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Kieselschiefer und Kupfererze als vorgeschichtlicheWerkstoffbasen im Sauerland

146 Geographische Kommission für Westfalen

Die Steinwerkzeuge der Jäger undSammlerFrühe menschliche Aktivitäten in derSteinzeit werden überwiegend durchSteinwerkzeuge belegt. Der bevorzugteRohstoff ist im südwestfälischen Berg-land (Südergebirge) zu 80–90 % der ört-liche Kieselschiefer. Diese Gesteinsartist aus kieseligen planktonischen Mee-

resablagerungen der Unterkarbonzeitentstanden, namentlich in den Schichtendes Tournai und Visé. Kieselschieferquert als schmale Schichtrippe bandför-mig das Nieder-, Kern- und Ostsauer-land von Südwest nach Nordost undbegleitet den Gebirgsrand zur Medeba-cher Bucht (Abb. 1). Das tiefschwarzebis graugrüne Gestein weist bei hoher

Festigkeit eine gute Spalt- und Bearbeit-barkeit aus. Auf Schlag hin entstehenAbsplisse mit muscheligem Bruch undscharfen Kanten. Die infolge derGebirgsfaltung meist hochgestelltenSchichten sind in der Regel durch denGebirgsdruck plattig geschiefert undbilden in der Landschaft markante Härt-lingskuppen. Außerhalb des Gesteins-verbundes sind Kieselschiefergerölle inden Schotterfenstern der eiszeitlichenFlussterrassen der die Kieselschiefer-schichten querenden Flüsse leicht zugewinnen.

Einen geringeren Anteil (10–20 %)haben Werkzeuge aus Feuerstein, auchFlint genannt.

Feuerstein als Knolle aus den Kalk-schichten der Kreidezeit kommt imSüdergebirge mangels entsprechenderSchichten nicht vor.

Er findet sich in den Ablagerungender Saaleeiszeit als dunkelbraunesGeröll mit weißer Rinde bis zur Haaram Südrand der westfälischen Buchtund auch in den Endmoränen am Nie-derrhein. Als baltischer Moränenfeuer-stein wurde Flint seit der Mittelsteinzeitvon Norden in das Südergebirge übermehr als 100 Kilometer importiert. Ingeringerem Maße wurden auch Quarz,Hornstein, Karneol und in der Mittel-steinzeit „Maaseier“ (Strandgerölle desTertiärs) verarbeitet.

Zwei Flintklingen im MeschederRuhrtal aus Rijckholt-Feuerstein wei-sen auf Beziehungen zu den etwa 200Kilometer westwärts liegenden Berg-werken der Jungsteinzeit an der oberenMaas hin. Die feinkörnigen Sandsteineder karbonischen Schichten des Arns-berger Waldes dienten zur Herstellungvon Reib- oder Schleifsteinen. Nebendem heimischen „Grünstein“ Diabaswurde auch importierter grünlicherHornblendeschiefer (Amphibolit) in derJungsteinzeit zu Beilen verarbeitet.Dennoch wurde bei der Rohstoffwahlder dunkle, gut gebankte Kieselschieferbevorzugt. Der Härtegrad 6–7 qualifi-zierte ihn zum „Stahl der Steinzeit“ imsauerländischen Südergebirge.

Die Jagdplätze der Altsteinzeit zei-gen eine deutliche Orientierung an denTalauen der Ruhr mit ihren Nebenflüs-sen, z. B. der Hönne mit den Karsthöh-

Diemel

Revier der mittlerenSteinzeitRastplatz der AltsteinzeitKieselschieferSüdgrenze der VereisungEntwurf: R. KÖHNEEntwurf: R. KÖHNEEntwurf: R. KÖHNE

Quelle: Geolog. Landesamt NRWQuelle: Geolog. Landesamt NRWQuelle: Geolog. Landesamt NRW

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Abb. 1: Rohstoffquellen der steinzeitlichen Jäger im Sauerland(Entwurf: R. KÖHNE, Quelle: GEOLOG. LANDESAMT NRW)

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Abb. 2: Schaber aus Kieselschiefer, Neandertaler, ca. 50 000 – 80 000v. Chr., Meschede – Freienohl (Foto: R. KÖHNE)

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Stand: 2007

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Vorgeschichtliche Werkstoffbasen

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len. Kieselschiefer findet sich primär anSteilhangklippen sowie sekundär alsGeröll in den Schotterfenstern der Auenund auf den Flussterrassen.

