T 037281.

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7.2. DIE INNENDEKORATION DER GEBÄUDE

Wandmalereien, Stuckaturen

Die Wandmalereifragmente aus Aquincum stel­len die größte und mannigfaltigste Gruppe dieses Fundmaterials in Pannonién dar. Im vorangehen­den Zeitraum versuchten die Forscher haupt­sächlich zwei Aufgaben zu lösen (MADARASSY 1999-2000, MADARASSY 2000/2). 1 Einerseits die Quellen, d. h. die Materialsubstanz, zu bewahren und zu registrieren, andererseits das Quellenmate­rial zu veröffentlichen. Die auch im internationa­len Vergleich bedeutende Sammlung besteht aus teils restaurierten, teils aus vorübergehend aufbe­wahrten größeren Einheiten. Ihre Mehrzahl kann studiert werden, doch nur ein Bruchteil davon befindet sich in einem präsentablen Zustand. Im Gegensatz zu anderen Denkmalgruppen ist das Freilegen, Bergen, Konservieren, Restaurieren und die Rekonstruktion der Wandgemälde, vom Augenblick ihrer Auffindung bis zum Zeitpunkt ihre Erforschbarkeit und Deutbarkeit, oftmals die Arbeit von Jahren und beansprucht darüber hinaus viel Platz und Geld.

Hinsichtlich ihres Stils und ihrer Komposition wurden die Wandmalereifragmente aus Aquin­cum - natürlich innerhalb der aus dem Obigen folgenden Schranken - 1892 von Bálint Kuzsin­szky (KUZSINSZKY 1892, 73-123), 1942 von Lajos Nagy (L. NAGY 1942/1, 591-598), 1958 von Tibor Nagy (T. NAGY 1958, 149-187), 1971 von István Wellner (WELLNER 1971/2, 327-400) und 1958 sowie 1981 bzw. 1984 von Klára Póczy (PÓCZY 1958, PÓCZY 1981, 98; PÓCZY 1984/2, 53-65) analysiert. Der heute bekannte Grundriss sowohl der Zivilstadt, als auch

1 Im Rahmen der OTKA-Forschung, Nr. T 023728.

des Legionslagers und der dieses umgebenden Militärstadt von Aquincum bildete sich auf der Grundlage eines bewußten städtebaulichen Kon­zeptes heraus. Von daher ist es verständlich, daß die Wandmalerei-Forschung anstelle der früheren kunsthistorischen Orientierung (L. NAGY 1942/ 1, 591-598) heute mehr und mehr nach dem Prinzip vorgeht, die mit einzelnen Bauphasen i n Verbindung zu bringenden Werkstätten zu unter­scheiden (PÓCZY 1984/2, 53-54).

In Aquincum sind die - nach unseren gegen­wärtigen Kenntnissen - im Großen und Ganzen zeitgleich mit der Erlangung des Ranges eines Provinzsitzes einsetzenden Wandmalereien durch­gängig bis ans Ende des 4. Jahrhunderts zu verfol­gen, und zwar in sämtlichen topographischen und administrativen Einheiten der Stadt. Drei rekons­truierte, präsentierbare Wandbemalungen aus dem Legionslager wurden durch die Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte bekannt. Die älteste Arbeit kam in der Retentura, einem Kommandeursgebäude des 5. scamnum, des im 2. bzw. 3. Jahrhundert beste­henden Legionslagers zum Vorschein. Zwei davon gehörten zu zwei benachbarten Räumen. In einem Raum war im Mittelfeld ein stilisierter Rahmen mit typischem Girlandenmotiv dargestellt (Aquin­cum 1991, 188, Abb. 108-110), das rekonstruiert werden konnte. Den anderen Raum zierte eine in roten und gelben Feldern ausgeführte Dekoration, die auf Grund der stratigraphischen Angaben in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts zu datieren ist. 2 (Abb. 1.)

Die gegenwärtig bedeutendsten - und in ihrer Art einzigartigen — Wandmalereien des Legions-

2 Den kurzen Bericht darüber von Orsolya Madarassy enthält der in Vorbereitung befindliche Band über die 2001 in Budapest stattgefundene AIPMA Konferenz.

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Abb. 2. Rekonstruktionszeichnung der Kultwand im Abb 3. Östliche Bildreihe aus dem Mithräum des L . C. Pius im Legionslager Mithräum des Legionslagers

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lager stammen aus dem im Hause des tribunus laticlavius sekundär eingebauten Mithräum.

Auf dem nördlichen Podium stand der Grund­stein des Heiligtums, darüber war in die Wand eingelassen das zentrale Kultbild platziert, und die Wände des Heiligtums schmückten an der Wende vom 2.-3. Jahrhundert gemalte Szenen der Mith­ras-Legende (Aquincum 1986, 215-219; MADA­RASSY 1991/1, MADARASSY 1991/2). (Abb. 2.) Von den fünf bislang bekannten Mithras-Heiligtü­mern in Aquincum ist dies das einzige mit einem Kultbild in Form eines Wandgemäldes. (Abb. 3.)

Die späteste Wandbemalung, die in der behan­delten Forschungsperiode im Gebiet des Legions-lagers zum Vorschein kam, schmückte die Woh­nung eines centurio (SZIRMAI 1984/2, Aquincum 1986, 210). Das Bild (Abb. 4) besteht aus weißen, von gelben bzw. schwarzen Streifen umrahmten Feldern und Unterteilungen mit Kandelabern, in den Mittelfeldern sind jeweils ein Obstkorb bzw. die Gestalt eines Obstkörbe tragenden Knaben (Abb. 5.) dargestellt. Es dürfte Mitte des 3. Jahr­hunderts von einer der Werkstätte in Aquincum für Wandmalerei angefertigt worden sein.

In der Militärstadt fand man im zurückliegen­den Zeitraum besonders in deren nordwestlichem, nordöstlichem und südöstlichem Teil zahlreiche Wandmalereien (MADARASSY 1999-2000, 184-186). Laut Zeugnis der Grabungen wurden in den canabae im 2. Jahrhundert überwiegend öffentli­che Gebäude mit Wandmalereien ausgeschmückt (SZIRMAI 2000/3, 125), deren Überreste in der Schuttschicht späterer Geländeplanierungen zum Vorschein kommen. Im severischen Zeitalter sind im ganzen Gebiet der Militärstadt Spuren des ein­heitlichen städtebaulichen Konzepts zu beobachten, das auch eine reichere Dekoration der Wände einschloss. Wandmalereien des 3. Jahrhunderts werden bei den Ausgrabungen im Allgemeinen von den Wänden herabgefallen oder in situ vor­gefunden, (Abb. 6.) so dass wir auch über ihren Motivschatz wesentlich mehr wissen. Damals wur­den die Mensch- und Tierdarstellungen (Abb. 7.) häufiger, die Stuckgesimse reicher verziert, und in den Bildfeldern erschienen Kapitelle und Halbsäu­len aus Stuck.

