Hygiene-Institut der Universität Bonn
Verhütung und Kontrolle der Übertragung von Tuberkulose in medizinischen Einrichtungen
• Übertragung
• Grundregeln der Verhütung und Kontrolle
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Epidemiologie der Tuberkulose
• Deutschland: 1997 Inzidenz von 13,6 Neuerkrankungen / 100.000 Einwohner
• GUS: 1998 Inzidenz von 78 Neuerkrankungen / 100.000 Einwohner
• USA: strategischer Plan für die Eliminierung der Tbbis 2010 weniger als 1 Neuerkrankung / 100.000 EinwohnerInterimsziel: bis 2000 nur 3,5 Neuerkrankungen / 100.000
Einwohner
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Organmanifestationen der Tuberkulose
• Lunge 81,0 %
• Pleura 4,3 %
• Meningen 0,6 %
• Urogenitaltrakt 3,5 %
• Knochen / Gelenke 1,3 %
• extrathorakale Lymphknoten 6,9 %
• andere Organe 2,4 %
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Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland 1997
• Alter und Geschlechtunter 15 Jahren 4,0 %15 - 65 Jahre 68,2 %über 65 Jahre 26,4 %
• Herkunft und Aufenthaltsdauer der Tb-Patientenin Deutschland geboren 65,0 %außerhalb Deutschlands geboren 34,0 %fehlende Angaben 1,0 %
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Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland 1997
• Geburtsländer bei außerhalb Deutschlands GeborenenGUS und andere osteuropäische Staaten 7,7 %asiatische Länder (außer GUS) 6,9 %ehemaliges Jugoslawien 6,6 %Türkei 5,8 %Afrika 5,1 %übriges Europa 2,5 %USA 0,4 %
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Epidemiologie der Tuberkulose- Lebensunterhalt und Wohnsituation -
• in Deutschland geborene Tb-PatientenArbeitslosenunterstützung 8,0 %Sozialhilfe 7,4 %
• im Ausland geborene Tb-PatientenEinwanderer aus GUS-Staaten 34,7 %ehemaliges Jugoslawien 13,3 %
• WohnsituationAlten- und Pflegeheime (alle Patienten) 2,3 %Gemeinschaftsunterkünfte (Ausländer) 33,3 %
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Epidemiologie der Tuberkulose- Anlass der Diagnosestellung -
• Abklärung Tb-bedingterSymptome (passive Fallfindung) 63,1 %
• Untersuchung aus anderen med.Gründen 15,9 %
• aktive Fallfindung 17,9 %
• Obduktion 1,2 %
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Resistenz von Stämmen des MT-Komplexes (außer M. bovis) gegen wichtige Antituberkulotika
DZK-Studie zur Ermittlung der Tuberkulose 1997 (n = 2834)
Geburtsland/Region resistente Stämme insgesamt
alle Länder/Regionen 8,4 %
Deutschland 6,1 %
Westeuropa 10,3 %
ehemaliges Jugoslawien 5,2 %
GUS 28,8 %
sonst. Osteuropa 6,7 %
Türkei 13,1 %
Asien, Afrika, Amerika 13,8 %
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Risiko der nosokomialen Übertragung vonM. tuberculosis
• Assoziation mit engem Kontakt zu Patienten mit offener Lungen-Tb
• Durchführung bestimmter EingriffeBronchoskopieextratracheale Absaugung und IntubationAutopsieSputuminduktionAerosol-Behandlung
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Risiko der nosokomialen Übertragung vonM. tuberculosis
• unzureichende Lüftung in Isolierungräumen
• Fehler bei der Isolierpraxis
• unzureichende Vorsichtsmaßnahmen für Husten-induzierende Maßnahmen
• Fehlen geeigneter Atemschutzmaßnahmen
• unzureichende Koordination mit den Gesundheitsämtern
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Praxis der Tuberkulose-Isolierung
• Schulung der isolierten Patienten bezüglich Übertragung von M. tuberculosis und Gründen für Isolierung
• Schulung der Patienten, bei Husten oder Niesen Mund und Nase mit Tüchern abzudecken
• Erleichterung der Kooperation der Patienten bei Isolierung (TV, Telefon)
• Türen des Isolierungsraumes geschlossen halten
• diagnostische und therapeutische Maßnahmen, sofern möglich, im Isolierungsraum durchführen
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Praxis der Tuberkulose-Isolierung
• mindestens chirurgische Maske für Patient bei Transport außerhalb des Isolierungsraumes
• Begrenzung der Personenzahl, die Isolierungsraum betreten dürfen
• Atemschutz bei Betreten des Isolierungsraumes
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Ursachen für die Zunahme der Tuberkulose in den USA zwischen 1989 und 1992
• HIV-Epidemie (erhöhtes Risiko einer aktiven Tb bei Peronen mit latenter Tb-Infektion)
• Immigration aus Tb-endemischen Ländern
• Tb-Übertragung in Sammeleinrichtungen (Kliniken, JVA)
• Abbau der Infrastruktur für Tb-Dienste
• Zunahme der Resistenz gegen Tuberkulotika
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Ursachen für den deutlichen Rückgang der Tuberkulose-Inzidenz in den USA
• Verbesserung der Tb-Surveillance
• Verbesserung der Laborkapazitäten zur Identifizierung von Mykobakterien-Spezies
• rasche Resistenz-Testung von Tuberkulotika
• Ausdehnung der Anwendung der direkt beobachteten Therapie
• Ausweitung der Untersuchungen von engen Kontakten der Tb-Patienten
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Grundregeln der Verhütung und Kontrolle von Tuberkulose
• Differentialdiagnostik
• bei klinischem Verdacht einer offenen Lungen-tuberkulose Isolierung des Patienten bis zum mikrobiologischen Ausschluß bzw.