Die durch Jagd- oder Werkplätzedefinierten Reviere der Mittelsteinzeitlagen bevorzugt in den innergebirgigenSenken und Hochflächen mit ihrenstruktur- und wildreichen Wäldern(Abb. 1). Die Rohstoffversorgung zurGeräteherstellung gewährleisten bis zu90 % die reviernahen, etwa 30 Kilome-ter entfernten Kieselschieferschichten

sowie der Import von Flint. Der westfä-lische Raum ist also durch eine nördli-che Flint- und eine südliche Kiesel-schieferzone charakterisiert.Das Sauerland, ein bronzezeitlicherInnovationsraum in Westfalen?Die kupferzeitlichen Anfänge derMetallverarbeitung noch in der Jung-steinzeit werden bei der Materialbe-schaffung überregionalen Handelsbe-ziehungen zugeschrieben. Die archäolo-gische Forschung konnte die Anfängedes Erzbergbaus in den deutschen Mit-

telgebirgen bisher nicht nachweisen.Die Verbreitung der bronzezeitli-

chen Hügelgräber im Sauerland belegteine Besiedlung der nördlichen Unter-und der Oberstufe des Südergebirgesmit der Lenne und der Diemel als südli-cher Grenze. Die Aussparung der Hoch-stufe durch eine in Einzelhöfen oderKleinweilern siedelnde bäuerliche Be-völkerung ist aus klimatischen und bo-denbedingten Gründen verständlich,nicht aber die „Siedlungsleere“ im Süd-sauerland, die allenfalls mit einer Fund-lücke oder – mit Ausnahme der Rhonardbei Olpe – fehlenden Kupfererzen, zubegründen ist.

Die Kartierung von historischemBergbau im Sauerland ermöglicht eineErfassung der oberflächennah abbauba-ren Kupferlagerstätten. Ihre Verbreitungzeigt einen räumlichen Bezug zu denbronzezeitlichen Siedlungsspuren, na-mentlich an ihrer Südgrenze entlang derLenne und im Osten an den bedeutsams-ten Vererzungszonen bei Marsberg süd-lich der Diemel (Abb. 4). Der wichtigeRohstoff Kupfer wäre somit der bronze-zeitlichen Bevölkerung zugänglich ge-wesen. Der Nachweis eines bronzezeit-lichen Bergbaus ist allerdings insofernschwierig, als der mittelalterliche Abbauin der Regel die potenziellen urge-schichtlichen Vorstufen zerstört oderüberdeckt hat. Es wird weiterer interdis-ziplinärer Forschungsarbeit bedürfen,das gesamte Spektrum der montanwirt-schaftlichen Aktivitäten in der Bronze-zeit aufzuzeigen.

Die „neolithische (jungsteinzeitli-che) Revolution“ brachte nicht nurAckerbau und Viehzucht nach Westfa-len, sondern auch die Anfänge derMetallverarbeitung. Die Rohstoffbasisfür diesen Innovationsprozess könnteim Sauerland gelegen haben, da Kupfer-vorkommen in der Westfälischen Buchtfehlen. Es wird der Zusammenarbeitvon Archäologie und Archäometallurgievorbehalten bleiben, den Beitrag vonKupferbergbau und -verhüttung zumBeginn der Metallwirtschaft in Westfa-len aufzuhellen.

REINHARD KÖHNE

2 cm

Abb. 3: Stielspitze aus patiniertem Flint, Rentierjäger, ca. 12 000 v.Chr., Meschede-Stesse (Foto: R. KÖHNE)

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Abb. 4: Hügelgräberbronzezeit und Kupfervorkommen(Entwurf: R. KÖHNE, Quelle: PH. R. HÖMBERG)

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