Kartierung von Brutvögeln und Amphibien in Obernkirchen im Bereich des B-Planes O39 und
auf angrenzende Flächen
Sumpfrohrsänger
Auftraggeber : Stadt Obernkirchen Fachbereich I Marktplatz 9 31683 Obernkirchen
Auftragnehmer : Dipl.-Biol., Dipl.- Ing. Thomas Brandt Im Ellernbusch 16 31718 Pollhagen E-Mail: [email protected]
Brandt, T. (2016): Brutvogel- und Amphibienkartierung Nottstraße/Obernkirchen
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Einleitung
Auf dem vom Auftraggeber überplanten Grundstück in der Nottstraße in Obernkir-
chen/Röhrkasten wurden Brutvögel und Amphibien erfasst. Die Notwendigkeit ergibt sich u.
a. aus den Vorgaben des § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). Gemäß dieser
Vorgabe gilt für besonders geschützte Tierarten sowohl ein Tötungsverbot als auch ein Ver-
bot der Vernichtung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten. Streng geschützte Arten dürfen
darüber hinaus nicht gestört werden, wenn eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes
der betreffenden Population anzunehmen ist (Auszug aus dem BNatSchG s. Anhang II).
Untersuchungsgebiet
Das Untersuchungsgebiet umfasst die gesamte Fläche zwischen der Nottstraße und der
Nottbeeke in Obernkirchen sowie die direkt angrenzenden Grundstücke soweit sie einsehbar
waren. Entlang der Nottstraße wächst auf der gesamten Länge des überplanten Gebietes
eine Hecke aus heimischen Gehölzen wie Schlehe Prunus spinosa, Feldahorn Acer cam-
pestre, Eberesche Sorbus aucuparia oder Gemeinen Schneeball Viburnum opulus sowie aus
Ziergehölzen.
Zum Zeitpunkt der ersten Begehung stellte sich das überplante Grundstück weitgehend als
Grünlandbrache bzw. ungemähte Wiese mit einem sehr hohen Gräseranteil dar. Im südli-
chen Teil des Untersuchungsgebietes liegt ein Geschützter Biotop (Sumpf) mit Dominanzen
aus Mädesüß (Filipendula ulmaria). Um das geschützte Biotop wachsen vereinzelt Gehölze
(Walnuss Juglans regia, Weiden Salix spp., Gemeiner Schneeball Viburnum opulus) und
Stauden auf (z. B. Goldrute Solidago canadensis). Der Biotop wird in den Nottbach entwäs-
sert (s.u.).
Der begradigte Nottbach fließt durch ein bis zu 1,5 m tief eingeschnittenes Bachbett mit sub-
strathaltiger Bachsohle und einem teilweise naturnahen Bewuchs.
Methode
Brutvögel
Die überplante Fläche wurde im Juni und Juli 2016 insgesamt drei Mal zur Erfassung der
Brutvögel und zwei Mal zur Erfassung der Amphibienfauna begangen. Es wurden alle Vögel
kartiert, die auf der überplanten Fläche bzw. in 30 m (Bebauung) bzw. 100 m Entfernung
(Offenland) anwesend waren.
Die Kartierung der Brutvögel erfolgte in Anlehnung an SÜDBECK et al. 2005. Es wird darauf
hingewiesen, dass aufgrund der späten Auftragsvergabe (21. Juni 2016) eine Kartierung von
Brutvögeln erschwert war. Vögel, die ihre Bruten mittlerweile abgebrochen haben, können oft
nicht mehr festgestellt werden. Da die überplante Fläche bis zum Kartierungsbeginn nicht
genutzt wurde, ist davon auszugehen, dass zumindest ein Großteil der Brutvögel erfasst
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werden konnte. Alle festgestellten Arten wurden aufgrund der geringen Kartierungsdichte
und aufgrund des späten Kartierungsbeginns dem Status Brutverdacht zugeordnet. Die ein-
zige Ausnahme ist der Rotmilan, dessen Brüten auf der untersuchten Fläche aufgrund feh-
lender geeigneter Nestbäume nicht möglich ist. Die Art wird somit als Nahrungsgast einge-
stuft.