Zwei Gebäude der Militärstadt sind im Hin­blick auf ihre Wandbemalung hervorzuheben, beide standen im nordöstlichen, in der Verwal­tung eine wichtige Rolle spielenden Viertel. Eine Zusammenfassung über die Wandmalereien der Statthalterresidenz war früher schon erschienen (PÓCZY 1958). Doch im Zuge der Grabungen des behandelten Zeitraums kam eine große Menge neues Material ans Licht, und ein Teil davon gehört zu den früher freigelegten Wandflächen (KÉRDŐ 2000). Als wichtigstes Ergebnis der jüngsten Ausgrabungen stellte sich heraus, daß der Statthalterpalast neben dem Hauptgebäude aus mehreren weiteren Bauten bestand und daß in diesem Komplex nicht nur das Hauptgebäude mit Wandmalereien dekoriert war (KERDŐ 1997/3, 33; KÉRDŐ 1999/1, 138-140). 3 In dem anderen öffentlichen Gebäude brachten die Ausgrabungen das schönste innenarchitektonische Ensemble der zurückliegenden Forschungsperiode an den Tag (SZIRMAI 1991/1, 203-206; SZIRMAI 2000/ 3, 124-131). Mehrere Räume dieses Gebäudes mit Atrium und Peristyl wiesen Mosaikfußböden, Wandbemalung und Stuckaturen auf. Ein Teil der Wandmalereien, häufig der figurai verzierte Sockel, blieb in situ erhalten. Zur Periode des 3. Jahrhunderts des im 2. Jahrhundert erbauten Gebäudes gehörte die prächtige Innendekoration, deren wertvollstes Stück eine Wand mit Relief­und Stuckverzierungen ist (PARRAGI 1991, 199-215), in denen sich Tier- und Menschengestalten sowie Pflanzenmuster zu einer dionysischen Szene zusammenfügen. (Abb. 8.)

Auch an mehreren anderen Punkten der M i l i ­tärstadt kamen Gebäudereste mit Wandbemalung zum Vorschein (MADARASSY 1996, 55; MADA­RASSY 1997, 51-52; MADARASSY 2000/1, 49; MADARASSY 2002, 33-34). Die stratigraphi-schen Beobachtungen der zahlreichen Grabungen sowie die Motive der Wandmalereien verifizieren, daß die Bemalung der in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts errichteten oder umgebauten Häuser annähernd zur gleichen Zeit wie die Bauarbeiten

3 Über die Wandmalereien der Statthalterresidenz, mit Aus­wertung der neu ans Tageslicht gelangten Stücke, s. noch den Abschnitt „Der Statthalterpalast" (5.3.2.).

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Abb. 4. Rekonstruktions-zeichnung der Wandmalerei eines Centurionenhauses in der Praetentura des Legionslagers

Abb. 5. Fragment der Wandmalerei eines Centurionenhauses in der Praetentura des Legionslagers

Abb 6. Sockel in situ in einem Gebäude der Militärstadt

Abb. 8. Details von einer Stuckwand mit dio-Abb. 7. Restaurierte Sockelteil einer Wandmalerei nysischen Darstellungen aus einem Gebäude der mit Storch aus einem Gebäude der Militärstadt Militärstadt

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20 cm

erfolgt ist (MADARASSY 1999-2000, 184-186). Die meisten Wandmalereien der neuen Ausgrabungen wur­den erst teilweise konser­viert und zusammengestellt. Daher sind von hier nur wenig zusammenhängen­de Kompositionsdetails bekannt, wie zum Bei­spiel die Rekonstruktion eines Deckengemäldes aus einem ins 3. Jahrhundert datierten Gebäude (MADA­RASSY 2002, 34, Abb. 5) . 4

(Abb. 9.) Heute sind von dem

erschlossenen Gebiet der Zivilstadt etwa dreißig Gebäude bekannt, in denen man Wandmalerei-Frag­mente fand (ZSIDI 2000/ 2). Allerdings können bis jetzt nur vier rekonstruier­te Wandflächen vorgezeigt werden, davon wurden zwei im untersuchten Forschungszeitraum fertig­gestellt. Den Großteil der aus dem davorliegen-den Zeitraum stammenden Bruchstücke bewahrt das Museum inventarisiert mit dem Material der einzelnen Straten auf. Möglichkeiten zur Zusam­menstellung größerer Wandflächen boten sich erst Ende der sechziger bzw. Anfang der siebziger Jahre mit der Anwendung modernerer Methoden der Freilegung, Konservierung und Dokumentati­on. Damals konnte eine der bemalten Wände des im zweiten Viertel des 2. Jahrhunderts erbauten sog. zweiten Gebäudes mit Peristyl rekonstruiert werden, das im südöstlichen Raum der Zivilstadt zum Vorschein kam (NÉMETH 1973). (Abb. 10.) Die Wandfläche wird durch Blumenkandelaber in rote Felder unterteilt, in deren Mitte in Emble­men figurale (mythologische) Darstellungen zu sehen sind. 5 (Abb. 11.) Eine Wandbemalung des

4 Rekonstruktion von Anita Kirchhof.

Abb. 9. Rekonstruktionszeichnung einer bemalten Decke aus den Militärstadt (nach A. Kirchhof)

3. Jahrhunderts stammt aus einem der römischen — unter einem Haus der Wohnsiedlung Gaswerke vorgefundenen — Gebäude im östlichen Teil der Zivilstadt. Sie wurde 1976 teilweise rekonstruiert und 2001 dann durch Ergänzung eines weiteren, kleineren Teils fertiggestellt.6 Die hochgradige Übereinstimmung im Stil seiner figuralen Elemen­te (Abb. 12.) mit jenem der Wandmalereien von Gorsium und Brigetio könnte auf ein und densel­ben Meister hindeuten. 7

5 Bei der Anfertigung einer Kopie des Wandgemäldes für die ständige Ausstellung des Ungarischen Nationalmuseums unterbreitete Zsófia Kurovszky und Nikolett Szederkényi i n Zusammenarbeit mit Margit Németh und Orsolya Madarassy eine neue Konstruktionslösung: Kurovszky Zs. - Szederké­nyi N . , Aquincumi falfestmény rekonstrukciója. In: Kelet és Nyugat határán. A Magyar Nemzeti Múzeum új régészeti kiállításának vezetője. Budapest, i . D .

6 Einen kurzen Bericht darüber von Margit Németh enthält der in Vorbereitung befindliche Band über die 2001 i n Budapest stattgefundene AIPMA Tagung.