• Fortsetzung der Isolierung bei bestätigter Tuberkulose
• tuberkulostatische Therapie
• Einhaltung der hygienischen Grundregeln
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Übertragung• Mycobacterium tuberculosis wird praktisch nur von Mensch zu Mensch
übertragen
• höchstes Infektionsrisiko durch unbehandelte Personen mit offener Tb im Respirationstrakt
• Vehikel der Erreger sind kleinste, rasch eintrocknende Tröpfchen - je geringer der Durchmesser, umso infektiöser (1 - 5 m3)
• Tröpfchenkerne können länger als 30 min in unbewegter Luft schweben
• ein Hustenstoß bzw. 5-minütiges Sprechen kann ca. 3000, Niesen weit mehr infektiöse Tröpfchenkerne freisetzen
• sedimentierte, in eingetrocknetes eiweißhaltiges Substrat einge-schlossene Erreger für Wochen bis Monate infektiös
• Desinfektionsmitteltoleranz im Vergleich zu anderen vegetativen Bakterien deutlich höher
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Stationärer Bereich• Isolierung
• bei offener Lungentuberkulose Isolierung in Einzelzimmern für die Dauer der Infektiosität grundsätzlich erforderlich
• in seltenen Fällen Kohortenisolierung
• bei urogenitaler und intestinaler Tuberkulose bzw. bei fistelnden Tuberkuloseformen kann Isolierung erforderlich sein
• Aufklärung des Patienten über Gründe und Maßnahmen zur Erhöhung der Compliance
• bei zwingender Notwendigkeit des Verlassens der Isolierungseinheit Tragen einer Tb-Schutzmaske
• diagnostische und therapeutische Maßnahmen, wenn möglich, im Isolierraum durchführen
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Stationärer Bereich
• Transport in andere Klinikbereiche nur bei strenger Indikation
• Information der Zieleinrichtung vor Transport
• Durchführung der diagnostischen bzw. therapeutischen Eingriffe möglichst am Ende des Untersuchungstages
• bei Aerosol-erzeugenden Eingriffen (Bronchoskopie, Sputum-indikation) muß Personal in jedem Fall Tb-Schutzmaske tragen mit anschließender Entsorgung und Händedesinfektion
• Anzahl der Personen im Isolierraum so gering wie möglich
• aller Personen, die den Isolierraum betreten, müssen eine Tb-Schutzmaske tragen
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Risikobereiche für eine Infektionsgefährdung durch Tb in Gesundheitseinrichtungen
hohes Risiko mittleres Risiko geringes Risiko
• bronchoskop. Diagnostik • chirurg. u. med. Notfallstation • übrige Fachgebiete• Eingriffe an Atemwegen (z. B. In- • med. Poliklinik tubation, endotrach. Absaugen) • HNO-Klinik und -Praxis• Pulmonologie • zahnärztl. Poliklinik u. Praxis• Atemphysiotherapie • Allgemeinpraxis• Infektionsstation • Mikrobiologie• Eingriffsräume (bei pulmonalen • Pathologie Erkrankungen) • Rechtsmedizin• Lungenheilklinik • öffentl. Gesundheitsdienst• niedergel. Pneumologen• mikrobiol. Laboratorium• (insb. Tb-Diagnostik)
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Räumlich-funktionelle Anforderungen an Isolierzimmer für Tuberkulosepatienten
• bei raumlufttechnischer Behandlung Unterdruck gegenüber anderen Räumen der Station
• bei Räumen mit Vorraum mit Schleusenfunktion RLT-Anlage ggf. entbehrlich, Unterdruck in Sanitärzellen des Patienten-zimmers
• Schleusentür zum Korridor und Schleusentür zum Patienten-zimmer dürfen nicht gleichzeitig offen stehen
• beim Lüften sind Schleusentüren geschlossen zu halten
• Einsatz von UV in Bettenzimmern und Arbeitsräumen ist hinsichtlich Effektivität nicht bewiesen
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Mund-Nasen-Schutz
• empfohlen wird eine partikelfiltrierende Halbmaske(EN 149 für Schutzstufe FFP 2 S)