Die Gefährdungseinstufung erfolgt anhand der aktuellen Roten Liste der gefährdeten Brut-
vögel Niedersachsens (KRÜGER & NIPKOW 2015) für die Region Bergland/Börden, der Bun-
desrepublik Deutschland (GRÜNEBERG et al. 2015), der jeweilige Schutzstatus ist THEUNERT
(2008) entnommen.
Amphibien
Die Kartierung der Amphibien erfolgte bei mäßig warmer Witterung am 26. Juni und am 30.
Juni. Zum Zeitpunkt der Kartierungen war die Laichperiode saisonal bedingt bei den meisten
häufigen Arten bereits abgeschlossen. Das Gewässer im Geschützen Biotop hielt nur wenig
Wasser, so dass ein Abkäschern nicht möglich war. Anhand der noch erkennbaren Boden-
risse war zu vermuten, dass das Gewässer - forciert durch eine relativ frische und vermutlich
illegale Anlage eines Entwässerungsgrabens - bereits zuvor ausgetrocknet war und ggf. dar-
in lebende Larven vor der Kartierung umgekommen sind (s.u.).
Die Nottbeeke wurde auf der gesamten Länge des angrenzenden Grünlandes begangen und
begutachtet. Das Grünland wurde abgelaufen, um an Land lebende Amphibienarten feststel-
len zu können.
Der Gefährdungsstatus und der Schutzstatus wurden PODLOUCKY & FISCHER (2013) ent-
nommen.
Ergebnisse
Brutvögel
Bei den Kartierungen wurden auf der überplanten Fläche und angrenzend 17 Vogelarten
nachgewiesen. Von diesen sind zwei Arten (Rotmilan, Grünspecht) streng geschützt, alle
Arten sind besonders geschützt. Vier der Arten sind in der aktuellen Roten Liste der Vögel
Niedersachsens (KRÜGER & NIPKOW 2015) gelistet, der Rotmilan und Rebhuhn in Kategorie 2
(stark gefährdet), Feldlerche und Bluthänfling in Kategorie 3 (gefährdet). Die Einstufungen
für die Region Bergland/Börden entsprechen jeweils der landesweiten Einstufung. Bis auf
den Rotmilan entspricht die Einstufung auch der aktuellen Roten Liste der Vögel Deutsch-
lands (GRÜNEBERG et al. 2015), der Rotmilan wird hier allerdings in der Vorwarnliste (V) ge-
führt.
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Tab. 1: Im Untersuchungsgebiet nachgewiesene Brutvogelarten und Nahrungsgäste sowie deren Status in den Roten Listen der Vögel Niedersachsens und Deutschlands (Quellen s. Text) und Schutzstatus (nach THEUNERT 2008); mit BV=“Brutverdacht“, NG= „Nahrungs-gast“
Brutvögel BV NG Rote Liste Nds.-B/B
Rote-Liste BRD
Schutzstatus
n n Kategorie Kategorie Rebhuhn Perdix perdix
1 2 2 besonders geschützt
Rotmilan Milvus milvus
- 1 2 V streng geschützt
Grünspecht Picus viridis
1 streng geschützt
Elster Pica pica
1 besonders geschützt
Feldlerche Alauda arvensis
1 3 3 besonders geschützt
Sumpfrohrsänger Acrocephalus palustris
3 besonders geschützt
Klappergrasmücke Sylvia curruca
1 besonders geschützt
Dorngrasmücke Sylvia communis
2 besonders geschützt
Mönchsgrasmücke Sylvia atricapilla
1 besonders geschützt
Amsel Turdus merula
1 besonders geschützt
Wacholderdrossel Turdus pilaris
2 besonders geschützt
Wiesenschafstelze Motacilla flava
1 - besonders geschützt
Zilpzalp Phylloscopus collybita
1 besonders geschützt
Heckenbraunelle Prunella modularis
1 besonders geschützt
Buchfink Fringilla coelebs
1 besonders geschützt
Grünfink Carduelis chloris
1 besonders geschützt
Bluthänfling Carduelis cannabina
1 3 3 besonders geschützt
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Amphibien
Während der Kartierungen konnten insgesamt sieben Grasfrösche Rana temporaria nach-
gewiesen werden. Vier Individuen darunter waren vorjährige Tiere, drei waren ausgewach-
sen. Alle sieben Individuen befanden sich an Land auf der Grünlandfläche. Andere Arten
konnten nicht gefunden werden, allerdings war der Nachweis aufgrund der Entwässerungs-
maßnahmen im Gewässer auch nicht möglich. Die Kontrollen des Nottbaches ergaben keine
Hinweise auf ein Vorkommen des Feuersalamanders (Salamandra salamandra). Ein Vor-
kommen ist aufgrund der geringen Untersuchungsintensität jedoch nicht komplett auszu-
schließen.