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Afeb. /0 . Rotgrundige Wandmalerei aus der Zivilstadt

Abb. 11. Neuerer Rekonstruktionsentwurf der rotgrundigen Wandmalerei aus der Zivilstadt (Kurovszky-Szederkényi)

Abb. 13. Fragment vom Sockel einer A b b M S t u c k i m i t a t i o n a u s e i n e m H a u s n e h e n

Wandmalerei aus einem Haus neben dem Nordtor d e m N o r d f o r d e r Zivilstadt der Zivilstadt

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Die in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren in der Zivilstadt freigelegten Wandmalereien kamen vorwiegend bei durch Bauvorhaben bedingten Rettungsgrabungen zum Vorschein. In ihrem Fall erfolgte vorerst eine Konservierung und Auswahl. Fragmente eines Wandgemäldes aus der Periode vom Ende des 2. bis Anfang des 3. Jahrhunderts fand man in einem Gebäude mit Veranda, das beim nördlichen Stadttor auf der Ostseite der aus der Zivilstadt führenden Straße stand (ZSIDI 2000/2, 135, 143-145, Abb. 1-5). Das Beson­dere an diesen Wandmalereien sind der plastisch hervorgehobene Sockelteil (Abb. 13.) und die das Mittelfeld teilenden, ebenfalls plastischen Halb-säulen.8 (Abb. 14.) Der Sitz des Feuerwehrkol­legiums in Aquincum (collegium centonariorum) war schon früher bekannt, seinen Grundriss hatte Lajos Nagy erforscht. Bei Nachgrabungen in die­sem Gebiet wurden auf der Südseite zwei weitere Räume entdeckt, in deren unter dem späteren

7 Den Gedanken warf Árpád Kardos auf, s. den in Vorberei­tung befindlichen Band über die 2001 in Budapest veran­staltete AIPMA Tagung.

8 Das Wandgemälde wird von Mir t i l l Magyar (ELTE, Ins­titut für Archäologie) im Rahmen einer PhD Dissertation aufgearbeitet.

Fußbodenniveau befindlichen Planierungsschicht Bruchstücke von Stuck und zusammenhängenden Wandmalereien zu Tage kamen (ZSIDI 1998/4, 91-92; Z S I D I 2000/2, 135-136), und zwar neben Stücken mit grünen Pflanzen- und roten geometrischen Mustern auf weißem Grund auch rosafarbig abgestimmte Stücke, die auf figurale Bemalung hindeuten. Zusammenhängende Frag­mente von Wandbemalung enthielt die Schutt­schicht im Hof des Badegebäudes, das vermut­lich an die Ostseite der außerhalb der südlichen Stadtmauer freigelegten Herberge (deversorium) grenzte (ZSIDI 2000/2, 136, 146-147, Abb. 6-8). Die perspektivisch dargestellten Deckenteile der Wandbemalung gliederten breite, rotgelbe und schmale, schwarzrote Streifen, welche gelbbraune Pflanzenornamentik auf weißem Grund ausfüllte. In den durch rote Streifen getrennten Feldern des aufgehenden Teils befanden sich, gleichfalls auf weißem Grund, grüne Pflanzenmuster und größere figurale Darstellungen (MAGYAR 2003).

Unter den aus dem stadtnahen Teil des Ter­ritoriums des Municipiums Aquincum bekannten Villengütern wurden bis zur jetzigen Forschungs­periode nur in der Villa am Csúcshegy Wand­malereien gefunden (L. NAGY 1937/2, 45-46) .

Abb. 15. Fragment einer Wandmalerei aus der Villa südwestlich der Zivilstadt - Periode 1. Abb. 16. Rekonstruktionszeichnung von einem Wandgemälde des

Villengebäudes südwestlih der Zivilstadt — Periode 1. (nach A. Kirchhof)

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Ein jüngst südwestlich der Zivilstadt von Aquin­cum freigelegter, vermutlich zu einem Gutshof (sog. Szőlőkert utca) gehörender Gebäudeteil enthielt ebenfalls zahlreiche Fragmente von mehrschichtiger Wandbemalung, (Abb. 15, 16.) die sich teils in der Verfüllung ausgerissener Mauerabschnitte früherer Perioden und teils in der zur späteren Periode gehörenden zusam­menhängenden Schuttschicht befanden (ZSIDI 2000/2, 137). 9

Hierzu gehört, obwohl sie im Stil etwas von den Vorigen abweicht, in Bezug auf ihre Technik und Beschaffenheit auch die auf den Verputz auf­getragene Wandbemalung, die eine frühchristliche Grabkammer im Westgräberfeld der Militärstadt schmückte (Christentum 2000, 38-39, 62, 72; TOPÁL 2002/2, 69) . 1 0 Auch die Beigaben aus einem Grab in der Nähe des Fundortes der bemalten Grabkammer dienten mit wichtigen Informationen über die Wandmalereien in Aquin­cum. In dem Grab kamen vier kleine, graue Töpfe gleicher Form mit eingetrockneten Farb-resten ans Licht, 1 1 deren Materialuntersuchung es ermöglichte, die Zusammensetzung der Farben zu bestimmen. 1 2

Die zuvor erwähnte Materialanalyse ausgenom­men, unterzog nur Márta Járó die Wandmalerei­en von Aquincum einer naturwissenschaftlichen Untersuchung, deren Ergebnisse sie Mitte der achtziger Jahre publizierte (JÁRÓ 1985). In die­sem Zusammenhang wurden auch einige Glätt­putzproben aus Aquincum mit den Ergebnissen von Gorsium und Baláca verglichen, wobei es gelang, an einer Wandbemalung aus Aquincum einen bislang in Pannonién einzigartigen, roten, Hämatit enthaltenden, farbtragenden Verputz zu identifizieren.

9 Das Wandgemälde wi rd von Anita Kirchhof im Rahmen ihrer PhD Dissertation (ELTE, Archäologisches Institut) aufgearbeitet.

1 0 S. noch den Abschnitt „Das Christentum" (8.4.). 1 1 Ein kurzer Bericht darüber von Judit Topái findet sich in

dem in Vorbereitung befindlichen Band über die 2001 in Budapest veranstaltete A I P M A Tagung.

1 2 Die Untersuchung führte Alix Barbet durch, s. den in Vorbereitung befindlichen Band über die 2001 in Budapest veranstaltete AIPMA Tagung.

Mosaiken

Ähnlich wie im Falle der Wandmalereien besteht die Mosaiken aus Aquincum teils aus zusammengestellten und teils aus provisorisch verwahrten größeren Einheiten. Die 16 schon früher gefundenen zusammenhängenden, verzierten Mosaikfußböden wurden in der zurückliegenden Forschungsperiode bereits publiziert (L. NAGY 1942/1, 598-600; KABA 1958, WELLNER 1962, WELLNER 1971/2, Á. KISS, 1973). Die frü­hesten bekannten Mosaikfußböden sind die vom Anfang des 2. Jahrhunderts stammenden Mosaiken aus dem Statthalterpalast. Doch die überwiegende Mehrzahl der Mosaiken kündet vom severischen Zeitalter, und bei den meisten handelt es sich um Arbeiten ortsansässiger Meister (SZIRMAI 1998/2, 158).

