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12. Keramik
12.1 Herstellungsverfahren
12.2 Keramische Werkstoffe und ihre Einsatzmöglichkeiten
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• Das Herstellen von Keramik gehört zu den ältesten Techniken der Menschheit und
war vor 15.000 Jahren der erste synthetisch hergestellte Werkstoff
• Das Grundschema des Herstellungsprozesses von keramischen Erzeugnissen hat
sich in den vergangenen Jahrtausenden kaum etwas verändert. Ein pulverförmiger
Grundstoff wird unter Zugabe von Wasser in eine Form gebracht und dann bei einer
Temperatur i. allg. oberhalb von 900°C (je nach Aus gangsstoff) gebrannt
• Keramische Bauelemente bieten viele Vorteile:
o gutes elektrisches Isoliervermögen
o hohe mechanische Festigkeit und Verschleißfestigkeit
o Hochtemperaturbeständigkeit
o Temperaturwechselbeständigkeit
o Klima- und Alterungsbeständigkeit
o Chemikalienbeständigkeit
o Lebensmittelneutralität
Anwendungsbereiche der Keramik
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• Die Eigenschaften eines keramischen Bauteils werden durch die Auswahl des
Rohstoffes, die Aufbereitung und das anschließende Herstellungsverfahren beein-
flusst
• Korngröße des Pulvers, Bauteilgeometrien und Sintertemperatur sind Faktoren, die
sich auf die spätere Struktur und Qualität des Mikrogefüges auswirken
Natürliche und synthetische Pulver
Formen
Masseaufbereitung
Sintern
Endbearbeiten
Brandvorbereitung
Endprüfung
Mahlen, Mischen, Filtrieren, Granulieren, Sprühtrocknen
Schlickergießen, Spritzgießen, Trocken- / Nasspressen, Extrudieren, Isostatisches Pressen,…
Trocken, Entbindern, Verglühen, Glasieren
Reaktionssintern in verschiedenen Gasatmosphären, Heiß- / Heißisostatisches Pressen
Schneiden, Bohren, Schleifen, Läppen, Honen, Polieren,…
Prüfung des Fertigprodukts
Pulver
Masse
Grünling
Rohteil
Fertigteil
Herstellungsrouten für Keramikbauteile
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• Das einfachste Verfahren zur Herstellung von Prototypen
• Komplizierte Geometrien wie auch Vollkörper und dünne Wände mit nicht zu hohen
Toleranzanforderungen können hierdurch leicht verwirklicht werden
• Eine stabile Suspension, der so genannte Schlicker, wird in eine poröse saugfähige
Gipsform gegossen und anschließend getrocknet
Schlicker-Druckgussanlage
Beispiel: Schlicker-Druckguss
Bilder: SAMA, NMB
Horizontalwerkzeug
Gussform
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Prozessschritte Druckschlickerguss
�
�
�
�
�
� Form
� Schließeinheit
� Rahmen
� Schlickerzulauf
� Steuerung
Der Gießzyklus:Schließen der Form(Hydraulik, Kniehebel)
Befüllen der Form mit Schlicker(Pumpe)
Aufbau des Schlickerdrucks(hydraulisch) Entwässerung
Scherbenbildung
Abbau des Schlickerdrucks
Öffnen des Werkzeugs
Entformen durch Druckluft
Entnahme des Grünlings
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Giessform und gebranntes Endprodukt [Porzellan, ca. 200 x 300 x 60 mm]
REM-Aufnahme Formwerkstoff
DuschtasseKühlkörper
Beispiele zu Werkzeugen und Bauteilen für den Schlicker-Druckguss
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• Formgebungsverfahren dienen dem Zweck, die losen Pulver oder den Schlicker in
die gewünschte Form zu bringen.
• Die keramischen Formgebungsverfahren lassen sich in folgende Gruppen einteilen:
o Pressen (0 - 15% Feuchte)
o Plastische Formgebung (15 - 25% Feuchte)
o Gießen (> 25% Feuchte)
• Beim isostatischen Pressen wird gleichmäßig von allen Seiten hoher Druck auf das
Bauteil ausgeübt und führt zur Herstellung von gleichmäßig verdichteten Grünkörpern
• Das Vorverdichtungsverfahren Trockenpressen wird zur Herstellung von maßgenau-
en Formkörpern eingesetzt
• Beim Foliengießen läuft der Schlicker aus einem Vorratsbehälter auf ein angetriebe-
nes Endlosstahlband. Der Spalt kann auf die gewünschte Dicke eingestellt werden
• Ähnlich dem Strangpressen wird beim Extrudieren die homogenisierte Masse durch
eine Matrize gepresst. Es entsteht ein Endlosstrang
weitere Formgebungsverfahren
TrockenpressenIsostatisches Pressen
Foliengießen Extrudieren
Quelle: Brevier TECHNISCHE KERAMIK
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• Sintern ist ein urformendes Fertigungsverfahren für Formteile. Der Sintervorgang von
Keramiken läuft in mehreren Schritten ab, die wichtig für eine homogene Kristallstruk-
tur und somit für die Qualität des Bauteils sind:
o Trocknen
� Während des Trocknens kommt es zu einem Volumenverlust, der so
genannten Trockenschwindung
o Ausbrennen
� Während des Ausbrennens sollen möglichst alle Hilfsstoffe den
Grünling verlassen
o Brennen
� Das Brennen ist der Produktionsschritt, bei dem aus den losen
Teilchen des Grünlings der eigentliche keramische Werkstoff entsteht
Sintern
ca. 1900°Cgesintertes Siliciumcarbid
ca. 2300-2500 °Crekristallisiertes Siliciumcarbid
ca. 1600-1800 °CAluminiumoxidca. 1250-1350 °CCordierit
ca.1300 °CSteatitca.1300 °CQuarzporzellanca.1250 °CTonerdeporzellan
SintertemperaturKeramik
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• Durch das Brennen findet eine Verfestigung und Verdichtung der Bauteile statt, die
sich durch eine Abnahme der Porosität äußert
• Die dabei auftretende Volumenabnahme nennt man Brennschwindung
• Wie beim Trocknen benötigt das Brennen definierte Zeiten und eine entsprechende
Atmosphäre. Bei Nicht-Einhaltung der Vorgaben können innere Spannungen,
Fehlstellen im Werkstück und damit unzureichende Eigenschaften entstehen
Kornwachstum während des Sinterprozesses
Quelle: Brevier TECHNISCHE KERAMIK
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• Neben der Korngröße und der Pulvermischung hat auch die Sintertemperatur und die
Sinterdauer entscheidenden Einfluss auf die Gefügeausbildung und somit auf die
mechanischen Eigenschaften
• Bemerkung: Anorthit ist ein seltenes Mineralgestein
Gefüge von Al 2O3
Einfluss der Sintertemperatur Einfluss der Sinterdauer
Das Gefüge mit 0,05% Anorthite bei 1500°C 12h getempert im Anschluss bei (a)1520°C, (b)1560°C, (c)1580°C, (d)1600°C 12h getempert.
(a) (b)
(c) (d)
Das Gefüge mit 0,15% Anorthite bei 1620°C getempert für (a)5 min, (b)10 min, (c)20 min, (d)1 h, (e)6 h, (f)12 h.
(a) (b)
(c) (d)
(e) (f)
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Thermisches Spritzen (Anwendungsbeispiel)
Stromisolierung von Wälzlagern
Bilder: Sulzer Metco, FAG
Versiegelung(Wachs, Kunststoff)
Grundwerkstoff
Al2O3/TiO2-Schicht ~ 500 µm
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12. Keramik
12.1 Herstellungsverfahren
12.2 Keramische Werkstoffe und ihre Einsatzmöglichkeiten
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• Technische Keramik ist ein Sammelbegriff für alle keramischen Werkstoffe und
Produkte, die in der Technik Anwendung finden. Sie sind in der Regel anorganisch
und nichtmetallisch
• Der Bereich der technischen Keramik teilt sich in drei Werkstoffgruppen:
1. Silikatkeramik
2. Oxidkeramik
3. Nichtoxidkeramik
� carbidische Nichtoxidkeramik
� nitridische Nichtoxidkeramik
Technische Keramik Beispiele
Silikatkeramik
Porzellane Magnesiumsilikate (Steatit, Mg(Si4O10)(OH)2)
Magnesiumaluminiumsilikate (Cordierit)Mullit
Oxidkeramik
Aluminiumoxid (Al2O3)Zirkoniumoxid (ZrO2)Titanoxid (TiO2)Siliziumoxid (SiO2)
carbidische NichtoxidkeramikSiliziumcarbid (SiC)Borcarbid (B4C)
nitridische NichtoxidkeramikSiliziumnitrid (Si3N4)Aluminiumnitrid (AlN)
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• Gezeigt sind die Elementarzellen von drei der technisch wichtigsten Keramiken:
o Im Gittermodell von Al2O3 bilden die Sauerstoffionen eine hexagonal dichte
Packung, in deren Oktaederlücken zu 2/3 Metallionen (Al3+) eingebettet sind.
Die wichtigsten Strukturen von Aluminiumoxid sind das rhombische α-Al2O3
(Korund) und das kubische γ-Al2O3.
o In der geordneten kristallinen Struktur von SiO2 ist jedes Si-Atom tetraedrisch
von vier Sauerstoffatomen umgeben; diese bilden wiederum jeweils das
Kettenglied zum nächsten Si-Atom. Die Si-O-Bindungen haben einen großen
kovalenten Anteil, was die Ursache für die hohe Härte von Quarz ist.
o Im Aufbau und den Eigenschaften ist SiC ähnlich wie Diamant, da sich Silizi-
um und Kohlenstoff in derselben Hauptgruppe und benachbarten Perioden
des Periodensystems befinden und der Atomdurchmesser von Silizium nur
geringfügig größer ist. Jedes Silizium-Atom ist durch Atombindungen mit vier
Kohlenstoffatomen verknüpft und umgekehrt.
Gitterstruktur
Elementarzelle des α-Al2O3
: O: Al : Si : OElementarzelle des SiO2
Diamantgitter (SiC hat eine ähnliche Gitterstruktur wie Diamant, 4. Hauptgruppe)
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Werkstoffkennwerte verschiedener Werkstoffe
WerkstoffDichteg/cm3
BiegefestigkeitMPa
ZugfestigkeitMPa
E-ModulN/mm2
HärteHV
Warmfeste Stähle
7,8 500 – 1000 210 < 900
Gusseisen 7,3 300 – 600 150 – 400 70 – 130 150 – 250
Aluminium-legierung
2,8 150 – 300 350 73 30 – 140
Glas 2,2 - 2,570 70 - 100 2,5 200 – 800
SiliziumcarbidSiC
1,9 - 3,1 300 – 600 - 150 - 450 1400 - 2900
SiliziumnitridSi3N4
3 – 3,3 300 - 700 - 250 - 330 400 - 1800
AluminiumoxidAl2O3
3,2 - 3,7 200 – 300 - 200 - 380 1700 - 2300
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• Die Belastungsvorrichtung besteht aus zwei parallel angeordneten Auflagestäben für
Prüfkörper
• Zwei Belastungsstäbe, deren Mittelachsenabstand die Hälfte der Stützweite beträgt,
sind symmetrisch auf ± 0,2 mm genau zwischen den Auflagestäben angebracht
• Die Last wird rechtwinklig auf den Probekörper übertragen. Die beiden Belastungs-
stäbe müssen um ihre Längsachse frei und zudem unabhängig voneinander um eine
Achse parallel zur Längsachse der Probekörper rotieren können. Auf diese Weise
kann eine optimale Ausrichtung der Belastungs- und Auflagestäbe erreicht werden.
• Scheinbare Maße/ Scheinbare Biegefestigkeit:
o Die Breite und die Dicke des Probekörpers müssen an drei Orten zwischen
den Belastungslagern, sowie an jedem Ende der Probe bei Umgebungstem-
peratur gemessen werden
• Effektivmaße/ Effektive Biegefestigkeit:
o Für die Effektivmaße wird ein Korrekturfaktor für oxidationshemmende
Schutzschichten auf dem Probekörper einberechnet.
4-Punkt-Biegeversuch
Berechnung der Biegefestigkeit:
3Fm(L-Li)
2behe2σf,m,e =
3Fm(L-Li)
2baha2σf,m,a =
σf,m,a scheinbare Biegefestigkeit (MPa)σf,m,e effektive Biegefestigkeit (MPa) Fm Höchstbiegekraft (N) L Auflagerabstand (mm) Li Abstand der Belastungslager (mm) ba mittl. scheinbare Probekörperbreite (mm) be mittl. effektive Probekörperbreite (mm) ha mittl. scheinbare Probekörperdicke (mm) he mittl. effektive Probekörperdicke (mm)
[14.6]
[14.5]
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Beispiele für die technische Anwendung keramischer Werkstoffe in der Automobilindustrie
Piezokeramik in Einspritzdüsen und Silikatkeramik in Zündkerzen
Keramik als Träger der katalytischen Schicht in Abgaskataly-satoren
Zirkoniumoxid in der Lambdasonde
Bremsscheiben aus Kohlefaserverstärktem Siliciumcarbid
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• Die heute wichtigsten piezoelektrischen keramischen Werkstoffe basieren auf dem
oxidischen Mischkristallsystem Bleizirkonat und Bleititanat, das als Bleizirkonattitanat
(PZT) bezeichnet wird
• Die spezifischen Eigenschaften dieser Keramiken wie die hohe Dielektrizitätszahl
hängen vom molaren Verhältnis von Bleizirkonat zu Bleititanat sowie von der Substi-
tution und Dotierung mit zusätzlichen Elementen ab.
• Der piezoelektrische Effekt verknüpft elektrische und mechanische Größen miteinan-
der. Unter Piezoelektrizität versteht man eine lineare elektromechanische Wechsel-
wirkung zwischen den mechanischen und den elektrischen Zuständen eines Kristalls
Bleizirkonattitanat (Piezokeramik)
Piezoelektrischer Effekt/Einfluss äußerer Kräfte. Je nach Kraftrichtung werden elektrische
Ladungen entsprechenden Vorzeichens erzeugt.
Inverser piezoelektrischer Effekt/Einfluss elektrischer Felder. Der Körper ändert seine Abmessungen mit der Spannungsänderung.
Darstellung der Domänen von Bleizirkonattitanat vor, während und nach der Polung ∆S = Längenänderung während der Polung
∆Sr = remanente Längenänderung nach dem Polungsvorgang
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Yttrium stabilisiertes Zirkoniumoxid (YSZ) in einer Solid-Oxide-Fuel-Cell (SOFC)
Hochtemperaturbrennstoffzellen arbeiten erst bei Temperaturen zwischen 800 – 1000°C da der keramische Elektrolyt erst dann Sauerstoffionendurchlässig wird