SCHRIFTLEITUNG:
CHEMIE BEARBEITET VON
F. ADICKES · E. BARONI · M. BÖGEMANN · J.W. BREITENBACH R. CRIEGEE
· K. HASSE· G. HESSE· H. HOPFF · H. G. HUMMEL F. KLAG ES· W.
KRABBE· J. LINDNER · E.B.MAXTED H.L.DU MONT · O.NEUNHOEFFER · A.
PONGRATZ · A. RIECHE H. SCHMID • A. SCHÖBERL · R. SEKA · W.
THEILACKER
G. TRIEM · M. ULMANN · H. A.WEIDLICH · K. ZIEGLER
SC HR I FTLEITU N G:
R. CRIEGEE KARLSRUHE
ERSTE HÄLFTE
ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER tl"BERSE'l'ZUNG IN FREMDE
SPRACHEN, VORBEHALTEN
COPYRIGHT 1943 BY SPRINGER-VERLAG WIEN URSPRUNGLICHERSCHIENENBEI
SPRINGER-VERLAG OHG IN VIENNA 1943
SOFfCOVER REPRINT OF THE HARDCOVER 1ST EDITION 1943
Zur Einführung. In vorliegendem Bande wird die Katalyse in der
organischen Chemie als
Sondergebiet herausgehoben und zusammengefaßt. Wenn dies eine
Begründung erfordert, so kann es natürlich nicht die sein, daß die
organische Katalyse etwas wesentlich anderes sei als die sonstige.
Höchstens daß wir hier in zahlreicheren Fällen den molekularen
Mechanismus durchschauen können, dank der gründ licheren Kenntnis
der organischen Molekelstrukturen und Reaktionsweisen. Der
eigentliche Grund ist aber mehr ein praktischer, der sich im Laufe
der Vor arbeiten von selbst ergab: Der ausübende Organiker
verlangt in einem Hand buch, seiner Arbeit entsprechend, nicht nur
Gesetze und Grundlehren, sondern vor allem auch unmittelbar
Beobachtungen und Methoden zu finden. Im Gegen satz zu dem übrigen
Handbuch muß also hier, um Fruchtbares zu bieten, nicht der Zustand
des Katalysators oder die Art seines Eingriffs oder derartiges den
Leitstern bilden, sondern der Katalyseerfolg, die zu bewirkende
Reaktion. So ergibt sich für diesen Band ein wesentlich
abweichendes Gefüge, dessen Aufbau und Durchführung der Herausgeber
natürlich in die Hand eines organischen Fachgenossen legen
mußte.
Was die organische Katalyse als Sonderform des größeren Begriffs
für die katalytische Erkenntnis selbst geliefert hat - und das ist
nicht wenig - findet sich verstreut in allen Bänden des Handbuchs,
aber füglieh auch hier, ohne daß eine Wiederholung von neuem
Standpunkt aus in diesem Fall ein Schaden wäre.
Athen, im Mai 1943. G.-M. Schwab.
Herausgeber des Gesamtwerkes.
Vorwort.
Der Band VII des Handbuches wendet sich in erster Linie an den
organischen Chemiker und ist daher auf dessen Bedürfnis und
Verständnis zugeschnitten. Er stellt ein Informationswerk dar, das
über ein bloßes Sammeln von Einzel tatsachen auf dem Gebiet der
Katalyse in der organischen Chemie hinausgeht und auch ein Bild des
heutigen Standes der Theorie der Katalysatorwirkung geben soll. Da
der Band ein für sich geschlossenes Ganzes bilden soll, wurden
gewisse Wiederholungen gegenüber den früheren Bänden mit in Kauf
genommen.
Der Begriff der Katalyse wurde dem praktischen Bedürfnis
entsprechend möglichst weit gefaßt, und unter einem Katalysator ein
Stoff verstanden, der, ohne selbst in der Bruttogleichung einer
Reaktion aufzutreten, diese bezüglich Richtung oder Geschwindigkeit
beeinflußt oder gar erst auslöst. Die Rolle des Lösungsmittels
konnte dabei freilich meist nur gestreift werden. Über die
"negative Katalyse" und die Rolle von Inhibitoren findet sich
einiges in den Abschnitten A. RIECHE und J. W. BREITENBACH; im
übrigen sei auf den Artikel DuFRAISSE-CHOVIN in Band II
verwiesen.
Der Band, der infolge seines großen Umfanges in zwei Hälften
ausgegeben werden muß, zerfällt in 3 Hauptteile. Im "Allgemeinen
Teil" werden gewisse, besonders wichtig erscheinende Gruppen von
Katalysatoren herausgehoben und der Chemismus ihrer Wirkungsweise
entwickelt. Daß hierbei im wesent lichen nur die homogene Katalyse
berücksichtigt wurde, findet in der besonders ausführlichen
Behandlung der heterogenen Katalyse in anderen Bänden des
Handbuches und in dem weitgehenden Mangel chemischer Gesichtspunkte
in diesem Teilgebiet seine Rechtfertigung. Dagegen wäre ein Artikel
über die "Praxis der heterogenen Katalyse im Laboratorium" sehr
erwünscht gewesen. Leider ließ sich hierfür kein geeigneter Autor
gewinnen. Einiges darüber findet sich aber in den Abschnitten E. B.
MAXTED und A. PoNGRATZ. Auf die Bedeu tung der
Säure-Basen-Katalysen braucht nicht besonders hingewiesen zu
werden. H. ScHMID behandelt sie in einer auch für den nicht
angelsächsischen Leser geeigneten Form. Sehr wichtig erschien die
Aufnahme eines Abschnittes über Katalyse durch Komplexbildung, da
hierüber noch jede zusammenfassende Dar stellung fehlte. G. HESSE
hat diese Arbeit in dankenswerter, Weise übernommen. Im nächsten
Kapitel behandelt K. ZIEGLER die Katalyse durch Alkalimetalle und
metallorganische Verbindungen. Auch ein Abschnitt über
Schwermetall ionen als Katalysatoren war zunächst vorgesehen; es
zeigte sich aber, daß er inhaltlich mit demjenigen über
Autoxydation in homogener Phase (A. ScHÖBERL) weitgehend
übereingestimmt hätte, so daß darauf verzichtet werden konnte.
Wichtiger erschien demgegenüber die Behandlung der Peroxyde und der
Orga nischen Katalysatoren (aus der Feder von A. RIECHE bzw. G.
TRIEM), da gerade auf diesen Gebieten die weitere Forschung sehr
aussichtsreich erscheint. Die mit diesen beiden Gruppen im
Zusammenhang stehende Rolle von Radikalen als Katalysatoren wird
später in einem eigenen Abschnitt geschildert werden müssen;
einstweilen ist das vorhandene Material noch zu spärlich.
Vorwort. VII
Liegt im "Allgemeinen Teil" der Schwerpunkt der Betrachtung auf dem
Katalysator und seiner Wirkungsweise, so ist der "Spezielle Teil"
nach den einzelnen Reaktionen gegliedert. Er soll dem praktisch
Arbeitenden zeigen, wie er eine bestimmte Reaktion beschleunigen
oder lenken kann. Da es zwar eine Systematik der organischen
Stoffe, aber noch keine allgemein anerkannte Syste matik
organischer Reaktionen gibt, wurde eine solche entwickelt, die ohne
abso lute Strenge dem praktischen Bedürfnis entspricht, d. h. ein
leichtes Auffinden irgendeiner Reaktionsart ermöglicht. Zur
Erläuterung der aus dem Inhaltsver zeichnis ersichtlichen
Einteilung der Reaktionen sei noch folgendes bemerkt. Zur klaren
Abgrenzung sind unter "Anlagerungsreaktionen" nur solche ver
standen, bei denen keine neue G-O-Bindung geknüpft wird. Das
g~eiche gilt für die "Substitution". Alle das C-Gerüst aufbauenden
Umsetzungen sind, soweit sie nicht unter die "Polymerisation"
fallen, in den Kapiteln VIII-X als "Konden sationen" bezeichnet.
Die Aldolkondensation und verwandte Reaktionen wurden, obwohl sie
eigentlich Polymerisationen darstellen, dem allgemeinen Sprachge
brauch entsprechend in die Kondensationen eingereiht, umgekehrt die
sogenannten "Mischpolymerisat~onen" dem gleichen Prinzip
entsprechend bei den Polymeri sationen. Die" Vulkanisation", die
gleichzeitig Anlagerung und Polymerisation dar stellt, wurde in
einem eigenen Kapitel angefügt, ebenso wie die Elementaranalyse,
die den speziellen Teil beschließt. Der Artikel von E. B. MAXTED
über "Katalytische Hydrierung" lag bereits 1939 druckfertig vor, da
er erst für einen anderen Band bestimmt war. Nur eine Ergänzung
bezüglich der stereochemischen Verhältnisse bei der Hydrierung (von
H. A. WEIDLICH) erwies sich als notwendig.
Um der ständig wachsenden Bedeutung der Katalyse in der organischen
Groß technik gerecht zu werden, wurde von einem Fachmann der
Industrie (H. G. HuM MEL) ein naturgemäß kurzer Überblick über
dies Gebiet als besonderer Teil an gegliedert.
Was die Behandlungsart des speziellen Teiles anbelangt, so ist es
klar, daß von vornherein auf absolute Vollständigkeit (im Sinne des
"Beilstein") verzichtet werden mußte. Trotzdem wurde versucht, auch
scheinbar ausgefallene Katalysen wenigstens zu erwähnen, weil diese
unter Umständen Ausgangspunkte neuer wichtiger Forschungen werden
können. Die Patentliteratur wurde - je nach dem Wesen des einzelnen
Abschnittes und der Einstellung des Autors zu tech nischen Fragen
- in verschiedenem Umfäng berücksichtigt. Es ist natürlich
anzunehmen, daß trotz eifrigen Suchens manche vielleicht auch
bedeutsame katalytische Reaktion übersehen wurde; jeder Hinweis auf
derartige Mängel wird von dem Herausgeber und den Autoren dankbar
begrüßt werden.
An Registern wurden dem Band ein Sach- und ein
Katalysatorenverzeichnis sowie ein Namenverzeichnis angegliedert.
Den Bearbeitern der Register, vor allem E. BEHRLE, E. HACKENTHAL,
H. HoMANN, R. KNoBLOCH, M. KoBEL und G. STÖGER gebührt für ihre
mühevolle Arbeit besonderer Dank.
Die Planung und Fertigstellung des Bandes litt unter
kriegsbedingten Schwierigkeiten verschiedenster Art. Vor allem war
wegen der Arbeitsüber lastung der Mitarbeiter eine weitgehende
Unterteilung des speziellen Teiles in mehr oder weniger kleine
Abschnitte notwendig. Die dadurch entstandene Uneinheitlichkeit
mußte mit in Kauf genommen werden. Auch durch zum Teil wiederholte
Einberufungen des Schriftleiters und zahlreicher Autoren entstanden
vielfach Störungen und Verzögerungen. Dank den Bemühungen des
Verlages und seiner Mitarbeiter konnte das Werk trotzdem beendet
werden. Möge sein Erfolg die aufgewandte Mühe und Arbeit
rechtfertigen.
Im Mai 1943. R. Criegee.
Inhaltsverzeichnis.
(Mit 4 Abbildungen) ........................................... . I
Katalyse durch Komplexbildung. VonDozent Dr. GERHARD HESSE, Marburg
a.d.L.
(Mit 4 Abbildungen) ........................................... .
68 Katalyse durch Alkalimetalle und metallorganische Verbindungen.
Von Professor
Dr. KARL ZIEGLER, Halle a. d. S. . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . 106 Peroxyde als Katalysatoren. Von
Professor Dr. ALFRED RIECHE, Wolfen ... 136 Organische
Katalysatoren. Von ·Dr. GEORG TRIEM, Ludwigshafen a. Rh.
(Mit 2 Abbildungen) ............................................
171
Isomerisierung. Von Professor Dr. W ALTER THEILACKER, Tübingen . .
. . . . . . 192 Polymerisation und Depolymerisation.
Allgemeiner Teil. Von Dr. JoHANN WoLFGANG BREITENBACH, Wien (Mit 10
Abbildungen) ..................... ·. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . 304
Praktischer Teil. Von Dr. EUGEN BARONI, Wien (Mit 4 Abbildungen)
344 Oxydation und Reduktion.
Oxydation mit molekularem Sauerstoff in flüssiger Phase. Von
Professor Dr. ALFONS ScHÖBERL, Würzburg ...................
479
Oxydation in der Gasphase: Von Professor Dr. ALFRED PoNGRATZ,
Berlin-Dahlem ................ :': . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . 549
Oxydation mit gebundenem Sauerstoff. Von Professor Dr. RunoLF
ÜRIJilGEE, Karlsruhe .................................... ; . . . .
. . . . 588
Dehydrierung unter Abspaltung von Wasserstoff. Von Professor Dr.
ÜTTO NEUNHOEFFER, Breslau ................................
605
Hydrierung mit molekularem Wasserstoff. Von Professor Dr. E. B.
MAXTED, Bristol (Mit 22 Abbildungen) ...........................
622
Sterisoher Verlauf der katalytischen Hydrierung. Von Dozent Dr. H.