Nur aus den Berichten früherer Grabungen wis­sen wir von einem bunten Mosaikfußboden, der im Gebiet des Legionslagers, im sudatorium der großen Therme, gefunden wurde (L. NAGY 1942/

0 1 m

Abb. 17. Rekonstruierter Mosaikfussboden aus dem Tablinum eines Gebäudes der Militärstadt

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Abb. 18. Fragmente aus dem Tablinum eines Gebäudes der Militärstadt

1, 600; KABA 1958, 11, 12, 30). Im vergangenen Forschungszeitraum haben nur die aus dem schon mehrmals erwähnten öffentlichen Gebäude in der Militär Stadt stammenden bunten Mosaikfußbö­den die Reihe der bislang bekannten Mosaiken aus Aquincum ergänzt (SZIRMAI 1998/2). Die sechs in mehreren Etappen freigelegten Mosaiken schmückten die Fußböden der Zimmer und Korri­dore. Besondere Beachtung verdient der Fußboden in einem Raum mit Wandbemalung, deren figurale Dekorationen Tiergestalten darstellen (PARRAGI 1991). (Abb. 17, 18.) Obwohl bei den Nachgra­bungen im Gebiet der Statthalterresidenz keine weiteren Mosaikfußböden zum Vorschein kamen, förderten sie in den wieder verfüllten früheren Grabungssektoren dennoch einige größere Mosa­ikfragmente zu Tage (KÉRDŐ 2000, 158).

Orsolya Madarassy, Paula Zsidi

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7.3. MUSIKDENKMÄLER AUS AQUINCUM

In Verbindung mit dem Musikleben in Aquin­cum stehen uns gegenwärtig wenige unumstrit­tene Beweise zur Verfügung (PÓCZY 1997/2, TOPÁL 2002/1), entgegen der Tatsache, daß Musik bei den Ritualen der verschiedenen Kulte oder im Heer (sowohl in Friedens- wie auch in Kriegszeiten) oder als Begleitung der in den Amphitheatern bzw. Theatern zur Unterhaltung veranstalteten Spiele und nicht zuletzt privater Zusammenkünfte bzw. Festgelage ein wichtige Rolle gespielt hat. Die momentan verfügbaren Belege werden in folgender Gruppierung vorge­stellt: Instrumente als archäologische Funde, Dar­stellungen von Instrumenten, Inschriftdenkmäler ohne Darstellungen.

Archäologische Funde

Unbedingt als erstes zu erwähnen sind die 1931 von Lajos Nagy bei einer Rettungsgrabung im Keller des Sitzes der Feuerwehr in Aquincum (collegium centonariorum) freigelegten Uberreste einer tragbaren, durch Veränderung des Was­serstandes in einem Druckbehälter (hydraulus, hydra) betriebenen Orgel (orgánum pneumaticum) mit Gebläse (L. NAGY 1934/2, KABA 1970, KABA 2001, WALCKER-MAYER 1970). 1 Nach dem lateinischen Text der kleinen Bronzetafel,2

die zu der aus Nadelholz angefertigten Windlade gehört, hat der decurio und gleichzeitige praefec-tus der oben erwähnten Körperschaft, G. Iul(ius) Viatorinus, das Instrument zur Zeit des Konsu­lats des Modestus und Probus (228. n. Chr.) als Geschenk erhalten (L. NAGY 1932). Die 52 in vier Reihen angeordneten Bronzepfeifen ermög­lichten das Schalten von vier Registern. Jeweils

1 Aq. Mus. Inv. Nr. 70.11.1-298. 2 Aq . Mus. Inv. Nr. 70.11.259.

13 Pfeifen ergaben eine chromatische Tonleiter, wobei den Grundton der ersten 13 Pfeifen das mittlere C, der nächsten 13 das vier Töne tie­fere F und der beiden folgenden Tonleitern das mittlere F bildeten. (Abb. 1.) Die Musik, die beim Spiel der Pfeifen erklang, war homophoner Art (L. NAGY 1942/1, 559). Wie die chemische Untersuchung der Metallgegenstände ergab, han­delt es sich bei dem Instrument um ein Produkt des rheinländischen Metallhandwerks. Leider ging die Rekonstruktion des Wasserbehälters (pnigeus), der die Luftzufuhr zu den Pfeifen gewährleistete, zwischenzeitlich verloren, und auch der Zustand der noch vorhandenen, aber stark korrodierten Fragmente ist nicht zufriedenstellend.3 Anhand der Rekonstruktion der originalen Bronze-und Holz-

3 J. Minárovics, Miért volt az aquincumi tűzoltóság orgonája víziorgona? (Weshalb könnte die Orgel der Feuerwehr in Aquincum eine Wasserorgel gewesen sein?). BudRég 28 (1991) 261-282; E. L. Szonntagh, Újabb adatok az aquin­cumi orgona légnyomásszabályozó szerkezetéhez (Neuere Angaben zum Druckluftregler der Orgel von Aquincum). BudRég 28 (1991) 283-293.

Abb. 1. Neue Rekonstruktion der Orgel (hydra) aus Aquincum

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bestandteile gelang es der weltberühmten Pécser Orgelbauerfirma Angster im Jahr 1935, zwei authentische Kopien anzufertigen. Eine ist auch heute in der Kopiensammlung des Museums zu besichtigen4 und kann sogar gespielt werden. Die an das Thema anknüpfenden neuesten Ergebnisse und Hypothesen verschiedener Autoren findet man in der Publikation über das Internationale Sym­posium "Orgel der klassischen Antike: die Aquin-cum-Orgel A .D. 228 (Hrsg. H . H . Eggebrecht, Kleinblittersdorf 1997).

Zubehör von Blasinstrumenten dürften aller Wahrscheinlichkeit nach jene aus Langknochen bzw. Geweih geschnitzten und geschliffenen, innen hohlen, in einigen Fällen mit einem sorgfältig gebohrten Griffloch versehenen Gegenstände gewe­sen sein, deren fragmentierter Zustand es jedoch nicht ermöglicht, das betreffende Objekt authen­tisch zu rekonstruieren. Die in der römischen Sammlung aufbewahrten Gegenstände5 könnten Fragmente einer einfachen Flöte (tibia gingrina, tibia impares) oder eventuell Möbelbestandteile, namentlich Scharnierröhren, gewesen sein.6 Die innen sorgsam ausgehöhlten und geschliffenen, mit einem oder zwei gebohrten Löchern verse­henen Geweihgegenstände,7 die an das bei den Germanen gebräuchliche Horn (lurum) erinnern, sind auch als Instrumente zu benützen. Die Frag­mente von einigen Beingegenständen8 hat man auf Grund ihrer Form und Ausbildung vielleicht ebenfalls für Mundstücke von Blasinstrumenten zu halten, wobei hier sogar Blechblasinstrumente wie cornu, bucina, salpinx, tuba etc. in Betracht kämen.9 (Abb. 2.)

Der im zweifellos nahe bei Aquincum gelegenen Zsámbék unter ungewissen Umständen ans Tages-

4 Aq . Mus. Inv. Nr. R M 34, KS 94.29. 5 A q . Mus. Inv. Nr. 51160, 51173 und 52761. 6 J. Obmann, Die römische Funde aus Bein von Nida-Hed­

dernheim. Sehr. Frankfurter Museums für Vor- und Früh­geschichte. 1997, 57 ff., Taf. 9.

7 Aq . Mus. Inv. Nr. 15262, 51127. 8 Aq . Mus. Inv. Nr. 52762, 52976 und 52977. 9 Kürzlich kam in einem Grab des Westfriedhofs der M i l i ­

tärstadt von Aquincum eine beinerne Pfeife zum Vorschein. Grabung O. Madarassy, Vályog Str. 6., Grab 88., 2001, Plan 9, Nr. 62.

Abb. 2. Pfeife aus dem Tierknochen aus einem spätrömischen Grab des westlichen Gräberfeldes der Militärstadt

Abb. 3. Bronzene Schelle vom Donauufer, südlich der Militärstadt

licht gelangte, in Ungarn bislang einzige publizier­te Tuba-Fund (GABLER 1970 59 ff.) 1 0 läßt sich unserer Ansicht nach nicht an Aquincum binden.

Als relativ häufige Beigaben kommen in den Bestattungen in Aquincum — hautpsächlich in Kindergräbern - kleine Bronzeschellen11 vor, (Abb. 3.) die gerade wegen ihrer winzigen Maße (Dm.: 1,5-2,0 cm) und der daraus resultieren­den schwachen Klangkraft nicht für Instrumente im klassischen Sinn, sondern eher für Spielzeug zu halten sind. Anders verhält es sich mit den in unserer Sammlung recht zahlreich vertretenen,

1 0 Inv. Nr. 10/1951.3 im Ungarischen Nationalmuseum. 1 1 Z . B. Aq. Mus. Inv. Nr. 86.7.211, 91.2.3, 92.8.57, etc.

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massiv gegossenen, mit einem angelöteten Klöppel versehenen Exemplaren größerer Abmessung (Dm.: 3,5-5,0 cm), die man eher als Glöckchen denn als Schelle bezeichnen könnte. 1 2 Von diesen Fund­stücken kennen wir auf Grund des eingravierten Namens auch den Hersteller: [ SE ] CVNDVS (BURGER 1955). Diese Glöckchen wurden ver­mutlich bei Kultritualen ebenso verwendet wie als Ergänzung der musikalischen Untermalung profa­ner Zusammenkünfte.

Darstellungen von Instrumenten

Hierunter verstehen wir in erster Linie die beim Heer gebräuchlichen Instrumente - man findet sie am häufigsten an Grabdenkmälern, die Militärmu­sikern gewidmet sind. Das berühmteste darunter ist die Stele des Aur(elius) Bitus, Hornist (cornicen) der legio II Adiutrix (CIL I I I 15159), 1 3 an der der Steinmetz den im Kampf vermißten Mann in vollem Kriegsschmuck und mit dem rechts geschul­terten Horn abgebildet hat. Auf ähnliche Weise, mit dem Horn über der Schulter, kommt die Gestalt des Aurelius Bitus am Sarkophag seines kleinen Sohnes vor (CIL I I I 15160), 1 4 der in Militäruni-form dargestellt wurde. Ein Horn (comu) trägt auch Ae(lius) Quintus auf der Schulter, der seiner Grabinschrift1 5 zufolge aus Dunabogdány (Cirpi) stammte (KUZSINSZKY 1934, 193, Nr. 313, Abb. 141). Ein wesentlich friedfertigeres Thema hat das - ursprünglich Teil einer aedicula bildende - Kalksteinrelief zum Gegenstand, auf dem eine unbekleidet tanzende Bacchantin abgebildet ist, die den Takt dazu mit einem crotalum in ihrer Hand schlägt (KUZSINSZKY 1934, 181, Nr. 179). 1 6

Im Palast des Statthalters (Hadrian) auf der Schiffswerft-Insel kam der aus Kalkstein gearbei-

1 2 Aq. Mus. Inv. Nr. 32828, 40228, 40253, 50708, 52326, 54095, 60126.

1 3 Lapid. Aq. Inv. Nr. 64.10.7; B. Kuzsinszky, Újabb kóem-lékek az Aquincumi Múzeumban [Neuere Steindenkmäler im Aquincum-Museum]. BudRég 7 (1900) 5-66, Nr . 24.

1 4 Lapid. Aq . Inv. Nr. 64. 10.31., KUZSINSZKY, op. cit. 36-38.

1 5 Lapid. Aq . íny. Nr. 63.10.137. 1 6 Lapid. Aq . Inv. Nr. 64.11.160., s. weiter Aq. Mus. Inv. Nr.

18066 mit Tambourin?

tete, fast einen Meter hohe Krater 1 7 zum Vor­schein, an dessen Seite eine Teilnehmerin an dem dargestellten Thiasos, eine nach rechts schreitende Maenade in weitem Gewand, auf einer Doppelflö­te (aulos) spielt. Der untere Teil des Instruments ist eine nach oben gebogene sog. tibia curva.ls

Die bei germanischen Stämmen verbreiteten S-förmigen, hornartigen Blasinstrumente (lurum) sind als Teil der Kriegsbeute1 9 an einer den Tri ­umphzug des Mark Aurel darstellenden irdenen Kuchenform (crustulum) 2 0 aus Aquincum zu sehen (KUZSINSZKY 1932, 226-229, Abb. 237; FACSÁDY 1993, Abb. 14). Nach Meinung der Verfasserin könnte es sich bei dem Kaiser auch um Lucius Verus handeln.

Im Material der Töpfersiedlung der Zivilstadt befindet sich ein irdenes Stempelmuster,21 das eine links sitzende, mit einer Tunika bekleidete Männergestalt zeigt (KUZSINSZKY 1932, 213-214, Abb. 223). Der Mann spielt gleichfalls auf einer Doppelflöte (aulos), aber hier ist die untere Flöte gerade und die obere nach oben gebogen (tibia curva). Von den Positiven, die mit den negativen Stempelmustern angefertigt wurden, ist aus Aquincum bislang leider kein einziges bekannt.

In einem Brunnen dieser Handwerkersiedlung kam eine CERIALIS-Schüssel der Form Drag. 37 zum Vorschein, auf der der sitzende, seine Laute schlagende Apollo gleich zweimal abgebildet ist (KUZSINSZKY 1932, 89-91, Abb. 77-78). Einige ähnlich ausgeführte Darstellungen sind an Wandfragmenten des Typs Drag 37 sehen,22

wo der untere Teil der Figur zuweilen leider fehlt. Weitaus häufiger und in mannigfaltigen Variationen findet sich in unserem Material der

1 7 Rekonstruktion: Aq. Mus. Inv. Nr. KS 94.30. 1 8 I . Paulovics, Dionysosi menet (thiasos) magyarországi

római emlékeken I I . [Dyonysischer Triumphzug (thiasos) an römischen Denkmälern in Ungarn I I . ] . ArchÉrt 49 (1936) 3-32.

1 9 I . Járdányi-Paulovics, Germán alakok pannóniai emlékeken [Germanendarstellungen auf pannonischen Denkmälern]. BudRég 14 (1945) 230.

2 0 Aq . Mus. Inv. Nr. 51595. 2 1 Aq . Mus. Inv. Nr. 51196. 2 2 Aq . Mus. Inv. Nr. 52061, 52077, 54867.

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reliefverzierten Sigillaten das Motiv des Knaben mit Flöte. 2 3 In einigen Fällen ist es wegen des schlechtes Zustandes der Fragmente oder - bei verloren gegangenen Stücken - der nicht ganz exakten Zeichnung unmöglich, die Instrumente (tibia gingrina, impares, pares, aulos) zu identifi­zieren.

Inschriftdenkmäler

Abschließend sollen auch jene Inschriftdenkmä­ler Erwähnung finden, an denen die Instrumen­tendarstellung entweder nicht mehr erkennbar ist - in Folge ihres fragmentierten Zustandes, oder es eine solche ursprünglich gar nicht gegeben hat, wo jedoch der Inschrifttext über die Beschäftigung des im Grab Ruhenden oder des das Denkmal stiftenden Hinterbliebenen - im Falle eines Altar-steins des Stifters - Auskunft gibt.

Im Winter 1881-1882 kamen nördlich der Canabae von Aquincum, beim Bau des Filato-ri-Dammes, zahlreiche Gräber zum Vorschein (HAMPEL 1891, 58 ff . ) . Eines davon war der leider leere Sarkophag (CIL I I I 10501), 2 4 welcher durch seine Inschrift 2 5 zu unseren wichtigsten römischen Denkmälern gehört. In dem Steinsarg ruhte Aelia Sabina, Gattin des Organisten der legio II Adiutrix, Titus Aelius Iustus, von der ihr Gemahl mit der folgenden Widmung in Versform Abschied nahm: 2 6

Clavsa iacet lapidi conivnx pia cara Sabina / artibvs edocta svperabat sola maritv / m. Vox ei grata fvit, pvlsabat pollice cordas. / Sed cito rapta silpit. Ter denos dvxerat annos he / v male qvinqve minvs set plvs très me (n) ses habebat, / bis septemqve dies vixit h(a)ec ipsa superstes specta-ta in po / pulo hydravla grata regebat. Sis felix

2 3 Mi t einfacher Flöte, unbekleidet: Inv. Nr. 34544, in einer Tunica: Inv. Nr . 66159, mit Doppelflöte, unbekleidet: Inv. Nr. 27749, oder in Tunica: Inv. Nr . 47/6/1810, 8121, 18087, 51797 etc. Auch i m neuen, noch unpublizierten Fundmaterial gibt es zahlreiche Denkmäler dieser Art .

2 4 Lapid. Aq . Inv. Nr. 63.10.138. 2 5 J. Hampel, Aquincumi sírvers. ArchÉrt tJj.f. 2 (1882),

121-125. 2 6 Lesart: NÉMETH 1999/2, 64-65, Nr. 182. Gemäß Überset­

zung von H . J. Mosser (WALCKER-MAYER 1970, 15.).

qvicvmqve leges te / nvmina servent et pia voce cane Aelia Sabina vale. T(itvs) Ael(ivs) Ivstvs / hydravlarivs salariarivs leg(ionis)ï I I Ad(ivtricis) conivgi faciendvm cvravit. Eingeschlossen liegt unter Stein die fromme, teure Sabina. In den Künsten gelehrt, übertraf sie als Einzige den Gemahl. Eine liebliche Stimme war ihr eigen, mit den Fingern schlug sie die Tasten. Aber rasch hinweggerafft, schweigt sie nun. Drei­mal zehn Jahre lebte sie, ach, weniger fünf, doch dazu waren ihr drei Monate gegeben und zweimal sieben Tage. Sie zeigte sich bei Lebzeiten vor dem Volk, wie sie lieblich die Hydraulis spielte. Sei glücklich, der du dies liest, die Götter mögen dich beschirmen, und sing mit andächtiger Stimme: Aelia Sabina, leb wohl! Titus Aelius Iustus, ange­stellter Organist der legio II Adiutrix ließ diesen Steinsarg für seine Gattin verfertigen.2 7

Angesichts des lateinischen Textes, demzufolge Aelia Sabina mit ihren Fingern häufig auch Sai­ten zupfte, darf man als sicher annehmen, daß sie nicht nur beim Orgelspiel eine solche Kunst­fertigkeit erlangt hatte, mit der sie selbst ihren Gatten übertraf, sondern zugleich eine hervorra­gende Lyraspielerin gewesen sein muss. Archäo­logische Funde, die sich mit letzterem Instrument in Zusammenhang bringen lassen, z. B. Besätze aus Metall (Schildkrötenpanzer wie im Falle der Kythara von Intercisa) 2 8 oder beinerne Stimm­schlüssel, kamen in Aquincum - vielleicht mit einer Ausnahme2 9 - leider noch nicht zu Tage. Die Annahme, in dem 1912 am Fundort Bécsi út 100 entdeckten Sarkophag mit reichen Beigaben30 hätte eine professionelle Harfenspielerin geruht (POCZY 1997/2, 218), bedarf weiterer Bekräftigung.

Die zweite Inschrift dieser Art schmückt einen sekundär verwendeten Grabstein. Leider wurden dort, wo die Namen der Gottheiten standen, die

2 7 Diese Übersetzung stammt von: PÓCZY 1997/2, 217, eine frühere Übersetzung aus der Feder E. Seengers in: M . Kaba - S. Pécsi, Die Orgel von Aquincum. Denkmäler aus der Geschichte Budapests 9 (1965) 30.

2 8 M . Bíró, Pannóniai csontművészet [Pannonische Beinkunst]. Budapest 2000, 133, Abb. 6-7.

2 9 Aq . Mus. Inv. Nr. 52790. 3 0 B. Kuzsinszky, Aquincumi sírlelet [Ein Grabfund aus Aquin­

cum]. BudRég 10 (1922-23) 56-73.

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man zu gewinnen suchte, die ersten drei Zeilen abgeschlagen. Der Votivaltar war von Aur(elius) Ianuarius tvb(icen), also einem Tubaspieler, zur Zeit des Konsulats des Severus Alexander, in den Jahren 226 oder 229 gestiftet worden (SZILÁGYI 1950/3, 487, Abb. 9 ) . 3 1

Schließlich gehört zu dieser Gruppe noch das in einem der frühen Teile des westlichen Gräber­feldes der Militärstadt (Bécsi út) ans Tageslicht gelangte Inschriftfragment einer Kalksteinstele32

mit folgendem Text: D(is) M(anibvs) / C(aio) Val(erio) Sabiniano filio pio vix(it) an(nos) VI / et Val(eriae) Mamani (sie!) matri kar(issimae) / vix(it) an(nos) LXXX C(aivs) Val(erivs) / Martinvs corni(cen) / leg(ionis) IUI Fl(aviae) f(aciendvm) c(vravit)

Da das Bildfeld dieses Grabdenkmals fehlt, wissen wir nicht, wie die Gestalt des Caius Vale­rius Martinus ursprünglich dargestellt war oder ob man sie überhaupt abgebildet hatte. Dennoch meinen wir, daß die Abkürzung corni hier nicht cornicularius, sondern cornicen, d. h. Hornist bedeutet. (Abb. 4.)

Judit Topái

Abb. 4. Grabstein des cornicen von C. V. Martinus, aus dem westlichen Gräberfeld der Militärstadt

3 1 Lapid. Aq. Inv. Nr. 64.10.123. 3 2 Lapid. Aq . Inv. Nr. 96.6.1; TOPÁL 1997/2, 62, wo die

beiden ersten Zeilen der Inschrift in Folge eines Druckfeh­lers weggelassen wurden.

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7.4. AMPHITHEATER UND THEATER

Über das Theaterspiel gibt in Aquincum eindeutig die Inschrift (CIL I I I 3423) eines Altarsteins Aus­kunft, den ein Mitglied des collegium scaenicorum, ein Souffleur (monitor), zu Ehren des Silvanus errichten ließ (SZILÁGYI 1950/3, 490, Anm. 64). Bislang war in den Publikationen immer nur von einem pannonischen Theater die Rede, dessen Konturen außerhalb der Stadtmauer von S avaria man auf Luftbildern erkennen konnte.1 An dieser Stelle wurde eine Nachgrabung durchgeführt. „Im Jahre 1955, und dabei fand man unter mehreren dicken Planierungsschichten das Steinfundament der in den Abhang geschnittenen Sitzbänke [ . . . ] , seiner originalen Verkleidung hatte man das Bau­werk beraubt und es bereits sehr früh als Stein­bruch benützt."2 Der Nemesis geweihte Altarstein von dem Fundort war damals schon bekannt, aber ihr Heiligtum wurde zerstört. Bis zum Ende der römischen Kaiserzeit dürfte das Theater von S avaria ein dominierender Ruinenkomplex gewe­sen sein. Nach dem Text der passio Quirini hat es seine Funktion im Zeitraum der Tetrarchie noch erfüllt. Hier verurteilte der Statthalter der Provinz den Bischof vor versammelter Menge zum Märtyrertod und von hier ließ er ihn zur Richt­stätte führen (E. TÓTH 1998, 62-63).

Auch in Aquincum verrieten 1997 Luftaufnah­men die Stelle eines monumentalen Rundbaus (Theater oder Amphitheater) (ZSIDI 1997/3, 59). Lajos Nagy hatte früher (L. NAGY 1942/1, 560) über ein eventuell vorhandenes Theater fol­gendes geschrieben: „Nach den Bräuchen, denen die antike Welt bei der Auswahl eines Platzes für das Theater folgte, müßte es am Fuße des die Stadt säumenden Hügellandes zu finden sein, wo

1 Neben dem Theater von Savaria sei, nur als Beispiel, auf Grund der Erwähnung in eine Inschrift jenes von Sirmium genannt.

2 T. B. Buócz, Savaria topográfiája [Topographie von Savaria]. Szombathely 1967, 15, 17, 5 1 .

man die Sitzplätze leicht in Halbkreisform in den Hügel einschneiden konnte." Diese Vorstellung traf zu, denn das besagte Bauwerk zeichnete sich an dem zur Donau abfallenden Hang des Csúcs­hegy genannten Hügels ab, und zwar in Höhe des ersten Plateaus über der nach Brigetio führenden Straße, auf gleicher Linie mit dem westlichen Tor der Zivilstadt. Von der Stadt war das umfang­reiche Bauwerk gut zu sehen, und umgekehrt bot sich vom Hügel ein schöner Blick auf das Stadtzentrum. Die Nachforschungen ergaben, daß der Bau schon vor der ersten Hälfte des 2. Jahr­hunderts stand (ZSIDI 1997/3, 63-65) .

Von der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts stammt die Terrakottamaske eines Schauspielers, die in der Töpferwerkstatt der Zivilstadt am Donauufer (Gasfabrik) angefertigt wurde (KUZSINSZKY 1932, 310, 318, Abb.). Bemerkenswert ist die schon seit langem bekannte Maske deshalb, weil die Augenöffnungen dieses Exemplars, abweichend von den Analogien geschlossen, d.h. nicht durch­bohrt sind, so dass der Mime (mimus) sie nicht aufsetzen konnte. Was die Verwendung der Maske anlangt, warf man die verschiedensten Möglich­keiten auf, unter denen diejenige am wahrschein­lichsten erscheint, daß sie in einem Trauerzug das Gesicht des verstorbenen Schauspielers bedeckte. Dennoch sind wir - angesichts verschiedener zeit­genössischer Darstellungen - der Meinung, daß der den Prolog vortragende Ansager diese „stu-pidus"-Maske in seiner Hand hielt, und zwar als ein für alle sichtbares Zeichen des darauf folgen­den Lustspiels.3 Mitunter brachte der den Prolog rezitierende Mime auch mehrere Masken mit, um die im Stück vorkommenden tragischen, komi­schen und lyrischen Rollen vorzustellen.4 So, wie

3 J. Fugmann, Römisches Theater in der Provinz. Schriften des Limesmuseums Aalen 41 , 1988, 18—19.

4 Ch. Holliger, Ein römisches Provinztheater. Museum Burg­halde, Lenzburg, 1997, 19.

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Abb. 1. Bruchstück eines Gußmodels einer Theatermaske aus dem Handwerkerviertel der Zivilstadt (Gasfabrik)

0 fem.

Abb. 2. Bruchstück einer Theatermaske aus der Zivilstadt

der Kothurnus mit dicker Sohle den Schauspie­ler über die Realität hinaushob, war es Aufgabe der Maske, ihn seiner eigenen Persönlichkeit zu berauben und ihn im Laufe der Vorstellung in die von ihm verkörperte Person zu verwandeln. Über die zuvor erwähnte Maske hinaus ist aus dem Material der nordöstlich der Zivilstadt gelegenen (sog. Papföldi-) Töpferwerkstatt ein Bruchstück eines zur Maskenherstellung dienenden Models bekannt,5 (Abb. 1.) und erst kürzlich wurde auch

in einer außerhalb der südlichen Stadtmauer der Zivilstadt freigelegten Abfallgrube das Fragment einer sicher tragbaren Terrakottamaske geborgen (BUGÁN 2002/2, 174). (Abb. 2.) Die in Aquin­cum zum Vorschein kommenden und von den Töpferwerkstätten in Serie produzierten Terrakot­tamasken entstanden nur in seltenen Fällen für das Theater. Meist dienten sie als Giebelschmuck der ziegelgedeckten Häuser und sollten mit ihrem tragischen Gesichtsausdruck das Böse von den Hausbewohnern fernhalten.

Wie man allerorts im Gebiet des Imperium Romanum beobachtet hat, war das 1. Jahrhun­dert in den Städten Italiens und der Provinzen die Blütezeit der Theater. Vom Beginn des 2. Jahrhunderts an eroberten sich an Stelle der klas­sischen Dramen und Lustspiele sehr rasch die mehr Spannung versprechenden Gladiator- und Tierkämpfe oder Zirkusspiele die Sympathien des Publikums. 6 Im 2. Jahrhundert wurden in den meisten Provinzialstädten nur noch selten Theater, dafür aber mehr Amphitheater gebaut. Wo zwei Zivilsiedlungen nebeneinander existierten, baute man sogar zwei Amphitheater, wie beispielweise in den Residenzstädten der Provinzen mit Legi­onslagern entlang des Limes. Das zweite wurde vom Heer auch zum Exerzieren genutzt. Die bei­den Amphitheater von Aquincum entstanden, auf Grund der bekannten Befunde, im zweiten Drittel des 2. Jahrhunderts (SZILÁGYI 1956, 10). 7

Im Zeitraum zwischen 1968 und 1998 kam es im Amphitheater der Zivilstadt mehrfach zu drin­genden Not- und Nachgrabungen,8 unter deren als unerwartet zu bezeichnenden Ergebnissen ich nur zwei hervorheben möchte. Unter anderem konnte geklärt werden, daß man das Niveau der Arena - bei der Gebäuderenovierung im 3. Jahr­hundert, über deren Zeitpunkt eine aus dem Jahr 259 datierende Inschrift informiert - um mehr als einen Meter angehoben hatte. Die aus der

5 Aq . Mus. Inv. Nr. 41624. 6 F U G M A N N op. cit. 8. 7 Vg l . den Abschnitt „Baugeschichtliche Skizze der Zivilstadt"

(5.4.3.). 8 Vgl . den Abschnitt „Die Bebauung außerhalb der Stadtmau­

er" (5.4.4.4.).

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Verfüllung zwischen den beiden Fußbodenniveaus stammenden Funde bestätigen diesen Zeitpunkt. Bemerkenswert ist die Lösung der Wasserversor­gung und Kanalisation im Amphitheater. Von dem auf Bogen ruhenden Aquädukt führte eine Abzwei­gung bis zu seinem östlichen Tor. Die Abwässer flössen in einen steinernen Kanal, der mit Stein­platten abgedeckt war. Das überlaufende Wasser leitete man in den Wehrgraben der Stadt.9

Im Ergebnis weiterer Rettungsgrabungen wur­den die Pfahlbündel des ersten aus Holz konstru­ierten Bauwerkes freigelegt und dokumentiert. 1 0

Das könnte bedeuten, daß sich drei Bauperioden des Amphitheaters mit zuverlässigen Befunden abzeichnen. Der erste Steinbau entstand zur Zeit des Antoninus Pius, sein Alter entspricht dem des Militäramphitheaters. Bei der Konstruktion entschied man sich für eine einfachere Lösung als im Falle des von der technischen Einheit der Legion errichteten monumentalen Bauwerks. Die zweite Periode deutet in die Zeit Caracallas. Einer Inschrift zufolge nahmen der Kaiser und seine Mutter 214 persönlich an den Feierlichkeiten zur Eröffnung des renovierten Gebäudes teil. Die drit­te Phase ist in das bereits erwähnte Jahr 259 zu setzen.

Allerdings fand man bei den Rettungsgrabungen weder Spuren des im 19. Jahrhundert freigelegten und publizierten Nemesis-Heiligtums, noch der in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts beo­bachteten Gladiatorenkaserne. Die Sammlung der in Aquincum so populären Gladiatordarstellungen (L. NAGY 1937/4) bereicherte neben mehreren figuráién Sigillata-Darstellungen auch eine in der Militärstadt gefundene Silberfibel, auf der ein Gla­diatorenkampf abgebildet ist. 1 1 (Abb. 3.)

Als neues Ergebnis im Hinblick auf das Mil i ­täramphitheater verdient eine von der früheren abweichende Rekonstruktionslösung des Gebäude-typs Erwähnung. (Abb. 4.) Zu diesem zeichnerisch und textlich niedergelegten Versuch kam es im

9 Grabung K. Póczy und Gy. Hajnóczi 1970, Plan 1, Nr. 13.

1 0 Grabung P. Zsidi 1990, Plan 7, Nr. 18. 1 1 Vorläufiger Bericht: O. Madarassy und A. Kirchhof: Aqfüz

9 (2003) 190-191.

Rahmen der architekturhistorischen Auswertung der pannonischen Amphitheater (HAJNÓCZI 1971).

Eine kurze Nachgrabung im Zusammenhang mit der denkmalgerechten Restaurierung des Gebäudes hat außerdem gezeigt, daß das M i l i ­täramphitheater erst an der Wende 4./5. Jahrhun­dert zu einem Kastell, d.h. zu einer militärischen Zwecken dienenden Festung, umgebaut worden sein dürfte. Dabei hat man zum Zumauern der Tore und Zuschaueraufgänge oder zum Ausbes­sern der stellenweise schon verfallenden Mauern Steine bzw. Abrissziegel verwendet, die aus einem der in der Zeit Valentinians I . in der Bécsi út

Abb. 3. Silberfibel mit kämpfenden Gladiatoren aus der Militärstadt

Abb. 4. Die Konstruktionszeichnung des Militäramphitheaters (Gy. Hajnóczi)

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betriebenen Ziegelbrennöfen stammten. Gleich­zeitig wurden im Amphitheater zebrochene, mit Mörtel behaftete ältere Ziegelsteine schon zum zweiten, ja sogar zum dritten mal wiederverwendet (T. NAGY 1943/1, 370-371).

Abschließend noch eine Bemerkung, die eigent­lich nicht zur römisch-kaiserzeitlichen Geschichte des Gebäudes gehört.12 I m Zeitalter der Renais­sance, an der Wende des 15. zum 16. Jahrhun­dert, wurde dieses monumentale Bauwerk von dem humanistischen Wissenschaftler Bonfini ausführlich beschrieben.13 Die ungarische Geschichtsforschung konnte es anhand der Aufzeichnungen in den

Chroniken mit der Kurszán genannten Burg der landnehmenden Ungarn identifizieren (GYÖRFFY 1955). Später hat eine Mittelalterarchäologin die Bestimmung dieses noch immer ansehnlichen Rui­nenkomplexes auf den zwischen 1600 und 1700 entstandenen Stadtansichten von Óbuda korrigiert. Sie erkannte die Stelle des Bauwerkes im Hinter­grund der ebenfalls hoch aufragend abgebildeten Mauern des kürzlich freigelegten neuen kaiserzeit­lichen Kastells (BERTALANNÉ 1973, 109-110, Abb. 16).

Klára Póczy

1 2 Vgl . den Abschnitt „Zur Frage der Kontinuität in Aquin­cum" (4.3.).

1 3 Bonfini: „Óbuda fölött, a Dunának ugyanazon oldalán egy igen régi város romjai láthatók, s köztük egy nagy körfalat lehet észrevenni..." [Oberhalb von Altofen, auf der gleichen Seite der Donau, sind die Ruinen einer sehr alten Stadt zu sehen, und dazwischen kann man eine große Rund­mauer erkennen...]. Rerum Hungaricum Decades. Übers. M . Császár.

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8. DAS RELIGIÖSE L E B E N AQUINCUMS I M SPIEGEL DER

JÜNGEREN FORSCHUNGEN

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