• s. Kennzeichnung mit Herstelleridentifikation und CE-Kennzeichen
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Schutzkittel
• bei Kontakt zu Patienten mit offener Lungentuberkulose
• bei möglichem Kontakt zu Erreger-haltigem Material oder kontaminierten Objekten
• Schutzkittel in Schleuse anlegen und nach Verlassen der Isoliereinheit dort wieder ablegen
• Erneuerung täglich und/oder nach Kontamination mit Erreger-haltigem Material
• Schutzkittel für Patienten mit offener Lungentuberkulose bei Verlassen der Isoliereinheit innerhalb des Kranken-hauses empfehlenswert
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Handschuhe und Überschuhe
• Einmalhandschuhe bei möglichem Kontakt mit Erreger-haltigem Material oder kontaminierten Objekten
• Anlegen der Handschuhe in der Schleuse oder in der Isoliereinheit / Entsorgung in der Isoliereinheit
• nach Verlassen der Isoliereinheit hygienische Hände-desinfektion in der Schleuse
• Desinfektion angelegter Handschuhe z. B. bei Patienten-wechsel ohne Handschuhwechsel ist nicht zulässig
• Wechsel der Schuhe nicht erforderlich
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Entsorgung
• Erreger-haltiges Material und Abfälle, die mit Erreger-haltigem Material kontaminiert sein könnten, sind als Abfall der Gruppe C zu entsorgen, z. B.benutzte TaschentücherMaterial, das vom Patienten direkt angehustet werden kann
• Faeces und Urin können ohne weitere Aufbereitung der Kanalisation zugeführt werden
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Desinfektionsmaßnahmen und Verfahren
• für die routinemäßige Desinfektion RKI-gelistete bzw. -zertifizierte Präparate in DGHM-Konzentration-/Zeit-Relation
• für die Schlußdesinfektion Präparate aus der RKI-Liste
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Flächendesinfektion
• tägliche Desinfektion patientennaher Flächen als Scheuer-Wischdesinfektion
• Sprühdesinfektion nur für solche Flächen, die für eine Scheuer-Wischdesinfektion nicht erreichbar sind
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Schlußdesinfektion
• Nach Entlassung bzw. Verlegung eines PatientenScheuer-WischdesinfektionRaumbegasung durch Verdampfen oder Vernebeln von
Formaldehyd kann auf besondere Situation einer mutmaßlich massiven Erregerfreisetzung beschränkt werden; dient in erster Linie dem Schutz des Reinigungs-personals, das bei der Schlußdesinfektion eine Tb-Schutzmaske tragen sollte
bei anderen Erscheinungsformen der Tb mit Freisetzung infektiöser Sekrete oder Exkrete Scheuer-Wischdesinfektion (RKI-Liste)
Matratzen, Kissen, Decken (RKI-Liste)
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Instrumentendesinfektion
• grundsätzlich thermische oder chemothermische maschinelle Reinigungs-Desinfektions-Verfahren zu bevorzugen
• bei zentraler Desinfektion Transport in geschlossenen Behältnissen
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Geschirr
• Einweggeschirr nicht erforderlich, wenn sichere Aufbereitung gewährleistet
• Aufbereitung in stationseigener Spülmaschine mit mindestens 75°C/10 min-Programm
Wäsche
• gleiche Behandlung wie Wäsche von Infektionsstation (Doppelsack, Kennzeichnung "infektiös")
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Entwicklung neuer Tuberkulose-Impfstoffe
• durch erfolgreiches Klonen des gesamten Genoms von M. tuberculosis
• in den nächsten Jahren werden verschiedene Impfstoffe zur Testung anstehen
• sichere und effektive Tb-Vakzine können entwickelt werden
• Zeitraum für die Entwicklung eines Tb-Impfstoffes 20 Jahre und ca. 800 Mio. $