A. WEIDLICH, Berlin .......................... 749
Sonstige Reduktionen. Von Professor Dr. ÜTTO NEUNHOEFFER, Breslau
771 Oxydoreduktion. Von Professor Dr. ÜTTO NEUNHOEFFER, Breslau ...
780
Zweite Hälfte. Spezieller Teil (Fortsetzung).
Anlagerungsreaktionen. Von Professor Dr. REINHARD SEKA, Graz . . .
. . . . . . 1 Zerfallsreaktionen. Von Dr. habil. MAx ULMANN,
Berlin-Dahlem
(Mit 11 Abbildungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Substitution. Von
Professor Dr. FRIEDRICH KLAGES, München ............ 222
Inhaltsverzeichnis. IX Seite
Bildung und Spaltung von Organo-oxyden. Von Professor Dr. FRIEDRICH
KLAG ES, München . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
289.
Kondensation I. Teil. Kondensation unter Bildung von C-C-Bindungen
ohne Abspaltung von Atomen oder Gruppen. Von Professor Dr. FRANZ
ADICKES, Berlin und Dozent Dr. habil. HANS L. DU MONT, Danzig
........... 344
Kondensation II. Teil. Kondensation unter Bildung Ton C-C-Bindungen
bei gleichzeitiger Abspaltung von Atomen oder Gruppen.
Kondensation unter Abspaltung von Wasser. Von Dozent Dr. H. A.
WEIDLICH, Berlin ...............................................
404
Kondensation unter Abspaltung von Alkohol. Von Professor Dr. FRANZ
ADICKES, Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . 445
Kondensation unter Abspaltung von Halogenwasserstoff. Von Dr.
HEINRICH HoPFF, Ludwigshafen a. Rh .................... 470
Kondensation unter Abspaltung verschiedener Atome oder Gruppen. Von
Dr. KuRT HASSE, Karlsruhe ...................... 493
Kondensation III. Teil. Polykondensationen. VonDr. EuGENBARONI,
Wien (Mit 7 Abbildungen) 517 Kondensation unter Bildung anderer als
C-O-Bindungen.
Von Professor Dr. WALTER KRABBE, Barlin ........................
546 Vulkanisation. Von Dr. MAx BöGEMANN, Leverkusen
..................... 569 Elementaranalyse. Von Professor Dr. JosEF
LINDNERI, Innsbruck (Mit ~ Ab·
bildungen) ......................................................
584
Katalytische Prozesse in der organischen Großteclmik. Von Dr. H. G.
HUMMEL, Mannheim (Mit 5 Abbildungen) ...... 614
Sachverzeichnis
.................................................... 650
Katalysatorenverzeichnis .........................................
756
Namenverzeichnis .................................................
8.55
Allgemeiner Teil.
Säure-Basen-Katalyse. Von
II. Kinetik der Zwischenreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 III. Die BRÖNSTEDsche
Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . 8 IV. Nichtwässerige Lösungsmittel
....................................... 12 V. Elektronenmechanismus
der Säure-Basen-Katalyse .................... 14
l. Elektronenformeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2. Induktive
Effekte ............................................... 16 3.
Elektromerer Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
VI. Die Kohlenstoff-,Vasserstoff-Bindung und die
Säure-Basen-Katalyse .... 18 VII. Hydroxyl-, Alkoxyl- und
Oxoniumgruppe und die Säure-Basen-Katalyse 23
VIII. Kohlenstoff-Halogen-Bindung und die Säure-Basen-Katalyse . .
. . . . . . . . . 29 IX. Die Doppelbindung und die
Säure-Basen-Katalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
l. Aliphatische C-C-Doppelbindung . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Aromatische C-C-Doppelbindung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34 3. C-O-Doppelbindung
............................................. 36
X. Mutarotation der Glucose
.......................................... 41 XI. Halogenierung von
Ketonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . 45
XII. Esterhydrolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 l.
Reaktionsmechanismus .......................................... 51
2. Einfluß der Konstitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
I. Einleitung. Was für eine außergewöhnliche Rolle Säuren und Basen
als Katalysatoren
spielen, erhellt aus dem Umfange, den die Säure-Basen-Katalyse in
dem Band II des von G.-M. ScHWAB herausgegebenen Handbuches der
Katalyse einnimmt, der von J. W. BAKER, R. P. BELL, P. CHOVIN, CH.
DUFRAISSE, M. KILPATRICK, 0. REITZ, E. RoTHSTEIN, H. ScHMID
bearbeitet wurde1 . Während die Säure Basen-Katalyse in diesem
Handbuche anderwärts in einer Anzahl von Beiträgen
1 Handbuch der Katalyse, herausgegeben von G.-M. ScHWAB, Bd. II.
Wien: Springer 1940.
Handbuch der Katalyse, Bd. VII/1.
2 H. ScHMID: Säure-Basen-Katalyse.
eingehend behandelt wird, soll in dem der organischen Chemie
gewidmeten Bande ein Überblick über das Gesamtgebiet der
Säure-Basen-Katalyse geboten werden, der den Intentionen dieses
Bandes besonders Rechnung trägt.
Daß die Zahl der Säure-Basen-Katalysen organischer Reaktionen
unver gleichlich groß gegen die der anorganischen Reaktionen ist\
ist auf die Fülle organischer Verbindungen zurückzuführen, die ihre
Existenz nicht nur der un gewöhnlichen Verkettungsfähigkeit der
Kohlenstoffatome, sondern auch der Stabilisierung kurzlebiger
anorganischer Substanzen durch Einführung orga nischer Atomgruppen
verdanken 2•
In der Bezeichnung "Säure-Basen-Katalyse" ist sowohl der Begriff
der Säure und Base3 als auch der der Katalyse4 umstritten. Zum
klaren Verständnis sei gleich zu Beginn der Darstellung eine
Entscheidung getroffen, in welchem Sinne die Begriffe gebraucht
werden. Vorliegender Abhandlung wird die Kata lysatordefinition
von A. MITTASCH5 und der Säure-Basen-Begriff von BRÖNSTED 6
und LowRY 7 zugrunde gelegt8 . Nach MITTASCH wird als Katalysator
ein Stoff bezeichnet, "der, obgleich an einer chemischen Reaktion
anscheinend nicht un mittelbar beteiligt, diese hervorruft oder
beschleunigt oder in bestimmte Bahnen lenkt". BRÖNSTED und LowRY
bezeichnen Stoffe, die das Bestreben haben, Pro tonen abzugeben,
als Säuren und Stoffe, die die Tendenz haben, Protonen auf
zunehmen, als Basen. Zwischen Säure und Base herrscht somit
folgende Beziehung:
Säure 8 1 +Base B 2 = Base B1 + Säure 8 2 •
Beim Protonenübertritt zur Base wird demnach aus der Säure eine
Base und aus der ursprünglichen Base eine Säure. Diese fundamentale
Säure-Basen Gleichung möge an einigen Beispielen näher erläutert
werden.
CH3COOH + H 20 = CH3COO- + H 3ü+ 81 + B2 = Bl + 82 .
Das von der Essigsäure abgespaltene Proton ist für sich nur in
verschwindender Konzentration existenzfähig, es wird durch Wasser
nahezu vollständig in Hydroxoniumion H 3ü+ übergeführt; Wasser
wirkt hier demnach als Base.
1 In der anorganischen Chemie ist bisher nur die allgemeine
Basenkatalyse des Nitramidzerfalles eingehend untersucht worden. J.
N. BRÖNSTED, K. FEDERSEN: Z. physik. Chem. 108, 185 (1924).- J. N.
BRÖNSTED, H. C. Duus: Ebenda 117, 299 (1925). - J. N. BRÖNSTED, K.
VoLQVARTz: Ebenda Abt. A 155, 211 (1931). - J. N. BRÖNSTED, J. E.
VANCE: Ebenda Abt. A 163, 240 (1933). - J. N. BRÖNSTED, A. L.
NICHOLSON, A. DELBANCO: Ebenda Abt. A 169, 379 (1934).- K.
PEDERSEN: J. physic. Chem. 38, 581 (1934). - E. C. BAUGHAN, R. P.
BELL: Proc. Roy. Soc. [London], Ser. A 158, 464 (1937).
2 H. ScHMID: Atti X Congr. int. Chim., Roma 2, 484 (1938). 3 J. N.
BRÖNSTED: Recueil Trav. chim. Pays-Bas 42, 718 (1923); J. physic.
Chem.
30, 777 (1926); Chem. Reviews 5, 288 (1928); Z. physik. Chem., Abt.
A 169, 52 (1934); J. ehern. Educat. 16, 535 (1939).- TH. M. LoWRY:
Trans. ehern. Soc. [London] 123, 828 (1923); Chem. Industries 42,
43 (1923).- G. N. LEWIS: Valence and the struc ture of atoms and
molecules. New York: Chemical Catalog Co. 1923, übersetzt von G.
WAGNER, H. WoLFF. Braunschweig: F. Vieweg 1927; J. Franklin Inst.
226, 293 (1938). - N. V. SIDGWICK: The electronic theory of
valency. New York: Oxford University Press 1927.- N. BJERRUM: Chem.
Reviews 16, 287 (1935).- M. UsANO VICH: J. gen. Chem. (USSR.] 9,
182 (1939).- G. JANDER, K. WICKJ;;RT: z. physik. Chem., Abt. A 178,
57 (1937). - K. WICKERT: Ebenda Abt. A 178, 361 (1937); Z.
Elektrochem. angew. physik. Chem. 47, 330 (1941).- K. CRUSE: Z.
Elektrochem. angew. physik. Chem. 46, 571 (1940); 47, 411
(1941).
4 E. ScHRÖER, H. J. ScHUMACHER: Naturwiss. 29, 411 (1941). 5
Katalyse und Determinismus, S. 10. Berlin: Springer 1938; Handbuch
der
Katalyse, herausgegeben von G.-M. ScHWAB, Bd. I, S. 15. Wien:
Springer 1941. 6 a. a. 0. 7 a. a. 0. 8 Über den von J. W. BAKERund
E. RoTHSTEIN erweiterten Säure-Basen-Begriff
BRÖNSTEDS siehe S. 5.
Bei der Reaktion H 20 + H 20 = H 3ü+ + OH-
reagiert Wasser einerseits als Säure, andererseits als Base; W
a.sser ist demnach Ampholyt.
Bei der Säure-Basen-Gleichung:
ist Ammoniumion Protongeber, also Säure. Aus vorstehenden
Beispielen ist zu ersehen, daß neutrale Molekeln
(CH3COOH, H 20), positive (NH/, H 3ü+) und negative Ionen (HS04-)
als Säure fungieren können. Ebensowenig wie für Säuren ist die
elektrische Ladung für Basen charakteristisch. Dank der allgemein
gehaltenen Definition der Säure und Base von BRÖNSTED und LOWRY
lassen sich viele Katalysen in die Säure Basen-Katalysen einordnen
und dadurch einer Klärung zuführen.
So wird nach den Untersuchungen von J. N. BRÖNSTED und E. A.
GuGGEN HEIM1 die Mutarotation der Glucose in wässeriger Lösung
durch zahlreiche Sub stanzen katalysiert, die im Sinne BRÖNSTEDS
als Säuren und Basen zu bezeichnen sind. Die Geschwindigkeit der
Mutarotation ist proportional der Glucosekonzen tration und der
Konzentration der entsprechenden Säure bzw. Base. Für eine
wässerige Lösung mit der Säure HA und dem Anion A- ist die
Geschwindigkeits gleichung der allgemeinen Säure-Basen-Katalyse 2
:
v = (kn,o +- kn,o+[H3ü+] +- k0 n- [OH-] +- knA [HA]+- kr [A-] ... )
[Glucose].
Nachfolgende Tabel le l gibt eine Über sicht über die kata
lytische Wirksamkeit einer Anzahl von Ba sen und Säuren auf die
Mutarotation der Glucose. ks ist der Katalysekoeffizient
der in Spalte l an gegebenen Säuren, ks der Katalysekoeffi zient
der Basen in Spalte 2, die sich um ein Proton von der jeweiligen
Säure in Spalte l unterschei den. Es ist augen scheinlich, daß
der Katalysekoeffizient
2
0
xSäure ffatalgsatoren
o8asen ffalalgsatoren
Abb. 1. Katalysekoeffizienten von Säuren und Basen in Abhängigkeit
von den Ionisationskonstanten der Säuren für die Mutarotation der
Glucose.
der Säure mit der Ionisationskonstante der Säure (Ks) symbat, der
Katalyse koeffizient der Base mit Ks antibat geht. Abb. l zeigt,
daß der Logarithmus des
1 J. Amer. ehern. Soc. 49, 2554 (1927). 2 v die
Reaktionsgeschwindigkeit, k die Geschwindigkeitskoeffizienten
(Katalyse
koeffizienten), die eckig geklammerten Symbole Konzentrationen in
Molen je Liter Lösung.
l*
Katalysekoeffizienten der Säure mit dem Logarithmus der
Ionisationskonstante linear ansteigt. Ebenso ist aus der Abbildung
ersichtlich, daß der Logarithmus des Katalysekoeffizienten der Base
mit dem Logarithmus des reziproken Wertes der Ionisationskonstante,
die die zugehörige (konjugierte) Säure hat (KB = 1/Ks), linear
ansteigt.