Die Kontrolle des nur wenig Wasser führenden Geschützten Biotopes ergab keinen Larven-
fund. Dies war nicht überraschend, da das Gewässer zuvor ausgetrocknete, was wiederum
auf eine künstlich angelegte Entwässerung zurückzuführen war. Grundsätzlich ist das Ge-
wässer für die Reproduktion von Grasfröschen und darüber hinaus auch weiteren Amphi-
bienarten geeignet, z. B. für Berg- und Teichmolch (Ichthyosaura alpestris, Lissotriton vulga-
ris) und - bedingt - Erdkröte Bufo bufo (siehe auch BUSCHMANN et al. 2006 zu den Vorkom-
men in Obernkirchen und Umgebung).
Der Grasfrosch ist bundesweit besonders geschützt und, trotz des negativen langfristigen
Bestandstrends, in Niedersachsen derzeit noch ungefährdet, bundesweit wird er jedoch be-
reits in der Vorwarnliste aufgeführt (THEUNERT 2008, PODLOUCKY & FISCHER 2013)
Schädigung des Geschützen Biotopes
Südlich angrenzend an die Grünlandfläche liegt an der Nottbeeke ein geschützter Biotop des
Typs NSS- „Hochstaudensumpf nährstoffreicher Standorte“ mit Teilen, die dem ebenfalls
geschützten Biotoptyp SE- „Naturnahes, nährstoffreiches Stillgewässer“ zuzuordnen sind. Da
dessen festgestellte Schädigung Einfluss auf die hier dargestellten Ergebnisse hat, wird nä-
her auf den Biotop eingegangen. Dieses wurde künstlich entwässert und somit als Hoch-
staudensumpf und in seiner Eigenschaft als Reproduktionsgewässer für Amphibien im er-
heblichen Maße geschädigt. Der Erdaushub war zum Zeitpunkt der Kartierungen stellenwei-
se erst lückig bewachsen, so dass man davon ausgehen kann, dass die Entwässerung noch
nicht lange zurück lag und ggf. erst im Frühling 2016 erfolgte. Dadurch wurden die Entwick-
lungsmöglichkeiten von Amphibienbeständen im Biotop und auf angrenzenden Flächen er-
heblich beeinträchtigt. Ein fehlender Reproduktionsnachweis von Amphibien während der
diesjährigen Kartierungen ist somit auf die Schädigung des Geschützten Biotopes zurückzu-
führen.
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Eingriffsfolgen für die kartierten Arten und Kompen sationsvorschläge
Durch die geplante Bebauung werden etwa 40% der extensiv genutzten und der ungenutz-
ten Fläche beansprucht. Erwartungsgemäß werden dadurch die Offenlandarten (Rotmilan,
Rebhuhn, Feldlerche, Sumpfrohrsänger) im besonderen Maße beeinträchtigt, während die
Siedlungsarten (Amsel, Grünfink) durchaus profitieren können. Die Entwicklung bei den Ge-
büsch brütenden Arten ist in erheblichem Maße abhängig von der Ausgestaltung der
Grundstücke und dem Verbleib der Hecke am Straßenrand der Nottstraße. Auf die Amphi-
bienfauna wird sich die Bebauung negativ auswirken, weil geeigneter Sommerlebensraum,
vielleicht auch Winterquartiere, überbaut werden.
