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Bayerisches Landesamt für Umwelt

Gefahrenhinweiskarte Alpen mit Alpenvorland

Steinschlag – Felssturz – Rutschung – Hanganbruch – Erdfall Landkreis Lindau (Bodensee)

Georisiken im Klimawandel

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Gefahrenhinweiskarte Alpen und Alpenvorland

Steinschlag – Felssturz – Rutschung – Hanganbruch – Erdfall

Landkreis Lindau (Bodensee)

Georisiken im Klimawandel

UmweltSpezial

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Impressum

Gefahrenhinweiskarte Alpen und Alpenvorland Steinschlag – Felssturz – Rutschung – Hanganbruch – Erdfall Landkreis Lindau (Bodensee) Georisiken im Klimawandel

Herausgeber: Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU) Bürgermeister-Ulrich-Straße 160 86179 Augsburg Tel.: 0821 9071 - 0 Fax: 0821 9071 - 5556 E-Mail: [email protected] Internet: www.lfu.bayern.de

Bearbeitung/Text/Konzept: LfU, Referat 102, Thomas Gallemann, Dr. Stefan Glaser, Philipp Jansen, Maximilian Schmid, Juliane Straub, Peter Thom, Dr. Andreas von Poschinger Redaktion: LfU, Referat 102, Dr. Andreas von Poschinger

Bildnachweis: Bayerisches Landesamt für Umwelt

Druck: Eigendruck Bayerisches Landesamt für Umwelt

Gedruckt auf Papier aus 100 % Altpapier.

Stand: Februar 2018

Diese Druckschrift wurde mit großer Sorgfalt zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann den-noch nicht übernommen werden. Sofern in dieser Druckschrift auf Internetangebote Dritter hingewiesen wird, sind wir für deren Inhalte nicht verantwortlich.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

2 Untersuchte Geogefahren 3

3 Geologischer Überblick 5

4 Gefahrenhinweiskarte Landkreis Lindau a. Bodensee 7

5 Ermittlung der Gefahrenhinweisflächen 8

6 Grenzen und Einschränkungen der Anwendbarkeit 9

7 Rechtliche Aspekte 10

8 Bereitstellung der Ergebnisse 11

9 Anhang 13

A Beispiele zu Gesteinen und Geogefahren aus dem Landkreis 13

B Blockgrößen der Sturzmodellierung 16

C Betroffene Gemeinde- und Siedlungsflächen 18

D Bericht „Gefahrenhinweiskarte Bayern – Vorgehen und technische Details“ 20

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Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Felssturz in der Breitachklamm, Oberallgäu 2

Abb. 2: Felssturz beim Hirschsprung, Oberallgäu 2

Abb. 3: Rutschung südwestlich Oberstein, Scheidegg 2

Abb. 4: Rutschung östlich Untertrogen am Hausbach 2

Abb. 5: Hanganbruch westlich Unterstein, Scheidegg 2

Abb. 6: Erdfälle am Ostkinberg, Scheidegg 2

Abb. 7: Geologische Karte Landkreis Lindau a. Bodensee 4

Abb. 8: Gefahrenhinweiskarte Landkreis Lindau a. Bodensee 6

Abb. 9: Obere Süßwassermolasse am Kesselbach westlich von Scheffau 13

Abb. 10: Granitische Molasse am Eyenbach südöstlich von Eyenbach 13

Abb. 11: Konglomerate der Oberen Meeresmolasse am Mühlenbach südlich von Weißen 14

Abb. 12: Alte zungenförmig abgelagerte Rutschmassen südlich von Eyenbach 14

Abb. 13: Durch Rutschprozesse verursachte Risse in der Straße bei Neuhaus 15

Abb. 14: Gespannte Wurzeln an einem Riss im Boden östlich von Neuhaus 15

Abb. 15: „Betrunkener Wald“ mit Säbelwuchs am Leintobelbach nördlich von Bad Siebers 15

Tabellenverzeichnis Tab. 1: Blockgrößentabelle der Bemessungsereignisse für den Alpenanteil des Landkreises 16

Tab. 2: Blockgrößentabelle der Bemessungsereignisse für das Alpenvorland Teilgebiet 4 17

Tab. 3: Betroffene Gemeinde- und Siedlungsflächen im Landkreis 18

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Einleitung

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1 Einleitung Naturgefahren sind natürliche Ereignisse, die zu Sach- oder Personenschäden führen können. Die Zunahme der Anzahl und der Werte von gefährdeten Objekten führt im Allgemeinen dazu, dass auch das Schadensausmaß durch Naturereignisse zunimmt. In den Hoch- und Mittelgebirgsräumen Deutschlands ist man sich oft aus Erfahrung bewusst, dass infolge des starken Reliefs grundsätzlich mit Schäden durch geogene Naturgefahren wie Steinschläge, Felsstürze und Hangrutschungen zu rechnen ist. Bestehende Kenntnisse über Gefährdungsbereiche gehen aber zunehmend verloren und Gefahrensituationen werden oftmals falsch eingeschätzt oder vernachlässigt. Um dem zu begegnen, sind seit vielen Jahren und in vielen benachbarten Ländern verschiedene Arten von Karten etabliert, welche die angesprochenen Geogefahren thematisieren. Diese Karten dienen als objektives und wertvolles Instrument für die Landesplanung. In Bayern wird hierzu die Gefahrenhinweiskarte heran-gezogen.

Als thematische Karte bietet die Gefahrenhinweiskarte eine großräumige Übersicht der Gefährdungs-situation durch verschiedene Geogefahren. Sie stellt die Verbreitung und Ausdehnung von möglichen Gefahrenbereichen dar. Sie enthält keine Aussagen zur Eintrittswahrscheinlichkeit und Häufigkeit, zur möglichen Intensität der Ereignisse oder zum Schadenspotenzial.

Gefahrenhinweiskarten richten sich vor allem an die Entscheidungsträger vor Ort, um Gefahren für Siedlungsgebiete, Infrastruktur und andere Flächennutzungen frühzeitig zu erkennen und zu lokalisie-ren. Damit können präventive Maßnahmen zur Gefahrenminderung oder -vermeidung gezielt und nachhaltig geplant werden – sei es durch technischen Schutz, eine angepasste Nutzung oder ein an-gepasstes Verhalten. So leisten Gefahrenhinweiskarten einen wesentlichen Beitrag als Planungshilfe und sind Bestandteil einer zeitgemäßen nachhaltigen Bauleitplanung.

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Abb. 1: Felssturz in der Breitachklamm, Oberallgäu

Abb. 2: Felssturz beim Hirschsprung, Oberallgäu

Abb. 3: Rutschung südwestlich Oberstein, Scheidegg

Abb. 4: Rutschung östlich Untertrogen am Hausbach

Abb. 5: Hanganbruch westlich Unterstein, Scheidegg Abb. 6: Erdfälle am Ostkinberg, Scheidegg

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Untersuchte Geogefahren

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2 Untersuchte Geogefahren Bei den Arbeiten zur „Gefahrenhinweiskarte Bayern“ wird das Projektgebiet auf Gefahren durch gravi-tative Massenbewegungen untersucht. Dies sind im Alpengebiet und im Alpenvorland vor allem Stein- und Blockschläge, Felsstürze, Rutschungen, Hanganbrüche und Erdfälle.

Steinschlag und Felssturz Steinschlag ist definiert als episodisches Sturzereignis von einzelnen Festgesteinskörpern (Stein-schlag ≤ 1 m³, Blockschlag > 1 – 10 m³). Bei größeren Sturzmassen spricht man von Felssturz (> 10 m³ bis < 1 Mio. m³) (Abb. 1 und Abb. 2) oder sogar von Bergsturz (> 1 Mio. m³). Das Sturzvolumen und die Größe der Sturzblöcke sind abhängig von den Trennflächen und der Schichtung im betroffe-nen Fels. Die Ursachen für Sturzereignisse liegen in der langfristigen Materialentfestigung und Verwit-terung an diesen Trennflächen. Gefördert wird die Ablösung durch Frosteinwirkung, Temperatur-schwankungen und Wurzelsprengung. Aufgrund ihres plötzlichen Eintritts, der hohen Energie und Ge-schwindigkeit können Sturzereignisse sehr gefährlich sein.

Rutschung und Hanganbruch Rutschungen gleitende oder kriechende Verlagerungen von Fest- und/oder Lockergestein (Abb. 3 und Abb. 4). Im Allgemeinen sind Geschwindigkeiten von wenigen Zentimetern pro Jahr bis zu mehre-ren Metern pro Minute und mehr möglich. Die Rutschmasse bewegt sich meist auf einer Gleitfläche oder entlang einer Zone intensiver Scherverformung im Untergrund. Diese entwickeln sich vorwiegend an bestehenden Schwächezonen wie Klüften, geologischen Grenzflächen oder innerhalb stark verwit-terter Bereiche. Ihr Tiefgang reicht von wenigen Metern bis über 100 m. Ab einem Tiefgang von etwa 5 m wird in der Gefahrenhinweiskarte von einer tiefreichenden Rutschung gesprochen. Während flachgründige Rutschungen oft durch technische Maßnahmen stabilisiert werden können, ist dies bei tiefreichenden Rutschungen nur bedingt möglich. Wasser ist der häufigste Auslöser für Rutschungen. Vor allem langanhaltende Niederschläge lösen tiefreichende Rutschungen aus, daneben kann dies auch durch Starkregen, Schneeschmelze oder durch menschliches Zutun (z. B. Versickerung von Dachwasser, Einleitungen aus versiegelten Flächen, u. a.) erfolgen. Des Weiteren können Materi-alumlagerungen wie eine Erhöhung der Auflast (z. B. durch Aufschüttung) oder die Verringerung des Widerlagers (z. B. durch Abgrabung am Hangfuß) Rutschkörper reaktivieren oder zur Neubildung von Rutschungen führen. Rutschungen sind meist keine einmalig abgeschlossenen Ereignisse, sondern aktive und inaktive Phasen wechseln sich ab. Reaktivierungen können mit einer Ausweitung des Rutschgebietes verbunden sein. Spontane flachgründige Rutschungen (Abb. 5), sogenannte Han-ganbrüche, entstehen vor allem anlässlich von Starkniederschlägen. Lockergestein von wenigen Ku-bikmetern Volumen verflüssigt sich dabei plötzlich, was zu erheblichen Schäden führen kann.

Erdfall Erdfälle (Abb. 6) entstehen durch den plötzlichen Einsturz unterirdischer Hohlräume infolge von Sub-rosion (Verkarstung). Zum unterirdischen Materialverlust führt meist die chemische Lösung (Korrosi-on) anfälliger Gesteine wie Salz, Gips, Anhydrit und Kalk, aber auch Dolomit. Ein weiterer Entste-hungsmechanismus ist die mechanische Auswaschung von Feinmaterial (Suffosion), die z. B. auch Sandsteine betreffen kann. Erdfälle sind rundliche Einbrüche der Erdoberfläche mit unterschiedlicher Tiefe. Durch seitliche Nachbrüche können sie sich sukzessive ausweiten. Dolinen sind typischerweise trichterförmige Geländeformen. Sie entwickeln sich aus Erdfällen, durch Korrosion oder durch das Auswaschen oder Nachsacken von Deckschichten in unterlagernde Hohlräume. Der Durchmesser von Erdfällen, Dolinen und Subrosionssenken reicht vom Meter- bis in den Kilometerbereich. Vor al-lem in ihrem Umfeld muss mit plötzlichen Nachbrüchen, neuen Einstürzen oder Setzungen gerechnet werden.

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Abb. 7: Geologische Karte Landkreis Lindau (Bodensee) (Datengrundlage: Geologische Karte von Bayern

1 : 500.000)

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Geologischer Überblick

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3 Geologischer Überblick Der Landkreis Lindau liegt am stark durch Eiszeiten geformten nördlichen Alpenrand und wird in sei-nem Untergrund von Molassegesteinen aufgebaut.

Im äußersten Südostteil des Landkreises sind in etwa südlich der Linie Hinterschweinhöf – Oberreutte – Stiefenhofen in einem maximal 1,6 km breiten Streifen Konglomerate, Sandsteine und Mergel der Faltenmolasse (Salmaserschuppe und Hauchenbergschuppe) anzutreffen (z. B. Kapf, Kalzhofner Hö-he).

Nordwestlich und westlich davon folgt die ungefaltete Vorlandmolasse. Im aufgerichteten, steil nach Nordwesten einfallenden Südteil stehen in einem bis zu 4,5 km breiten Streifen Mergel und Sandstei-ne der Unteren Süßwassermolasse (z. B. Fernberg) sowie Sandsteine und Konglomerate der Oberen Meeresmolasse (z. B. Balzenberg) an. Nach Nordwesten zu, in etwa nördlich der Linie Scheffau – Weiler – Hohenegg – Seltmanns, folgen Ablagerungen der Oberen Süßwassermolasse, die zwischen 15 Grad (im Südosten) und weniger als 5 Grad (im Nordwesten) Richtung Nordwesten einfallen. Mer-gelstein-Sandstein-Wechselfolgen mit Konglomerateinschaltungen treten westlich und südlich von Lindenberg und Scheidegg auf und bilden dort Höhen bis 820 m ü. NN. Im Nordostteil des Landkrei-ses sind Konglomerat-Mergelstein-Wechselfolgen im Bereich der Adelegg anzutreffen, wo sie Höhen-rücken wie Riedholzer und Iberger Kugel (1050 m ü. NN) aufbauen. In den übrigen Bereichen werden die Molassegesteine meist von quartären Sedimenten überlagert und sind nur in tief in die eiszeitliche Landschaft eingeschnittenen Tälern und Tobeln aufgeschlossen.

Im Quartär, dem Eiszeitalter der jüngsten Erdgeschichte, prägten mehrere Gletschervorstöße ab-wechselnd mit Warmzeiten die Landschaft des Landkreises. Sedimente vor allem aus der Zeit der letzten großen Vereisung (Relikte älterer Vereisungen treten nur untergeordnet auf) sowie aus dem Holozän finden sich in Talbereichen der Alpen und an den unteren Hängen sowie landschaftsprägend im Vorland. Neben Moränen und Schottern lagerten sich auch Seesedimente und Torfbildungen ab. Schwemmfächer, Sturzkegel und Hangverwitterungsschutt verhüllen viele Hänge. Insbesondere in der Gegend von Lindau sind Drumlins weitverbreitet und treten dort landschaftsprägend auf.

Für weitere Informationen wird auf die Geologische Karte von Bayern 1 : 500.000 und die Geologi-schen Kartenblätter 1 : 25.000 mit Erläuterungen verwiesen (www.lfu.bayern.de/geologie/geo_daten/datenbanken).

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Abb. 8: Gefahrenhinweiskarte Landkreis Lindau (Bodensee)

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Gefahrenhinweiskarte Landkreis Lindau (Bodensee)

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4 Gefahrenhinweiskarte Landkreis Lindau (Bodensee) In der Gefahrenhinweiskarte werden für jede untersuchte Geogefahr (Steinschlag, Rutschung, Hang-anbruch, Erdfall) unabhängig voneinander Flächen mit Hinweis auf Gefährdung (rot) und Flächen mit Hinweis auf Gefährdung im Extremfall (orange) ausgewiesen. Hierbei wird die gesamte, zukünf-tig potenziell betroffene Fläche, bestehend aus Anbruch-, Transport- und Ablagerungsbereich, darge-stellt. Je nach Typ der Geogefahr kommen entweder computerbasierte Modelle (Stein-/Blockschlag und Felssturz; Hanganbruch) oder empirische Methoden, basierend auf Expertenwissen (tiefreichende Rutschungen, Verkarstung), zum Einsatz (s. Kapitel 5). Die im Untersuchungsgebiet auftretenden Geogefahren hängen in ihrer räumlichen Verteilung von der Abfolge der geologischen Einheiten und ihrer morphologischen Ausprägung ab:

Stein- und Blockschlaggefahr herrscht im Bereich fast aller steilen Hänge. Sowohl im Alpen- als auch im Alpenvorlandbereich kann Steinschlag vor allem von Steilhängen in den Molassesandsteinen und Molassekonglomeraten ausgehen (z. B. Kesselbach, Eyenbach, Rohrachschlucht, Eistobel).

Im Bereich der Faltenmolasse sind tiefreichende Rutschungen im Bereich steil stehender Kojen-schichten (Konglomerate mit Mergellagen) westlich von Stiefenhofen anzutreffen.

Im aufgerichteten steil nach Nordwesten einfallenden Südteil der Vorlandmolasse finden sich tiefrei-chende Rutschungen in den Mergelsteinfolgen der Unteren Süßwassermolasse z. B. südlich von Wei-ler sowie südlich bzw. östlich von Ebratshofen. Im Bereich der Vorlandmolasse können mehrere Rutschbereiche an den Nordhängen von Laubenberg und Riedholzerkugel beobachtet werden, wo quartäre Ablagerungen über flach nach Norden einfallenden Mergelsteinen der Oberen Süßwasser-molasse (OSM) anstehen. Umfangreiche Rutschbereiche finden sich außerdem westlich und südlich von Lindenberg und Scheidegg wo zum Teil von Moränen überlagerte Konglomerate, Sandsteine und Mergel der OSM in Wechsellagerung stehen. Darüber hinaus können viele Rutschungen in den Fluss- und Bachtälern, wo wasserführende quartäre Schichten über wasserstauenden Mergeln der Oberen Süßwassermolasse anstehen (z. B. Leiblach, Obere Argen, Ellhofner Tobelbach) angetroffen werden. Vereinzelt finden sich Rutschungen auch innerhalb quartärer Ablagerungen.

Dolinen können vor allem im Bereich der Faltenmolasse und der aufgerichteten Vorlandmolasse beo-bachtet werden, wo Kojenschichten der Unteren Süßwassermolasse anstehen. In der Oberen Süß-wassermolasse sind Dolinen nur im Bereich der Riedholzer Kugel im Südteil der Adelegg vermehrt anzutreffen.

Detaillierte Informationen zu einzelnen Massenbewegungen im Landkreis Lindau aus dem Bodenin-formationssystem Bayern (BIS-BY) liegen derzeit für 973 Massenbewegungsobjekte vor (Februar 2018) – davon 503 Rutschungen, 6 Sturzereignisse und 464 Dolinen.

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Ermittlung der Gefahrenhinweisflächen

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5 Ermittlung der Gefahrenhinweisflächen Die Ermittlung von Gefahrenhinweisbereichen erfolgt objektunabhängig, das heißt ohne Berücksichti-gung potenziell betroffener Infrastruktur. Dazu gehört auch, dass bestehende Schutzmaßnahmen bei der Erstellung von Gefahrenhinweiskarten nicht berücksichtigt werden.

Grundlage für die Ausweisung von Gefahrenhinweisflächen ist neben dem Digitalen Geländemodell und verschiedenen Kartenwerken das GEORISK-Kataster, in dem seit 1987 Daten zu bekannten, auch historischen Ereignissen erfasst werden (online unter www.umweltatlas.bayern.de Angewand-te Geologie).

Für die Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche von Stein- und Blockschlag findet eine 3D-Modellierung statt. Potenzielle Anbruchbereiche sind dabei Hangbereiche mit einer Neigung ≥ 45°. Für jede geologische Einheit wird die relevante Blockgröße im Gelände bestimmt und der Berechnung als Bemessungsereignis zugrunde gelegt. Da ein intakter Wald einen guten Schutz vor Steinschlag bietet, jedoch eine veränderliche Größe ist, werden neben Berechnungen unter Berücksichtigung des bestehenden Waldbestands (rote Gefahrenhinweisbereiche) auch Reichweiten für ein Szenario ohne Waldbestand berechnet (orange Gefahrenhinweisbereiche). Felsstürze, bei denen ein größeres Vo-lumen zu erwarten ist und die eine größere Reichweite als Steinschlagereignisse haben, werden an-hand einer Pauschalwinkel-Analyse ausgewiesen. Da Felsstürze eher seltene Extremereignisse sind, werden die ermittelten Bereiche mit den orangen Gefahrenhinweisflächen für Steinschlag zusammen-gefasst.

Die Ermittlung der Gefahrenhinweisflächen von tiefreichenden Rutschungen (> 5 m Tiefgang) ba-siert auf Expertenwissen. Gerade größere Rutschungen sind meist keine einmaligen Ereignisse – die Masse kommt nach einer Bewegungsphase zunächst wieder zur Ruhe, bis sie nach Jahren, Jahr-zehnten oder sogar Jahrtausenden reaktiviert wird. Rote Gefahrenhinweisbereiche werden daher dort ausgewiesen, wo reaktivierbare tiefreichende Rutschungen vorliegen. Orange sind hingegen die Be-reiche, wo es Anzeichen einer Anfälligkeit für die Bildung tiefreichender Rutschungen gibt. Die Flä-chen entsprechen dem potenziell betroffenen Bereich bei Reaktivierung, beziehungsweise Neubildung einer tiefreichenden Rutschung. Die Gefahrenhinweisflächen enthalten keine Information zu Alter oder Aktivität der Rutschungen. Für jede rote Gefahrenhinweisfläche und für einen Großteil der orangen Gefahrenhinweisflächen wurde ein GEORISK-Objekt angelegt, das Detailinformationen enthält.

Die Gefahrenhinweisflächen zu Hanganbrüchen werden für zwei Szenarien (mit und ohne Waldbe-stand) modelliert. In die Berechnungen fließen mehrere Parameter, wie die Hangneigung und der geo-logische Untergrund, ein. Aus diesen werden die Hangstabilität und die möglichen Anrisszonen ermit-telt. Hangabwärts dieser Anrisszonen werden in Fließrichtung die Ablagerungen mit ihrer Reichweite berechnet. Aus den Anriss- und Ablagerungsflächen ergibt sich der komplette Prozessraum und somit der Gefahrenhinweisbereich. Da Hanganbrüche meist bei Starkniederschlägen auftreten, stellen sie Extremereignisse dar, die in der Gefahrenhinweiskarte schraffiert dargestellt werden.

Das Auftreten von Erdfällen ist schwer vorherzusagen. Es kann aber von einer gewissen Erhöhung des Gefahrenpotenzials in der Umgebung bereits bestehender Dolinen ausgegangen werden. Rote Gefahrenhinweisbereiche werden daher im Umkreis von 50 m um bestehende, bekannte oder verfüllte Dolinen/ Erdfälle ausgewiesen. Da Erdfälle auch in Gebieten auftreten können, in denen bisher keine Dolinen bekannt sind, weist die Gefahrenhinweiskarte zusätzlich Flächen des verkarstungsfähigen Untergrunds aus (orange schraffiert). Diese beruhen auf der Geologischen Karte 1 : 200.000 und lie-fern einen regionalen Überblick.

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Grenzen und Einschränkungen der Anwendbarkeit

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Detaillierte Informationen zur Methodik bei der Ermittlung der Gefahrenhinweisflächen können dem Bericht „Gefahrenhinweiskarte Bayern – Vorgehen und technische Details“ im Anhang entnommen werden.

6 Grenzen und Einschränkungen der Anwendbarkeit Die vorliegende Gefahrenhinweiskarte beinhaltet eine großräumige Übersicht über die Gefährdungssi-tuation mit Angaben der Gefahrenart, jedoch nicht zu Intensität und Eintrittswahrscheinlichkeit. Sie wurde für den Zielmaßstab 1 : 25.000 erarbeitet. Sie stellt keine parzellenscharfe Einteilung von Gebieten in unterschiedliche Gefahrenbereiche dar. Die Abgrenzung der Gefahrenhinweisflächen ist als Saum und nicht als scharfe Grenze zu verstehen. Auch erheben die ermittelten Gefahrenhin-weisbereiche keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dies betrifft sowohl bereits erfolgte als auch zu-künftige Massenbewegungsereignisse. Es handelt sich um eine Darstellung von Gefahrenverdachts-flächen, die zum Zeitpunkt der Bearbeitung auf Basis der verfügbaren Informationen und mit Hilfe zeitgemäßer Methoden ermittelt werden konnten.

Bei der Bearbeitung werden Massenbewegungsereignisse herangezogen bzw. modelliert, die häufiger auftreten, damit repräsentativ sind und als Risiko empfunden werden. Selten auftretende Extremer-eignisse sind nicht aufgenommen, müssen aber als nicht zu vermeidendes Restrisiko in Kauf genom-men werden.

Die Gefahrenhinweiskarte dient als Grundlage für die Bauleitplanung zu einer ersten Erkennung von Gefahrenverdachtsflächen und möglichen Interessenskonflikten. Sie ist eine nach objektiven, wissen-schaftlichen Kriterien erstellte Übersichtskarte mit Hinweisen auf Gefahren, die identifiziert und lokali-siert, jedoch nicht im Detail analysiert und bewertet werden. Sie gibt den aktuellen Bearbeitungsstand wieder und wird fortlaufend aktualisiert. Die Gefahrenhinweiskarte dient nicht der Detailplanung, sondern der übergeordneten (regionalen) Planung.

Gefahrenhinweiskarten sollen nicht als Bauverbotskarten wirken, sondern nur in allen kritischen Fäl-len den Bedarf nach weitergehenden Untersuchungen offen legen. Gegebenenfalls muss dann in die-sen Fällen in einem Detailgutachten festgestellt werden, ob im Einzelfall eine Sicherung notwendig, technisch möglich, wirtschaftlich sinnvoll und im Sinne der Nachhaltigkeit tatsächlich anzustreben ist.

Die Gefahrenhinweiskarte kann unmöglich alle Naturgefahrenprozesse auf der Maßstabsebene 1 : 25.000 enthalten. Weder werden jemals alle Prozesse bekannt sein, noch hat man die Möglichkeit, sich der Vielfältigkeit der Ereignisse ohne Generalisierungen anzunähern. Die Gefahrenhinweiskarte hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie ist ein „lebendes Produkt“, welches vor allem durch Be-richte über stattgefundene Naturgefahrenprozesse seine Aktualität beibehält. Das LfU wird auch zu-künftig die Erfassung neuer und die fortlaufende Bewertung bereits bestehender Gefahrenhinweisflä-chen vornehmen.

Ein bayernweites, aktuelles GEORISK-Kataster, das diese Ereignisse enthält und Basis für die Gefah-renhinweiskarte ist, kann allerdings nicht alleine durch die Feldarbeit oder die historische Recherche erreicht werden. Da Berichte aus den Medien über kleinere Ereignisse aber oft nur eine lokale Reich-weite besitzen, sind Hinweise und Daten aus den örtlichen Ämtern und Verwaltungen oder von Privat-personen von hoher Bedeutung.

Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit: melden Sie Ereignisse per E-Mail an [email protected] .

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Rechtliche Aspekte

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7 Rechtliche Aspekte In einem interministeriell abgestimmten Rundschreiben vom 16.08.2017 („Hinweise zur Umsetzung der Gefahrenhinweiskarte für den Verwaltungsvollzug“; Download unter: www.lfu.bayern.de Geolo-gie Georisiken Daten und Karten Massenbewegungen) wurden Hinweise für den rechtlichen Umgang mit Gefahrenhinweiskarten gegeben. Kurzgefasst ist folgendes festzustellen:

Sicherheitsrecht Anordnungen nach dem Sicherheitsrecht können nur bei Vorliegen einer konkreten Gefahr erfolgen. Eine konkrete Gefahr liegt dann vor, wenn in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinrei-chend wahrscheinlich gerechnet werden kann. Die Einstufung in der Gefahrenhinweiskarte allein lässt in der Regel keinen Rückschluss auf das Vorliegen einer konkreten Gefahr zu. Für die Annahme einer konkreten Gefahr bedürfte es weiterer Anhaltspunkte und ggf. spezieller Gutachten.

Baurecht

Bauleitplanung Bei der Aufstellung von Bauleitplänen sind insbesondere die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit zu berücksichtigen. Daher muss sich eine Gemeinde, die eine Fläche in einem ge-kennzeichneten Hinweisbereich für Geogefahren überplanen will, im Rahmen der Abwägung mit den bestehenden Risiken auseinandersetzen. Hierzu kann im Rahmen der Behördenbeteiligung das LfU hinzugezogen werden. Dieses kann Hinweise für den jeweiligen Einzelfall geben, ggf. geeignete Schutzmaßnahmen empfehlen oder auch an einen spezialisierten Gutachter verweisen.

Einzelbauvorhaben Auch bei Vorhaben im nicht überplanten Innenbereich und bei Außenbereichsvorhaben müssen die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben. Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans sind Anlagen unzulässig, wenn sie Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden, die nach der Eigenart des Baugebiets unzumutbar sind. Zudem muss das jeweilige Grund-stück nach seiner Beschaffenheit für die beabsichtigte Bebauung geeignet sein und Anlagen sind so zu errichten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit nicht gefährdet werden. Die bloße Lage eines Grundstücks in einem Gefahrenhinweisbereich ist kein Grund, ein Bauvorhaben abzulehnen. Es bedarf ggf. weiterer Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen ei-ner konkreten Gefahr hindeuten (z. B. Kenntnis über regelmäßige Steinschläge in dem Bereich). Lie-gen diese der Bauaufsichtsbehörde vor, so sind weitere Nachforschungen anzustellen und ggf. das LfU oder ein Privatgutachter hinzuzuziehen.

Verkehrssicherungspflicht Entsprechend dem Zitat eines BGH-Urteils kann zusammengefasst werden: Wer sich an einer gefähr-lichen Stelle ansiedelt, muss grundsätzlich selbst für seinen Schutz sorgen. Er kann nicht von sei-nem Nachbarn verlangen, dass dieser nunmehr umfangreiche Sicherungsmaßnahmen ergreift. Der Nachbar ist lediglich verpflichtet, die Durchführung der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen auf sei-nem Grundstück zu dulden. Für allein von Naturkräften ausgelöste Schäden kann der Eigentümer nicht verantwortlich gemacht werden. Der Eigentümer ist nur dann haftbar, wenn z. B. ein Felssturz durch von Menschenhand vorgenommene Veränderungen des Hanggrundstücks, zum Beispiel durch die wirtschaftliche Nutzung, verursacht wurde.

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Bereitstellung der Ergebnisse

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8 Bereitstellung der Ergebnisse Während die Daten auf der bereitgestellten CD-ROM den Ist-Zustand der Gefahrenhinweiskarte zum Zeitpunkt der Fertigstellung darstellen, werden die Daten im Internet bei Änderungen fortlaufend aktu-alisiert. Es wird daher empfohlen diese als Grundlage für weitere Planungen zu verwenden.

Bereitstellung auf CD-ROM Auf der beigefügten CD-ROM sind die Gefahrenhinweiskarten sowohl als sogenanntes geo pdf als auch im Dateiformat Shapefile aufbereitet. Das geo pdf lässt sich mit Hilfe geeigneter Software öff-nen, die dargestellten Gefahrenhinweisflächen können über Sichtbarkeitsschalter aktiviert werden. Die Dateien im Format Shapefile lassen sich in gängige Geographische Informationssysteme einbinden.

Bereitstellung der Ergebnisse im Internet Die im Rahmen des Projektes ermittelten Gefahrenhinweiskarten sind im Internet öffentlich zugäng-lich. Eine Übersicht zu den vorhandenen Daten und Links (Gefahrenhinweiskarten, GEORISK-Objekte, Berichte etc.) findet sich unter:

www.lfu.bayern.de/geologie/georisiken_daten/massenbewegungen

Über folgende Quellen kann online auf die Daten zugegriffen werden:

UmweltAtlas Bayern (www.umweltatlas.bayern.de) Im Themenbereich Angewandte Geologie ist unter Inhalt (Geogefahren) die Gefahrenhinweiskarte für alle Geogefahren zu aktivieren. Zudem sind unter Massenbewegungen alle bestehenden GEORISK-Objekte und ihre Detailinformationen abzurufen.

Mit Hilfe der Stecknadelfunktion lässt sich die Standortauskunft abrufen, die umfassende Beschrei-bungen zu den Gefahrenhinweiskarten und Geogefahren an einer ausgewählten Lokalität in Bayern enthält. Die Standortauskunft ist auch über die Homepage des Landesamts für Umwelt (www.lfu.bayern.de) unter Themen → Geologie → Georisiken → Standortauskunft Georisiken zu er-reichen. Über die Angabe einer Adresse oder einer Punktauswahl in der Karte werden die für diesen Ort vorliegenden Informationen zu Geogefahren in einem PDF-Dokument zusammengefasst. Dies kann einige Minuten dauern.

Geodatendienste des Landesamts für Umwelt Darüber hinaus stehen die Ergebnisse der Gefahrenhinweiskarte als WebMapService (wms) und als Downloaddienst zur Verfügung. Der Abruf der Dienste erfolgt unter folgenden Quellen:

wms-Dienst und Metadaten

http://www.lfu.bayern.de/gdi/wms/geologie/georisiken?

https://www.lfu.bayern.de/umweltdaten/geodatendienste/index_detail.htm?id=03f453e2-198a-3fed-b690-5650053ee4fe&profil=WMS

Download-Dienst und Metadaten

http://www.lfu.bayern.de/gdi/dls/georisiken.xml

https://www.lfu.bayern.de/umweltdaten/geodatendienste/index_detail.htm?id=d142f7ea-7c25-4a28-abaa-52fef201cc61&profil=Download

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Bereitstellung der Ergebnisse

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Anhang

Bayerisches Landesamt für Umwelt 2018 13

9 Anhang

A Beispiele zu Gesteinen und Geogefahren aus dem Landkreis Lindau (Bodensee)

Abb. 9: Mergel der Oberen Süßwassermolasse am Kesselbach westlich von Scheffau. Bei der Oberen Süßwassermo-lasse handelt es sich um eine Wechselfolge von mächtigen Kon-glomeraten mit Sand-steinen und Mergeln.

Abb. 10: Sandsteine der Graniti-schen Molasse am Eyenbach südöstlich von Eyenbach. Die Granitische Molasse zeichnet sich durch ei-nen Wechsel von Mer-geln und mächtigen Sandsteinlagen aus. Ihr Verwitterungspro-dukt ist eher plattig.

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Anhang

14 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2018

Abb. 11: Konglomerate der Oberen Meeresmolasse am Mühlen-bach südlich von Weißen. Die gut zementierten Kon-glomerate der Oberen Meeresmolasse formen oft mächtige Sturzkörper.

Abb. 12: Alte, zungenförmig ab-gelagerte Rutschmas-sen südlich von Eyen-bach

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Anhang

Bayerisches Landesamt für Umwelt 2018 15

Abb. 13: Durch Rutschprozesse verursachte Risse in der Straße bei Neu-haus

Abb. 14: Gespannte Wurzeln an einem Riss im Boden

östlich von Neuhaus Abb. 15: „Betrunkener Wald“ mit Säbelwuchs am Lein-

tobelbach nördlich von Bad Siebers

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Anhang

16 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2018

B Blockgrößen der Sturzmodellierung

Tab. 1: Blockgrößentabelle der Bemessungsereignisse für den Alpenanteil des Landkreises Lindau a. Bodensee

Geologische Einheit Blockgrößenklasse Abmessung [cm]

Anteil am Gesamt-anbruchgebiet [%]

Kojenschichten, Konglomeratbank I

120, 120, 120 3

Kojenschichten Obere Süßwassermolasse, Konglomeratbank Obere Meeresmolasse, Konglomeratbank Konglomerat Steigbachschichten, Sandsteinbank

IV

20, 30, 40 97

Granitische Molasse, Sandsteinbank Obere Süßwassermolasse, Sandsteinbank Steigbachschichten Obere Süßwassermolasse Granitische Molasse Obere Meeresmolasse Moräne Weißachschichten Obere Meeresmolasse, Schillbank

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Anhang

Bayerisches Landesamt für Umwelt 2018 17

Tab. 2: Blockgrößentabelle der Bemessungsereignisse für das Alpenvorland Teilgebiet 4 (Landkreis Lindau a. Bodensee, Oberallgäu, Stadt Kempten und Ostallgäu (West))

Geologische Einheit Blockgrößenklasse Abmessung [cm]

Anteil am Gesamt-anbruchgebiet [%]

Granitische Molasse und Kojenschichten

I

120, 120, 120 86

Granitische Molasse, Konglomerat Hauchenbergschichten Hauchenbergschichten, Konglomerat Kojenschichten Kojenschichten, Konglomerat Konglomerat Moräne, mindelzeitlich, z. T. Nagelfluh Obere Meeresmolasse, Konglomerat Obere Meeresmolasse, Konglomerat und Sandstein Obere Süßwassermolasse, Konglomerat Obere Süßwassermolasse, Konglomerat und Mergelst Schmelzwasser- oder Flussschotter, z. T. Nagelfluh Steigbachschichten Steigbachschichten, Konglomerat Weissachschichten Weissachschichten, Konglomerat Sinterkalk

II

30, 50, 50 13

Bausteinschichten Granitische Molasse Obere Meeresmolasse Obere Meeresmolasse, Mergel und Sandstein Obere Süßwassermolasse Obere Süßwassermolasse, Sandstein Obere Süßwassermolasse, Sandstein und Mergelstein Obere Süßwassermolasse, Sandsteine und Mergel Untere Süßwassermolasse, Sandstein und Mergelstein Weissachschichten, Sandstein und Mergel Altmoräne Fernmoräne glazigene Sedimente Moräne Moräne, mindelzeitlich Moräne, präwürmzeitlich Moräne, risszeitlich Moräne, würmzeitlich Schmelzwasser- oder Flussschotter

III

20, 20, 20 1

Schotter und Sand, nacheiszeitlich Schotter und Sand, würmzeitlich Sand Obere Süßwassermolasse, Mergel und Sandmergel Untere Süßwassermolasse, Mergelstein

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Anhang

18 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2018

C Betroffene Gemeinde- und Siedlungsflächen

Tab. 3: Betroffene Gemeinde- und Siedlungsflächen im Landkreis Lindau (Bodensee)

GHK = Fläche der Gefahrenhinweisbereiche je Geogefahr in der betroffenen Gemeinde; Betroffene Fläche in % = Anteil betroffener Gemeinde- (Gde.) bzw. Siedlungsfläche nach ATKIS® Bayern, Maßstab 1 : 25.000 (mit einbe-zogene Layer: Fläche gemischter Nutzung, Fläche besonderer funktionaler Prägung, Friedhof, Industrie- und Gewerbefläche, Sport-, Freizeit- und Erholungsfläche, Wohnbaufläche (Shapefile sie02_f der Bayer. Vermes-sungsverwaltung))

Gemeinde

Rutschung Steinschlag (mit Wald)

Erdfall

Tiefreichende Rutschung

Rutschanfälligkeit

GHK (ha)

Betroffene Fläche in %

GHK (ha)

Betroffene Fläche in %

GHK (ha)

Betroffene Fläche in %

GHK (ha)

Betroffene Fläche in %

Gde. Siedlung Gde. Siedlung Gde. Siedlung Gde. Siedlung

Bodolz - - - - - - - - - - - -

Gestratz 62,3 4,1 0,5 235,3 15,4 5,3 15,2 1,0 0,2 1,0 0,1 -

Grünenbach 172,9 6,9 2,4 294,5 11,7 4,1 50,3 2,0 0,5 62,4 2,5 0,1

Heimenkirch 51,1 2,4 0,4 96,2 4,5 0,5 4,8 0,2 <0,1 3,9 0,2 0,1

Hergatz 45,3 2,4 <0,1 61,2 3,3 <0,1 0,2 <0,1 - - - -

Hergensweiler 34,9 2,9 0,1 47,4 3,9 0,1 2,4 0,2 <0,1 0,8 0,1 -

Lindau (Boden-see)

- - - 6,2 0,2 <0,1 0,7 <0,1 <0,1 - - -

Lindenberg i. All-gäu

17,5 1,5 1,0 25,4 2,1 1,0 0,4 <0,1 - - - -

Maierhöfen 91,7 5,1 0,9 175,8 9,8 11,1 26,3 1,5 0,3 1,9 0,1 -

Nonnenhorn - - - - - - - - - - - -

Oberreute 18,2 1,4 0,4 24,0 1,8 0,4 1,3 0,1 <0,1 3,1 0,2 -

Opfenbach 133,0 7,9 0,9 264,8 15,8 1,6 14,0 0,8 <0,1 0,8 <0,1 -

Röthenbach (All-gäu)

29,1 1,9 0,1 71,7 4,8 2,3 2,9 0,2 <0,1 - - -

Scheidegg 162,2 5,9 1,2 297,8 10,9 2,3 67,2 2,5 <0,1 4,4 0,2 -

Sigmarszell 130,8 8,2 <0,1 263,9 16,5 0,1 40,9 2,6 <0,1 - - -

Stiefenhofen 115,5 4,0 0,7 223,9 7,7 1,1 8,4 0,3 - 85,0 2,9 <0,1

Wasserburg (Bo-densee)

- - - - - - - - - - - -

Weiler-Simmerberg

201,3 6,4 1,0 350,8 11,2 2,3 32,9 1,0 <0,1 31,9 1,0 0,2

Weißensberg - - - - - - - - - - - -

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Anhang

20 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2018

D Bericht „Gefahrenhinweiskarte Bayern – Vorgehen und technische Details“

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Bayerisches Landesamt fürUmwelt

Gefahrenhinweiskarte Alpen und Alpenvorland

Vorgehen und technische Details

Georisiken im Klimawandel

UmweltSpezial

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Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015

Impressum

Gefahrenhinweiskarte Alpen und Alpenvorland Vorgehen und technische Details Georisiken im Klimawandel

Herausgeber: Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU) Bürgermeister-Ulrich-Straße 160 86179 Augsburg Tel.: 0821 9071 - 0 Fax: 0821 9071 - 5556 E-Mail: [email protected] Internet: www.lfu.bayern.de

Bearbeitung/Text/Konzept: LfU, Referat 102, Thomas Gallemann, Dr. Stefan Glaser, Maximilian Schmid, Juliane Straub, Peter Thom, Dr. Andreas von Poschinger

Redaktion: LfU, Referat 102, Dr. Andreas von Poschinger

Bildnachweis: Bayerisches Landesamt für Umwelt

Druck: Eigendruck Bayerisches Landesamt für Umwelt

Gedruckt auf Papier aus 100 % Altpapier.

Stand: September 2015

Diese Druckschrift wurde mit großer Sorgfalt zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann den-noch nicht übernommen werden. Sofern in dieser Druckschrift auf Internetangebote Dritter hingewiesen wird, sind wir für deren Inhalte nicht verantwortlich.

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Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015

Inhaltsverzeichnis

1  Einleitung 1 

2  Datengrundlage 1 

3  Stein-/Blockschlag 3 

3.1  Vorbereitende Arbeiten – Datenbasis für die Steinschlagmodellierung 5 

3.2  Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche – Modellierung 7 

4  Felssturz 9 

4.1  Vorbereitende Arbeiten – Ermittlung der Anbruchpunkte 10 

4.2  Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche – Modellierung 10 

5  Rutschung 14 

5.1  Vorbereitende Arbeiten – Rutschungskartierung 14 

5.2  Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche 15 

6  Hanganbruch 17 

6.1  Vorbereitende Arbeiten – Grundlagen zur Ermittlung der Anrisszonen und Auslaufbereiche 17 

6.2  Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche – Modellierung 21 

7  Erdfall 23 

7.1  Vorbereitende Arbeiten – Erfassung von Erdfällen und Dolinen 24 

7.2  Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche 24 

8  Literaturverzeichnis 26 

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Einleitung

2 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015

Abbildungsverzeichnis Abb. 1:  Abgleiten eines Felsblocks 4 

Abb. 2:  Abstürze durch Kippen 4 

Abb. 3:  Abstürze aus Überhängen 4 

Abb. 4:  Kalibrierte Sekundärparameter für Dämpfung und Rauigkeit 6 

Abb. 5:  Erstellung der Gefahrenhinweiskarte für Steinschlaggefahr 8 

Abb. 6:  Pauschalwinkelmodelle Geometrisches Gefälle (α) und Schattenwinkel (ß) 10 

Abb. 7:  Viewshed-Funktion mit der Pauschalwinkelmethode 11 

Abb. 8:  Attributtabelle für die Berechnung der Viewshed-Funktion 12 

Abb. 9:  Viewshed-Funktion bei gekrümmten Auslaufbereichen 12 

Abb. 10:  Modellierung von Felssturzbereichen mit der Viewshed-Funktion 13 

Abb. 11:  Schattenbild eines anzunehmenden späteiszeitlichen Blockgletschers 13 

Abb. 12:  Entscheidungsbaum zur Beurteilung der Gefährdung durch tiefreichende Rutschungen 16 

Abb. 13:  Grundlagen zur Berechnung des Sicherheitsgrades F einer Rasterzelle 18 

Abb. 14:  Beispiel Modellierung SLIDEPOT 22 

Tabellenverzeichnis Tab. 1:  Verwendete Manuskriptkarten für die Erstellung der Gefahrenhinweiskarte Alpen und

Alpenvorland 1 

Tab. 2:  Klassifizierung des Topo-Index 19 

Tab. 3:  Codierungsschema für die stratigraphischen Einheiten 19 

Tab. 4:  Mächtigkeit Lockermaterial (empirische Werte) 20 

Tab. 5:  Abbaufaktoren und maximale Reichweiten 21 

Tab. 6:  Startwert der Abbaufaktoren 23 

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Einleitung

Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 1

1 Einleitung Für die als besonders sensibel gegenüber geogenen Naturgefahren eingestuften Bereiche in den bayerischen Alpen, im Alpenvorland und im Schwäbisch-Fränkischen Jura werden Gefahrenhinweis-karten erstellt. Sie sollen als Grundlage für Planungen dienen und werden für den Maßstab 1 : 25.000 erstellt. Die Ermittlung der Gefahrenhinweisflächen erfolgt objektunabhängig, das heißt ohne Berück-sichtigung potenziell betroffener Bauwerke. Zu dieser Objektunabhängigkeit gehört auch, dass beste-hende Schutzmaßnahmen explizit ignoriert werden. Die Karte stellt keine parzellenscharfe Eintei-lung von Gebieten in unterschiedliche Gefahrenbereiche dar. Die Abgrenzung der Gefahrenhinweis-flächen ist als Saum und nicht als scharfe Grenze zu verstehen. Auch erheben die ermittelten Ge-fahrenhinweisbereiche keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dies betrifft sowohl bereits erfolgte als auch zukünftige Massenbewegungsereignisse. Es handelt sich um eine Darstellung von Gefahrenver-dachtsflächen, die zum Zeitpunkt der Bearbeitung auf Basis der verfügbaren Informationen und mit Hilfe zeitgemäßer Methoden ermittelt werden. Bei der Bearbeitung werden Massenbewegungsereig-nisse herangezogen bzw. modelliert, die häufiger auftreten, damit repräsentativ sind und als Risiko empfunden werden. Selten auftretende Extremereignisse sind nicht berücksichtigt und müssen aus geologischer Sicht als nicht zu vermeidendes Restrisiko bezeichnet werden. Für jeden untersuchten Prozess werden Flächen mit Hinweis auf Gefährdung (rot) und Flächen mit Hinweis auf Gefährdung im Extremfall (orange) ausgewiesen. Jeder Gefahrenprozess wird dabei unabhängig betrachtet, so dass sich die Gefahrenhinweisbereiche der Prozesse überlagern können.

2 Datengrundlage

Topographische Karten Als topographische Grundlage dient die Topographische Karte des Bayerischen Landesamts für Digi-talisierung, Breitband und Vermessung (LDBV) im Maßstab 1 : 25.000 (TK 25). Der Ausgangspunkt des Karteninhalts ist das Digitale Landschaftsmodell (DLM 25) des ATKIS® Bayern (Amtliches Topo-graphisch-Kartographisches Informationssystem).

Geologische Karten Die Geologische Karte im Maßstab 1 : 25.000 (GK 25) des Bayerischen Landesamts für Umwelt ist eine wichtige Grundlage für die meisten Fragestellungen im Hinblick auf geogene Naturgefahren. Un-veröffentlichte Manuskriptkarten (Tab. 1) dienen als Ergänzung. Des Weiteren kommt die Geologische Karte im Maßstab 1 : 200.000 (GK 200) zur Ausweisung des verkarstungsfähigen Untergrundes zum Einsatz.

Tab. 1: Verwendete Manuskriptkarten für die Erstellung der Gefahrenhinweiskarte Alpen und Alpenvorland. Die Manuskriptkaten haben unterschiedliche Bearbeitungstiefen und damit keine einheitliche Qualität.

Blattnummer Blattname Blattnummer Blattname 7830 Schwabmünchen 7838 Albaching 7839 Haag i. OB 7840 Kraiburg a. Inn 7841 Garching a. d. Alz 7842/43 Burghausen 7929 Bad Wörishofen 7930 Buchloe 7938 Steinhöring 7939 Wasserburg a. Inn 7940 Obing 7942/43 Tittmoning 8028 Markt Rettenbach 8029 Kaufbeuren-Neugablonz 8030 Waal 8032 Dießen a. Ammersee 8033 Tutzing 8035 Sauerlach 8037 Glonn 8038 Rott a. Inn

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Datengrundlage

2 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015

8039 Bad Endorf 8043 Laufen 8127 Bad Grönenbach 8128 Obergünzburg 8129 Kaufbeuren 8130 Bidingen 8133 Seeshaupt 8135 Sachsenkam 8137 Bruckmühl 8138 Rosenheim 8139 Stephanskirchen 8142 Teisendorf 8143/44 Freilassing 8227 Kempten (Allgäu) 8228 Wilpoldsried 8229 Marktoberdorf 8231 Peiting 8232 Uffing a. Staffelsee 8233 Iffeldorf 8235 Bad Tölz 8243 Bad Reichenhall 8244/8344 Berchtesgaden Ost 8329 Nesselwang Ost 8332 Unterammergau 8337/8437 Josefstal 8339 Oberaudorf 8340 Reit im Winkel 8341 Seegatterl 8342 Schneizlreuth 8428 Hindelang 8435 Fall 8525/26 Balderschwang 8527 Oberstdorf 8528 Hinterstein 8531 Zugspitze 8532/8632 Garmisch-Partenkirchen 8534 Östl. Karwendelspitze 8626 Hoher Ifen 8627 Einödsbach 8628 Hochvogel 8727 Biberkopf ÖK 50 Nr. 90 Kufstein

Orthophotos Digitale Orthophotos liegen bayernweit in den Auflösungsstufen 1 m, 40 cm und 20 cm vor. Sie sind einerseits hilfreich für die Orientierung, andererseits können sie auch zusätzliche Hinweise zu den Verhältnissen vor Ort liefern.

Digitales Geländemodell Das Digitale Geländemodell (DGM) ist die wesentliche Basis für die Ausweisung von Gefahrenhin-weisbereichen. Es ist die Grundlage für die computergestützten Modellierungen und in verschiedenen Visualisierungen (Schattenbild, Geländeschnitte) bietet es große Vorteile für die Interpretation des Ge-ländes hinsichtlich Rutschungen und Erdfälle.

Das LDBV erstellt mittels Airborne-Laserscanning-Verfahren hoch aufgelöste Punktwolken in diskre-ten Abständen, die zu einem Digitalen Geländemodell umgerechnet werden. Dargestellt wird die Höhe der Geländeoberfläche pro Messpunkt. Messpunkte, die Reflexionen von Gebäuden oder Vegetation enthalten, werden entfernt und das Modell an dieser Stelle interpoliert und geglättet. Resultat ist dann die eigentliche Geländeoberfläche. Stellenweise führt dieser automatisierte Ablauf zu sogenannten Ar-tefakten (Fehlern). Solche Artefakte bleiben zum Beispiel dann erhalten, wenn die Interpolation der Geländeoberfläche unter dichtem Wald oder Schnee nicht die reale Geländeoberfläche abbildet und nicht korrigiert wird. Die Fehler halten sich räumlich und bezogen auf die Gesamtfläche des Untersu-chungsraums im Rahmen. Seitens des LDBV sind bayernweit Daten in den Auflösungsstufen 1 m, 2 m und 5 m verfügbar, allerdings nicht in allen Auflösungsstufen flächendeckend.

Für die verschiedenen Anwendungen werden unterschiedliche Auflösungsstufen des DGM benutzt. Für die Steinschlagsimulation werden die Eingangsdaten auf Basis der 5 m-Daten aufbereitet. Für die Beurteilung von tiefreichenden Rutschungen und die Erhebung von Gefährdungen durch Erdfälle wird die bestmögliche Auflösungsstufe verwendet.

Aus den reinen Höheninformationen des DGM werden für die Bearbeitung weitere Darstellungen er-zeugt. Die bedeutendste ist die Visualisierung als Schattenbild. Dabei werden für eine Beleuchtung aus bestimmten Winkeln (45° und 315°) Schatten auf der virtuellen Geländeoberfläche berechnet. Re-

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Stein-/Blockschlag

Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 3

sultat ist ein Pseudo-3D-Bild. Des Weiteren liefern Hangneigungs- und Expositionskarten sowie Ge-ländeschnitte einen wertvollen Beitrag als Interpretationshilfe.

Tatsächliche Nutzung Die für die Sturzmodellierung verwendeten Wald- bzw. Forstflächen entstammen dem Digitalen Land-schaftsmodell (DLM 25) des ATKIS® Bayern. Es werden Wald bzw. Forst und Gehölz unterschieden.

Gebäude Die Gebäudedaten werden der aktuellen Digitalen Flurkarte (DFK) entnommen (www.ldbv.bayern.de). Die Gebäude sind unterteilt in bewohnte und unbewohnte Objekte.

GEORISK-Kataster Das Bodeninformationssystem Bayern (BIS-BY) ist die zentrale Datenbank des LfU zu Geofachdaten. Große Anteile der Datenbestände sind öffentlich über das Internet zugänglich. Darin sind die bereits seit 1987 im Rahmen des Programms GEORISK gesammelten Informationen zu Massenbewegungen standardisiert abgelegt.

Im BIS-BY werden alle Arten von Massenbewegungen systematisch erfasst und mit allen verfügbaren Informationen ergänzt. Für jedes einzelne Objekt ist dadurch eine detaillierte Beschreibung zur Art der Massenbewegung und ihrer räumlichen Ausdehnung festgehalten. Ergänzende Erläuterungen umfas-sen Angaben zum Zeitpunkt der Aktivität, zum Alter und Zustand sowie eine Einschätzung der zukünf-tigen Entwicklung der Massenbewegung. Ebenso wird eine Informationsqualität angegeben und ein Quellennachweis geführt, so dass Herkunft und Qualität der Daten nachvollzogen werden können. Wenn bekannt, werden auch Anbruch- und Ablagerungsbereiche der Massenbewegung als Geomet-rie digitalisiert und aussagekräftiges Bildmaterial hinterlegt.

Die GEORISK-Datenbank ist die Katastergrundlage für die Ausweisung der Gefahrenhinweisflächen von Rutschungen, Felsstürzen und Erdfällen. Auch bei der Modellierung von Stein- und Blockschlag werden die Informationen über bekannte Ereignisse genutzt, um die modellierten Anbruchbereiche zu ergänzen und die Sturzmodellierung zu überprüfen. Da vor Projektbeginn vor allem Daten für den Bayerischen Alpenraum vorlagen, musste die Datengrundlage für die Bearbeitung der sensiblen Ge-biete des Schwäbisch-Fränkischen Juras und des Alpenvorlands größtenteils erst geschaffen werden. Hierzu wurden im Rahmen des Projektes für alle bearbeiteten Landkreise historische Recherchen durchgeführt, um möglichst alle bei anderen Stellen bekannten oder schriftlich festgehaltenen Ereig-nisse zu sammeln. Es wurde eine flächendeckende Erfassung von Rutschungen anhand von Karten-auswertungen und Geländebegehungen durch Projektpartner an Universitäten und durch das LfU durchgeführt (Kapitel 5). Zudem wurden Dolinen anhand des DGMs 1 m, durch Signaturen in beste-henden topographischen und geologischen Karten und zum Teil Geländebegehungen flächendeckend erfasst (Kapitel 7).

3 Stein-/Blockschlag Eine potenzielle Steinschlaggefahr geht generell von steilen und exponierten Felswänden aus. Mögli-che Sturzkörper können außerdem im Hang liegen und zum Beispiel durch den Anstoß fallender Stei-ne remobilisiert werden. Die Mechanismen, welche die Sturzkörper in Bewegung bringen, sind vielfäl-tig. Entscheidend für die finale Ablösung sind die Lage des Schwerpunkts des Sturzkörpers sowie dessen Verbindung zum umliegenden Fels. Kritische Lageeigenschaften resultieren vor allem aus ei-ner ungünstigen Kombination des Trennflächensystems im Fels und der Geländeoberfläche (Abb. 1

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Stein-/Blockschlag

4 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015

bis Abb. 3). Diese Disposition beeinflusst die Größe, Form und damit die Bewegungseigenschaften des Blocks. Meist kommen folgende Situationen vor:

Abb. 1: Abgleiten eines Felsblocks erfolgt dann, wenn die treibenden Kräfte die haltenden Kräfte über-schreiten. (WYLLIE & MAH 2004)

Abb. 2: Abstürze durch Kippen er-folgen, wenn der Schwerpunkt der Felspartie durch Rotation um einen Scharnierpunkt vom Hang weg ver-lagert wird. (WYLLIE & MAH 2004)

Abb. 3: Abstürze aus Überhängen entstehen durch die Rückverlegung einer schneller verwitternden Ge-steinsschicht unterhalb einer harten Felspartie. (WYLLIE & MAH 2004)

Das Gefahrenpotenzial von Sturzprozessen hängt maßgeblich von der Masse und der Beschleuni-gung des Sturzkörpers ab, welche die Kraft des Aufschlags bestimmen. Die Eigenschaften der Gelän-deoberfläche (Rauigkeit) beeinflussen den Transport und die Ablagerungsposition (Reichweite). Beim Sturz führen Energieverluste beim Aufschlag auf den Untergrund (Dämpfung) und Kontakte mit Hin-dernissen (Ablenkung) zur Veränderung der Bewegung – weite Sprünge und Rollen wechseln sich ab. Jeder Sturzkörper bewegt sich daher auf einer eigenen Bewegungsbahn (Trajektorie) und erreicht somit eine individuelle Reichweite. Die Reichweite ist das Maß für die Ausweisung der Gefahrenhin-weisbereiche unterhalb von Felswänden. Aktuelle Experimente zeigen, dass bei sonst gleichen Be-dingungen runde bzw. radförmige Steine eher anfangen zu rollen und größere Distanzen zurücklegen als eckige. Eckige Blöcke hingegen springen höher und besitzen damit größere Aufprallkräfte (vgl. WSL 2014).

Für die Gefahrenhinweiskarte wird das deterministische 3D-Steinschlagmodell nach ZINGGELER &

GEOTEST AG (KRUMMENACHER et al. 2005; ZINGGELER & PFEIFER 2009) verwendet, das die Vielfalt der Faktoren bei Steinschlagprozessen berücksichtigt. Das numerische Modell simuliert eine Abfolge von Sturzparabeln mit dazwischenliegenden Kontaktreaktionen auf Grundlage der Topographie (DGM) und in Abhängigkeit vorher fixierter Parameter für die Sturzblockform und Geländeeigenschaf-ten (ZINGGELER & PFEIFER 2009). Im Modell werden die physikalischen Gesetze der Bewegungsarten Fallen, Springen und Rollen berücksichtigt. Außerdem kann das Modell die bremsende Wirkung von Wäldern als Folge von Kollisionen und Ablenkungen an Baumstämmen abbilden.

Die Ausweisung von Gefahrenhinweisbereichen berücksichtigt keine bestehenden baulichen Schutz-maßnahmen. Ein Wald hat natürlicherweise eine bremsende Wirkung auf stürzende Steine und soll mit seiner langfristigen Schutzwirkung berücksichtigt werden. Zwei Szenarien werden in der Gefah-renhinweiskarte dargestellt: Rote Gefahrenhinweisbereiche kennzeichnen ein realitätsnahes Szena-rio, in dem die Prozessräume von Stürzen mit den dämpfenden Effekten des aktuellen Waldbestands modelliert werden. In Bereichen ohne Waldbestand werden keine Stoßreaktionen zwischen Sturzblock und Bäumen simuliert. In einem zweiten, pessimistischen Szenario wird der Steinschlagprozess ohne Einfluss eines Waldes berechnet (orange Gefahrenhinweisflächen). Als „Worst-Case-Szenario“ trägt es zukünftigen Veränderungen des Waldbestands Rechnung, die sich möglicherweise durch Kahlschlag, Waldbrand, Durchforsten oder Schädlingsbefall ergeben. Das erste Szenario entspricht dem zweiten an allen Stellen, an denen kein Wald vorliegt. Der Vergleich der Szenarien ermöglicht ei-ne Einschätzung der Bedeutung des Waldes als Schutz vor Steinschlag.

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Stein-/Blockschlag

Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015 5

3.1 Vorbereitende Arbeiten – Datenbasis für die Steinschlagmodellierung Für die Sturzmodellierung gilt es gebietsspezifische Eingabeparameter zu ermitteln, von denen die beiden wichtigsten die Ablöseposition (Anbruchbereiche) und die Sturzblockgröße (Bemessungser-eignis) sind. Grundlage dafür sind primär das Digitale Geländemodell (DGM) und die Geologische Karte 1 : 25.000 (GK 25). Dazu kommen Sekundärparameter, die über die Primärdaten (DGM, etc.) abgeleitet werden.

Ausweisung der Anbruchbereiche Als potenzielle Anbruchbereiche für Stein- und Blockschlag werden im DGM 5 m (Weite der Raster-zellen 5 m) alle Hangbereiche mit einer Neigung ≥ 45° angenommen. Hiermit sind erfahrungsgemäß alle steilen Felsbereiche abgedeckt, die auch im Gelände als Anbruchbereiche für Steinschläge verifi-ziert werden können. Unterhalb 45° findet vorwiegend der Prozess des Rollens statt (DORREN 2003). Die Ablösung von Sturzblöcken aus diesen Bereichen wird nicht im Modell erfasst.

Bestimmung der Bemessungsereignisse Durch den Verschnitt der Anbruchbereiche mit der Geologischen Karte werden die potenziell von Sturzereignissen betroffenen Gesteinseinheiten ermittelt. Im Gelände wird jeder Einheit eine zu erwar-tende Blockgröße (repräsentatives Bemessungsereignis) zugewiesen. Die Dimensionierung nach Achsenlängen (X, Y, Z) ist das Ergebnis der Abwägung zwischen der zu erwartenden Sturzblockgröße und der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Absturzes dieser Blockgröße. Für das Modell folgt eine Ge-neralisierung der im Gelände ermittelten Blockgröße in vier Blockgrößenklassen (I-IV), in denen ver-gleichbar dimensionierte Einheiten zusammengefasst sind. Die stratigraphischen Einheiten mit großen Flächenanteilen an den potenziellen Anbruchbereichen werden vorrangig differenziert. Damit wird vermieden, dass flächenmäßig unterrepräsentierte Einheiten bei der Festlegung der Klassengrenzen überbewertet werden.

Attribuierung und Korrektur der Anbruchbereiche Sind die Bemessungsereignisse ermittelt, werden die Anbruchflächen je nach geologischer Einheit mit diesen Werten attribuiert. Da die stratigraphischen Grenzen der GK 25 eine maßstabsabhängige Un-schärfe bezüglich der Lagegenauigkeit aufweisen, wird die Attribuierung mit Hilfe des Schattenbildes an die Geländemorphologie angepasst. Nicht plausible oder irrelevante Anbruchbereiche (z. B. Brü-ckenwiderlager, Stützmauern oder Steinbruchwände) werden bereinigt.

Eine Ergänzung zu den rechnerisch ermittelten Anbruchflächen liefern die kartierten Anbruchkanten der GEORISK-Objekte (BIS-BY), die ebenfalls mit den Angaben zur Blockgrößenklasse attribuiert werden. Diese Daten werden zum Beispiel dort wichtig, wo die Interpolation der Laserscan-Punkte das DGM glättet und schmale Felsnadeln oder -türme nicht differenziert sind.

Festlegung von Sekundärparametern Die aus den Primärdaten abgeleiteten Modellierungsparameter sind die Rauigkeit der Geländeober-fläche sowie die Dämpfungseigenschaften des Untergrunds (siehe Abb. 4). Für das erste Szenario (rot) werden außerdem der Wald- und Gehölzbestand aus dem ATKIS® berücksichtigt. Um diese Se-kundärparameter adäquat abschätzen zu können, wurden diese in einem Testgebiet für bestimmte Oberflächen von der Firma GEOTEST AG kalibriert.

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Stein-/Blockschlag

6 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015

Abb. 4: Kalibrierte Sekundär-parameter für Dämp-fung und Rauigkeit, abgeleitet von der Hangneigung und den Untergrundeigenschaf-ten (KRUMMENACHER & PFEIFER 2007)

Der Parameter Rauigkeit (Werte zwischen 1 und 19) ergibt sich aus Geländeformen, wie zum Bei-spiel Schutthalden, die im Zentimeter- bis Dezimeterbereich liegen („Mikrotopographie“) und setzt sich aus der Entfernung einzelner Rauigkeitsformen zueinander und deren Durchmesser zusammen.

Die Dämpfung des Untergrunds entscheidet über die Stoßreaktion (Eindringtiefe) und den Energie-verlust (plastische Deformation) während des Kontakts von Sturzkörper und Oberfläche sowie den Abprall und die resultierende Transportgeschwindigkeit (Geometrie der Rampe, Hebelwirkung). Als Eingabeparameter für das Modell gelten Werte zwischen 1 (sehr gering) und 5 (sehr hoch).

Für die Gefahrenhinweiskarte können aufgrund der großen Untersuchungsgebiete die Rauigkeit der Geländeoberfläche und die Dämpfung des Untergrundes nicht im Gelände kartiert werden, sondern müssen aus den im Untersuchungsgebiet vorhandenen Daten abgeleitet werden (siehe Abb. 4). Sie setzen sich aus den Hangneigungswerten und der Oberflächenbeschaffenheit zusammen, die aus den vorliegenden Daten (DGM, Waldflächen, Gewässer/Seen) ermittelt werden können.

Kontakte zwischen Sturzkörper und Baumstämmen sorgen einerseits für einen Energieverlust und andererseits für eine Ablenkung aus der Bewegungsrichtung. Die Kontaktreaktion hängt von einigen Zufälligkeiten ab: unterschiedliche Bestandsdichten, wechselnde Baumtypen und Baumstammdicken sowie variierende Trefferhöhen. Der Waldparameter für die Verteilung der Stammdurchmesser wird auf Grundlage der Stammzahl pro Hektar abgeleitet. Die Werte variieren zwischen 100 Stäm-me / ha (Wald/Forst) und 200 Stämme / ha (Gehölz) und sind eine pessimistische Annahme (lichter Bestand). Die mittleren Stammdurchmesser werden nach einer Zufallsverteilung berechnet. Die Werte variieren zwischen 28 cm (Wald/Forst) und 18 cm (Gehölz). Das Modell berechnet statistisch einen Faktor für die mittlere Trefferdistanz in Abhängigkeit von der Blockgröße mit der zufällig ein Stamm des definierten Waldtyps getroffen wird.

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Stein-/Blockschlag

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3.2 Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche – Modellierung Basis für die Steinschlagmodellierung ist das DGM 10 m des Untersuchungsgebietes. Der Puffer von 500 m um das Untersuchungsgebiet trägt Steinschlägen von außerhalb des eigentlichen Bearbei-tungsraums Rechnung. Die beiden Szenarien (rot: mit Wald, orange: ohne Wald) werden getrennt voneinander modelliert.

Der Ursprung der Sturzbahnmodellierung liegt in den Anbruchpunkten, aus denen im Modell die Sturzkörper jeweiliger Ausdehnung und Masse mit geringer Anfangsgeschwindigkeit gestartet werden. Da die Sturzkörper keine Quader sind, wird ein Rundungsgrad (81% des Quaders) angenommen. Darüber hinaus wird der Radius der Sturzkörper berücksichtigt, um dem Größenverhältnis zwischen Sturzblock und Rauigkeit gerecht zu werden. Kleine Blöcke werden bei gleicher Rauigkeit stärker be-einflusst (Skaleneffekt), was zu einer Reduktion der Geschwindigkeit führt. Unter Einhaltung der Be-wegungsprozesse Fallen, Springen, Rollen und Stillstand mit Translations- und Rotationsanteilen werden folgende Teilprozesse modelliert:

Kontaktreaktionen Im Modell werden beim Bodenkontakt des Sturzkörpers (1) der Eindringprozess und (2) der Ab-sprungprozess in Abhängigkeit von der Rauigkeit und Topographie getrennt berechnet:

(1) Beim Aufprall auf den Untergrund finden Energieverlustreaktionen statt, die aus der Deformation des Untergrundmaterials resultieren. Der Sturzblock wird dabei vereinfacht als Kugel angenommen, die volumenkonform zur ursprünglichen Abmessung ist. Der Aufschlagimpuls führt zur Bildung eines spezifischen Aufschlagtrichters. Eine elastische „Rückgabe“ der Energie erfolgt nicht, sodass Energie verloren geht – beim Erstaufschlag beträgt dieser Verlust etwa 75 - 86 % (DORREN 2003).

(2) Der Abprallprozess hängt dann von der restlichen Bewegungsenergie des Blocks ab sowie von der Geometrie des Aufschlagtrichters, der als eine Art Rampe den Absprungwinkel beeinflusst. Das Mo-dell geht davon aus, das der Sturzkörper (Kugel) eine Richtungskomponente erhält, die von der Form des Trichters abhängt. Der Abprallprozess beinhaltet wieder die eigentlichen Achsenabmessungen des Blockes, damit die resultierende Rotationsbewegung in Abhängigkeit von der Hebelwirkung an den Achsen, berechnet werden kann.

Baumtreffer Baumtreffer werden durch Zufallsvariablen in der Fläche berechnet. Findet im Modell ein Einschlag statt, werden die Eigenschaften des Holzes pauschal berücksichtigt. Bei der Betrachtung des Ein-schlags ist die Trefferhöhe entscheidend, da mit der Entfernung zum Boden die dynamischen Effekte (Schwungverhalten) und die Stammmächtigkeit variieren. Je nach Zentralität des Aufschlags, die im Modell auch zufällig bestimmt wird, führt der Impuls auf den Baumstamm nur zu einer Ablenkung oder zum Bruch des Baumstammes. Baumtreffer sind mit Geschwindigkeitsreduktionen verbunden.

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Stein-/Blockschlag

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Abb. 5: Erstellung der Gefahrenhinweiskarte für Steinschlaggefahr Schaffung der Datenbasis (grün) und Model-lierungsablauf (blau) für die zwei Szenarien „mit Wald“ und „ohne Wald“. Primärdaten (dunkelgrau), Se-kundärparameter (hellgrau), Arbeitsschritte (weiß) und Ergebnisse (unten)

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Felssturz

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Ergebnisformate und Aussage der Gefahrenhinweisflächen Sobald Kontakte stattfinden, werden im Modell Stützpunkte gesetzt. In diesen werden die Bewe-gungsdaten des Sturzes zwischengespeichert. Der Bewegungsprozess läuft so lange springend oder rollend fort, bis die Bewegung stoppt. Die Trajektorien (Sturzbahnen) sind das Ergebnis der Verbin-dung dieser Punkte, entlang der die Werte von Sprunghöhe und Sturzenergie interpoliert werden. Die Prozessräume, welche die Reichweiten darstellen, werden abschließend mit einem Sicherheits-saum versehen, welcher der hohen Variabilität der Sturzbahnen Rechnung tragen soll.

Im Modell gibt es Hangbereiche ≥ 45°, für die keine Trajektorien errechnet werden. Aus diesen Hang-bereichen können real allerdings trotzdem Steine herausgelöst werden und kurze Strecken (5 - 10 m) stürzen. Dieser Sachverhalt liegt einerseits darin begründet, dass die vorliegende Blockgröße auf den sich unterhalb anschließenden flachen Hangbereichen keine für den Weitertransport ausreichende Geschwindigkeit erreicht. Andererseits führt die grobe Auflösung des DGMs innerhalb der Modellie-rungsumgebung zu einer künstlichen Verflachung des Geländes; im Modell wird der Sturz direkt ge-stoppt. Die Folge ist, dass stellenweise nur die Anbruchbereiche in der Gefahrenhinweiskarte ausge-wiesen sind. Aufgrund einer großzügigen Darstellung wird deren Gefährdungspotenzial berücksichtigt.

4 Felssturz Im Gegensatz zum Trajektorienmodell mit Bestimmung der Reichweite von Einzelblöcken (Kapitel 3) kommt für die Simulation größerer Felsstürze ein Modell zur Anwendung, das mit einem worst-case-Ansatz die Reichweite des Absturzes ganzer Felsbereiche ermittelt.

Zahlreiche Veröffentlichungen (WIECZOREK et al. 1999, MEIßL 1998, EVANS & HUNGR 1993, ONOFRI & CANDIAN 1979, LIED 1977) zeigen, dass die maximale Reichweite eines Felssturzes durch einen Pau-schalwinkel abgeschätzt werden kann. Bei diesem Verfahren wird, ausgehend von einem Ansatzpunkt im Anbruchbereich, mit einem festgelegten Neigungswinkel eine Gerade in Falllinie nach unten gezo-gen. Der Schnittpunkt dieser Geraden mit der Geländeoberfläche ergibt die maximale Reichweite des Felssturzes. Die Pauschalwinkel werden bereits seit langem bei der Geländearbeit angewandt. Mit Hil-fe von Neigungsmessern erfolgt dabei eine Abschätzung des potenziellen Sturzbereichs.

Zwei unterschiedliche Pauschalwinkelmodelle werden herangezogen. Zum einen das Geometrische Gefälle, das den Winkel beschreibt, den die Horizontale mit der Geraden zwischen dem Block maxi-maler Reichweite und der obersten Abrisskante des Felssturzes einschließt (Abb. 6: α). Zum anderen kann der Schattenwinkel verwendet werden (Abb. 6: β), den die Horizontale mit der Geraden zwi-schen dem Block maximaler Reichweite und der oberen Begrenzung des Ablagerungsbereiches ein-schließt. Hier wird davon ausgegangen, dass ein Großteil der kinetischen Energie des Sturzes bereits beim ersten Aufprall im oberen Bereich des Schuttkegels verloren geht. Für die Gefahrenhinweiskarte wird in Anlehnung an MEIßL (1998) ein minimales Geometrisches Gefälle von 30° angenommen. Un-tersuchungen von EVANS & HUNGR (1993) entsprechend, wird ein Schattenwinkel von 27° eingesetzt.

Die Entscheidung für eines der beiden Pauschalwinkelmodelle ist von der Hangmorphologie abhän-gig. Sie kann mit Hilfe des Quotienten aus Tangens des Schattenwinkels und Tangens des Geometri-schen Gefälles getroffen werden (MAYER & VON POSCHINGER 2005). Dieses Verhältnis lässt sich auch als Quotient aus z1 (Höhendifferenz aus maximaler Reichweite und Obergrenze des Schuttkegels) und z2 (Höhendifferenz aus maximaler Reichweite und Obergrenze des Anbruchbereichs) darstellen (Abb. 6). Ist dieser Quotient kleiner 0,88, ist der Schattenwinkel zu wählen, ansonsten ist das Geomet-rische Gefälle zu verwenden. Bei hohen Wänden ist somit der Schattenwinkel anzusetzen, bei steilen Hängen mit kleinen Wandstufen das Geometrische Gefälle.

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Felssturz

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Abb. 6: Pauschalwinkelmodelle Geometrisches Gefälle (α) und Schattenwinkel (ß) (verändert nach MEIßL 1998)

Da Felsstürze eher seltene Extremereignisse sind, werden die ermittelten Bereiche mit den orangen Gefahrenhinweisbereichen für Steinschlag zusammengefasst und nur in jenen Bereichen als Fels-sturz attribuiert, wo die Felssturz-Modellierung weiter reicht als die Stein- und Blockschlagmodellie-rung.

4.1 Vorbereitende Arbeiten – Ermittlung der Anbruchpunkte Zur Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche wurde im BIS-BY nach allen GEORISK-Objekten recher-chiert, für die Hinweise auf eine Felssturzaktivität größeren Volumens vorliegen. Anhand repräsentati-ver Werte für z1, z2 und für die geschätzte maximale Reichweite kann, wie unter Kapitel 4 beschrie-ben, die Entscheidung für einen der beiden Pauschalwinkelansätze getroffen werden. Beim Geometri-schen Gefälle ist der Ansatzpunkt für den Pauschalwinkel die Oberkante der Felswand, beim Schat-tenwinkel die Oberkante des vorhandenen Schuttkegels.

In Anlehnung an die digitalisierten GEORISK-Objekte im BIS-BY werden Pauschalwinkelansatzpunkte für die Felssturzmodellierung neu digitalisiert. Um diese Punkte möglichst exakt platzieren zu können, werden ein hochauflösendes Schattenbild und eine aus dem DGM erstellte Hangneigungskarte als Digitalisiergrundlagen herangezogen.

4.2 Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche – Modellierung Die Modellierung des Gefahrenhinweisbereichs kann mit implementierten Standard-GIS-Funktionen durchgeführt werden. Im Projekt wurde die Viewshed-Funktion des Spatial Analyst in ArcGIS ver-wendet. Diese Funktion ermittelt alle Rasterzellen, die von den Ansatzpunkten aus mit einem festge-legten Vertikal- und Horizontalwinkelsegment gesehen werden (Abb. 7).

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Felssturz

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Abhängig vom gewählten Pauschalwinkelansatz werden die Startpunkte für die Viewshed-Modellierung digitalisiert. Anschließend werden alle nötigen Attribute bestimmt und die Viewshed-Funktion ausgeführt (Abb. 8, Abb. 10). Der Vertikalwinkel (VERT1 in Abb. 8), ergibt sich aus dem ge-wählten Pauschalwinkelmodell. Das horizontale Winkelsegment ist definiert mit einem Bereich von je 15° links und rechts der aus dem DGM rechnerisch ermittelten Falllinie (entspricht der Exposition) an jedem Startpunkt (AZIMUTH1, AZIMUTH2 in Abb. 8).

Die Güte der Ergebnisse der Viewshed-Modellierung ist abhängig von der Geländemorphologie. Für Felswände, die direkt in Richtung des Auslaufbereichs exponiert sind, liefert die Modellierung meist gute Ergebnisse. Stärker gegliederte Wände, in denen die Anbruchbereiche nicht direkt in Richtung des Auslaufs exponiert sind oder bei denen der Auslaufbereich eine Krümmung aufweist, lassen sich schlechter mit der Viewshed-Funktion erfassen (Abb. 9).

Abb. 7: Viewshed-Funktion mit der Pauschalwinkelmethode. Die Viewshed-Funktion ermittelt alle Rasterzellen, die von definierten Punkten aus mit einem festgelegten Vertikal- und Horizontalwinkel gesehen werden (Schattenwinkel 27°).

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Felssturz

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Abb. 8: Attributtabelle für die Berechnung der Viewshed-Funktion

Abb. 9: Viewshed-Funktion bei gekrümmten Auslaufbereichen. Bei gekrümmten Auslaufbereichen (grün) und Anbruchbereichen, die nicht direkt in Richtung des Auslaufs exponiert sind, kann die Viewshed-Funktion (rot) den Sturzbereich nicht korrekt abschätzen.

Zudem kommt es bei Steilbereichen zu Artefakten, das heißt es gibt Rasterzellen, die aufgrund des festgelegten Vertikalwinkels von den Startpunkten aus nicht gesehen werden („Löcher“), die aber dennoch im Sturzbereich liegen (Abb. 10). Bei der Modellierung erfolgt keine Berücksichtigung eines Sturzvolumens, das heißt die Reichweite eines Felssturzes kann bei kleinen Sturzmassen hinter der errechneten maximalen Reichweite zurückbleiben. Ebenso schließt die Modellierung große Bergstür-ze (> 1.000.000 m³) nicht mit ein.

Die Gefahrenhinweisbereiche müssen aufgrund der oben erwähnten Einschränkungen im Gelände verifiziert bzw. manuell abgegrenzt werden. Des Weiteren liefert die Viewshed-Modellierung als Er-gebnis nur den Ablagerungsbereich eines Felssturzes. Der Prozessraum muss deshalb ebenso ma-nuell um den Anbruchbereich erweitert werden. Die so ermittelten Prozessräume werden im An-schluss daran mit den orangen Gefahrenhinweisbereichen für Stein-/Blockschlag verschnitten und nur die Teile in der Gefahrenhinweiskarte über das Attribut Felssturz gesondert ausgewiesen, die über die Stein-/Blockschlagmodellierung hinausreichen.

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Felssturz

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Abb. 10: Modellierung von Felssturzbereichen mit der Viewshed-Funktion (hellrot). Der Gefahrenhinweisbereich ist nach einer Validierung der Modellierung im Gelände anhand des Schattenbilds abzugrenzen (rote Li-nie).

Abb. 11: Schattenbild eines anzunehmenden späteiszeitlichen Blockgletschers (Spitzsteinwand), der eine große Sturzablagerung vortäuscht

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Rutschung

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Darüber hinaus haben die Modellierungen gezeigt, dass nicht jede vermutete Felssturzablagerung tat-sächlich auf einen Sturz zurückzuführen ist. Geländeuntersuchungen im unter Abb. 11 dargestellten Beispiel an der Spitzsteinwand haben ergeben, dass diese Ablagerung eher einen fossilen Blockglet-scher darstellen dürfte. Trotz mancher Einschränkungen sind die Ergebnisse der Viewshed-Modellierung eine gute Grundlage für die Abgrenzung der Prozessräume (Abb. 10).

5 Rutschung Die ausgewiesenen Gefahrenhinweisflächen zum Prozess Rutschung beziehen sich auf tiefreichende Rutschungen. Damit sind Rutschungen mit einem Tiefgang von in der Regel mehr als 5 m gemeint. Eine Gefährdung durch flachgründige Rutschungen ist explizit nicht Inhalt dieses Themenbereichs in-nerhalb der Gefahrenhinweiskarte. Da Rutschprozesse von sehr vielen Faktoren abhängen, sind Aus-sagen über eine Gefährdung grundsätzlich schwer zu treffen und bisher nicht durch Modelle abzubil-den. Die Ausweisung der Gefahrenhinweisflächen für Rutschungen beruht daher auf einer empiri-schen Herangehensweise mit Einzelfallbeurteilung.

Rote Gefahrenhinweisbereiche werden dort ausgewiesen, wo eine Gefährdung durch tiefreichende Rutschungen besteht. Dies ist zum einen dort der Fall, wo anhaltend aktive, tiefreichende Rutschun-gen vorhanden sind. Zum anderen kann eine erhöhte Gefährdung aber auch durch momentan inaktive tiefreichende Rutschungen gegeben sein. Nach bisherigen Erfahrungen ereignen sich tiefreichende Rutschungen meist in Gebieten, die bereits in der Vergangenheit von entsprechenden Ereignissen be-troffen waren. Dies liegt daran, dass Rutschungen meist mehrphasige Prozesse sind, die nach einer Zeit der Inaktivität wieder in eine aktive Phase übergehen können. Die ausgewiesenen Flächen bein-halten dabei den potenziellen Prozessraum, das heißt es wird berücksichtigt, in welche Richtung sich der Prozess bei anhaltender Aktivität oder Reaktivierung voraussichtlich ausweiten kann (rückschrei-tende Prozesse, Reaktivierungen innerhalb der Rutschmassen, seitliche und talwärtige Ausweitung).

Eine Rutschanfälligkeit (orange Flächen) wird für Geländebereiche ausgewiesen, in denen eine er-höhte Anfälligkeit für die Bildung eines tiefreichenden Rutschprozesses erkennbar ist. Eine solche An-fälligkeit äußert sich beispielsweise im Zusammenspiel von Faktoren wie rutschanfälligem Untergrund, Vorhandensein flachgründiger Rutschungen, unruhiger Morphologie, Vernässungen und weiteren mehr. An Blockschollenbewegungen sind alte Zerrspalten und Nackentälchen, an denen derzeit keine erheblichen Vertikalbewegungen von Blöcken erkennbar sind, möglicherweise als Vorbereitung für zukünftige tiefreichende Bewegungen zu sehen. Eine solche Entwicklung ist insbesondere in Extrem-fällen zu erwarten, wie zum Beispiel beim Zusammentreffen mehrerer ungünstiger Umstände (Stark-regen nach langer Niederschlagsperiode).

5.1 Vorbereitende Arbeiten – Rutschungskartierung Wichtigste Grundlage für die Ausweisung der Gefahrenhinweisflächen ist die vollständige, flächende-ckende Erfassung von tiefreichenden Rutschprozessen im Gelände. Für die Abgrenzung der Gefah-renhinweisflächen ist daher eine detaillierte Beschreibung jedes einzelnen bekannten Rutschprozes-ses hinsichtlich Tiefgang, Reaktivierbarkeit und Ausdehnung des potenziellen zukünftigen Prozess-raumes unerlässlich. Die Qualität der Gefahrenhinweiskarte hängt entscheidend von der Qualität der Datengrundlage ab. Viele wichtige Informationen, wie die Aktivität des Prozesses oder auftretende Schäden, können nur im Gelände erhoben werden. Diese Informationen werden in das GEORISK-Kataster (BIS-BY) übernommen.

Die Visualisierungen des digitalen Geländemodells als Schattenbild, Höhenlinienkarte und Hangnei-gungskarte sind die Basis für die Festlegung der zu begehenden Flächen, da sie eine detaillierte Dar-

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Rutschung

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stellung der Geländemorphologie ermöglichen. Typische Rutschungsformen, wie nischenförmige Ab-risskanten oder zungenförmige Ablagerungen sind auf dem Schattenbild meistens sehr deutlich zu er-kennen. Auch undeutlichere Zeichen, wie eine unruhige Morphologie, eine Abweichung vom verbreite-ten, ungestörten Hangprofil oder Verflachungen im Hang, können Indizien für Rutschungen sein. Des Weiteren werden Bereiche begangen, welche bei der historischen Recherche (z. B. aus dem Projekt HANG Historische Analyse Alpiner Naturgefahren) ermittelt wurden und es wird u. a. Hinweisen aus den Geologischen Karten, aus den Hinweiskarten für hangdynamische Prozesse (Projekt EGAR Ein-zugsgebiete in alpinen Regionen) und den Karten der Aktivitätsbereiche nachgegangen.

Im Gelände werden einerseits morphologische Indizien erfasst, die für eine Rutschbewegung und de-ren Ausdehnung sprechen (Abrisse, Zerrspalten, Spalten, Nackentälchen, Doppelgrate, Geländestu-fen etc.). Andererseits werden weitere Anzeichen erfasst, die Aufschluss über die Aktivität, die aktuel-le Bewegungsrate sowie die weitere Entwicklung der Bewegung geben. Dies können aufgetretene Schäden, Bodenrisse mit gespannten Wurzeln, säbelwüchsige oder schiefe Bäume, Senkungen und Vernässungen des Untergrunds oder Fließloben und Stauchwülste sein. Die Anzeichen sind vor dem Hintergrund der Geologie, der Nutzung und im Zusammenhang mit technischen Maßnahmen (Stütz-mauern, Drainagen, etc.) zu bewerten.

5.2 Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche Für die Ermittlung der Gefahrenhinweisflächen werden die vorhandenen Daten aus dem GEORISK-Kataster ausgewertet, bei denen es sich weitgehend um im Gelände erhobene Daten handelt. Dane-ben liefern auch geotechnische Gutachten, Diplomarbeiten und Dissertationen relevante Informatio-nen.

Beurteilung der Gefährdung Die erfassten Rutschungen werden zunächst nach ihrem Tiefgang bewertet. Handelt es sich um eine tiefreichende Rutschung, also eine mit einem Tiefgang von mindestens 5 m, so wird im nächsten Schritt die Reaktivierbarkeit beurteilt. Ist die Rutschung aktiv oder reaktivierbar oder kann dies nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, so wird die zugehörige Gefahrenhinweisfläche als rote Fläche ausgewiesen. Nur wenn die Rutschung nicht reaktvierbar ist, wird auf die Ausweisung einer Gefah-renhinweisfläche verzichtet. Alle roten Gefahrenhinweisflächen basieren auf GEORISK-Objekten, bei denen eine Geländebegehung durchgeführt wurde oder ein Detailgutachten vorliegt (vgl. Abb. 12).

Handelt es sich bei der erfassten Rutschung um eine flachgründige Bewegung und liegen im Umfeld weitere derartige Rutschungen vor, wird anhand der vorhandenen Daten beurteilt, ob diese sich zu-künftig zu einem tiefreichenden Prozess entwickeln kann. Ist dies der Fall, etwa weil sich tiefreichende Rutschungen in ähnlichen geologischen Einheiten und morphologischen Positionen in der Umgebung finden, so wird die Fläche als orange Fläche ausgewiesen. Außerdem werden sie dort ausgewiesen, wo eine Rutschanfälligkeit durch ein Zusammenspiel von Faktoren wie rutschanfälliger Untergrund, unruhige Morphologie und Vernässungen gegeben ist und Bewegungen bereits stattgefunden haben. Flachgründige Rutschungen, die sich nicht zu tiefreichenden entwickeln können, werden nicht als Ge-fahrenhinweisflächen ausgewiesen (vgl. Abb. 12).

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Rutschung

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Abb. 12: Entscheidungsbaum zur Beurteilung der Gefährdung durch tiefreichende Rutschungen

Ermittlung des potenziellen Prozessraumes tiefreichender Rutschungen Die Ausdehnung der Gefahrenhinweisflächen basiert auf einer Einschätzung der zukünftigen Entwick-lung der Rutschung und stellt den wahrscheinlichen zukünftigen Prozessraum dar. Alle Rutschungen werden in der Regel mit einem Sicherheitssaum von 20 - 30 m versehen. Dieser muss den örtlichen Gegebenheiten angepasst werden und ist vor allem von den geologischen und bodenmechanischen Randbedingungen abhängig.

Die Bewegungsbereiche bekannter Ereignisse können sich bei anhaltender Aktivität oder bei einer Reaktivierung verändern. Eine Ausweitung kann beispielsweise im Anbruchbereich oder im Ablage-rungsbereich der Rutschmasse stattfinden. Der sogenannte Prozessraum der Rutschung kann sich also mitunter stark vergrößern. Andererseits können auch Bewegungen innerhalb eines festen Pro-zessraums stattfinden. Hinweise zu einer möglichen Ausweitung finden sich im Gelände und müssen bei der Ausweisung der Gefahrenhinweisfläche berücksichtigt werden.

Bei der potenziellen Ausweitung des Prozessraumes im Anbruchbereich sind im Wesentlichen die morphologische Situation sowie die boden- und felsmechanischen Eigenschaften des Untergrunds maßgeblich. Im Extremfall reicht der Prozessraum bis an den nächstliegenden Bergrücken, Grat (Kamm) oder an markante Geländestufen und Rinnen im Umfeld der Rutschungen.

Zur Bestimmung der potenziellen Reichweite einer aktiven oder reaktivierbaren Rutschung wird zu-nächst die bisherige Reichweite auf der Basis von Datenbankinhalten, dem Schattenbild und Gelän-dedaten (stumme Zeugen) bestimmt. Liegen beispielsweise Anzeichen für aktive Bewegungen an der Rutschungsstirn vor, muss davon ausgegangen werden, dass bei einer Reaktivierung die Reichweite der „alten“ Rutschmasse lokal übertroffen wird. Der Gefahrenhinweisbereich wird dann entsprechend der geomorphologischen Gegebenheiten evaluiert. Reichen die Gefahrenhinweisbereiche für tiefrei-chende Rutschungen bis in ein wasserführendes Gerinne, werden sie dort abgegrenzt, wenn davon auszugehen ist, dass die sich dort ansammelnden Lockergesteinsmassen vom Bach abgetragen und weitertransportiert werden.

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Hanganbruch

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6 Hanganbruch Hanganbrüche sind flachgründige Rutschungen der Verwitterungsdecke von einigen Zehnern bis we-nigen 100 m³ Volumen, die bei Starkniederschlagsereignissen auftreten können. Trotz des meist ge-ringen Volumens bedingen sie durch die Mobilität der Rutschmassen und ihr spontanes Auftreten oft ein erhebliches Schadenspotenzial und haben auch schon zu Todesfällen geführt. So waren im Jahr 2002 in Lutzenberg im Kanton St. Gallen drei Todesfälle zu beklagen, als zwei Häuser durch ein sol-ches spontanes Ereignis zerstört wurden. Im Rahmen der Erstellung von Gefahrenhinweiskarten für die Alpen und das Alpenvorland wird deshalb auch die lokale Anfälligkeit für Hanganbrüche ermittelt.

Da es sich bei Hanganbrüchen grundsätzlich um Extremereignisse handelt, die nur bei bestimmten Witterungsverhältnissen auftreten (Starkniederschlagsereignisse, die das für die Region übliche Maß überschreiten), werden die ermittelten Bereiche in der Gefahrenhinweiskarte schraffiert dargestellt. Bei der Ausweisung von Gefahrenhinweisbereichen zu Hanganbrüchen werden grundsätzlich keine bestehenden baulichen Schutzmaßnahmen (Murnetze etc.) berücksichtigt. Allerdings fließt die beste-hende Bebauung (Häuser, Gebäude) bei der Ermittlung der potenziellen Anrisszonen für Hanganbrü-che ein. Wie beim Prozess Stein- und Blockschlag hat Wald auch bei der Entstehung von Hanganbrü-chen eine schützende Wirkung und soll mit seiner langfristigen Schutzwirkung berücksichtigt werden.

Zwei Szenarien werden in der Gefahrenhinweiskarte dargestellt: Rot-schraffierte Gefahrenhinweis-bereiche kennzeichnen ein realitätsnahes Szenario, in dem die Prozessräume von Hanganbrüchen mit den schützenden Effekten des aktuellen Waldbestands modelliert werden. In einem zweiten, pes-simistischen Szenario wird der Hanganbruchprozess ohne Einfluss eines Waldes berechnet (orange-schraffierte Gefahrenhinweisflächen). Als „Worst-Case-Szenario“ trägt es zukünftigen Veränderun-gen des Waldbestands Rechnung, die sich möglicherweise durch Kahlschlag, Waldbrand, Durchfors-ten oder Schädlingsbefall ergeben. Das erste Szenario entspricht dem zweiten an allen Stellen, an denen kein Wald vorliegt. Der Vergleich der Szenarien ermöglicht eine Einschätzung der Bedeutung des Waldes als Schutz gegen Hanganbruch.

6.1 Vorbereitende Arbeiten – Grundlagen zur Ermittlung der Anrisszonen und Auslaufbereiche

Die Ausweisung von Gefahrenhinweisflächen zum Prozess Hanganbruch wird auf Grundlage einer computer-basierten Modellierung durchgeführt. Diese erfolgt in Lockergestein und Böden analog zur Modellierung der Reichweiten von Stein- und Blockschlag in zwei Stufen.

a) Dispositionsmodell: Zuerst werden die Anrisszonen mit dem Modell SLIDISP (LIENER (2000)

UND GEOTEST AG) ausgeschieden.

b) Prozessmodell: Anschließend werden deren Auslaufbereiche mit dem GIS-Ansatz

SLIDEPOT (Entwicklung GEOTEST AG) berechnet.

Grundlage für die Dimensionierung der Bemessungsereignisse sind Geologie, Hangneigung und Landnutzung.

Grundlagen zur Modellierung der Anrisszonen Die numerische Modellierung der Anrissgebiete erfolgte mit dem Modell SLIDISP. Es bestimmt mit Hil-fe der Infinite-Slope-Analyse (Methode zur Stabilitätsberechnung) die Hangstabilität für jede Raster-zelle.

Die beiden zentralen Grundlagen für die Modellierung der Hanganbruch-Anrissflächen sind die Hangneigungen aus dem DGM sowie der geologische Untergrund, aus welchem die geotechnischen

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Hanganbruch

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Modellparameter abgeleitet werden. Die Erfahrungen der Firma GEOTEST AG zeigen, dass die Quali-tät der Modellierungsresultate stark von der räumlichen Auflösung des DGM und der Geologie ab-hängt.

Für alle geologischen Einheiten im Projektgebiet wird anhand der Eigenschaften des Verwitterungs-produktes der kritische Reibungswinkel (Mittelwert, Standardabweichung) sowie die Kohäsion (bei de-finierter Wassersättigung) abgeschätzt. Diese fließen als Parameter in die Modellierung ein. Der Si-cherheitsgrad F einer Rasterzelle beschreibt das Verhältnis von rückhaltenden zu treibenden Kräften gemäß der Formel in Abb. 13.

Abb. 13: Grundlagen zur Berechnung des Sicherheitsgrades F einer Rasterzelle (SELBY 1993)

Wurzelkraft Die Formel zur Berechnung des Sicherheitsgrades F gemäß Abb. 13 stellt die in der Literatur übli-cherweise zitierte Formel für den Sicherheitsfaktor F dar. Die Erfahrungen zeigen, dass das Vorhan-densein von Wald die Stabilitätsverhältnisse beeinflusst und folglich die Formel ergänzt werden muss, indem zum gesamten Zähler ein szenariospezifischer Wert, die sogenannte Wurzelkraft (WK), addiert wird. Diese WK-Werte können nicht aus der einschlägigen Literatur entnommen werden. Sie konnten jedoch aufgrund der Erfahrungen der Firma GEOTEST AG als empirische Größen in Relation zur Größenordnung der übrigen Formel-Faktoren (Kohäsion, Lockermaterialmächtigkeit, Reibungswinkel) eingesetzt werden.

Variabilität der Modellparameter Neben der Wurzelkraft beinhalten auch andere Variablen, die den Sicherheitsgrad F bestimmen (Abb. 13) in geringerem Maße eine gewisse Variabilität. Es handelt sich dabei um den Reibungswin-

kel ', die Kohäsion c' sowie den Porenwasserdruck u (Wassersättigung) des Lockermaterials. Die Unsicherheiten betreffen vor allem kleinräumige (primär Reibungswinkel) bzw. raumzeitliche Variatio-nen (Primär-Kohäsion, Porenwasserdruck) dieser Faktoren, welche beträchtlich sein können. Im Sin-

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Hanganbruch

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ne einer Gefahrenhinweiskarte im Maßstab 1 : 25.000 müssen diese Faktoren eher pessimistisch ge-setzt werden, um alle potenziellen Prozessflächen zu erfassen.

Topo-Index Aus dem DGM wird zudem flächendeckend der sogenannte Topo-Index berechnet, der das topogra-phisch bedingte Wassersättigungspotenzial für jede Rasterzelle definiert. Der Topo-Index korrigiert die für jede Modellierungsklasse pauschal definierte Wassersättigung (bzw. den Porenwasserdruck) in Funktion der Geländeoberflächenform.

Topo-Index = ln (a / tan )

(mit a = Fläche, die durch die Rasterzelle entwässert; = Hangneigung Rasterzelle)

Die berechneten Werte werden in vier Klassen eingeteilt (Tab. 2).

Topo-Index Klassifizierung

0 – 5,3 1 (trocken)

5,3 – 7,2 2

7,2 – 9,1 3

> 9,1 4 (feucht)

Tab. 2: Klassifizierung des Topo-Index

Digitale Codierung der Geologie Die Eigenschaften der verschiedenen geologischen Einheiten im Projektgebiet werden gemäß Tab. 3 attribuiert. Die Codierungen beziehen sich jeweils auf das Verwitterungsprodukt der lithologischen Einheiten, welches das Ausgangsmaterial für einen möglichen Hanganbruch-Anriss bildet.

Tab. 3: Codierungsschema für die stratigraphischen Einheiten; jede stratigraphische Einheit im Projektgebiet wird nach diesem Schema attribuiert. Anhand der Werte, die für die Durchlässigkeit, das Gestein, den Zu-stand bzw. die Beanspruchung, die Erodierbarkeit sowie die Korngröße vergeben werden, wird der Code SliDisp, der Reibungswinkel und die Kohäsion für jede stratigraphische Einheit ermittelt.

Durchlässigkeit

Verwitterungsprodukt Gestein

Zustand /

Beanspruchung Erodierbarkeit

Korngröße

Verwitterungsprodukt

1 = dicht (Stauer) 1 = Sandstein 1 = kompakt 1 = sehr gering 1 = sehr fein (Ton)

2 = sehr gering (z. B. tonige Gesteine)

2 = Kalkstein 2 = wenig zerklüftet 2 = gering 2 = fein (Schluff)

3 = gering 3 = Mergelstein 3 = stark zerklüftet 3 = mittel 3 = mittel (Sand)

4 = mittel 4 = Tonstein 4 = gebräch 4 = hoch 4 = groß (Sand / Steine)

5 = hoch 5 = Schotter / Kies / Sand 5 = vorbelastet 5 = sehr hoch 5 = sehr groß (Blöcke)

6 = sehr hoch (z. B. geklüftete Gesteine, Schotter)

6 = Gehängeschutt 6 = Lockergestein

6 = Diamektit

7 = Humos

8 = Vulk. Silikat

9 = glaziale Sedimente

10 = Nagelfluh

Einheit Code SliDisp

Reibungswinkel [°]

Kohäsion [N/mm²] 11 = Ton/Schluff

Geologische Einheit

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Hanganbruch

20 Bayerisches Landesamt für Umwelt 2015

Das Untersuchungsgebiet umfasst mehrere geologische Karten verschiedener Autoren. Daher können einerseits an den Blattgrenzen unterschiedlich kartierte Einheiten aneinander grenzen und anderer-seits quartäre Einheiten unterschiedlich detailliert aufgenommen vorliegen. Dies kann lokal Auswir-kungen auf die modellierten Anrissbereiche haben, indem sich deutliche Begrenzungen, die in der Na-tur so nicht auftreten, im Kartenbild abzeichnen.

Die Modellierung der Hanganbruch-Anrisse benötigt die flächenhafte Bearbeitung von fünf Dateien. Diese werden als GIS-Grids aufbereitet. Die Dateien haben folgende Inhalte:

GEOLOGIE.DAT SLIDISP-Code

WALD.DAT Waldgrenzen

NEIGUNG.DAT Hangneigung

TOPOIX.DAT Klassifizierter Topo-Index (Basis: 5 m-DGM, s.o.)

MAECHTIG.DAT Mächtigkeit des Lockermaterials

Die pauschalisierte Mächtigkeit des Lockermaterials wird mittels eines generellen Ansatzes aus der Hangneigung gemäß Tab. 4 abgeleitet.

Hangneigung [°] Mächtigkeit

Lockermaterial [m]

< 20 8,0

20 - 25 4,0

25 - 30 2,0

30 - 35 1,0

35 - 40 0,5

> 40 0

Tab. 4: Mächtigkeit Lockermaterial (empiri-sche Werte)

Grundlagen zur Modellierung der Auslaufbereiche Die aus den Hangneigungen pauschal abgeleiteten Lockermaterial-Mächtigkeiten (Tab. 4) wurden le-diglich für die Berechnung des Sicherheitsgrades F verwendet. Diese sind jedoch zu unsicher, um sie als Grundlage für die Auslaufberechnung zu verwenden. Deshalb wurde allen Anrisszonen eine hypo-thetische Mächtigkeit von 1 m zugewiesen und diese mit jedem Ausbreitungsschritt sukzessive abge-baut, bis entweder maximal 8 Ausbreitungsschritte erfolgt sind oder eine Restkubatur (bzw. Abbaufak-tor) mit einem Wert unter 0,1 erreicht wird.

Die Tab. 5 zeigt die im vorliegenden Projekt gewählten Abbaufaktoren und die entsprechenden maxi-malen Reichweiten.

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Hanganbruch

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Tab. 5: Abbaufaktoren und maximale Reichweiten

Lokale Hangneigung

Abbaufaktoren nach Nummer des Ausbreitungsschritts und maximale Reichweiten

Startwert

1 (20 m)

2 (40 m)

3 (60 m)

4 (80 m)

5 (100 m)

6 (120 m)

7 (140 m)

8 (160 m)

> 25° 0,85 0,72 0,61 0,52 0,44 0,38 0,32 0,27 0,23

> 25° im Wald 0,60 0,36 0,22 0,13

17° - 25° 0,75 0,56 0,42 0,32 0,24 0,18 0,13 0,10

17° - 25° im Wald 0,50 0,25 0,13

10° - 17° 0,65 0,42 0,27 0,18 0,12

10° - 17° im Wald 0,40 0,16

< 10° 0,45 0,20

< 10° im Wald 0,20

Die Reichweite eines Hanganbruch-Auslaufprozesses wird hauptsächlich durch den Wasseranteil des Hanganbruchs bestimmt. Weitere, teilweise komplexe Randbedingungen (Oberflächenrauigkeit, Ent-wicklungsstufe der Vegetation) beeinflussen die Reichweite zusätzlich. Diese sind jedoch nur mit gro-ßen Unsicherheiten in einem Modell abzubilden. Die im Modell SLIDEPOT verwendeten Abbaufakto-ren können erfahrungsgemäß die Reichweiten relativ gut abbilden, wenn die Modellierungsresultate an erfolgten Ereignissen (BIS-BY) kalibriert werden können. Wenn, wie im Projektgebiet, nur wenige Ereignisse flächig kartiert und dokumentiert sind, müssen die Abbaufaktoren eher pessimistisch defi-niert werden, um ausreichend große, im Zweifelsfall eher etwas zu lange Auslaufstrecken zu erhalten.

6.2 Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche – Modellierung

Modellierung der Anrisszonen Um die hohe natürliche Variabilität der Scherparameter abzubilden, werden diese im Modell nicht durch einzelne Werte jeder geologischen Klasse, sondern durch Normalverteilungen beschrieben. Für die Bestimmung der Rutschanfälligkeit werden zufällig 100 Werte aus den Verteilungen der Scherpa-rameter ausgewählt und mit diesen Werten 100 Sicherheitsgrade F berechnet. Mit dieser sogenann-ten Monte-Carlo-Simulation können die natürlichen Variationsbreiten verschiedener Parameter in der Modellierung berücksichtigt werden.

Für das Modell wird angenommen, dass Kohäsion und Reibungswinkel je als Normalverteilung vorlie-gen und dass sie nicht miteinander korrelieren. Diese Annahme stimmt in der Natur nicht und die Sta-bilitätsberechnung kann unter dieser Annahme zu hohe oder zu tiefe Werte ergeben. Da die Berech-nung aber mit einer großen Anzahl von Parameterkombinationen durchgeführt wird, heben sich die zu hohen und zu tiefen Werte auf und die Wahrscheinlichkeit der Verteilung der Sicherheitsgrade bleibt ähnlich.

Als Modellierungsresultat wird pro Rasterzelle die Anzahl der Fälle bestimmt, bei denen der Sicher-

heitsgrad F 1 ist, das heißt, bei welchen Instabilität angenommen wird. Je größer die Anzahl der In-stabilitäten ist, desto größer ist die Hanganbruchwahrscheinlichkeit. Als mögliche Anrissgebiete wer-den diejenigen Gebiete ermittelt, bei denen mehr als 60 % der Parameterkombinationen einen Sicher-

heitsgrad F 1 ergeben. Dieser Schwellenwert hat sich bei zahlreichen Projekten bereits bewährt.

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Die Anriss-Modellierung mit SLIDISP ist ein C-Programm, welches außerhalb eines GIS läuft. Die Mo-dellierungsresultate werden anschließend jedoch wiederum im GIS aufbereitet.

Der berechnete Topo-Index wird nach der SLIDISP-Modellierung zum zweiten Mal herangezogen, in-dem modellierte Instabilitäten in ausgeprägten Kuppen- bzw. Kammlagen nicht als Anrisszonen klassi-fiziert werden. Zudem werden Gebäude mit zwei Rasterzellen (= 10 m) gepuffert, um unrealistischen Anbrüchen in Ortslagen vorzubeugen.

Analog zur Stein- und Blockschlagmodellierung wurden auch die Hanganbrüche mit zwei unterschied-lichen Szenarien modelliert. Die beiden Szenarien unterscheiden sich im Grad der Berücksichtigung des Waldes für die Anrisszonen von Hanganbrüchen.

Szenario A (entspricht einem Szenario ohne Wald) Szenario A geht von einer geringen Schutzwirkung des Waldes aus, das heißt geringe Stabilisierung des Waldbodens bzw. der Lockermaterialüberdeckung aufgrund der Durchwurzelung (Wurzelkraft WK = 3,5 kN/m2).

Szenario B (entspricht einem Szenario mit Wald) Szenario B geht von einer starken Schutzwirkung des Waldes aus, das heißt hohe Stabilisierung des Waldbodens bzw. der Lockermaterialüberdeckung aufgrund der Durchwurzelung (WK = 7,0 kN/m2). Als weitere Faktoren gehen ein höheres Wasseraufnahmevermögen und eine möglicherweise mächti-gere Lockermaterialüberdeckung in die Modellierung mit ein.

Modellierung der Auslaufbereiche Die Berechnung der Auslaufbereiche mit dem Modell SLIDEPOT der Firma GEOTEST AG ist ein rei-ner GIS-Ansatz, welcher für jede Rasterzelle im modellierten Anrissgebiet die Ablagerung hangab-wärts in Fließrichtung modelliert. Dabei wird von einem hypothetischen Anfangsvolumen (= 25 m³) oder von ausgeschiedenen oder modellierten Anrissmächtigkeiten ausgegangen.

Abb. 14: Beispiel Modellierung SLIDEPOT. Drei ana-lysierte Rasterzellen im Sektor für Zellexpositi-onen 210° – 230° (für Zellengröße 5 m hat der rote Kreis einen Radius von 20 m) KRUMMENACHER et al. 2008.

Analysierter Sektor bei Zellexpositionen 210 - 230°

1060m

1050m

1040m

1030m

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Erdfall

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Das Modell beruht dabei nicht auf einem sogenannten single-flow-Ansatz, welcher die Zuflussrichtung zu einer potenziellen Ablagerungszelle mit der höchstliegenden direkten Nachbarzelle bestimmt, son-dern auf einer erweiterten Nachbarschaftsanalyse: Dabei werden mehrere Zellen in einem 20°-Sektor oberhalb (Gegenrichtung zur Exposition der Zelle) einer potenziellen Ablagerungszelle bis zu einem Abstand von vier Rasterzellen analysiert. Für die aktuelle Rasterzelle wird eine Ablagerung berechnet, wenn einerseits im genannten Sektor eine Anrisszelle bzw. ein berechnetes Ablagerungsvolumen vorhanden ist (Abb. 14: orange markierte Zellen) und andererseits im Sektor keine stark konvexe To-pographie vorliegt. Mit diesem Ansatz kann im Gegensatz zum sogenannten single-flow-Ansatz die Ausbreitungsrichtung besser kontrolliert werden.

Jeder Ausbreitungsschritt analysiert Nachbarzellen bis zu einer Distanz von 20 m (für Rasterweite 5 m). Mit jedem Ausbreitungsschritt wird das Anfangsvolumen bzw. das Restvolumen über einen loka-len Abbaufaktor verringert. Dieser Faktor wird vor allem durch die lokale Hangneigung definiert. Zu-sätzlich können die Abbaufaktoren durch das Vorhandensein von Wald, rauer Geländeoberfläche (Blockschutt etc.) und weiterer räumlicher Parameter modifiziert werden. Die Datenverfügbarkeit be-stimmt letztlich die definitiven Abbaufaktoren. Tab. 6 zeigt die im vorliegenden Projekt gewählten Ab-baufaktoren.

Die Ausbreitung stoppt, wenn entweder eine definierte Anzahl von Ausbreitungsschritten erreicht wird oder wenn der berechnete Wert unter einen definierten Schwellenwert (z. B. 0,1) fällt.

Lokale Hangneigung der potenziellen Ab-

lagerungszelle [°]

Startwert Abbaufaktor

nicht bewaldet im Wald

> 25 0,85 0,6

17 - 25 0,75 0,5

10 - 17 0,65 0,4

< 10 0,45 0,2

Tab. 6: Startwert der Abbaufaktoren (Kalibrie-rung erfolgte auf Basis empirischer Untersuchungen im Gelände)

Die Auslauf-Modellierung wird für beide Szenarien A und B mit identischen Einstellungen durchge-führt. Es wurden jeweils maximal 8 Ausbreitungsschritte gerechnet, wobei im Wald reduzierte Abbau-faktoren definiert wurden.

Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche Die Resultate der beiden oben genannten Modellierungen (Anriss und Auslauf) werden zusammenge-fasst und anhand der zwei modellierten Szenarien unterschieden (siehe Kapitel 6).

7 Erdfall Subrosion infolge Lösung (Verkarstung) ist die Ursache für die Entstehung oberirdischer Hohlformen (Dolinen oder Senkungsmulden) und unterirdischer Hohlräume (Höhlen). Auch durch die Auswa-schung von Feinmaterial (Suffosion) kann es zum Materialverlust im oberflächennahen Untergrund kommen. Der plötzliche Einsturz so entstandener Hohlräume (Erdfall) hinterlässt an der Erdoberfläche mehr oder weniger große und tiefe Löcher. Je nach Landnutzung bleiben diese zum Teil offen oder werden rasch verfüllt. Die Gefährdung durch Erdfälle besteht also in einem plötzlichen Einbruch, dem Nachbruch oder einer langsamen Senkung des Untergrunds.

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Erdfall

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Grundsätzlich ist die Gefährdung durch Erdfälle schwer vorherzusagen, da es bislang keine verlässli-che Methode gibt mit der man von der Oberfläche aus beurteilen kann, ob im Untergrund potenziell einsturzgefährdete Hohlräume vorhanden sind oder nicht. Daher werden in der Gefahrenhinweiskarte zwei unterschiedliche Ansätze gewählt:

Rote Gefahrenhinweisbereiche werden dort ausgewiesen, wo Dolinen/Erdfälle im Gelände sichtbar oder Daten über offene oder verfüllte bekannt sind. An den Strukturen oder in deren unmittelbarem Randbereich muss tendenziell mit Nachbrüchen gerechnet werden. Die Dolinen müssen nicht durch Erdfälle entstanden sein. In vielen Fällen handelt es sich auch um sogenannte Lösungsdolinen, bei denen eine allmähliche Einsenkung durch die Lösung des verkarstungsfähigen Gesteins im Unter-grund stattfindet. Ohne detaillierte Untersuchungen kann die Entstehungsursache einer Doline nicht beurteilt werden. Die Gefahrenhinweisflächen sind als allgemeiner Hinweis darauf zu verstehen, dass lokal Dolinen vorhanden sind oder Erdfälle stattgefunden haben, welche sich möglicherweise durch Nachstürze oder neue Erdfälle erweitern.

Zudem besteht prinzipiell überall dort eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Erdfällen, wo im Untergrund verkarstungsfähige Gesteine vorhanden sind. Es werden zusätzlich die Gebiete, in denen Verkarstungs- oder Auslaugungsvorgänge potenziell möglich sind, als orange Gefahrenhin-weisbereiche ausgewiesen und nach den petrologischen Gesteinseigenschaften unterschieden.

7.1 Vorbereitende Arbeiten – Erfassung von Erdfällen und Dolinen Die Erfassung von Dolinen erfolgt mit Hilfe der hochauflösenden Schattenbilder sowie anhand der Geologischen und Topographischen Karten (1 : 25.000). Zusätzlich werden auch Daten aus Dolinen-katastern, von Wasserwirtschaftsämtern, aus Gemeindearchiven und von Bauämtern übernommen. Die so gewonnenen Punktdaten werden im Anschluss an ihre Aufnahme anhand der Eigenschaften des geologischen Untergrunds auf ihre Plausibilität geprüft. Ergänzend erfolgt eine Abgrenzung von Dolinen als Flächengeometrie, wenn sie einen Durchmesser größer als 25 m besitzen.

Eine Einschränkung in der flächenhaften Erfassung ergibt sich vor allem daraus, dass Dolinen/Erdfälle in Siedlungsgebieten und auf landwirtschaftlichen Nutzflächen oftmals rasch verfüllt werden und ihr Auftreten nicht dokumentiert wird. Manchmal können Informationen über diese Verfüllung noch aus Archivdaten gewonnen werden. Die in der Gefahrenhinweiskarte ausgewiesenen Flächen zur Gefähr-dung durch Erdfälle haben somit keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.

Die erfassten Daten werden in das GEORISK-Kataster des LfU eingepflegt und als Basis für die Er-mittlung der Gefahrenhinweisflächen herangezogen. In Einzelfällen wird eine Geländebegehung zur Überprüfung der Daten durchgeführt. Nicht plausible potenzielle Dolinen werden im GEORISK-Kataster als „Negativobjekte“ attribuiert und erscheinen nicht in der Gefahrenhinweiskarte.

7.2 Ermittlung der Gefahrenhinweisbereiche Sowohl die Punkte als auch die Flächen der Dolinen und Senkungsmulden aus dem GEORISK-Kataster werden zur Darstellung als Gefahrenhinweisfläche mit einem 50 m breiten Puffer (Sicher-heitssaum) versehen.

Zur Ausweisung des verkarstungsfähigen Untergrundes werden aus der Geologischen Karte 1 : 200.000 (GK 200) alle potenziell verkarstungs- oder auslaugungsfähigen geologischen Einheiten extrahiert und nach ihrer Subrosionsursache (Karbonatkarst / Sulfatkarst / Suffosion) bewertet. Eine zusätzliche Kategorisierung nach der Subrosionsanfälligkeit der verschiedenen Gesteinsarten wird nicht vorgenommen. Des Weiteren werden aus der GK 200 Flächen nicht verkarstungs- oder auslau-

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gungsfähigen oberflächennahen Untergrunds extrahiert, bei denen es sich um vermutlich geringmäch-tige Deckschichten über verkarstungs- oder auslaugungsfähigem Gestein handelt. Hier können sich Subrosionsstrukturen bis an die Oberfläche durchpausen. Suffusion findet im Gegensatz zur Subrosi-on in Lockergesteinen statt, die nicht eigens als karstanfällig ausgewiesen werden.

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