Säure
Konjugierte Base
OH- NH3
I 3,6. I0- 6
1,2 . lü- 2
k B
4 . I0-3 H,5 · IC- 5
Wie u. a. der Verfasser in seiner Abhandlung "Zvvischenreaktionen"
2 an einer Anzahl von Beispielen zeigte, läßt sich eine
unermeßliche Zahl von Katalysen aus den Teilvorgängen, über die sie
verlaufen, verstehen. Die Katalyse kommt dabei in der Weise
zustande, daß der Katalysator mit Reaktionspartnern inter mediär
labile Produkte bildet, die bei weiterer Reaktion die Endprodukte
unter Rückbildung des Katalysators geben3 • Durch den Katalysator
werden also neue Reaktionsbahnen geschaffen, wodurch der Umsatz
erst ermöglicht, bzw. das Reaktionsende rascher erreicht wird als
bei unkatalysiertem Vorgang. Auch den zahlreichen
Säure-Basen-Katalysen liegt ein derartiger Mechanismus zu grunde.
Die Beziehung zwischen katalytischer Wirksamkeit und Stärke (Lage
des Ionisationsgleichgewichtes) der Säure bzw. der Base gibt einen
Fingerzeig, daß die Säure-Basen-Katalyse auf die
Säure-Basen-Gleichung zurückzuführen ist. Das Substrat empfängt von
der Säure ein Proton bzw. gibt an die Base ein Proton ab, dadurch
wird das Substrat zu einem instabilen Zwischenion, das in der Folge
von Teilvorgängen schließlich die Endprodukte unter Rückgabe bzw.
Rücknahme des Protons liefert. J. W. BAKERund E. RoTHSTEIN4
erweitern diese
1 Für H 3ü+ ist es schwer, ein geeignetes Maß der Säurestärke
anzugeben. Es wird formal analog zur Ionisationskonstante einer
schwachen Säure, z. B.
gesetzt:
H 3ü+ + H 20 = H 20 + H 3ü+
Im Liter Wasser sind 55,5 Mole H 20, daher wird für H 3ü+ K gleich
55,5 gesetzt. KsH,O ist nach Gleichung H 20 + H 20 = OH- + H
3ü+
K~ = [0,I!J1HaQ.+J = IG-u'. cH,O [H20]
2 H. ScHMID: Handbuch der Katalyse. herausgegeben von G.-M. ScHWAB,
Bd. U, S. I. Wien: Springer 1940.
3 Über Reaktionsbeschleunigung durch Wirkungen physikalischer Art
(elektrische Kraftfelder der Ionen, Paramagnetismus der Substanzen)
siehe zusammenfassende Berichte von R. P. BELL: .,Salzeffekte" und
"Lösungsmitteleffekte". Handbuch der Katalyse, herausgegeben von
G.-M. SCHWAB, Bd. II, S. 191, 319. Wien: Springer 1940.
4 Handbuch der Katalyse, herausgegeben von G.-M. ScHWAB, Bd. II, S.
51. Wien: Springer l ~40.
Kinetik der Zwischenreaktionen. 5
BRÖNSTEDsche Theorie der Säure-Basen-Katalysen. Sie sehen die
wesentliche Funktion des Säurekatalysators in der Einführung eines
Protons oder einer posi tiven Ladung in das Substrat, die des
Basenkatalysators in der Entfernung eines Protons vom Substrat oder
in der Einführung eines Anions in das Substrat. Wie auf S. 52 des
Näheren ausgeführt wird, besteht die Wirkungsweise einer
Katalysatorbase auf die Esterhydrolyse in der Einführung des
Hydroxylions in den Ester. Hier kann also von keiner Entfernung
eines Protons vom Substrat im Sinne BRÖNSTEDs, sondern nur von der
Einführung eines Anions in das Substrat entsprechend der
Formulierung von BAKER und RoTHSTEIN gesprochen werden.
Es sei im Sinne K. J. PEDERSENs1 beispielsweise folgendes
Reaktionsschema für die Säurekatalyse gegeben:
R +HA~'>- RH++ A-2 RH+ + H 20 --->- R1 + H 3ü+ H,ü+ + A- .._,
HA + H 20 4
Urreaktion 1 3
Da RH+ ein kurzlebiges Zwischenprodukt ist, kann es nur in so
geringer Kon zentration auftreten, daß es in der Gesamtreaktion,
"Bruttoreaktion", nicht aufscheint, es kann sich nur bis zu dem
entsprechend niedrigen Gehalte des "stationären Zustands"
anreichern, bei dem die Bildungsgeschwindigkeit der
Zwischensubstanz ihrer Verbrauchsgeschwindigkeit gleich wird
(Stationaritäts prinzip5).
Bildungsgeschwindigkeit von RH+ ............... k1 [R] [HA] 6
Verbrauchsgeschwindigkeit von RH+ ............. k/ [RH+][A-] + k2
[RH+] 7,
daher: k1 [R][HA] = ~' [RH+][A-] + k2 [RH+],
daraus ergibt sich die Ko:qzentration des kurzlebigen
Zwischenprodukts :
[RH+]= _!c_l_[R][~j_ k1' [K] + k2
1 Trans. Faraday Soc. 34, 237 (1938). 2 R Ausgangsprodukt, R 1
Endprodukt, HA Säure, ~~ bedeutet, daß sowohl die
Geschwindigkeit der Links-Rechts-Reaktion als auch die der
Rechts-Links-Reaktion in Betracht kommt.
8 Unter Urreaktion versteht A. SKRABAL [Mh. Chem. ol, 93 (1929)]
einen che mischen Umsatz, der in keine weiteren Teilreaktionen
mehr zerlegt werden kann. Die stöchiometrischen Gleichungen der
Urreaktionen kennzeichnen also den tatsächlichen Verlauf des
Umsatzes. Siehe A. SKRABAL: Homogenkinetik. Leipzig: Steinkopff
1941. Siehe auch H. SCHMID: Handbuch der Katalyse, herausgegeben
von G.-M. ScHWAB, Bd. II, S. 3. Wien: Springer 1940.
4 "-? Zeichen dafür, daß während der Reaktion praktisch ständig
Gleichgewicht zwischen den Linksstoffen (H3ü+ und A-) und den
Rechtsstoffen (HA und H 20) herrscht (laufendes Gleichgewicht,
Gleichgewicht von Zwischenreaktionen). Siehe H. ScHMID: Handbuch
der Katalyse, herausgegeben von G.-M. ScHWAB, Bd. II, S. 6. Wien:
Springer 1940.
5 M. BoDENSTEIN: Z. physik. Chem. 8o, 329 (1913). Letzte
Veröffentlichungen: M. BODENSTEIN: IX. Congr. int. Quim. pura apl.,
Madrid 2, 256 (1934).- J. A. ÜHRI STIANSEN: Z. physik. Chem., Abt.
B 28, 303 (1935).- A. SKRABAL: Z. Elektrochem. angew. physik. Chem.
42, 228 (1936).
6 Eckig geklammerte Symbole bedeuten wirkliche Konzentrationen in
Molen pro Liter. Index der Geschwindigkeitskoeffizienten k bedeutet
die Nummer der Urreaktion obigen Schemas, der gestrichene
Koeffizient k{ bezieht sich auf die Rechts Links-Reaktion, alE!o
auf die Gegenreaktion 1.
7 Bei großem Überschuß an Wasser ist dessen Gehalt praktisch
konstant.
6 H. ScHMID: Säure-Basen-Katalyse.
Die Geschwindigkeit der Bildung des Endprodukts, also die in der
Zeiteinheit gebildeten Mole R 1 pro Liter:
~@1) = k [RH+]= k k1 [R][HA] dt 2 2 k 1' [A] -\- k 2
Ist k2 '> k1'[A-], dann wird
Ii, ~~1 ) = k1 [R][HA].
Die Bildungsgeschwindigkeit des Endprodukts ist bei diesem
Reaktions schema gleich der Geschwindigkeit des Protonenübergangs
von der Säure HA zum
Substrat R. Nach der Geschwindigkeitsgleichung sind unionisierte
Säuren Katalysatoren; es liegt "allgemeine" Säurekatalyse
vor.
Es ist vielfach dem Vorurteil zu begegnen, daß die Neutralisation
der Säure
mit der Base unter allen Umständen unmeßbar rasch vor sich geht;
dies trifft für Reaktionen zwischen starken Säuren und starken
Basen zu, wenn dabei keine molekularen Umlagerungen stattfinden. In
solchen Fällen kann auch mit Hilfe
der Strömungsmethode von H. HARTRIDGE und F. J. RoT:GHTON 1 die
Reaktions geschwindigkeit nicht gemessen werden. ·wenn hingegen
wenigstens einer der
Reaktionspartner "schwach" ist, kann der Übertritt des Protons
meßbar lang
sam erfolgen. Ist in der obigen Geschwindigkeitsgleichung hingegen
k2 ~ lc/ [A-], dann wird
Nach
dt - 2 k1'[A-] .
daher ist die Hydroxoniumionkonzentration:
+ [HA] [H30] = Ks(K] ,
es wird also i (R I Gd/ = prop. [RJ[H3ü+J.
1 Proc. Roy. Soc. [London], Ser. A 104, 376, 395 (1923).- Weitere
Arbeiten mit Hilfe der Strömungsmethode von E. BRINER, T. D.
STEWART, W. A. NOYES, N. SA SAKI, R. N. J. SAAL, w. c. BRAY, H.
SCHMID, V. K. LA MER, E. BALL, G. A. MILLI KAN, R. BRINKMAN, A.
THIEL, H. v. HALBAN, E. A. SILOV, K. G. STERN, B. CHANCE und ihren
Mitarbeitern: siehe H. ScHMID: Handbuch der Katalyse, herausgegeben
von G.-M. ScHWAB, Bd. II, S. 42. Wien: Springer 1940 und B. CHANCE:
J. Franklin Inst. 229, 455, 613, 737 (1940).
2 k1/k1' ist die Gleichgewichtskonstante der Reaktion:
R +HA =RH+ +A-,
k~~1~~] somit die Konzentration von RH+, das mit R, HA und A- im
Gleich
gewichte steht. Da dieses Gleichgewicht der zeitbestimmenden
Reaktion:
RH+ + H 20 ~ R 1 + H;,o+
vorgelagert ist, nennt man es vorgelagertes Gleichgewicht oder
Vorgleichgewicht.
Kinetik der Zwischenreaktionen. 7
Beispiele für allgemeine Säurekatalysen sind Hydrolysen des
Äthylortho acetats, -orthopropionats und -orthocarbonats 2, des
Diazoacetations3 , Diazo äthylacetations4 und des
Azodicarbonations5 •
Beispiele für allgemeine Basenkatalysen sind der Zerfall von
Nitramid in Stickoxydul und Wasser 6 , die Bromierung von
Nitromethan7, die Bromierung des Acetoessigesters und der
Acetoessigsäure8 •
Beispiele für allgemeine Säure-Basen-Katalysen, also für
Reaktionen, bei denen sowohl allgemeine Säurekatalyse als auch
allgemeine Basenkatalyse fest-
1 Wenn auch in vorliegendem Beispiele ein Reaktionsmechanismus mit
Vor- gleichgewicht (Anm. 2, S. 6):
R +HA ..,_, RH+ + A- Vorgleichgewicht RH+ + H 20 --;. R 1 + H 3ü+
zeitbestimmende Reaktion H 3ü+ + A- -<-; HA + H 20
zur spezifischen Wasserstoffionkatalyse führt, so ist diese
spezifische Katalyse keines wegs in jedem Falle auf ein
vorgelagertes Gleichgewicht mit RH+ zurückzuführen. Für ein
Reaktionsschema nach K. F. BoNHOEFFER und 0. REITZ [Z. physik.
Chem., Abt. A 179, 138 (1937)]:
R
ergibt sich unter Anwendung des Stationaritätsprinzips
d j_R~) = (k + k [A-]) _J:1 [R][H3ü+l__ dt 2 3 k1'+k2 +k3
[A_].
Ist k 2 + ka[A-]? k1', so ist d-~~1 ) = k1 [R][ffaü+].
Bei dieser spezifischen Wasserstoffionkatalyse tritt also kein
Vorgleichgewicht mit RH+ auf. Hier ist die zeitbestimmende Reaktion
die Bildungsgeschwindigkeit des Zwischenprodukts RH+ aus dem
Substrat R und dem Hydroxoniumion.
Besteht hingegen ein vorgelagertes Gleichgewicht
R + H 3ü+ '-?-RH++ H 20, ist also k1' ;;» k 2 + k3 [A-],
dann ergibt sich die Geschwindigkeitsgleichung:
d~1) = prop. [R][H3ü+] + prop.' [R][HA],
also die der allgemeinen Säurekatalyse. 2 J. N. BRÖNSTED, W. F. K.
WYNNE-JONES: Trans. Faraday Soc. 25, 59 (1929). 3 C. V. KING, E. D.
BOLINGER: J. Amer. ehern. Soc. 58, 1533 (1936). 4 M. DuBoux, G.
PIECE: Helv. chim. Acta 23, 152 (1940). 5 C. V. KING: J. Amer.
ehern. Soc. 62, 379 (1940). 6 J. N. BRÖNSTED und Mitarbeiter:
Literatur S. 2. 7 R. JUNELL: Z. physik. Chem., Abt. A 141, 71
(1929). - K. PEDERSEN: Kgl.
danske Vidensk. Selk., math.-fysiske Medd. 12, 1 (1932). 8 K.
PEDERSEN: Den almindelige Syre-og Basekatalyse. Copenhagen 1932.
-
J. physic. Chem. 37, 751 (1933); 38, 601 (1934).
8 H. ScHMID: Säure-Basen-Katalyse.
gestellt wurde, sind: Mutarotation der Glucose1 , Halogenierung des
Acetons 2 ,
Depolymerisation von dimerem Dihydroxyaceton3 und von dimerem
Glykol aldehyd4.
Spezifische Wasserstoffionkatalysen sind: der Zerfall des
Diazoessigesters5 ,
die Hydrolyse der Acetale 6 , die Inversion des Rohrzuckers7
•
Eine spezifische Hydroxylionkatalyse ist der Zerfall des
Nitrosotriaceton amins8.
Die spezifischen Wasserstoffionkatalysen und Hydroxylionkatalysen
sind für die Bestimmung der Konzentrationen des Wasserstoffions
bzw. des Hydroxylions von besonderem praktischen Werte.
Die Hydrolyse der Ester wird durch Wasserstoffion und Hydroxylion
kata lysiert. Eine eingehende Besprechung erfolgt in einem
späteren Kapitel (S. 50).
III. Die BRöNSTEnsche Beziehung. Die in Abb. 1 für die Mutarotation
der Glucose graphisch dargestellte Be
ziehung zwischen Katalysekoeffizient und Ionisationskonstante der
Säure, bzw. zwischen Katalysekoeffizient der Base und dem
reziproken Wert der Ionisationskonstante der der Base konjugierten
Säure KB = 1/Ks 9 läßt sich in die Gleichung10 bringen:
ks = Gs · K~ kB = GB· K'~,
wobei Gs bzw. GB, iX bzw. ß Konstanten für die gegebene Reaktion in
einem bestimmten Lösungsmittel bei festgelegter Temperatur und für
Katalysatoren von gleichem Typus sind. Die Exponenten iX und ß sind
kleiner als 1. 11
1 TH. M. LOWRY, G. F. SMITH: J. ehern. Soc. [London] 1927, 2539.-
J. N. BRÖN STED, E. A. GuGGENHEIM: J. Amer. ehern. Soc. 49, 2554
(1927). - F. H. WEsT REIMER: J. org. Chemistry 2, 431 (1938). -
Siehe weiter S. 11 und 41 und C. S. HunsoN: J. Amer. ehern. Soc.
29, 1571 (1907); 32, 889 (1910). - U. PRATO LONGO: Rend. Ist.
Lombardo Sei. 45, 961 (1912).- C. N. RIIBER: Ber. dtsch. ehern.
Ges. 55, 3132 (1922); 56, 2185 (1923); 57, 1599 q~24). - R. KuHN,
P. JACOB: Z. physik. Chem. 113, 389 (1924).- H. v. EuLER, A.
ÜLANDER, E. RUDBERG: Z. anorg. allg. Chem. 146, 45 (1925). - TH. M.
LoWRY, G. L. WILSON: Trans. Faraday Soc. 24, 681 (1928).- G. F.
SMITH: J. ehern. Soc. [London] 1936, 1824.
2 Siehe S. 45. 3 R. P. BELL, E. C. BAUGHAN: J. ehern. Soc. [London]
1937, 1947. 4 R. P. BELL, J. P. H. HIRST: J. ehern. Soc. [London]
1939, 1777. 5 G. BREDIG, W. FRAENKEL: Z. Elektrochem. angew.
physik. Chem. 11, 525
(1905).- W. FRAENKEL: Z. physik. Chem. 60, 202 (1907).- E.
SPITALSKY: Z. anorg. allg. Chem. 54, 278 (1907). - P. GRoss, H.
STEINER, F. KRAUSS: Trans. Faraday Soc. 32, 877 (1936); 34, 351
(1938).
6 Siehe S. 64. 7 Siehe S. 27. 8 D. A. ÜLIBBENS, F. FRANCIS: J.
ehern. Soc. [London] 1912, 2358. -- F. FRANCIS,
F. H. GEAKE: Ebenda 1913, 1722. - F. FRANCIS, F. H. GEAKE, J. W.
RocHE: Ebenda 1915, 1651. - J. N. BRÖNSTED, C. V. KING: J. Amer.
ehern. Soc. 47, 2523 (1925).
9 Siehe J. N. BRÖNSTED: Kern. Maanedsbl. nord. Handelsbl. kem. Ind.
22, 31 (1941).
10 J. N. BRÖNSTED, K. PEDERSEN: Z. physik. Chem. 108, 185 (1924).
11 Nicht nur beim Studium der Mutarotation der Glucose, sondern
auch bei der
Erforschung des Nitramidzerfalls (Literatur S. 2), der
Halogenierung des Acetons (Literatur S. 45) und der Isomerisierung
des Nitromethans und -äthans zu den ent sprechenden Aciformen [S.
H. MARON, V. K. LA MER: J. Amer. ehern. Soc. 61, 2018 (1939)] wurde
reiches Untersuch1.mgsmaterial gewonnen, das die BRÖNSTEDsche Be
ziehung bestätigt.
Die BRÖNSTEDsche Beziehung. 9
Diese BRÖNSTEDsche Beziehung läßt sich aus dem Reaktionsmechanismus
ohne weiteres verstehen1 • Es sei - wie dies bei der Mutarotation
der Glucose der Fall ist - 2 die zeitbestimmende Reaktion die
Säure-Basen-Gleichung:
S1 + B 2 ~~ B1 + s2.
Die Geschwindigkeit des Protonübergangs von S1 zu B 2 ist:
vs,, s, = x [S1][B2]
vs,, B, = x' [S2] [Bl]. Im Gleichgewicht sind die beiden
Geschwindigkeiten einander gleich:
x [S1][B2] = x' [S2][B1];
X = [S'2][BiJ = K. x' [Sd [B2 ]
Wie im Folgenden gezeigt wird, ist die Gleichgewichtskonstante K
außer dem das Verhältnis der Stärke der Säure S1 zu der der Säure
S 2 • Um die Stärke der Säuren S1 und S2 miteinander vergleichen zu
können, sind deren Gleich gewichte mit der gleichen Base
(Standardbase) B0 zu ermitteln.
8 1 + B 0 ~ B 1 + S 0 Ks, = -~~~jf~:~ ; s2 + Bo ~ B2 + So Ks, =
~::N~!~ .
Das Verhältnis der Säurestärken Ks, und Ks, ist gegeben
durch:
J(s, = [B1 ] [82]_ = K = x_ Ks, [S1][B2 ) x'.
Wenn nun bei gleichem Säure-Basen-Paar S 2 , B 2 das
Säure-Basen-Paar S1 , B1 mit steigender Stärke der Säure S1 und
dementsprechend mit fallender Stärke der Base B1 geändert wird,
dann steigt offenbar die Geschwindigkeit vs B und damit x und fällt
die Geschwindigkeit vs B und dementsprechend x'. D~ bei
gleichbleibendem S 2 der Quotient x/x' pr~p~rtional Ks, ist, muß
mit fallendem x' x langsamer als Ks, ansteigen, also
x = Gs,K~,,
wobei cx ein echter Bruch und Ge, für das gegebene Substrat (B2),
für das vor liegende Lösungsmittel und für die gegebene Temperatur
eine Konstante ist.
Da Ks = lJKs ist3 , kann die Gleichung
auch in der Form: Ksj Ks, = x/x'
Ks,/Ks, = x/x' dargestellt werden. Daraus ergibt sich in analoger
Weise
x' = Gs- . xtBI • ... 2 1
Infolge der Proportionalität zwischen Ks, und x/x' bei
gleichbleibendem S 2
läßt sich nach Einführung des gewonnenen Ausdrucks für x und x' in
den Quo tienten x/x' die Beziehung:
cx+(3=1 gewinnen.
Auf Grund der gewonnenen Anschauung über den Mechanismus der Säure
Basen-Katalyse ist zu schließen, daß bei verschiedenen Reaktionen
mit der
1 K. J. PEDERSEN: J. physic. Chem. 38, 581 (1934); Trans. Faraday
Soc. 34, 237 ( 1938). 2 Siehe S. 45. 3 Siehe S. 4.
10 H. ScHMID: Säure-Basen-Katalyse.
gleichen Säure (bzw. Base) als Katalysator die Geschwindigkeit eine
Funktion der Basen- (bzw. Säure-) Stärke des Substrats ist. Unter
dieser Voraussetzung ist an Stelle der besprochenen BRÖNSTEDschen
Beziehung deren verallgemeinerte Form 1 zu setzen:
wo Ks die Stärke des Säurekatalysators (bzw. des sauren Substrats)
und KB die Stärke des basischen Substrats (bzw. des basischen
Katalysators) und G eine Funktion des Lösungsmittels und der
Temperatur ist. Die direkte Bestimmung der Säure- bzw. Basenstärke
des Substrats wäre von prinzipieller Bedeutung. Bei Gültigkeit der
alsdann der Überprüfung zugänglichen Formel könnte nach Festlegung
der Werte von G, 0<, ß auf Grund der Kenntnis der "thermodyna
mischen" Säure-Basen-Stärke von Substrat und Katalysator der
Katalyse koeffizient berechnet werden. Leider ist die Kenntnis der
Säure-Basen-Stärke der für Säure-Basen-Katalysen in Betracht
kommenden Substrate bisher eine sehr mangelhafte, in erster Linie
aus dem Grunde, weil die Substrate gewöhnlich so schwache Säuren
bzw. Basen sind, daß die üblichen Verfahren zur Messung ihrer
Ionisationskonstanten versagen2• Ein Beispiel, wie sehr die
katalytische Wirksamkeit eines basischen Katalysators von der
Säurestärke des Substrats abhängt, ist die Mutarotation der
Glucose, Lactose und Tetramethylglucose. Die Ionisationskonstanten
der Glucose und Lactose in wässeriger Lösung sind be kannt, die
der Glucose ist 6,6 · I0-13, die der Lactose 6,0 · I0-13 . 3 Die
Ionisations konstante der Tetramethylglucose ist wegen der der
Abdissoziation des Protons entgegenwirkenden Methylgruppen offenbar
noch viel kleiner als die der Glucose und Lactose. Nach obiger
Formel ist ein Abfall der Katalysekoeffizienten des basischen
Katalysators in der Reihenfolge: Glucose, Lactose,
Tetramethylglucose zu erwarten. Die Meßresultate von Th. M. LowRY
und G. L. WILSON4 bestätigen diese Folgerung. Glucose ... koH- =
8000, Lactose ... koH- = 5000, Tetra methylglucose ... koH- = 1600
(Temperatur: 20° C).
Für mehrbasische Säuren und für Basen, die mehr als ein Proton
aufzu nehmen vermögen, gilt die BRÖNSTEDsche Beziehung, die durch
die statistischen Faktoren erweitert wurde. Vergleichen wir
beispielsweise die einbasische Säure CH3(CH2)nCOOH mit der
zweibasischen COOH(CH2)nCOOH, wobei n so groß sein möge, daß sich
die beiden Carboxylgruppen praktisch nicht beeinflussen. Infolge
des gleichen Bestrebens der beiden Carboxylgruppen,
Wasserstoffionen abzuspalten, ist offenbar die Ionisationskonstante
erster Stufe der zweibasischen Säure Ks' doppelt so groß wie die
der einbasischen Säure. Die Häufigkeit, mit der das Substrat mit
der Carboxylgruppe zusammentrifft, ist bei der zweibasischen Säure
doppelt so groß wie bei der einbasischen Säure. Daher steht auch
der Katalysekoeffizient der zweibasischen Säure zum
Katalysekoeffizienten der einbasischen Säure im Verhältnis 2 :
1.
Setzen wir in die Beziehung für die einbasische Säure ks = Gs · Ka
die Werte für die zweibasische Säure ein, so erhalten wir
also:
ks _ ('K')a 2 - Gs, 2 .
1 Siehe R. P. BELL: Handbuch der Katalyse, herausgegeben von G.-M.
ScHWAB, Bd. II, S. 247. Wien: Springer 1940.
2 Messungen an sehr schwachen Säuren siehe L. P. HAMMETT: Chem.
Reviews 13, 61 (1933).- L. A. FLEXSER, L. P. HAMMETT, A. DINGWALL:
J. Amer. ehern. Soc. 57, 2103 (1935). .
3 L. MICHAELIS, P. RoNA: Biochem. Z. 49, 232 (1913). 4 Trans.
Faraday Soc. 24, 683 (1928).
Die BRÖNSTEDsche Beziehung. ll
Allgemein gilt für ein Säure-Basen-Paar, bei welchem die Säure p
gleich stark gebundene Protonen 1 abzugeben vermag und die Base q
unter sich gleiche Stellen 1 für die Aufnahme der Protonen hat, die
BRöNSTEDsche Beziehung 2
ks = GA (I]_ Ks \" P P I'
ks q
Inwieweit sich beispielsweise die Wirkungs~weise der
verschiedemJten Basen katalysatoren auf die Mutarotation der
Glucose durch die BRÖNSTEDsche Be ziehung unter einen Hut bringen
läßt, zeigt nachstehender Vergleich der von
Tabelle 2. Katalysekoeffizienten der 1vlutarotation der
Glucose.
Katalysator p KB B --Leobachtet T -b~rechnet I 10' k
----------------------~--~----~--------~--- 1,8. 10-2 "I 0,096
0,066 Wasser .................. .
Betain ................... . Dimethylglycin ........... . Prolin
................... . so.-- ................... . Arginin-HCI
.............. . Lysin-HCl ............... . Sarkosin
................. . p-Benzbetain ............. . Cyanacetation
............ . Chloracetation ............ . o-Chlorbenzoation
......... . Salicylation .............. . Mandelsäureanion
......... . <X-Alanin ................. . Formiation
.............. . Hippursäureanion ......... . Asparaginsäureanion
....... . Glykolation .............. . o-Methylbenzoation ........
. [Cr(H20)50H]++ ........... . Benzoation .............. .
Glutaminsäureanion ....... . Phenylacetation .......... . Acetation
................ . Chinolin ................. . Propionation
............. . Trimethylacetation ....... . Pyridin
.................. . [Co(NH3 )50H]++ ........... . o<-Picolin
................. . Histidin .................. .
1 1 1 1 l 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 1 1 6 1 2 1 1 1 l 1 1 1 1
1
1 2 2 2 4 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 1 2 2 2 2 1 2 2 1 1 1
2
6,66. 10 2,7 2,7 7,14. 10 3,5 2,8 7,69. 10 3,2 2,8 7,69 . 10 4,0
3,9 8,33 . 10 5,5 3,0 1,20 . 10 2 6,2 3,5 1,35 . 10 2 5,5 3,6 2,56
. 10 2 6,0 4,6 2,85 . 10 2 3,8 4,8 7,14. 10 2 5,4 6,7 7,69 . 10 2
6,4 7,1
103 4,6 8,0 2,33 . 10 3 10,8 10,3 3,13 . 10 3 15,9 13,0 4, 76 . 103
16,5 15 6,25 . 10 3 11,2 16 6,66 . 10 3 23,5 24 6,66. 10 3 13,7 17
7,69 . 10 3 12,2 18 7,69 . 10 3 ( 410) 4 (25) 4
1,54. 10 4 15,2 23 1,67 . 10 4 25 32 1,89 . ] 0 4 20,0 26 5,55 . 10
4 26,5 38 7,14. 10 4 30 18 7,70. 10 4 28,1 44 1,06 . 10 5 31,4 50
1,35 . 10 5 82 36 5,0 . 10 5 (780) 4 (60) 4
2,38 . 106 52 87 1,61 . 10 6 205 144
1 Näheres über die Festsetzung von p und q siehe R. P. BELL:
Handbuch der Katalyse, herausgegeben von G.-M. SCHWAB, Bd. II, S.
230. Wien: Springer 1940.
2 J. N. BRÖNSTED: Chem. Reviews 5, 322 (1928). 3 KH,O =" 1/KH,O+ =
1/55,5, siehe S. 4. 4 WieK. FEDERSEN [J. physic. Chem. 38, 581
(1934)] zeigte, läßt sich die große
Diskrepanz zwischen dem nach der Gleichung:
kl3_ = 3,3. I0-1 ( p -)O.JO q qKs
berechneten und dem gemessenen Werte des Katalysekoeffizienten auf
die hohe positive Ladung des Katalysators zurückführen.
12 H. SOHMID: Säure-Basen-Katalyse.
J. N. BRÖNSTED und E. A. GuGGENHEIM1 und von F. H. WESTHEIMER2 bei
180 C bestimmten Katalysekoeffzienten3 mit den nach der
Formel:
k/3 = 3 3. w-4 (X KB)o,4o q ' q
berechneten Werten in Tabelle 2.
IV. Nichtwässerige Lösungsmittel. Daß die BRÖNSTEDsche Beziehung
auch für andere Lösungsmittel als Wasser
gilt, zeigt beispielsweise die allgemeine Säurekatalyse der U
mlagerung von~ N-Bromacetanilid in p-Bromacetanilid in Chlorbenzol4
•
C6H 5 • NBr · COCH3 = p-Br · C6H 4 • NHCOCH 3 .
Während Wasser ein Lösungsmittel ist, das als Protongeber (Säure)
oder als Protonnehmer (Base) wirken kann, ist Chlorbenzol am
"protolytischen" Gleich gewicht nicht beteiligt, es ist ein
"aprotisches" Lösungsmittel. Da Säuren und Basen in derartigen
Lösungsmitteln keine dem Hydroxoniumion und dem Hydroxylion
entsprechenden Ionen liefern, tritt unter diesen Bedingungen aus
schließlich die katalytische Wirksamkeit ihrer unionisierten
Molekeln in Er scheinung. In dieser Hinsicht ist die kinetische
Untersuchung wesentlich ein facher als bei Lösungsmitteln mit
Säure- oder Basencharakter, sie wird aber durch beträchtliche
Dipolwirkungen der Molekeln und durch erhebliche Asso ziation der
Molekeln infolge der niedrigen Dielektrizitätskonstante des Mediums
wesentlich komplizierter. Es besteht daher in vielen Fällen keine
lineare Be ziehung zwischen Geschwindigkeit und
Katalysatorkonzentration. So ist die Geschwindigkeit der Umlagerung
von N-Bromacetanilid bei konstanter Sub stratkonzentration:
v = k [Katalysator]- k1 [Katalysator]2 •
Erst bei hochverdünnter Lösung wird die Geschwindigkeit der
Katalysator konzentration proportional:
v = k [Katalysator].
Zum Vergleich verschiedener Katalysatoren dienen die auf die
Katalysator konzentration 0 extrapolierten Katalysekoeffizienten
k.
Bei Lösungsmitteln mit Basen- bzw. Säurecharakter wird die Stärke
der gelösten Säure (bzw. Base) im allgemeinen auf das Lösungsmittel
bezogen, z. B. bei wässeriger Lösung der Essigsäure:
CH3COOH + H 20 = CH3COO- + H 30-'-
1 J. Arner. ehern. Soc. 49, 2554 (1927). 2 J. org. Chernistry 2,
431 (1938). 3 SieheauchR.P.BELL:HandbuchderKatalyse, herausgegeben
vonG.-M.ScHWAB,
Bd. II, S. 234. Wien: Springer 1940. 4 R. P. BELL: Proc. Roy. Soc.
[London], Ser. A 143, 377 (1934); J. ehern. Soc.
[London] 1936, 1154.- R. P. BELL, S. R. V. H. LEVINGE: Proc. Roy.
Soc. [London], Ser. A 151, 211 (1935). - Andere Arbeiten von R. P.
BELL und Mitarbeitern auf dem Gebiete nichtwässeriger
Lösungsmittel: R. P. BELL, J. F. BROWN: J. ehern. Soc. [London]
1936, 1520. - R. P. BELL, 0. M. LIDWELL, M. W. VAUGHAN-JACKSON:
Ebenda 1936, 1792.- R. P. BELL, E. F. CALDIN: Ebenda 1938, 382.- R.
P. BELL, 0. M. LIDWELL, J. WRIGHT: Ebenda 1938, 1861.- R. P. BELL,
P. V. DANCKWERTS: Ebenda 1939, 1774. - R. P. BELL: Handbuch der
Katalyse, herausgegeben von G.-M. ScHWAB, Bd. II, S. 237. Wien:
Springer 1940.- Siehe auch R. P. BELL: Trans. Faraday Soc. 34, 229
(1938); Annu. Rep. Progr. Chern. 36, 33 (1940). -Siehe auch L. L.
FELLINGER, L. F. AUDRIETH: J. Amer. ehern. Soc. 60, 579 (1938). -
CH. SLo BUTSKY, L. F. AuDRIETH: Trans. Illinois State Acad. Sei.
29, 105 (1936).- S. LIOTTA, V. K. LA MER: J. Arner. ehern. Soc. 60,
1967 (1938).
Nichtwässerige Lösungsmittel.
[CH3COO-] [H30+] _ K ~3C00Hf-- .
Bei aprotischen Lösungsmitteln hingegen muß die Stärke der gelösten
Säure und Base auf ein gewähltes Standard-Säure-Basen-Paar im
betreffenden Medium bezogen werden.
-7,--------------------------------.
Zahlreiche Untersuchungen1 ergaben, daß für Säuren von gleichem
Typus -- auf das gleiche Standard-Säure Basen-Paar bezogen -- die
Stärke nahezu unabhängig vom Lösungs mittel ist. Im Einklange mit
dieser Gesetzmäßigkeit und der BRÖNSTED schen Beziehung steigen
die Loga rithmen der Katalysekoeffizienten für die Umlagerung des
N-Bromacetani lids in Chlorbenzol mit dem Logarith mus der
Ionisationskonstante der Säure in wässeriger Lösung linear an
(Abb2).
"' Hat das nichtwässerige Lösungs- &>
Mofloc/7/oressigsaure
P!7m!J/propiolsäure
7i"!CI7/oressi!Jsaure
:~~t:~ s~~~e~s ~~r d~~si~~:~:n~~:::~~ ~ Katalysen Anteil als
Katalysator. Bei +!3~----_-±2-------_:!--; ------!.0
diesen Lösungsmitteln ist es so wie beim Lösungsmittel Wasser
zweck mäßig, die Stärke der zugefügten Katalysatorsäuren bzw.
-basen auf das Lösungsmittel zu beziehen. Die
--!ogk
Abb. 2. Abhängigkeit der Katalysekoeffizienten der Säuren für die
Umlagerang des N · Bromacetanilids in Chlorbenzol von den
Ionisationskonstanten der Säuren
in wässeriger l1ösung.
CH3COOH + C2H50H ~ CH3COO- + C2H 50H2+.
das
Die Gesetzmäßigkeiten in diesen nichtwässerigen Lösungen sind ganz
analog denen in wässeriger Lösung. Dies zeigen beispielsweise die
Untersuchungen von BRÖNSTED und seinen Mitarbeitern 2 über die
allgemeine Basenkatalyse des Yitramidzerfalls in Isoamylalkohol und
m-Kresol. Nachstehende Tabelle 3 gibt
1 H. GoLDSCHMIDT, C. GöRBITZ, H. HouoEN, K. PAHLE: Z. physik.
Chern. 99, 116 (1921).- N. BJERRUM, E. LARSSON: Ebenda 127, 358
(1927).-- J. N. BRÖNSTED: Ber. dtsch. ehern. Ges. 61, 2049 (1928).
- A. HANTZSCH, W. VOIGT: Ebenda 62, 970 (1929). --V. K. LA MER, H.
C. DoWNES: J. Arner. ehern. Soc. 53, 888 (1931). - W. L. BRIGHT, H.
T. BRISCOE: J. physic. Chern. 37, 787 (1933). -- J. 0. HALFORD: J.
Arner. ehern. Soc. 55, 2272 (1933). - M. KILPATRICK jr., M. L.
KILPATRICK: Chem. Reviews 13, 131 (1933). - J. N. BRÖNSTED, A.
DELBANCO, A. TovBORG-JENSEN: Z. physik. Chern., Abt. A 169, 361
(1934). - F. H. VERHOEK: J. Amer. ehern. Soc. 58, 2577 (1936). --
R. B. MASON, M. KrLPATRICK: Ebenda 59, 572 (1937). D. C. GRIFFITHS:
J. ehern. Soc. [London] 1938, 818.
2 J. N. BRÖNSTED, J. E. VANCE: Z. physik. Chern., Abt. A 163, 240
(1933). J. N. BRÖNSTED, A. L. NICHOLSON, A. DELBANCO: Ebenda 169,
379 (1934).
14 H. ScHMID: Säure-Basen-Katalyse.
einen Überblick über die Katalysekoeffizienten dieser Reaktion in
den Lösungo; mitteln Wasser, m-Kresol und IsoamylalkohoL
Tabelle 3. Katalysekoeffizienten des Nitramidzerfalls in
verschiedenen Lösungsmitteln.
Katalysator
Wasser (Dielektrizitäts konstante 80)
I m-Kresol (Dielektrizitäts
Isoamylalkohol (Dielektrizitäts konstante 5, 7)
0,0092 0,033 0,098 0,063 2,02
17,0
NH2N02 + B = NHN02- + BH+
Protons NH2N02 + A- = HA+ NHN02-
durch ein derartiges Medium hintangehalten. Bei der besprochenen
Umlagerung des N-Bromacetanilids1 zeigt sich hin
gegen kein Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und
Dielektrizitätskon stante des Mediums. BELL führt diese
undurchsichtigen Ergebnisse auf die bereits erwähnten
Assoziationserscheinungen der Molekeln in derartigen Lösungs
mitteln zurück.
Die Zwischenreaktionstheorie der Katalyse läßt erwarten, daß es
auch Reak tionen gibt, bei welchen ganz bestimmte
Katalysator-Säuren bzw. -Basen an den Zwischenreaktionen beteiligt
sind, bei deren Katalysen also nicht der Säure oder
Basencharakter, sondern der individuelle Charakter des Katalysators
ent scheidend ist. In diesen Fällen herrscht dementsprechend keine
Beziehung zwischen Katalysekoeffizienten und Stärke der Säure bzw.
Base. Diese Reak tionen können also nicht zu den
Säure-Basen-Katalysen im eigentlichen Sinne gezählt werden. Ein
Beispiel ist die Hydrolyse der Säureanhydride, die durch
Wasserstoffion und besonders stark durch Basen, wie Hydroxylion und
bestimmte Anionen organischer Säuren katalysiert wird, ohne daß ein
Zusammenhang zwischen katalytischer Wirksamkeit und "Stärke" der
Basen zu erkennen ist 2•
V. Elf'ktronenmechanismus der Säure-Basen-Katalyse. War bisher der
Mechanismus der Säure-Basen-Katalysen nur in seinen
äußeren Umrissen skizziert worden, so sollen nun detaillierte
Reaktionsbilder über die intermediäre Abspaltung und Anlagerung der
Protonen und Hydroxyl ionen bei organischen Molekeln zur
Darstellung gebracht werden.
1 R. P. BELL: Proc. Roy. Soc. [London], Ser. A 143, 377 (1934). 2
M. KILPATRICK: J. Amer. ehern. Soc. 50, 2891 (1928); 52, 1410
(1930). -
M. KILPATRICK, M. L. KILPATRICK: Ebenda 52, 1418 (1930). - Weitere
Literatur siehe S. 25.
Elektronenmechanismus der Säure-Basen-Katalyse. 15
1. Elektronenformeln.
Zu diesem Behufe bedienen wir uns der Elektronenformeln. In diesen
stellt der- "Valenzstrich" zwischen zwei Atomen (z. B. C-C) ein
Elektronenpaar dar, das den beiden Atomen gemeinsam istl. Diese
beiden "anteiligen" Elektronen unterscheiden sich nach dem
Atommodell von RuTHERFORD, BoHR, SoMMlm FELD dadurch voneinander,
daß ihre Rotation um die eigene Achse, der Drall oder Spin
entgegengesetzt gerichtet ist. Nach der Wellenmechanik 2 treten
zwischen Elektronen entgegengesetzten Spins große Anziehungskräfte
kurzer Reichweite, die sogenannten Austauschkräfte, auf. Diese
Bindung durch Aus tauschkräfte eines Elektronenpaares mit
"Spinkompensation" ist eine echte Atombindung3 . Das Symbol der
chemischen Bindung, der Valenzstrich, hat erst durch die
Quantenmechanik "Substanz erhalten" 4 • Beim Zusammentritt der
Atome zu einer chemischen Bindung sind die Atome bestrebt, ihre für
chemische Umsätze maßgebliche äußerste Elektronenschale auf die
Elektronen zahl des im periodischen System folgenden Edelgases zu
bringen 5 . Das Wasser stoffatom hat demnach die Tendenz, die
Elektronenzahl des Heliums 2, die anderen Atome haben das
Bestreben, die Elektronenzahl 8, die den übrigen Edelgasen zukommt,
zu erreichen. Nachstehende Beispiele mögen dieses "Oktett" prinzip
bei chemischen Bindungen veranschaulichen6 • Dabei sind die Außen
elektronen durch Punkte dargestellt.
H-+·H
H:H H-H
H-+-0-+-H --+ H:O:H
H-0-H
H-N-H
ir EISTERT7 bezeichnet auch die nichtanteiligen Elektronenpaare,
also die ein
samen Elektronenpaare, mit einem Strich, und zwar mit einem Strich,
der die
1 Siehe B. EISTERT: Tautomerie und Mesomerie, S. 16. Stuttgart: F.
Enke 1938. 2 Siehe z. B. E. HücKEL: Z. Elektrochem. angew. physik.
Chem. 43, 752 (1937). 3 Zum Unterschied von der echten Atombindung
ist die zwischen Ionen wirkende
Kraft keine chemische Bindungskraft, sondern die CoULOMBsehe Kraft.
Man spricht daher nach EISTERT (a. a. 0.) besser von einer
Ionenbeziehung als von einer Ionen bindung.
4 R. ~OBINSON: Versuch einer Elektronentheorie organisch-chemischer
Reak tionen. Ubersetzt von M. WRESCHNER. Stuttgart: F. Enke
1932.
6 W. KosSEL: Ann. Physik 49, 229 (1916). - G. N. LEWIS: Valence and
the structure of Atomsand Molecules. Übersetzt von G. WAGNER und H.
WOLFF. Braun schweig: Friedr. Vieweg 1927.
6 In anderer Form tritt das Oktettprinzip bei der Ionenbeziehung in
Erscheinung. Im Kochsalz beispielsweise gibt das Natriumatom sein
einziges Valenzelektron an das Chloratom mit sieben äußeren
Elektronen ab, das sich bildende Natriumkation hat die
Elektronenkonfiguration des Edelgases Neon, das im periodischen
System vor dem Natrium steht, und das Chloranion die des Edelgases
Argon, das auf das Chlor folgt. 7 a. a. 0. S. 16.
16 H. ScHMID: Säure-Basen-Katalyse.
gleiche Lage wie die Punktpaare einnimmt; die Elektronenformeln in
dieser Schreibweise sind also :
H-H H-011 H-0-H H-N-H I
H
H-C-H
~ Der Einfachheit halber werden in der Regel die einsamen
Elektronen in den Elektronenformeln nicht eigens zur Darstellung
gebracht, so daß also bei dieser Schreibweise die üblichen Symbole
für die Atome (H, 0, C) die betreffenden Atome abzüglich der
anteiligen Elektronen bedeuten.
2. Induktive Effekte. Sind die beiden miteinander verbundenen Atome
verschieden, so ist das
anteilige Elektronenpaar demjenigen Atomkern mehr zugeordnet, der
die größere Elektronenaffinität besitzt. Das Symbol dafür ist ein
Bindestrich, der sich gegen das Atom verstärkt, dem das
Elektronenpaar mehr zugehört, z. B. C-.Cl. Die Elektronenaffinität
ist im allgemeinen um so größer, je größer die positive Ladung des
Atomkerns ist. Die elektrischen Ladungen sind demnach auf die
beiden Atome unsymmetrisch verteilt, das Atompaar ist ein Dipol1 •
Da in vor liegendem Beispiel das Chloratom die größere
Kernladungszahl2 besitzt, die bekanntlich mit der Ordnungszahl im
periodischen System identisch ist, gehört das anteilige
Elektronenpaar der Atombindung c ... cl mehr dem Chlor als dem
Kohlenstoff an; das Chloratom ist daher in dem Molekelverband
negativ, das Kohlenstoffatom demgemäß positiv geladen, was durch
folgende Bezeichnung zum Ausdruck gebracht wird: C<~~Cl.
<h J_
Die Polarität kann noch durch Induktion anderer elektrisch
geladener Teil chen, die in der nächsten Umgebung des Dipols sind,
verstärkt werden. Die polarisierte Bindung nimmt eine
Mittelstellung zwischen der Atombindung und der Ionenbeziehung ein.
Diese "Quasi" -ionen der polarisierten Molekel nennt man nach H.
MEERWEIN 3 Kryptoionen. Sie spielen bei chemischen Umsetzungen in
Lösungen eine bedeutende Rolle4 • Die elektrische Unsymmetrie macht
sich nicht nur unmittelbar bei dem betreffenden Dipol geltend,
sondern setzt sich mit Hilfe der elektrostatischen Induktion durch
die Molekel fort 5 ; wir können von einem Elektronenzug sprechen,
den das "Schlüssel"-atom (hier Chlor) ausübt. H H H
Zum Beispiel: A ;. ;. Cl ... c ... c .. c ... H
"f "f "f HHH
Außerdem kann die elektrische Unsymmetrie des Dipols den
"alternierend induktiven" Effekt hervorrufen6 : Die stärkere
Bindung der Elektronen an das
1 P. DEBYE: Polare Molekeln. Leipzig: S. Hirzel 1929. 2
Kernladungszahl von Chlor 17, von Kohlenstoff 6. 3 Liebigs Ann.
Chem. 465, 227 (1927). 4 Siehe z. B. K. A. CooPER, E. D. HUGHES: J.
ehern. Soc. [London] 1937, 1183.
E. D. HUGHES, CH. K. !NGOLD, A. D. ScoTT: Ebenda 1937, 1271. - J.
KENYON. S. M. PARTRIDGE, H. PmLLIPS: Ebenda 1937, 207. - C. L.
ARcus, M. P. BALFE, J. KENYON: Ebenda 1938, 485.
5 Siehe W. KossEL: Ann. Physik (4) 49, 229 (1916). - ÜH. K. lNGOLD:
Chem. Reviews 15, 225 (1934).
6 W. 0. KERMAcK, R. RoBINSON: J. ehern. Soe. [London] 1922,431.- F.
ARNDT, B. EISTERT: Ber. dtseh. ehern. Ges. 68, 193 (1935). - B.
EISTERT: Tautomerie und Mesomerie. a. a. 0.
Elektronenmechanismus der Säure-Basen-Katalyse. 17
Schlüsselatom bewirkt eine Lockerung aller Elektronen des mit dem
Schlüssel atom verbundenen Atoms; diese verringerte
Elektronenaffinität des Atoms hat wieder verstärkte
Elektronenaffinität des nächsten Atoms im Molekelverband zur Folge
usw.
Zum Beispiel: HHH T A Y
Ch•·C~CtJ>C~H .! T A HHH
Die elektrostatische Induktion wirkt durch den Raum, der
alternierend induktive Effekt pflanzt sich hingegen durch das
Elektronensystem selbst fort!. Außer diesen beiden
Erscheinungsformen ist noch die räumliche Wirkung der Substituenten
in Rechnung zu ziehen. Es ist also zu erwarten, daß der Sub
stituenteneinfluß nur dann durchsichtig ist, wenn einer der
obengenannten Effekte vorherrschend ist.
3. Elektromerer Effekt. Im Gegensatz zu der beschriebenen
Elektronenverschiebung, bei der die
Elektronen in ihrem Oktett verbleiben, treten bei der
"elektromeren" Ver schiebung Elektronen aus einem Oktett in ein
anderes über, was eine weitere Elektronenwanderung zur Folge
hat.
Wird beispielsweise bei dem Aldehyd
H:N:C~C:C~O:
H-N-C=C-C=O i I I I I HHHH
das einsame Elektronenpaar des Stickstoffs anteilig, was durch
einen Pfeil zum Ausdruck gebracht werden soll: 1\
R-N '~'c. I
H so geht unter Aufrechterhaltung der Oktetts folgende elektromere
Verschiebung (Bindungsverschiebung) vor sich:
H-N '~'c~c"' c · o1
was zur Bildung des Dipol~:
I I I I H H H H
(+> 1->
führt. Ausgangsprodukt und Endprodukt unterscheiden sich nur in der
Elek tronenverteilung, nicht in der Atomkonfiguration. Die beiden
Strukturformeln
1 Nach INGOLD ist die elektrostatische Induktion in den meisten
Fällen aus schlaggebend, da der durch die Bindungselektronen
wirkende Effekt über mehr als 2 Bindungen sehr stark absinkt. R.
GANE, CH. K. lNGOLD: J. ehern. Soc. [London] 1929, 1692. Siehe
dagegen die unter Anm. 6, S. 16 angegebene Literatur.
2 Der elektromere Effekt wird als positiv ( +E) bezeichnet, wenn im
benach barten System eine Elektronenanhäufung bewirkt wird, und im
entgegengesetzten Falle als negativ; daher hat hier die Aminogruppe
einen positiven und die Carbonyl gruppe einen negativen
elektromeren Effekt.
Handbuch der Katalyse, Bd. VII/1. 2
18 H. ScHMID: Säure-Basen-Katalyse.
sind als Grenzformeln anzusehen; da es sich nur um
Elektronenverschiebung handelt, sind alle Stadien zwischen den
Grenzzuständen möglich. Die wirkliche Elektronenverteilung der
Molekelliegt nach PAULING und seinen Mitarbeitem1
und nach ÜJL K. INGOLD 2 zwischen den beiden durch die Formel
dargestellten Ex tremen. Dieser Zwischenzustand wird nach On. K.
IN GOLD Mesomerie genannt3. Zur Bezeichnung mesomerer Molekeln
bedient sich EISTERT der beiden Grenz formeln, zwischen denen er
das Zeichen~-')- setzt. Bei vorliegendem Beispiele also:
lt) 1-)
H-N-0=0-0=0 I ~-')- H-N =0-0=0-0 I 1 I I I HHHH ~~~~
On. K. INGOLD4 bringt hingegen die mesomere Molekel in einer
einzigen Formel zur Darstellung :
/\ {'. {'. H-N-0-0-C-0 I
wobei die verteilten Elektronenpaare durch gebogene Bindungszeichen
versinn bildliebt werden. Da bei jeder Doppelbindung ein
Elektronendublett verschieb bar ist5 , tritt Mesomerie bei allen
Molekeln mit Doppelbindung in Erscheinung.
Außer der Einfach- und der Doppelbindung weisen chemische
Verbindungen häufig "semipolare" Bindung auf. So ist in der
Nitrogruppe nur ein Sauerstoff atom mit dem Stickstoffatom durch
Doppelbindung verknüpft6 , das andere wird semipolar festgehalten,
indem es mit dem Stickstoffatom durch ein einziges Elektronenpaar
verbunden ist, das ausschließlich vom Stickstoff geliefert
wird:
01 R-N/
~01
Der Pfeil bringt zum Ausdruck, daß beide Bindungselektronen vom
Stickstoff atom stammen.
VI. Die Kohlenstoff-Wasserstoft!..ßindung und die
Säure-Basen-Katalyse.
Wie bereits erläutert wurde, besteht der Primärprozeß der
allgemeinen Basenkatalyse in dem Übergang des Protons vom Substrat
zur Katalysator base. Dieser Vorgang erfolgt um so leichter, je
leichter das Wasserstoffatom seine Anteiligkeit am Elektronenpaar
der Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindung zu gunsten des
Kohlenstoffatoms verliert und als Proton abionisiert. Während die
Ionisierungstendenz aromatisch gebundener Wasserstoffatome für
einen der artigen Mechanismus im allgemeinen zu gering ist, kann
das Ionisierungsbe streben der Wasserstoffatome aliphatischer
Kohlenwasserstoffe durch Ein führung bestimmter Atomgruppen in
ausreichendem Maße gesteigert werden. Diese Atomgruppen, wie RS02 ,
RCO, N02 , wirken - sei es durch elektrosta-
1 Siehe z. B. L. PAULING, G. W. WHELAND: J. ehern. Physics 1933 I,
362. 2 Nature 133, 946 (1934). 3 Man begegnet oft auch der
Bezeichnung "Resonanz". Für die Mesomerie von
Ionen hat sich der Ausdruck "Synionie" eingebürgert. C. PREVOST, A.
KIRRMANN: B11ll. Soc. chim. France (4) 49, 194 (1931).
·1 Ohern. Reviews 10, 250 (1934). 5 Vgl. S. 31. 6 Wären beide
Sauerstoffatome an das Stickstoffatom doppelt gebunden, dann
wäre die Bindungselektronenzahl beim Stickstoffatom nicht acht,
entsprechend der Oktettregel, sondern zehn.
Die Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindung in der Säure-Basen-Katalyse.
19
tische Induktion, sei es durch den alternierend-induktiven Effekt,
sei es durch den elektromeren Effekt - lockernd auf das an dasselbe
Kohlenstoffatom ge bundene Wasserstoffatom. Werden mehrere
Wasserstoffatome der Methau molekel durch die oben angeführten
Gruppen substituiert, so bilden die resultie renden Verbindungen
mit Alkalien bereits beständige Salze. Bei der Nitrogruppe genügt
schon die Substitution eines einzigen Wasserstoffatoms. A. HANTZSCH
und A. VEIT1 haben die langsame Neutralisation des Nitromethans mit
Lauge durch Messung der elektrischen Leitfähigkeit kinetisch
verfolgt. S. H. MARON und V. K. LA MER2 haben die Neutralisation
des Nitromethans mit OD--Ionen in schwerem Wasser kinetisch
untersucht. Die Reaktion ist etwa l,4mal so rasch als die mit
OH--Ionen in Wasser, wofür in erster Linie die stärkere Alkalität
der OD--Ionen verantwortlich gemacht wird.
Im Zusammenhang mit diesen Neutralisationen steht die Bromierung
und Ohlorierung von Nitromethan. R. JuNELL3 und K. J. PEDERSEN4
fanden: Die Ge schwindigkeit der Bromierung und Chlorierung von
Nitromethan ist proportional der Nitromethankonzentration, aber
unabhängig von der Chlor- und Bromkonzen tration; die
Geschwindigkeit der Chlorierung und Bromierung ist unter gleichen
Bedingungen dieselbe. Die Halogenierung des Nitromethans ist eine
typische allgemeine Basenkatalyse, die Anionen schwacher Säuren
sind Katalysatoren, während Säuren keinen Einfluß auf die
Reaktionsgeschwindigkeit haben. Aus diesen Ergebnissen läßt sich
folgern, daß die zeitbestimmende Reaktion für die Halogenierung des
Nitromethans die Primärreaktion
CH3N02 + Anion ~ CH2N02- + Säure,
also die Säure-Basen-Reaktion ist. Ebenso groß wie die
Geschwindigkeit der durch Acetation katalysierten
Bromierung des Nitromethans ist die der durch Acetation
beschleunigten Substi tution des Wasserstoffs durch
Deuterium5
CH3N02 + D 20 = CH2DN02 + DHO.
Es ist also auch bei dieser Wasserstoff-Deuterium-Austauschreaktion
die zeit bestimmende Reaktion durch die
Säure-Basen-Gleichung:
CH3N02 + CH3COO- ~ CH2N02- + CH3COOH g~e~n. _
Da - zum Unterschied von den Nitroparaffinen in alkalischer Lösung
- die Ionisierung des Substrats in der Regel sehr gering ist,
verläuft bei derartigen Austauschreaktionen die Loslösung des
Protons vom Kohlenstoff viel langsamer als die Wiederanlagerung des
Protons, bzw. Deuterons.
RH+ B- ~ R- + HB zeitbestimmende Reaktion R- + DB ~ RD + B- rasche
Folgereaktion
RH+ DB ~ RD+ HB.
In diesen Fällen ist die zeitbestimmende Reaktion des
Deuteriumaustausches die Ionisierung des Substrats, also die
Deuteriumaustauschgeschwindigkeit gleich der
Ionisierungsgeschwindigkeit, weshalb derartige Austauschreaktionen
häufig zur Bestimmung der Ionisierungsgeschwindigkeit herangezogen
werden.
1 Ber. dtsch. ehern. Ges. 32, 615 (1899). 2 J. Amer. ehern. Soc.
60, 2588 (1938). ~ Z. physik. Chem., Abt. A 141, 71 (1929). • Kgl.
danske Vidensk. Selsk., math.-fysiske Medd. 12, 1 (1932). 5 0.
REITz: Z. physik. Chem., Abt. A 176, 363 (1936); Handbuch der
Katalyse,
herausgegeben von G.-M. ScHWAB, Bd. li, S. 276. Wien: Springer
1940. 2*
20 H. SCHMID: Säure-Basen-Katalyse.
CH. K. lNGOLD, E. DE SALAS und CH. L. WrLSON1 studierten unter
Anwendung
dieser Methodik die Umlagerung des Cyclohexenylacetonitrils in
Cyclohexyliden
acetonitril. CH2-CH2-C=CH--CN
--7 I I CH2-CH2-CH2
Es liegt hier eine tautomere Umwandlung vor, bei der sich das
gebildete Isomere
von der Ausgangssubstanz durch die Lage eines Wasserstoffatoms und
durch das
Bindungssystem unterscheidet. Wie W. WrSLICENUS 2 bereits erkannte,
besteht
der Mechanismus derartiger tautomerer Umlagerungen in der
Abionisation eines
Protons, Umwandlung des Bindungssystems des entstandenen Anions und
Wieder
eintritt des Protons in seine neue Position. Der Mechanismus kann
also durch
folgendes Schema charakterisiert werden :
X=Y-Z ~+ ~~-Y=Z.
Elektronenverteilung zwischen diesen beiden Strukturen liegt und
das in der
Schreibweise von lNGOLD durch die Formel charakterisiert wird
:
'\ (' X--Y---'---Z
xly Lz + H+ -=<'>-· H-X-Y=Z.
Da die Umlagerungen reversibel sind (was durch die beiden Pfeile ~~
zum Aus
druck gebracht wird), sind beide tautomeren Formen Säuren mit ein
und dem
selben Anion, nämlich dem mesomeren Ion. Nach TH. M. LowRY3 nennt
man Isomerisierungen, bei denen Platzwechsel
eines Protons erfolgt, prototrope Reaktionen. Die Prototropie ist
ein Spezial
fall der Ionotropie4, bei der irgendein Ion, sei es ein Kation
(Kationotropie5 )
oder ein Anion (Anionotropie 6), abgespalten und an anderer Stelle
wieder ange
lagert wird. Wird Cyclohexenylacetonitril in schwerem Alkohol
aufgelöst, so ionisiert ein
Proton aus der der acidifizierenden Cyangruppe benachbarten
CH2-Gruppe ab
und an seine Stelle tritt sehr rasch D+ aus dem schweren Alkohol.
Diese Aus
tauschreaktion erfolgt viel rascher als die tautomere Umlagerung in
das Cyclo
hexylidenacetonitril, so daß es auf diesem Wege möglich ist, die
Ionisierung un
abhängig von der prototropen Umlagerung zu bestimmen.
1 J. ehern. Soc. [London] 1936, 1328. - Ein anderes Beispiel D. J.
G. IVES:
Ebenda 1938, 91. 2 Über Tautomerie. Ahrens-Sammlung Bd. 2, S. 187.
Stuttgart 1898. - Siehe
J. W. BAKER: Tautomerism, S. 30. London 1934. 3 J. ehern. Soc.
[London] 1923, 822. 4 TH. M. LOWRY: Bericht über die zweite
Solvay-Konferenz 1925, 182. 5 CH. K. INGOLD: Ann. Rep. ehern. Soc.
[London] 24, 106 (1927). - Zu den
kationotropen Reaktionen gehören die Benzidinumlagerung, die
FRIEssehe Ver
schiebung acylierter Phenole in Ortho-oxyacetophenone und die
ÜLAISENsche Um
lagerung von Phenolallyläthern in Allylphenole. Siehe z. B. E.
MüLLER: Neuere An
schauungen der organischen Chemie, S. 355. Berlin: Springer 1940. 6
CH. K. !NGOLD: Ann. Rep. ehern. Soc. [London] 24, 106 (1927). - Zu
den
anionotropen Reaktionen zählen die Cannizzaroreaktion,
Benzylsäure-, Pinacolin-,
WAGNER-MEERWEIN-, BECKMANN-Umlagerung und die Abbaureaktionen von
A. W.
HOFMANN, CURTIUS und LossEN. Siehe E. MüLLER: a. a. 0.; B. EISTERT:
a. a. 0.;
J. W. BAKER, E. ROTHSTEIN: a. a. 0. und W. HücKEL: Theoretische
Grundlagen der
organischen Chemie. Leipzig: Akademische Verlagsgesellschaft 1940
und 1941.
Die Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindung in der Säure-Basen-Katalyse.
21
Mit Hilfe der Austauschreaktion mit schwerem Wasserstoff gelang es
auch, den Substituenteneinfluß auf die Ionisierung der 0-H-Bindung
in der Metharr molekel zu ermitteln. K. F. BoNHOEFFER, K. H. GEIB
und 0. REITZ1 haben folgende Reihe für die protonenlockernde
Wirkung der Substituenten aufgestellt: N02 :P CO~ CN > CONH2
:?> COO- > S03- ~lHalogen > C6H 5 > H > OH >
CH3•
Die links vom Wasserstoff stehenden Atomgruppen erhöhen die
Ionisierungs tendenz, die rechts vom Wasserstoff angeführten
Radikale verringern die Ioni sierungstendenz. Diese fällt in der
Reihe von links nach rechts. Die N02- und CO-Gruppe stehen wegen
ihres großen elektromeren Effekts 2 an erster, die Alkylgruppen und
die Hydroxylgruppen hingegen wegen ihres geringen induk tiven
Effekts an letzter Stelle. Dieser kann überhaupt erst beobachtet
werden, wenn eine stärker acidifizierende Gruppe gleichzeitig
zugegen ist.
Die Ionisierung der C-D-Bindung erfolgt mehrmals langsamer als die
der C-H-Bindung. Da in vielen Fällen die Ionisierung der
zeitbestimmende Vor gang ist, ist der Geschwindigkeitsunterschied
derartiger Reaktionen direkt ein Maß für den Unterschied der beiden
Ionisierungstendenzen. Ein derartiger Umsatz ist beispielsweise
wieder die basenkatalysierte Bromierung von "leich tem" und
"schwerem" Nitromethan3 . Trideutero-Nitromethan reagiert mit den
Katalysatorbasen vier- bis siebenmal langsamer als leichtes
Nitromethan.
In kinetischer Hinsicht ist der Halogenier7mg des Nitromethans die
des Acetons4 sehr ähnlich, wo ein Wasserstoffatom des Methans statt
durch die N0 2-
Gruppe durch die acidifizierende CH3CO-Gruppe ersetzt ist. Auch
hier haben wir bei ·der Basenkatalyse als Primärreaktion den Umsatz
anzusehen:
CH8 CH2
CH3
Die Protonbeweglichkeit im Aceton wurde auch damit erklärt, daß das
Aceton mit seinem tautomeren Enol
im Gleichgewicht stehe und daß erst die Hydroxylgruppe der Enolform
befähigt sei, das Proton abzuspalten. Für diese Anschauung wurden
die Beobachtungen L. CLAISENs ins Treffen geführt, daß sich die
rein gewonnene Enolform von Triacylmethanen im Gegensatz zu der
gleichfalls isolierten Ketoform sofort in Alkali löst. Aus dem
Ausbleiben der charakteristischen Enolreaktionen5 beim Aceton wurde
geschlossen, daß die Menge des Enols, das für die Acidität allein
bestimmend sei, im Gleichgewichte wohl sehr klein sei, daß sich
aber das Gleich gewicht zwischen Keto- und Enolform immer äußerst
schnell einstelle. F. ARNDT und C. MARTIUS 6 konnten jedoch durch
Nachweis von C-Methylderivat bei der Methylierung mit Diazornethan
den direkten sauren Charakter der C--H-Bindung aufzeigen. Das
\Vesen der Methode besteht darin, daß das Methylen des Diazo-
1 J. ehern. Physics 7, 664 (1939). 2 S. 17. 3 0. REITZ: Z. physik.
Chem. 176, 363 (1936). 4 Auf S. 45 wird eine zusammenfassende
Darstellung dieser Reaktion gebracht. " Siehe z. B. H. P. KAUFMANN,
G. WoLFF: Ber. dtsch. ehern. Ges. 56, 2521
(1923). - H. P. KAUFMANN, E. RICHTER: Ebenda 58, 216 (1925). 6
Liebigs Ann. Chem. 499, 252 (1932).
22 H. ScRMID: Säure-Basen-Katalyse.
methaus mit dem beweglichen Proton Methyl gibt, das an derselben
StellE' ww das lockere Proton gebunden ist.
H H H H I I~· _,
' i I I C <E- 1\ NI -3> IN-KI; R-H-+-IC -3>
H<E-C<E-R. I I i I :H H H H
Für die tautomere Umlagerung ist - wie wir bereits erläutPrt haben
die Protonbeweglichkeit Voraussetzung; die Tautomerie ruft aber
nicht erst die Protonbeweglichkeit hervor. Für dietlelbe ist nach
dem vorher Gesagten der induktive Effekt von Substituenten (hier
CO) verantvmrtlich zu machen. Die Untersuchungen von ARNDT und
f\'[itarbeitern 1 ergaben folgende Bedingungen für die freiwillige
Tautomerisierung:
Das Wasserstoffatom ist an das Kohlenstoffatom fester gebunden als
an das Sauerstoffatom, daher ist bei der Keto-Enol-Umlagerung der
Übergang des Protons vom Kohlenstoff zum Sauerstoff nach der
chemischen Thermodynamik mit einer Vermehrung der freien Energie
verknüpft (prototroper Arbeitsauf wand). Die Isomerisierung kann
nur von selbst verlaufen, wenn diese Ver mehrung der freien
Energie durch die Abnahme der freien Energie eines anderen
Prozesses überkompensiert wird. Dieser Prozeß ist im Sinne THIELEs
der Über gang des Bindungssystems durch elektromere Verschiebung
in ein konjugiertes System. Der prototrope Arbeitsaufwand wird
durch protonlockernde Substitu enten herabgesetzt. Zur Umwandlung
in ein konjugiertes System durch Elektro merie sind mindestens
zwei Gruppen nachstehender Reihe in ß -Stellung: er forderlich.
0
-~=0 > -~·=o > -c-~N > -N".to.
R 0-R
Die weiter links stehende Gruppe enolisiert dann vorwiegend,
während die andere als "Konjugationspartner" fungiert. Die
Aldehydgruppe vermag ohne Konjugationspartner zu enolisieren,
vorausgesetzt, daß der prototrope Arbeits aufwand entsprechend
herabgesetzt ist (z. B. durch zwei Sulfonylgruppen).
Konjugationspartner für die freiwillige Enolisierung sind außer der
angeführten Reihe und der Aldehydgruppe noch die oiefinisehe
Doppelbindung, aromatische Systeme und Atome mit einsamen
Elektronenpaaren (Äthersaucrstoff, Sulfid schwefel,
Aminstickstoff).
Ist der Kohlenstoff, an den das bewegliche Proton gebunden ist,
Asymmetrie-
zentrum (R, { x), so tritt bei der tautomeren Umlagerung
Racemisieru.ng
R2 ein. Da die Racemisierung so wie der prototrope Vorgang durch
die Abwanderung des Protons vom asymmetrischen Kohlenstoffatom
eingeleitet wird 2, wirken Katalysatoren und Substituenten in
gleicher Weise wie bei den prototropen Um lagerungen3. Das
Hydroxylion undÄthoxylion haben dank ihrer großen Protonen
affinität besonders starken katalytischen Einfluß 4 • Die von CH.
K. INGOLD.
1 F. A:RNDT, H. ScROLZ, E. FROBEL: Liebigs Ann. Chem. 521, lll
(1936). 2 Mechanismus der Racemisierung nach LowRY S. 43. 3
Zusammenfassender Bericht: CR. L. WrLSON: J. chem. Soc. [London]
1934, 98. 4 Säurekatalyse der Racemisierung S. 40.
Hydroxyl-, Alkoxyl- illld Oxoniumgruppe. 23
CH. W. SHOPFEE und J. F. THORPE 1 vorgenommene Reihung der Gruppen
X in der Verbindung R 1R 2CHX nach ihrem Einfluß auf die
Protonbeweglichkeit
002- < CONH2 < COOH < COOR <COOl< COR <ON
hat auch im Hinblick auf die Racemisierungsgeschwindigkeit Geltung.
Sind R1 und R 2 elektronenabstoßende Substituenten, so bewirken sie
Anhäufung negativer Elektrizität am asymmetrischen Kohlenstoffatom,
erschweren daher die Abwanderung des Protons vom Kohlenstoffatom
und die Annäherung des negativen Hydroxylions. Dementsprechend läßt
sich der verzögernde Einfluß der Gruppen R auf die
basenkatalysierte Racemisierung der Verbindungen vom Typus S02(CHR
· COOH) 2 nach R. AHLBERG 2 in folgender Weise reihen:
CH3 < C2H 5 < ß -C3H 7 •
Elektronenanziehende Gruppen haben dementsprechend einen
gegenteiligen Effekt, z. B. die Halogene (Chlor, Brom) bei der
Racemisierung der Ester vom Typus: C6H 5 • CHHlgCOOR3 •
VII. Hydroxyl-, Alkoxyl- und Oxoniumgruppe und die
Säure-Basen-Katalyse.
Der Sauerstoff der Hydroxyl- und Alkoxylgruppe besitzt zwei einsame
Elektronenpaare, von denen eines anteilig werden kann4 • So vermag
der Sauer stoff der Alkoxylgruppe ein Proton zu binden.
R1-~-R2 + H+ -+ IR1-0(:2r Der Sauerstoff ist bei der
Protonanlagerung dreibindig geworden. Da die Elek tronenaffinität
des Sauerstoffs irrfolge seiner höheren Kernladung größer ist als
die der Kohlenstoffatome in den Radikalen R 1 und R 2 , beansprucht
das Sauerstoffatom die zwei Elektronen von R 1 und R 2 überwiegend,
die Wertig keit des Sauerstoffs ist daher nach ARNDT5 minus 2,
wä~end die von R 1
bzw. R 2 plus l ist. Dies gilt sowohl für die Verbindung R 1-0-R2
als auch für
I R1-~-R2r· Somit ist der Sauerstoff in der Verbind~ng lR1-?-R2l+ .
H H I
minus 2-wertig und 3-bindig. Man nennt Komplexe, bei denen die
Bindung des Zentralatoms (hier Sauerstoff) um eins größer ist als
seine Wertigkeit, "Onium Komplexe". Sie sind für die Säurekatalyse
alkoxylhaltiger Verbindungen von großer Bedeutung6 • So wird bei
der Hydrolyse von Äthern, Acetalen und Ortho estern, die von
Wasserstoffionen katalysiert wird 7, als Primärvorgang die Bildung
des Oxoniumkomplexes aus Substrat und Katalysator angesehen. Das
weitere
1 J. chem. Soc. [London] 1926, 1477. - J. W. BAKER: Tautomerism, a.
a. 0. S. 44f. - Vgl. Reihung von BoNHOEFFER, GEIB und REITZ S.
21.
2 Ber. dtsch. chem. Ges. 61, 817 (1928). 3 A. Mc. KENZIE, I. A.
SMITH: Ber. dtsch. chem. Ges. 58, 906 (1925); J. ehern. Soc.
[London] 123, 1964 (1923). 4 Ob auch das zweite einsame
Elektronenpaar anteilig werden kann, ist noch
nicht erwiesen. 5 Siehe B. EISTERT: Tautomerie und Mesomerie, a. a.
0. S. 21. 6 J. H. KASTLE: Amer. chem. J. 19, 894 (1898). 7 Die
umfangreiche Literatur von A. SKRABAL illld seinen Mitarbeitern
siehe
S. ö4 und 65. - Übrige Literatur: J. N. BRÖNSTED, W. F. K.
WYNNE-JONES: Trans. Faraday Soc. 25, 59 (1929). - J. N. BRÖNSTED,
C. GROVE: J. Amer. chem. Soc. 52, 1394 (1930). - H. S. HARNED, N.
N. T. SAMARAS: Ebenda 54, 1 (1932). - J. C. HORNEL, J. A. V.
BUTLER: J. ehern. Soc. [London] 1936, 1361. - J. LÖBERING,
24 H. ScHMID: Säure-Basen-Katalyse.
H +
'0-H
Der gleiche Primärvorgang wird bei der Wasserstoffionkatalyse der
Esterhydrolyse angenommen I, 2:
0 II
R 1-C-0-R2 + H 30+ -"
A. FLEISCHMANN: Ber. dtsch. ehern. Ges. 70, 1713 (1937).- J.
LöBERING, V. RANK: Ebenda 70, 2331 (1937). - W. J. C. 0RR, J. A. V.
BuTLER: J. ehern. Soc. [London] 1937, 330. - W. E. NELSON, J. A. V.
BuTLER: Ebenda 1938, 957. - F. BRESCIA, V. K. LA MER: J. Amer.
ehern. Soc. 60, 1962 (1938). - P. M. LEININGER, M. KIL PATBICK:
Ebenda 60, 1268, 2891 (1938); 61, 2510 (1939). - L. C. RmscH, M.
KIL PATRICK: Vortrag bei der Tagung der American Chemical Society
in Boston, Sep tember 1939. - H. BöHME: Ber. dtsch. ehern. Ges.
74, 248 (1941).
1 Gesamter Mechanismus siehe S. 51. 2 In ähnlicher Weise wird die
Wasserstoffionkatalyse der Säureamidhydrolyse
auf die intermediäre Bildung eines Ammoniumions zurückgeführt,
indem das einsame Elektronenpaar des Stickstoffs zur Bindung des
Wasserstoffions anteilig wird.
/"' 0 10-H II /H I
R-C-N( + H 20 "-7 R-C-0-H (schnell); H -
10-H I
H I N/"ii - "n
-" RCOOH -L NH4+ (schnell).
- F. REm: Amer. ehern. J. 21, 284 (1899); 24, 397 (1900). - S. F.
AcREE, S. NIRD LINGER: Ebenda 38,489 (1907). -J. C. CROCKER: J.
ehern. Soc. [London] 1907,593. J. C. CROCKER, F. H. LowE: Ebenda
1907, 952. - S. KILPI: Z. physik. Chem. 80, 165 (1912). - N. v.
PESKOFF, J. MEYER: Ebenda 82, 129 (1913). - H. v. EULER, A.
ÖLANDER: Ebenda 131, 107 (1928).- TH. W. J. TAYLOR: J. ehern. Soc.
[London] 1930, 2741.
Hydroxyl-, Alkoxyl- 1md Oxoniumgruppe. 25
Der Primärvorgang bei der durch Säuren katalysierten Hydrolyse von
Säure a.nhydriden läßt sich in analoger Weise darstellen 1 :
R I ' C=O' I
101 +HB
10-H +B-; I C=O
I_~ R-C-0-H
i! 0
I (+)
I~ / I /
1- H+;
Auch die Säurekatalysen verschiedener Dehydratationen werden auf
zwischenzeit liehe Bildung von Oxoniumkomplexen zurückgeführt. So
ist nach E. D. HuGHES und CH. K. lNGOLD 2 der Mechanismus der
Olefinbildung aus Allcoholen3 durch folgende Reaktionsgleichungen
im wesentlichen gekennzeichnet:
HH r HHH + R-6-6-0-H + HB --'>- R-6-6-6-H + B-
I I I I - HH RH
H H H
+ H
Um gute Ausbeute an Olefinen zu erzielen, ist die Säure im
Überschuß anzu wenden, da dadurch der Alkohol weitgehend in den
Oxoniumkomplex über geführt wird. Ist hingegen Alkohol im
Überschuß, dann reagiert derselbe mit dem Oxoniumkomplex unter
Bildung von Äther:
R-:_:_( \:_HI++ R-0-H --'>- R-:_:_0-R + H 30+. I I - - - I I
-
HH HH Der Chemismus der Atherbildung aus Alkohol nach
WILLIAMSON:
ROH + HB --'>- RB + H 20 RB+ ROH --+ R-0-R + HB
hat sich als nicht stichhaltig erwiesen. Nach diesem
Reaktionsschema tritt also bei Schwefelsäure als Katalysator (HB) 4
Äthylhydrosulfat (RB), bei Salzsäure
1 K. J. P. ORTON, M. JoNES: J. ehern. Soe. [London] 101, 1708
(1912). - J. BöESEKEN, A. ScHWEIZER, G. F. VAN DER WANT: Reeueil
Trav. ehim. Pays-Bas 31, 86 (1912).- B. H. WILSDON,N. V. SIDGWIOK:
J. ehern. Soe. [London] 1913, 1959; 1915, 679. - P. E. VERKADE:
Reeueil Trav. ehim. Pays-Bas 35, 79, 299 (1915); 40, 192, 199
(1920).- A