Der Erhaltungszustand der lokalen Populationen der beiden streng geschützten Arten Rotmi-
lan und Grünspecht wird nicht erheblich beeinträchtigt., dazu ist der Eingriff flächenmäßig zu
gering. In Kombination mit anderen, ähnlichen Eingriffen kann es aber dazu kommen. Sicher
aber werden Fortpflanzungs- und Ruhestätten von mehreren der besonders geschützten
Arten zerstört. Der Eingriff ist für die betroffenen Arten durch geeignete Ersatzmaßnahmen
auf angrenzenden Flächen kompensierbar.
Für die Gebüsch bewohnenden Arten wäre die Anlage einer dreireihigen Hecke mit heimi-
schen und standortgerechten Gehölzen entlang der Südseite der überplanten Fläche wirk-
sam.
Für die Offenlandarten (s.o.) ist die überbaute Fläche in Form eines gleichwertigen Grünlan-
des oder einer (Grünland- oder Ackerbrache) anzulegen, um den Verlust an Nistmöglichkei-
ten und Nahrungsflächen zu kompensieren.
Davon ausgehend, dass der Geschützte Biotop durch Herstellung des Wasserhaushaltes
(Schließung des Entwässerungsgrabens) wieder in seinen ursprünglichen Zustand herge-
stellt wird, kann eine Aufwertung für Sumpfrohrsänger und Amphibien dadurch erfolgen,
dass trockene Bereiche leicht um etwa 20-30 cm vertieft und verdichtet werden. Eine ökolo-
gische Baubegleitung wäre hier sinnvoller Weise einzusetzen.
Literatur:
BUSCHMANN, H., B. SCHEEL & T. BRANDT (2006): Amphibien und Reptilien im Schaumburger Land und am Steinhuder Meer. Natur & Text, Rangsdorf
GRÜNEBERG, C., H.-G. BAUER, H. HAUPT, O. HÜPPOP, T. RYSLAVY & P. SÜDBECK (2015): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 5. Fassung, 30. November 2015. Berichte zum Vo-gelschutz 52: 19-67.
KRÜGER, T. & B. NIPKOW (2015): Rote Liste der in Niedersachsen und Bremen gefährdeten Brutvögel; 8. Fassung, Stand 2015. Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen.
PODLOUCKY, R. & C. FISCHER (2013): Rote Listen und Gesamtartenlisten der Amphibien und Reptilien in Niedersachsen und Bremen. Informatiosdienst Naturschutz Niedersach-sen 33 (4): 121-168.
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SÜDBECK, P., H. ANDRETZKE, S. FISCHER, K. GEDEON, T. SCHIKORE, K. SCHRÖDER & C. SUDFELDT, Hrsg. (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutsch-lands. Radolfzell.
THEUNERT, R. (2008): Verzeichnis der in Niedersachsen besonders oder streng geschützten Arten – Schutz, Gefährdung, Lebensräume, Bestand, Verbreitung, (Stand 1. Novem-ber 2008). Teil A: Wirbeltiere, Pflanzen und Pilze Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen 28 (3): 69 – 141.
Dipl.-Biol., Dipl.-Ing. Thomas Brandt
Pollhagen, d. 25.08.2016
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Anhang I:
Abb. 1: Über-planter Bereich des Grünlandes mit dem Gehölz-streifen entlang der Nordseite. Fotos, Thomas Brandt, 26.06.2016
Abb. 2: Gehölz-streifen entlang der Nottstraße
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Abb. 3: Blick von Südost auf das Untersuchungs-gebiet.
Abb. 4: Der Ge-schützte Biotop (NSS-Hochstauden-sumpf) mit blü-hendem Mäde-süß.
Abb. 5: Rest-wasserfläche im Geschützten Biotop
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Abb. 6: Entwäs-serungsgraben am Geschützen Biotop.
Abb. 7: Unbe-wachsene Teils-trecke des Ent-wässerungsgra-bens mit Tro-ckenrissen im Boden.
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Abb. 8: Über-gang von Grün-landfläche zum angrenzenden Acker.
Anhang II Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) BNatSchG (v. 29.07.2009) Abschnitt 3 - Besonderer Artenschutz § 44 Vorschriften für besonders geschützte und best immte andere Tier- und Pflanzenarten (1) Es ist verboten, 1. wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu be-schädigen oder zu zerstören, 2. wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wande-rungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Stö-rung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert, 3. Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören, 4. wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören