Inhaltsverzeichnis
Vorwort 5
A EinfĂźhrung 9
1 Klassische Logik 111 Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Klassische Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Argumentrekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
B Aussagenlogik 37
2 Wahrheitswerttabellen 391 Definition von J . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Interpretation von J . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 Wahrheitswerttabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
3 Aussagenlogische Formalisierung 651 Schematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 Standardisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743 Argumentrekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
4 Aussagenlogischer KalkĂźl 971 Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 972 KalkĂźlregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1013 Ableitungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
5 Aussagenlogische Schlussregeln 1311 Logische Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
2 Schlussregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1353 Argumentrekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
6 Korrektheit und Vollständigkeit 1491 Korrektheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1492 Vollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1643 Kriterien logischer Beweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
C Quantorenlogik 189
7 EinfĂźhrung in die Quantorenlogik 1911 Erweiterung der Aussagenlogik . . . . . . . . . . . . . . . . . 1912 Syllogismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1923 Quantorenlogische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
8 Q-Interpretationen 2151 Q-Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2152 Q-Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2183 Unentscheidbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
9 Quantorenlogische Formalisierung 2371 Schematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2372 Standardisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2443 Argumentrekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
10 Quantorenlogischer KalkĂźl 2751 KalkĂźlregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2752 Ableitungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2923 Logische Gesetze und Schlussregeln . . . . . . . . . . . . . . . 2954 Argumentrekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303
11 Identität 3051 Erweiterung der Quantorenlogik . . . . . . . . . . . . . . . . . 3052 QI -Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3063 QI -Interpretationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3084 GLKQ+I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3115 QI -Formalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3166 Ausblick: Probleme der Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
12 Unentscheidbarkeit der Quantorenlogik 3331 Churchs indirekter Unentscheidbarkeitsbeweis . . . . . . . . . 3332 Hilberts direkter Unentscheidbarkeitsbeweis . . . . . . . . . . 3363 Wittgensteins Kritik der Metasprache . . . . . . . . . . . . . . 358
Nachwort 367
Literaturverzeichnis 369
D Anhang 373
Liste der wichtigsten aussagenlogischen Schlussregeln 375
Liste der gĂźltigen Syllogismen 381
Liste der wichtigsten quantorenlogischen Schlussregeln 385
Verzeichnis der AbkĂźrzungen und Symbole 393
Index 396
VORWORT
INTERNETBEGLEITUNG
Dieses Buch bildet die Textgrundlage fĂźr einen internetbegleiteten EinfĂźhrungs-kurs in die klassische Logik. Dieser Kurs wurde im Rahmen des Schweizer FĂśr-derprogrammes Virtueller Campus Schweiz, im Projekt VILOLA (âvirtuell logic la-boratoryâ) konzipiert.1
Der Kurs ist in 12 Lektionen eingeteilt, die den Stoff der Aussagen- underweiterten Quantorenlogik beinhalten. Zu jeder Lektion finden sich im Internetzahlreiche interaktive Ăbungen, durch die der Stoff der einzelnen Lektionen sich an-geeignet und angewendet werden kann. Die Einstiegsseite fĂźr die Kursmaterialienfindet sich unter folgendem link:
⢠Http://www.philoscience.unibe.ch/logik.html
Um die Ăbungen zu absolvieren, muss man sich unter seinem Namen an-melden. Auf einer Indexseite zu den Ăbungen werden dann die erreichten Pro-zentpunkte sowie die Mindestanforderungen der einzelnen Ăbungen aufgefĂźhrt,so dass man jederzeit eine Ăbersicht Ăźber den eigenen Leistungsstand erhält. DieĂbungen sind so konzipiert, dass die klausurrelevanten Ăbungsaufgaben durchGenerieren immer neuer Aufgabenstellungen so oft geĂźbt werden kĂśnnen, bisman sie beherrscht. In diesem Buch wird im Anschluss an die Abschnitte, dieVoraussetzung fĂźr die jeweiligen Ăbungen sind, mit âĂBUNG:â und dem folgen-den Namen der Ăbung auf die jeweiligen Ăbungseinheiten verwiesen. Um dieseĂbungen zu absolvieren, muss man die jeweilige Ăbung im Internet aktivieren.
Der Kurs ist konzipiert als ein einsemestriger Logikkurs fĂźr Studierende derPhilosophie und der Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte, in demwĂśchentlich die Textgrundlage einer Lektion sowie die dazugehĂśrigen Ăbungenbesprochen werden. Hierbei wird von einem durchschnittlichen Arbeitsaufwandvon 10 Wochenstunden ausgegangen. Der Kurs kann aber auch anhand diesesBuches sowie der interaktiven Ăbungseinheiten im Selbststudium studiert werden.
Am Ende der 6. und der 12. LEKTION findet jeweils eine automatisch aus-gewertete Klausur statt, deren Bestehen Bedingung fĂźr die erfolgreiche Teilnahmean dem Kurs ist. In Form von automatisierten Probeklausuren kann man sich aufdie Klausuren vorbereiten, und den Leistungsstand prĂźfen.
1Nähere Informationen hierßber finden sich im Internet unter http://www.virtualcampus.chund http://www.vilola.unibe.ch.
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Zusätzlich zu den interaktiven Ăbungen und den Probeklausuren werden toolszur PrĂźfung der Wohlgeformtheit von Formeln, des Erstellens von Wahrheits-werttabellen, der Berechnung der Wahrheitswerte von Q-Interpretationen undder Konstruktion von Ableitungsschemata angeboten.
Es ist bei der Auswahl und der Darstellung des Inhaltes dieses Logikkursesdarauf geachtet worden, dass die Automatisierung der Ăbungen und die ErmĂśg-lichung eines Selbststudiums nicht zu einer Trivialisierung des Lernstoffes fĂźhrt.Buch und Ăbungen sind vielmehr so konzipiert, dass sie einerseits eine EinfĂźh-rung in die Logik bieten, in der durch die Ăbungen der Erwerb der Grund-kenntnisse sowie der wesentlichen Techniken der klassischen Logik (Formalisie-rungen, Argumentrekonstruktionen, Anwendung von Entscheidungsverfahren,Ableitungen) unterstĂźtzt und durch die Klausuren abgefragt wird. DarĂźber hin-aus bietet dieses Buch andererseits AusfĂźhrungen, die Ăźber eine EinfĂźhrung indie Logik hinausgehen. Diese betreffen sowohl Fragen der Anwendung der Lo-gik, insbesondere detaillierte AusfĂźhrungen zur Formalisierung und Argumentre-konstruktion, als auch Fragen der Metalogik. Hierdurch soll ein vertieftes Ver-ständnis der Grenzen und der MĂśglichkeiten der klassischen Logik vermitteltwerden, und fortgeschrittenen Studierenden oder Studierenden mit einem ver-mehrten Interesse an der Logik ein angemessenes Lehrangebot gegeben werden.AusfĂźhrungen, die deutlich Ăźber den klausurrelevanten Stoff hinausgehen, sindals Zusatzbemerkungen, Exkurse und Ausblicke gekennzeichnet. Ausserdem betreffendie LEKTIONEN 6 und 12 unmittelbar vor den Klausuren ausschliesslich Fragender Metalogik, die in der AusfĂźhrlichkeit, in der sie behandelt werden, Ăźber eineEinfĂźhrung in die Logik hinausgehen und nicht in den Klausuren geprĂźft werden.Studienanfänger haben hier die MĂśglichkeit, sich vornehmlich auf die Klausurvorzubereiten und den Inhalt von LEKTION 6 und 12 zu Ăźbergehen.
LITERATUREMPFEHLUNG
StandardeinfĂźhrungen in die Logik sind:
⢠E. J. Lemmon, Beginning Logic, 9. Auflage, Indianapolis 1998.
⢠W. V. O. Quine, Grundzßge der Logik, 8. Auflage, Frankfurt 1993.
⢠H. D. Ebbinghaus, J. Flum, W. Thomas, Einfßhrung in die mathematische Logik,3. Auflage, Mannheim 1992.
Lemmons Buch bietet die klassische EinfĂźhrung in den in LEKTION 4 und10 dargestellten LogikkalkĂźl. Quines Buch stellt einen eher philosophischen Zu-
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gang zur Logik dar und enthält viele Hinweise zur Formalisierung. Demgegen-ßber bietet das Buch von Ebbinghaus, Flum und Thomas eine mathematischeEinfßhrung in die Logik, in der Definitionen technischer gefasst sind, und einigemetamathematische Lehrsätze besprochen werden. Die in diesem Buch gegebe-ne Einfßhrung versucht, die verschiedenen Schwerpunkte dieser drei Bßcher zuvereinbaren. Eine Hilfe dabei war mir das Skript zum Logikkurs von Ali Behboud:
⢠Ali Behboud, Einfßhrung in die Logik, Studien aus dem Philosophischen Se-minar 28, Hamburg 1994.2
Ali Behboud sei Dank dafĂźr, dass er mir sein Skript zur VerfĂźgung gestellthat, und meine Fragen stets kenntnisreich beantwortete.
Auf weitere BĂźcher zum Zweck der Vertiefung einzelner Themen wird an denentsprechenden Stellen im Text hingewiesen.
DANKSAGUNGEN
Daniel Engler hat die tools, die Ăbungsaufgaben und die Klausuren program-miert, und die technische Betreuung des Kurses Ăźbernommen. Ihm sei Dank fĂźrdie gute Zusammenarbeit. Michael Baumgartner, Theo Burri, Yvonne Lampertund Stefan Peer haben den Text Korrektur gelesen. Sie haben durch ihre Sorgfaltund kritischen Einwände zu einigen Verbesserungen beigetragen. Auch den Teil-nehmerInnen am Logikkurs im Sommersemester 2002 an der Universität Bernsei Dank fĂźr Korrekturhinweise im Text und den Ăbungen. Marco Manni, StefanPeer und Theo Burri danke ich fĂźr die Auseinandersetzung mit und kundige Kritikan frĂźheren Versionen von LEKTION 12. Michael Baumgartner sei gedankt fĂźrgemeinsame Diskussionen Ăźber die Grundlagen der Logik, die die LEKTIONEN
6, 11 und 12 betrafen.
ZUR ĂBERARBEITETEN 2. AUFLAGE
Neben kleineren Korrekturen und Ergänzungen wurde insbesondere das 12. Ka-pitel grundlegend ßberarbeitet.
2Eine stark ßberarbeitete Fassung dieses Skriptes soll demnächst in der WissenschaftlichenBuchgesellschaft Darmstadt erscheinen.
LEKTION 1
KLASSISCHE LOGIK
Gegenstand des EinfĂźhrungskurses in die Logik ist die erweiterte Quantorenlogik 1.Stufe. Diese wird hier als klassische Logik bezeichnet. Hiermit ist keine Stilbezeich-nung oder ein Epochenbegriff gemeint, sondern ein Logiksystem, das sich durchseine formale Sprache und bestimmte Beweisverfahren auszeichnet, und Grund-lage, Ausgangspunkt oder Gegenstand der Kritik der modernen Logiksystemebildet.
Ziel dieser ersten Lektion ist es, die klassische Logik zu kennzeichnen und vonanderen Teilgebieten der Logik abzugrenzen, sowie sie in den weiteren Zusam-menhang der Rekonstruktion wissenschaftlicher Argumente zu stellen. In denfortlaufenden Lektionen werden dann die formale Sprache der klassischen Logiksowie die in ihr verwendeten Beweisverfahren dargestellt. Die in dieser Lektionverwendeten Begriffe werden dadurch konkretisiert. Es empfiehlt sich, die ersteLektion am Ende des Kurses zu rekapitulieren, um ein besseres Verständnis dererworbenen Kenntnisse zu gewinnen.
Dieser Logikkurs ist konzipiert fĂźr alle Studierenden, die einen EinfĂźhrungs-kurs Logik im Rahmen eines Philosophiestudiums oder im Rahmen eines Stu-diums der Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte besuchen. Einigesind bisweilen irritiert, warum sie genĂśtigt werden, sich mit Formalismen und ma-thematischen Beweismethoden auseinanderzusetzen. Andere haben das GefĂźhl,im Logikkurs unumstĂśssliche Ergebnisse präsentiert zu bekommen und unhin-terfragbare Techniken zu erwerben, denen gegenĂźber philosophische ProblemeunauflĂśsbar oder hinfällig erscheinen. Beiden Haltungen soll hier vorgebeugt wer-den, indem die klassische Logik in einen grĂśsseren Zusammenhang eingeordnetwird. Wenn hierbei einiges programmatisch formuliert ist, dann erfĂźllt dies denZweck, die Auseinandersetzung mit der Logik nicht als notwendiges Ăbel oderals vergnĂźglichen Selbstzweck anzusehen, sondern als einen Einstieg in ein Gebietwohldefinierter Fragen, Probleme und Methoden, deren Kenntnis wesentlich fĂźrdie Philosophie und Wissenschaftstheorie ist.
1 LOGIK
Wissenschaftliche Aussagen werden vornehmlich mittels der Umgangssprache for-muliert. Die Logik stellt Mittel bereit, um diese Aussagen unter philosophischenund wissenschaftstheoretischen Gesichtspunkten zu analysieren. In dem folgen-
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den Text1 formuliert Isaac Newton mittels der englischen Sprache Aussagen, dieein Experiment beschreiben bzw. Schlussfolgerungen aus diesem ziehen:
(1) The gradual removal of these suspitions, at length led me to theExperimentum Crucis, which was this: (2) I took two boards, and placed oneof them close behind the Prisme at the window, so that the light mightpass through a small hole, made in it for the purpose, and fall on the otherboard, which I placed at about 12 feet distance, having first made a smallhole in it also, for some of that incident light pass through. (3) Then Iplaced another Prisme behind this second board, so that the light, trajectedthrough both the boards, might pass through it also, and be again refractedbefore it arrived at the wall. (4) This done, I took the first Prisme in myhand, and turned it to and fro slowly about its Axis, so much as to makethe several parts of the Image, cast on the second board, successivly passthrough the hole in it, that I might observe to what places on the wall thesecond Prisme would refract them. (5) And I saw by the variation of thoseplaces, that the light, tending to that end of the Image, towards which therefraction of the first Prisme was made, did in the second Prisme suffer aRefraction considerably greater then the light tending to the other end. (6a)And so the true cause of the length of that Image was detected to be noother, then that Light consists of Rays differently refrangible, (6b) which,without any respect to a difference in their incidence, were, according totheir degrees of refrangibility, transmitted towards divers parts of the wall.
Die Sätze (2) - (5) treffen Aussagen, die einen Experimentaufbau (2,3), eineexperimentelle Tätigkeit (4) und eine experimentelle Beobachtung (5) beschrei-ben; Satz (6) formuliert die experimentelle Schlussfolgerung in Form einer Aus-sage.
Auch Bilder, Modelle, Gleichungen oder Computersimulationen kÜnnen Aus-sagen treffen. Die Abbildung von Newtons Experimentum Crucis kann z.B. an dieStelle seiner Experimentbeschreibung (Sätze (2) bis (5)) treten (vgl. Abbildung1.1).
Im Folgenden wird vornehmlich auf die umgangssprachliche Formulierung wissen-schaftlicher Aussagen Bezug genommen.
Die Logik beschäftigt sich nicht mit der Frage, ob Aussagen, die mÜglicher-weise wahr sind, tatsächlich wahr sind, oder, ob sie fßr wahr zu halten oder ak-zeptabel sind, da sie stimmig, zweckmässig oder einfach sind. Sie bemisst nichtinhaltliche Eigenschaften von Aussagen bzw. Typen oder inhaltliche Relationen zwischenAussagen oder Typen, sondern die formalen Eigenschaften von Aussagen oder Typen
1Aus: Newton (1672), S. 3079. Den einzelnen Sätzen sind Nummerierungen hinzugefßgt wor-den, um auf sie referieren zu kÜnnen.
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Abbildung 1.1: Newtons Experimentum Crucis, aus: Newton (1952), S. 47
bzw. formale Relationen zwischen Aussagen oder Typen.2 Während Untersuchungs-gegenstand einer empirischen Wissenschaft z.B. â wie im Falle des angegebenen Zitatsvon Newton â die Frage ist, ob Sonnenlicht tatsächlich heterogen ist, ist Unter-suchungsgegenstand der Logik z.B. die Frage, unter welchen Bedingungen â ganzunabhängig vom spezifischen Inhalt von Aussagen â eine Aussage aus anderenAussagen folgt. Die Logik lässt sich dann anwenden auf die Frage, ob z.B. die vonNewton gezogene Schlussfolgerung, dass das Sonnenlicht heterogen ist, aus denAussagen seiner Experimentbeschreibung â gegebenenfalls unter Voraussetzungbestimmter Interpretationsannahmen â folgt, oder ob hierfĂźr zusätzliche Annah-men nĂśtig sind.3 Der empirische Wissenschaftler fragt, ob das Experiment adäquatbeschrieben und durchgefĂźhrt wurde, und ob etwaige theoretische Annahmen,die Newtons Schlussfolgerung zugrunde liegen, zutreffend oder akzeptabel sind.Der Logiker fragt ganz generell, unter welchen Voraussetzungen Schlussfolgerun-gen gezogen werden kĂśnnen; der Philosoph und Wissenschaftstheoretiker wendet die
2Unter die hier gemeinten Typen fallen Individuen (Gegenstände), Eigenschaften, Relationen,Klassen, Komplexe, Zahlen oder Ereignistypen. Typen unterscheiden sich von Aussagen dadurch,dass man von ihnen nicht sagen kann, dass sie zutreffen bzw. nicht zutreffen. Bei der Formulierungwissenschaftlicher Aussagen wird auf Typen Bezug genommen, aber der sprachliche Ausdruck,der auf Typen Bezug nimmt, formuliert keine wissenschaftliche Aussage. Die Bezugnahme aufTypen erfolgt hier nur, um die Untersuchung formaler Eigenschaften und Relationen nicht vonvorneherein zu sehr einzugrenzen.
3Newtons eigener Anspruch ist es, seine Schlussfolgerungen aus Experimenten ohne Vor-aussetzung von Hypothesen zu ziehen. Um diesen viel diskutierten methodologischen Anspruchzu bemessen, muss man erläutern, was Newton unter Hypothesen versteht, unter Anwendunglogischer Mittel Newtons experimentellen Beweise rekonstruieren, und ßberprßfen, ob in denBeweisen Hypothesen im Sinne Newtons vorausgesetzt sind .
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Logik an, um spezifische wissenschaftliche Argumente auf ihre SchlĂźssigkeit zuĂźberprĂźfen.
Die Logik und ihre Anwendung sind aber nicht eingeschränkt auf die Unter-suchung der SchlĂźssigkeit von Argumenten â dies ist nur ein Beispiel der Untersuchungeiner bestimmten formalen Relation. Beispiele formaler Eigenschaften sind dielogische Wahrheit und die logische Falschheit: Der Satz âEs regnet oder es regnet nichtâformuliert eine Aussage, die logisch wahr ist, d.i. eine Aussage, die wahr ist, wasimmer auch der Fall sein mag. Der Satz âEs regnet und es regnet nichtâ formulierteine logisch falsche Aussage, d.h. eine Aussage, die falsch ist, was immer auch derFall sein mag. Die Logik untersucht, wodurch sich logisch wahre und logisch falscheAussagen identifizieren lassen, und wie sich beweisen lässt, dass Aussagen logischwahr bzw. logisch falsch sind.
Andere typische Beispiele formaler Eigenschaften oder Relationen fallen indas Gebiet der Mathematik: Dass eine Zahl ein Nachfolger einer anderen ist, istebenso eine Aussage Ăźber eine formale Relation, wie die, dass ein arithmetischerAusdruck mit einem anderen identisch ist. Formale Eigenschaften und Relationen seienhier dadurch von inhaltlichen Eigenschaften und Relationen unterschieden, dassfĂźr den Nachweis ihres Bestehens und Nichtbestehens logische oder mathematischeBeweisverfahren definiert werden kĂśnnen. Die Anwendung einer logischen Notationâ d.i. eines festgelegten Systems an Regeln zur Manipulation der Formeln einerFormelsprache â und nicht experimentelle Ergebnisse, empirische Messungen,oder die Ăbereinstimmung mit Naturgesetzten, wissenschaftlichen Hypothesenoder Modellen entscheidet, ob eine bestimmte formale Eigenschaft oder Rela-tion besteht oder nicht besteht. Auf eine weitergehende Erläuterung formalerEigenschaften und Relationen unabhängig von logischen (oder mathematischen)Beweisverfahren muss hier verzichtet werden (vgl. Abschnitt 2, S. 18ff.).
Um formale Eigenschaften von Aussagen bzw. Typen und formale Relationenzwischen Aussagen bzw. Typen zu untersuchen, wird in der Logik erstens eineformale Sprache eingefĂźhrt, die nur noch formale Eigenschaften bzw. Relationenzum Ausdruck bringt, und zweitens werden Verfahren definiert, mittels derer ent-schieden werden kann, ob die AusdrĂźcke der formalen Sprache â Formeln genannt âeine fragliche formale Eigenschaft besitzen bzw. ob zwischen diesen eine fraglicheformale Beziehung besteht oder nicht. Will man untersuchen, ob Aussagen oderTypen bestimmte formale Eigenschaften besitzen bzw. zwischen ihnen bestimmteformale Relationen bestehen, ist in der Formalisierung dem umgangssprachlichenAusdruck eine Formel der formalisierten Sprache zuzuordnen, und anschlies-send in der logischen BeweisfĂźhrung das definierte Entscheidungsverfahren auf denformalisierten Ausdruck anzuwenden. Durch die logische BeweisfĂźhrung wird
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Untersuchungsgegenstand Logische Daten Beweis
Formale Eigenschaften und Formalisierung Formeln einer formalen Beweisfßhrung Beweisende Eigenschaftformale Relationen Sprache oder beweisende Relation umgangssprachlich oder mittels einer logischen Notationanderer Repräsentationsmittel repräsentierter Aussagen oderTypen
Anwendung der Logik Logik
Abbildung 1.2: Schema zur Aufgabe der Logik
das Bestehen der zu untersuchenden formalen Eigenschaft bzw. der formalenRelation anhand einer Eigenschaft bzw. einer Relation einer zum Zwecke der Be-weisfßhrung entwickelten logischen Notation entschieden. Die Formalisierung gehÜrtnicht zur Logik, sondern zur Anwendung der Logik, während die logische BeweisfßhrungGegenstand der Logik ist (vgl. Abbildung 1.2).
Während in der empirischen Wissenschaft das Bestehen einer inhaltlichenEigenschaft (z.B. Raumtemperatur) durch eine empirische Messung ßberprßftwerden kann, durch die die zu untersuchende Eigenschaft (Raumtemperatur) an-hand eines empirischen Datums (Ausdehnung der Quecksilbersäule) mittels einernumerischen Skala (Skala des Thermometers) bestimmt wird, wird in der Logikdas Bestehen einer formalen Eigenschaft (z.B. logische Wahrheit) oder forma-len Beziehung (z.B. logische Schlßssigkeit) durch einen logischen Beweis ßberprßft,durch den die fragliche Eigenschaft einer Aussage anhand einer der Aussage zuge-ordneten logischen Formel (Ausdruck einer formalisierten Sprache) mittels einerlogischen Notation (z.B. Wahrheitswerttabellen, Ableitungen) ßberprßft wird.
Erläuterung 1.1Unter der Formalisierung versteht man die Zuordnung einer Formel einerformalen Sprache zu umgangssprachlich oder andersartig repräsentiertenAussagen oder Typen.
In der formalen Sprache werden nur AusdrĂźcke verwendet, die fĂźr die Be-stimmung fraglicher formaler Eigenschaften und Relationen nĂśtig sind.
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Erläuterung 1.2Unter einer logischen Beweisfßhrung versteht man die Zuordnung eines logi-schen Beweises zu einer Formel einer formalen Sprache.
Im logischen Beweis wird das Bestehen oder Nichtbestehen fraglicher forma-ler Eigenschaften und Relationen anhand äusserer Eigenschaften oder Relationenunter Anwendung einer logischen Notation entschieden. Eine logische Notation be-steht aus einem System festgelegter Regeln zur Manipulation von Zeichen zumZwecke des Erzeugens von Ausdrßcken, anhand von deren Eigenschaften bzw.Relationen entschieden werden kann, ob eine fragliche formale Eigenschaft oderRelation besteht oder nicht besteht.
Erläuterung 1.3Die Logik ist eine Disziplin, in der formale Sprachen sowie Beweisverfah-ren formaler Eigenschaften und Relationen definiert werden.
Ein wichtiger Zweck der Formalisierung besteht darin, ein besseres Verständ-nis umgangssprachlich oder andersartig repräsentierter Aussagen zu ermĂśglichen,indem man ihren missverständlichen Ausdruck, dessen Form die formalen Ei-genschaften der Aussagen bzw. Typen und die formalen Beziehungen zwischenihnen nicht eindeutig und nur unvollständig wiedergibt, einem unmissverständli-chen, eindeutigen und vollständigen formalen Ausdruck zuordnet. Eine formaleSprache kann hierdurch als Mittel der Interpretation eingesetzt werden, derenFunktion es ist, zu einem besseren Textverständnis zu verhelfen, indem man einenmissverständlichen, mehrdeutigen und nicht vollständig expliziten durch einenunmissverständlichen, eindeutigen, vollständig expliziten Ausdruck ersetzt. Eineinfaches Beispiel: Mit welchen der folgenden AusdrĂźcke behauptet ein Autordasselbe und mit welchen etwas Unterschiedliches: âNicht alle Metalle leiten gutâ,âEinige Metalle leiten nicht gutâ, âEiniges, was nicht gut leitet, ist ein Metallâ,âNicht alles, was ein Metall ist, leitet gutâ, âNicht alles ist ein Metall und leitetgutâ, âEiniges ist ein Metall, aber leitet nicht gutâ, âWenn etwas ein Metall ist,dann ist es kein guter Leiterâ?4 Die jeweilige Zuordnung zu den entsprechendenlogischen Formeln und die BerĂźcksichtigung der formalen Beziehungen dieserFormeln zueinander kann diese Frage auf eine eindeutige Weise beantworten. Diejeweilige Formalisierung mag von strittigen Interpretationsannahmen abhängen,
4Zur Beantwortung dieser Frage siehe Ăbung Ăquivalente Formalisierungen zu LEKTION 10.
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aber in jedem Fall bringt die gegebene Antwort unter Bezugnahme auf eine For-malisierung die gewählte Interpretation unmissverständlich zum Ausdruck.
Ein wichtiger Zweck der logischen BeweisfĂźhrung besteht darin, das Urteil Ăźber dasBestehen oder Nichtbestehen formaler Eigenschaften und Relationen nicht vonlogischen Intuitionen, sondern von exakten logischen Beweisen abhängig zu ma-chen. Eine bekannte Paradoxie des Zenon, von der Aristoteles berichtet5, lautet:âDas Langsamste wird im Lauf niemals vom Schnellsten eingeholt werden; ersteinmal muss doch das Verfolgende dahin kommen, von wo aus das Fliehende los-gezogen war, mit der Folge, dass das Langsamste immer ein bisschen Vorsprunghaben muss.â Die These, fĂźr die argumentiert wird, erscheint paradox: Denndass das Langsamste niemals vom Schnellsten eingeholt wird, widerspricht derErfahrung. Andererseits ist die Prämisse, durch die die These gestĂźtzt wird, kaumzu bestreiten: Ein Verfolger muss den Punkt, von dem der Verfolgte gestartet ist,erreichen, bevor er den Verfolgten Ăźberholt. Was ist verkehrt an dem Argument,wenn denn etwas verkehrt ist? Handelt es sich um einen Fehlschluss, oder liegt derFehler nicht in der Schlussfolgerung, sondern in den Annahmen, oder darin, dassdie Argumentation unterschiedliche Interpretationen und damit unterschiedlicheFormalisierungen zulässt, deren mangelnde Unterscheidung das Paradox bedin-gen? Um bei dem Verständnis und der Beurteilung der SchlĂźssigkeit des Argu-mentes nicht in widersprĂźchlichen Intuitionen gefangen zu bleiben, bedarf es derMittel der logischen bzw. mathematischen Formalisierung und BeweisfĂźhrung.
Die genannten Zwecke der Formalisierung und der logischen Beweisfßhrungsind wichtige, aber keine immanenten Zwecke der Logik, sondern nur MÜglich-keiten, die Logik fßr andere Zwecke zu gebrauchen. Der der Logik immanenteZweck ist demgegenßber ein grundlagentheoretischer: Die Logik ermÜglicht es,die AusdrucksmÜglichkeiten formalisierbarer Aussagensysteme bzw. Systeme vonTypen vollständig zu erfassen und die MÜglichkeiten und Grenzen der Beweis-fßhrung innerhalb dieser zu bestimmen. Eine wichtige grundlagentheoretischeFrage ist z.B. die, ob sich fßr jede beliebige Aussage, die in der formalen Spracheder Logik von Russells und Whiteheads Principia Mathematica formalisierbar ist,beweisen lässt, ob diese die formale Eigenschaft der Allgemeingßltigkeit besitztoder nicht. Die Formulierung dieser Frage setzt die Definition einer bestimmtenformalen Sprache und MÜglichkeiten der Beweisfßhrung innerhalb dieser voraus.Die Logik bietet die Voraussetzung, um Fragen der MÜglichkeiten und Grenzender wissenschaftlichen Theoriebildung auf eine exakte Weise zu behandeln.
Auf Grund der genannten externen sowie internen Zwecke der Logik bildetdiese ein unverzichtbares Werkzeug fĂźr die philosophische Analyse wissenschaft-
5Aristoteles (1988), S. 93 (Physik Buch VI, Kapitel 9).
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licher Texte und andersartiger, in der Wissenschaft verwendeter Ausdrucksfor-men sowie der Bestimmung der MĂśglichkeiten und Grenzen wissenschaftlicherBeweisfĂźhrungen. Beispielsweise sind typische wissenschaftstheoretische Fragen,welche Beweismittel Euklid in seinen geometrischen BeweisfĂźhrungen verwen-det, oder welche Beweismittel Newton seinen sogenannten âexperimentellen Be-weisenâ zugrunde legt. Um diese Fragen beantworten zu kĂśnnen, bedarf es derformalen Rekonstruktion ihrer BeweisfĂźhrungen.
2 KLASSISCHE LOGIK
Im vorangegangenen Abschnitt ist auf eine Erläuterung der Begriffe âAussageâ ,âformale Eigenschaft / formale Relationâ, âformale Spracheâ und âlogischer Be-weisâ verzichtet worden.6 Die allgemeine Definition dieser Begriffe wirft mehrphilosophische Fragen auf, als sich im Rahmen einer EinfĂźhrung in die klassischeLogik beantworten lassen. Andererseits sollte nicht implizit das Verständnis derklassischen Logik bei der Erläuterung dieser Begriffe vorausgesetzt werden. Soist es z.B. keineswegs trivial, Aussagen von vorneherein dadurch zu kennzeichnen,dass sie dasjenige sind, was wahr oder falsch ist. Denn hierdurch hat man sich ent-weder auf die philosophisch nicht unumstrittene Position festgelegt, dass z.B. Na-turgesetze oder mathematische Gleichungen sinnvollerweise als wahr oder falschzu bezeichnen sind (was z.B. der sog. konventionalistische Standpunkt ablehnt),oder darauf, dass gesetzesartige oder mathematische Aussagen nur unter demVorbehalt einer realistischen (und damit nicht konventionalistischen) Interpreta-tion den Mitteln der Logik zugänglich sind. Ebensowenig ist es unumstritten, obdie Relation der Verursachung eine formale Relation ist, deren BeweisfĂźhrung untergegebenen Annahmen nach dem oben dargelegten Verständnis mit den Mittelnder Logik untersucht werden kann. Schliesslich gibt es eine FĂźlle unterschiedli-cher Sprachen, die als âformale Sprachenâ bezeichnet werden. Beispielsweise aucheine Sprache, in der Beziehungen zwischen Aussagen mit sogenannten epistemi-schen Operatoren wie âA weiss, dass . . . â, âA glaubt, dass . . . â einer formalenBehandlung unterzogen werden. Die entsprechende Logik bezeichnet man alsepistemische Logik. Ebenso gibt es eine Sprache, in der Beziehungen zwischenAussagen mit sogenannten modalen Operation wie âEs ist mĂśglich, dass . . . â,âEs ist notwendig, dass . . . â einer formalen Behandlung unterzogen werden. Dieentsprechende Logik bezeichnet man als Modallogik. Diese Sprachen erweiterndie formale Sprache der klassischen Logik um weitere konstante AusdrĂźcke fĂźrdie jeweiligen Operationen. Eine formale Sprache zeichnet die Verwendung von
6Auf Typen wird im Weiteren nicht mehr Bezug genommen, da Typen fĂźr die Kennzeichnungder klassischen Logik irrelevant sind.
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Zeichen (sogenannten âVariablenâ) aus, die keine konstante Bedeutung haben.Hier stellt sich die strittige Frage, welche AusdrĂźcke alle noch sinnvollerweise alsâlogische Konstantenâ aufzufassen sind, die neben Variablen Bestandteile forma-ler Sprache sind, und ab wann eine Kunstsprache nicht mehr eine formale Spracheim Sinne der Logik zu nennen ist. Schliesslich ist auch das Verständnis dessen, wasein logischer Beweis ist, nicht unumstritten: Gibt es z.B. innerhalb der Logik soge-nannte âinhaltliche Beweiseâ, in denen auf die Bedeutung umgangssprachlicherAusdrĂźcke Bezug genommen wird?
Während von einem philosophischen Standpunkt aus beurteilt eine Explika-tion dessen, was unter Aussagen, formalen Eigenschaften bzw. Relationen, for-malen Sprachen und logischen Beweisen zu verstehen ist, nicht ohne weitere Er-Ürterungen gegeben werden kann, kÜnnen diese Begriffe im Rahmen der klassi-schen Logik weitgehend unumstritten präzisiert werden. Im Folgenden soll dieklassische Logik durch den präzisen Sinn, den diese Begriffe innerhalb der klas-sischenn Logik erhalten, gekennzeichnet und von anderen Teilgebieten der Logikabgegrenzt werden.
Aussagen im Sinne der klassischen Logik sind âTräger der Wahrheit und derFalschheitâ, d.h. dasjenige , dem sinnvollerweise zugeschrieben werden kann, wahrbzw. falsch zu sein. Durch diese Voraussetzung unterscheidet sich die klassischeLogik von der dialogischen Logik, die nicht die Wahrheit oder Falschheit, sondernnur die BegrĂźndbarkeit der Aussagen voraussetzt, und Schlussregeln fĂźr den Ge-winn argumentativer Dialoge definiert.
Welchen ontologischen Status Aussagen als âTräger der Wahrheit und derFalschheitâ haben und durch welches Kriterium Aussagen zu identifizieren bzw.zu unterscheiden sind, sind philosophische Fragen, die fĂźr das philosophischeVerständnis der Logik sowie deren Anwendung relevant sind; ihre Beantwortungfällt allerdings nicht in das Gebiet der Logik. Wesentlich fĂźr die Logik dagegenist es, dass im Rahmen der klassischen Logik Aussagen wahr bzw. falsch, abernichts Drittes sind. Hierin unterscheidet sie sich von sogenannten mehrwertigenLogiken. Die Voraussetzung, dass die Aussagen, deren formale Eigenschaften undRelationen im Rahmen der klassischen Logik untersucht werden, nur wahr oderfalsch, aber weder Beides noch etwas Drittes sind, nennt man das Bivalenzprinzipbzw. das Zweiwertigkeitsprinzip.
Dieses Prinzip ist nicht trivial. Man kann nicht als selbstverständlich voraus-setzen, dass nichts, was sinnvollerweise als wahr oder falsch bezeichnet werdenkann, unter Umständen weder das Eine noch das Andere ist: So ist z.B. fraglich,ob die sogenannte âGoldbachsche Vermutungâ, die besagt, dass jede ganze Zahl,die grĂśsser als 2 ist, die Summe zweier Primzahlen ist, entweder wahr oder falsch,
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aber nichts Drittes ist. Dies ist eine Aussage Ăźber unendlich viele Werte, in diesemFall die natĂźrlichen Zahlen. Hier gibt es zwei InterpretationsmĂśglichkeiten: Dieeine versteht Aussagen Ăźber unendlich viele Werte ganz analog zu Aussagen Ăźberendlich viele Zahlen (z.B. den ganzen Zahlen zwischen 2 und 1000), nur dassder Bereich, auf den Bezug genommen wird, ins Unendliche ausgedehnt wird.Nach dieser Auffassung erfĂźllt eine Aussage, die Ăźber alle Werte eines unendlichenWertebereiches etwas aussagt, das Bivalenzprinzip: Die Aussage ist wahr, wenn sieauf alle Werte zutrifft, und falsch, wenn es mindestens ein Wert gibt, auf den sienicht zutrifft. Dies gilt ganz unabhängig davon, ob ein Beweis angegeben werdenkann, der das Eine oder das Andere beweist. Diese naheliegende und natĂźrlicheInterpretation, die sogenannte extensionale Auffassung des Unendlichen â auchâaktualeâ Auffassung genannt â, hat zu Problemen in der Mathematik, insbeson-dere zur Formulierung von Antinomien7, gefĂźhrt. Um diese zu vermeiden, hatman von Aussagen Ăźber das Unendliche gefordert, die Bezugnahme auf unendlichviele Werte, ohne die MĂśglichkeit, diese nach einem angebbaren Verfahren (z.B.nach einer mathematischen Funktion) konstruieren zu kĂśnnen, auszuschliessen.Nach dieser sogenannten intensionalen Auffassung des Unendlichen â auch poten-tielle Auffassung genannt â , ist die Goldbachsche Vermutung wahr, wenn eineallgemeine Funktion angegeben werden kann, durch die sämtliche ganzen ZahlengrĂśsser 2 als Summe zweier Primzahlen berechnet werden kĂśnnen, und sie istfalsch, wenn eine ganze Zahl grĂśsser 2 angegeben werden kann, die nicht dieSumme zweier Primzahlen ist. Beides ist allerdings beim gegenwärtigen Stand derMathematik nicht der Fall. Und solange dies so ist, kann nach der intensionalenAuffassung des Unendlichen nicht ausgeschlossen werden, dass die GoldbachscheVermutung keinen definitiven Wahrheitswert hat. Die Vermeidung von Antino-mien in der Mathematik durch eine intensionale Auffassung des Unendlichen warein wesentliches Motiv der Entwicklung konstruktiver Logiken8, die das Bivalenz-prinzip und die aus ihnen folgenden logischen Schlussregeln nicht voraussetzen.Der Vorteil der Vermeidung von Antinomien wurde hierbei um den Preis erkauft,
7Antinomien sind Widersprßche, die sich aus der Konfrontation von Annahmen ergeben, dieman fßr gßltig erachtet. Ein Beispiel: Die Elemente der Reihe 2,4,6,8, . . . lassen sich den natßrli-chen Zahlen 1,2,3,4, . . . eineindeutig zuordnen (Annahme 1a). Zwei Mengen, deren Elemente sicheineindeutig zuordnen lassen, enthalten gleich viele Elemente (Annahme 1b). Die beiden Reihenenthalten folglich gleich viele Elemente (Konklusion 1). Andererseits: Die Reihe 2,4,6,8, . . . ßber-geht alle ungeraden, natßrlichen Zahlen (Annahme 2). Diese Reihe enthält also weniger Elementeals die Reihe der natßrlichen Zahlen (Konklusion 2). Konklusion 1 und Konklusion 2 bilden einenWiderspruch, die Annahmen 1a, 1b und 2 sind aber prima facie gßltig.
8Andere, verwandte Bezeichnungen sind die der intuitionistischen, der effektiven und der operativenLogik. Auch die dialogische Logik setzt nicht das Bivalenzprinzip voraus, und kann zu den konstruktivenLogiken gezählt werden.
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Beweise, die gemäss der klassischen Mathematik gßltig sind und einen wichtigenTeil der Mathematik bilden, in Frage stellen zu mßssen, und nach alternativen,konstruktiven Beweisen zu suchen.
Man kann auch bezĂźglich bestimmter Aussagen der Quantenphysik das Biva-lenzprinzip in Frage stellen: Ist daran festzuhalten, dass die Aussage, ein Photonhabe den oberen Spalt bei einem Doppelspaltexperiment passiert, entweder wahroder falsch, aber nichts Drittes ist, angesichts der Tatsache, dass man die Wegeder Photone im Experiment nicht eindeutig bestimmen kann, sondern nur dieVerteilung der Photonen hinter dem Doppelspalt? Diese und andere Besonder-heiten quantenphysikalischer Aussagen haben zur Entwicklung einer Quantenlo-gik gefĂźhrt. Andere Aussagen, fĂźr die das Bivalenzprinzip fraglich ist, sind vageAussagen, z.B. die Aussage, dass ein Fleck an der Wand rĂśtlich erscheint, oderdass er kreisfĂśrmig ist. Ist fĂźr alle mĂśglichen FarbtĂśne und fĂźr alle mĂśglichengeometrischen Formen des Fleckes eindeutig festgelegt, ob sie noch unter dengemeinten Farbton bzw. die gemeinte geometrische Form fallen bzw. nicht fallen;oder gibt es hier typischerweise einen Bereich, in dem nicht klar bestimmt ist, obdie Aussagen wahr oder falsch sind? Auch Aussagen Ăźber Wahrscheinlichkeitengeben Anlass zum Zweifel an der allgemeinen GĂźltigkeit des Bivalenzprinzips:Die Aussage, dass Flugzeuge nicht abstĂźrzen, muss man nicht einfachhin als falschbezeichnen, sondern man kann sie auch bis zu einem gewissen Grade als wahrbezeichnen. Dementsprechend gibt es eine Wahrscheinlichkeitslogik, die die Werteâwahrâ und âfalschâ durch Wahrscheinlichkeitswerte zwischen 0 und 1 ersetzt. Diefuzzy logic schliesslich lässt neben âvollständig wahrâ und âvollständig falschâ nochweitere Werte zu, die nicht unbedingt auf einer Skala zwischen 0 und 1 liegenmĂźssen. Auch Sätze wie âSherlock Holmes ist KĂśnig von Englandâ oder âDergegenwärtige KĂśnig von Frankreich ist kahlkĂśpfigâ haben Anlass zum Zweifel ander allgemeinen GĂźltigkeit des Bivalenzprinzips gegeben: Da âSherlock Holmesâsowie âder gegenwärtige KĂśnig von Frankreichâ keine existierenden Gegenständebenennen, meint man, sie seien nicht wie etwa die Aussage, dass Helmut KohlKĂśnig von England ist, einfachhin falsch.9
Alle die genannten Einwände gegen das Bivalenzprinzip bestreiten nur dieAnwendbarkeit dieses Prinzips auf beliebige Aussagen, aber keineswegs seine Gßl-tigkeit unter gewissen Einschränkungen. Entsprechend wird die klassische Logikauch nicht einfachhin abgelehnt, sondern ihr Anwendungsbereich eingeschränkt
9Die sogenannte free logic ist eine Logik, die anders als die klassische Logik nicht voraussetzt, dassGegenstände existieren, und die Formalisierungen leerer Bezeichnungen ohne Anwendung weitererAnalyseverfahren zulässt. Aber nur eine bestimmte Form der free logic, die sogenannte neuter free logic,interpretiert Aussagen mit leeren Bezeichnungen so, dass diese weder wahr noch falsch sind. Nurdiese Form der free logic setzt nicht das Bivalenzprinzip voraus.
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und ihre Regeln zum Zwecke einer erweiterten Anwendung variiert. Inwieweitdies tatsächlich nÜtig ist und zu erwßnschten Resultaten fßhrt, ist kontrovers.
GewĂśhnlich wird das, was man als klassische Logik bezeichnet, durch das Bi-valenzprinzip von anderen Logiken, insbesondere konstruktiven Logiken, unter-schieden. Es gibt allerdings noch andere Prinzipien, die der klassischen Logik zu-grunde liegen, und durch die sie hier von anderen Logiken unterschieden werdensoll.
Neben dem Bivalenzprinzip setzt die klassische Logik das Prinzip der logischenUnabhängigkeit elementarer Aussagen voraus. Elementare Aussagen sind Teilaus-sagen komplexerer Aussagen, die fĂźr sich wahr oder falsch sein kĂśnnen und dienicht weiter in Teilaussagen analysiert werden.10 Der Satz âNewton drehte daserste Prisma und er sah einen blauen Fleck an der Wandâ formuliert z.B. eineAussage, die man in zwei Teilaussagen zerlegen kann: 1) dass Newton das erstePrisma drehte, 2) dass er einen blauen Fleck an der Wand sah. Das Prinzip derlogischen Unabhängigkeit der Elementaraussagen besagt, dass aus der Wahrheitoder Falschheit einer Elementaraussage nicht auf die Wahrheit oder Falschheiteiner anderen Elementaraussage geschlossen werden kann. Die beiden genanntenTeilaussagen sind logisch voneinander unabhängig, da 1) und 2) wahr, 1) wahrund 2) falsch, 1) falsch und 2) wahr sowie 1) und 2) falsch sein kĂśnnen. Die logischeUnabhängigkeit der Teilaussagen ist dabei zu unterscheiden von einer etwaigenkausalen Abhängigkeit. Das Drehen des ersten Prismas ist zwar unter bestimmtenUmständen kausal relevant fĂźr das Sehen des blauen Fleckes an der Wand, aberes ist immer noch mĂśglich, das Prisma zu drehen, und keinen blauen Fleck ander Wand zu sehen (sondern einen roten, oder gar keinen); ebenso ist es mĂśglich,einen blauen Fleck an der Wand zu sehen, ohne das Prisma zu drehen (z.B. durchEinschalten eines blauen Filters).
Auch das Prinzip der logischen Unabhängigkeit ist nicht trivial. Die Wahrheitder Aussage, dass es zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Raum 20Grad Celsius warm ist, schliesst die Wahrheit der Aussage, dass es zu derselbenZeit an demselben Ort 19 Grad Celsius ist, aus. Denn allein aus der Wahrheit dereinen Aussage folgt die Falschheit der anderen. Es kann sich demzufolge nicht umlogisch voneinander unabhängige Elementaraussagen handeln. Ebenso schliesstdie Wahrheit der Aussage, dass der mittlere Brechungswinkel des roten Lichtes inNewtons Experiment 35 Grad beträgt, die Wahrheit der Aussage, dass dieser 45Grad beträgt, aus. Es besteht kein unumstrittenes Analyseverfahren, durch das die
10Zum Problem der Identifikation solcher Teilaussagen siehe LEKTION 3, S. 80. Es wird hiernicht vorausgesetzt, dass es ein eindeutiges Analyseverfahren gibt, das komplexe Aussagen inElementaraussagen analysiert.
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Wahrheit oder Falschheit von Aussagen mit Gradangaben auf die Wahrheit oderFalschheit logisch voneinander unabhängiger Elementaraussagen zurßckgefßhrtwerden kann. Schliesst man ein solches Verfahren aus, stellt sich die Aufgabe, eineLogik zu entwickeln, in der Aussagen ßber Gradangaben formalisiert und als Ele-mentaraussagen behandelt werden, und Beweisverfahren fßr das Bestehen bzw.Nichtbestehen formale Eigenschaften dieser Aussagen bzw. formaler Beziehun-gen zwischen ihnen zu entwickeln, ohne das Prinzip der logischen Unabhängigkeitvorauszusetzen.
Als ein weiteres Prinzip setzt die klassische Logik das Extensionalitätsprinzipvoraus. Dies besagt, dass die Wahrheit oder Falscheit einer Aussage eine Funktionder Wahrheit oder Falscheit der in ihr enthaltenen Teilaussagen ist. Die Wahrheitbzw. Falschheit der mit dem Satz formulierten Aussage âEs regnet und die Strassewird nassâ hängt demnach allein von der Wahrheit bzw. Falscheit der Teilaussage,dass es regnet, und der Wahrheit bzw. Falschheit der Teilaussage, dass die Strassenass wird, ab. Aus der Wahrheit bzw. Falschheit der Teilaussagen folgt die Wahr-heit oder Falschheit der komplexen Aussage.
Auch das Extensionalitätsprinzip ist nicht trivial, und es gibt eine FĂźlle vonsogenannten intensionalen Logiksystemen, die es nicht voraussetzen. Die Aussage,dass Ădipus seine Mutter liebte, und die Aussage, dass Ădipus Iokaste liebte,sind z.B. beide wahr, da Ădipusâ Mutter identisch mit Iokaste ist. Die Aussage,dass Ădipus weiss, dass er seine Mutter liebte, ist hingegen falsch, während dieAussage, dass Ădipus weiss, dass er Iokaste liebte, wahr ist. Diese beiden Aussagenenthalten als Teilaussagen jeweils Aussagen, die auf Grund desselben Umstandeswahr sind, und sie ergänzen die Teilaussagen jeweils auf dieselbe Weise durch denZusatz âĂdipus weiss, dassâ, dennoch ist die eine resultierende Aussage falschund die andere wahr. Folglich kĂśnnen die resultierenden Aussagen nicht alleinvon der Wahrheit oder Falscheit der in ihnen enthaltenen Teilaussagen abhängen.Geht man davon aus, dass gleichwohl derartige Aussagen mittels einer Logik, diedas Extensionalitätsprinzip voraussetzt, zu formalisieren sind, dann muss manvoraussetzen, dass es ein Analyseverfahren gibt, durch das die Wahrheit oderFalschheit von Aussagen der Form âA weiss, dass pâ auf die Wahrheit und Falsch-heit elementarer Aussagen q, r . . . zurĂźckgefĂźhrt wird. DemgegenĂźber unterstelltdie sogenannte epistemische Logik kein derartiges Analyseverfahren, und setzt nichtdas Extensionalitätsprinzip voraus: Sie versucht, derartigen Aussagen und ihrenformalen Beziehungen untereinander durch Erweiterung der formalen Spracheder klassischen Logik um sogenannte epistemische Operatoren und EinfĂźhrungweiterer Schlussregeln, die fĂźr die Formeln dieser Sprache gelten, gerecht zu wer-den. Andere intensionale Logiksysteme sind die Modallogik, die deontische Logik
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und die temporale Logik. Die Modallogik berĂźcksichtigt Aussagen mit sogenanntenModaloperatoren wie âes ist notwendig, dassâ und âes ist mĂśglich, dassâ. Die Aus-sagen, dass die Anzahl der Weltwunder 7 ist, ist wahr, ebenso ist die Aussage wahr,dass 7 = 7. Die Aussage, dass es notwendig ist, dass die Anzahl der Weltwunder7 ist, ist hingegen falsch; während die Aussage, dass es notwendig ist, dass 7 = 7ist, wahr ist. Die deontische Logik, auch normative Logik genannt, berĂźcksichtigt auchsogenannte deontische Operatoren, wie âes ist geboten, dassâ, âes ist verboten,dassâ, âes ist erlaubt, dassâ. Die temporale Logik schliesslich berĂźcksichtigt Opera-toren wie âes war der Fall, dassâ, âes wird der Fall sein, dassâ. Auch die sogenannteLogik des âEntailmentâ, die Relevanzlogik und die Logik der strikten Implikation gehĂśrenzu den intensionalen Logiken. Auf sie wird weiter unten eingegangen (siehe S. 32).
Die drei genannten Prinzipien â das Bivalenzprinzip, das Prinzip der logi-schen Unabhängigkeit und das Extensionalitätsprinzip â werden auch âsemanti-sche Prinzipienâ genannt. Ihre Voraussetzung und die mit ihnen aufgeworfenenFragen betreffen die Anwendbarkeit der klassischen Logik: Welche Aussagen undAussagensysteme meint man mit ihr formalisieren zu kĂśnnen? Die Beantwortungdieser Frage fällt nicht in das Gebiet der formalen Logik, sondern in das der Phi-losophie. Aus diesem Grunde werden die genannten alternativen Logiken auchphilosophische Logiken genannt. Die Anwendung der klassischen Logik zum Zweckeder Formalisierung umgangssprachlicher Aussagen wird in den LEKTIONEN 3, 9und 11 thematisiert.
Vom philosophischen Standpunkt aus ist man an der Frage der Leistungsfä-higkeit eines logischen Systems zum Zwecke der Formalisierung von Aussagen-systemen interessiert. In dieser Hinsicht bemisst man die Formalisierung an demKriterium der Reichhaltigkeit, d.i. dem Mass der mit einer bestimmten formalenSprache formalisierbaren Aussagen. Das Urteil hierßber ist, wie an den Beispielendeutlich wurde, stark von vorausgesetzten Analyseverfahren fßr Aussagen ab-hängig. Es kann von der extremen, von Ludwig Wittgenstein im Tractatus Logico-Philosophicus eingenommenen Position, nach der sämtliche Aussagen unter Voraus-setzung bestimmter Analyseverfahren mittels der klassischen Logik formalisierbarsind, bis hin zur anderen extremen Position, nach der die klassische Logik fßr dieZwecke der Formalisierung wissenschaftlicher Aussagen praktisch bedeutungslosist, reichen. In jedem Fall ist die klassische Logik der Ausgangspunkt fßr dieFragen der Anwendung logischer Mittel zum Zwecke der Formalisierung undRekonstruktion wissenschaftlicher Beweise.
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Erläuterung 1.4Die drei semantischen Prinzipien der klassischen Aussagenlogik sind dasBivalenzprinzip, das Prinzip der logischen Unabhängigkeit und das Extensionali-tätsprinzip.
⢠Das Bivalenzprinzip besagt, dass Aussagen entweder wahr oderfalsch und nicht beides sind.
⢠Das Prinzip der logischen Unabhängigkeit besagt, dass von der Wahr-heit oder Falschheit einer Elementaraussage nicht auf die Wahrheitoder Falschheit einer anderen Elementaraussage geschlossen wer-den kann.
⢠Das Extensionalitätsprinzip besagt, dass die Wahrheit oder Falsch-heit der Aussagen von nichts anderem als der Wahrheit oderFalschheit der in ihnen enthaltenen Teilaussagen abhängt.
Nur formale Eigenschaften und Relationen von Aussagensystemen, die die-sen Prinzipien gehorchen, kĂśnnen mittels der klassischen Logik untersucht wer-den.
Unter den genannten Voraussetzungen lassen sich die Aussagen, deren for-male Eigenschaften und Relationen in der klassischen Logik untersucht werdenkĂśnnen, als bivalente Aussagen â Aussagen, die dadurch gekennzeichnet sind, ent-weder wahr oder falsch, aber nicht beides und nichts Drittes zu sein â, derenWahrheit und Falschheit ausschliesslich von der Wahrheit oder Falschheit logischvoneinander unabhängiger Elementaraussagen abhängt, charakterisieren. Und die zu un-tersuchenden formalen Eigenschaften und Relationen lassen sich einschränkenauf wahrheitsfunktionale Eigenschaften und Relationen. Wahrheitsfunktionale Ei-genschaften von Aussagen bzw. wahrheitsfunktionale Relationen zwischen Aus-sagen ergeben sich auf Grund der Abhängigkeit der Wahrheit oder Falschheit derAussagen von der Wahrheit oder Falschheit der Elementaraussagen. Hier nehmendie Eigenschaft der logischen Wahrheit und der logischen Falschheit, sowie die Relationder logischen Folgerung eine vorrangige Stellung ein: Logisch wahr ist eine Aussagegenau dann, wenn sie fĂźr alle mĂśglichen Fälle der Wahrheit und Falschheit derElemantaraussagen wahr ist; logisch falsch ist sie genau dann, wenn sie fĂźr alle mĂśg-lichen Fälle der Wahrheit und Falschheit der Elemantaraussagen falsch ist. EineAussage B folgt logisch aus einer anderen A genau dann, wenn es unmĂśglichist, dass A wahr und B falsch ist. Diese vorläufigen Definitionen, die noch von
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den ModalausdrĂźcken âmĂśglichâ bzw. âunmĂśglichâ Gebrauch machen, kĂśnnenim Rahmen der AusfĂźhrungen zur klassischen Logik durch andere Definitionenersetzt werden, die zugleich als Kriterien dienen kĂśnnen, um festzustellen, ob eineAussage logisch wahr oder falsch ist bzw. ob eine Aussage aus einer anderen folgt.
Erläuterung 1.5Die durch die klassische Logik formalisierbaren Aussagen sind bivalent undWahrheitsfunktionen logisch voneinander unabhängiger Elementaraussagen.
Erläuterung 1.6Die durch die klassische Logik zu untersuchenden formalen Eigenschaftenund formalen Relationen sind wahrheitsfunktionale Eigenschaften und Relatio-nen. Unter diesen nehmen die logische Wahrheit, die logische Falschheit unddie logische Folgerung eine vorrangige Stellung ein.
Die formale Sprache und die Beweisverfahren der klassischen Logik lassensich demgegenßber ganz unabhängig von der Bezugnahme auf die Wahrheit undFalschheit von Aussagen definieren. Im Unterschied zur Semantik der klassischenLogik und den ihr zugrundeliegenden Prinzipien, betreffen die formale Spracheund die Beweisverfahren der klassischen Logik ihre Syntax.
Erläuterung 1.7Unter Semantik versteht man allgemein die Lehre von der Bedeutung derZeichen. Unter der Semantik der klassischen Logik ist die Lehre von derInterpretation der formalen Sprache der klassischen Logik zu verstehen.
Erläuterung 1.8Unter Syntax versteht man allgemein die Lehre von der korrekten Bildungund Umformung von Zeichen. Unter der Syntax der klassischen Logik ist dieLehre der Bildung und Umformung der Formeln der formalen Sprache derklassischen Logik zu verstehen.
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Die formale Sprache der klassischen Logik ist die Sprache der Quantorenlogikmit Identität. Diese beinhaltet als einen Teil die Sprache der Quantorenlogik, diewiederum als einen Teil die Sprache der Aussagenlogik umfasst. Diese formalenSprachen werden in LEKTION 2, 8 und 11 definiert.
Die Beweise der klassischen Logik bestehen in Ableitungen. Dies sind endlicheFolgen von Formeln, die nach festgelegten Regeln gebildet werden.
Zusatzbemerkung 1.1: Die Regeln, nach denen Ableitungen herzustellen sind, bilden eine
logische Notation. Die Eigenschaft einer Ableitung, die die formale Relation der logischen Folge-
rung beweist, besteht darin, dass die abzuleitende Formel in der letzten Zeile der Ableitung steht,
deren Annahmenliste allein die Zeilennummern der Formeln enthält, aus denen die Formel folgt.
Die BeweisfĂźhrung der logischen Folgerung einer Formel aus anderen besteht in der Zuordnung
dieser Formel zu einer Ableitung mit dieser Eigenschaft.
Andere Beweisverfahren, die zumeist in Abhängigkeit zur Semantik der klas-sischen Logik verstanden werden, sind Berechnungen der Wahrheitswerte vonsogenannten âInterpretationenâ der Formeln. Ein Beispiel hierfĂźr sind die Wahr-heitswerttabellen in der Aussagenlogik.
Zusatzbemerkung 1.2: Die beweisende Eigenschaft der AllgemeingĂźltigkeit11 einer aussagen-
logischen Formel besteht bei den Wahrheitswerttabellen darin, dass in der Spalte des sogenannten
Hauptjunktors immer âWâ steht; die beweisende Eigenschaft der UnerfĂźllbarkeit einer aussagenlo-
gischen Formel besteht bei den Wahrheitswerttabellen darin, dass in der Spalte des Hauptjunktors
immer âFâ steht.
Diese Beweisverfahren der Konstruktion von Ableitungen und Wahrheits-werttabellen und allgemein der Berechnung von Interpretationen sowie ihr Ver-hältnis zueinander werden in den LEKTIONEN 2, 4-6, 8 und 10-11 dargestellt.
Zusatzbemerkung 1.3: Mittels Ableitungen lässt sich beweisen, dass eine Formel aus anderen
Formeln folgt; es lässt sich allerdings nicht in jedem Fall beweisen, dass sie aus anderen Formeln
nicht folgt. Mittels Wahrheitswerttabellen lässt sich zwar jede beliebige wahrheitsfunktionale Eigen-
schaft oder Relation â aber nur innerhalb der Aussagenlogik â beweisen. Ein analoges Verfahren
fĂźr die Berechnung der Wahrheitswerte von Interpretationen beliebiger Formeln der Quantorenlogik
gibt es nicht, vielmehr bleiben derartige Verfahren auf bestimmte Formelklassen beschränkt.
Durch die formale Sprache und durch ihre Schlussregeln ist die klassischeLogik eindeutig zu kennzeichnen und von allen anderen Logiken abzugrenzen. Sieunterscheidet sich hierdurch nicht nur von den genannten Logiken, sondern auchvon der mehrstufigen Quantorenlogik sowie der Klassenlogik, die fĂźr die Formalisierung
11Zur Definition der AllgemeingĂźltigkeit siehe Lektion 2, S. 55.
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von Aussagen Ăźber Eigenschaften, Relationen oder Klassen die formale Spracheder Quantorenlogik der 1. Stufe erweitern.
Erläuterung 1.9Die formale Sprache der klassischen Logik ist die Sprache der Quantoren-logik erster Stufe mit Identität. Die Beweisverfahren bestehen vornehmlich inAbleitungen, fßr die bestimmte Ableitungsregeln gelten, sowie in Berech-nungen der Wahrheitswerte von Interpretationen, z.B. den Wahrheitswert-tabellen.Durch ihre formale Sprache sowie ihre Schlussregeln ist die klassische Logikgegenßber allen anderen Logiken eindeutig zu kennzeichnen.
Während sich hinsichtlich der Formalisierung die Frage stellt, welcher Um-fang an Aussagen mittels einer formalen Sprache formalisierbar ist, stellt sichhinsichtlich der Beweisverfahren fĂźr die Formeln einer formalen Sprache die Fra-ge, ob die Beweisverfahren fĂźr jede beliebige Formel der formalen Sprache ent-scheiden kĂśnnen, ob die zu untersuchenden formalen Eigenschaften und Re-lationen bestehen oder nicht bestehen. FĂźr die klassische Logik stellt sich dieFrage, ob die wahrheitsfunktionalen Eigenschaften jeder beliebigen Formel derformalen Sprache der erweiterten Quantorenlogik mittels der fĂźr sie entwickeltenBeweisverfahren bestimmt werden kĂśnnen. Beweisverfahren, die sowohl leistenzu entscheiden, ob eine fragliche Eigenschaft besteht, als auch zu entscheiden, obsie nicht besteht, nennt man auch Entscheidungsverfahren. Während die Formalisie-rung an dem Kriterium der Reichhaltigkeit gemessen werden kann, kĂśnnen dieBeweisverfahren eines Logiksystems anhand des Kriteriums der Entscheidbarkeitgemessen werden. Meistens wird hinsichtlich der klassischen Logik dieses Kri-terium auf die Frage bezogen, ob fĂźr jede beliebige Formel entschieden werdenkann, ob sie die (formale) Eigenschaft der AllgemeingĂźltigkeit besitzt. Nennt mandie klassische Logik unentscheidbar, dann ist damit gemeint, dass es kein Ver-fahren gibt und darĂźber hinaus aus prinzipiellen GrĂźnden auch kein Verfahrenentwickelt werden kann, das fĂźr jede beliebige Formel der Sprache der erweitertenQuantorenlogik Q+I entscheiden kann, ob diese allgemeingĂźltig ist oder nicht.Eine fundamentale Aussage der sogenannten Metalogik, die die Beweisverfahrender Logik mit mathematischen Methoden untersucht, besagt, dass die klassischeLogik â genauer: die Eigenschaft der AllgemeingĂźltigkeit von Formeln der quan-torenlogischen Sprache Q â unentscheidbar ist. Was fĂźr die klassische Logik gilt,gilt auch fĂźr jedes reichhaltigere System. Demnach sind den MĂśglichkeiten des
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Beweisens formaler Eigenschaften und Relationen unabhängig von Anwendungs-fragen der Logik immanente Grenzen gesetzt. Demgegenßber lässt sich zeigen,dass die Allgemeingßltigkeit und darßber hinaus jede beliebige Wahrheitsfunktionder Formeln der formalen Sprache der Aussagenlogik J , die eine Teilsprache derquantorenlogischen Sprache Q ist, entscheidbar ist. Diese und weitere Ergebnisseder Metalogik werden im Zusammenhang mit der Erläuterung der Beweisverfah-ren in den LEKTIONEN 6, 8 und 12 thematisiert.
Erläuterung 1.10Die Formalisierung wird gemessen am Kriterium der Reichhaltigkeit; dieBeweisverfahren am Kriterium der Entscheidbarkeit.Die Reichhaltigkeit bemisst den Umfang an Aussagen, die eine formaleSprache zu formalisieren erlaubt.Die Entscheidbarkeit bemisst, ob das Bestehen und Nichtbestehen einerformalen Eigenschaft (insbesondere die der Allgemeingßltigkeit) vonbeliebigen Formeln bzw. einer formalen Relation zwischen beliebigenFormeln bewiesen werden kann.
Die allgemeine Aufgabe der Logik lässt sich unter Voraussetzung der voran-gegangenen Ausfßhrungen wie folgt formulieren:
AUFGABE DER LOGIK:Definiere eine formale Sprache, die es erlaubt, unter Voraussetzung defi-nierter Analyseverfahren sämtliche wissenschaftlichen Aussagen zu forma-lisieren. Definiere ferner Entscheidungsverfahren, mit denen sich fßr sämtlicheformale Eigenschaften und Relationen feststellen lässt, ob diese fßr be-liebige Aussagen (oder Typen) bestehen oder nicht.
Diese Aufgabe ist bislang nicht erfßllt: Erstens gibt es keinen umfassendenKanon an klar definierten Analyseverfahren und kein Entscheidungsverfahrenfßr Formeln der Quantorenlogik sowie alle reichhaltigeren formalen Sprachen;zweitens gibt es prinzipielle Bedenken, sowohl was die MÜglichkeit eindeutigerDefinitionen von Analyseverfahren als auch die MÜglichkeit der Definition einesEntscheidungsverfahrens fßr die Formeln der Quantorenlogik (und anderer Lo-giken) betrifft. Aus diesem Grunde gibt man sich meistens damit zufrieden, dieseAufgabe nur fßr Teilgebiete und unter einschränkenden Bedingungen zu erfßllen.
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Untersuchungsgegenstand Logische Daten BeweisAussagenlogische u. Aussagenlogische u.quantorenlogische quantorenlogische
Wahrheitsfunktionale Eigen- Formalisierung Formeln der formalen Beweisfßhrung Beweisende Eigenschaftschaften und Relationen Sprache J, Q, Q+ I oder beweisende Relation umgangssprachlich oder mittels Kriterium: Kriterium: von Wahrheitswerttabellenanderer Repräsentationsmittel Reichhaltigkeit Entscheidbarkeit oder Ableitungen aussagen-formulierter bivalenter Aussagen, (Philosophie) (Metalogik) logischer oder quantoren-deren Wahrheit und Falschheit logischer Kalkßleausschliesslich von logischunabhängigen Elementaraussagenabhängt
Anwendung der klassischen Logik Klassische Logik
Abbildung 1.3: Schema zur Aufgabe der klassischen Logik
Die klassische Logik lässt sich als ein Teilgebiet der Logik charakterisieren,das die Aufgaben der Logik fßr eine bestimmte Art von Aussagen und fßr eine be-stimmte Art formaler Eigenschaften und Relationen mit den sie kennzeichnendenMitteln (formale Sprache und Beweisverfahren) zu erfßllen versucht. Inwieweitsie damit die gestellte Aufgabe der Logik erfßllt, bemisst sich anhand des Krite-riums der Reichhaltigkeit fßr die Formalisierung und anhand des Kriteriums derEntscheidbarkeit fßr die Beweisverfahren. Ersteres hängt zusammen mit Fragender Analyse von Aussagen und fällt in das Gebiet der Philosophie, Letzteres setztdie Verwendung mathematischer Methoden voraus und fällt in das Gebiet derMetalogik (vgl. Abbildung 1.3).
3 ARGUMENTREKONSTRUKTION
Eine wichtige Anwendung findet die Logik bei der Bewertung der logischen Schlßs-sigkeit von Argumenten. Ein Argument besteht aus Prämissen (im Grenzfall aus nureiner Prämisse) und einer Konklusion. In einem logisch schlßssigen Argument folgtdie Konklusion aus den Prämissen. In einem unschlßssigen Argument ist diesnicht der Fall. Ob eine Konklusion aus Prämissen folgt, bestimmt sich relativ zuSchlussregeln, die in der Logik fßr die Formalisierungen der Prämissen und Konklu-sionen definiert werden. In der Wissenschaft werden typischerweise Argumenteproduziert, in denen Thesen dadurch begrßndet werden, dass sie als Konklusio-nen aus Annahmen als den Prämissen gefolgert werden. Die Prämissen kÜnnenbegrßndet oder unbegrßndet, wahr oder falsch, mehr oder weniger ßberzeugendsein: Die Logik untersucht allein, ob aus gegebenen Prämissen die aus ihnen ge-
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zogenen Konklusionen im Sinne der Logik gefolgert werden kĂśnnen. Sie beurteiltnicht den Wert von Argumenten, sondern nur ihre logische SchlĂźssigkeit.
Um dies tun zu kĂśnnen, mĂźssen die Argumente rekonstruiert werden. Untereiner Argumentrekonstruktion versteht man die Formalisierung eines gegebenen Ar-gumentes in zwei Schritten: Die umgangssprachlich oder mittels anderer Reprä-sentationsmittel formulierten Argumente mĂźssen erstens standardisiert, und zwei-tens schematisiert werden. Unter der Standardisierung versteht man die Zuordnungeiner standardisierten, umgangssprachlichen Form zu einem umgangssprachlichoder mit andersartigen Repräsentationsmitteln formulierten Argument. Unter derSchematisierung versteht man die Zuordnung einer logischen Formel zu einem stan-dardisierten Ausdruck. Anhand des Resultats der Schematisierung â der logischenFormel â kann dann mittels logischer Beweisverfahren die logische SchlĂźssigkeitdes Argumentes ĂźberprĂźft werden. Im Unterschied zur Schematisierung verwen-det die Standardisierung umgangssprachliche AusdrĂźcke, deren Bedeutung alsbekannt vorausgesetzt wird. Im Unterschied zu umgangssprachlichen Formulierungeneines Argumentes, in denen dasselbe Argument auf viele unterschiedliche Weisenzum Ausdruck gebracht werden kann und dieselben AusdrĂźcke in unterschiedli-chen argumentativen Zusammenhängen unterschiedliche Bedeutung haben kĂśn-nen, wird die standardisierte Form nach einem einheitlichen Schema und unter Ge-brauch eines festen, begrenzten Vokabulars gebildet.
Erläuterung 1.11Unter der Standardisierung versteht man die Zuordnung einer standardi-sierten umgangssprachlichen Form zu einem umgangssprachlich oderandersartig formulierten Argument. In der standardisierten Form werdendie Argumente unter Verwendung eines festen, begrenzten Vokabularsauf ein einheitliches Schema gebracht. Die standardisierte Form eines Ar-guments wird in der Schematisierung einer Formel einer formalen Sprachezugeordnet.
Erläuterung 1.12Unter einer Argumentrekonstruktion versteht man die Standardisierung undSchematisierung eines umgangssprachlich oder mit andersartigen Reprä-sentationsmitteln formulierten Arguments.Die Argumentrekonstruktion ermÜglicht die Prßfung der logischenSchlßssigkeit des Argumentes.
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Die Mittel der klassischen Logik erlauben die Rekonstruktion einer bestimm-ten Art von Argumenten sowie die Prßfung ihrer logischen Schlßssigkeit relativzu den Schlussregeln der klassischen Logik. Die Prämissen und die Konklusi-on dieser Argumente sind bivalente Aussagen, die Wahrheitsfunktionen logischunabhängiger Elementaraussagen sind. Schlßssig im Sinne der klassischen Logikwerden Argumente genannt, wenn die Schlussregeln der klassischen Logik eserlauben, aus dem formalisierten Ausdruck der Prämissen zu dem der Konklu-sion ßberzugehen. Dies ist gleichbedeutend damit, dass die Konklusion aus denPrämissen folgt, d.h. es ist unmÜglich (ausgeschlossen) im Sinne der klassischenLogik, dass die Prämissen wahr, und die Konklusion falsch ist.
Dieser Begriff der logischen SchlĂźssigkeit ist nicht trivial, und fĂźhrt sogarzu Konsequenzen, die als âparadoxâ bezeichnet werden. Man spricht in diesemZusammenhang vom âParadox der formalen Implikationâ.12 Denn nach demBegriff der logischen SchlĂźssigkeit im Sinne der klassischen Logik ist ein Argu-ment auch dann schlĂźssig, wenn die Prämissen logisch falsch sind: âEs regnetund es regnet nicht, also: Mama backt heute Berner RĂśstiâ ist demnach Ausdruckeines schlĂźssigen Arguments. Dies erscheint in gewisser Hinsicht paradox, da beider Bewertung von Argumenten intuitiv vorausgesetzt wird, dass die Prämissenin irgendeinem Sinn relevant fĂźr die Konklusion sein mĂźssen. Eben dies ist nichtgegebenen, wenn die Prämissen logisch falsch sind. Eine Logik, die diesem Aspektvon Argumenten gerecht werden will, ist die Relevanzlogik. Im Unterschied zurklassischen Logik erlauben ihre Schlussregeln u.a. nicht den Ăbergang von logischfalschen Prämissen zu beliebigen Konklusionen. Eine weitere Konsequenz desBegriffes der logischen SchlĂźssigkeit der klassischen Logik, die denselben Punktder Irrelevanz der Prämissen fĂźr die Konklusionen betrifft, besteht darin, dass diePrämissen eines schlĂźssigen Argumentes um beliebige weitere Prämissen ergänztwerden kĂśnnen, ohne dass dies die SchlĂźssigkeit des Arguments berĂźhrt: âEsregnet und es regnet nicht und Mama backt heute nicht Berner RĂśsti, also: Mamabackt heute Berner RĂśstiâ ist ein schlĂźssiges Argument im Sinne der klassischenLogik. Das logische Gesetz, das erlaubt, beliebige Prämissen zu einem schlĂźssigenArgument hinzuzufĂźgen, nennt man das Gesetz der Monotonie. Eine Logik, inder dieses Gesetz keine ableitbare Schlussregel bildet, nennt man nicht-monotoneLogik.
Ein mit dem Paradox der formalen Implikation eng zusammenhängendesParadox ist das âParadox der materialen Implikationâ.13 Gemäss der klassischen
12Siehe zum Begriff der formalen Implikation LEKTION 3, S. 90.13Siehe zum Begriff der materialen Implikation, LEKTION 3, S. 90.
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Logik ist die im folgenden Wenn/Dann Satz ausgedrĂźckte Aussage14 âWenn Berndie Hauptstadt der USA ist, dann ist meine Grossmutter Weltmeisterin im Drei-radfahrenâ unter der Voraussetzung, dass man sie keiner weiteren Analyse un-terzieht, wahr, da der Wenn-Teil der Aussage falsch ist. Aber auch hier gibt eszwischen dem Wenn-Teil und dem Dann-Teil keinen relevanten Zusammenhang.Eine Logik, die die Falschheit des Wenn-Teiles nicht als hinreichende Bedingungder Wahrheit einer Wenn/Dann Aussage erachtet, und einen stärkeren Zusam-menhang zwischen dem Wenn-Teil einer Aussage und ihrem Dann-Teil verlangt,ist die sogenannte Logik der strikten Implikation. Relevanzlogik bzw. nicht-monotoneLogik und die Logik der strikten Implikation werden auch zusammengefasst unterdem Titel der Logik des âEntailmentâ.
Inwieweit derartige alternative Logiken nĂśtig sind, hängt ab von der For-malisierung und den hierbei verwendeten Analyseverfahren umgangssprachlicherAussagen, in denen offensichtlich relevante Zusammenhänge behauptet werden.Ein typischer Fall sind Kausalzusammenhänge: âWenn der Blitz einschlägt, dannwird es brennenâ. Unterstellt man keine weiteren Analyseverfahren, dann ist diemit diesem Satz gemachte Aussage von derselben Form wie die des Satzes âWennBern die Hauptstadt der USA ist, dann ist meine Grossmutter Weltmeisterin imDreiradfahrenâ. Relativ zu dieser Formalisierung, die von keinen weiteren Analy-severfahren Gebrauch macht, werden die Sätze derselben Formel der klassischenLogik zugeordnet, und man ist offensichtlich nicht in der Lage Wenn/Dann Aus-sagen mit relevanten Zusammenhängen von solchen ohne relevante Zusammen-hänge formal zu unterscheiden. Macht man hingegen von weiteren Analysever-fahren Gebrauch, die davon ausgehen, dass der Satz âWenn der Blitz einschlägt,dann wird es brennenâ im Unterschied zu âWenn Bern die Hauptstadt der USAist, dann ist meine Grossmutter Weltmeisterin im Dreiradfahrenâ eine Kausalaus-sage ausdrĂźckt, deren Formalisierung von Mitteln einer Analyse von Kausalaus-sagen Gebrauch macht, und geht man weiterhin davon aus, dass diese Analysemit den Mitteln der formalen Sprache der klassischen Logik zu leisten ist, dannlassen sich unter dieser Voraussetzung den beiden Sätzen ganz unterschiedlicheFormeln zuordnen. Es ist hier nicht der Platz, diese Fragen zu erĂśrtern, sondernnur auf die Abhängigkeit der Beurteilung alternativer Logiken von Analyseverfah-ren fĂźr Aussagen aufmerksam zu machen. Eine EinfĂźhrung in die Analyse von
14Genaugenommen ist in diesem Zusammenhang von der Subjunktion bzw. Implikation undder Definition des Junktors âââ auszugehen. Da an dieser Stelle jedoch nicht die Definitionder formalen Sprache der Aussagenlogik vorausgesetzt werden soll, muss die weniger scharfeCharakterisierung durch Bezugnahme auf Wenn/Dann Aussagen im Text vorgezogen werden.
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Kausalaussagen sowie ihrer formalen Behandlung gibt der VILOLA-GrundkursKAUSALES SCHLIESSEN.15
Unabhängig von den genannten Paradoxen gibt es eine FĂźlle von Argumen-ten, die man nicht von vorneherein als unschlĂźssig bezeichnen muss, obwohlsie nicht die Bedingung erfĂźllen, dass es ausgeschlossen ist, dass die Prämissenwahr und die Konklusion falsch ist: âHansâ Streptokokkeninfektion wird mit Pe-nicillin behandelt. Die Behandlung einer Streptokokkeninfektion fĂźhrt mit hoherWahrscheinlichkeit zur Genesung. Also folgt mit hoher Wahrscheinlichkeit: Hanswird wieder gesund.â Diese Schlussfolgerung schliesst nicht den mĂśglichen (wennauch unwahrscheinlichen) Fall aus, dass Hans trotz der Penicillinbehandlung nichtgesund wird. Die SchlĂźssigkeit ist in diesem Fall keine deduktive, sondern nur eineinduktive, und das entsprechende Argument kein deduktives Argument, sondern eininduktives Argument. Die Logik, die sich mit den Regeln des induktiven Schliessensbefasst, nennt man die induktive Logik. Die klassische Logik hingegen findet nurAnwendung auf deduktive Argumente und die von ihr untersuchte SchlĂźssigkeit istdie deduktive SchlĂźssigkeit.
Erläuterung 1.13Die klassische Logik ist ein Mittel, die logische Schlßssigkeit von Argumentenzu prßfen. Die Prämissen und Konklusionen der von ihr untersuchtenArgumente sind bivalente Aussagen, die Wahrheitsfunktionen logischunabhängiger Elementaraussagen sind.Die von ihr untersuchte logische Schlßssigkeit ist die deduktive Schlßssigkeit,nach der es logisch ausgeschlossen ist, dass die Prämissen wahr und dieKonklusion falsch ist. Dieser Begriff beinhaltet nicht, dass die Prämissenund die Konklusion in irgendeinem relevanten Zusammenhang stehen.
Machen Sie im Anschluss an die LektĂźre die Ăbung zur ersten Lektion, umIhr Verständnis zu prĂźfen und anzuwenden:16
ĂBUNG: KLASSISCHE LOGIK
15Siehe unter http://www.philoscience.unibe.ch/kausalitaet.html.16Der Zugang zu den interaktiven Ăbungseinheiten wird im VORWORT auf S. 5 erläutert.
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Abbildung 1.4: Schema zur Aufgabe der Argumentrekonstruktion
LEKTION 2
WAHRHEITSWERTTABELLEN
LEKTIONEN 2 bis 6 behandeln die klassische Aussagenlogik, auch klassische Junk-torenlogik genannt. Sie bildet einen Teil der klassischen Logik. In dieser zweitenLektion wird die formale Sprache der Aussagenlogik definiert und ihre Interpretationerläutert. Auf dieser Basis kÜnnen dann die Wahrheitswerttabellen als ein Entschei-dungsverfahren fßr wahrheitsfunktionale Eigenschaften und Relationen innerhalbder klassischen Aussagenlogik eingefßhrt werden.
1 DEFINITION VON J
FĂźr die Definition einer formalen Sprache muss erstens ein Alphabet und zweitensdie Zusammensetzung wohlgeformter Formeln aus diesem Alphabet definiert werden.Dies soll im Folgenden fĂźr die formale Sprache der Aussagenlogik (J ) geschehen.
1.1 DEFINITION DES ALPHABETS VON J
Die Definition des Alphabets von J definiert, aus welchen Zeichen die (wohlge-formten) Formeln von J zusammengesetzt werden.
Erläuterung 2.1Das Alphabet von J besteht auf folgenden Zeichen:
SATZBUCHSTABEN: âP â, âQâ, âRâ, âSâ, âT â, âU â, âP1â, âP2â, âP3â, . . . ;
LOGISCHE ZEICHEN: âÂŹâ, â&â, ââ¨â, âââ, âââ;
HILFSZEICHEN: â(â, â)â.
Diese Definition ist eine ostensive Definition: Sie definiert die Zeichen desAlphabets von J nicht dadurch, dass sie diese beschreibt, sondern dadurch, dassdiese genannt (zitiert) werden. Man beachte, dass die Zeichen des Alphabets vonJ zwischen einfachen AnfĂźhrungsstrichen stehen.1 Die AnfĂźhrungszeichen, das
1Der Ăbersicht halber werden zum Zwecke der AnfĂźhrung von Zeichen der Objektspracheeinfache (und nicht zweifache), englische (und nicht deutsche) AnfĂźhrungszeichen verwendet.DemgegenĂźber werden bei der AnfĂźhrung von AusdrĂźcken der Umgangssprache zweifache, deut-
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Komma, das Semikolon, der Punkt und die drei Pßnktchen sind ebenso wie diein der Definition verwendeten deutschen WÜrter nicht Teil des Alphabets von J ,sondern nur Teil der Sprache, mittels derer das Alphabet von J definiert wird.Die Sprache, mittels derer eine formale Sprache definiert wird und Aussagen ßberdiese formuliert werden, nennt man Metasprache, während die formale Sprache, diedas Objekt der Untersuchung bildet, Objektsprache genannt wird. Metasprache undObjektsprache sind stets zu unterscheiden.
Die drei PĂźnktchen in der Angabe der Satzbuchstaben bedeuten, dass alleweiteren Satzbuchstaben durch Anwendung der Regel zu bilden sind, nach derder Index von âPâ jeweils um 1 zu erhĂśhen ist.2 Durch diesen Teil der Definitionbesitzt das Alphabet von J unendlich viele Zeichen.3
Die Definition enthält willkĂźrliche Elemente, und die LehrbĂźcher der klas-sischen Logik variieren in der jeweils verwendeten formalen Sprache der Aussa-genlogik in einigen, unwesentlichen Punkten. Es ist willkĂźrlich, welche Zeichenund â innerhalb gewisser Grenzen â wieviele Zeichen man wählt: Als Satzbuch-staben werden nicht immer grosse, sondern auch kleine Buchstaben verwendet.Die Verwendung von Indices hat den theoretischen Zweck, die Sprache J nichtauf die Verwendung einer bestimmten Anzahl an Satzbuchstaben festzulegen.Man kann ebenso gut Striche wie Zahlen zur Indizierung verwenden. Strengge-nommen ist die Verwendung nicht-indizierter Satzbuchstaben ĂźberflĂźssig. Sie istallerdings Ăźblich und praktisch. Auch bei der Verwendung der logischen Zeichengibt es unterschiedliche Standards:
AlternativenâÂŹâ â-â, ââźâ,â&â ââ§â, â.âââ¨â âvââââ âââ, â-âşââââ ââĄâ, ââš-âşâ
Anstelle des Zeichens âÂŹâ wird auch ein Ăźber die Satzbuchstaben geschrie-bener Balken âââ verwendet (also statt âÂŹP â schreibt man âP â), und anstelle der
sche AnfĂźhrungszeichen verwendet. Des Weiteren werden zur AnfĂźhrung von Begriffen einfache,deutsche AnfĂźhrungszeichen verwendet.
2Man kÜnnte auf die drei Pßnktchen in der Definition verzichten, indem man die Satzbuch-staben wie die wohlgeformten Formeln induktiv definiert. Da dies umständlicher ist, wird hieraufverzichtet.
3Genaugenommen handelt es sich um abzählbar unendlich viele Zeichen. Eine Menge istabzählbar genau dann, wenn sie auf die Menge der natßrlichen Zahlen abgebildet werden kann.
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VerknĂźpfung zweier Satzbuchstaben durch das Zeichen â&â werden auch die Satz-buchstaben schlicht direkt hintereinander geschrieben (also statt âP &Qâ schreibtman âPQâ).
Auch die Anzahl der verwendeten logischen Zeichen ist nicht festgelegt, wasdarin begrĂźndet liegt, dass man einige durch andere definieren kann (vgl. LEK-TION 5, S. 145). Strenggenommen wĂźrde die Verwendung nur eines logischenZeichens â des sogenannten âShefferstrichesâ (siehe S. 48) â ausreichen, um eineformale Sprache der klassischen Aussagenlogik zu definieren, die mit der hierdefinierten hinsichtlich ihrer Semantik und Syntax gleichwertig ist. Dies wäre aberunpraktisch. Die hier gewählte Form ist gängig. Oft verzichtet man auf das lo-gische Zeichen âââ; es wäre aber auch mĂśglich, weitere logische Zeichen einzu-fĂźhren. Die logischen Zeichen der Aussagenlogik bzw. Junktorenlogik nennt manauch Junktoren. Bei den Hilfszeichen werden des Ăśfteren andere Klammertypenverwendet (z.B. â{â, â}â, â[â, â]â). Dies dient der Ăbersichtlichkeit bei mehrfachenKlammersetzungen in Formeln. Des Weiteren werden noch zusätzliche Hilfs-zeichen (â,â, â¡ ¡ ¡â) eingefĂźhrt, um Argumentschemata zu kennzeichnen (s. hierzuLEKTION 3, Abschnitt 3, S. 87).
1.2 DEFINITION DER WOHLGEFORMTEN FORMELN VON J
Die Definition der wohlgeformten Formeln von J legt fest, welche Zeichenket-ten4 zur Sprache J gehĂśren.
Die folgende Definition ist zwar durch den Gebrauch der Umgangsspracheals Metasprache etwas umständlich, verzichtet dafßr aber auf die Einfßhrung wei-terer Hilfsmittel, deren Verwendung Probleme aufwirft.
4Eine Zeichenkette in dem hier gemeinten Sinn kann auch aus nur einem Buchstaben bestehen.
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Erläuterung 2.2Die Menge der wohlgeformten Formeln (kurz: wff) von J ist definiertdurch folgende Regeln:
1. Jeder Satzbuchstabe ist eine wff.
2. Jede wff, der das logische Zeichen âÂŹâ vorangeht, ist eine wff.
3. Jede wff, gefolgt von â&â, gefolgt von einer wff, das Ganze umklam-mert, ist eine wff.
4. Jede wff, gefolgt von ââ¨â, gefolgt von einer wff, das Ganze umklam-mert, ist eine wff.
5. Jede wff, gefolgt von âââ, gefolgt von einer wff, das Ganze umklam-mert, ist eine wff.
6. Jede wff, gefolgt von âââ, gefolgt von einer wff, das Ganze umklam-mert, ist eine wff.
7. wff sind nur lineare Zeichenketten, die in einer endlichen Anzahlan Schritten mittels der 1. â 6. Regel gebildet werden kĂśnnen.
Diese Definition ist eine induktive (oder auch: rekursive) Definition. InduktiveDefinitionen ermÜglichen die schrittweise Konstruktion der definierten Elementeausgehend von gewissen Anfangselementen. Sie bestehen aus einer Anfangsklausel(1. Regel), den Induktionsklauseln (2. bis 6. Regel) und der Abschlussklausel (7. Regel).Die Anfangsklausel gibt die Anfangselemente an, von der die Konstruktion einer wffausgeht. Die Induktionsklauseln erlauben es, weitere Elemente aus bereits gegebe-nen zu bilden. Die Abschlussklausel legt fest, dass ausschliesslich solche Elementezur definierten Menge gehÜren, die gemäss der Anfangs- und Induktionsklauselgebildet sind.
Mittels induktiver Definitionen kĂśnnen unendliche Mengen (in unserem Fall dieMenge aller wff von J ) definiert werden, ohne PĂźnktchen oder ähnliche Hilfsmit-tel zu verwenden. Durch die Abschlussklausel wird allerdings die Konstruktionunendlich langer Zeichenketten, die man durch eine nicht endende Anwendung derInduktionsklauseln gewinnt, ausgeschlossen. Eine unendliche Aneinanderreihungunterschiedlicher Satzbuchstaben (z.B. âP1â, âP2â, âP3â etc.) durch das logischeZeichen ââ¨â ist demnach keine wff. Liesse man derartige unendliche Formeln zu,
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dann wßrde die klassische Aussagenlogik nicht mehr die Eigenschaften besitzen,die sie hat. Die klassische Aussagenlogik wäre z.B. nicht mehr entscheidbar, danicht mittels endlicher Schritte festgestellt werden kÜnnte, ob eine beliebige, ausdem Alphabet von J zusammengesetzte Zeichenkette eine wohlgeformte Formelist.
Zusatzbemerkung 2.1: Die Wahrheitswerttabellenmethode wäre auch nicht mehr ein voll-
ständiges Entscheidungsverfahren. Eine unendliche Disjunktion ist nicht allgemeingßltig, da der
Hauptjunktor relativ zur Belegung aller Satzbuchstaben mit dem Wahrheitswert F auch mit dem
Wert F belegt wird. Dies wäre aber nicht in endlichen Schritten zu beweisen, da man nie zur
Berechnung des Wertes des Hauptjunktors gelangt, und die Belegungen des Hauptjunktors nicht
aus denen einer endlichen Formel gefolgert werden kĂśnnen.
Gemäss der Definition des Alphabets und der Definition der wohlgeformtenFormeln von J besteht die Menge aller wohlgeformten Formeln aus unendlichvielen Formeln einer endlichen Länge. Es gibt keine längste Formel, da sich immereine Formel konstruieren lässt, die länger ist, aber es gibt auch keine Formel,die unendlich lang ist. Dasselbe gilt fßr die natßrlichen Zahlen, die sich ebensoinduktiv definieren lassen: Es gibt keine grÜsste natßrliche Zahl, aber es gibt auchkeine unendliche, natßrliche Zahl (Entsprechendes gilt fßr die Zahlzeichen).
Gemäss den gegebenen Definitionen ist fßr jede beliebige Zeichenkette inendlichen Schritten zu begrßnden, ob es sich um eine wohlgeformte Formel han-delt oder nicht. Hierfßr ist jeweils zu prßfen, ob sich die Zeichenkette mittels derRegeln 1. - 7. konstruieren lässt.
BEISPIEL 1: â(P ⨠(Q&ÂŹR))â ist eine wff, denn:
1. Nach Regel 1 sind âP â, âQâ, âRâ wff.
2. Nach 1. und Regel 2 ist âÂŹRâ eine wff.
3. Nach 1.,2. und Regel 3 ist â(Q&ÂŹR)â eine wff.
4. Nach 1.,3 und Regel 4 ist â(P ⨠(Q&ÂŹR))â eine wff.
BEISPIEL 2: â(P ⨠&)â ist demgegenĂźber keine wff, denn:
1. Nach Regel 1 ist âP â ist eine wff.
2. â(P ⨠&)â ist keine wff, da nach Regel 4 ââ¨â von einer wff gefolgt werdenmuss, â&â ist aber keine wff.
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3. Da Regel 4 die einzige Regel ist, die die regelgerechte Verwendung von ââ¨âregelt, ist nach 2. und Regel 7 â(P ⨠&)â keine wff.
Auchâ(P⨠(
Q
&Q))âist keine wff, da es sich nicht um eine lineare Zeichenkette
handelt. Ebenso wenig ist âAâ eine wff, da es sich nicht um einen Satzbuchstabenhandelt. â(P )â und â(ÂŹP )â sind keine wohlgeformten Formeln, da Klammernerst durch die Regeln 3 - 6 bei der Verwendung dyadischer Junktoren5 eingefĂźhrtwerden.
Auch âP &Qâ ist keine wff, da die 3. Regel eine Aussenklammer fordert. DaKlammersetzungen aber fĂźr die eindeutige Interpretation der Formeln nicht im-mer nĂśtig sind, und bei komplizierteren Formeln unĂźbersichtlich wirken, werdenKlammerregeln zum Zwecke einfacherer Schreibweisen der wff eingefĂźhrt:
Erläuterung 2.3Um den Gebrauch von Klammern einzuschränken, sei festgelegt:
1. Aussenklammern kĂśnnen eliminiert werden.
2. ââ¨â und â&â binden stärker als âââ und âââ.
3. Sind keine Klammern gesetzt und die Bindung gleich stark, dannist dies gleichbedeutend mit einer Verklammerung der Formelnvon links nach rechts.
Gemäss der 1. Klammerregel ist âP &Qâ gleichbedeutend mit â(P &Q)â;gemäss der 2. Klammerregel ist â(P ⨠Q â R)â gleichbedeutend mitâ((P ⨠Q) â R)â; gemäss der 3. Klammerregel ist â(P &Q&R)â gleichbedeutendmit â((P &Q) &R)â. Gemäss aller drei Klammerregeln ist âP &Q ⨠R â Sâgleichbedeutend mit â(((P &Q) ⨠R) â S)â.
Unter die wohlgeformten Formeln von J sollen im Weiteren auch die Formelnfallen, die durch Anwendung der Klammerregeln aus den wff im oben definiertenSinne gewonnen werden. Anstatt wohlgeformter Formeln von J soll in der Folge auchkurz von den Formeln von J gesprochen werden.
5Dyadische Junktoren sind Junktoren, die zwei Argumente haben, also â&â, ââ¨â, âââ, âââ, abernicht âÂŹâ.
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ĂBUNG: WOHLGEFORMTE FORMELN VON J
2 INTERPRETATION VON J
Die Definition der formalen Sprache J gibt den Zeichen und Formeln noch keineBedeutung. Sie gehĂśrt zur Syntax der Aussagenlogik, in der festgelegt wird, wieFormeln einer formalen Sprache zu bilden und umzuformen sind. Im Folgendensoll die Semantik der Aussagenlogik entwickelt werden, bevor in LEKTION 4 mitden Ableitungsregeln wieder zur Syntax Ăźbergegangen wird.
Die Semantik der Aussagenlogik interpretiert die J -Formeln als Wahrheits-funktionen logisch unabhängiger Elementarsätze.
Den Satzbuchstaben wird keine feste Bedeutung gegeben. Sie haben die Funk-tion von Platzhaltern (Variablen) fĂźr Sätze.6 Unter einem Satz wird hier der Aus-druck einer Aussage verstanden, wobei Aussagen im Sinne der âTräger der Wahrheitund Falschheitâ (vgl. LEKTION 1, Abschnitt 2, S. 19) verstanden werden. Dabeiseien die Identitätskriterien fĂźr Sätze durch die der Aussagen bestimmt: ZweiAusdrĂźcke derselben Aussage sind auch derselbe Satz; ein und derselbe Ausdruckunterschiedlicher Aussagen sind unterschiedliche Sätze. Sätze in diesem Sinne sind nichtmit Sätzen im grammatikalischen Sinn zu verwechseln: âRegnet es?â ist im gram-matikalischen Sinn ein Fragesatz, aber kein Satz im Sinne der Logik, da keine Aus-sage getroffen wird. âEs regnet heuteâ, gesprochen am 26.3.2002 und âEs regnetam 26.3.2002â sind grammatikalisch gesehen zwei unterschiedliche Sätze, aberderselbe Satz im hier gemeinten logischen Sinn. Der Ausdruck âIch stehe jetzt hierâ,gesprochen von Hans Meyer am 3.4.2000 in Bern, und der identische AusdruckâIch stehe jetzt hierâ, gesprochen von Irene Leuenberger am 7.2.1904 in Toronto,sind grammatikalisch gesehen identische Sätze, aber sie treffen unterschiedlicheAussagen und sind aus diesem Grunde unterschiedliche Sätze im logischen Sinn.
Es wird nicht vorausgesetzt, dass Sätze in der Umgangssprache formuliertwerden. Auch Bilder, Modelle, kĂźnstliche Symbolsprachen kĂśnnen als AusdrĂźckeverstanden werden, die Aussagen treffen. Es wird auch nicht vorausgesetzt, dassdie hier gemeinten Sätze als konkrete Sätze irgendeiner bestehenden Sprache ge-geben sein mĂźssen â es kann sich um Sätze einer kĂźnstlichen, fiktiven Sprachehandeln, deren Eigenschaften beschrieben werden kĂśnnen, ohne dass konkreteSätze von ihr gebildet oder gebraucht werden. Es sei des Weiteren betont, dass
6Die Satzbuchstaben werden hier nicht als Platzhalter fĂźr Aussagen aufgefasst, da es diesen nachdem hier vorausgesetzten Verständnis nicht wesentlich ist, eine Zeichengestalt zu besitzen. Wasaber keine Zeichengestalt besitzt, kann auch nicht an die Stelle eines Satzbuchstabens treten. Nurdie sprachlichen Stellvertreter der Aussagen â die Sätze â kĂśnnen dies.
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die spezifische Art der Zeichengestalt fĂźr die Identifikation von Sätzen nach demhier zugrundegelegten Verständnis bedeutungslos ist: âEs regnetâ und âIt is rai-ningâ sind zwar zwei AusdrĂźcke einer unterschiedlichen Gestalt, aber derselbeSatz, da dieselbe Aussage getroffen wird. Die AusdrĂźcke âEs regnet heuteâ, ge-sprochen am 26.3.2002 und âEs regnet heuteâ, gesprochen am 6.3.2002, habenzwar dieselbe Zeichengestalt, aber sie formulieren unterschiedliche Sätze, da diegetroffenen Aussagen unterschiedlich sind. Nicht eine spezifische Zeichengestalt,sondern Ăźberhaupt eine Zeichengestalt zu haben, ist Sätzen in dem hier gemeintenlogischen Sinn wesentlich. Sätze unterscheiden sich von Aussagen nur dadurch,dass es ihnen wesentlich ist, auch eine Zeichengestalt zu haben.
Im Unterschied zu den Satzbuchstaben, die keine feste Bedeutung haben,wird den Sätzen, fßr die die Satzbuchstaben Platzhalter sind, eine feste Bedeutunggegeben: Ihnen werden Wahrheitswerte zugeordnet.7 Und zwar werden ihnen genauzwei Wahrheitswerte zugeordnet: der Wahrheitswert W und der Wahrheitswert F.Dass einem Satz diese und nur diese Wahrheitswerte zugeordnet werden, besagt,dass er einen dieser und nur dieser beiden Wahrheitswerte hat. Hat ein Satz denWahrheitswert W, dann bedeutet dies, dass er wahr ist; hat er den WahrheitswertF, dann bedeutet dies, dass er falsch ist. Dass ein Satz wahr ist, bedeutet, dass dievon ihm ausgedrßckte Aussage wahr ist; dass ein Satz falsch ist, bedeutet, dass dievon ihm ausgedrßckte Aussage falsch ist.
Genauerhin sind die Satzbuchstaben Platzhalter fßr bivalente, logisch voneinanderunabhängige Elementarsätze. Dass ein Satz bivalent ist, besagt, dass er entweder wahroder falsch, aber weder beides, noch etwas Drittes ist. Dass Satzbuchstaben fßrElementarsätze stehen, besagt, dass die Sätze, die an ihre Stelle treten kÜnnen, nichtweiter zerlegt werden in Teilsätze, die Teilaussagen treffen.8 Dass diese Elemen-tarsätze logisch voneinanander unabhängig sind, besagt, dass aus der Wahrheit oderFalschheit eines Elementarsatzes, der an die Stelle eines Satzbuchstabens tretenkann, nichts ßber die Wahrheit oder Falschheit eines anderen Elementarsatzes,der an die Stelle eines anderen Satzbuchstabens treten kann, folgt. Hat ein Ele-mentarsatz den Wahrheitswert W, dann kann ein anderer immer noch sowohlden Wahrheitswert W als auch F haben. Dass Satzbuchstaben Platzhalter fßr bi-valente, logisch voneinander unabhängige Elementarsätze sind, kommt dadurch
7Es sei betont, dass Wahrheitswerte Sätzen und nicht den Satzbuchstaben zugeordnet werden.Satzbuchstaben werden als Variablen interpretiert, und diese sind nur Platzhalter (Leerstellen,Schemata), von denen nicht sinnvollerweise gesagt werden kann, dass sie wahr oder falsch seinkÜnnen. Dies trifft nur auf die Instanzen zu, die an ihre Stelle treten kÜnnen.
8Es wird hier nicht behauptet, dass die Sätze nicht weiter in Teilsätze zerlegt werden kĂśnnen â derBegriff des Elementarsatzes wird hier relativ zu einer vorgenommen Analyse, die unter Umständenweiter zu fĂźhren ist, verstanden. Vgl. hierzu die AusfĂźhrungen in LEKTION 3, S. 82.
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zum Ausdruck, dass ihren Instanzen unabhängig von anderen Satzbuchstaben dieWahrheitswerte W oder F und nur diese zugeordnet werden.
Die Interpretation der J -Sprache setzt nicht voraus, dass Elementarsätze tat-sächlich gegeben sind, z.B. als umgangssprachlich formulierte Sätze. Sie beziehtsich nicht auf eine bestimmte, gegebene Sprache, sondern auf eine fiktive Sprache,die besonderen, einfachen Gesetzen gehorcht. Diese Sprache kann als ein Modellgegebener Sprachen bzw. von Teilen gegebener Sprachen verstanden werden.
Werden in einer J -Formel unterschiedliche Satzbuchstaben verwendet, dann sinddiese Platzhalter fĂźr unterschiedliche Elementarsätze. In âP &Qâ stehen die beidenSatzbuchstaben âP â und âQâ demnach zwar jeweils fĂźr keine bestimmten Sätze,da sie Variablen (Platzhalter) sind, die keine konstante Bedeutung haben, aberdie Verwendung unterschiedlicher Satzbuchstaben bedeutet, dass an die jeweili-gen Stellen unterschiedliche Sätze treten. Wird demgegenĂźber in einer J -Formelein Satzbuchstabe mehrmals verwendet (z.B. âP &P â), dann ist damit zwar nichtfestgelegt, welcher Satz an die jeweilige Stelle tritt, aber es ist damit festgelegt, dasses derselbe ist.
Erläuterung 2.4Satzbuchstaben werden interpretiert als Variablen bivalenter, logisch von-einander unabhängiger Elementarsätze.
Diese Interpretation der Satzbuchstaben der Sprache J beruht auf dem Biva-lenzprinzip und auf dem Prinzip der logischen Unabhängigkeit.
Die logischen Hilfszeichen von J â die Junktoren â werden als Zeichen von Wahr-heitsfunktionen interpretiert. Wahrheitsfunktionen ordnen Wahrheitswerten eindeu-tig Wahrheitswerte zu: Argumente und Werte der Funktionen sind Wahrheits-werte. Nach dieser Interpretation kĂśnnen die Bedeutungen der einzelnen Junk-toren vollständig durch bestimmte Zuordnungen von Wahrheitswerten zu Wahr-heitswerten definiert werden. Diese Definitionen kĂśnnen in Tafeln ausgedrĂźcktwerden, in denen in den linken Spalten vor dem Doppelstrich die Argumentestehen, und in der Spalte unter dem jeweiligen Junktor hinter dem Doppelstrichdie den Argumenten der jeweiligen Zeile zugeordneten Werte. Der Junktor âÂŹâ(lies: ânichtâ) ist eine einstellige Wahrheitsfunktion: Er ordnet einem Wahrheits-wert den jeweils anderen zu. Alle anderen Junktoren â â&â (âundâ), ââ¨â (âoderâ),âââ (âwenn / dannâ), âââ (âgenau dann, wennâ) â sind zweistellig: Sie ordnenjeweils einem Paar von Wahrheitswerten einen Wahrheitswert zu. Die Paare sindgeordnete Paare: Es macht einen Unterschied, ob dem Paar (W,F ) oder dem Paar
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(F,W ) ein bestimmter Wahrheitswert zugeordnet wird (vgl. die Definition vonâââ). FĂźr die Definition der Junktoren sind alle mĂśglichen Kombinationen vonWahrheitswerten zu berĂźcksichtigen:
ÂŹW F
F W
â¨W W W
W F W
F W W
F F F
&W W W
W F F
F W F
F F F
âW W W
W F F
F W W
F F W
âW W W
W F F
F W F
F F W
Es gibt genau 16 unterschiedliche, zweistellige Wahrheitsfunktionen. 4 vondiesen ist in der Sprache J ein Junktor zugeordnet. Man kann auch den weiterenWahrheitsfunktionen Junktoren zuordnen. Dies ist jedoch nicht nĂśtig, da manalle weiteren Junktoren durch die genannten definieren kann (zur Definition vonJunktoren siehe LEKTION 5, S. 145). Im Prinzip ist nur ein einziger Junktor nĂśtig,der sogenannte âShefferstrichâ:9
|W W F
W F F
F W F
F F W
9Dem Shefferstrich wird auch folgende Bedeutung gegeben:
|W W FW F WF W WF F W
Diese Doppeldeutigkeit geht auf Sheffer selbst zurĂźck, der fĂźr beide Bedeutungen zeigte, dass alleanderen Verwendungen der Junktoren auf sie zurĂźckgefĂźhrt werden kĂśnnen.
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Seien A, B Metavariablen fĂźr wff, dann lassen sich die Vorkommnisse derJunktoren âÂŹâ, â&â, ââ¨â, âââ, âââ in den wff jeweils durch die folgenden, entspre-chenden wff, die nur den Shefferstrich enthalten, ersetzen:10
ÂŹA: A | A.A &B: (A | A) | (B | B).A â¨B: (A | B) | (A | B).A â B: ((A | A) | B) | ((A | B) | B).A â B: ((A | A) | B) | (A | (B | B)).
Sei z.B. die Formel âÂŹ(P &Q)â gegeben, dann ist in einem ersten SchrittâP &Qâ durch â(P | P ) | (Q | Q)â zu ersetzen, so dass man âÂŹ((P | P ) |(Q | Q))â erhält. In einem zweiten Schritt ist diese Formel dann durch â((P |P ) | (Q | Q)) | ((P | P ) | (Q | Q))â zu ersetzen, so dass man als Resultat eineFormel erhält, die nur noch den Shefferstrich enthält.
Wßrde man nur den Shefferstrich als Junktor verwenden, hätte man eine ein-fachere formale Sprache, durch die dieselben Wahrheitsfunktionen ausgedrßcktwerden kÜnnten wie durch die Sprache J . Man mßsste aber in den Formeln derSprache J jeweils an die Stelle der in J verwendeten Junktoren ihre Definitionendurch den Shefferstrich ersetzen, was zu komplizierteren Formeln fßhrt. Die Ver-wendung von fßnf Junktoren in der Sprache J ist ein Kompromiss zwischen denZielen, weder die formale Sprache noch ihre Formeln zu komplex zu gestalten.
Erläuterung 2.5Die Junktoren werden interpretiert als Zeichen fßr ein- bzw. zweistelligeWahrheitsfunktionen.
In den Formeln der Sprache J stehen die Junktoren zwischen Satzbuchsta-ben. Nach der gegebenen Interpretation der Satzbuchstaben sind es nicht diese,die Wahrheitswerte haben, sondern die an ihre Stelle tretenden Sätze. Durch dieJunktoren werden gemäss der Interpretation von J in den Formeln von J denWahrheitswerten von Sätzen, die an die Stelle der Satzbuchstaben treten kÜnnen,wiederum Wahrheitswerte zugeordnet. Die resultierenden Wahrheitswerte kÜn-nen erneut Argumente einer weiteren Wahrheitsfunktion sein. Werden z.B. dreiunterschiedliche Satzbuchstaben durch zwei zweistellige Junktoren miteinander
10Dass die jeweiligen AusdrĂźcke gleichbedeutend sind, kann man sich im Anschluss an Abschnitt2.3 jeweils anhand einer Wahrheitswerttabelle deutlich machen: Die resultierenden Wahrheitswerteder Hauptjunktoren der wff, in denen man A durch âP â und B durch âQâ ersetzt, sind jeweilsdieselben.
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verknßpft, dann sind zunächst die Paare von Wahrheitswerten zweier unterschied-licher Sätze, die an die Stelle der Satzbuchstaben treten kÜnnen, die Argumente ei-ner durch einen Junktor bezeichneten zweistelligen Wahrheitsfunktion. Die durchdiese erhaltenen Resultate bilden wiederum mit den Wahrheitswerten des drittenSatzbuchstabens die Argumente einer weiteren, durch einen zweiten Junktor be-zeichneten zweistelligen Wahrheitsfunktion.
Um festzulegen, welche Wahrheitswerte jeweils die Argumente einer durch einenJunktor bezeichneten Wahrheitsfunktion sind, werden die Klammern verwendet.Sie haben keine eigenständige Bedeutung; sie sind sogenannte synkategorematischeZeichen, die nichts bezeichnen, sondern nur in Verbindung mit anderen Zeichenderen Bedeutung bestimmen. In der Formel âP ⨠(Q&R)â legen die Klammernfest, dass zunächst die durch das Zeichen â&â bezeichnete Wahrheitsfunktion aufdie Wahrheitswerte der Sätze, die an die Stelle der Satzbuchstaben âQâ und âRâtreten, anzuwenden ist, und dann die so erhaltenen Resultate mit den Wahrheits-werten des Satzes, der an die Stelle des Satzbuchstabens âP â tritt, die Argumenteder durch ââ¨â bezeichneten Wahrheitsfunktion sind. Ohne die Verwendung derKlammern wäre die Bedeutung der Formel eine andere, denn âP ⨠Q&Râ wäreauf Grund der 3. Klammerregel (âBei gleich starker Bindung sind die Formelnvon links nach rechts zu verklammernâ) gleichbedeutend mit â(P ⨠Q) &Râ.
Erläuterung 2.6Die Klammern werden als synkategorematische Zeichen interpretiert, diebestimmen, welche Wahrheitswerte die Argumente der durch die Junkto-ren bezeichneten Wahrheitsfunktionen sind.
Auf Grund der Verwendung von Klammern sowie der Klammerregeln istder Bezug der Junktoren eindeutig festgelegt. Die Anwendungen der Junktorenin einer Formel stehen in einer Hierarchie: Auf der untersten Ebene werden diedurch sie bezeichneten Wahrheitsfunktionen auf die Wahrheitswerte von Satz-buchstaben angewendet, auf der nächst hÜheren Stufe treten die Werte dieserWahrheitsfunktionen wiederum als Argumente von Wahrheitsfunktionen auf usw.bis zur Spitze der Hierarchie, die die resultierenden Wahrheitswerte der gesamtenFormel enthält. Den entsprechenden Junktor an der Spitze der Hierarchie nenntman den Hauptjunktor. Die Werte der durch ihn bezeichneten Wahrheitsfunktionsind die resultierenden Werte der gesamten Formel.
In den Formeln der Sprache J kommen nur Junktoren vor, die Wahrheits-funktionen bezeichnen. Die resultierenden Wahrheitswerte der Formeln hängengemäss den gegebenen Interpretation der Sprache J von nichts anderem ab als
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den Wahrheitswerten der Sätze, die an die Stelle der Satzbuchstaben treten kĂśnnen.Ersetzt man einen Satz durch einen anderen mit demselben Wahrheitswert, dannerhält man auch dasselbe Resultat â der unterschiedliche Inhalt der Sätze ist nichtvon Bedeutung. Hierdurch unterscheiden sich die Junktoren der Sprache J vonJunktoren formaler Sprachen intensionaler Logiken: Wird einem etwaigen Junktorâďż˝â die Interpretation eines Modaloperators gegeben, und eine entsprechendeFormel âďż˝P â als âEs ist notwendig, dass Pâ interpretiert, dann erhält die ge-samte Formel einen unterschiedlichen Wahrheitswert, wenn man einmal fĂźr âP âdie gleichermassen wahren Sätze â7 = 7â und â7 ist die Anzahl der Weltwunderâeinsetzt. Um diesen Unterschied zu bezeichnen nennt man die Junktoren derSprache J auch wahrheitsfunktionale oder extensionale Junktoren im Unterschied zuden intensionalen Junktoren, die nicht Wahrheitsfunktionen bezeichnen.
Die Interpretation der Junktoren der Sprache J als wahrheitsfunktionale bzw.extensionale Junktoren beruht auf dem Extensionalitätsprinzip.
ĂBUNG: INTERPRETATION VON J
3 WAHRHEITSWERTTABELLEN
Im Folgenden wird zunächst die Konstruktion von Wahrheitswerttabellen und ihrgewÜhnliches Verständnis dargestellt. Im Anschluss daran wird in einem Exkurseine alternative Deutung der Wahrheitswerttabellen als logische Beweise, die nichtauf der Interpretation der Sprache J beruhen, skizziert.
In Wahrheitswerttabellen werden aussagenlogische Formeln mit Belegungen von Satz-buchstaben und Junktoren kombiniert. GewĂśhnlich wird unter einer Belegung dieZuordnung genau eines Wahrheitswertes (W oder F ) zu Satzbuchstaben bzw. Junk-toren verstanden.11
Erläuterung 2.7Eine Belegung ist eine eindeutige Zuordnung genau eines Wahrheitswertes(W oder F ) zu einzelnen Satzbuchstaben oder Junktoren.
Die Belegungen haben den Zweck, wahrheitsfunktionale Eigenschaften undBeziehungen von Formeln in Abhängigkeit zu der Verteilung der Wahrheitswerte
11Wenn hier wie im Folgenden kurz gesagt wird, dass Satzbuchstaben Wahrheitswerte zugeordnetwerden, so ist dies als eine verkĂźrzte Redeweise dafĂźr zu verstehen, dass ihren Instanzen â denElementarsätzen â Wahrheitswerte zugeordnet werden.
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von Elementarsätzen zu berechnen. Dies wird durch Wahrheitswerttabellen dar-gestellt.
In diesen werden die Belegungen der Satzbuchstaben mit den Berechnungender Wahrheitswerte von aussagenlogischen Formeln kombiniert. In einer vollstän-digen Wahrheitswerttabelle werden sämtliche mĂśglichen 2n Belegungen der Satz-buchstaben berĂźcksichtigt. Die Satzbuchstaben einer Formel werden alphabetischangeordnet und in eine oberste Zeile geschrieben. Jedem Satzbuchstaben wird ei-ne Spalte fĂźr die Bezeichnung seiner Belegungen zugeordnet. FĂźr die Bezeichnungder Wahrheitswerte werden die Buchstaben âW â und âF â verwendet.12 Auf Grunddes Prinzips der logischen Unabhängigkeit gibt es 2n kombinatorisch mĂśglicheBelegungen fĂźr n Satzbuchstaben. Diese Belegungen werden in 2n Zeilen darge-stellt, wobei in einer Spalte durch âW â bzw. âF â die jeweilige Belegung eines Satz-buchstabens bezeichnet wird. Sie werden so angeordnet, dass die Bezugnahmeauf den Wahrheitswert W Vorrang hat.
BEISPIEL:
P Q
W W
W F
F W
F F
Die Belegungen der Satzbuchstaben bilden den linken Teil der Wahrheits-werttabellen. In deren rechten Teil wird in die oberste Zeile die aussagenlogischeFormel geschrieben und allen Junktoren Spalten zugeordnet. In diese Spaltenwerden die jeweiligen Bezeichnungen der Junktorenbelegungen eingetragen. DieAuswertung der Wahrheitswerttabellen folgt unter Anwendung der Junktorende-finitionen und BerĂźcksichtigung der Klammern und Klammerregeln, so dass manmit dem letzten Schritt bei der Berechnung der Werte des Hauptjunktors endet.
BEISPIEL: Die Wahrheitswerttabelle fĂźr die Formel âQ &ÂŹP â lautet:
12Die Wahl der Zeichen ist willkĂźrlich. Man hätte ebenso gut zwei andere wählen kĂśnnen.Anstelle von âW â und âF â werden auch âT â und âF â, â0â und â1â, â>â und ââĽâ verwendet.
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P Q Q & ÂŹ P
W W F F
W F F F
F W W W
F F F W
Die dem Hauptjunktor zugeordneten Wahrheitswerte, die die resultierendenWahrheitswerte der Formel darstellen, sind hier durch Fettdruck hervorgehoben.
Gemäss der gewÜhnlichen Deutung ist diese Wahrheitswerttabelle wie folgtzu paraphrasieren:
1. Werden in der Formel âQ &ÂŹP â die Satzbuchstaben âP â und âQâ durchwahre Elementarsätze ersetzt, dann ergibt sich insgesamt ein falscher Satz.
2. Wird in der Formel âQ &ÂŹP â der Satzbuchstabe âP â durch einen wah-ren, und der Satzbuchstabe âQâ durch einen falschen Elementarsatz ersetzt,dann ergibt sich insgesamt ein falscher Satz.
3. Wird in der Formel âQ&ÂŹP â der Satzbuchstabe âP â durch einen falschenund der Satzbuchstabe âQâ durch einen wahren Elementarsatz ersetzt, dannergibt sich insgesamt ein wahrer Satz.
4. Werden in der Formel âQ &ÂŹP â die Satzbuchstaben âP â und âQâ durchfalsche Sätze ersetzt, dann ergibt sich insgesamt ein falscher Satz.
Nach dem gewÜhnlichen Verständnis sind Wahrheitswerttabellen ein syste-matischer Ausdruck der Wahrheitsbedingungen von komplexen Sätzen einer be-stimmten aussagenlogischen Form. Mittels Wahrheitswerttabellen wird demnacheine Wahrheitswertanalyse durchgefßhrt. Handelt es sich um eine vollständige Wahr-heitswerttabelle, die alle 2n Belegungen der Satzbuchstaben berßcksichtigt, sprichtman von einer vollständigen Wahrheitswertanalyse. Dieses Verständnis beruht auf dersemantischen Interpretation der J -Formeln.
Die Wahrheit oder Falschheit komplexer, aussagenlogischer Sätze hängt vonder Wahrheit oder Falschheit der Elementarsätze, aus denen sie zusammengesetztsind, sowie den Junktoren ab. Mittels der Wahrheitswerttabellen lässt sich dieFrage beantworten, unter welchen Bedingungen Sätze, die sich mittels aussagen-logischer Formeln formalisieren lassen, wahr und unter welchen Bedingungen siefalsch sind. Die Bedingungen der Wahrheit werden durch die Zeilen expliziert, in
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denen ein âW â unter dem Hauptjunktor steht, die Bedingungen der Falschheitwerden durch die Zeilen expliziert, in denen ein âF â unter dem Hauptjunktorsteht.
Unter den Wahrheitsbedingungen gibt es zwei Sonderfälle: Den Fall, in demein Satz einer bestimmten Form unter allen Bedingungen wahr, und den Fall, indem er unter allen Bedingungen falsch ist. Im ersten Fall nennt man den Satztautologisch, im zweiten kontradiktorisch. Dass ein Satz âunter allen Bedingungenâwahr bzw. falsch ist, heisst im Rahmen der klassischen Logik, dass er fĂźr alle 2n
mÜglichen Kombinationen der Wahrheit oder Falschheit seiner Elementarsätzewahr bzw. falsch ist.13
Erläuterung 2.8Ein mittels der klassischen Logik formalisierbarer Satz ist tautologischgdwDef. er fßr alle 2n mÜglichen Kombinationen der Wahrheit oderFalschheit der in ihm enthaltenen Elementarsätze wahr ist.
Zusatzbemerkung 2.2: Diese Erläuterung hat die Form einer Definition. Der zu definieren-de Ausdruck (Definiendum) steht links von âgdwDef.â, der definierende Ausdruck (Definiens) stehtrechts von âgdwDef.â. âgdwâ ist AbkĂźrzung fĂźr âgenau dann wennâ. Der Index âDef.â ist hin-zugefĂźgt, um deutlich zu machen, dass es sich um einen definitorischen Zusammenhang handelt. DieDefinition ist so zu verstehen, dass, was immer unter das Definiens fällt, auch unter das Definiendumfällt und umgekehrt. Dieser Zusammenhang kommt durch âgdwâ zum Ausdruck. Man sagt auch,dass das Definiens notwendige und hinreichende Bedingung fĂźr das Definiendum ist. Das Definiensist hinreichend fĂźr das Definiendum, da gilt: Wenn etwas unter das Definiens fällt, dann auch unterdas Definiendum. Das Definiens ist notwendig fĂźr das Definiendum, da gilt: Wenn etwas unter dasDefiniendum fällt, dann auch unter das Definiens. Dass es sich hierbei nicht um einen zufälligenoder bloss faktischen Zusammenhang handelt, wird durch den Index âDef.â kenntlich gemacht.Dieser schliesst aus, dass es â anders als etwa bei den AusdrĂźcken âLebewesen mit Niereâ undâLebewesen mit Herzâ â mĂśglich bzw. sinnvoll ist, zu behaupten, dass etwas unter den Ausdruckfällt, der links von âgdwDef.â steht, aber nicht unter den, der rechts von âgdwDef.â steht. AufGrund dieses Zusatzes ist es nicht adäquat, Definitionen als materiale Ăquivalenzen, d.i. als Aussagender Form âP â Qâ, zu interpretieren.
13Die in einem Satz enthaltenen Elementarsätze sind die logisch voneinander unabhängigenSätze, von deren Wahrheit und Falschheit die Wahrheit oder Falschheit des Satzes abhängt. DiesemĂźssen im Satz nicht explizit genannt sein. Erst die vollständige Analyse der Wahrheitsbedingungeneines Satzes macht die Elementarsätze explizit. Ein Satz kann eine Wahrheitsfunktion unendlichvieler Elementarsätze sein (n = â). Der Satz âAlle natĂźrlichen Zahlen sind durch 1 teilbarâ lässtsich z.B. als eine Wahrheitsfunktion unendlich vieler Sätze der Formen âx ist eine natĂźrliche Zahlâund âx ist durch 1 teilbarâ analysieren. Die beiden folgenden Erläuterungen sind damit nicht auf dieAussagenlogik beschränkt.
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Erläuterung 2.9Ein mittels der klassischen Logik formalisierbarer Satz ist kontradiktorischgdwDef. er fßr alle 2n mÜglichen Kombinationen der Wahrheit oderFalschheit der in ihm enthaltenen Elementarsätze falsch ist.
Tautologische Sätze werden auch Tautologien genannt, kontradiktorische Kon-tradiktionen. Derartige Sätze sind aus logischen Grßnden wahr oder falsch, da ihreWahrheit bzw. Falschheit unabhängig davon ist, ob die in ihnen enthaltenen Ele-mentarsätze wahr oder falsch sind.
Tautologisch bzw. kontradiktorisch zu sein, wird hier definiert als wahrheits-funktionale Eigenschaft von Sätzen. Diese lassen sich mittels der Wahrheitswert-tabellen ermitteln. Sie sind formale Eigenschaften, da ihr Bestehen bzw. Nicht-Bestehen anhand der Belegungen von J -Formeln entschieden werden kann, dennTautologien und Kontradiktionen korrespondieren allgemeingßltige bzw. unerfßllbareFormeln.
Erläuterung 2.10Eine J -Formel ist allgemeingßltig gdwDef. sie fßr alle 2n Belegungen derSatzbuchstaben dem Wahrheitswert W zugeordnet ist.
Erläuterung 2.11Eine J -Formel ist unerfßllbar gdwDef. sie fßr alle 2n Belegungen derSatzbuchstaben dem Wahrheitswert F zugeordnet ist.
Die Eigenschaften der Allgemeingßltigkeit sowie der Unerfßllbarkeit von Formelnsind formale Eigenschaften, deren Bestehen bzw. Nicht-Bestehen anhand derWahrheitswerttabellen entschieden werden kann. Die Eigenschaften von Sätzen,tautologisch bzw. kontradiktorisch zu sein, kÜnnen auf die Allgemeingßltigkeit bzw. Un-erfßllbarkeit von Formeln zurßckgefßhrt werden.
Erläuterung 2.12Ein mittels einer J -Formel formalisierbarer Satz ist tautologisch gdwDef.
die ihm zugeordnete J -Formel allgemeingĂźltig ist.
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Erläuterung 2.13Ein mittels einer J -Formel formalisierbarer Satz ist kontradiktorischgdwDef. die ihm zugeordnete J -Formel unerfßllbar ist.
Gegeben sei ein Satz und seine Formalisierung:14
SATZ: âEs regnet oder es regnet nicht.â
FORMALISIERUNG: âP ⨠P â.
Um einen Satz als Tautologie zu identifizieren, muss entscheiden werden, ob dieihm zugeordnete J -Formel allgemeingĂźltig ist. Dazu berechnet man die Belegungendes Hauptjunktors Diese Berechnung kann in Form einer WahrheitswerttabelleausgedrĂźckt werden:
P P ⨠ P
W W F
F W W
Da der Hauptjunktor nur mit dem Wahrheitswert W belegt ist, ist die J -Formel gemäss der Definition der Allgemeingßltigkeit allgemeingßltig, und folglichder Satz, deren Formalisierung die J -Formel ist, tautologisch.
Ob eine J -Formel allgemeingßltig oder unerfßllbar ist, lässt sich stets in end-lich vielen Schritten berechnen. Denn jede J -Formel hat gemäss der Definitionder Wohlgeformtheit aussagenlogischer Formeln nur eine endliche Länge. Damithat sie nur eine endliche Anzahl von Satzbuchstaben, die mit einer endlichenAnzahl an Junktoren verknßpft sind. Damit ist jede vollständige Wahrheitswert-analyse endlich, denn diese enthält 2n¡n+2n¡m Belegungen fßr n Satzbuchstabenund m Junktoren. Da n und m endliche Zahlen sind, ist auch die Anzahl der2n ¡ n + 2n ¡m Belegungen endlich.
Kann in endlichen Schritten nach einem vorgegebenen Verfahren (Algorith-mus) berechnet werden, ob jede beliebige Formel einer Formelmenge F einebestimmte (formale) Eigenschaft Ď hat oder nicht hat, dann sagt man, dass dieEigenschaft Ď der Formelmenge F entscheidbar ist.
14Zur aussagenlogischen Formalisierung siehe LEKTION 3.
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Zusatzbemerkung 2.3: Der Begriff der Entscheidbarkeit wird durch die mathematische Re-kursionstheorie weiter präzisiert. Nach der sogenannten Church-These ist eine Eigenschaft Ď einerFormelmenge F entscheidbar genau dann, wenn fĂźr die Arithmetisierung der Formeln aus F einerekursive zahlentheoretische Funktion angegeben werden kann, die fĂźr jeden arithmetischen Ausdruckden Wert 0 berechnet, wenn die ihm zugeordnete Formel die Eigenschaft Ď hat, und den Wert 1,wenn sie ihn nicht hat. Unter einer Arithmetisierung (auch âGĂśdelisierungâ genannt) versteht mandie injektive Abbildung von Formeln einer Formelmenge auf natĂźrliche Zahlen. Eine Abbildungeiner Menge M auf die Menge N ist injektiv, wenn alle Elemente der Menge M eineindeutig aufElemente der Menge N , aber nicht unbedingt alle Elemente von N auf Elemente von M abgebildetwerden.15 Eine Arithmetisierung der Formelmenge J ordnet jeder J -Formel eine ganz bestimmtenatĂźrliche Zahl zu, und fĂźr jede natĂźrliche Zahl bestimmt sie, ob sie einer bestimmten J -Formelzugeordnet ist oder nicht.
Es lässt sich beweisen, dass die Aussagenlogik â genauer: die Eigenschaften der AllgemeingĂźl-tigkeit und UnerfĂźllbarkeit der J -Formeln â entscheidbar im Sinne der Church-These ist.
Erläuterung 2.14Die Allgemeingßltigkeit (Unerfßllbarkeit) der J -Formeln ist entscheid-bar.
ĂBUNG: WAHRHEITSWERTTABELLEN
3.1 EXKURS: WAHRHEITSWERTTABELLEN UND LOGISCHER BEWEIS
Nach dem gewĂśhnlichen Verständnis der Wahrheitswerttabellen sind diese Aus-druck einer vollständigen Wahrheitswertanalyse. Die Buchstaben âW â und âF â wer-den als Zeichen verstanden, die Wahrheitswerte bezeichnen. Ziel ist die Berech-nung der Belegungen des Hauptjunktors, d.i. der diesem zugeordneten Wahrheits-werte. Die Wahrheitsheitswerttabelle drĂźckt die einzelnen Rechenschritte in denjeweiligen Spalten aus, die Buchstaben in der Spalte unter dem Hauptjunktorbringen das Ergebnis der Berechnung zum Ausdruck. Nach diesem Verständnisgeben die Wahrheitswerttabellen systematisch alle mĂśglichen Interpretationen derJ -Formel wieder. Entsprechend zählt man die Konstruktion von Wahrheitswert-tabellen zur Semantik der Aussagenlogik, und die Klassifikation der J -Formeln inallgemeingĂźltige oder unerfĂźllbare bezeichnet man als âsemantische Klassifikati-onâ.
Einen Beweis der AllgemeingĂźltigkeit bzw. UnerfĂźllbarkeit mittels einer Wahr-heitswerttabelle bezeichnet man als einen semantischen (oder auch âinhaltlichenâ)Beweis. Der Beweis ist die Wahrheitswerttabelle, d.i. der Ausdruck der Ergebnis-se der Berechnung der Wahrheitswerte. Während fĂźr die Berechnung der Wahr-
15Zur Church-These, GĂśdelisierung und Entscheidbarkeit siehe auch die AusfĂźhrungen inLEKTION 12, Abschnitt 2.
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heitswerte und die Entscheidung, ob die entsprechende Formel allgemeingĂźltigist oder nicht, der äussere Ausdruck der Berechnung unwesentlich ist16, ist deräussere Ausdruck fĂźr einen Beweis nicht unwesentlich, da ein Beweis kontrollierbarsein muss. Diese Bedingung ist nur gewährleistet, wenn man sich beim Beweisauf äussere Kriterien beruft. Dass eine J -Formel allgemeingĂźltig ist, wird dadurchbewiesen, dass in einer regelgerechten Konstruktion der Wahrheitswerttabelle inder Spalte unter dem Hauptjunktor nur das Zeichen âW â vorkommt. Dass dieKonstruktion der Wahrheitswerttabelle regelgerecht ist, kann kontrolliert werden,indem man alle einzelnen âW â und âF â Eintragungen kontrolliert. Der Beweisist ungĂźltig, wenn diese Eintragungen einen Fehler aufweisen. Ein Fehler liegtvor, wenn an einer Stelle das Zeichen âW â (bzw. âF â) steht, obwohl die korrekteBelegung gemäss den Belegungsregeln dem entsprechenden Satzbuchstaben bzw.Junktor den Wahrheitswert F (bzw. W ) zuordnet. Es spielt fĂźr den Beweis keineRolle, ob man im Kopf den korrekten Wert berechnet hat, aber beim Eintragendes Zeichens dieses Wertes nicht der Regel folgt, den Wahrheitswert W (bzw. F )durch âW â (bzw. durch âF â) zu bezeichnen, oder, ob der Fehler Ausdruck einesBerechnungsfehlers ist. Die GĂźltigkeit des Beweises hängt nach diesem Verständ-nis nicht nur von der korrekten Berechnung der Wahrheitswerte, sondern auchvon ihrer korrekten Bezeichnung ab.
Formale Eigenschaften wie die AllgemeingĂźltigkeit oder UnerfĂźllbarkeit vonFormeln werden auch in semantischen Beweisen durch Eigenschaften von Zei-chen bewiesen. Aber hierbei wird vorausgesetzt, dass diese Zeichen eine bestimm-te Bedeutung haben. Im Falle der Wahrheitswerttabellen wird vorausgesetzt, dassdas Zeichen âW â den Wahrheitswert W , und das Zeichen âF â den WahrheitswertF bedeutet. Nur auf Grund dieser Voraussetzung kann die AllgemeingĂźltigkeitbzw. UnerfĂźllbarkeit von Formeln dadurch bewiesen werden, dass unter demHauptjunktor in der Wahrheitswerttabelle nur das Zeichen âW â (bzw. âF â) steht.Durch das Vorkommen von Zeichen, die eine bestimmte Bedeutung haben, un-terscheiden sich semantische Beweise von sogenannten syntaktischen (oder auch âfor-malenâ) Beweisen. Syntaktische Beweise nehmen ausschliesslich auf Regeln Bezug,die festlegen, wie man von bestimmten Zeichenketten zu anderen ZeichenkettenĂźbergehen kann. Die in LEKTION 4 eingefĂźhrten aussagenlogischen Ableitungen sindein Beispiel syntaktischer Beweise. Die Metalogik behandelt das Verhältnis seman-tischer und syntaktischer Beweise; entsprechend beziehen sich die metalogischenErĂśrterungen der Aussagenlogik auf das Verhältnis aussagenlogischer Ableitun-gen und Wahrheitswerttabellen.
16Die Berechnung kann âim Kopfâ geschehen oder durch eine Maschine geleistet werden.
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Auch wenn im Hinblick auf die Wahrheitswerttabellen die semantischen Vor-aussetzungen, dass das Zeichen âW â den Wahrheitswert W und das Zeichen âF âden Wahrheitswert F bedeutet, unproblematisch erscheinen, so ist doch das blos-se Voraussetzen inhaltlicher Bedeutungen von Zeichen innerhalb der Logik pro-blematisch. Erklärtermassen soll in der Logik von der Bedeutung von Zeichenabgesehen werden, und die GĂźltigkeit der Beweise nicht davon abhängen, dass diein diesen Beweisen verwendeten Zeichen eine bestimmte Bedeutung haben, denndie Zuordnung von Zeichen zu ihren Bedeutungen kann innerhalb der Logik nichtkontrolliert werden. Wenn jemand etwa unter dem Hauptjunktor korrekterweisedas Zeichen âW â einträgt, aber dieses Zeichen hier dem Wahrheitswert F zuord-net, dann kann der Eintrag in der Wahrheitswerttabelle nicht korrigiert werden,und doch wird er korrekterweise nicht meinen kĂśnnen, die AllgemeingĂźltigkeitder Formel bewiesen zu haben, denn nach seiner Interpretation kĂśnnen nichtsämtliche Zeichen unter dem Junktor den Wahrheitswert W bezeichnen.
Im engeren Sinn werden semantische Beweise auf Grund ihrer Bezugnahmeauf die Bedeutungen von Zeichen nicht als logische Beweise bezeichnet. Idealerwei-se verzichten logische Beweise auf jegliche inhaltliche Voraussetzung â und sei esnur die Voraussetzung, dass das Zeichen âW â den Wahrheitswert W bedeutet. Indiesem engen Sinn ist eine Logik nicht allein durch die Verwendung von Variablenan Stelle von Konstanten (Zeichen mit einer festen Bedeutung) als formale Logikgekennzeichnet, sondern erst durch den Verzicht auf Verwendung bedeutungsvol-ler Zeichen in ihren Beweisen. Die Bezugnahme auf Interpretationen logischerFormeln gehĂśrt nach diesem Verständnis erst zur Anwendung der Logik. Siemacht die Relevanz der Logik fĂźr die Untersuchung formaler Eigenschaften undRelationen nicht-formaler Sprachen deutlich, aber sie ist keine Voraussetzung derin der Logik entwickelten Beweisverfahren.
Es ist mÜglich, die Wahrheitswerttabellen als Beweise formaler Eigenschaftenzu deuten, ohne semantische Voraussetzungen zu machen. Diese Deutung istnicht gewÜhnlich, aber bedeutsam. Sie ist nicht gewÜhnlich, da sie von einer ande-ren Definition der Belegungen und der Allgemeingßltigkeit sowie Unerfßllbarkeitausgeht, und da man fßr gewÜhnlich formale Beweise in der Aussagenlogik auf dieAbleitungen beschränkt. Sie ist bedeutsam, da sie zeigt, dass es zu den Beweisenim Sinne von Ableitungen alternative formale Beweise gibt.
Nach dem gewÜhnlichen Verständnis formaler Beweise geht man davon aus,dass die Beweise innerhalb ein und derselben Formelsprache gefßhrt werden: Ausgehendvon bestimmten Anfangsformeln wird regelgeleitet zu bestimmten Endformelnßbergegangen, die Elemente derselben Formelmenge sind wie alle vorangegan-genen Glieder in der Kette der Beweisfßhrung. Nach diesem Verständnis sind
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Wahrheitswerttabellen keine formalen Beweise, da die J -Formeln, deren formaleEigenschaften in Frage stehen, nicht in andere J -Formeln umgeformt werden.
Die Grundidee der im folgenden skizzierten Deutung besteht darin, formaleEigenschaften und Relationen ausschliesslich Ăźber äussere Merkmale formalerBeweise zu definieren, und auch Transformationen von Zeichenketten eines Zei-chensystems in Zeichenketten eines anderen Zeichensystems, die nach eindeutigenZuordnungsregeln vorgenommen werden, als formale Beweise zu verstehen. DieAllgemeingĂźltigkeit und UnerfĂźllbarkeit der J -Formeln ist demnach nicht Ăźbereine Belegung von Wahrheitswerten zu definieren, und die Wahrheitswerttabellenwerden nicht als Ausdruck einer Wahrheitswertanalyse gedeutet, sondern als Zu-ordnungen aussagenlogischer Formeln (= Zeichenketten eines Systems) zu Kom-binationen der Buchstaben âW â und âF â (= Zeichenketten eines anderen Systems).HierfĂźr ist die Definition der Belegungen zu variieren. Es sei von âBelegungen*âgesprochen, um sie von dem klassischen Verständnis zu unterscheiden.
Erläuterung 2.15Eine Belegung* ist eine eindeutige Zuordnung genau eines BuchstabensâWâ bzw. âFâ zu einzelnen Satzbuchstaben oder Junktoren.
Diese beiden Buchstaben âW â und âF â werden nicht als Zeichen einer Me-tasprache verstanden, deren Bedeutungen bekannt sind, sondern als die einzigenZeichen eines zum Zwecke der aussagenlogischen BeweisfĂźhrung konstruiertenZeichensystems. Die AusdrĂźcke dieses Zeichensystems sind Tabellen, deren Zei-len und Spalten aus Einträgen dieser beiden Zeichen bestehen. Die Regeln derBildung dieser Tabellen werden definiert in Abhängigkeit zu gegebenen Formelnder Sprache J . Im Unterschied zu den Formeln der Sprache J ist die Wohlge-formtheit dieser Tabellen allein in Abhängigkeit zu einer Formel der Sprache Jdefiniert.
Die Buchstaben âW â und âF â stehen in den Wahrheitswerttabellen ebenso we-nig wie die aussagenlogischen Formeln in AnfĂźhrungszeichen, da auf sie ebensowenig wie auf die aussagenlogischen Formeln innerhalb einer metasprachlichenAusfĂźhrung Bezug genommen wird. Die Wahrheitswerttabelle ist vielmehr Aus-druck der Zuordnung von objektsprachlichen AusdrĂźcken zueinander. Sie ist einBeweis, der keine metasprachlichen Elemente enthält.
Um deutlich zu machen, dass es sich bei den Wahrheitstabellen um die Zuord-nung einer aussagenlogischen Formel zu einer Anordnung von âW/F â-Buchstabenhandelt, seien die Belegungen der Satzbuchstaben nicht im linken Teil der Wahr-
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heitswerttabellen notiert, sondern direkt unter die Satzbuchstaben der aussagen-logischen Formel. Auch diese Konstruktion der Wahrheitswerttabellen ist gängig.
FĂźr die Belegungen der Junktoren ist von der semantischen Interpretation derTabellen, durch die die Junktoren definiert werden, abzusehen. Die Tabellen sindvielmehr als Regeln der Zuordnung von Junktorenbelegungen im hier gemeintenSinn zu deuten.
BEISPIEL:
&W W W
W F F
F W F
F F F
Nach der gewĂśhnlichen Lesart dieser Tabelle als Definition des Junktors â&âbesagt dies: Der Junktor â&â bezeichnet eine zweistellige Wahrheitsfunktion: DemWahrheitswertpaar (W,W ) ordnet diese Funktion den Wahrheitswert W zu, den Wahr-heitswertpaaren (W,F ), (F,W ), (F,F ) ordnet sie den Wahrheitswert F zu. Nach derLesart als Ausdruck einer Zuordnungsregel einer Junktorenbelegung* besagt diesdemgegenĂźber: Kommt in einer J -Formel der Junktor â&â vor, dann ist dem Buch-stabenpaar â(W,W )â der Buchstabe âW â, den Buchstabenpaaren â(W,F )â, â(F,W )â,â(F,F )â der Buchstabe âF â in der Wahrheitswerttabelle zuzuordnen.
Auf welche Buchstabenpaare diese Zuordnungsregeln anzuwenden sind, wirddurch die Klammern bzw. die Klammerregeln der J -Formeln festgelegt. Die Klam-mern sind dementsprechend nicht als Zeichen zu interpretieren, die die Inter-pretation der J -Formeln bestimmen, sondern als Zeichen, die die Belegungen* derJunktoren bestimmen.
Die vollständige Wahrheitswerttabelle fĂźr die Formel âQ &ÂŹP â lautet:
Q & ÂŹ P
W F F W
F F F W
W W W F
F F W F
Diese Wahrheitswerttabelle unterscheidet sich nicht wesentlich von der oben(S. 52) angegeben Wahrheitswerttabelle fĂźr dieselbe Formel. Das Wegfallen des
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linken Teiles ist nur ein unwesentlicher Unterschied, und man kann diese Art derWahrheitswerttabellenkonstruktion ebenso zur klassischen Logik zählen. Nichtdie Konstruktionen der Tabellen, sondern ihre Deutungen unterscheiden sich.
Gemäss der hier gegebenen Deutung der Wahrheitswerttabellen ist die Wahr-heitswerttabelle der Formel âQ&ÂŹP â wie folgt zu paraphrasieren:
1. Werden in der Formel âQ&ÂŹP â die Satzbuchstaben âP â und âQâ mit âW âbelegt, dann wird der Hauptjunktor mit âF â belegt.
2. Wird in der Formel âQ &ÂŹP â der Satzbuchstabe âP â mit âW â und der Satz-buchstabe âQâ mit âF â belegt, dann wird der Hauptjunktor mit âF â belegt.
3. Wird in der Formel âQ &ÂŹP â der Satzbuchstabe âP â mit âF â und der Satz-buchstabe âQâ mit âW â belegt, dann wird der Hauptjunktor mit âW â belegt.
4. Werden in der Formel âQ &ÂŹP â die Satzbuchstaben âP â und âQâ mit âF âbelegt, dann wird der Hauptjunktor mit âF â belegt.
Nach diesem Verständis sind Wahrheitswerttabellen Ausdruck der Zuord-nung von J -Formeln zu Tabellen, die die Buchstaben âW â und âF â systematischanordnen. Auf die semantische Deutung der Formeln wird hierbei nicht rekur-riert. Dieses Verständnis beruht auf der Deutung der Wahrheitswerttabellen alslogische Beweise, in denen Zeichen nach bestimmten Regeln transformiert wer-den zu dem Zweck, einen Ausdruck zu erhalten, durch dessen Eigenschaftenformale Eigenschaften oder Relationen von logischen Formeln ohne weitere se-mantische Voraussetzungen identifiziert werden kĂśnnen. Um dies zu erreichen,sind die Erläuterungen der AllgemeingĂźltigkeit und UnerfĂźllbarkeit (Erläuterung 2.10und Erläuterung 2.11) zu reformulieren:
Erläuterung 2.16Eine J -Formel ist allgemeingĂźltig* gdwDef. fĂźr alle 2n Belegungen* derSatzbuchstaben in einer regelgerecht konstruierten Wahrheitswerttabellein der Spalte des Hauptjunktors der Buchstabe âW â stehen wĂźrde.
Erläuterung 2.17Eine J -Formel ist unerfĂźllbar* gdwDef. fĂźr alle 2n Belegungen* der Satz-buchstaben in einer regelgerecht konstruierten Wahrheitswerttabelle inder Spalte des Hauptjunktors der Buchstaben âF â stehen wĂźrde.
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Der Konjunktiv ist hier gewählt, um die Allgemeingßltigkeit bzw. Unerfßllbar-keit einer J -Formel nicht von einer tatsächlichen Konstruktion einer Wahrheits-werttabelle abhängig zu machen. Eine J -Formel, fßr die keine Wahrheitswertta-belle konstruiert wird, kann demnach gleichwohl allgemeingßltig sein, solange sicheine entsprechende Wahrheitswerttabelle konstruieren liesse.
Erläuterung 2.12 und Erläuterung 2.13 erlauben, Tautologien und Kontradiktionendurch die Allgemeingßltigkeit bzw. Unerfßllbarkeit ihrer Formalisierung zu bestim-men. Diese Erläuterungen kÜnnen auf die reformulierten Erläuterungen der All-gemeingßltigkeit* und Unerfßllbarkeit* ßbertragen werden, so dass auch ohne Voraus-setzung einer semantischen Interpretation fßr die Deutung der Wahrheitswert-tabellen die wahrheitsfunktionalen Eigenschaften von Sätzen bestimmt werdenkÜnnen. Auch hinsichtlich der Entscheidbarkeit ändert sich in Bezug auf die refor-mulierten Begriffe nichts.
Nach dem skizzierten Verständnis werden durch die Zuordnung einer aus-sagenlogischen Formel zu ihren Belegungen* das Bestehen und Nichtbestehenformaler Eigenschaften der aussagenlogischen Formeln durch äussere Eigenschaften derWahrheitswerttabelle ohne Bezugnahme auf weitere semantische Voraussetzun-gen entschieden. Die BeweisfĂźhrung besteht in dieser regelgeleiteten Zuordnung.Die Regeln dieser BeweisfĂźhrung sind die Regeln der Konstruktion der Wahr-heitswerttabellen. Diese Regeln sind ein Beispiel einer logischen Notation, derenZweck es ist, formale Eigenschaften und Relationen zu beweisen. Das Ergeb-nis der Anwendung dieser Regeln ist ein Beweis. Wahrheitswerttabellen sind nachdiesem Verständnis logische Beweise formaler Eigenschaften und Relationen vonJ -Formeln, in denen Zeichenketten eines Zeichensystems â die J -Formeln âZeichenketten eines anderen Zeichensystems â den âW/F â-Tabellen â zugeordnetwerden. Diese Zuordnung geschieht, um die fraglichen formalen Eigenschaftenund Relationen durch äussere Eigenschaften einer Anordnung von Zeichen iden-tifizieren zu kĂśnnen. Dies ist bei den J -Formeln ohne ihre Zuordnung zu Zei-chenketten eines anderen Zeichensystems nicht mĂśglich, da die allgemeingĂźltigenJ -Formeln ebenso wenig wie die unerfĂźllbaren Formeln gemeinsame äussere Ei-genschaften besitzen. Sinn und Zweck der Definition eines logischen Beweises indiesem Sinne ist die Zuordnung einer Formelsprache zu einem Zeichensystem,dessen äusseren Merkmale im Unterschied zur Formelsprache formale Eigen-schaften und Relationen widerspiegeln (vgl. zu diesem Beweisverständnis die Aus-fĂźhrungen in LEKTION 6, Abschnitt 3).
LEKTION 3
AUSSAGENLOGISCHE FORMALISIERUNG
Thema von LEKTION 3 ist die aussagenlogische Formalisierung, d.i. die Zuordnungvon J -Formeln zu umgangssprachlich formulierten Aussagen.1
Die Formalisierung teilt sich in zwei Schritte auf: In die Schematisierung und in dieStandardisierung. Unter der Schematisierung ist die Zuordnung einer logischen Formelzu einem standardisierten Text zu verstehen. Unter der Standardisierung verstehtman die Zuordnung eines standardisierten Textes zu einem umgangssprachlichenText. Eine wichtige Anwendung findet die Formalisierung bei der Rekonstruktionwissenschaftlicher Argumente. Auf die aussagenlogische Argumentrekonstruktion wirdam Ende dieser Lektion eingegangen.
1 SCHEMATISIERUNG
Die aussagenlogische Schematisierung ordnet J -Formeln einem standardisierten Textzu. Ein standardisierter Text sei âS-Textâ genannt; die âS-Texteâ, denen J -For-meln zugeordnet werden kĂśnnen, seien âSJ-Texteâ genannt. Demnach beschäf-tigt sich die aussagenlogische Schematisierung mit der Zuordnung von J -Formelnzu SJ -Texten. SJ -Texte sind Texte, die aus umgangssprachlichen AusdrĂźckensowie aus AbkĂźrzungen umgangssprachlicher AusdrĂźcke bestehen. Im Folgendensei von der deutschen Sprache als Umgangssprache ausgegangen.
Erläuterung 3.1Ein SJ-Text ist eine AbkĂźrzung eines elementaren Aussagesatzes oder einegegliederte VerknĂźpfung von AbkĂźrzungen elementarer Aussagesätze mittelseiner der folgenden fĂźnf BindewĂśrter: ânicht . . . â; â . . . und . . . â; â . . .oder . . . â; âwenn . . . dann . . . â; â . . . gdw . . . â .
An die Stelle der drei PĂźnktchen kĂśnnen jeweils SJ-Texte eingesetzt werden.Die AbkĂźrzungen sind nicht wie in der formalen Sprache J Platzhalter (Va-
riablen) fĂźr Elementarsätze, sondern Kurzformen fĂźr elementare Aussagesätze.Sie haben einen bestimmten Inhalt, der wahr oder falsch sein kann. Die AbkĂźr-zungen kĂśnnen aus einfachen Buchstaben (âaâ, âbâ, âcâ, . . . ) oder AusdrĂźcken,
1Auf die Repräsentation von Aussagen mittels anderer Darstellungsmittel wird hier nicht weitereingegangen.
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die aus umgangssprachlichen Worten oder bekannten Hilfszeichen (z.B. Klam-mern, Gleichheitszeichen, Bindestrich) zusammengesetzt sind, bestehen. Die Ver-wendung von Buchstaben hat den Vorteil, kurz und einfach zu sein; mit Hilfekomplexerer AusdrĂźcke, die Worte und Zeichen bekannter Bedeutung enthalten,kann dagegen der Inhalt des abgekĂźrzten elementaren Aussagesatzes angedeutetwerden, z.B.: âAbstammung(Mensch,Tier)â fĂźr âDer Mensch stammt vom Tierabâ. Die AbkĂźrzungen schliessen nicht mit einem Punkt ab, und sie dĂźrfen nichteine der fĂźnf genannten BindewĂśrter oder äquivalente AusdrĂźcke enthalten.
Elementare Aussagesätze werden hier als Sätze der deutschen Umgangsspracheverstanden und allein durch grammatikalische Kriterien gekennzeichnet. Sie sindnicht mit den Elementarsätzen, auf die in der Interpretation der Sprache J Bezug ge-nommen wird, zu verwechseln: Diese mßssen nicht Sätze einer bestimmten Um-gangssprache sein, und sie sind nicht durch grammatikalische Kriterien definiert.Des Weiteren sei betont, dass der Inhalt elementarer Aussagesätze durchaus weiteranalysiert werden kann: Ein elementarer Aussagesatz muss keine elementare Aus-sage treffen. Während elementare Aussagesätze anhand von grammatikalischenKriterien identifiziert werden, beruht die Identifikation elementarer Aussagen aufder Analyse des Aussageinhaltes (siehe hierzu die Ausfßhrungen unten auf S. 80).
Elementare Aussagesätze sind Subjekt/Prädikatsätze im grammatikalischen Sinn.Das Subjekt ist der Gegenstand eines Aussagesatzes, ßber den etwas ausgesagtwird. Das Prädikat ist der Satzteil, der die Aussage ßber das Subjekt trifft. ImDeutschen kÜnnen die Subjekte auf unterschiedliche Weise bezeichnet werden, z.B.durch Substantive, Pronomen, Substantivgruppen oder Subjektsätze. Das Prädikatwird mittels Verben formuliert. In Aussagesätzen ist die Form des Verbs derIndikativ, und das Verb, mittels dessen das Prädikat formuliert wird, steht andersals bei Entscheidungsfragen oder Aufforderungssätzen nicht an erster Stelle, undes folgt auch nicht, wie bei Ergänzungsfragen, direkt auf ein Fragewort. DasPrädikat kann durch Objekte (Genitiv-, Dativ-, Akkusativergänzungen, präposi-tionale Ergänzungen, adverbiale Ergänzungen), Adverbien oder Attribute ergänztwerden. Die Bildung von Objekten wird im Unterschied zu der von Adverbienund Attributen von vielen Verben fßr die grammatikalisch korrekte Satzbildunggefordert. Adverbien beziehen sich auf das Verb und kennzeichnen das Prädikatnäher, Attribute beziehen sich auf das Subjekt oder Ergänzungen des Prädikatesund kennzeichnen diese näher. Objekte, Adverbien oder Attribute kÜnnen imHauptsatz stehen, oder durch Nebensätze gebildet werden. Ein elementarer Aus-sagesatz kann demzufolge ein Hauptsatz ohne Nebensatz oder ein aus Haupt- undNebensatz zusammengesetzter Satz sein. Ein elementarer Aussagesatz kann aber
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nicht â wie ein Satz im grammatikalischen Sinn â aus zwei oder mehr Hauptsätzenbestehen, da diese jeweils ihrerseits elementare Aussagesätze bilden.
Erläuterung 3.2Ein elementarer Aussagesatz ist ein Subjekt/Prädikatsatz, in dem die Formdes Verbs der Indikativ ist und das Verb nicht an erster Stelle steht oderdirekt auf ein Fragewort folgt.Das Subjekt bezeichnet den Gegenstand der Aussage; das Verb die Aussage, dießber diesen Gegenstand gemacht wird.
Folgende Sätze sind Beispiele fßr elementare Aussagesätze:
â Der Mensch stammt vom Affen ab.
â Chlor ist ein Gas.
â Ich weiss, dass ich nichts weiss.
â Faraday begann mit seinem Experiment, nachdem er sich vergewissert hat-te, dass kein grĂśsserer Magnet im Umfeld einen Einfluss auf die ApparaturausĂźben konnte.
â Als der erste Sonnenstrahl ins Zimmer fiel, drehte Newton am Prisma.
â Niemand kann genau berechnen, wie das Klima sich in den kommendenJahrzehnten verändern wird.
â Wer in jungen Jahren keinen neuen mathematischen Beweis fĂźhrt, wird esnie mehr tun.
â Lavoisier, ein KĂśnner der Mathematik, strebte eine physikalische Theoriean, deren Sätze aus rein mathematischen Gesetzen folgen.
Folgende Ausdrßcke sind keine Beispiele fßr elementare Aussagesätze:
1. Ach ja.
2. Gut.
3. Guten Abend allerseits.
4. FĂźnfundzwanzig.
5. Hat Kopernikus das Kopernikanische Weltbild als erster entworfen?
6. Tue, was Du nicht lassen kannst!
7. Wer hat den Sauerstoff entdeckt?
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8. Es wäre denkbar, dass schon die Ăgypter den Satz des Pythogaras formu-liert hätten.
9. Er mĂśge tun, was er nicht lassen kann.
10. Vor Gebrauch schĂźtteln!
11. Hooke akzeptierte Newtons experimentelle Schlussfolgerung, aber er wi-dersprach Newtons Anspruch, einen unumstĂśsslichen Satz, und keine Hy-pothese gefolgert zu haben.
12. Euklids Elemente sind ein Paradigma fĂźr ein wissenschaftliches Werk, be-sonders auf Grund seiner deduktiven Gestalt ist dieses Werk vorbildlich.
1.-4. sind nicht aus Subjekt und Prädikat zusammengesetzt. 5. ist eine Ent-scheidungsfrage, die mit einem Verb beginnt. 6. ist eine Aufforderung, die miteinem Verb beginnt. 7. ist eine Ergänzungsfrage, in der das Verb direkt auf einFragewort folgt. In 8.-10. ist das Verb nicht im Indikativ formuliert; 11.-12. be-stehen jeweils aus zwei Hauptsätzen: Sie formulieren nicht einen elementaren, son-dern einen komplexen Aussagesatz, der aus mehreren elementaren Aussagesätzenbesteht.
Verknßpft werden die Abkßrzungen der elementaren Aussagesätze durch diegenannten fßnf BindewÜrter. Diese sind Ausdrßcke, durch die in der Umgangsspra-che wahrheitsfunktionale Beziehungen zwischen umgangssprachlich formuliertenAussagesätzen ausgedrßckt werden kÜnnen. Sie lassen sich eineindeutig den aus-sagenlogischen Junktoren zuordnen:
Bezeichnung U-sprachl. Ausdruck J-Symbol JunktornameNegator nicht . . . ÂŹ ânonâKonjunktor . . . und . . . & âetâDisjunktor . . . oder . . . ⨠âvelâSubjunktor wenn . . . dann . . . â âPfeilâĂquivalentor . . . gdw . . . â âDoppelpfeilâ
Die entsprechenden komplexen Aussagen nennt man âNegationâ, âKonjunk-tionâ, âDisjunktionâ (oder auch âAdjunktionâ), âSubjunktionâ (auch âImplikati-onâ) und âBikonditionalâ (oder auch âĂquivalenzâ).
Einerseits kĂśnnen dieselben umgangssprachlichen AusdrĂźcke in der Umgangs-sprache auch verwendet werden, um Anderes als wahrheitsfunktionale Beziehun-gen zum Ausdruck zu bringen; andererseits kĂśnnen in der Umgangssprache auch
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andere Ausdrßcke als die fßnf genannten verwendet werden, um dieselben wahrheits-funktionalen Beziehungen zum Ausdruck wiederzugeben. In SJ -Texten kom-men demgegenßber nur die genannten BindewÜrter und diese nur als Ausdruckbestimmter wahrheitsfunktionaler Beziehungen zwischen elementaren Aussagesät-zen vor.
Beispiele der Verwendung von ânichtâ, âundâ, âwenn . . . dannâ zu einemanderen Zwecke als der VerknĂźpfung elementarer Aussagesätze sind:
â Nicht wahr, Du bist der gleichen Ăberzeugung?
â 2 und 2 ist 4.
â Wittgenstein und Hitler trafen sich in Berlin.
â Wenn Heisenberg nicht gelebt hätte, dann hätte ein anderer die Unschärfe-relation formuliert.
Die wahrheitsfunktionalen Verwendungen der BindewĂśrter lassen sich da-durch identifizieren, dass sie sich äquivalent umformulieren lassen in AusdrĂźckeder Form âEs ist nicht der Fall, dass . . . â bzw. âEs ist der Fall, dass . . . und /oder es ist der Fall, dass . . . â, âWenn es der Fall ist, dass . . . , dann ist es der Fall,dass . . . â, âEs ist der Fall, dass . . . genau dann, wenn es der Fall ist, dass . . . â.Dieses Kriterium erfĂźllen die genannten Sätze nicht.
Das Bindewort âoderâ wird in umgangssprachlichen Texten mehrdeutig ver-wendet â derselbe Ausdruck ist in diesem Fall Ausdruck unterschiedlicher wahr-heitsfunktionaler VerknĂźpfungen: âGĂśdel war ein grosser Denker oder Wittgen-stein war ein grosser Denkerâ kann dreierlei bedeuten:
1. Einer von beiden oder auch beide waren grosse Denker.
2. Einer von beiden, aber nicht beide waren grosse Denker.
3. Einer von beiden oder auch keiner war ein grosser Denker.
Die Bedeutung von âoderâ innerhalb von SJ -Texten ist auf die erste Be-deutung, das sogenannte âeinschliessende Oderâ beschränkt. Dieser Bedeutungentspricht der logische Junktor ââ¨â.
Beispiele alternativer umgangssprachlicher Formulierungen fĂźr die genanntenwahrheitsfunktionalen VerknĂźpfungen sind:
Wittgenstein war ein unglĂźcklicherMensch.
Nicht: Wittgenstein war ein glĂźckli-cher Mensch.
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Sowohl Priestley als auch LavoisierkĂśnnen fĂźr sich beanspruchen, denSauerstoff entdeckt zu haben.
Priestley kann fĂźr sich beanspru-chen, den Sauerstoff entdeckt zuhaben, und Lavoisier kann fĂźr sichbeanspruchen, den Sauerstoff ent-deckt zu haben.
Die menschlichen Variationen sinddurch das Gesetz der Korrelati-on, durch das der ererbten Wir-kungen des Gebrauchs und Nicht-gebrauchs, durch das der Selektionbeherrscht.
Die menschlichen Variationen wer-den durch das Gesetz der Korrela-tion beherrscht, und die menschli-chen Variationen werden durch dasGesetz der ererbten Wirkungen desGebrauchs und Nichtgebrauchs be-herrscht, und die menschlichen Va-riationen werden durch das Gesetzder Selektion beherrscht.
Falls die WeltbevÜlkerung weiterwächst, ist mit einer allgemeinenVerbesserung der Lebensbedingun-gen nicht zu rechnen.
Wenn die WeltbevÜlkerung weiterwächst, dann ist mit einer allgemei-nen Verbesserung der Lebensbe-dingungen nicht zu rechnen.
Oft bezeichnen die umgangssprachlichen BindewĂśrter nicht nur wahrheits-funktionale Beziehungen, sondern haben darĂźber hinaus noch weitere Konnota-tionen:
1. GÜdel verÜffentlichte seinen Unvollständigkeitsbeweis, und das Hilbert--Programm galt als gescheitert.
2. Die grĂśssten griechischen Denker waren Philosophen, die grĂśssten deut-schen Denker dagegen waren keine Philosophen.
3. Wenn der Feldherr das Signal gibt, dann greifen seine Soldaten an.
4. Wenn die Bombe gezßndet wird, dann explodiert das Gebäude.
In 1. wird durch âundâ zusätzlich ein zeitliches Nacheinander zum Ausdruck ge-bracht. 2. lässt sich auch als eine âUndâ-VerknĂźpfung umformulieren, akzentuiertaber zusätzlich noch den Gegensatz zwischen den griechischen und den deutschenDenkern. In 3. und 4. wird mit dem âWenn/dannâ-Bezug zusätzlich ein zeitlichesNacheinander sowie ein relevanter Zusammenhang zwischen dem Geben des Signalsund dem Angriff der Soldaten bzw. zwischen dem ZĂźnden der Bombe und dem
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EinstĂźrzen des Hauses zum Ausdruck gebracht.2 Da in den SJ -Texten die WĂśr-ter ânicht . . . â, â . . . und . . . â, â . . . oder . . . â, âwenn . . . dann . . . â und â. . . gdw . . . â nur als eindeutige AusdrĂźcke wahrheitsfunktionaler Beziehungenzwischen AbkĂźrzungen elementarer Ausssagen verwendet werden, und da in denSJ -Texten nur diese AusdrĂźcke auf wahrheitsfunktionale Beziehungen Bezugnehmen, ist ihr Gebrauch standardisiert (genormt).
Die VerknĂźpfung von AbkĂźrzungen elementarer Aussagesätze mittels der ge-nannten fĂźnf BindewĂśrter in SJ -Texten ist keine beliebige, sondern eine gegliederte.Die Gliederung bringt zum Ausdruck, auf welche Textteile sich die 4 AusdrĂźckeâ . . . und . . . â, â . . . oder . . . â, âwenn . . . dann . . . â und â . . . gdw . . . âbeziehen. Zum Zwecke der Gliederung soll hier nicht auf Klammern zurĂźckge-griffen werden, um deren Verwendung der formalen Sprache J vorzubehalten.Stattdessen seien in einfacheren Fällen die Trennungszeichen â,â und â;â ver-wendet. Zu beachten ist, dass anders als in der deutschen Zeichensetzung dieBindewĂśrter âwenn . . . dann . . . â und â . . . gdw . . . â in den SJ -Texten keineInterpunktion verlangen. Des Weiteren sei hervorgehoben, dass das Bindewortâwenn . . . dann . . . â eine Gliederung vorgibt, indem es den Teil zwischen demâwennâ und dem âdannâ zusammenfasst. Bei geschachtelten âwenn . . . dann . . .â Konstruktionen sind die SJ -Textteile von innen nach aussen zusammenzufas-sen.
Ein Komma fasst die durch das Komma getrennten Teile bis zum jeweils vor-angehenden bzw. nachfolgenden Komma zusammen. Gibt es kein vorangehendesbzw. nachfolgendes Komma, dann wird der gesamte Teil bis zum Textanfang bzw.Textende zusammengefasst. Eine Ausnahme bilden Kommata innerhalb einerâwenn . . . dannâ Konstruktion: Diese trennen nur die Teile innerhalb dieserKonstruktion. Gleiches gilt fĂźr das Semikolon. Kommata und Semikola seien im-mer hinter die AbkĂźrzungen elementarer Aussagesätze (nicht hinter BindewĂśrter)gesetzt. Des Weiteren seien folgende Regeln vorausgesetzt:
1. â . . . oder . . . â, â . . . und . . . â bindet stärker als âwenn . . . dann . . . â,â . . . gdw . . . â.
2. Werden keine Trennungszeichen verwendet, dann sind im Zweifelsfall dieTextteile von vorne nach hinten zusammenzufassen.
2Zum Problem, relevante Zusammenhänge durch wahrheitsfunktionale Zusammenhänge wie-derzugeben, vgl. den Hinweis auf das sogenannte âParadox der materialen Implikationâ in LEKTI-ON 1, S. 32.
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3. Es seien nur dann Trennungszeichen verwendet, wenn dies nÜtig ist, umden gemeinten Sinn adäquat zum Ausdruck zu bringen.
Unter Voraussetzung dieser Regeln sowie derjenigen, die aussagelogischenJunktoren den BindewĂśrtern der SJ -Texte zuordnet, lassen sich J -Formeln ein-deutig aus SJ -Texten nach folgender Schematisierungsregel gewinnen:
Schematisierungsregel:1. Ersetze identische Abkßrzungen elementarer Aussagesätze in den
SJ -Texten durch identische Satzbuchstaben der Sprache J ; undersetze unterschiedliche Abkßrzungen elementarer Aussagesätzein den SJ -Texte durch unterschiedliche Satzbuchstaben der Spra-che J !
2. Ersetze die BindewĂśrter der SJ -Texte durch die entsprechendenlogischen Junktoren!
3. Umklammere die Teile der J -Formeln, die zusammengefasstenTeilen der SJ -Texte entsprechena, es sei denn es handelt sichlediglich um einen einzelnen Satzbuchstaben oder um einen Satz-buchstaben samt Negator(en)!
aHierbei ist die Üffnende Klammer gemäss Erläuterung 2.2 stets vor die Satzbuchsta-ben (und nicht vor den Junktor) zu setzen.
Durch Regel 1 wird von dem spezifischen Inhalt der elementaren Aussagenabgesehen und nur noch die aussagenlogische Form, die durch Anwendung vonRegel 2 und 3 gekennzeichnet wird, dargestellt.
BEISPIEL:
SJ-Text: Wenn a, und b und c dann dJ-Formel: (P & (Q & R)) â S
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LEGENDE:
a = Die Menschen unterscheiden sich voneinander.b = Die Entstehung der menschlichen Unterschiede un-
terliegt denselben Gesetzen wie die Entstehung derUnterschiede der Tiere.
c = Die Selektion der menschlichen Unterschiede unter-liegt denselben Gesetzen wie die Entstehung der Un-terschiede der Tiere.
d = Der Mensch stammt vom Tier ab.
Durch eine andere Legende erhielte der SJ -Text einen anderen Sinn, aber dieForm und die zugeordnete J -Formel blieben dieselbe.
Um die Gliederung komplexerer wahrheitsfunktionaler Beziehungen zum Aus-druck zu bringen, ist auf Zerlegungsbäume anstelle der Trennungszeichen zurßckzu-greifen. In Zerlegungsbäumen werden die wahrheitsfunktionalen Zusammenhän-ge durch die hierarchische Anordnung der BindewÜrter ausgedrßckt. Auch dieZerlegungsbäume sind SJ -Texte. Um sie von SJ -Texten, die Trennungszeichenzum Zwecke der Gliederung verwenden, zu unterscheiden, seien sie auch SJ -Strukturen genannt. Abbildung 3.1 stellt die SJ -Struktur des genannten Beispielsdar.
und
a b c d
und
dann
Abbildung 3.1: Beispiel einer SJ-Struktur
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In der untersten Reihe werden die Abkßrzungen der elementaren Aussage-sätze in der Reihenfolge ihres Vorkommens im SJ -Text geschrieben. Darßberwerden die BindewÜrter den jeweiligen Textteilen hierarchisch zugeordnet.
Erläuterung 3.3In SJ -Texten werden die Trennungszeichen â,â und â;â oder Zerlegungsbäumezum Zwecke der Gliederung verwendet.Werden Zerlegungsbäume verwendet, seien die entsprechenden SJ -Texte auch SJ -Strukturen genannt.
Die SJ -Texte sind strukturierte, standardisierte umgangssprachliche Para-phrasen wahrheitsfunktional verknĂźpfter elementarer Aussagen, die sich eindeutigJ -Formeln zuordnen lassen.
ĂBUNG: ELEMENTARE AUSSAGESĂTZE
ĂBUNG: WAHRHEITSFUNKTIONALE BEZIEHUNGEN
2 STANDARDISIERUNG
In der aussagenlogischen Standardisierung werden gegebene umgangssprachlicheTexte (kurz: U-Texte) SJ -Texten zugeordnet. HierfĂźr mĂźssen erstens die elementa-ren Aussagen und zweitens deren wahrheitsfunktionalen Beziehungen identifiziert wer-den.
Im Unterschied zur Schematisierung gibt es fĂźr die Standardisierung keineeindeutigen Zuordnungsregeln, vielmehr ist jede Standardisierung Ausdruck derInterpretation eines Textes. Es kann aus diesem Grund im Folgenden nur auf einige,wichtige Aufgaben und Probleme der Standardisierung hingewiesen, aber kei-ne eindeutigen Zuordnungsregeln von SJ -Texten zu U-Texten angegeben wer-den. Die Standardisierung unterliegt keiner logischen Kontrolle. Durch die LogikkĂśnnen nur die Zielvorgaben der aussagenlogischen Standardisierung â die SJ -Texte â sowie die weitere logische Behandlung der SJ -Texte (Schematisierungund PrĂźfen der formalen Eigenschaften) definiert werden. Hierdurch wird dieInterpretation der Texte nicht ersetzt, aber es werden dem Interpreten Mittel andie Hand gegeben, Interpretationsfragen unter logischen Gesichtspunkten exaktzu stellen und zu beantworten.
Es ist unmĂśglich, Zuordnungsregeln fĂźr die Standardisierung zu definieren,weil die grammatikalische Form der U-Texte nicht ihre logische Form zum Ausdruck
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bringt. Die Kunst der Formalisierung besteht darin, die logischen Mängel der äusserenForm der U-Texte durch eine äussere Form zu ersetzen, die der logischen Formder im U-Text getroffenen Aussagen entspricht.
Es gibt keine notwendigen und hinreichenden grammatikalischen KriterienfĂźr:
1. Die Identifikation von Textteilen, die Aussagen treffen.
2. Die Identifikation der gemeinten Aussagen.
3. Die Identifikation identischer und unterschiedlicher Aussagen.
4. Die Identifikation von Texteilen, die elementare Aussagen treffen.
5. Die Identifikation der wahrheitsfunktionalen Beziehungen.
Diese Punkte sollen im Folgenden anhand von Beispielen illustriert werden,die allesamt einem Text von Darwin entnommen sind, in dem Darwin seinen âBe-weis fĂźr die Abstammung des Menschen von einer niederen Formâ skizziert (sieheAbbildung 3.2). Die Bezugnahme auf diesen Text zeigt die Mannigfaltigkeit anFragen, die sich bei der Standardisierung eines wissenschaftlichen Textes stellen.
2.1 IDENTIFIKATION VON AUSSAGEN
Die grammatikalische Form von Aussagesätzen ist kein notwendiges Kriterium fĂźrdie Formulierung von Aussagen. Wenn Darwin etwa fragt: âBeeinträchtigen diemenschlichen Rassen oder Arten [ . . . ] einander, ersetzt eine die andere, so dassschliesslich ein ErlĂśschen stattfindet?â, um dann zu bemerken, âdass [ . . . ] dieseFragen [ . . . ] bejahend beantwortet werden mĂźssenâ, so ist dies gleichbedeutendmit dem Aussagesatz âDie menschlichen Rassen oder Arten beeinträchtigen ein-ander; eine ersetzt die andere, so dass schliesslich ein ErlĂśschen stattfindet.â EineFrage zu bejahen ist gleichbedeutend damit, eine Aussage zu treffen. Grammati-kalisch besteht hier ein Unterschied, der logisch bedeutungslos ist.
Ob die grammatikalische Form eines Aussagesatzes schon ein hinreichendesKriterium dafĂźr ist, dass eine wahrheitsfähige Aussage getroffen wird, ist fraglich:Die Sätze â2 und 2 gibt 4â oder âDie Winkelsumme eines Dreiecks beträgt 180âŚâsind grammatikalisch gesehen Aussagesätze, aber es ist strittig, ob es sinnvollist, die mit ihnen getroffenen Aussagen als wahr oder falsch zu bezeichnen. EinKonventionalist deutet derartige Aussagesätze im Unterschied zum Realisten alszweckmässige Festlegungen Ăźber die Verwendung bestimmter AusdrĂźcke. Ihnenzu widersprechen, heisst nach dieser Deutung nicht zu bestreiten, dass sie wahrsind, sondern sie durch andere, zweckmässigere Festlegungen zu ersetzen. Auch
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Abbildung 3.2: Beweis fĂźr die Abstammung des Menschen von einer niederenForm, aus: Darwin (1866), S. 9f.
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Sätze Ăźber fiktive Gegenstände wie âOdysseus wurde von den Sirenen gelocktâ,âZeus wohnt im Olympâ oder âEinhĂśrner sind grĂśsser als Elefantenâ sind gram-matikalisch gesehen Aussagesätze, aber man muss sie aus diesem Grund nochnicht als wahrheitsfähige Aussagen verstehen.
In jedem Fall gilt aber, dass alle wahrheitsfähigen Aussagen in Form von Aus-sagesätzen formuliert werden kÜnnen. Hiervon wird in der Standardisierung Ge-brauch gemacht, indem gefordert wird, dass alle Aussagen gleichartig in Formvon Aussagesätzen zu formulieren sind. Dementsprechend sind in der Standardi-sierung grammatikalisch unterschiedliche Formulierungen, die dieselbe Aussage tref-fen, demselben Aussagesatz zuzuordnen. Folglich ist in der Standardisierung desDarwintextes dem Fragesatz ein Aussagesatz zuzuordnen.
2.2 IDENTIFIKATION DER GEMEINTEN AUSSAGEN
Oft treffen Sätze wĂśrtlich genommen andere Aussagen als gemeint sind. WennDarwin seinen Beweis fĂźr die Abstammung des Menschen vom Tier mit derFormulierung einleitet âWer entscheiden will, ob der Mensch der AbkĂśmmlingeiner frĂźher vorhanden gewesenen Form sei, wird [ . . . ] untersuchen, ob [ . . .]â, dann trifft er wĂśrtlich genommen eine Aussage Ăźber denjenigen, der prĂźft, obder Mensch vom Tier abstammt. Wenn man jedoch berĂźcksichtigt, dass Darwinabschliessend feststellt, dass alle die zu untersuchenden Fragen bejahend zu be-antworten sind, und diesem ganzen Abschnitt die Ăberschrift âDer Beweis fĂźrdie Abstammung des Menschen von einer niederen Formâ verleiht, dann recht-fertigt dies die Interpretation, dass es sich bei jener einleitenden Formulierungnur um eine rhetorische Einbettung handelt, die Darwins Beweis in ein objektivesLicht rĂźcken soll, und Darwin tatsächlich meint, dass der Mensch vom Tier (bzw.einer niederen Form) abstammt. Relativ zu dieser Interpretation ist dem zitiertenText in der Standardisierung ein Aussagesatz zuzuordnen, der aussagt, dass derMensch vom Tier abstammt. Die rhetorische Wirkung der Formulierung Darwinsgeht hierdurch verloren. Die aussagenlogische Standardisierung identifiziert alleinAussageinhalte.
Erläuterung 3.4Die Standardisierung kann nicht eindeutig auf Grund äusserer Merkmaleder U-Texte vorgenommen werden. Sie ist Ausdruck der Interpretationeines U-Textes, und berßcksichtigt allein Aussageinhalte.
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2.3 IDENTIFIKATION UNTERSCHIEDLICHER UND IDENTISCHER AUSSA-GEN
Eine Hauptaufgabe bei der Standardisierung besteht darin, mehrdeutige U-Texteeindeutigen SJ -Texten3 zuzuordnen. Es gibt unterschiedliche Arten mehrdeutigerFormulierungen:
Mehr-deutigkeit
Beschreibung U-Sätze SJ-Sätze
Indexika-lischeM.
M. durch Ver-wendung vonPronomina (âerâ,âsieâ, âesâ) undIndikatoren(âdiesâ, âheuteâ)
Der Mensch istMissbildungenunterworfen, under weist in seinerAbweichung dieRĂźckkehr zueinem frĂźherenStrukturtypus auf.
Der Mensch istMissbildungenunterworfen undder Mensch weist inseiner Abwei-chung dieRĂźckkehr zueinem frĂźherenStrukturtypus auf
Ellipsen M. durchunvollständigeFormulierungen
Der Mensch istgleichartigenMissbildungenunterworfen.
Der Mensch istgleichartigenMissbildungen wiedie Tiere unter-worfen
Lexi-kalischeM.
M. durchVerwendungderselbenAusdrĂźcke mitunterschiedlicherBedeutung
Der Mensch ist derAbkĂśmmlingeiner frĂźhervorhandenenForm.Der Mensch ist gutin Form.
Die menschlicheGattung istAbkĂśmmlingniederer Tiere
Hans ist fit
3In der folgenden Tabelle werden nicht SJ -Texte, sondern SJ -Sätze, die im Unterschied zuSJ -Texten keine Abkßrzungen verwenden, berßcksichtigt.
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Mehr-deutigkeit
Beschreibung U-Sätze SJ-Sätze
Struk-turelle M.
M. durchuneindeutigeZuordnung derAusdrĂźcke
Zufällige Mutationund Selektionhaben denMenschen zu demgemacht, was erist.
ZufälligeMutation hat denMenschen zu demgemacht was er istund Selektion hatden Menschen zudem gemacht was erist
Die Bedeutung von Pronomina und Indikatoren, die zu indexikalischen Mehr-deutigkeiten fßhren, hängt vom Kontext ab. Demgegenßber sind in den standardi-sierten Texten Ausdrßcke zu wählen, deren Bedeutung kontextinvariant ist. Hierbeiist vorauszusetzen, dass in den standardisierten Texten derselbe Ausdruck stetsdasselbe bedeutet. Auf Grund ihrer kontextinvarianten und eindeutigen umgangs-sprachlichen Formulierungen handelt es sich bei den SJ -Sätzen um standardisierte(genormte) Ausdrßcke. Man macht von den Mitteln der Umgangssprache Ge-brauch, aber grenzt Quellen von Mehrdeutigkeiten aus.
Jede AuflĂśsung von Mehrdeutigkeiten in der standardisierten Form ist Aus-druck der Interpretation dessen, was im U-Text gemeint ist. Eine angemesseneInterpretation ist nur unter Einbezug des unmittelbaren textlichen sowie oft auchnur unter Hinzunahme des weiteren theoretischen und historischen Kontextes zugeben. Das zweite Beispiel ist ebenso gut dahingehend zu interpretieren, dass derMensch gleichartigen Missbildungen wie die hĂśheren Säugetiere unterworfen ist; imdritten Beispiel wird âder Menschâ im ersten Satz als Bezeichnung der Gattungund im zweiten als Bezeichnung eines bestimmten Individuums interpretiert: fĂźrdie jeweiligen Sätze sind Kontexte denkbar, die eine umgekehrte Deutung na-helegen4; im vierten Beispiel wäre der Ausdruck âzufälligâ ebenso gut auch aufâSelektionâ zu beziehen.5
Auch die Verwendung unterschiedlicher AusdrĂźcke mit derselben Bedeutung(= Synonyme) ist in der Formulierung der SJ -Sätze auszuschliessen, z.B.: âDer
4Z.B. âHans benimmt sich wie ein Primat. Der Mensch ist der AbkĂśmmling einer frĂźher vor-handenen Form. Er wird sich nie wie ein kultivierter Mensch verhalten.â Und: âIm Amazonasgebietsinkt die Artenvielfalt von Jahr zu Jahr dramatisch. Der Mensch (hingegen) ist gut in Form. Er holztnach wie vor in grossem Ausmass die Wälder am Amazonas ab.â
5Der entsprechende SJ -Satz lautet: âZufällige Mutation hat den Menschen zu dem gemachtwas er ist und zufällige Selektion hat den Menschen zu dem gemacht was er istâ.
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Mensch ist der AbkĂśmmling einer frĂźher vorhandenen Formâ und âDer Mensch istder AbkĂśmmling des Tiersâ. Unter der Voraussetzung, dass Darwin die AusdrĂźckeâfrĂźher vorhandene Formâ und âTierâ im Text synonym verwendet, ist den bei-den U-Sätzen derselbe SJ -Satz zuzuordnen.
Durch die AuflÜsung von Mehrdeutigkeiten und Synonymen werden identischeAussagen durch identische Sätze und unterschiedliche Aussagen durch unterschiedlicheSätze ausgedrßckt. Stilistische Varianten und gegebenenfalls unterschiedliche Kon-notationen der Ausdrßcke des U-Textes gehen hierbei verloren.
Erläuterung 3.5In der Standardisierung sind mehrdeutige und synonyme Ausdrßckedurch eine eineindeutige Ausdrucksweise zu ersetzen, in der dieselbeAussage durch denselben Aussagesatz, und unterschiedliche Aussagendurch unterschiedliche Aussagesätze ausgedrßckt werden.
2.4 IDENTIFIKATION ELEMENTARER AUSSAGEN
Auch fĂźr die Identifikation elementarer Aussagen gibt es keine eindeutigen, äusserenKriterien in den U-Texten. Dies zeigen bereits einfache Beispiele: âDie mensch-lichen Variationen werden durch Korrelation, durch die ererbten Wirkungen desGebrauchs und Nichtgebrauchs usw. beherrschtâ. Dies ist nur ein Satz, in demnur ein Verb vorkommt, aber es werden mindestens drei Aussagen getroffen. ImU-Text werden durch die Aufzählung die einzelnen Aussagen nur unvollständigformuliert, so dass ihnen nicht einzelne Aussagesätze entsprechen.
Aber selbst wenn man die U-Texte vervollständigt, ist die so gewonnene Un-terscheidung einzelner Aussagesätze noch kein Kriterium dafĂźr, dass man bei Aus-drĂźcken elementarer Aussagen angelangt ist. Denn der ausgedrĂźckte Inhalt einesAussagesatzes kann unter Umständen immer noch in weitere Teilaussagen ana-lysiert werden. Hier erĂśffnet sich das ganze, weite Feld einer logisch-philosophischenAnalyse von Aussagen. Darwin etwa spricht in seinem Text von Gesetzen der Ent-stehung von Variationen. Die logisch-philosophische Analyse fragt: Was ist dielogische Form dieser Gesetze? Ăusserlich betrachtet trifft er nur eine Aussage:âDie menschlichen Variationen unterliegen denselben Gesetzen wie die Variatio-nen der Tiereâ. Aber aus einer derartigen Aussage kĂśnnen nach einem gängigenVerständnis eine Reihe, ja sogar unendlich viele einzelne Aussagen folgen. EinSatz, der oberflächlich betrachtet nur eine einzelne Aussage zu treffen scheint,kann unter Umständen in eine grosse oder gar unendliche Anzahl einzelner, ele-mentare Aussagen treffende Sätze zerlegt werden.
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Die Berßcksichtigung der Analyse von Aussageinhalten ist fßr eine adäquateaussagenlogische Formalisierung notwendig. Darwin trifft in seinem Text z.B.die allgemeine Aussage, dass die menschlichen Variationen von denselben Ge-setzen wie die Variationen der Tiere beherrscht sind; und im einzelnen unter-scheidet er diese Aussage auf Grund seiner Unterscheidung von Gesetzen derEntstehung und Gesetzen der Selektion fßr Variationen in zwei Aussagen: Die Aus-sage, dass die menschlichen Variationen von denselben Entstehungsgesetzen wiedie Variationen der Tiere beherrscht sind, und die Aussage, dass die menschlichenVariationen von denselben Selektionsgesetzen wie die Variationen der Tiere be-herrscht sind. Auch diese Gesetze unterteilt er wiederum in spezifischere Gesetze.Es wäre inadäquat, die Aussagen spezifischeren Inhalts wie die Aussagen allge-meineren Inhalts in einer aussagenlogischen Standardisierung unterschiedlichenelementaren Aussagesätzen zuzuordnen, und deren wahrheitsfunktionale Bezie-hungen zu bestimmen. Denn die Aussage, dass die menschlichen Variationen vondenselben Gesetzen beherrscht sind wie die Variationen der Tiere, besagt nach derhier vorausgesetzten Interpretation dasselbe wie die komplexe Aussage, dass diemenschlichen Variationen von denselben Entstehungsgesetzen wie die Variationender Tiere beherrscht sind, und dass die menschlichen Variationen von denselbenSelektionsgesetzen wie die Variationen der Tiere beherrscht sind. Die allgemeinereAussage und die spezifischeren Aussagen sind demzufolge nicht logisch von-einander unabhängig. Man muss sich bei der aussagenlogischen Formalisierungentscheiden, inwieweit man Aussagen in Teilaussagen formalisiert.
Die Entscheidung hierßber hängt von Interpretationsabsichten ab. Man mussnicht fordern, dass in jedem Fall die genauste Analyse die angemessene ist. Manmuss sogar eine unendlich komplexe Analyse im Rahmen der aussagenlogischenFormalisierung ausschliessen, da unendliche Zeichenketten keine wohlgeformtenaussagenlogischen Formeln sind. Man braucht auch nicht vorauszusetzen, dasses in jedem Fall eine eindeutige Analyse der Aussagen gibt. Man muss z.B. nichtunterstellen, dass Darwin eine genaue Vorstellung der Unterteilung der Entste-hungsgesetze der Variationen hatte: Eine genaue Analyse mag hier noch ausste-hen; in jedem Fall geht er fßr seinen Beweis davon aus, dass die menschlichenVariationen allen diesen Gesetzen gleichermassen unterliegen wie die Variationender Tiere. Auch wenn diese Voraussetzung durch genauere Analysen in Fragegestellt werden kÜnnte, wßrde dadurch nicht die Adäquatheit der logischen Rekon-struktion von Darwins Beweis berßhrt, sondern nur die Gßltigkeit des von Darwingegebenen Beweises.
Die aussagenlogische Formalisierung setzt nur voraus, dass die Einsetzungs-instanzen der Satzbuchstaben einer J -Formel logisch voneinander unabhängig
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sind. Durch die Zuordnung einer J -Formel zu einem SJ -Text kann man sich beider Interpretation einer J -Formel auf die in dem SJ -Text abgekßrzten elemen-taren Aussagesätze beschränken. Nur die hier genannten elementaren Aussagesätzemßssen logisch voneinander unabhängig sein. Diese Aussagesätze kÜnnen in ei-nem relativen Sinn elementar genannt werden, insofern sie innerhalb des SJ -Textesnicht weiter analysiert werden. Die aussagenlogische Formalisierung setzt keinabsolutes Verständnis der Analyse voraus, nach der sich alle Aussagen als Wahrheits-funktionen einer eindeutigen, vorab bestimmbaren Klasse von logisch voneinan-der unabhängigen Elementaraussagen analysieren lassen, sondern nur ein relativesVerständnis der Analyse, nach der kein in einem SJ -Text abgekßrzter elementarerAussagesatz eine Teilaussage eines anderen elementaren Aussagesatzes desselbenSJ -Textes ausdrßckt. Nach diesem Verständnis ist die logische Unabhängigkeitder abgekßrzten elementaren Aussagesätze in einem SJ -Text ein hinreichendesKriterium, um sie innerhalb dieses Kontextes als Elementarsätze im Sinne derAussagenlogik aufzufassen.
Erläuterung 3.6Die aussagenlogische Formalisierung eines U-Textes setzt nicht eine un-veränderliche Menge logisch voneinander unabhängiger Elementarsätzevoraus. Sie setzt nur voraus, dass die Menge der in den SJ -Textenabgekßrzten elementaren Aussagesätze logisch voneinander unabhängigsind.
Die Anwendbarkeit einer Logik setzt die Beantwortung von Fragen der logisch-philosophischen Analyse voraus. Der Satz âHier ist es jetzt rotâ kann relativ zueiner Analysekonzeption ein Beispiel eines Satzes sein, der eine elementare Aus-sage im Sinne der Aussagenlogik trifft; relativ zu einer anderen Analysekonzeptionkann er Beispiel eines Satzes sein, der zwar eine elementare Aussage, aber nichtim Sinne der Aussagenlogik trifft, da diese Aussage als eine graduelle Aussagegedeutet wird, die nicht dem Prinzip der logischen Unabhängigkeit gehorcht.6
Schliesslich lässt sich dafßr argumentieren, dass auch der Inhalt jenes Satzes weiterzu analysieren ist in einzelne, unter Umständen gar unendlich viele Aussagenßber Farbtoneinheiten.7 Alle diese Analysekonzeptionen sind vertreten worden.
6Man geht hierbei davon aus, dass die Bedeutung von Zeit/Ort- und Farbangaben durchKoordinaten von Skalensystemen zu bestimmen ist.
7Man geht hierbei in RĂźckgriff auf eine physikalische oder physiologische Farbenlehre davonaus, dass die Bedeutung eines Farbwortes zu bestimmen ist mittels einer Beschreibung einerZusammensetzung der Farbe durch eine Anzahl von Einheiten einfacher Farben, aus denen dieeinzelnen Farbempfindungen zusammengesetzt sind.
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Von der jeweiligen Analysekonzeption hängt ab, ob man meint, Farbaussagen(allgemeiner: Beschreibungen visueller Eindrßcke) mit den Mitteln der klassischenLogik formalisieren zu kÜnnen, und wenn ja, wie die entsprechenden Formalisie-rungen durchzufßhren sind.
2.5 IDENTIFIKATION WAHRHEITSFUNKTIONALER BEZIEHUNGEN
Auch fĂźr die Identifikation der wahrheitsfunktionalen Beziehungen gibt es keineeindeutigen und hinreichenden äusseren Kriterien in den U-Texten. Dies wur-de bereits bei der Erläuterung der in den SJ -Texten verwendeten BindewĂśrterânicht . . . â, â. . . und . . . â, â. . . oder . . . â, âwenn . . . dann . . . â, â. . . gdw. . . â ausgefĂźhrt: In den U-Texten sind diese nicht auf ihre wahrheitsfunktionaleBedeutung eingeschränkt, und diese wahrheitsfunktionalen Bedeutungen kĂśnnenin den U-Texten auch durch andere AusdrĂźcke wiedergegeben werden. Die Iden-tifikation der einzelnen Aussagen sowie ihrer wahrheitsfunktionalen Beziehungensind gleichermassen Ausdruck der Interpretation eines U-Textes.
Nicht alle umgangssprachlichen Texte kÜnnen einer aussagenlogischen Standar-disierung unterworfen werden, und in den Texten, die einer aussagenlogischen Stan-dardisierung zugänglich sind, kÜnnen hierdurch noch nicht zwangsläufig alle for-malen Eigenschaften und Beziehungen adäquat identifiziert werden. Es lassensich drei Fälle unterscheiden:
1. Die aussagenlogische Standardisierung und Formalisierung eines Textes istmÜglich und erfasst die formalen Eigenschaften und Relationen vollständig.
2. Die aussagenlogische Standardisierung und Formalisierung eines Textesist mÜglich, erfasst die formalen Eigenschaften und Relationen aber nichtvollständig.
3. Eine aussagenlogische Standardisierung und Formalisierung eines Textesist nicht mĂśglich.
Ein Beispiel fĂźr 3. sind Texte, in denen keine Aussagen getroffen werden,z.B. folgendes FrĂźhstĂźcksgespräch: â âBitte reiche mir die Butter! Danke. Wasgedenkst Du heute zu tun?â âFrag nicht so blĂśd!â â
Beispiele fĂźr 2. sind solche Texte, die eine Erweiterung der klassischen Aussa-genlogik erzwingen. âWenn alle Mäuse blaue Augen haben, dann hat die MausHansi blaue Augenâ ist unter Voraussetzung der folgenden aussagenlogischenStandardisierung und Schematisierung keine Tautologie:
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U-Text: Wenn alle Mäuse blaue Augen haben, dann hat die Maus Hansi blaue AugenSJ-Text: Wenn a dann bJ-Formel: P â Q
Dass der U-Text keine Tautologie ist, ergibt sich daraus, dass die entsprechen-de J -Formel nicht allgemeingĂźltig ist:
P Q P â Q
W W WW F FF W WF F W
Man wĂźrde allerdings sagen, dass der Satz âWenn alle Mäuse blaue Augenhaben, dann hat die Maus Hansi blaue Augenâ in jedem Fall wahr ist, und manwĂźrde dieses Urteil auf die Form der Aussage, und nicht auf den spezifischen Inhaltder in ihr enthaltenen Begriffe (âMausâ und âblaue Augenâ) stĂźtzen. Denn, wennman an Stelle dieser Begriffe andere Begriffe wählt (z.B. statt âMausâ âMenschâ,oder statt âMausâ âZahlâ und statt âblaue Augenâ âNachfolgerâ), dann bliebe derSatz immer noch in jedem Fall wahr. Dies lässt sich durch eine entsprechendelogische Formalisierung und BeweisfĂźhrung auch mit logischen Mitteln zeigen.Allerdings reichen die aussagenlogischen Mittel hierzu nicht aus. Der Satz lässtsich zwar einem SJ -Text zuordnen und aussagenlogisch behandeln, aber dies istnicht hinreichend, um seine wahrheitsfunktionalen Eigenschaften adäquat zu be-stimmen. Erst mit den Mittel der Quantorenlogik kĂśnnen die wahrheitsfunktionalenEigenschaften und Relationen von Sätzen der genannten Art adäquat bestimmtwerden (vgl. hierzu LEKTION 7, Abschnitt 1).
Andere Beispiele fßr 2. sind Texte, deren Aussagen das Bivalenzprinzip, dasPrinzip der logischen Unabhängigkeit oder das Extensionalitätsprinzip nicht er-fßllen. Dies ist bereits in LEKTION 1 erläutert worden.
Unter 2. oder 3. fallen nicht Sätze, die zwar unter allen mĂśglichen Umständenwahr oder falsch sind, aber nicht auf Grund ihrer Form, sondern auf Grund ihresspezifischen Inhaltes, z.B. âSchimmel sind weissâ: Ersetzt man hier den AusdruckâSchimmelâ durch âPferdeâ oder âweissâ durch âgrĂźnâ, dann bleibt der Satz nichtunter allen Umständen wahr. Derartige Sätze sind nicht aus formalen, sondern ausinhaltlichen GrĂźnden unter allen mĂśglichen Umständen wahr.
ĂBUNG: IDENTIFIKATION VON AUSSAGEN
ĂBUNG: MEHRDEUTIGKEITEN
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3 ARGUMENTREKONSTRUKTION
Umgangssprachliche Texte kÜnnen Aussagen treffen, ohne zu argumentieren:Newtons Beschreibung seines Experimentum Crucis8 trifft Aussagen ßber den ex-perimentellen Aufbau, die experimentelle Handlung und die experimentellen Er-gebnisse; erst durch die experimentelle Schlussfolgerung werden die in Newtons Ex-perimentbeschreibung gemachten Aussagen zu Prämissen eines Argumentes undNewtons Text zu einem argumentativen Text.
Erläuterung 3.7Argumente sind eine bestimmte Art komplexer Aussagen, die sich durchdie in ihnen getroffene Unterscheidung von Prämissen und Konklusionauszeichnen. Die Konklusion ist die Aussage, die aus den Aussagen, dieals Prämissen dienen, gefolgert wird.
Fßr die Rekonstruktion aussagenlogischer Argumente stellt sich zusätzlich zuaussagenlogischer Schematisierung und Standardisierung die Aufgabe der Identifikati-on der Prämissen und der Konklusion.
Auch fĂźr diese Identifikation gibt es keine hinreichenden und keine notwen-digen Kriterien in den umgangssprachlichen Texten. Einige umgangssprachlicheAusdrĂźcke wie âalsoâ, âdeshalbâ, âdemzufolgeâ, âdaraus folgtâ, âmithinâ, âda-herâ sind zwar Indikatoren fĂźr den Ăbergang von Prämissen zur Konklusion, abersie kĂśnnen auch zu anderen Zwecken verwendet werden, etwa als FĂźllwĂśrter oder,um den Schein einer argumentativen Schlussfolgerung zu erwecken. SchliesslichkĂśnnen auch Argumente vorliegen, ohne dass dies durch Indikatoren angezeigtwird. Darwins âBeweis fĂźr die Abstammung des Menschen von einer niederenFormâ nennt Prämissen fĂźr die Schlussfolgerung, dass der Mensch vom Tierabstammt. Aber Darwin macht diese Aussage in seinem Text nirgendwo explizit,und er kennzeichnet sie auch nicht als Konklusion. Nur der Ăberschrift, sowieseiner Zustimmung zu all den Annahmen, die er als Voraussetzung des BeweisesfĂźr die Abstammung des Menschen vom Tier nennt, lässt sich entnehmen, dassdies die These ist, fĂźr die er argumentiert.
In der Argumentrekonstruktion mßssen nicht alle Textinhalte Berßcksichti-gung finden, sondern nur diejenigen, die Teil der Prämissen oder der Konklu-sion sind. Auch die Entscheidung darßber, welcher Inhalt die These, fßr die ar-gumentiert wird, noch stßtzt, und welcher hierfßr unbedeutsam ist, hängt vonder Interpretation des Textes ab. Typischerweise sind Wiederholungen, stilistische
8Siehe LEKTION 1, S. 12.
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Varianten, Textelemente mit rhetorischer Funktion, Aussagen, deren Wahrheitdie Konklusion nicht begrĂźnden, unbedeutsam und im Rahmen der Argumen-trekonstruktion zu Ăźbergehen. Wenn Darwin der Aussage, dass der Mensch inkĂśrperlichen und geistigen Fähigkeiten variiere, hinzufĂźgt âsei es auch noch sogeringâ, so kann man dies als einen redundanten Zusatz Ăźbergehen, da auchgeringe Variationen Variationen sind. Oder wenn er der Aussage, dass die mensch-lichen Veränderungen Ergebnis derselben allgemeinen Ursachen sind wie die Va-riationen bei den Tieren, beifĂźgt âinsofern unsere Unwissenheit uns ein Urteilerlaubtâ, dann kann dieser Zusatz im Rahmen der Argumentrekonstruktion un-berĂźcksichtigt bleiben, da die Wahrheit oder Falschheit der Konklusion nur vomWahrheitswert der Prämissen, und nicht von dem Grad des Wissens um die Wahr-heit oder Falschheit der Prämissen abhängt. Ebenso bedeutungslos ist die Bemer-kung, dass es sich bei der Selektion um einen âwichtigen Punktâ handle. DerleiBetonungen haben eine rhetorische, aber keine argumentative Funktion. Um eineprägnante Argumentrekonstruktion zu erhalten, ist es auch oft zweckmässig, beider Formulierung der standardisierten Aussagesätze schärfere Formulierungen zuwählen als der Autor des rekonstruierten Textes. Darwin z.B. verwendet nichtexplizit den Terminus âSelektionsgesetzeâ, aber seine Verwendung bringt in dervon Darwin an anderer Stelle auch explizit formulierten GegenĂźberstellung zuden âEntstehungsgesetzenâ fĂźr Variationen genau die beiden Arten von Gesetzenzum Ausdruck, auf die er in seiner Argumentation zurĂźckgreift.
Erläuterung 3.8Die Standardisierung eines umgangssprachlich formulierten Argumentessollte die fßr das Argument relevanten Inhalte und nur diese prägnantund verständlich ausdrßcken.
Die aussagenlogische Formalisierung findet insbesondere Anwendung zumZwecke der Formalisierung von Argumenten und der PrĂźfung ihrer SchlĂźssigkeit.HierfĂźr sind die formale Sprache J und entsprechend die Ausdrucksmittel derSJ -Texte zu erweitern.
Aussagenlogische Standardisierungen umgangssprachlich formulierter Argu-mente seien SJA-Texte genannt. Diese unterscheiden sich von den SJ -Textendurch die Verwendung des Ausdruckes âalsoâ. Dieser umgangssprachliche Aus-druck wird zusätzlich zu den in den SJ -Texten verwendeten fĂźnf BindewĂśrternin den SJA-Texten gebraucht, um die Prämissen von der Konklusion zu un-terscheiden. Und zwar werden die Prämissen immer vor dem Ausdruck âalsoâaufgezählt, und die Konklusion nach dem Ausdruck âalsoâ, unabhängig davon,
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ob dies der Reihenfolge der entsprechenden Aussagen im U-Text entspricht odernicht. Des Weiteren wird in den SJA-Texten als zusätzliches Gliederungszeichender Punkt â.â verwendet, um einzelne Prämissen voneinander zu trennen.
FĂźr die Formalisierung von SJA-Texten sei die formale Sprache J um dasZeichen â¡ ¡ ¡â ergänzt, das dem Separator âalsoâ der SJA-Texte zugeordnet wird,sowie um das Komma â,â, das dem Punkt als Trennungszeichen der Prämissen inden SJA-Texten zugeordnet ist. Die den SJA-Texten zugeordneten formalenAusdrĂźcke seien J -Argumentschemata genannt. Die durch â,â getrennten J -Formelnvor â¡ ¡ ¡â seien âPr-Formelnâ genannt, die Formel hinter â¡ ¡ ¡â sei âK-Formelâ des J -Argumentschemas genannt.
Jedes Argumentsschema hat mindestens eine Pr-Formel und genau eine K-Formel. Eine Pr-Formel kann mit der K-Formel identisch sein. Pr-Formelnund K-Formel kĂśnnen beliebige J -Formeln sein. Sie kĂśnnen folglich auch ausmehreren Satzbuchstaben und beliebigen Junktoren zusammengesetzt sein. Esgibt keine formalen Kriterien, anhand derer Pr-Formeln und K-Formeln ein-deutig identifiziert werden kĂśnnten. Diese Identifikation ist vielmehr Ausdruckder Interpretation eines argumentativen U-Textes.
BEISPIEL 1:
SJA-Text: a . b und c also dJ-Arg.schema: P , Q & R ¡
¡¡ S
BEISPIEL 2:
SJA-Text: a also aJ-Arg.schema: P ¡
¡¡ P
BEISPIEL 3:
SJA-Text: nicht a . b oder c also a gdw cJ-Arg.schema:
ÂŹP , Q ⨠R ¡¡¡ P â R
BEISPIEL 4:
SJA-Text:
wenn wenn a dann b dann c, oder wenn e dann f also a oder e
J-Arg.sch.:
((P1 â P2) â P3) ⨠(P4 â P5) ¡¡¡ P1 ⨠P4
Die Argumentschemata sind zum Zwecke der aussagenlogischen Formalisie-rung von Argumenten definiert. Sie sind selbst nicht J -Formeln. Ihre induktiveDefinition setzt die J -Formeln voraus:
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Erläuterung 3.9Die Menge der Argumentschemata von J ist definiert durch folgende Re-geln:
1. Jede wff von J , gefolgt von â¡ ¡ ¡â, gefolgt von einer wff von J , ist einArgumentschema von J .
2. Jede wff von J , gefolgt von â,â, gefolgt von einem Argumentschema,ist ein Argumentschema von J .
3. Nur solche Zeichenketten sind Argumentschemata von J , diemittels einer endlichen Anzahl an Schritten gemäss den Regeln 1.und 2. gebildet werden kÜnnen.
BEISPIEL:
âP , Q&R ¡¡¡ Sâ ist ein J -Argumentschema, denn:
1. âQ&Râ ist eine wff, âSâ ist eine wff, also ist nach Regel 1 âQ&R ¡¡¡ Sâ ein
Argumentschema.
2. âP â ist eine wff, also ist nach 1. und Regel 2 âP , Q&R ¡¡¡ Sâ ein Argument-
schema.
Bislang ist beschrieben, wie Argumentschemata korrekt zu bilden sind. Damitist noch nichts ßber ihre Interpretation gesagt. Da gegenßber der Sprache J in denArgumentschemata zusätzliche Zeichen verwendet werden, sind auch zusätzli-che Festlegungen ihrer Interpretation zu treffen. Diese Interpretation geht vonfolgendem intuitivem Verständnis der Folgerungsbeziehung zwischen Prämissenund der Konklusion in einem Argument aus:9
INTUITIVER FOLGERUNGSBEGRIFF: Wenn man behauptet, dass eine Aussage ausPrämissen folgt, dann behauptet man, dass ausgeschlossen ist, dass alle Prä-missen wahr, und die Konklusion falsch ist.
9Zur Kritik dieses Begriffes der Folgerung und des auf ihm basierenden Begriffes der logischenSchlĂźssigkeit siehe den Hinweis auf das sogenannte âParadox der formalen Implikationâ in LEK-TION 1, S. 32.
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Dieses intuitive Verständnis wird im Rahmen der Aussagenlogik durch RĂźck-griff auf die Interpretation der J -Formeln präzisiert, indem die Folgerungsbe-ziehung allein auf die aussagenlogische Form der Aussagen zurĂźckgefĂźhrt wird.HierfĂźr werden erstens Argumentschemata bestimmten J -Formeln (den zugehĂś-rigen Konditionalen) zugeordnet, und zweitens wird die Beziehung der logischenFolgerung zwischen den Prämissen und der Konklusion durch die AllgemeingĂźl-tigkeit des zugehĂśrigen Konditionals definiert. Die den Argumentschemata zuge-ordneten J -Formeln sind Konditionale. Konditionale nennt man J -Formeln, derenHauptjunktor âââ ist.
Erläuterung 3.10Das einem Argumentschema zugehĂśrige Konditional ist die J -Formel, dieman aus dem Argumentschema erhält, indem man â¡ ¡ ¡â durch âââ und â,âdurch â&â ersetzt, und die Pr-Formeln und die K-Formel einklammert,sofern sie mindestens zwei Satzbuchstaben enthalten.
BEISPIEL:
J-Arg.schema:
P â Q , P ⨠R , ÂŹR ¡¡¡ Q â R
Zug. Kond.: (P â Q) & (P â¨R) & ÂŹR â (Q â R)
Der Subjunktor âââ, der â¡ ¡ ¡â ersetzt, ist der Hauptjunktor des zugehĂśrigenKonditionals, die Konjunktoren â&â, die das Komma ersetzen, sind von links nachnach rechts stufenweise diesem Hauptjunktor untergeordnet.
In RĂźckgriff auf die Definition des zugehĂśrigen Konditionals lassen sich Ar-gumentschemata als Metaaussagen interpretieren, die behaupten, dass das ihnenzugehĂśrige Konditional allgemeingĂźltig ist.
Erläuterung 3.11J -Argumentschemata werden interpretiert als Metaaussagen, die aussagen,dass das zugehÜrige Konditional allgemeingßltig ist.
Es seien Pr1, . . . P rn10 Metavariablen fĂźr Pr-Formeln, und K Metavariable
fßr K-Formeln, dann lässt sich kurz sagen:
10n ist Variable fĂźr eine beliebige natĂźrliche Zahl. Ist n = 1, dann hat das Argumentschema nureine Pr-Formel.
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Erläuterung 3.12âPr1, . . . , P rn ¡
¡¡ Kâ = âPr1 & . . . &Prn â K ist allgemeingĂźl-
tigâ.
Das Gleichheitszeichen in dieser Erläuterung besagt, dass die Ausdrßcke linksund rechts des Gleichheitszeichens austauschbar sind.
Die mit dem Argumentschema getroffene Metaaussage kann korrekt sein odernicht.
Erläuterung 3.13J -Argumentschemata sind korrekt gdwDef. das zugehÜrige Konditionalallgemeingßltig ist.
Ist ein J -Argumentschema korrekt, dann drĂźckt man dies durch Ersetzen vonâ¡ ¡ ¡â durch â|=J â aus:
Erläuterung 3.14âPr1, . . . , P rn ¡
¡¡ K ist korrektâ = âPr1, . . . , P rn |=J Kâ.
Der Index in â|=J â bringt zum Ausdruck, dass die Korrektheit der Argument-schemata relativ zur Interpretation der formalen Sprache J bemessen wird.
AllgemeingĂźltige Konditionale nennt man auch formale Implikationen; im Unter-schied hierzu heissen Konditionale, die nicht allgemeingĂźltig sind materiale Impli-kationen. Die zu korrekten Argumentschemata gehĂśrigen Konditionale sind dem-zufolge formale Implikationen.
In Rßckgriff auf die Korrektheit von Argumentschemata lässt sich die formaleSchlßssigkeit der umgangssprachlichen Argumente definieren:
Erläuterung 3.15Ein Argument ist formal schlßssig gdwDef. das ihm durch die Formalisie-rung zugeordnete Argumentschema korrekt ist.
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Die Korrektheit der J -Argumentschemata und die formale Schlßssigkeit derArgumente lässt sich mittels Wahrheitswertanalyse entscheiden. Es handelt sichjeweils um formale Eigenschaften.
Um die Korrektheit der J -Argumentschemata zu prßfen, muss man nichtjedesmal eine vollständige Wahrheitswertanalyse durchfßhren. Man kann sich viel-mehr eines einfacheren Verfahrens bedienen, indem man gezielt nach einer wider-legenden Belegung sucht.
Erläuterung 3.16Eine widerlegende Belegung ist eine Belegung, in der die K-Formeln denWert F und sämtliche Pr-Formeln den Wert W haben.
Um zu untersuchen, ob es eine widerlegende Belegung gibt, kann man sich aufdie systematische Suche einer Belegung der Satzbuchstaben beschränken, durchdie den K-Formeln der Wert F und allen Pr-Formeln der Wert W , und densel-ben Satzbuchstaben des Argumentschemas dieselben Wahrheitswerte zugeordnetwerden.
Dies sei anhand der Argumentschemata aus den oben genannten BEISPIE-LEN 2-4 exemplarisch vorgefĂźhrt:
P ¡¡¡ P
F! (2) F(1)
In einem ersten Schritt belegt man die K-Formel mit F . Dies erzwingt ineinem zweiten Schritt auch die Pr-Formel mit F zu belegen, da es sich um densel-ben Satzbuchstaben handelt. Folglich gibt es keine MĂśglichkeit, eine widerlegendeBelegung anzugeben. Ergo gilt: P |=J P . Die erzwungenen Wahrheitswerte, dieâ wie im genannten Beispiel â eine widerlegende Belegung ausschliessen oder âwie im folgenden Beispiel â darstellen, werden in den hier angefĂźhrten Beispielendurch Fettdruck und Ausrufezeichen hervorgehoben.11
ÂŹ P , Q ⨠R ¡¡¡ P â R
W !(4) F (3) W/F W ! (4) W(3) F(2) F !(1) W (2)
11Die Zahlen und der Fettdruck dienen in diesen Beispielen der Illustration der Argumentation.Oft gibt es alternative widerlegende Belegungen, und dementsprechend unterschiedliche MĂśg-lichkeiten, sich widerlegende Belegungen zu erschliessen. In den ĂBUNGEN mĂźssen sie nur einemĂśgliche widerlegende Belegung angeben, und nicht den Weg, nach dem sie sich diese erschlossenhaben, darstellen. Dementsprechend sind in den ĂBUNGEN keine Zahlen, kein Fettdruck und auchkeine alternativen Wahrheitswerte (W/F) zu verwenden.
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Im ersten Schritt wird der Hauptjunktor der K-Formel mit dem Wert Fbelegt. Dies erzwingt, dass die Satzbuchstaben âP â und âRâ mit unterschiedlichenWerten belegt werden. Wählt man fĂźr âRâ den Wert W , dann muss man fĂźr âP â denWert F wählen. Dieselben Satzbuchstaben in den Pr-Formeln sind entsprechendzu belegen. Hieraus folgt, dass auch die beiden Pr-Formeln mit dem Wert Wzu belegen sind. Die Belegung von âQâ ist dabei irrelevant, da in jedem Fall diezweite Pr-Formel mit dem Wert W zu belegen ist. Die gefundene widerlegen-de Belegung wird durch Fettdruck und Ausrufezeichen hervorgehoben. Es gilt:P ,Q ⨠R 6|=J P â R.
((P1 â P2) â P3) ⨠(P4 â P5) ¡¡¡ P1 ⨠P4
F (3) W (4) W/F W/F W/F W! (5) F (3) W (4) W/F F (2) F! (1) F (2)
Im ersten Schritt wird der Hauptjunktor der K-Formel mit dem Wert Fbelegt. Dies erzwingt, âP1â und âP4â auch mit F zu belegen (Schritte 2 und 3).Wenn âP4â dem Wert F zugeordnet ist, dann erhält âP4 â P5â den Wert W â ganzgleich, ob âP5â mit W oder F belegt wird. Hieraus folgt, dass der Hauptjunktorder Pr-Formel auch den Wert W erhält, so dass man eine widerlegende Belegunggefunden hat. Ergo: ((P1 â P2) â P3) ⨠(P4 â P5) 6|=J P1 ⨠P4.
Ergibt die Prßfung eines Argumentschemas, dass das formalisierte Argumentformal schlßssig ist, bedeutet dies nicht, dass die Wahrheit der Konklusion bewie-sen ist. Es bedeutet nur, dass die Konklusion wahr ist, wenn die Prämissen wahr sind.Ob ein Argument gut ist, hängt nicht nur von seiner Schlßssigkeit ab, sondernauch davon, wie gut seine Prämissen gerechtfertigt sind.
Andererseits folgt daraus, dass ein Argumentschema nicht schlßssig ist, nicht,dass die These, fßr die der Autor des U-Textes argumentiert, haltlos ist. Die Un-schlßssigkeit des formalisierten Argumentes ist zunächst nur ein Hinweis dafßr,dass entweder die verwendeten logischen Mittel nicht ausreichen, um die Schlßs-sigkeit des Argumentes zu identifizieren (siehe das BEISPIEL auf S. 83), oder dieKonklusion noch auf weiteren impliziten Prämissen beruht. Implizite Prämissen sindsolche Prämissen, die im U-Text nicht ausgedrßckt werden. Meistens lässt sichdurch Berßcksichtigung weiterer Texte oder des theoretischen und historischenHintergrundes begrßnden, dass ein Autor entsprechende implizite Annahmenvoraussetzt. Fßr eine vollständige Argumentrekonstruktion sind derartige Prämissenmit zu berßcksichtigen.
Eine einfache Rekonstruktion von Darwins Beweis der Abstammung des Men-schen vom Tier ist die oben im BEISPIEL 1 genannte:
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SJA-Text: a . b und c also dJ-Arg.schema: P , Q & R ¡
¡¡ S
LEGENDE:
a = Die Menschen unterscheiden sich voneinander.b = Die Entstehung der menschlichen Unterschiede un-
terliegt denselben Gesetzen wie die Entstehung derUnterschiede der Tiere.
c = Die Selektion der menschlichen Unterschiede unter-liegt denselben Gesetzen wie die Selektion der Unter-schiede der Tiere.
d = Der Mensch stammt vom Tier ab.
Diese Rekonstruktion berĂźcksichtigt Darwins Unterscheidung zweier Artenvon Gesetzen12, aber sie sieht von Darwins weiterer Spezifizierung dieser Gesetzeab. Eine detaillierte aussagenlogische Argumentrekonstruktion wĂźrde die zweitePrämisse von Darwins Argument (âa und bâ) durch spezifischere Prämissen er-setzen, in denen auf die spezifischen Gesetze der Korrelation, auf die Gesetze derererbten Wirkungen des Gebrauchs und Nichtgebrauchs etc. Bezug genommenwird. Um die Wahrheit der zweiten Prämisse zu ĂźberprĂźfen, mĂźsste man feststel-len, ob die menschlichen Variationen denselben spezifischen Gesetzen unterlie-gen wie die Variationen der Tiere. Sieht man hiervon bei der Interpretation ab,dann bleibt immer noch die Frage, inwieweit die genannten Prämissen DarwinsThese von der Abstammung des Menschen vom Tier stĂźtzen kĂśnnen. Offen-sichtlich ist das von ihm formulierte Argument â zumindest gemäss der obenangegebenen Standardisierung â im aussagenlogischen Sinne nicht schlĂźssig, denndas entsprechende Argumentschema ist nicht korrekt:
P , Q & R ¡¡¡ S
W! (2) W (3) W! (2) W (3) F! (1)
Eine vollständige Argumentrekonstruktion muss noch auf zusätzliche Prämis-sen rekurrieren, die Darwin nicht in seinem Text formuliert. Eine MÜglichkeit, die
12Sie bringt ihre ZusammengehĂśrigkeit durch die Zusammenfassung von âaâ und âbâ in einePrämisse âa und bâ zum Ausdruck. Dies ist im Prinzip willkĂźrlich, da man ebenso gut als SJA-Text âa,b,c also dâ hätte wählen kĂśnnen. Das zu dem entsprechenden Argumentschema zugehĂśrigeKonditional wäre dasselbe wie das zu dem im Beispiel aufgefĂźhrten Argumentschema. Dement-sprechend bleibt die formale SchlĂźssigkeit des Argumentes hiervon unberĂźhrt.
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logisch gesehen immer besteht, ist das zugehÜrige Konditional einfach als Prämissehinzuzunehmen:
SJA-Text: a . b und c . wenn a, und b und c dann d also dJ-Arg.sch.: P , Q & R , P & (Q & R) â S ¡
¡¡ S
P , Q & R, P & (Q & R) â S ¡¡¡ S
W(2) W(3) W(2) W(3) W(3) W(5) W(4) W(5) W(4) F(6)! F(2) F(1)
Interpretatorisch gesehen ist diese LÜsung allerdings unbefriedigend. Denn dieentscheidende Frage, wie dieses Konditional zu rechtfertigen ist, bleibt dadurchunbeantwortet. Die Mittel der Aussagenlogik kÜnnen diese Frage als eine mass-gebliche Frage fßr das Verständnis von Darwins Beweis der Abstammung desMenschen vom Tier identifizieren, aber nur Mittel der Interpretation, die sich aufInformationen stßtzen, die Darwins Text nicht unmittelbar zu entnehmen sind,kÜnnen die Frage beantworten.
Zusatzbemerkung 3.1: Eine mĂśgliche Interpretation der Argumentation Darwins versteht
diese als eine Argumentation fĂźr eine Kausalhypothese, die implizit von methodologischen Regeln kausaler
Erklärungen Gebrauch macht: In Frage steht die Kausalhypothese, dass die Entstehung des Menschen
eine Wirkung der Veränderung von Tieren ist. Diese Kausalhypothese wird begrßndet, indem eine
kausale Erklärung der Entstehung des Menschen gegeben wird. Eine kausale Erklärung, so sei hier
vorausgesetzt, hat die Form eines sogenannten âdiagnostischen Kausalschlussesâ, in dem von der
Wirkung auf die Ursache geschlossen wird: Gegeben die Entstehung des Menschen (= Wirkung)
(Prämisse 1), gegeben allgemeine Kausalgesetze fßr die Entstehung hÜherer Arten aus niederen
Arten, nach denen es fĂźr die Entstehung hĂśherer Arten keine alternative Ursache neben der Ent-
stehung aus niederen Arten gibt (Prämisse 2), gegeben die von Darwin gemachte Zusatzannahme,
dass der Mensch eine hÜhere Art ist als das Tier (Prämisse 3), dann folgt logisch (genaugenommen:
quantorenlogisch), dass der Mensch vom Tier abstammt. Entscheidend fĂźr die Argumentation ist es,
die menschliche Entwicklung unter dieselben Entwicklungsgesetze zu subsumieren wie die der Tiere
und generell fĂźr die Entwicklung hĂśherer Arten Alternativursachen, die sich von der Entiwicklung
aus niederern Arten unterscheiden, auszuschliessen (Prämisse 2). Diese massgebliche und umstrit-
tene Annahme macht Darwin erklärtermassen, ohne sie experimentell, d.i. z.B. durch Zßchtung
eines Menschen aus einer niederen Art, bestätigen zu kÜnnen. Um sie gleichwohl zu rechtfertigen,
kann Darwin auf eine methodologische Regel fßr das Aufstellen von kausalen Erklärungen zurßck-
greifen: Wenn mÜglich, gleichartige Wirkungen durch gleichartige Ursachen zu erklären.13 Durch diese Regel
13Es handelt sich hierbei um Newtons 2. Regel der Naturforschung, vgl. Newton (1999), S. 380. Manbeachte, dass sich nach dieser Interpretation Darwins Erklärung nicht auf das von ihm kritisierte
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werden kausale Erklärungen, die sich nicht direkt empirisch testen lassen, auf gleichartige kausale
Erklärungen mit empirischer Basis zurßckgefßhrt; im Falle von Darwin die Entstehung der Arten
auf Zuchtexperimente, wie sie Darwin gleich im 1. Kapitel seines Hauptwerkes On the Origin of Species
untersucht.14 Um in einem Gebiet wie der Evolutionstheorie, in der die meisten Fragen offensicht-
lich nicht experimentell entschieden werden kĂśnnen, Ăźberhaupt Kausalhypothesen empirisch zu
begrßnden und kausale Erklärungen zu geben, ist der Rßckgriff auf eine derartige Regel unumgäng-
lich.15
Diese Interpretation zeigt, dass fĂźr die Rekonstruktion wissenschaftlicher Beweise, die ty-
pischerweise in den experimentellen und historischen Wissenschaften gefĂźhrt werden, die Mit-
tel der Aussagenlogik nicht hinreichend sind, sondern erweiterte logische Mittel wie z.B. die der
Quantorenlogik nĂśtig sind, und Fragen der Formalisierung von Kausalgesetzen, Kausalhypothesen,
kausalen Erklärungen sowie Fragen des Schliessens auf Kausalgesetze beantwortet werden mßssen.
Die klassische Logik ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung dafĂźr, diese zentralen
wissenschaftstheoretischen Fragen formal behandeln zu kĂśnnen.
ĂBUNG: AUFGABEN DER ARGUMENTREKONSTRUKTION
ĂBUNG: WOHLGEFORMTE ARGUMENTSCHEMATA
ĂBUNG: ARGUMENTREKONSTRUKTION
âAusschliessungsprinzipâ (principle of exclusion) stĂźtzt, durch das Hypothesen durch Falsifikationaller Alternativhypothesen begrĂźndet werden. Darwin geht nach diesem Verständnis induktiv undnicht deduktiv vor (gegen Mill (1872), S. 328, vgl. eingehend Hull (1995), S. 87 - 95 und Kitcher(1993), S. 271).
14Vgl. z.B. Darwin (1996), Kapitel 1, vgl. seine einleitenden Worte hierzu S. 26f.15Vgl. z.B. Darwin (1996), S. 668f.
LEKTION 4
AUSSAGENLOGISCHER KALKĂL
In dieser Lektion wird ein KalkĂźl fĂźr aussagenlogische Argumentschemata definiert. EinKalkĂźl ist eine Menge von Regeln fĂźr zulässige Umformungen von Formeln.Die Definition und die Anwendung der KalkĂźlregeln fällt in den Bereich derSyntax, die allein die Bildung und Umformungen von Formeln betrifft, ohne aufBedeutungen der Formeln Bezug zu nehmen. Der in dieser Lektion vorgestellteKalkĂźl ist der sogenannte KalkĂźl des natĂźrlichen Schliessens von G. Gentzen (1935),der von E.J. Lemmon in seinem klassischem Logikbuch Beginning Logic dargestelltwird.1 Dieser KalkĂźl wird im Folgenden als âGLKJâ (Kurzform fĂźr âGentzen-Lemmon-KalkĂźl der Aussagenlogikâ) bezeichnet. Der GLKJ erlaubt es, unterVerwendung einer begrenzten Zahl an KalkĂźlregeln die K-Formel eines jedenschlĂźssigen aussagenlogischen Argumentschemas aus den Pr-Formeln abzulei-ten. Es gibt andere aussagenlogische KalkĂźle, die dasselbe leisten â der GLKJ
ist ein gängiger KalkĂźl, der sowohl in EinfĂźhrungsbĂźchern zur Logik als auchin begleitenden Ăbungsprogrammen häufig zu Grunde gelegt wird. Er enthältzwar mehr Regeln als nĂśtig, vereinfacht dadurch aber zugleich die Konstruktiongeeigneter Ableitungen.
Während diese 4. LEKTION nur die Kalkßlregeln behandelt, werden in derfolgenden 5. LEKTION die wichtigsten Schlussregeln, die sich aus den Regeln desGLKJ ableiten lassen, vorgestellt und die Anwendung von Schlussregeln fßr dieArgumentrekonstruktion thematisiert. In LEKTION 6 wird dann auf metalogischeFragen der Beziehung zwischen Ableitungen und Wahrheitswerttabellen, bzw.Syntax und Semantik der Aussagenlogik eingegangen.
1 ABLEITUNGEN
In einer Ableitung einer K-Formel werden die Pr-Formeln unter Anwendungvon Ableitungsregeln solange umgeformt bis man in einem letzten Schritt zurK-Formel gelangt.
1Die KalkĂźlregeln und die Tabellennotation fĂźr die Ableitungen sind Lemmons Buch entnom-men. Bei der Definition der Regeln ist Ali Behbouds Darstellung des GLKJ in seiner EinfĂźhrung indie Logik zugrundegelegt worden.
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Eine Ableitung einer K-Formel aus Pr-Formeln ist eine Kette von For-meln, deren Anfangsglieder die Pr-Formeln sind, deren Endglied dieK-Formel ist und deren sämtliche Ăbergänge gemäss Ableitungsregelnvorgenommen werden.
Die logischen Ableitungen werden in Form von Tabellen dargestellt. JedeZeile der Tabelle ist eine Ableitung der in ihr enthaltenen Formel. Die Formeln,aus denen sie abgeleitet wird, werden Annahmen genannt. Die K-Formel ist ausden Pr-Formeln abgeleitet, wenn nur diese die Annahmen der Ableitung derK-Formel sind. Um alle Ableitungsschritte Ăźbersichtlich darzustellen, und diejeweilige Anwendung der Regeln kontrollieren zu kĂśnnen, werden die Tabellen,die die Ableitungen darstellen, in vier Spalten unterteilt:
Annahme Nr. Formel Regel
BEISPIEL:
Annahme Nr. Formel Regel1,2 (4) Q 1,3 MPP
PARAPHRASE:
âAus den Formeln, die in den Zeilen 1 und 2 stehen, ist die FormelâQâ in Zeile 4 ableitbar. Die Ableitung erfolgt auf Grund der Regel MPP,angewendet auf die Formeln, die in Zeile 1 und 3 stehen.â
In der ersten Spalte steht die sogenannte Annahmenliste: Diese enthält die Zei-lennummern der Formeln, die als Annahmen fßr die Ableitung der Formel derjeweiligen Zeile benÜtigt werden. Die zweite Spalte enthält die Zeilennummer derZeile.2 Die Zeilennummer wird eingeklammert. Sie identifiziert die Zeile, so dassin weiteren Zeilen eindeutig auf sie Bezug genommen werden kann. In der drittenSpalte wird die abgeleitete Formel notiert. Die vierte Spalte setzt sich zusammen
2Es ist in Anlehnung an Lemmon ßblich, die Zeilennummer nicht in der ersten, sondern in derzweiten Spalte zu notieren. Dieser Gepflogenheit wird hier entsprochen, obwohl es ßbersichtlicherwäre, die Zeilen in der ersten Spalte durchzunummerieren, und in der letzten Spalte die Zeilennum-mern der Annahmen zu notieren.
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aus der Bezeichnung der Regel, die fßr die Ableitung verwendet wurde, sowie einerListe, die die Zeilennummern enthält, in der die Formeln stehen, auf die die Regelangewendet wird (Oberformelliste). Diese Liste wird vor die Bezeichnung der Regelgeschrieben.
Die Annahmenliste und die Oberformelliste mĂźssen nicht identisch sein, daeine Formel unter Zuhilfenahme von Zwischenkonklusionen abgeleitet werden kann:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P AE2 (2) P â Q AE
1,2 (3) Q 2,1 MPP1,2 (4) ÂŹÂŹQ 3 DNE
In der vierten Zeile wird die Regel DNE (âdoppelte Negator-EinfĂźhrungâ)angewendet auf die Formel von Zeile 3. Aber die Annahmen, auf denen dieseAbleitung beruht, sind die Formeln aus Zeile 1 und 2. Die Formel in Zeile 3 bildeteine Zwischenkonklusion, die ihrerseits auf den Formeln aus Zeile 1 und 2 alsAnnahmen beruht. FĂźr die Ableitungen von K-Formeln mittels der KalkĂźlregelnist meistens die Bildung von Zwischenkonklusionen nĂśtig, um zur Ableitung derK-Formel zu gelangen, die allein auf den Pr-Formeln als Annahmen beruht.
Des Weiteren ist es oftmals nĂśtig, zusätzlich zu den Pr-Formeln AnnahmeneinzufĂźhren. Die Zeilennummern dieser Annahmen kĂśnnen im weiteren Verlaufder Ableitung durch Anwendung von KalkĂźlregeln, welche die Beseitigung vonAnnahmen erlauben, aus der Annahmenliste gestrichen werden. Die Zeilennum-mern in den Annahmenlisten der Ableitung, die auf derartige âZwischen-An-nahmenâ Bezug nehmen, seien durch ein Sternchen gekennzeichnet. Sie werdengewĂśhnlich als âHilfsannahmenâ bezeichnet. Die Verwendung von Hilfsannahmenist charakteristisch fĂźr indirekte Beweisgänge, in denen etwas hypothetisch an-genommen wird, um Folgerungen zu ziehen, die schliesslich nicht mehr die hy-pothetische Annahme voraussetzen. Ein typischer derartiger Beweisgang hat dieForm einer reductio ad absurdum, in der etwas hypothetisch angenommen wird, umhieraus einen Widerspruch abzuleiten, so dass das Gegenteil der hypothetischenAnnahme gefolgert werden kann, z.B.:
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Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P â Q AE2 (2) ÂŹQ AE3* (3) P AE
1,3* (4) Q 1,3 MPP1,2,3* (5) Q&ÂŹQ 4,2 &E
1,2 (6) ÂŹP 3,5 RAA
Zeile 3 enthält die Hilfsannahme P . In Zeile 5 wird unter Voraussetzungdieser Annahme ein Widerspurch abgeleitet. In Zeile 6 wird unter Anwendungder Regel RAA (âreductio ad absurdumâ) auf die Negation der Hilfsannahmegeschlossen. Die Regel erlaubt, die Referenz auf diese Annahme in der Annah-menliste zu streichen.
Die Ableitungen dĂźrfen zwar Gebrauch machen von Hilfsannahmen, fĂźr denBeweis der Ableitbarkeit einer K-Formel aus den Pr-Formeln eines korrektenArgumentschemas ist allerdings stets darauf zu achten, dass diese Hilfsannahmenwieder eliminiert sind, so dass die Annahmenliste der K-Formeln nur auf Pr-Formeln verweist.
Erläuterung 4.1Eine K-Formel ist aus den Pr-Formeln eines Argumentschemas ab-leitbar gdwDef. die K-Formel in der letzten Zeile einer regelgerechtenAbleitung steht, deren Annahmenliste nur auf Pr-Formeln verweist.
Ist die K-Formel eines Argumentschemas aus seinen Pr-Formeln ableitbar,dann drĂźckt man dies durch Ersetzen von â¡ ¡ ¡â durch â`J â aus:
Erläuterung 4.2âK ist aus Pr1 . . . P rn ableitbarâ = âPr1 . . . P rn `J Kâ.
In LEKTION 6 wird gezeigt, dass fĂźr alle korrekten Argumentschemata und nurdiese gilt, dass ihre K-Formeln aus den Pr-Formeln ableitbar sind. Man kanndemnach die SchlĂźssigkeit von Argumenten sowohl durch Wahrheitswertanalysedes zugehĂśrigen Konditionals als auch durch Ableitung der K-Formeln aus denPr-Formeln beweisen.
101
Der Bezugnahme auf Annahmen, und die damit verbundene MĂśglichkeit derBildung von Zwischenkonklusionen sowie der EinfĂźhrung und Beseitung von Hilfs-annahmen verdankt der GLKJ seine Charakterisierung als KalkĂźl des natĂźrlichenSchliessens im Unterschied zu anderen, insbesondere mathematischen KalkĂźlen,die Regeln fĂźr die Umformung von Formeln definieren, ohne hierbei auf Annah-men in einem Beweisgang zu rekurrieren. Die Charakterisierung des GLKJ alsKalkĂźl des natĂźrlichen Schliessens bedeutet hingegen nicht, dass die Ableitungen,die unter Anwendung der Regeln des GLKJ gegeben werden kĂśnnen, in jedemeinzelnen Fall einer natĂźrlichen bzw. gewĂśhnlichen Strategie des Argumentierensentsprechen. Die Ableitungen sind vielmehr auf Grund der erstrebten Beschrän-kung auf wenige Regeln, durch die sämtliche K-Formeln korrekter Argument-schemata aus den Pr-Formeln abgeleitet werden kĂśnnen, in den meisten Fäl-len umständlich. In LEKTION 5 wird gezeigt, wie durch HinzufĂźgung weitererSchlussregeln, die Länge der Ableitungen in der Aussagenlogik auf ein Minimumreduziert werden kann. Nicht die jeweiligen Ableitungen sind ânatĂźrlichâ, son-dern nur die generelle Strategie, aus Annahmen, gegebenfalls auch unter Hin-zufĂźgung von Hilfsannahmen und der Herleitung von Zwischenkonklusionen,fragliche Folgerungen abzuleiten.
Es wird im Folgenden bewusst darauf verzichtet, die einzelnen KalkĂźlregelndurch inhaltliche Ăberlegungen intuitiv verständlich zu machen. Der GLKJ wirdzunächst als blosses Regelsystem fĂźr die Umformung von J -Formeln verstanden.Erst in LEKTION 6 wird gezeigt, dass diese Regeln das Kriterium erfĂźllen, dassalle und nur die K-Formeln aus den Pr-Formeln korrekter Argumentschemataableitbar sind. Sie leisten demzufolge fĂźr den Beweis der logischen SchlĂźssigkeitvon Argumenten (und auch darĂźber hinaus fĂźr den Beweis der AllgemeingĂźltig-keit von J -Formeln) dasselbe wie die Wahrheitswertanalyse. In LEKTION 6 wirdim Rahmen des Beweises der Korrektheit der einzelnen KalkĂźlregeln eine denjeweiligen KalkĂźlregeln entsprechende Wahrheitswertanalyse gegeben. FĂźr dasVerständnis der einzelnen KalkĂźlregeln fĂźhre der Leser sich diese Wahrheitswert-analysen vor Augen, wie dies in Zusatzbemerkung 6.1 ausgefĂźhrt wird.
2 KALKĂLREGELN
Die Regeln des GLKJ bestehen aus einer Regel, die erlaubt, beliebige FormelneinzufĂźhren, sowie Regeln zur EinfĂźhrung und Beseitigung der vier JunktorenâÂŹâ, â&â, ââ¨â und âââ.3
3Der Junktor âââ wird normalerweise durch eine Definition eingefĂźhrt oder beseitigt. Diesewird nicht zu den KalkĂźlregeln gezählt. Anstelle dieser Definition lässt sich allerdings auch fĂźr
102
Im Folgenden werden die einzelnen Regeln dargestellt. Hierbei werden dieBuchstaben âAâ, âBâ, âC â als Metavariablen fĂźr Formeln der Sprache J verwen-det. Der Gebrauch unterschiedlicher Variablen bedeutet, dass die jeweiligen Einset-zungsinstanzen unterschiedlich sein kĂśnnen; er bedeutet nicht, dass die jeweiligenEinsetzungsinstanzen unterschiedlich sein mĂźssen. Die einzelnen Regeln werdenumgangssprachlich sowie mit Hilfe eines Ableitungsschemas erläutert.
2.1 ANNAHMEN-EINFĂHRUNG (AE)
Die Annahmen-EinfĂźhrung ist die Startregel, durch die Ableitungen begonnen wer-den. Sie erlaubt es, beliebige Formeln in einer Zeile einzufĂźhren:
AE: Eine beliebige Formel A von J darf in einer beliebigen Zeile k alsAnnahme eingefßhrt werden. Die Annahmenliste enthält die undnur die Zeilennummer der Zeile, in der die Annahme eingefßhrtwird (= k).
Annahme Nr. Formel Regelk (k) A AE
Diese Regel gilt fßr beliebige J -Formeln. Es wird weder vorausgesetzt, dassdie Formeln besondere formale Eigenschaften (z.B. Allgemeingßltigkeit) besitzen,noch dass wahre Sätze an ihre Stelle treten, noch dass sie eine bestimmte Strukturbesitzen mßssen (z.B. keine Junktoren enthalten dßrfen).
Der Name der Annahmen-EinfĂźhrung beruht darauf, dass sich Annahmen da-durch kennzeichnen lassen, dass sie die Formeln einer Ableitung sind, deren An-nahmenliste identisch ist mit der Zeilennummer.
Gemäss AE ist jede Formel eine Ableitung aus sich selbst. Eine einmaligeAnwendung von AE ist demnach schon eine korrekte Ableitung. So kann etwadie K-Formel âP â des Argumentschemas âP ¡
¡¡ P â aus der Pr-Formel âP â dieses
Argumentschemas durch einmalige Anwendung von AE abgleitet werden:
den Junktor âââ eine EinfĂźhrungs- und Beseitungsregel definieren, und diese mit zu dem KalkĂźlrechnen. Siehe hierzu die AusfĂźhrungen in Abschnitt 2.11.
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P ¡¡¡ P
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P AE
PARAPHRASE:
âAus der Formel, die in Zeile 1 steht, ist die Formel âP â in Zeile 1ableitbar. Die Ableitung erfolgt auf Grund der Regel AE.â
Es gilt: P `J P
Allgemein gilt, dass sich durch einmalige Anwendung von AE jede K-Formeleines Argumentschemas der Form A ¡
¡¡ A ableiten lässt.
Die Annahmen-EinfĂźhrung ist die einzige Startregel zur ErĂśffnung von Ablei-tungen. Alle restlichen Regeln werden auf bereits abgeleitete Formeln angewen-det.
2.2 MODUS PONENDO PONENS (MPP)
Die Regel MPP erlaubt, den Junktor âââ in einer Formel zu beseitigen. Aus diesemGrund wird sie auch als ââBâ (âPfeil-Beseitigungâ4) bezeichnet. Da es jedochmit MTT noch eine zweite Pfeilbeseitigungsregel gibt, wird hier, Lemmon fol-gend, die Bezeichnung âMPPâ vorgezogen. Sie lautet5:
4Man beachte, dass hier deutsche Regelbezeichnungen verwendet werden: âBâ steht fĂźr âBe-seitigungâ, âEâ fĂźr EinfĂźhrung. In englischen Regelbezeichnungen steht demgegenĂźber âEâ fĂźrâeliminationâ (= âBeseitigungâ), und âIâ fĂźr âintroductionâ (= âEinfĂźhrungâ).
5In einer Formel, die âââ als Hauptjunktor enthält, wird âAntezedenzâ der Teil genannt, derlinks des Hauptjunktors âââ steht, und âKonsequenzâ der Teil, der rechts des Hauptjunktors âââsteht.
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MPP: Enthält eine Ableitung sowohl eine Formel mit âââ als Haupt-junktor als auch das Antezedenz dieser Formel, dann darf ihrKonsequenz in eine neue Zeile aufgenommen werden. Die Annah-menliste der neuen Zeile wird zusammengesetzt aus den Annah-menlisten der beiden Oberformeln.
Annahme Nr. Formel RegelÎą (k) A
...β (l) A â B
...ι, β (m) B l,k MPP
Die Reihenfolge des Vorkommens der Oberformeln ist beliebig.6 Aber inder Oberformelliste ist stets die Zeilennummer des Konditionals vor der Zeilen-nummer des Antezedenz zu erwähnen. ι und β sind Metavariablen fßr Annah-menlisten. In den Annahmenlisten werden die Zeilennummern ihrer GrÜsse nachgeordnet, beginnend mit der kleinsten.
BEISPIELE:
P, P â Q ¡¡¡ Q
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P AE2 (2) P â Q AE
1,2 (3) Q 2,1 MPP
Es gilt: P, P â Q `J Q
6Die schematische Darstellung der Regel ist also nicht so misszuverstehen, dass das Antezedenzvor dem Konditional vorkommen mĂźsse. Analoges bezĂźglich der Reihenfolge des Vorkommens derOberformeln gilt auch fĂźr die weiteren KalkĂźlregeln. Nur, wo auf Oberformeln Bezug genommenwird, deren Annahmenlisten wesentlich auf vorangehende Oberformeln Bezug nehmen (K , â¨B,RAA), ist die Reihenfolge dieser Oberformeln nicht beliebig.
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P â (Q â R), P â Q, P ¡¡¡ R
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P â (Q â R) AE2 (2) P â Q AE3 (3) P AE
1,3 (4) Q â R 1,3 MPP2,3 (5) Q 2,3 MPP
1,2,3 (6) R 4,5 MPP
Es gilt: P â (Q â R), P â Q, P `J R
Zu beachten ist:
Erläuterung 4.3In den Ableitungen dßrfen implizit Klammern gemäss den Klammerre-geln gesetzt oder eliminiert werden.
So enthält z.B. Zeile 4 der Ableitung das Konsequenz der Formel aus Zeile1, aber ohne die Klammern, die hier als Aussenklammern wegfallen. Andererseitskann es nÜtig sein, weggelassene Aussenklammern bei einem Ableitungsschrittwieder zu berßcksichtigen, etwa wenn man auf die Negation einer komplexenFormel schliesst (siehe hierzu die Anwendung von RAA, S. 128).
Wichtig ist des Weiteren:
Erläuterung 4.4Alle Junktoren-Regeln beziehen sich jeweils nur auf ein Vorkommniseines Junktors als Hauptjunktor einer Formel!
Folgendes ist demnach keine korrekte Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) Q AE2 (2) P â (Q â R) AE
1,2 (3) R 2,1 âMPPâ??
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2.3 MODUS TOLLENDO TOLLENS (MTT)
Neben MPP gibt es noch eine weitere KalkĂźlregel, die es gestattet, den Junktorâââ in einer Formel zu beseitigen und eine Ableitung bezĂźglich eines Teiles derFormel zu treffen. Während MPP erlaubt, das Konsequenz eines Konditionals her-auszutrennen, falls das Antezedenz gegeben ist, ermĂśglicht die Regel MTT dieAbleitung der Negation des Antezedenz eines Konditionals:
MTT: Enthält eine Ableitung sowohl eine Formel mit âââ als Haupt-junktor als auch die Negation des Konsequenz, dann darf dieNegation des Antezedenz in eine neue Zeile aufgenommen werden.Die Annahmenliste der neuen Zeile wird zusammengesetzt ausden Annahmenlisten der beiden Oberformeln.
Annahme Nr. Formel RegelÎą (k) ÂŹB
...β (l) A â B
...ι, β (m) A l,k MTT
BEISPIELE:
ÂŹQ,P â Q ¡¡¡ ÂŹP
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) ÂŹQ AE2 (2) P â Q AE
1,2 (3) ÂŹP 2,1 MTT
Es gilt: ÂŹQ,P â Q `J ÂŹP
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P â (Q â R), P,ÂŹR ¡¡¡ ÂŹQ
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P â (Q â R) AE2 (2) P AE3 (3) ÂŹR AE
1,2 (4) Q â R 1,2 MPP1,2,3 (5) ÂŹQ 4,3 MTT
Es gilt: P â (Q â R), P,ÂŹR `J ÂŹQ
2.4 KONDITIONALISIERUNG (K)
Die Regel der Konditionalisierung ist die Regel zur EinfĂźhrung des Junktors âââ,auch mit ââEâ bezeichnet. Sie erlaubt es, aus Oberformeln ein Konditional ab-zuleiten. Im Unterschied zu AE, MPP und MTT ist sie eine Regel, die Annah-menlisten verkĂźrzt:
K: Ist A eine der Annahmen, von denen die Ableitung von B abhängt, sodarf das Konditional mit A als Antezedenz und B als Konsequenzin eine neue Zeile aufgenommen werden. Die neue Annahmenlisteergibt sich aus der Annahmenliste von B durch Streichung derZeilennummer der Annahme A.
Annahme Nr. Formel Regelk* (k) A AE
...Îą, k* (l) B
...Îą (m) A â B k,l K
Das Sternchen hinter der Zeilennummer der Formel A kennzeichnet diese alsHilfsannahme fĂźr die Ableitung der Formel in Zeile m, in deren Annahmenlistenicht mehr auf die Formel A Bezug genommen wird.7 In der Oberformelliste bei
7Bildet die Anwendung von K nur einen Zwischenschritt in einer längeren Ableitung, dannkann es sein, dass eine Formel fßr die Ableitung eines Konditionals zwar nur als Hilfsannahme
108
der Regelanwendung von K ist stets die Zeilennummer, in der das Antezedenzdurch AE eingefĂźhrt wird, zuerst zu nennen. A und B kĂśnnen identisch sein: Indiesem Fall sind auch k und l identisch (siehe unten die Ableitung des TheoremsâP â P â, S. 109).
BEISPIELE:
P â Q ¡¡¡ ÂŹQ â ÂŹP
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P â Q AE2* (2) ÂŹQ AE
1,2* (3) ÂŹP 1,2 MTT1 (4) ÂŹQ â ÂŹP 2,3 K
Es gilt: P â Q `J ÂŹQ â ÂŹP
P â (Q â R) ¡ ¡ ¡ Q â (P â R)
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P â (Q â R) AE2* (2) Q AE3* (3) P AE
1,3* (4) Q â R 1,3 MPP1,2*,3* (5) R 4,2 MPP
1,2* (6) P â R 3,5 K1 (7) Q â (P â R) 2,6 K
Es gilt: P â (Q â R) `J Q â (P â R)
Durch Regeln, die â wie die Regel K â es erlauben, die Annahmenlisten zuverkĂźrzen, ermĂśglicht der GLKJ nicht nur, K-Formeln von korrekten Argument-schemata aus Pr-Formeln, sondern auch allgemeingĂźltige Formeln aus Hilfsannahmenabzuleiten. Dies ist genau dann der Fall, wenn die Annahmenliste der Formel inder letzten Zeile leer ist. Der einfachste Fall einer derartigen Ableitung ist:
gebraucht wird, aber fĂźr die Ableitung der Formel in der letzten Zeile der Ableitung als Annahmeeingeht. In diesem Fall ist die EinfĂźhrung der Formel durch AE nicht mit einem Sternchen zukennzeichnen. Diese Kennzeichnung bezieht sich immer auf die Voraussetzung einer Formel fĂźrdie Ableitung der Formel in der letzten Zeile. Dies gilt auch fĂźr die beiden anderen KalkĂźlregeln(â¨B und RAA), die es erlauben, Annahmenlisten zu verkĂźrzen.
109
P â P
Annahme Nr. Formel Regel1* (1) P AE
(2) P â P 1,1 K
Es gilt: `J P â PIn dieser Ableitung ist A gleich B: âP â ist die Annahme, von der die Ablei-
tung von âP â abhängt. k ist in diesem Fall gleich l, so dass die VerkĂźrzung derAnnahmenliste zu einer leeren Annahmenliste fĂźhrt.
Formeln, die mit leerer Annahmenliste ableitbar sind, nennt man Theoreme.
Erläuterung 4.5Eine Formel ist ein Theorem gdwDef. sie mit leerer Annahmenliste ableitbarist.
Ist eine Formel A in dem aussagenlogischen GLKJ als Theorem ableitbar,dann drĂźckt man dies durch Voranstellen von â`J â vor die Formel aus:
Erläuterung 4.6âA ist ein Theorem des GLKJâ = â`J Aâ
Auf die Ableitung weiterer Theoreme wird in LEKTION 5 eingegangen. InLEKTION 6 wird gezeigt, dass alle allgemeingĂźltigen Formeln und nur diese auchals Theoreme im GLKJ ableitbar sind.
Die genannten Regeln reichen schon aus, um ĂBUNG: GLK-ABLEITUNGEN
MIT MPP, MTT, K zu lĂśsen.
2.5 KONJUNKTOR-EINFĂHRUNGSREGEL (&E)
Die Regel fĂźr die Konjunktor-EinfĂźhrung lautet:
110
&E: Enthält eine Ableitung sowohl die Formel A als auch die FormelB, dann darf die Konjunktion der beiden Formeln in eine neueZeile aufgenommen werden. Die Annahmenliste der neuen Zeilewird zusammengesetzt aus den Annahmenlisten der beiden Ober-formeln.
Ann. Nr. Formel RegelÎą (k) A
...β (l) B
...ι, β (m) A &B k,l &E
oder
Ann. Nr. Formel RegelÎą (k) A
...β (l) B
...ι, β (m) B &A l,k &E
In der Oberformelliste ist stets die Zeilennummer der Formel zuerst zu nen-nen, die in der Konjunktion zuerst genannt wird.
BEISPIELE:
P, Q ¡¡¡ P &Q
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P AE2 (2) Q AE
1,2 (3) P &Q 1,2 &E
Es gilt: P, Q `J P &Q
111
P â Q, P â R ¡¡¡ P â (R &Q)
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P â Q AE2 (2) P â R AE3* (3) P AE
1,3* (4) Q 1,3 MPP2,3* (5) R 2,3 MPP
1,2,3* (6) R &Q 5,4 &E1,2 (7) P â (R &Q) 3,6 K
Es gilt: P â Q, P â R `J P â (R &Q)
2.6 KONJUNKTOR-BESEITIGUNGSREGEL (&B)
&B: Enthält eine Ableitung eine Konjunktion der Formeln A und B,dann darf eine der beiden Konjunktionsglieder (A oder B) in eineneue Zeile aufgenommen werden. Die neue Annahmenliste isteine Kopie der Annahmenliste der Oberformeln.
Ann. Nr. Formel RegelÎą (k) A &B
...Îą (l) A k &B
oder
Ann. Nr. Formel RegelÎą (k) A &B
...Îą (l) B k &B
BEISPIELE:
P &Q ¡¡¡ P
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P &Q AE1 (2) P 1 &B
Es gilt: P &Q `J P
112
P &Q ¡¡¡ Q&P
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P &Q AE1 (2) P 1 &B1 (3) Q 1 &B1 (4) Q&P 3,2 &E
Es gilt: P &Q `J Q&P
2.7 DISJUNKTOR-EINFĂHRUNGSREGEL (â¨E)
â¨E: Enthält eine Ableitung die Formel A, dann darf die Disjunktion vonA mit einer beliebigen Formel B in eine neue Zeile aufgenommenwerden. Die neue Annahmenliste ist eine Kopie der Annahmenli-sten der Oberformeln.
Ann. Nr. Formel RegelÎą (k) A
...Îą (l) A ⨠B k â¨E
oder
Ann. Nr. Formel RegelÎą (k) A
...Îą (l) B ⨠A k â¨E
â¨E erlaubt es, eine beliebige Formel, die noch nicht in der Ableitung aufge-taucht sein muss, in einem Disjunkt aufzunehmen.
BEISPIELE:
P ¡¡¡ P ⨠Q
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P AE1 (2) P ⨠Q 1 â¨E
Es gilt: P `J P ⨠Q
113
P ⨠Q â R ¡¡¡ P â R
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P ⨠Q â R AE2* (2) P AE2* (3) P ⨠Q 2 â¨E
1,2* (4) R 1,3 MPP1 (5) P â R 2,4 K
Es gilt: P ⨠Q â R `J P â R
2.8 DISJUNKTOR-BESEITIGUNGSREGEL (â¨B)
Im Unterschied zu den Regeln der Beseitigung des Konjunktors, kann der Dis-junktor einer Disjunktion nicht einfach beseitigt werden. Die Regel fßr die Besei-tigung des Disjunktors ist umständlicher:
â¨B: Enthält eine Ableitung eine Disjunktion der Formeln A und B, undwurde eine beliebige Formel C einerseits (u.a.) aus der AnnahmeA, andererseits (u.a.) aus der Annahme B abgeleitet, dann darf Cin eine neue Zeile der Ableitung aufgenommen werden. Die neueAnnahmenliste setzt sich zusammen aus der Annahmenliste derDisjunktion von A und B und der Annahmenliste der Ableitungvon C aus A, vermindert um die Zeilennummer von A, und derAnnahmenliste der Ableitung von C aus B, vermindert um dieZeilennummer von B.
Das zugehÜrige Ableitungsschema befindet sich auf der nächsten Seite.
114
Annahme Nr. Formel Regelι (k) A ⨠B
...l* (l) A AE
...β, l* (m) C
...n* (n) B AE
...Îł, n* (o) C
...Îą, β, Îł (p) C k; l,m;n,o â¨B
â¨B ist eine weitere Regel, die eine VerkĂźrzung der Annahmenliste erlaubt.In â¨B wird nicht wie bei den Beseitigungsregeln fĂźr âââ und â&â der Junktor
samt eines Gliedes beseitigt, so dass man in der Ableitung an das andere Glied(gegebenenfalls, â wie bei MTT â negiert) herankommt. Die âBeseitigungâ vonââ¨â besteht vielmehr nur darin, dass aus einer Disjunktion eine beliebige Formelabgeleitet wird, die keinen Disjunktor enthalten muss. Sie kann allerdings nocheinen Disjunktor als Hauptjunktor enthalten, wie BEISPIEL 4 (siehe S. 116) zeigt.
In der Oberformelliste ist stets zuerst die Zeilennummer der Disjunktion aufzu-fĂźhren, dann â durch Semikolon abgetrennt â die Zeilennummer der Annahmedes ersten Disjunktionsgliedes A gefolgt von der Zeilennummer der aus diesemabgeleiteten Formel C , und abschliessend â erneut durch Semikolon abgetrennt âdie Zeilennummer der Annahme des zweiten Disjunktionsgliedes B gefolgt vonder Zeilennummer der aus diesem abgeleiteten Formel C .
115
BEISPIEL 1:
P ⨠Q, P â R, Q â R ¡¡¡ R
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P â¨Q AE2 (2) P â R AE3 (3) Q â R AE4* (4) P AE
2,4* (5) R 2,4 MPP6* (6) Q AE
3,6* (7) R 3,6 MPP1,2,3 (8) R 1;4,5;6,7 â¨B
Es gilt: P ⨠Q, P â R, Q â R `J R
Es mĂźssen nicht beide Disjunktionsglieder als (Hilfs)annahmen eingefĂźhrtwerden, wenn die Zielformel C identisch ist mit einem oder beiden Disjunktions-gliedern.
Im Grenzfall fallen A, B und C zusammen, wie das folgende Beispiel zeigt.BEISPIEL 2:
P ⨠P ¡¡¡ P
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P ⨠P AE2* (2) P AE1 (3) P 1;2,2;2,2 â¨B
Es gilt: P ⨠P `J P
In dieser Ableitung mĂźssen nicht beide Disjunktionsglieder zweimal als Hilfs-annahmen eingefĂźhrt werden, da sie identisch sind. Ebenso wenig muss die ab-zuleitende Formel C bei der Ableitung aus den jeweiligen Disjunktionsgliedern ineine weitere Zeile aufgenommen werden, da sie identisch ist mit dem jeweiligenDisjunktionsglied.
116
BEISPIEL 3:
P ⨠Q, P â Q ¡¡¡ Q
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P ⨠Q AE2 (2) P â Q AE3* (3) P AE
2,3* (4) Q 2,3 MPP5* (5) Q AE1,2 (5) Q 1;3,4;5,5 â¨B
Es gilt: P ⨠Q, P â Q `J Q
Das zweite Disjunktionsglied Q muss hier als Hilfsannahme eingefĂźhrt wer-den, da Q in Zeile 4 nicht unter Annahme von Q abgeleitet ist, die Regel â¨Baber erfordert, dass die Zielformel sowohl unter Annahme des einen wie auch desanderen Disjunktes abgeleitet wird. In Zeile 5 fällt die Annahme des Disjunktesmit der Ableitung der Zielformel zusammen, da Q sowohl Disjunkt als auchZielformel ist.
In diesem Beispiel wird der Disjunktor beseitigt, und hierbei wird auch einesder beiden Disjunktionsglieder abgetrennt. Aber dies ist nur dadurch bedingt, dasseines der Disjunktionsglieder zugleich die Zielformel ist.
Ein einfaches Beispiel fĂźr die Anwendung von â¨B unter Verwendung zweierHilfsannahmen, die nicht mit der Zielformel zusammenfallen, ist das folgende:
BEISPIEL 4:
P ⨠Q ¡¡¡ Q ⨠P
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P ⨠Q AE2* (2) P AE2* (3) Q ⨠P 2 â¨E4* (4) Q AE4* (5) Q ⨠P 4 â¨E1 (6) Q ⨠P 1;2,3;4,5 â¨B
Es gilt: P ⨠Q `J Q ⨠P
117
Dieses Beispiel zeigt, dass die Anwendung der Beseitigungsregel fĂźr den Dis-junktor nicht in jedem Falle eine Ableitung einer Formel bewirkt, in der der Dis-junktor als Hauptjunktor beseitigt worden ist.
Zu beachten ist, dass die Annahmenliste bei der Anwendung von â¨B drei ge-trennte Bestandteile hat: Erstens die Annahmenliste der Disjunktion; zweitens dieAnnahmenliste der Ableitung von C aus A, vermindert um die Zeilennummervon A, und drittens die Annahmenliste der Ableitung von C aus B, vermindertum die Zeilennummer von B. Diese drei Bestandteile mĂźssen getrennt vonein-ander ermittelt werden, und, insoweit sich unterschiedliche Resultate ergeben,alle einzeln in die Annahmenliste aufgenommen werden. Folgende Ableitung istdemzufolge nicht korrekt:
P ⨠Q ¡¡¡ P &Q
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P ⨠Q AE2* (2) P AE3* (3) Q AE
2*,3* (4) P &Q 2,3 &E?? 1 (5) P &Q 1;2,4;3,4 ââ¨Bâ ??
Die Annahmenliste ist hier nicht korrekt zusammengesetzt. Die Schwierig-keit besteht darin, dass sich die Annahmenliste der Formel âP &Qâ in Zeile 4aus den Annahmenlisten der beiden als Hilfsannahmen eingefĂźhrten Disjunktezusammensetzt. Korrekterweise darf in der Annahmenliste von Zeile 5 nicht nurauf Zeile 1, sondern muss auch auf Zeilen 2 und 3 referiert werden. Denn alszweiter Bestandteil der Annahmenliste ist die Annahmenliste aus Zeile 4 vermin-dert um die Zeilennummer 2 zu berĂźcksichtigen, d.i. die Zeilennummer 3. Alsdritter Bestandteil ist schliesslich die Annahmenliste aus Zeile 4 vermindert um dieZeilennummer 3 zu berĂźcksichtigen, d.i. die Zeilennummer 2. Die vollständige,sortierte Annahmenliste lautet â1,2,3â. Demzufolge rechtfertigt die Ableitungnicht die SchlĂźssigkeit des unkorrekten Argumentschemas âP ⨠Q ¡
¡¡ P &Qâ,
da in der korrekten Annahmenliste der K-Formel nicht nur auf die Pr-Formelverwiesen wird.
ĂBUNG: GLK-ABLEITUNGEN MIT &E, &B, â¨E, â¨B
118
2.9 REDUCTIO AD ABSURDUM (RAA)
Die Regel RAA ist die Negator-EinfĂźhrungsregel, auch âÂŹEâ genannt. FĂźr ihreknappe Formulierung seien Formeln, deren Hauptjunktor â&â ist und in denendas zweite Konjunktionsglied die Negation des ersten ist, als âFK-Formelnâ8 be-zeichnet. Beispiele fĂźr FK-Formeln sind: âP &ÂŹP â, â(P â Q) &ÂŹ(P â Q)â,âÂŹR &ÂŹÂŹRâ.
RAA: Enthält eine Ableitung eine FK-Formel, und hängt diese u.a. vonder Annahme A ab, dann darf die Negation von A in eine neue Zeileaufgenommen werden. Die neue Annahmenliste ist eine Kopie derAnnahmenliste der FK-Formel, verkßrzt um die Zeilennummerder Annahme A.
Ann. Nr. Formel Regelk (k) A AE
...Îą, k (l) B &ÂŹB
...Îą (m) ÂŹA k,l RAA
RAA ist die dritte und letzte KalkĂźlregel, die erlaubt, eine Annahmenliste zuverkĂźrzen.
8âFKâ steht fĂźr âformale Kontradiktionâ. Nach der Definition ist âÂŹP & P â keine FK-Formel,da nicht das zweite Konjunktionsglied die Negation des ersten, sondern das erste die Negation deszweiten ist. Diese Einschränkung macht Lemmon. Durch sie kann man in der Schematisierung derRegel auf eine alternative Reihenfolge der Anordnung der Konjunktionsglieder in der FK-Formelverzichten, ist allerdings bei der Anwendung der Regel RAA auf die Ableitung von FK-Formeln imdefinierten Sinne angewiesen.
119
BEISPIEL:
P â Q, P â ÂŹQ ¡¡¡ ÂŹP
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P â Q AE2 (2) P â ÂŹQ AE3* (3) P AE
1,3* (4) Q 1,3 MPP2,3* (5) ÂŹQ 2,3 MPP
1,2,3* (6) Q&ÂŹQ 4,5 &E1,2 (7) ÂŹP 3,6 RAA
Es gilt: P â Q, P â ÂŹQ `J ÂŹP
Die Regel RAA schreibt nicht vor, welche Annahme in einer neuen Zeile negiertaufgenommen wird: Es darf irgendeine Annahme sein, von der die abgeleiteteFK-Formel abhängt. Es liesse sich in Zeile 7 ebenso gut auf die Negation vonâP â Qâ in Zeile 1 schliessen. In diesem Fall hätte man gezeigt, dass die K-Formel des Argumentschemas âP â ÂŹQ, P ¡
¡¡ ÂŹ(P â Q)â ableitbar ist, und
hierbei âP â Qâ als Hilfsannahme verwendet.Ableitungen, in denen RAA verwendet wird, werden auch âindirekte Bewei-
seâ genannt, da durch sie eine Formel bewiesen wird, indem deren Gegenteilangenommen wird. Indirekte Beweise erlauben aber nicht nur den Beweis vonnegierten Formeln: Unter Hinzunahme der folgenden, letzten Regel des GLKJ
kĂśnnen mittels RAA auch nicht-negierte Formeln abgeleitet werden.
2.10 DOPPELTE NEGATION (DNE, DNB)
Eine Regel zur einfachen Negator-Beseitigung gibt es nicht. Stattdessen gibt eseine Regel zur EinfĂźhrung und eine zur Beseitigung der doppelten Negation:
120
DNE: Enthält eine Ableitung eine Formel A, dann darf ihre doppelteNegation in eine neue Zeile aufgenommen werden.
DNB: Enthält eine Ableitung die doppelte Negation einer Formel A,dann darf A in eine neue Zeile aufgenommen werden.
Die neue Annahmenliste ist jeweils eine Kopie der Annahmenliste derOberformel.
Ann. Nr. Formel RegelÎą (k) A
...Îą (l) ÂŹÂŹA k DNE
bzw.
Ann. Nr. Formel RegelÎą (k) ÂŹÂŹA
...Îą (l) A k DNB
BEISPIELE:
P ¡¡¡ P
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P AE1 (2) ÂŹÂŹP 1 DNE
Es gilt: P `J ÂŹÂŹP
Das folgende Beispiel zeigt, wie durch Anwendung von RAA und DNB einenicht-negierte Formel abgeleitet werden kann:
P &P ¡¡¡ Q
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P &ÂŹP AE2* (2) ÂŹQ AE
1,2* (3) (P &ÂŹP )&ÂŹQ 1,2 &E1,2* (4) P &ÂŹP 3 &B
1 (5) ÂŹÂŹQ 2,4 RAA1 (6) Q 5 DNB
Es gilt: P &ÂŹP `J Q.
121
P â ÂŹQ, Q ¡¡¡ ÂŹP
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P â ÂŹQ AE2 (2) Q AE2 (3) ÂŹÂŹQ 2 DNE
1,2 (4) ÂŹP 1,3 MTT
P â ÂŹQ, Q `J ÂŹP
Man beachte, dass die Anwendung von MTT die Bildung der Negation desKonsequenz des Konditionals voraussetzt: Aus diesem Grund muss in Zeile 3 derAbleitung erst DNE angewendet werden, bevor MTT verwendet werden kann.
ĂBUNG: GLK-ABLEITUNGEN MIT RAA, DNE, DNB
2.11 BIKONDITIONAL (âE, âB)
FĂźr die Ableitung beliebiger Formeln der Sprache J wird zusätzlich zu den ge-nannten zehn KalkĂźlregeln eine Regel zur EinfĂźhrung und Beseitigung des Junk-tors âââ benĂśtigt. Lemmon zählt diese nicht zu den KalkĂźlregeln, sondern ver-steht sie als eine Definition, deren Zweck es ist, Formeln abzukĂźrzen. Man kĂśnnteebenso gut auf diese Definition und den Junktor âââ verzichten, ohne dass damitdie Aussagekraft der formalen Sprache J eingeschränkt wĂźrde und die Vollstän-digkeit des GLKJ verloren ginge. Lemmon formuliert die Regel fĂźr den Junktorâââ folgendermassen:
DF. â: A â B = (A â B) & (B â A)
Strenggenommen formuliert diese Definition keine Ableitungsregel: Es wirdnicht explizit geregelt, wie von einer Formel einer Zeile zu einer Formel eineranderen Zeile in einer Ableitung Ăźbergegangen werden darf.9 Einen zwingendenGrund, die Regel fĂźr âââ im Unterschied zur Regel fĂźr die doppelte Negation
9Daher fährt Lemmon im Anschluss an die Definition der Regel damit fort, sie als Ableitungsre-gel zu interpretieren: âThis definition is to be understood as a very condensed way of saying: givenany two sentences A and B, we may replace in a proof the sentence A â B by the sentence(A â B)& (B â A), and vice versa.â (Lemmon (1998), S. 30) DemgegenĂźber wird es inder hier gegebenen Darstellung vorgezogen, die Regel fĂźr das Bikonditional gleich explizit als eineAbleitungsregel zu definieren, die nicht noch auf eine zusätzliche Interpretation angewiesen ist.
122
nicht als KalkĂźlregel, sondern als Definition aufzufassen, gibt es nicht. Anstel-le von DNE und DNB hätte man auch die Definition âDF. ÂŹÂŹ : ÂŹÂŹA=AâeinfĂźhren kĂśnnen. Aber ebenso gut, wie man fĂźr die doppelte Negation eineEinfĂźhrungs- und eine Beseitigungsregel definiert, kann man dies auch fĂźr denĂquivalentor. Die Beschränkung auf EinfĂźhrungs- und Beseitigungsregeln dervier Junktoren âÂŹâ, â&â, ââ¨â, âââ ist nicht wesentlich fĂźr die Definition eines aus-sagenlogischen KalkĂźls, denn man kann sich bei der Definition der formalenSprache J noch weiter beschränken als auf die vier Junktoren âÂŹâ, â&â, ââ¨â, âââ,ohne dass die Sprache an Aussagekraft verlĂśre. Man kann auch andere vollstän-dige aussagenlogische KalkĂźle als den GLKJ definieren, die sich auf wenigerJunktoren beziehen. Wenn man Regeln fĂźr die EinfĂźhrung und Beseitigung vonvier Junktoren definiert, obwohl man im Prinzip auch mit Regeln fĂźr wenigerJunktoren auskäme, dann kann man dies auch fĂźr fĂźnf Junktoren tun. Dies istinsbesondere dann sinnvoll, wenn â wie bei Lemmon â DF. â wie die Kal-kĂźlregeln in den Ableitungen verwendet wird, um bestimmte FormelĂźbergängezu ermĂśglichen. Deshalb wird es im Folgenden vorgezogen, eine Regel fĂźr dieEinfĂźhrung und eine fĂźr die Beseitigung des Junktors âââ zu definieren. DerLeser sei darauf hingewiesen, dass diese beiden Regeln zusammengenommen inden Ableitungen dieselbe Funktion haben, wie die Verwendung von DF. â beiLemmon.
123
âE: Enthält eine Ableitung eine Konjunktion, deren erstes Konjunk-tionsglied das Konditional bildet, in dem A das Antezedenz undB das Konsequenz ist, und deren zweites Konjunktionsglied dasKonditional bildet, in dem B das Antezedenz und A das Konse-quenz bildet, dann kann in eine neue Zeile das Bikonditional mitA als linkem und B als rechtem Teil aufgenommen werden.
âB: Enthält eine Ableitung ein Bikonditional mit A als linkem, und Bals rechtem Teil, dann kann in eine neue Zeile die Konjunktionaufgenommen werden, deren erstes Konjunktionsglied das Kon-ditional bildet, in dem A das Antezedenz und B das Konsequenzist, und deren zweites Konjunktionsglied das Konditional bildet,in dem B das Antezedenz und A das Konsequenz bildet.
Die neue Annahmenliste ist jeweils eine Kopie der Annahmenliste derOberformel.
Ann. Nr. Formel RegelÎą (k) (A â B) & (B â A)
...Îą (l) A â B k âE
bzw.
Ann. Nr. Formel RegelÎą (k) A â B
...Îą (l) (A â B)& (B â A) k âB
BEISPIELE:
(P â Q) & (Q â P ) ¡ ¡ ¡ P â Q
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) (P â Q)& (Q â P ) AE1 (2) P â Q 1 â E
Es gilt: (P â Q) & (Q â P ) `J P â Q
124
P &(P â Q) ¡ ¡ ¡ P &Q
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P &(P â Q) AE1 (2) P â Q 1 &B1 (3) (P â Q)& (Q â P ) 2 âB1 (4) P â Q 3 &B1 (5) P 1 &B1 (6) Q 4,5 MPP1 (7) P &Q 5,6 &E
Es gilt: P &(P â Q) `J P &Q
Man beachte, dass fĂźr die Anwendung der Regel âB zunächst &B anzuwen-den ist, damit âââ Hauptjunktor wird. Lemmon erlaubt Anwendungen von DF.â, auch wenn der Junktor âââ nicht Hauptjunktor ist.10 Dies ist mĂśglich, da dieRegel im Sinne einer Definition die Austauschbarkeit von Formeln in beliebigenKontexten erlaubt. Gleiches liesse sich aber auch fĂźr die beiden Regeln der dop-pelten Negation sagen. Will man konsequent verfahren, mĂźsste man entweder fĂźrbeide Regeln die Beschränkung ihrer Anwendung auf Hauptjunktoren aufgebenoder an dieser allgemeinen Einschränkung festhalten und dabei umständlichereBeweise in Kauf nehmen. Da Einfachheit der Ableitungen kein angestrebtes Kri-terium fĂźr die Ableitungen unter ausschliesslicher Verwendung der KalkĂźlregelnist, und stattdessen hier eine einheitliche und konsequente Definition und Anwen-dung der KalkĂźlregeln angestrebt wird, sei auch fĂźr DNE, DNB sowie fĂźr âE,âB gefordert, dass ihre Anwendung sich auf den Hauptjunktor bezieht.11
ĂBUNG: GLK-ABLEITUNGEN MIT âE, âB
3 ABLEITUNGSSTRATEGIEN
Im Unterschied zur Methode der Wahrheitswertanalyse kÜnnen Ableitungen nurfßr korrekte Argumentschemata gegeben werden. Während der Beweis der Kor-rektheit eines Argumentschemas mittels Wahrheitswerttabellen nach eindeutigenRegeln erzeugt werden kann, ist das Konstruieren einer GLKJ -Ableitung fßr eingegebenes, korrektes Argumentschema eine Kunst, fßr die es keine eindeutigen
10Vgl. das Ableitungsschema derselben Formel in Lemmon (1998), S. 32.11FĂźr Strategien zur Vereinfachung von Ableitungen vgl. LEKTION 5; zu den Kriterien, anhand
derer KalkĂźle zu bemessen sind, vgl. die AusfĂźhrungen in LEKTION 6.
125
Regeln gibt, die automatisch die einfachste GLKJ -Ableitung einer K-Formel ausden Pr-Formeln erzeugen. Nur das Prßfen von GLKJ -Ableitungen unterliegt ei-ner einfachen, mechanischen Kontrolle, nicht das Finden von GLKJ -Ableitungen.Die Situation ist vergleichbar mit der im Schachspiel: Die Regeln des Spiels kÜn-nen leicht erlernt werden, jeder einzelne Zug kann darauf kontrolliert werden,ob er regelkonform ist, aber viel schwieriger ist es, solche Zßge zu wählen, diezum Gewinn des Spiels fßhren.12 Es gibt nur Faustregeln fßr die Konstruktionvon Ableitungen. Dabei handelt es sich weder um Kalkßlregeln, noch um Regeln,deren Anwendung fßr jedes beliebige Argumentschema zu einer Ableitung fßhrt.
Im Folgenden seien einige einfache Regeln fĂźr die Bildung einer Ableitunggegeben, die bei etwas Ăbung in den meisten einfacheren Fällen zum ErfolgfĂźhren:
Faustregeln fĂźr die Konstruktion von Ableitungen I:
1. FĂźhre die Pr-Formeln mittels AE ein!
2. Entwickle die weitere Konstruktion der Ableitung von hinten nachvorne:
2.1 Identifiziere den Hauptjunktor der K-Formel und Ăźberlege,welche Regeln eine Formel mit diesem Hauptjunktor ablei-ten kĂśnnen!
2.2 Identifiziere Pr-Formeln, in denen die K-Formel oder Teil-formeln der K-Formel enthalten sind, und Ăźberlege, mittelswelcher Regel diese aus jenen abgeleitet werden kĂśnnen! For-muliere dabei Bedingungen, die fĂźr diese RegelanwendungenerfĂźllt sein mĂźssen!
2.3 Identifiziere die restlichen Pr-Formeln und versuche, ihnendie Bedingungen fĂźr 2.2 zu entnehmen oder aus ihnen abzu-leiten!
Hat man sich ein Bild von den abzuleitenden Formeln und ihrem Zusammen-hang mit den Pr-Formeln gemacht, dann kann man gezielt nach Anwendungenbestimmter Regeln suchen. Das Bestehen von EinfĂźhrungs- und Beseitigungsre-geln fĂźr alle Junktoren im GLKJ erleichtert hierbei das Finden geeigneter Ablei-tungen:
12Dieser Vergleich stammt aus Behboud (1994), S. 52.
126
Faustregeln fĂźr die Konstruktion von Ableitungen II:
1. Versuche zunächst, Formeln ohne Einfßhrung von Hilfsannah-men abzuleiten! Bedenke insbesondere AnwendungsmÜglichkei-ten von MPP, um an das Konsequenz eines Konditionals heranzu-kommen, und von MTT, um an das Antezedenz eines Konditio-nals heranzukommen!
2. Ist die abzuleitende Formel ein Satzbuchstabe oder eine Negation, undkann sie nicht direkt abgeleitet werden, dann fĂźhre die Negationder abzuleitenden Formel bzw. in dem Fall, in dem die abzuleiten-de Formel eine negierte Formel ist, die um ein Negationszeichenverminderte Formel als Hilfsannahme ein, und versuche, hierauseine FK-Formel abzuleiten, um die abzuleitende Formel mittelsRAA und gegebenenfalls DNB abzuleiten!
3. Ist die abzuleitende Formel ein Konditional, und kann sie nichtdirekt abgeleitet werden, dann versuche, sie mittels K abzuleiten,indem du das Antezedenz als Hilfsannahme einfĂźhrst, und dasKonsequenz aus diesem ableitest!
4. Ist die abzuleitende Formel eine Konjunktion, dann versuche, dieKonjunktionsglieder separat abzuleiten und &E anzuwenden!
5. Ist die abzuleitende Formel ein Bikonditional, dann versuche, diebeiden korrespondierenden Konditionale abzuleiten und &E so-wie âE anzuwenden!
6. Ist die abzuleitende Formel eine Disjunktion, dann versuche, einesder Disjunkte abzuleiten und â¨E anzuwenden!
7. Enthält eine Formel eine Disjunktion, dann berĂźcksichtige dieMĂśglichkeit der Anwendung von â¨B und verwende als Hilfsan-nahmen die jeweiligen Disjunkte!
Diese Faustregeln fĂźr die Konstruktion von Ableitungen seien an einigenBeispielen demonstriert. Die Erläuterungen der Ableitungsstrategien sind hierbeinicht als automatisierbare Gewinnstrategien misszuverstehen, sondern als Expli-kation der Ăberlegungen zu verstehen, die tatsächlich zum Ziel fĂźhren, ohne dabeialle mĂśglichen Alternativen zu erwägen und gegebenenfalls auszuschliessen.
127
BEISPIEL 1:
ÂŹ(Q â R) â P, Q â R â S,ÂŹP ¡¡¡ S
ERLĂUTERUNG DER ABLEITUNGSSTRATEGIE: Die Pr-Formeln kĂśnnenmittels AE eingefĂźhrt werden (Regel I.1). Die K-Formel ist ein Satzbuchstabe(Regel I.2.1). Dieser kommt nur in der zweiten Pr-Formel als Konsequenz einesKonditionals vor (Regel I.2.2). An das Konsequenz eines Konditionals kommtman mittels MPP heran (Regel II.1). Um MPP anwenden zu kĂśnnen, muss mandas Antezedenz (âQ â Râ) ableiten (Regel I.2.2). Dieses kommt noch in derersten Pr-Formel vor, allerdings in negierter Form als Antezedenz eines Kon-ditionals (I.2.3). An das Antezedenz eines Konditionals kann man mittels MTTherankommen (Regel II.1). Hierbei erhält man die Negation des Antezedenz, indiesem Fall die doppelte Negation âÂŹÂŹ(Q â R)â; durch DNB erhält man das ge-wĂźnschte Antezedenz von der zweiten Pr-Formel (Regel I.2.3). Um MTT auf dieerste Pr-Formel anwenden zu kĂśnnen, muss man die Negation des Konditionalsableiten kĂśnnen (âÂŹP â) (Regel I.2.3). Dieses ist die dritte Prämisse (Regel I.2.3). Inder Ableitung sind die hier entwickelten Ableitungsschritte bis auf die EinfĂźhrungder Pr-Formeln in umgekehrter Reihenfolge zu notieren:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) ÂŹ(Q â R) â P AE2 (2) Q â R â S AE3 (3) ÂŹP AE
1,3 (4) ÂŹÂŹ(Q â R) 1,3 MTT1,3 (5) Q â R 4 DNB
1,2,3 (6) S 2,5 MPP
Es gilt: ÂŹ(Q â R) â P, Q â R â S,ÂŹP `J S
BEISPIEL 2:
P â R, Q â ÂŹR ¡¡¡ ÂŹ(P &Q)
ERLĂUTERUNG DER ABLEITUNGSSTRATEGIE: Die Pr-Formeln kĂśnnendurch AE eingefĂźhrt werden (Regel I.1). Der Hauptjunktor der K-Formel ist der
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Negator, dieser kann durch RAA eingefĂźhrt werden (Regel I.2.1). Die K-Formelist in keiner Pr-Formel enthalten, nur âP â und âQâ als Teilformeln der K-Formelnkommen in der ersten bzw. der zweiten Prämisse vor (Regel I.2.2). Eine direkteAbleitung der K-Formel ist nicht mĂśglich (Regel II.1). FĂźr die Anwendung vonRAA ist die K-Formel vermindert um das Negationszeichen (d.i. âP &Qâ) alsHilfsannahme einzufĂźhren und hieraus ein Widerspruch abzuleiten (Regel II.2).Die beiden Pr-Formeln enthalten zum einen den Satzbuchstaben âRâ, zum an-deren den Satzbuchstaben âÂŹRâ, jeweils als Konsequenz eines Konditionals; manerhält eine FK-Formel, wenn man die Konsequenzen der Konditionale jeweilsableiten kann und dann durch &E die Konjunktion bildet (Regel I.2.3). Um andas Konsequenz heranzukommen, kann man MPP anwenden (Regel II.1). HierfĂźrist jeweils das Antezedenz anzunehmen; die jeweiligen Antezendenzbedingungensind identisch mit den Konjunktionsgliedern der Hilfsannahme: Diese kĂśnnendurch &B separiert werden (Regel I.2.3). Man erhält:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P â R AE2 (2) Q â ÂŹR AE3* (3) P &Q AE3* (4) P 3 &B
1,3* (5) R 1,4 MPP3* (6) Q 3 &B
2,3* (7) ÂŹR 2,6 MPP1,2,3* (8) R &ÂŹR 5,7 &E
1,2 (9) ÂŹ(P &Q) 3,8 RAA
Es gilt: P â R, Q â ÂŹR `J ÂŹ(P &Q)
BEISPIEL 3:
P â Q, Q â R ¡¡¡ P â R
ERLĂUTERUNG DER ABLEITUNGSSTRATEGIE: Die Pr-Formeln kĂśnnendurch AE eingefĂźhrt werden (Regel I.1). Der Hauptjunktor der K-Formel istein Bikonditional (Regel I.2.1). Die K-Formel ist durch âE abzuleiten, indemman jeweils die Konjunktionsglieder âP â Râ und âR â P â ableitet, hieraus
129
durch &E die Konjunktion und aus dieser die K-Formel ableitet (Regel I.2.1).Es mĂźssen demnach fĂźr die Ableitung der K-Formel als Zwischenkonklusionenzwei Konditionale abgeleitet werden; insofern dies nicht auf direktem Weg ge-schehen kann, ist dies mittels Hilfsannahmen und der Regel K mĂśglich (RegelII.3). Die K-Formel kommt nicht als Ganzes in einer Pr-Formel vor, sondernnur die Teile P und R kommen jeweils in einer Pr-Formel vor (Regel I.2.2).Die Pr-Formeln sind Bikonditionale, die durch âB in eine Konjunktion vonKonditionalen ĂźberfĂźhrt werden kĂśnnen, aus denen wiederum durch &B separateKonditionale ableitbar sind: Eine direkte MĂśglichkeit, die abzuleitenden Kondi-tionale hieraus abzuleiten, gibt es nicht, aber dies kann jeweils auf indirektem Weggeschehen durch Anwendung von MPP mit den jeweils nĂśtigen Antezedenzbe-dingungen als Hilfsannahmen und der Regel K, die erlaubt, die Hilfsannahmenaus der Annahmenliste zu streichen (Regel I.2.3 und II.1,3).
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P â Q AE2 (2) Q â R AE1 (3) (P â Q)& (Q â P ) 1 âB1 (4) P â Q 3 &B1 (5) Q â P 3 &B2 (6) (Q â R)& (R â Q) 2 âB2 (7) Q â R 6 &B2 (8) R â Q 6 &B9* (9) P AE
1,9* (10) Q 4,9 MPP1,2,9* (11) R 7,10 MPP
1,2 (12) P â R 9,11 K13* (13) R AE
2,13* (14) Q 8,13 MPP1,2,13* (15) P 5,14 MPP
1,2 (16) R â P 13,15 K1,2 (17) (P â R)& (R â P ) 12,16 &E1,2 (18) P â R 17 âE
Es gilt: P â Q, Q â R `J P â R
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Ăberlegen Sie, nach welchen Ableitungsstrategien sich die bei der Erläuterungder einzelnen Regeln des GLKJ gegebenen Ableitungen gewinnen lassen.
Sie finden in Lemmons Buch weitere Beispiele, in denen Strategien der Kon-struktion von Ableitungen beschrieben werden!
Wie jede Kunst erfordert die Konstruktion von GLKJ -Ableitungen viel Ăbung!
ĂBUNG: ABLEITUNGSSTRATEGIEN
3.1 BEWEISBAUER UND BEWEISPRĂFER
Sie kÜnnen beliebige Ableitungen durch Beweisbauer bzw. Beweisprßfer kontrollierenlassen. Beweisbauer erlauben, mit Maus und Tastatur Beweise interaktiv zu konstru-ieren; bei Beweisprßfern wird ein Beweis vollständig mit der Tastatur eingegebenund auf seine Richtigkeit geprßft. Informationen hierzu finden Sie ßber die Ho-mepage des Logikkurses (siehe S. 5).
LEKTION 5
AUSSAGENLOGISCHE SCHLUSSREGELN
In dieser Lektion werden die wichtigsten aus dem GLKJ ableitbaren aussagenlo-gischen Schlussregeln und Theoreme besprochen, die Verwendung dieser Regeln undTheoreme zum Zwecke der Vereinfachung von Ableitungen eingefßhrt und die Ver-wendung von Ableitungen zum Zwecke der Prßfung der deduktiven Schlßssigkeitvon Argumenten erläutert.
1 LOGISCHE GESETZE
Theoreme sind Formeln, die mit leerer Annahmenliste ableitbar sind. Sie sind mittelsder Regeln eines Kalkßls ableitbar, ohne hierfßr zusätzliche Annahmen vorauszu-setzen. Ableitungen von J -Formeln mittels des GLKJ mßssen allerdings mit derEinfßhrung von Annahmen beginnen, aber bei der Ableitung von Theoremensind sämtliche durch AE eingefßhrten Formeln Hilfsannahmen. Deren Zeilen-nummer kann bei der Ableitung der Theoreme durch Anwendung der RegelnRAA und K1 wieder aus der Annahmenliste gestrichen werden, so dass man beieiner Ableitung, die mit der Einfßhrung von Hilfsannahmen beginnt, bei Formelnmit leerer Annahmenliste endet.
Ein Theorem wurde bereits bei der EinfĂźhrung der Regel der Konditionali-sierung (K) abgeleitet: âP â P â. Die Ableitung ist:
Annahme Nr. Formel Regel1* (1) P AE
(2) P â P 1,1 K
Auf dieselbe Weise kann man die Formel âP ⨠Q â P ⨠Qâ ableiten:
Annahme Nr. Formel Regel1* (1) P ⨠Q AE
(2) P ⨠Q â P ⨠Q 1,1 K
1Die Regel â¨B, die es ebenfalls erlaubt, Hilfsannahmen wieder fallen zu lassen, kann nicht zueiner leeren Annahmenliste fĂźhren, insofern sie zu einer Formel fĂźhrt, die auf der Annahme einerDisjunktion beruht.
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Gleiches gilt fĂźr die Theoreme: âQ â Qâ oder âP &Q â P &Qâ etc.Der Beweisgang ist immer derselbe: Aus der Annahme des Antezedenz einesKonditionals, dessen Antezedenz und Konsequenz identisch sind, wird mittelsK dieses Konditional als Theorem abgeleitet. Allgemein lässt sich sagen, dassder Beweisgang fĂźr alle Einsetzungsinstanzen der Metavariablen A in A â A der-selbe ist. AusdrĂźcke, die anstelle von Satzbuchstaben Metavariablen enthalten,seien âMetaformelnâ genannt. A â A ist eine Metaformel. Diese sind auf Grundder Verwendung von Metavariablen keine wohlgeformten J -Formeln. Einsetzungs-instanzen von Metaformeln sind die Instanzen, die man erhält, wenn man an dieStelle der Metavariablen wohlgeformte Formeln setzt, und zwar so, dass gleicheMetavariablen durchweg durch gleiche wohlgeformte Formeln ersetzt werden.Demnach sind die Theoreme âP â P â, âQ â Qâ, âP &Q â P &Qâ alleEinsetzungsinstanzen fĂźr A â A. A â A ist kein Theorem, da es sich aufGrund der Verwendung von Metavariablen nicht um eine wohlgeformte Formelhandelt, die in einem Beweis abgeleitet werden kĂśnnte. Im Unterschied zu deneinzelnen Theoremen kann man die AusdrĂźcke, fĂźr die Theoreme Instanzen sind,âlogische Gesetzeâ nennen. Demnach ist `J A â A ein logisches Gesetz â dassogenannte âGesetz der Identitätâ (GI) â, wobei das vorangestellte â`J â bedeutet,dass die Einsetzungsinstanzen dieses logischen Gesetzes im GLKJ als Theoremeableitbar sind.
Erläuterung 5.1Logische Gesetze sind Metaformeln, deren Einsetzungsinstanzen Theore-me sind.
Logische Gesetze kĂśnnen nicht abgeleitet werden, da sie keine J -Formelnsind. Sie werden bewiesen, indem Instanzen von ihnen abgeleitet werden. Es gilt:
Erläuterung 5.2Kann eine Instanz einer Metaformel im GLKJ als Theorem abgeleitetwerden, dann kÜnnen alle Instanzen der Metaformel als Theoreme imGLKJ abgeleitet werden.
BegrĂźndung: Die KalkĂźlregeln beziehen sich nur auf Hauptjunktoren undlassen beliebige J -Formeln als Einsetzungsinstanzen der in ihren Definitionenverwendeten Metavariablen zu.
133
Die Ableitung eines Theorems beweist unter Voraussetzung von Erläuterung5.2, dass die entsprechende Metaformel ein logisches Gesetz ist.
Im Folgenden seien einige weitere logische Gesetze bewiesen, indem jeweilseine einfachste Instanz als Theorem abgeleitet wird. Es wird dabei auf den IndexâJ â in â`J â verzichtet und kurz â`â geschrieben.
Machen Sie sich die jeweiligen Ableitungsstrategien klar!
1.1 GESETZ VOM AUSGESCHLOSSENEN WIDERSPRUCH (GAW)
GAW: ` ÂŹ(A&ÂŹA)
Theorem: ` ÂŹ(P &ÂŹP )
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1* (1) P &ÂŹP AE
(2) ÂŹ(P &ÂŹP ) 1,1 RAA
1.2 GESETZ VOM AUSGESCHLOSSENEN DRITTEN (= TERTIUM NON DA-TUR)(GTD)
GTD: ` A ⨠A
Theorem: ` P ⨠P
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1* (1) ÂŹ(P ⨠P ) AE2* (2) P AE2* (3) P ⨠P 2 â¨E
1*,2* (4) (P ⨠P ) &ÂŹ(P ⨠P ) 3,1 &E1* (5) ÂŹP 2,4 RAA1* (6) P ⨠P 5 â¨E1* (7) (P ⨠P ) &ÂŹ(P ⨠P ) 6,1 &E
(8) (P ⨠P ) 1,7 RAA(9) P ⨠P 8 DNB
134
1.3 GESETZE DER DOPPELTEN NEGATION (GDN)
GDN1: ` A â ÂŹÂŹA
Theorem: ` P â ÂŹÂŹPAbleitung:
Annahme Nr. Formel Regel1* (1) P AE1* (2) ÂŹÂŹP 1 DNE
(3) P â ÂŹÂŹP 1,2 K
GDN2: ` ÂŹÂŹA â A
Theorem: ` ÂŹÂŹP â P
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1* (1) ÂŹÂŹP AE1* (2) P 1 DNB
(3) ÂŹÂŹP â P 1,2 K
1.4 THEOREMEINFĂHRUNGSREGEL (TE)
Um Ableitungen zu verkĂźrzen, kann man von der TheoremeinfĂźhrungsregel TE Ge-brauch machen:
TE: Eine Formel A, die als Theorem im GLKJ ableitbar ist, darf in eineneue Zeile mit leerer Annahmenliste aufgenommen werden.
Annahme Nr. Formel Regel(k) A TE:T
âTâ steht fĂźr die AbkĂźrzung des logischen Gesetzes, dessen Einsetzungs-instanz das Theorem ist.
135
TE ist keine KalkĂźlregel, denn man kĂśnnte jederzeit die EinfĂźhrung des Theo-rems durch seine Ableitung ersetzen. Der Zweck von TE ist es, Ableitungen zuvereinfachen, indem auf die Ableitung eines Theorems innerhalb einer anderenAbleitung verzichtet wird.
BEISPIEL:
P â Q, ÂŹP â Q ¡¡¡ Q
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P â Q AE2 (2) ÂŹP â Q AE
(3) P ⨠P TE: GTD4* (4) P AE
1,4* (5) Q 1,4 MPP6* (6) ÂŹP AE
2,6* (7) Q 2,6 MPP1,2 (8) Q 3;4,5;6,7 â¨B
Ohne Anwendung von TE wäre diese Ableitung acht Schritte länger, denn dieAbleitung des Theorems âP ⨠P â umfasst neun Zeilen (siehe Abschnitt 1.2, S.133).
2 SCHLUSSREGELN
Ableitbare Argumentschemata seien Argumentschemata genannt, in denen die K-Formel aus den Pr-Formeln und nur diesen ableitbar ist: âP &ÂŹP ¡
¡¡ Qâ ist z.B.
ein im GLKJ ableitbares Argumentschema, denn es gilt: âP &ÂŹP ` Qâ (siehe S.120 in LEKTION 4). Schlussregeln sind Metaformeln, die aussagen, dass K-Formelneiner bestimmten Form aus Pr-Formeln einer bestimmten Form ableitbar sind.Haben Schlussregeln die Form A1, . . . An ` B, wobei A1, . . . An MetavariablenfĂźr Pr-Formeln sind und B Metavariable fĂźr K-Formeln ist, dann sei von âdirek-ten Schlussregelnâ (auch âLehrsätzeâ genannt) die Rede. Z.B. ist A &ÂŹA ` B einedirekte Schlussregel, die erlaubt, die K-Formel âQâ des ableitbaren Argumentsche-mas âP &ÂŹP ¡
¡¡ Qâ direkt aus der Pr-Formel âP &ÂŹP â abzuleiten. Es sei hier
davon ausgegangen, dass alle direkten Schlussregeln gĂźltige Schlussregeln sind, fĂźrdie gilt, dass nur die Ableitbarkeit solcher Argumentschemata ausgesagt wird, dieauch ableitbar sind. Analog zur Unterscheidung von Theoremen und logischenGesetzen kann man direkte Schlussregeln und ableitbare Argumentschemata un-terscheiden:
136
Erläuterung 5.3Direkte Schlussregeln sind Metaformeln, deren Einsetzungsinstanzen Meta-aussagen ßber die Ableitbarkeit ableitbarer Argumentschemata sind.
Indirekte Schlussregeln sind Metaformeln, die aussagen, dass eine K-Formel ausPr-Formeln ableitbar ist, insofern weitere (dieselben oder andere) K-Formelnaus weiteren (denselben oder anderen) Pr-Formeln ableitbar sind. Z.B. lautetdie der Regel der Konditionalisierung entsprechende Schlussregel Î, (A,Î `B) ` A â B, paraphrasiert: âEine K-Formel der Form A â B ist auseiner Pr-Formelmenge Î ableitbar, insofern B eine K-Formel ist, die aus derFormelmenge Î, A ableitbar ist.â Indirekte Schlussregeln sind nur dann (gĂźlti-ge) Schlussregeln, wenn mittels ihrer nur ableitbare Argumentschemata abgeleitetwerden kĂśnnen.
Erläuterung 5.4Indirekte Schlussregeln sind Metaformeln, deren Einsetzungsinstanzen Me-taaussagen ßber die Ableitbarkeit ableitbarer Argumentschemata unterVoraussetzung weiterer Ableitungen sind.
Mit den direkten und indirekten Schlussregeln sind die Schlussregeln vollstän-dig erfasst:
Erläuterung 5.5Schlussregeln sind entweder direkte oder indirekte Schlussregeln.
Allgemein lässt sich sagen:
Erläuterung 5.6Schlussregeln sind Metaformeln, deren Einsetzungsinstanzen Metaaussa-gen ßber die Ableitbarkeit ableitbarer Argumentschemata, gegebenenfallsunter Voraussetzung weiterer Ableitungen, sind.
Sind zwei Argumentschemata ableitbar, in denen die Pr-Formel des einenArgumentschemas die K-Formel des anderen ist, und umgekehrt, dann sind die
137
jeweiligen Formeln auseinander ableitbar. Um dies auszudrĂźcken, verwendet mandas Zeichen âa`â. Es seien mit âPK1â und âPK2â zwei Formeln bezeichnet,die fĂźreinander Pr-Formel und K-Formel sind:
Erläuterung 5.7âPK1 und PK2 sind auseinander ableitbarâ = âPK1 a` PK2â.
Metaformeln dieser Form seien âUmformungsregelnâ genannt.
Erläuterung 5.8Umformungsregeln sind Metaformeln, deren Einsetzungsinstanzen Meta-aussagen ßber die Ableitbarkeit ableitbarer Argumentschemata sind, indenen die Pr-Formel und die K-Formel auseinander ableitbar sind.
Umformungsregeln sind zusammengesetzt aus zwei Schlussregeln und seienaus diesem Grund unter die Schlussregeln subsumiert.
Es ist ebenso ĂźberflĂźssig, mehrere Einsetzungsinstanzen einer Schlussregeloder einer Umformungsregel abzuleiten, wie es ĂźberflĂźssig ist, mehrere Theoremedesselben logischen Gesetzes abzuleiten, denn es gilt allgemein:
Erläuterung 5.9Kann eine Instanz einer Metaformel im GLKJ abgeleitet werden, dannkÜnnen alle Instanzen der Metaformel im GLKJ abgeleitet werden.
Die Begrßndung ist dieselbe wie bei der Ableitung von Instanzen logischerGesetze (Erläuterung 5.2): Die Kalkßlregeln beziehen sich nur auf Hauptjunktoren,und lassen beliebige J -Formeln als Einsetzungsinstanzen der in ihren Definitio-nen verwendeten Metavariablen zu. Des Weiteren gilt:2
Erläuterung 5.10Ist eine K-Formel aus einer Formelmenge Î ableitbar, dann ist sie auchaus den Formeln ableitbar, aus denen die Formeln der Formelmenge Îableitbar sind.
2Auf Erläuterung 5.10 wird auf S. 146 im Zusammenhang mit der Schlussregeleinfßhrung sowieauf S. 175 und S. 176 im Rahmen des Vollständigkeitsbeweises des GLKJ zurßckgegriffen.
138
Begrßndung: Keine Anwendung einer Regel des GLKJ fßgt in der Annah-menliste zusätzlich zu den Zeilennummern der Annahmen, auf denen die For-meln beruhen, auf die die Regel angewendet wird, weitere Zeilennummern etwai-ger Annahmen hinzu. Die Annahmenlisten werden vielmehr entweder ßbernom-men oder gekßrzt. Jede Ableitung ist demnach auf die Annahmen der Formelnzurßckzufßhren, auf die die jeweilige Kalkßlregel angewendet wird. Leitet manFormeln aus anderen Formeln ab, anstatt sie durch AE einzufßhren, so kÜnnendemnach auch die aus ihnen abgeleiteten Formeln aus jenen anderen abgeleitetwerden.
Ist z.B. âQâ aus den beiden Formeln âP â und âP â Qâ ableitbar, dann auchaus âRâ, âR â P â, aus denen âP â ableitbar ist, und âP â Qâ. Beschränkt mansich auf die KalkĂźlregeln, muss man âQâ aus âRâ, âR â P â und âP â Qâ ableiten,indem man die Zwischenkonklusion âP â ableitet. Gemäss Erläuterung 5.10 gibt esjedoch immer eine Schlussregel, die erlaubt, direkt von den Annahmen, auf denendie Ableitung der letzten Zeile beruht, zu dieser Ăźberzugehen.
Wenn eine K-Formel auf indirektem Weg mittels Zwischenkonklusionen abge-leitet wird, dann ist sie unter Verwendung der entsprechenden Schlussregel gemässErläuterung 5.10 auch auf direktem Weg aus ihren Annahmen ableitbar.
Unter Voraussetzung von Erläuterung 5.9 kÜnnen Schlussregeln bewiesen wer-den, indem Instanzen der Pr-Formeln mittels AE eingefßhrt werden und diejeweilige K-Formel unter Anwendung der Regeln des GLKJ abgeleitet wird. DieAbleitung einer K-Formel aus Pr-Formeln ist demzufolge hinreichend, um dieentsprechende Schlussregel zu beweisen; und die Ableitung einer K-Formel auseiner Pr-Formel sowie die Ableitung dieser Pr-Formel aus jener K-Formel isthinreichend, um die entsprechende Umformungsregel zu beweisen.
Den Regeln des GLKJ entsprechen Schlussregeln.
Erläuterung 5.11Eine einer Regel des GLKJ entsprechende Schlussregel sei die Metaformel ge-nannt, deren Instanzen abgeleitet werden, indem die Pr-Formeln mittelsAE eingefßhrt werden und die K-Formel durch einmalige Anwendungder Kalkßlregel im Falle direkter Schlussregeln unmittelbar und im Falleindirekter Schlussregeln unter Voraussetzung weiterer Ableitungen ausden Pr-Formeln abgeleitet wird.
In LEKTION 4 sind im Anschluss an die Erläuterung der jeweiligen Regel desGLKJ einfachste Anwendungsbeispiele der Regeln gegeben worden, in denen
139
neben AE nur noch die KalkĂźlregel einmal zum Zwecke der Ableitung der K-Formel verwendet wird. Diese Ableitungen leiten Instanzen der diesen KalkĂźlre-geln entsprechenden Schlussregeln ab.
Die den Regeln des GLKJ entsprechenden direkten Schlussregeln sind:
AE: A ` A.
MPP: A, A â B ` B.
MTT: ÂŹB, A â B ` ÂŹA.
&E: A, B ` A &B bzw. A, B ` B &A.
&B: A &B ` A bzw. A &B ` B.
â¨E: A ` A ⨠B bzw. A ` B ⨠A.
Die Regeln der doppelten Negation (DNE und DNB) und der EinfĂźhrungund Beseitigung des Doppelpfeils lassen sich als Umformungsregeln zusammenfas-sen:
DN: A a` ÂŹÂŹA.
âB/E: (A â B) & (B â A) a` A â B.
Den drei Regeln K, â¨B und RAA entsprechen indirekte Schlussregeln. Beider Formulierung der ihnen entsprechenden Schlussregeln, seien Î und â alsMetavariablen fĂźr Mengen von J -Formeln verwendet:
K: Î, (A,Î ` B) ` A â B.
â¨B: A ⨠B, Î, â, (A,Î ` C), (B,â ` C) ` C .
RAA: Î, (A,Î ` B &ÂŹB) ` ÂŹA.
Neben diesen Regeln gibt es direkte Schlussregeln, die nicht einer Regel desGLKJ entsprechen, da die Ableitung ihrer Instanzen nicht einfachste Anwen-dungsbeispiele einer KalkĂźlregel darstellen. Im Folgenden seien einige wichtige,aus dem GLKJ ableitbare Schlussregeln und Umformungsregeln gekennzeich-net, indem jeweils eine einfachste Instanz, in der fĂźr Metavariablen von J -Formeln(A, B, C) Satzbuchstaben (âP â, âQâ, âRâ) gewählt werden, unter ausschliesslicherAnwendung der Regeln des GLKJ abgeleitet wird. Machen Sie sich auch hierjeweils die Ableitungsstrategien klar!
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2.1 MODUS TOLLENDO PONENS (MTP)
MTP: A, A ⨠B ` B
Argumentschema: P, P ⨠Q ¡¡¡ Q
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P AE2 (2) P ⨠Q AE3* (3) P AE
1,3* (4) P &ÂŹP 3,1 &E5* (5) ÂŹQ AE
1,3*,5* (6) P &ÂŹP &ÂŹQ 4,5 &E1,3*,5* (7) P &ÂŹP 6 &B
1,3* (8) ÂŹÂŹQ 5,7 RAA1,3* (9) Q 8 DNB10* (10) Q AE1,2 (11) Q 2;3,9;10,10 â¨B
2.2 MODUS PONENDO TOLLENS (MPT)
MPT: A, ÂŹ(A &B) ` ÂŹB
Argumentschema: P, (P &Q) ¡ ¡ ¡ Q
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P AE2 (2) ÂŹ(P &Q) AE3* (3) Q AE
1,3* (4) P &Q 1,3 &E1,2,3* (5) P &Q&ÂŹ(P &Q) 4,2 &E
1,2 (6) ÂŹQ 3,5 RAA
141
2.3 WIDERSPRUCHSREGEL (WID)
WID: A &ÂŹA ` B
Argumentschema: P &P ¡¡¡ Q
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P &ÂŹP AE2* (2) ÂŹQ AE
1,2* (3) P &ÂŹP &ÂŹQ 1,2 &E1,2* (4) P &ÂŹP 3 &B
1 (5) ÂŹÂŹQ 2,4 RAA1 (6) Q 5 DNB
2.4 KETTENSCHLUSSREGEL (KR)
KR: A â B, B â C ` A â C
Argumentschema: P â Q, Q â R ¡¡¡ P â R
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P â Q AE2 (2) Q â R AE3* (3) P AE
1,3* (4) Q 1,3 MPP1,2,3* (5) R 2,4 MPP
1,2 (6) P â R 3,5 K
2.5 KLASSISCHES DILEMMA (KD)
KD: A â B, ÂŹA â B ` B
Argumentschema: P â Q, ÂŹP â Q ¡¡¡ Q
142
Ableitung: Siehe S. 135, wo unter Verwendung der TheoremeinfĂźhrungsre-gel das Argumentschema abgeleitet wird. Eine alternative Ableitung ohne Ver-wendung von TE ist:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P â Q AE2 (2) ÂŹP â Q AE3* (3) ÂŹQ AE
1,3* (4) ÂŹP 1,3 MTT2,3* (5) ÂŹÂŹP 2,3 MTT2,3* (6) P 5 DNB
1,2,3* (7) P &ÂŹP 6,4 &E1,2 (8) ÂŹÂŹQ 3,7 RAA1,2 (9) Q 8 DNB
2.6 PFEILELIMINATION (PE&)
PE &: A â B a` ÂŹ(A&ÂŹB)
Argumentschema 1: P â Q ¡¡¡ ÂŹ(P &ÂŹQ)
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P â Q AE2* (2) P &ÂŹQ AE2* (3) P 2 &B2* (4) ÂŹQ 2 &B
1,2* (5) Q 1,3 MPP1,2* (6) Q&ÂŹQ 5,4 &E
1 (7) ÂŹ(P &ÂŹQ) 2,6 RAA
143
Argumentschema 2: ÂŹ(P &ÂŹQ) ¡ ¡ ¡ P â Q
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) ÂŹ(P &ÂŹQ) AE2* (2) P AE3* (3) ÂŹQ AE
2*,3* (4) P &ÂŹQ 2,3 &E1,2*,3* (5) P &ÂŹQ&ÂŹ(P &ÂŹQ) 4,1 &E
1,2* (6) ÂŹÂŹQ 3,5 RAA1,2* (7) Q 6 DNB
1 (8) P â Q 2,7 K
Die Umformungsregel PE& zeigt, dass auf den Junktor âââ (und damit auchauf Grund von âB/E auf den Junktor âââ) in der formalen Sprache verzichtetwerden kann, da er an jeder Stelle durch die beiden Junktoren âÂŹâ und â&â ersetztwerden kĂśnnte. Dies setzt den gĂźltigen Satz voraus, dass Umformungsregeln wie De-finitionen verwendet werden kĂśnnen, die es erlauben, einen Ausdruck in all seinenVorkommnissen durch einen anderen zu ersetzen. Umformungsregeln mĂźssensich demnach nicht auf den Hauptjunktor einer Formel beziehen.
2.7 â¨-DEFINITION(â¨DEF)
â¨Def: A ⨠B a` ÂŹ(ÂŹA &ÂŹB)
Argumentschema 1: P ⨠Q ¡¡¡ (P &Q)
144
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P ⨠Q AE2* (2) P &Q AE3* (3) P AE2* (4) P 2 &B
2*,3* (5) P &ÂŹP 3,4 &E3* (6) ÂŹ(ÂŹP &ÂŹQ) 2,5 RAA7* (7) Q AE2* (8) ÂŹQ 2 &B
2*,7* (9) Q&ÂŹQ 7,8 &E7* (10) ÂŹ(ÂŹP &ÂŹQ) 2,9 RAA1 (11) ÂŹ(ÂŹP &ÂŹQ) 1;3,6;7,10 â¨B
Argumentschema 2: ÂŹ(ÂŹP &ÂŹQ) ¡ ¡ ¡ P â¨Q
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) ÂŹ(ÂŹP &ÂŹQ) AE2* (2) ÂŹ(P ⨠Q) AE3* (3) P AE3* (4) P ⨠Q 3 â¨E
2*,3* (5) (P ⨠Q)&ÂŹ(P ⨠Q) 4,2 &E2* (6) ÂŹP 3,5 RAA7* (7) Q AE7* (8) P ⨠Q 7 â¨E
2*,7* (9) (P ⨠Q)&(P ⨠Q) 8,2 &E2* (10) Q 7,9 RAA2* (11) P &Q 6,10 &E
1,2* (12) (P &Q) &(P &Q) 11,1 &E1 (13) (P ⨠Q) 2,12 RAA1 (14) P ⨠Q 13 DNB
Die Umformungsregel â¨Def zeigt, dass auf den Junktor ââ¨â in der formalenSprache J verzichtet werden kann, da er an jeder Stelle durch die beiden Junktoren
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âÂŹâ und â&â ersetzt werden kĂśnnte.âB/E, PE& undâ¨Def zusammengenommenermĂśglichen eine Reduktion der formalen Sprache J , in der nur noch die beidenJunktoren âÂŹâ und â&â vorkommen. Diese beiden Junktoren bilden eine funktionalvollständige Junktorenmenge.
Auch âÂŹâ und ââ¨â bilden auf Grund der Regeln âB/E, PE⨠(A â B a`ÂŹA ⨠B) und &Def (A&B a` ÂŹ(ÂŹA ⨠B)) eine funktional vollständigeJunktorenmenge.
2.8 SCHLUSSREGELLISTE
Eine Liste der wichtigsten aussagenlogischen Schlussregeln, Umformungsregelnund Gesetze finden Sie im Anhang, S. 375ff.
In Essler (1969) werden die Beweise fĂźr die wichtigsten aussagenlogischenSchlussregeln aufgefĂźhrt.
2.9 SCHLUSSREGELEINFĂHRUNG (SE)
Zum Zwecke der VerkĂźrzung von Ableitungen kĂśnnen neben Theoremen auchSchlussregeln eingefĂźhrt werden:
SE: Es dĂźrfen aus den Regeln des GLKJ ableitbare Schlussregeln in denAbleitungen verwendet werden.
SE ist keine KalkĂźlregel, denn man kĂśnnte jederzeit die Verwendung derSchlussregel durch eine Ableitung unter ausschliesslicher Verwendung der Regelndes KalkĂźls ersetzen. Der Zweck von SE ist wie der von TE, Ableitungen zuverkĂźrzen, indem auf Ableitungen innerhalb einer Ableitung verzichtet werdenkann, da die Ableitbarkeit durch eine gegebene Schlussregel gerechtfertigt ist.
BEISPIEL:
ÂŹÂŹ(P â Q) ¡ ¡ ¡ ÂŹ(P &ÂŹQ)
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) ÂŹÂŹ(P â Q) AE1 (2) P â Q 1 DNB1 (3) ÂŹ(P &ÂŹQ) SE: 2 PE&
Es gilt: ÂŹÂŹ(P â Q) ` ÂŹ(P &ÂŹQ)
146
Insofern eine Schlussregel â wie in dem angefĂźhrten Beispiel â nicht da-zu verwendet wird, eine K-Formel direkt aus den Pr-Formeln abzuleiten, wirdfĂźr ihre Anwendung Erläuterung 5.10 vorausgesetzt, nach der eine K-Formel (imBeispiel: âÂŹ(P &ÂŹQ)â), die aus einer Formelmenge Î ableitbar ist (im Beispiel:âP â Qâ), auch aus den Annahmen ableitbar ist, aus denen die Formelmenge Îableitbar ist (im Beispiel: âÂŹÂŹ(P â Q)â). In diesem Fall sind Annahmenliste undOberformelliste nicht identisch: In der Oberformelliste wird auf die Instanzen derPr-Formeln der Schlussregel Bezug genommen; die Annahmenliste setzt sich ausden Annahmenlisten der Oberformeln zusammen.
Da jede K-Formel eines ableitbaren Argumentschemas aus den Pr-Formelnund nur diesen ableitbar ist, kĂśnnte jede Ableitung einer K-Formel aus den Pr-Formeln auf ein Minimum verkĂźrzt und direkt gewonnen werden, insofern mander EinfĂźhrung weiterer, ableitbarer Schlussregeln keine Grenze setzt.
Erläuterung 5.12Jede K-Formel eines ableitbaren Argumentschemas A1 . . . An ¡
¡¡ B, die
nicht durch Anwendung einer KalkĂźlregel direkt aus den Pr-Formelnabgeleitet werden kann, kann mittels SE direkt aus den mittels AE einge-fĂźhrten Pr-Formeln abgeleitet werden.
Annahme Nr. Formel Regelk (k) A1 AE
...l (l) An AE
k, . . . l (m) B SE: k, . . . l S
âSâ steht fĂźr die AbkĂźrzung der verwendeten Schlussregel. Die Oberfor-melliste der mit âSâ bezeichneten Schlussregel sei stets sortiert, begin-nend mit der kleinsten Zeilennummer.
Die Verwendung der aussagenlogischen Schlussregelliste fßr das Erstellen von Ab-leitungen stellt einen praktischen Kompromiss dar, um mÜglichst kurze Ablei-tungen unter Verwendung einer begrenzten Zahl von Schlussregeln mit gängigenBezeichnungen zu erhalten.
ĂBUNG: BEGRIFFLICHE UNTERSCHEIDUNGEN
ĂBUNG: IDENTIFIKATION ABGELEITETER SCHLUSSREGELN
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ĂBUNG: ABLEITUNGEN VON THEOREMEN
ĂBUNG: ABLEITUNGEN MIT TE UND SE
3 ARGUMENTREKONSTRUKTION
In LEKTION 6 wird gezeigt, dass alle ableitbaren Argumentschemata und nur dieseauch korrekte Argumentschemata sind. Aus diesem Grund gilt:
Erläuterung 5.13Ein Argument ist formal schlßssig gdw. in dem ihm zugeordneten Argu-mentschema die K-Formel aus den Pr-Formeln ableitbar ist.
Demnach kann die formale SchlĂźssigkeit von Argumenten neben der Wahr-heitswertanalyse der zugehĂśrigen Konditionale auch durch die Ableitung der K-Formel aus den Pr-Formeln bewiesen werden. Da es im Rahmen der Rekon-struktion umgangssprachlicher Argumente nur um den Beweis ihrer formalenSchlĂźssigkeit geht, kĂśnnen durch Verwendung der TheoremeinfĂźhrungsregel TEund der SchlussregeleinfĂźhrungsregel SE durch Bezugnahme auf die aussagenlogi-sche Schlussregelliste beliebige Schlussregeln verwendet werden, um die SchlĂźssigkeitauf mĂśglichst direktem Wege zu beweisen.
BEISPIEL:
U-TEXT:
Francis Bacon gibt folgendes Argument fĂźr die Entstehung von Ebbe undFlut durch ein Erheben und Senken des Wassers:3
Ebbe und Flut kommt entweder von einem Vordringen und Zurßck-weichen des Wassers oder von einem Erheben und Senken des Wassers.Hält man sich an die erste Erklärung, so muss mit der Flut an einer Stelledes Meeres gleichzeitig an einer anderen Ebbe sein. Dies ist nicht der Fall.Also kommt Ebbe und Flut von einem Erheben und Senken des Wassers.
3Bacon (1990), S. 441.
148
LEGENDE:
a = Ebbe und Flut kommt von einem Vordringen undZurĂźckweichen des Wassers.
b = Ebbe und Flut kommt von einem Erheben und Sen-ken des Wassers.
c = Mit der Flut an einer Stelle des Meeres ist gleichzeitigan einer anderen Ebbe.
SJ-Text: a oder b. wenn a dann c. nicht c also bJ-Arg.schema:
P ⨠Q, P â R, ÂŹ R ¡¡¡ Q
ABLEITUNG:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P ⨠Q AE2 (2) P â R AE3 (3) ÂŹR AE
2,3 (4) ÂŹP 2,3 MTT1,2,3 (5) Q SE: 1,4 MTP
Es gilt: P ⨠Q, Q â R,ÂŹR ` PDemzufolge ist das Argument von Bacon formal schlĂźssig, insofern die gegebe-
ne Formalisierung adäquat ist.
Die Konstruktion von Ableitungen unter Verwendung einer Schlussregellistehat den praktischen Vorteil, bei Argumentschemata mit mehr als drei Satzbuchsta-ben den Beweis der formalen Schlßssigkeit des entsprechenden Argumentes mitweniger Aufwand als mittels einer vollständigen Wahrheitswertanalyse fßhren zukÜnnen. Allerdings kann mittels Ableitungen nur bewiesen werden, dass ein Ar-gument (hinsichtlich des ihm zugeordneten Argumentschemas) formal schlßssigist. Es kann nicht wie im Falle der Wahrheitswertanalyse bewiesen werden, dasses nicht schlßssig ist. Ableitungen sind im Unterschied zur Wahrheitswertanalysekein Entscheidungsverfahren, das das Bestehen und auch Nichtbestehen einerformalen Eigenschaft bemisst, denn Ableitungen kommen nur an ein Ende, wenndie K-Formel auch tatsächlich aus der Pr-Formel ableitbar ist.
ĂBUNG: ARGUMENTREKONSTRUKTION
LEKTION 6
KORREKTHEIT UND VOLLSTĂNDIGKEIT
Diese Lektion handelt von der Metalogik der Aussagenlogik. Die Metalogik derAussagenlogik untersucht das Verhältnis der Wahrheitswerttabellen und der Ab-leitungen zueinander. Es wird in dieser Lektion bewiesen, dass der GLKJ korrektund vollständig ist. Zusammengenommen bedeutet dies, dass ein Argumentschemaableitbar ist gdw. es korrekt ist. Es gibt demzufolge keine Divergenzen zwischendem semantischen und dem syntaktischen Verfahren bei der Beurteilung vonArgumentschemata.
Diese Lektion soll auch dazu dienen, ein grundlegendes Verständnis logischerund metalogischer Beweise und ihrer Kriterien zu gewinnen. Dies ist fßr Fragender Philosophie der Logik von Bedeutung. Aus diesem Grunde wird von Lem-mons Darstellung des Beweises der Korrektheit und Vollständigkeit des GLKJ ineinigen Punkten abgewichen und abschliessend das logische Beweisverfahren derWahrheitswerttabellen mit dem der Ableitungen verglichen.
1 KORREKTHEIT
Erläuterung 6.1Ein aussagenlogischer Kalkßl K ist korrekt gdwDef. fßr eine beliebigeMenge Πvon J -Formeln und beliebige J -Formeln B gilt:
Wenn Î `K B, dann Î |=J B.
Ist die Menge Î leer, dann handelt es sich um die Ableitung von Theoremen,ist sie nicht leer, dann handelt es sich um die Ableitung von Argumentschemata.Ein aussagenlogischer KalkĂźl K ist demnach korrekt gdw. gilt:
⢠Wenn ein Argumentschema oder Theorem ableitbar ist, dann ist das Argu-mentschema korrekt bzw. das Theorem allgemeingßltig.
150
1.1 LEMMONS KORREKTHEITSBEWEIS
Lemmons Korrektheitsbeweis erfĂźllt zwei Merkmale, die charakteristisch sind fĂźrmetalogische Beweise:1
1. Er ist nicht formal, sondern inhaltlich.
2. Er ist induktiv.
DafĂźr, dass der Korrektheitsbeweis des GLKJ nicht formal gefĂźhrt werdenkann, spricht, dass man im Falle der Formalisierung seinerseits die Korrektheitdes formalen Beweises in Frage stellen kann, usw. ad infinitum: An irgendeinerStelle muss in metalogischen Beweisen der Ăbergang von formalen zu inhaltli-chen Beweisen stattfinden. Metalogische Beweise bleiben demnach auf umgangs-sprachliche Argumentationen angewiesen.
FĂźr die induktive Form des Korrektheitsbeweises spricht folgende Ăberle-gung: Da es unendlich viele ableitbare Theoreme und Argumentschemata gibt,kann der Korrektheitsbeweis des GLKJ nicht dadurch gefĂźhrt werden, dass manfĂźr jedes ableitbare Theorem und jedes ableitbare Argumentschemata einzeln be-weist, dass die Theoreme und die den Argumentschemata entsprechenden Kon-ditionale allgemeingĂźltig sind. Man steht also vor dem Problem, eine Aussage Ăźberbeliebige, unendlich viele Ableitungen beweisen zu wollen, ohne unendlich vieleAbleitungen durchfĂźhren zu kĂśnnen. In diesen Fällen greift man fĂźr gewĂśhnlichauf Induktionsbeweise zurĂźck.
In der Mathematik beweist man per Induktion, dass alle natĂźrlichen Zahleneine bestimmte Eigenschaft haben, indem man beweist, dass 1 diese Eigenschafthat und dass, wenn eine beliebige Zahl diese Eigenschaft hat, auch ihr Nachfol-ger diese Eigenschaft hat. Analog kann man beweisen, dass durch eine beliebigeAbleitung nur korrekte Argumentschemata oder allgemeingĂźltige Theoreme ab-geleitet werden, indem man beweist, dass
1. die Anwendung der Startregel AE nur korrekte Argumentschemata liefert;
2. die Anwendung jeder anderen Regel auf korrekte Argumentschemata nurkorrekte Argumentschemata oder allgemeingĂźltige Theoreme liefert.
An die Stelle der Zahlen treten im Korrektheitsbeweis des GLKJ Argument-schemata bzw. Theoreme; ihre fragliche Eigenschaft ist in diesem Fall die derKorrektheit. Anstelle des Anfangsgliedes 1 in der Reihe der natĂźrlichen Zahlen
1Siehe Lemmon (1998) S. 74ff.
151
hat man das Anfangsglied einer Ableitung: Das Argumentschema, das durch An-wendung der Regel AE, die jede Ableitung mittels der Regeln des GLKJ erÜffnet,gewonnen wird. Dass diese Eigenschaft sich auf alle weiteren Glieder in der Be-weiskette ßberträgt, wird bewiesen, indem gezeigt wird, dass alle Anwendungender weiteren Regeln auf korrekte Argumentschemata stets wieder zu korrektenArgumentschemata fßhren.
Lemmons âBeweiseâ der Korrektheit der einzelnen Schlussregeln seien amBeispiel der Startregel AE und der Regel MPP vorgefĂźhrt. Lemmons âBeweisâder Korrektheit von AE lautet:2
Proof of (Îą). Any sequent derivable by the rule of assumptions aloneis tautologous. For such a sequent must be of the form A ` A, which isobviously tautologous.
Strenggenommen ist diese Argumentation zirkulär: Der erste Satz enthältdie zu beweisende Annahme, dass jede Ableitung mittels AE âtautologischâ ist.Lemmon verwendet âsequentâ anstelle von âArgumentschemaâ und âtautolo-gischâ anstelle des hier verwendeten Ausdruckes âallgemeingĂźltigâ. Zu beweisenist, dass AE korrekt ist, und dies bedeutet gemäss Erläuterung 6.1, dass jedes durchAE ableitbare Argumentschema allgemeingĂźltig bzw. tautologisch ist. Der zweiteSatz enthält als einzigen Unterschied die Zitierung der Regel AE in Form derSchlussregel A ` A. Zu begrĂźnden ist, warum ableitbare Argumentschematadieser Form allgemeingĂźltig bzw. tautologisch sind. Lemmon gibt aber keinenGrund an, wenn er sagt, A ` A sei âobviously tautologousâ. Strenggenommenist sogar falsch, dass A ` A tautologisch bzw. allgemeingĂźltig ist, denn nichtdie Schlussregeln, sondern nur die zugehĂśrigen Konditionale ihrer Instanzen sindtautologisch bzw. allgemeingĂźltig.
Problematisch an Lemmons Korrektheitsbeweis ist allerdings nicht in ersterLinie, dass er zirkulär ist: Man kĂśnnte Lemmons Verweis darauf, dass A ` A âob-viouslyâ tautologisch sei, wohlwollend so interpretieren, dass dies deshalb âoffen-sichtlichâ der Fall sei, da die entsprechende Wahrheitswerttabelle der zugehĂśrigenKonditionale der Instanzen der Schlussregeln unter dem Hauptjunktor nur denWert âWâ enthält. Problematisch an Lemmons Argumentation ist, dass sie durchdie mangelnde Bezugnahme auf eine Wahrheitswerttabelle den Beweisgrund fĂźrdie Korrektheit der Regel AE nicht explizit macht. In der von Lemmon gegebenenDarstellungsform gewinnt man den Eindruck, der metalogische Beweis dienenur dazu, die Ăberzeugung zu vermitteln, dass die KalkĂźlregeln korrekt seien. Woes keines weiteren Aufwandes bedarf, um zu einer derartigen Ăberzeugung zu
2Lemmon (1998), S. 78.
152
gelangen, verzichtet Lemmon auf eine BeweisfĂźhrung. Die Auffassung, Beweiseseien das, was auf methodische Weise eine Ăberzeugung vermittle, ist jedochfĂźr logische Beweise inadäquat: Die GĂźltigkeit eines Beweises in der Logik istunabhängig von dem Grad der Ăberzeugung, den man durch den Beweis vondem zu Beweisenden erlangen kann. Von der GĂźltigkeit vieler Theoreme ist manz.B. Ăźberzeugt, ganz unabhängig von ihrer Ableitung, und keine Ableitung kannden Grad der Ăberzeugung erhĂśhen. Andere verwickelte Beweise fĂźhren nichtunbedingt zu einer Ăberzeugung, aber sie sind ganz unabhängig davon gĂźltig undbeweisen das zu Beweisende in einem strengen Sinn. Meint man, Beweise in derLogik bzw. Metalogik seien lediglich Mittel zur Erreichung subjektiver Evidenzdes zu Beweisenden, dann gibt man den Anspruch zwingender, objektiver Be-weisfĂźhrungen in der Logik auf, denn aus der subjektiven Evidenz folgt nichtdie GĂźltigkeit des zu Beweisenden. Problematisch an Lemmons Darstellung desKorrektheitsbeweises der Regel AE ist das Verständnis metalogischer Beweise,das er hierdurch nahelegt, und nicht der tatsächliche Mangel einer Explikationeines Beweises.
Dass die Problematik von Lemmons Korrektheitsbeweis nicht bloss darinliegt, Wahrheitswerttabellen nicht als BeweisgrĂźnde der Korrektheit einzelnerSchlussregeln anzufĂźhren, zeigen seine Korrektheitsbeweise anderer Schlussre-geln. Im Unterschied zum Korrektheitsbeweis der Startregel AE, argumentiert erfĂźr die Korrektheit der anderen Schlussregeln des GLKJ stets unter der induk-tiven Voraussetzung, dass korrekte Argumentschemata abgeleitet sind, und zeigt,dass die Anwendung der jeweiligen Schlussregel auch wieder nur zu korrektenArgumentschemata fĂźhrt. Seine Beweise haben die Form umgangssprachlicher,indirekter Argumentationen:3
Proof of (β). (i) MPP. In an application of MPP, we pass from premissesA and A â B to conclusion B, on the pool of the assumptions on whichA and A â B rest. Now suppose that the lines where A and A â Bappear correspond to tautologous sequents. We wish to show that the newline where B appears will also correspond to a tautologous sequent. Let ussuppose this is not so, and deduce an absurdity. If the new sequent is not tauto-logous, then clearly some assignment of truth-values to its variables givesB the value F but all its assumptions the value T . Since these assumptionsinclude all those on which A and A â B rest, the same assignment willgive A and A â B the value T , because by supposition the lines wherethey appear correspond to tautologous sequents. But if this assignmentgives both A and A â B the value T , it must also give B the valueT , by the matrix for âââ: an absurdity, since we supposed B to take the
3Lemmon (1998), S. 78.
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value F for the assignment in question. Thus any application of MPP totautologous sequents yields tautologous sequents.
Dieser Korrektheitsbeweis fÜrdert zwar in der Regel das Verständnis unddie Einsicht in die Korrektheit der Kalkßlregel, aber er entgeht nicht dem Ein-wand der Zirkularität: Denn sein Beweis hat die Form einer umgangssprachli-chen Argumentation. Diese geht wie jede umgangssprachliche Argumentationvon Annahmen aus und zieht aus diesen unter Verwendung von SchlussregelnKonsequenzen. Wie jede umgangssprachliche Argumentation lässt sich auch einemetalogische, umgangssprachliche Argumentation rekonstruieren. Eine verein-fachte Formalisierung von Lemmons Argumentation lautet:
SJ-Text: nicht a. wenn nicht a dann b und nicht c. wenn b dann c also aJ-Arg.sch.: ÂŹ P , ÂŹ P â Q & ÂŹ R, Q â R ¡
¡¡ P
LEGENDE:
a = The new sequent A,A â B ` B is tautologous.b = Some assignment AS gives A and A â B the value T .c = Some assignment AS gives B the value W .
ABLEITUNG:
Annahme Zeile Formel Regel1* (1) ÂŹP AE2 (2) ÂŹP â Q&ÂŹR AE3 (3) Q â R AE1*,2 (4) Q&ÂŹR 2,1 MPP1*,2 (5) Q 4 &B1*,2,3 (6) R 3,5 MPP1*,2 (7) ÂŹR 4 &B1*,2,3 (8) R &ÂŹR 6,7 &E2,3 (9) ÂŹÂŹP 1,8 RAA2,3 (10) P 9 DNB
Diese Ableitung zeigt, dass Lemmons Argumentation fĂźr die Korrektheit vonMPP ihrerseits die Regel MPP verwendet.4 Die Korrektheit dieser Regel soll aber
4Man kĂśnnte zwar die K-Formel auch ableiten, indem man an Stelle von MPP andere Kal-kĂźlregeln oder ableitbare Regeln verwendet, aber damit bliebe das prinzipielle Problem bestehen,
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gerade bewiesen werden. Sie darf folglich nicht fĂźr den Beweis zugrunde gelegtwerden. Auch Lemmons weiteren Korrektheitsbeweise der einzelnen Regeln set-zen Regeln voraus, deren Korrektheit er beweisen will, insofern er sich nicht mitdem Hinweis begnĂźgt, dass die fragliche KalkĂźlregel âoffensichtlichâ (âobvious-lyâ) korrekt sei. Es handelt sich durchweg um indirekte Beweise, die zeigen, dassdie Annahme der Unkorrektheit zu einer widersprĂźchlichen Belegung oder zueinem Widerspruch zur induktiven Annahme fĂźhrt. Generell gilt: Solange dieKorrektheitsbeweise fĂźr KalkĂźle des natĂźrlichen Schliessens in Form umgangs-sprachlicher Argumentationen gegeben werden, lässt sich nicht vermeiden, dassdiese von eben den Regeln Gebrauch machen, deren Korrektheit zu beweisen ist.
Unabhängig von dem Einwand der Zirkularität lässt sich gegen den Beweisder Korrektheit der einzelnen Kalkßlregeln in Form umgangssprachlicher Argu-mentationen einwenden, dass hierdurch kein objektiver, logischer Beweisgrund fßrdie Korrektheit der entsprechenden Regel gegeben wird, denn der argumentativeBeweis beruht letztlich auf Annahmen mit einem bestimmten Inhalt. Das zu Be-weisende wird demnach nur unter Voraussetzung dieser Annahmen bewiesen. Solldie Gßltigkeit des zu Beweisenden bewiesen werden (und nicht bloss die Aussage,dass das zu Beweisende gilt, insofern die Annahmen gßltig sind), muss die Gßl-tigkeit der Annahmen vorausgesetzt werden. Da hierfßr jedoch nicht ad infinitumargumentiert werden kann, bleibt die umgangssprachliche Argumentation auf dieEinsicht in den Inhalt ihrer Annahmen angewiesen und damit auf einen subjektiven,inhaltlichen Erkenntnisgrund.
Man kĂśnnte hiergegen einwenden, dass metalogische Beweise unvermeid-lich inhaltliche Beweise seien und dass es bei den Beweisen der Korrektheit undVollständigkeit von KalkĂźlregeln auch gerade darum gehe, die Ăquivalenz einersyntaktischen Beweismethode mit einer semantischen, also inhaltlichen Beweis-methode aufzuzeigen, was seinerseits inhaltliche Ăberlegungen impliziere. Es istjedoch schon im Exkurs zu LEKTION 2 ausgefĂźhrt worden, dass man die Wahr-heitswerttabellen als rein formale Beweise im Sinne der Transformation von Aus-drĂźcken eines Zeichensystems in AusdrĂźcke eines anderen Zeichensystems deu-ten kann. Eine inhaltliche Deutung der Wahrheitswerttabellen ist demnach nichtzwingend. Im Folgenden soll auf Basis dieses Beweisverständnisses gezeigt wer-den, dass auch die metalogischen Beweise der Korrektheit und Vollständigkeit desGLKJ als rein formale Beweise gedeutet werden kĂśnnen, in denen der Beweisdarin besteht, AusdrĂźcke eines Zeichensystems in AusdrĂźcke eines anderen zutransformieren.
die Korrektheit aussagenlogischer Regeln unter Verwendung aussagenlogischer Regeln beweisen zuwollen.
155
1.2 ALTERNATIVE BEWEISIDEE
Die Beweisidee besteht darin, den Beweis der Korrektheit der Regeln des GLKJ
als eine Zuordnung von Ableitungen zu Wahrheitswerttabellen zu deuten, undden Beweis der Vollständigkeit der Regeln des GLKJ als eine Zuordnung vonWahrheitswerttabellen zu Ableitungen. Diese Idee ist auch diejenige Lemmons,aber sie wird durch seine Darstellung nicht konsequent ausgedrßckt.
Es soll im Folgenden auch keineswegs behauptet werden, dass metalogischeBeweise vĂśllig unabhängig von inhaltlichen Ăberlegungen und der Verwendungder Umgangssprache seien. Es wird nur behauptet, dass es sich bei ihnen nichtprinzipiell anders verhält als bei formallogischen Beweisen: Diese enthalten keineumgangssprachlichen bzw. metasprachlichen AusdrĂźcke, aber die Formulierungihrer Regeln ist auf die Umgangssprache angewiesen. Die Erläuterungen in LEK-TION 2 erläutern die Satzbuchstabenbelegungen und die Belegungen der Junk-toren unter Verwendung der Umgangssprache; die Erläuterungen in LEKTION 4erläutern die einzelnen KalkĂźlregeln unter Verwendung der Umgangssprache. DieErläuterungen der AllgemeingĂźltigkeit und formalen SchlĂźssigkeit der J -Formelnerläutern, auf Grund welcher Eigenschaften die Wahrheitswerttabellen bzw. Ab-leitungen formale Eigenschaften bzw. formale Relationen beweisen. Diese Erläu-terungen sind nicht Teil des Beweises, sondern gehĂśren zur Erläuterung des Bewei-ses bzw. zur Festlegung eines Beweisverfahrens. HierfĂźr ist die Umgangssprache(inklusive der Verwendung von Metavariablen) als Metasprache unentbehrlich.Man kann auch stets die Voraussetzungen der Erläuterungen in Frage stellen undinhaltlich fĂźr oder gegen sie argumentieren, aber hieraus folgt nicht, dass sichdie erläuterten Beweisverfahren â seien es logische oder metalogische â nichtvollständig formalisieren liessen. Es folgt nur, dass sie unter Umständen nichtleisten, was sie zu leisten beanspruchen. Stellt man die Erläuterungen in Frage, stelltman ein Beweisverfahren, nicht Beweise innerhalb des Beweisverfahrens in Frage.
Lemmons Korrektheitsbeweis vermengt nach diesem Verständnis die Beweis-fßhrung mit ihrer Erläuterung und begeht damit einen analogen Fehler auf derEbene der metalogischen Beweise wie den, den man auf der Ebene der logischenBeweise begeht, wenn man hier Metasprache und Objektsprache nicht unterschei-det.
1.3 INDUKTIONSBEWEIS
Die im Folgenden gegebenen metalogischen Beweise der Korrektheit und Voll-ständigkeit des GLKJ haben im Unterschied zu Lemmons Beweisen nicht dieForm von Induktionsbeweisen, da sie nicht von einer induktiven Voraussetzung Ge-brauch machen. Eine induktive Voraussetzung nimmt auf beliebige Ausdrßcke Be-zug, und sagt aus, dass auf diese eine bestimmte formale Eigenschaft zutrifft.
156
Auf beliebige AusdrĂźcke kann nur mittels Metavariablen Bezug genommen wer-den; Metavariablen sind aber weder Teil der Wahrheitswerttabellen noch der Ab-leitungen â vielmehr kommen in diesen nur Instanzen von Metavariablen vor.Sind Ableitungen und Wahrheitswerttabellen Teil metalogischer Beweise, kom-men demnach nicht Metavariablen fĂźr J -Argumentschemata bzw. J -Formeln inden metalogischen Beweisen vor, sondern Instanzen dieser Metavariablen.
Der Verzicht auf einen Induktionsbeweis hat einen Vorteil, insofern man in-duktive Beweise als SchlĂźsse auf generelle Aussagen nach folgender Form deutet:
PRĂMISSE 1 (ANFANGSKLAUSEL): Der Anfangsausdruck A eines formalen Sy-stems F hat die Eigenschaft Ď.
PRĂMISSE 2 (INDUKTIONSKLAUSEL): Wenn ein beliebiger Ausdruck von F dieEigenschaft Ď hat, dann auch sein Nachfolger.5
KONKLUSION: Also haben alle AusdrĂźcke von F die Eigenschaft Ď.
Meint man, ein induktiver Beweis habe eine derartige Form, dann setzt dieserseinerseits eine Schlussregel voraus, die den Ăbergang von den Prämissen zurKonklusion erlaubt. HierfĂźr stellt sich wiederum die Frage der Korrektheit desĂberganges. Ein metalogischer Korrektheitsbeweis des GLKJ in Form eines In-duktionsbeweises in diesem Sinne wĂźrde damit nicht nur die Regeln des GLKJ ,sondern sogar noch weitere Schlussregeln, und damit ein reichhaltigeres Regelsy-stem als das, dessen Korrektheit zu beweisen ist, verwenden.
Allerdings kann man Induktionsbeweise auch dadurch kennzeichnen, dass essich bei ihnen nicht um Beweise handelt, in denen die zu beweisende Formelam Ende einer Beweiskette steht. Induktionsbeweise sind nach dieser Auffas-sung nichts anderes als Beweise dafßr, dass ein Anfangsausdruck einer formalenSprache eine bestimmte Eigenschaft hat, und dafßr, dass, wenn ein beliebigerAusdruck dieser Sprache diese Eigenschaft hat, dann auch sein Nachfolger. Einezusätzliche Schlussfolgerung darauf, dass demzufolge alle Ausdrßcke der formalenSprache diese Eigenschaft besitzen, ist nach diesem Verständnis nicht Teil desBeweises, sondern Teil der Erläuterung des Beweises. Denn will man erläutern, wases heisst, dass alle Ausdrßcke einer formalen Sprache eine bestimmte Eigenschafthaben, dann tut man dies nach dieser Auffassung durch Angabe einer entspre-chenden Anfangs- und Induktionsklausel.
Der im Folgenden gegebene Korrektheitsbeweis des GLKJ ist kein Beweisim Sinne einer Kette von Schlussfolgerungen, deren letztes Glied der Allsatz ist
5Der Nachfolger einer Formel in einem Ableitungsschema ist die Formel der folgenden Zeile.
157
âAlle ableitbaren Argumentschemata sind korrekt und alle ableitbaren Theoremesind allgemeingĂźltigâ. Er ist aber auch kein Induktionsbeweis, da nicht von einerinduktiven Voraussetzung Gebrauch gemacht wird. Der Beweis der Korrektheitder Regeln des GLKJ besteht vielmehr in nichts anderem als der Zuordnung dereinzelnen Regeln des GLKJ zu Instanzen ihrer Schlussregeln und dem Beweis derKorrektheit dieser Instanzen. Der Beweis der Korrektheit aller einzelnen KalkĂźl-regeln beweist fĂźr jede einzelne KalkĂźlregel R des GLKJ : Wenn Î `R B dannÎ |=J B. Ist dies fĂźr jede einzelne KalkĂźlregel bewiesen, dann ist nach Erläuterung6.1 bewiesen, dass der KalkĂźl GLKJ korrekt ist, denn ein KalkĂźl K ist nichtsanderes als die Gesamtheit seiner einzelnen Regeln R.
Die Bezugnahme auf Erläuterungen kennzeichnet nicht den Korrektheitsbe-weis; strenggenommen findet er ebenso bei den aussagenlogischen Beweisen statt.Die Belegungen des Hauptjunktors mit dem Wahrheitswert W beweisen auf Grundder Erläuterung der AllgemeingĂźltigkeit (Erläuterung 2.10), dass eine entsprechendeJ -Formel allgemeingĂźltig ist; das Vorkommen der K-Formel in einer letzten Zeileeiner korrekten Ableitung mit einer Annahmenliste, die nur auf Zeilen mit Pr-Formeln verweist, beweist auf Grund von Erläuterung 4.1, dass die K-Formel ausden Pr-Formeln ableitbar ist. Ebensowenig wie der Beweis der AllgemeingĂźltig-keit oder Ableitbarkeit noch einen Beweisschritt auf die Aussage âDie J -Formelist allgemeingĂźltigâ bzw. âDie K-Formel ist aus den Pr-Formeln ableitbarâ ent-hält, ebensowenig enthält der Beweis der Korrektheit der KalkĂźlregeln noch einenSchluss auf die Aussage âAlle ableitbaren Argumentschemata sind korrekt und alleableitbaren Theoreme sind allgemeingĂźltigâ. Der Beweis der Korrektheit der Kal-kĂźlregeln endet vielmehr ebenso wie der der AllgemeingĂźltigkeit einer J -Formelbei Wahrheitswerttabellen.
1.4 FORMALER KORREKTHEITSBEWEIS
Der Beweis, dass die Anwendung einer KalkĂźlregel R stets nur korrekte Argu-mentschemata liefert, sei kurz âKorrektheitsbeweis fĂźr Râ genannt. Die Kor-rektheitsbeweise der einzelnen Regeln des GLKJ setzen folgende Erläuterungender letzten Lektionen voraus: Nach Erläuterung 5.11 entsprechen den KalkĂźlre-geln Schlussregeln. Die Einsetzungsinstanzen dieser Schlussregeln treffen nachErläuterung 5.6 die Metaaussage, dass die entsprechenden (ableitbaren) Argument-schemata ableitbar sind. Nach Erläuterung 5.9 ist die Ableitung einer Instanz ei-ner Schlussregel hinreichend, um die Ableitbarkeit aller Instanzen zu beweisen,da sich die KalkĂźlregeln nur auf die Hauptjunktoren einzelner Zeilen beziehen.Ebenso hängt die Korrektheit der Schlussregeln nur von den Belegungen dieserJunktoren ab. Wählt man als Einsetzungsinstanzen der Metavariablen A,B, C fĂźrJ -Formeln stets Satzbuchstaben, und zwar unterschiedliche Satzbuchstaben fĂźr
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unterschiedliche Metavariablen, dann erhält man stets alle mĂśglichen unterschied-lichen Belegungen als Argumente fĂźr die Belegungen der relevanten Junktoren.Schlussregeln, in denen die Metavariablen A,B, C durch Satzbuchstaben P,Q,Rersetzt werden, seien âeinfachste Instanzenâ genannt. Dementsprechend gilt:
Erläuterung 6.2Ist eine einfachste Instanz einer Schlussregel korrekt, dann sind alle In-stanzen korrekt.
Eine Instanz einer Schlussregel ist korrekt, wenn das (ableitbare) Argument-schema, von dem diese Instanz aussagt, dass es ableitbar ist, korrekt ist. Nach Er-läuterung 3.13 ist ein Argumentschema korrekt, wenn das zugehÜrige Konditionalallgemeingßltig ist.
Gemäss diesen Erläuterungen kann man die Korrektheit einer Regel des GLKJ
beweisen, indem man von der zugehĂśrigen Schlussregel ausgeht, fĂźr diese eineeinfachste Einsetzungsinstanz bildet, aus dieser das entsprechende Argument-schema, fĂźr dieses das zugehĂśrige Konditional, und fĂźr dieses mittels einer Wahr-heitstabelle beweist, dass es allgemeingĂźltig ist.
Der Korrektheitsbeweis des GLKJ besteht nach der hier vertretenen Auf-fassung allein aus den im Folgenden genannten Korrektheitsbeweisen der einzel-nen KalkĂźlregeln. Die restlichen AusfĂźhrungen erläutern den Korrektheitsbeweis.Die Korrektheitsbeweise der einzelnen KalkĂźlregeln enthalten keine relevantenAusdrĂźcke mit umgangssprachlicher Bedeutung. Die vorkommenden umgangs-sprachlichen AusdrĂźcke (âSchlussregelâ, âInstanzâ, âArgumentschemaâ, âKon-ditionalâ) dienen nur der Ăbersicht und dem Verständnis des Beweises. Sie sindhierin den Linien in einer Wahrheitswerttabelle oder der Nummern- und Regel-spalte der Ableitungen vergleichbar. Man kann sich fĂźr die einzelnen Ăbergängeinnerhalb des Beweises analog zur Regelspalte der Ableitungen jeweils die Erläu-terung, die den Ăbergang regelt, hinzudenken.
1.4.1 KORREKTHEITSBEWEIS FĂR AESchlussregel: A ` A.Instanz: P ` P .Argumentschema: P ¡
¡¡ P .
Konditional: P â P .
P P â P
W WF W
159
1.4.2 KORREKTHEITSBEWEIS FĂR MPPSchlussregel: A , A â B ` B.Instanz: P , P â Q ` Q.Argumentschema: P , P â Q ¡
¡¡ Q.
Konditional: P & (P â Q) â Q.
P Q P & (P â Q) â Q
W W W W WW F F F WF W F W WF F F W W
1.4.3 KORREKTHEITSBEWEIS FĂR MTTSchlussregel: ÂŹB , A â B ` ÂŹA.Instanz: ÂŹQ , P â Q ` ÂŹP .Argumentschema: ÂŹQ , P â Q ¡
¡¡ P .
Konditional: ÂŹQ& (P â Q) â ÂŹP .
P Q ÂŹ Q & (P â Q) â ÂŹ P
W W F F W W FW F W F F W FF W F F W W WF F W W W W W
1.4.4 KORREKTHEITSBEWEIS FĂR &ESchlussregel: A , B ` A &B bzw. A, B ` B &A.Instanz: P , Q ` P &Q bzw. P , Q ` Q&P .Argumentschema: P , Q ¡
¡¡ P &Q bzw. P , Q ¡
¡¡ Q&P .
Konditional: P & Q â P &Q bzw. P & Q â Q&P .
P Q P & Q â P & Q
W W W W WW F F W FF W F W FF F F W F
P Q P & Q â Q & P
W W W W WW F F W FF W F W FF F F W F
160
1.4.5 KORREKTHEITSBEWEIS FĂR &BSchlussregel: A &B ` A bzw. A &B ` B.Instanz: P &Q ` P bzw. P &Q ` Q.Argumentschema: P &Q ¡
¡¡ P bzw. P &Q ¡
¡¡ Q.
Konditional: P &Q â P bzw. P &Q â Q.
P Q P & Q â P
W W W WW F F WF W F WF F F W
P Q P & Q â Q
W W W WW F F WF W F WF F F W
1.4.6 KORREKTHEITSBEWEIS FĂR â¨ESchlussregel: A ` A ⨠B bzw. A ` B ⨠A.Instanz: P ` P ⨠Q bzw. P ` Q ⨠P .Argumentschema: P ¡
¡¡ P ⨠Q bzw. P ¡
¡¡ Q ⨠P .
Konditional: P â P ⨠Q bzw. P â Q ⨠P .
P Q P â P ⨠Q
W W W WW F W WF W W WF F W F
P Q P â Q ⨠P
W W W WW F W WF W W WF F W F
1.4.7 KORREKTHEITSBEWEIS FĂR DN
Schlussregel: A a` A.Instanz: P a` P .Argumentschema 1: P ¡
¡¡ P
Argumentschema 2: P ¡¡¡ P
Bikonditional: P â ÂŹÂŹP
P P â ÂŹ ÂŹ P
W W W FF W F W
161
1.4.8 KORREKTHEITSBEWEIS FĂR âE/B
Schlussregel: (A â B) & (B â A) a` A â B.Instanz: (P â Q) & (Q â P ) a` P â Q.Argumentschema 1: (P â Q) & (Q â P ) ¡
¡¡ P â Q.
Argumentschema 2: P â Q ¡¡¡ (P â Q) & (Q â P ).
Bikonditional: (P â Q) & (Q â P ) â (P â Q).
P Q (P â Q) & (Q â P ) â (P â Q)W W W W W W WW F F F W W FF W W F F W FF F W W W W W
1.4.9 KORREKTHEITSBEWEIS FĂR INDIREKTE SCHLUSSREGELN
Im Falle indirekter Schlussregeln kommen Metavariablen Î, â fĂźr J -Formel-mengen sowie Metaformeln vor, deren Einsetzungsinstanzen die Ableitbarkeitvon Argumentschemata aussagen. Die Einsetzungsinstanzen fĂźr die Metavaria-blen Î, â sind so zu wählen, dass das Argumentschemata, das in der indirektenSchlussregel vorkommt, korrekt ist. Es ist z.B. der Instanz der in SchlussregelK (Î, (A,Î ` B) ` A â B) vorkommenden Metaformel A,Î ` B einkorrektes Argumentschema zuzuordnen. Denn jede Anwendung einer indirektenSchlussregel in einer Ableitung setzt die Anwendung einer direkten Schlussre-gel voraus, deren Korrektheit bereits bewiesen ist. Jede erste Anwendung einerindirekten Schlussregel in einer Ableitung beruht demzufolge auf Ableitungenkorrekter Argumentschemata. Des Weiteren gilt: Ist die erste Anwendung einerindirekten Schlussregel korrekt, dann beruht auch die zweite auf Ableitungenkorrekter Argumentschema etc. Es gilt demnach:
Erläuterung 6.3Ist die Anwendung einer indirekten Schlussregel unter Voraussetzung derAnwendung direkter Schlussregeln korrekt, dann ist jede ihrer Anwendun-gen, die auf der Ableitung korrekter Argumentschemata beruht, korrekt.
Im Folgenden sei stets eine derartige Einsetzungsinstanz gewählt, die es er-laubt, die Einsetzungsinstanzen der in der Schlussregel vorkommenden Metafor-meln direkt mittels MPP abzuleiten. Diese Einsetzungsinstanzen fßr die Meta-
162
variablen der J -Formelmengen seien als die âeinfachsten Instanzenâ dieser Me-tavariablen bezeichnet. Die jeweilige Einsetzungsinstanz steht fĂźr jede beliebigeandere Einsetzungsinstanz, die die Bedingung erfĂźllt, dass das Argumentschema,deren Ableitbarkeit in der Anwendung der indirekten Schlussregeln vorausgesetztwird, korrekt ist, denn alle diese Einsetzungsinstanzen fĂźhren zu denselben Be-legungen der relevanten Junktoren. Die relevanten Junktoren sind die Junktoren, diein der Schlussregel explizit genannt werden, plus diejenigen, die durch Ersetzungvon â,â durch â&â und â¡ ¡ ¡â durch âââ bei der Bildung der zugehĂśrigen Kondi-tionale gewonnen werden. Relevante Belegungen sind die Belegungen der relevantenJunktoren.
1.4.10 KORREKTHEITSBEWEIS FĂR KSchlussregel: Î , (A , Î ` B) ` A â B.Instanz: P â Q , (P , P â Q ` Q) ` P â Q.Argumentschema: P â Q , (P , P â Q ¡
¡¡ Q) ¡
¡¡ P â Q.
Konditional: (P â Q) & (P & (P â Q) â Q) â (P â Q).
P Q (P â Q) & (P & (P â Q) â Q) â (P â Q)W W W W W W W W WW F F F F F W W FF W W W F W W W WF F W W F W W W W
1.4.11 KORREKTHEITSBEWEIS FĂR â¨BSchlussregel: A ⨠B , Î, â, (A , Î ` C) , (B , â ` C) ` C .Instanz: P ⨠Q , P â R, Q â R, (P , P â R ` R) , (Q , Q â R ` R) ` R.Arg.schema: P ⨠Q , P â R, Q â R, (P , P â R ¡
¡¡ R) , (Q , Q â R ¡
¡¡ R) ¡
¡¡ R.
Konditional: P ⨠Q & (P â R)& (Q â R)& (P & (P â R) â R)& (Q & (Q â R) â R) â R.
P Q R P ⨠Q & (P â R) & (Q â R) & (P & (P â R) â R) & (Q & (Q â R) â R) â RW W W W W W W W W W W W W W W W W W W F W F F F F F F F W F F F W W W F W W W W W W W W W W W F W W W W F F W F F F W F F F W F F W W W F W W W W W W W W F W W W W W W W F W F W W W F F F F W W F F F W W F F W F F W F W F F W W F F W W W F F F F F W F W F F W W F F W W W
163
1.4.12 KORREKTHEITSBEWEIS FĂR RAA
Schlussregel: Î , (A , Î ` B &ÂŹB) ` ÂŹA.Instanz: P â Q&ÂŹQ , (P , P â Q&ÂŹQ ` Q&ÂŹQ) ` ÂŹP .Arg.schema: P â Q&ÂŹQ , (P , P â Q&ÂŹQ ¡
¡¡ Q&Q) ¡
¡¡ P .
Konditional: (P â Q&ÂŹQ) & (P & (P â Q&ÂŹQ) â Q&ÂŹQ) â ÂŹP .
P Q (P â Q & ÂŹ Q) & (P & (P â Q & ÂŹ Q) â Q & ÂŹ Q) â ÂŹ P
W W F F F F F F F F W F F W FW F F F W F F F F W W F W W FF W W F F W F W F F W F F W WF F W F W W F W F W W F W W W
Zusatzbemerkung 6.1: Will man sich die Korrektheit der einzelnen KalkĂźlregeln anhand der
Wahrheitswerttabellen verständlich machen, so muss man sich die einzelnen Erläuterungen zu den
Beweisschritten vergegenwärtigen und sich anhand der Wahrheitswerttabelle vor Augen fßhren,
dass es keine widerlegende Belegung der entsprechenden Argumentschemata gibt. Insbesondere
muss man sich hierbei stets vergegenwärtigen, dass die einzelnen Einsetzungsinstanzen nur ein-
fachste Repräsentanten fßr beliebige weitere Einsetzungsinstanzen sind. Man darf also nicht die
Beweisschritte einfachhin so verstehen, dass eine bestimmte KalkĂźlregel korrekt sei, weil ein be-
stimmtes Konditional allgemeingĂźltig ist, sondern man muss berĂźcksichtigen, dass eine bestimmte
KalkĂźlregel korrekt ist, weil ein bestimmtes Konditional allgemeingĂźltig ist, dessen einzelnen Satz-
buchstaben und Formelbestandteile so gewählt sind, dass die jeweiligen Belegungen alle mÜglichen
unterschiedlichen relevanten Belegungen aller mĂśglichen Einsetzungsinstanzen darstellen.
Die Zuordnung zu einem bestimmten Konditional ist unentbehrlich, um den Beweis der Kor-
rektheit einer KalkĂźlregel im Sinne der Transformation einer KalkĂźlregel in eine Formel, deren
Allgemeingßltigkeit mittels einer Wahrheitswerttabelle bewiesen wird, zu fßhren. Dies wäre nicht
mĂśglich, solange man Metavariablen oder Argumentschemata verwendete, da fĂźr diese die Wahr-
heitswerttabellen nicht definiert sind.
1.5 WIDERSPRUCHSFREIHEIT
Erläuterung 6.4Ein Kalkßl K ist widerspruchsfrei gdwDef. 6` P &P .
In Worten: Ein KalkĂźl ist widerspruchsfrei genau dann, wenn die FK-FormelâP &ÂŹP â nicht als Theorem ableitbar ist.
Wäre der GLKJ nicht widerspruchsfrei, dann folgte auf Grund der Schlussre-gel WID (A&A ` B), dass jede beliebige Formel ableitbar ist.
164
Dass der GLKJ widerspruchsfrei ist, folgt aus seiner Korrektheit. Denn dieKorrektheit des KalkĂźls besagt fĂźr Theoreme: Wenn eine J -Formel als Theoremableitbar ist, dann ist sie allgemeingĂźltig. Die FK-Formel âP &ÂŹP â ist aber nichtallgemeingĂźltig, sondern unerfĂźllbar.
2 VOLLSTĂNDIGKEIT
Erläuterung 6.5Ein Kalkßl K ist vollständig gdwDef. fßr beliebige Mengen Πvon J -Formeln und beliebige J -Formeln B gilt:
Wenn Î |=J B, dann Î `K B
Je nachdem, ob Πeine leere Menge ist oder nicht, lassen sich zwei Fälleunterscheiden:
Ist Πeine leere Menge, dann gilt fßr einen vollständigen Kalkßl K:
Wenn |=J B, dann `K B.
In Worten:
VOLLSTĂNDIGKEITSSATZ 1: Wenn eine J -Formel allgemeingĂźltig ist, dann ist sieals Theorem ableitbar.
Ist Πkeine leere Menge, dann gilt fßr einen vollständigen Kalkßl K:
VOLLSTĂNDIGKEITSSATZ 2: Wenn ein Argumentschema korrekt ist, dann ist es auchableitbar.
2.1 BEWEISGANG
Wie der Korrektheitsbeweis soll auch der Vollständigkeitsbeweis hier als formalerBeweis dargestellt werden. Die generelle Beweisidee ist analog zu der des Kor-rektheitsbeweises nur in umgekehrter Richtung: Es werden nicht Ableitungen inWahrheitswerttabellen transformiert, sondern Wahrheitswerttabellen in Ableitun-gen:
ALLGEMEINE BEWEISIDEE: Es wird ein Transformationsverfahren entwickelt,durch das man aus beliebigen Wahrheitstabellen Ableitungen von Theo-remen und korrekten Argumentschemata konstruieren kann.
165
Im Einzelnen zerfällt der Beweis in Anlehnung an Lemmon in folgende Teile:
TRANSFORMATIONSSCHRITT 1: Gegeben ist eine Wahrheitswerttabelle einer be-liebigen J -Formel. Konstruiert werden fĂźr jede einzelne Zeile der Wahr-heitswerttabellen ableitbare Argumentschemata. Dass es sich um ableitbareArgumentschemata handelt, wird bewiesen, indem jeweils Ableitungen ein-fachster Instanzen gegeben werden.
TRANSFORMATIONSSCHRITT 2: Gegeben ist eine beliebige allgemeingĂźltige J -Formel.Konstruiert werden:
1. Unter Voraussetzung von Transformationsschritt 1: Ableitbare Argu-mentschemata.
2. Unter dieser Voraussetzung: Ableitungen allgemeingĂźltiger J -Formelnals Theoreme nach einem vorgegebenen Ableitungsschema. Dassdurch dieses Theoreme abgeleitet werden, wird anhand einer Instanzbewiesen.
Dies beweist Vollständigkeitssatz 1.
TRANSFORMATIONSSCHRITT 3: Gegeben: Korrekte Argumentschemata. Konstru-iert werden unter Voraussetzung von Vollständigkeitssatz 1 Ableitungen derK-Formel aus den Pr-Formeln nach einem vorgegebenen Ableitungssche-ma. Dass durch dieses die Argumentschemata abgeleitet werden, wird an-hand einer Instanz bewiesen. Dies beweist Vollständigkeitssatz 2.
Im Unterschied zu Lemmon wird der Vollständigkeitsbeweis hier nicht alsinhaltlicher Beweis und nicht als induktiver Beweis dargestellt.
2.1.1 TRANSFORMATIONSSCHRITT 1
Gegeben: Eine Wahrheitswerttabelle einer beliebigen J -Formel.
166
Konstruktion ableitbarer Argumentschemata:
Erläuterung 6.6Es sei eine beliebige J -Formel B mit den Satzbuchstaben P1 . . . Pn
gegeben.a Den Satzbuchstaben Pi seien J -Formeln Ai nach folgenderRegel zugeordnet:
⢠Wenn Pi mit dem Wahrheitswert W belegt ist, dann sei Ai = Pi.
⢠Wenn Pi mit dem Wahrheitswert F belegt ist, dann sei Ai = Pi.
Metasatz:
⢠Wenn B mit W belegt ist, dann gilt:
A1, . . . , An ` B
⢠Wenn B mit F belegt ist, dann gilt:
A1, . . . , An ` ÂŹB
aDer Einfachheit halber sei das Alphabet von J hier auf indizierte SatzbuchstabenP1 . . . Pn beschränkt, und es sei vorausgesetzt, dass bei n unterschiedlichen Satzbuch-staben, die in B vorkommen, stets die Satzbuchstaben P1 . . . Pn verwendet werden.
Beispiel:
B sei âÂŹP1 â ÂŹP2 ⨠P3â.
Wahrheitswerttabelle:
Zeile P1 P2 P3 ÂŹ P1 â ÂŹ P2 ⨠P3
1. W W W F W F W2. W W F F W F F3. W F W F W W W4. W F F F W W W5. F W W W W F W6. F W F W F F F7. F F W W W W W8. F F F W W W W
167
Gemäss Erläuterung 6.6 lassen sich aus den einzelnen Zeilen folgende ableit-bare Argumentschemata konstruieren:
ZEILE 1: P1, P2, P3 ` ÂŹP1 â ÂŹP2 ⨠P3.
ZEILE 2: P1, P2,ÂŹP3 ` ÂŹP1 â ÂŹP2 ⨠P3.
ZEILE 3: P1,ÂŹP2, P3 ` ÂŹP1 â ÂŹP2 ⨠P3.
ZEILE 4: P1,ÂŹP2,ÂŹP3 ` ÂŹP1 â ÂŹP2 ⨠P3.
ZEILE 5: ÂŹP1, P2, P3 ` ÂŹP1 â ÂŹP2 ⨠P3.
ZEILE 6: ÂŹP1, P2,ÂŹP3 ` ÂŹ(ÂŹP1 â ÂŹP2 ⨠P3).
ZEILE 7: ÂŹP1,ÂŹP2, P3 ` ÂŹP1 â ÂŹP2 ⨠P3.
ZEILE 8: ÂŹP1,ÂŹP2,ÂŹP3 ` ÂŹP1 â ÂŹP2 ⨠P3.
Da nur in Zeile 6 der Wahrheitswerttabelle B der Wert F zugeordnet wird,muss nur fĂźr diesen Fall im entsprechenden ableitbaren Argumentschema als K-Formel ÂŹ(ÂŹP1 â ÂŹP2 ⨠P3) gewählt werden. Die jeweiligen Pr-Formelnergeben sich unter Anwendung von Erläuterung 6.6 auf die Belegungen der Satz-buchstaben P1, P2, P3.
Beweis des Metasatzes: Es wird bewiesen, dass der Metasatz fĂźr folgendesechs einfachsten Instanzen von B gilt:
FALL 1: B = P1.
FALL 2: B = ÂŹP1.
FALL 3: B = P1 â P2.
FALL 4: B = P1 &P2.
FALL 5: B = P1 ⨠P2.
FALL 6: B = P1 â P2.
Wie weiter unten erläutert wird (siehe S. 175), ist mit dem Beweis fßr diese ein-fachsten Instanzen auch der Metasatz fßr alle beliebigen J -Formeln als Instanzenvon B bewiesen.
168
BEWEISE:
FALL 1:
J-Formel: P1
Wahrheitswerttabelle:
Zeile P1 P1
1. W W2. F F
Argumentschemata:
ZEILE 1: P1 ` P1.
ZEILE 2: ÂŹP1 ` ÂŹP1.
Ableitungen:
P1 ` P1
Ann. Nr. Formel Regel1 (1) P1 AE
ÂŹP1 ` ÂŹP1
Ann. Nr. Formel Regel1 (1) ÂŹP1 AE
FALL 2:
J-Formel: ÂŹP1
Wahrheitswerttabelle:
Zeile P1 ÂŹP1
1. W F2. F W
Argumentschemata:
ZEILE 1: P1 ` ÂŹÂŹP1.
ZEILE 2: ÂŹP1 ` ÂŹP1.
169
Ableitungen:
P1 ` ÂŹÂŹP1
Ann. Nr. Formel Regel1 (1) P1 AE1 (2) ÂŹÂŹP1 1 DNE
ÂŹP1 ` ÂŹP1
Ann. Nr. Formel Regel1 (1) ÂŹP1 AE
FALL 3:
J-Formel: P1 â P2
Wahrheitswerttabelle:
Zeile P1 P2 P1 â P2
1. W W W2. W F F3. F W W4. F F W
Argumentschemata:
ZEILE 1: P1, P2 ` P1 â P2.
ZEILE 2: P1,ÂŹP2 ` ÂŹ(P1 â P2).
ZEILE 3: ÂŹP1, P2 ` P1 â P2.
ZEILE 4: ÂŹP1,ÂŹP2 ` P1 â P2.
170
Ableitungen:
P1, P2 ` P1 â P2
Ann. Nr. Formel Regel1 (1) P1 AE2 (2) P2 AE1,2 (3) P1 &P2 1,2 &E1,2 (4) P2 3 &B5* (5) P1 &ÂŹP2 AE5* (6) ÂŹP2 5 &B1,2,5* (7) P2 &ÂŹP2 4,6 &E1,2 (8) ÂŹ(P1 &ÂŹP2) 5,7 RAA1,2 (9) P1 â P2 SE: 8 PE&
P1,ÂŹP2 ` ÂŹ(P1 â P2)
Ann. Nr. Formel Regel1 (1) P1 AE2 (2) ÂŹP2 AE3* (3) P1 â P2 AE1,3* (4) P2 3,1 MPP1,2,3* (5) P2 &ÂŹP2 4,2 &E1,2 (6) ÂŹ(P1 â P2) 3,5 RAA
ÂŹP1, P2 ` P1 â P2
Ann. Nr. Formel Regel1 (1) ÂŹP1 AE2 (2) P2 AE1,2 (3) ÂŹP1 &P2 1,2 &E1,2 (4) P2 3 &B5* (5) P1 &ÂŹP2 AE5* (6) ÂŹP2 5 &B1,2,5* (7) P2 &ÂŹP2 4,6 &E1,2 (8) ÂŹ(P1 &ÂŹP2) 5,7 RAA1,2 (9) P1 â P2 SE: 8 PE&
ÂŹP1,ÂŹP2 ` P1 â P2
Ann. Nr. Formel Regel1 (1) ÂŹP1 AE2 (2) ÂŹP2 AE1,2 (3) ÂŹP1&ÂŹP2 1,2 &E1,2 (4) ÂŹP1 3 &B5* (5) P1 &ÂŹP2 AE5* (6) P1 5 &B1,2,5* (7) P1 &ÂŹP1 6,4 &E1,2 (8) ÂŹ(P1 &ÂŹP2) 5,7 RAA1,2 (9) P1 â P2 SE: 8 PE&
FALL 4:
J-Formel: P1 &P2
Wahrheitswerttabelle:
Zeile P1 P2 P1 & P2
1. W W W2. W F F3. F W F4. F F F
171
Argumentschemata:
ZEILE 1: P1, P2 ` P1 &P2
ZEILE 2: P1,ÂŹP2 ` ÂŹ(P1 &P2)
ZEILE 3: ÂŹP1, P2 ` ÂŹ(P1 &P2)
ZEILE 4: ÂŹP1,ÂŹP2 ` ÂŹ(P1 &P2)
Ableitungen:
P1, P2 ` P1 &P2
Ann. Nr. Formel Regel1 (1) P1 AE2 (2) P2 AE1,2 (3) P1 &P2 1,2 &E
P1,ÂŹP2 ` ÂŹ(P1 &P2)
Ann. Nr. Formel Regel1 (1) P1 AE2 (2) ÂŹP2 AE1,2 (3) P1 &ÂŹP2 1,2 &E1,2 (4) ÂŹP2 3 &B5* (5) P1 &P2 AE5* (6) P2 5 &B1,2,5* (7) P2 &ÂŹP2 6,4 &E1,2 (8) ÂŹ(P1 &P2) 5,7 RAA
ÂŹP1, P2 ` ÂŹ(P1 &P2)
Ann. Nr. Formel Regel1 (1) ÂŹP1 AE2 (2) P2 AE3 (3) ÂŹP1 &P2 1,2 &E1,2 (4) ÂŹP1 3 &B5* (5) P1 &P2 AE5* (6) P1 5 &B1,2,5* (7) P1 &ÂŹP1 6,4 &E1,2 (8) ÂŹ(P1 &P2) 5,7 RAA
ÂŹP1,ÂŹP2 ` ÂŹ(P1 &P2)
Ann. Nr. Formel Regel1 (1) ÂŹP1 AE2 (2) ÂŹP2 AE1,2 (3) ÂŹP1 &ÂŹP2 1,2 &E1,2 (4) ÂŹP1 3 &B5* (5) P1 &P2 AE5* (6) P1 5 &B1,2,5* (7) P1 &ÂŹP1 6,4 &E1,2 (8) ÂŹ(P1 &P2) 5,7 RAA
172
FALL 5:
J-Formel: P1 ⨠P2
Wahrheitswerttabelle:
Zeile P1 P2 P1 ⨠P2
1. W W W2. W F W3. F W W4. F F F
Argumentschemata:
ZEILE 1: P1, P2 ` P1 ⨠P2
ZEILE 2: P1,P2 ` P1 ⨠P2
ZEILE 3: P1, P2 ` P1 ⨠P2
ZEILE 4: P1,P2 ` (P1 ⨠P2)
Ableitungen:
P1, P2 ` P1 ⨠P2
Ann. Nr. Formel Regel1 (1) P1 AE2 (2) P2 AE1,2 (3) P1 &P2 1,2 &E1,2 (4) P1 3 &B1,2 (5) P1 ⨠P2 4 â¨E
P1,P2 ` P1 ⨠P2
Ann. Nr. Formel Regel1 (1) P1 AE2 (2) ÂŹP2 AE1,2 (3) P1 &ÂŹP2 1,2 &E1,2 (4) P1 3 &B1,2 (5) P1 ⨠P2 4 â¨E
P1, P2 ` P1 ⨠P2
Ann. Nr. Formel Regel1 (1) ÂŹP1 AE2 (2) P2 AE1,2 (3) ÂŹP1 &P2 1,2 &E1,2 (4) P2 3 &B1,2 (5) P1 ⨠P2 4 â¨E
P1,P2 ` (P1 ⨠P2)
Ann. Nr. Formel Regel1 (1) ÂŹP1 AE2 (2) ÂŹP2 AE1,2 (3) ÂŹP1 &ÂŹP2 1,2 &E1,2 (4) ÂŹ(P1 ⨠P2) SE: 3 DMGâ¨
173
FALL 6:
J-Formel: P1 â P2
Wahrheitswerttabelle:
Zeile P1 P2 P1 â P2
1. W W W2. W F F3. F W F4. F F W
Argumentschemata:
ZEILE 1: P1, P2 ` P1 â P2
ZEILE 2: P1,ÂŹP2 ` ÂŹ(P1 â P2)
ZEILE 3: ÂŹP1, P2 ` ÂŹ(P1 â P2)
ZEILE 4: ÂŹP1,ÂŹP2 ` P1 â P2
Ableitungen:
P1, P2 ` P1 â P2
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P1 AE2 (2) P2 AE1,2 (3) P1 â P2 SE: 1,2 Fall 3.11,2 (4) P2 â P1 SE: 1,2 Fall 3.11,2 (5) (P1 â P2) & (P2 â P1) 3,4 &E1,2 (6) P1 â P2 5 âE
174
P1,ÂŹP2 ` ÂŹ(P1 â P2)
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P1 AE2 (2) ÂŹP2 AE3* (3) P1 â P2 AE3* (4) (P1 â P2) & (P2 â P1) 3 âB3* (5) P1 â P2 4 &B1,3* (6) P2 5,1 MPP1,2,3* (7) P2 &ÂŹP2 6,2 &E1,2 (8) ÂŹ(P1 â P2) 3,7 RAA
ÂŹP1, P2 ` ÂŹ(P1 â P2)
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) ÂŹP1 AE2 (2) P2 AE3* (3) P1 â P2 AE3* (4) (P1 â P2) & (P2 â P1) 3 âB3* (5) P2 â P1 4 &B2,3* (6) P1 5,2 MPP1,2,3* (7) P1 &ÂŹP1 6,1 &E1,2 (8) ÂŹ(P1 â P2) 3,7 RAA
ÂŹP1,ÂŹP2 ` P1 â P2
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) ÂŹP1 AE2 (2) ÂŹP2 AE1,2 (3) P1 â P2 SE: 1,2 Fall 3.41,2 (4) P2 â P1 SE: 1,2 Fall 3.41,2 (5) (P1 â P2) & (P2 â P1) 3,4 &E1,2 (6) P1 â P2 5 âE
Der Beweis des Metasatzes fĂźr die sechs einfachsten Instanzen von B isthinreichend fĂźr den Beweis des Metasatzes im Allgemeinen, denn:
175
Erläuterung 6.7Gilt der Metasatz fßr die sechs einfachsten Instanzen von B, dann auchfßr alle beliebigen J -Formeln als Instanzen von B.
BegrĂźndung: Nach Erläuterung 5.9 folgt aus der Ableitbarkeit der einzel-nen Instanzen die Ableitbarkeit beliebiger Instanzen. Demnach gilt z.B.: WennâP1,ÂŹP2
` ÂŹ(P1 â P2)â ableitbar ist, dann auch âÂŹP1,ÂŹ(ÂŹP2 ⨠P3) ` ÂŹ(ÂŹP1 âÂŹP2 ⨠P3)â. Nach Erläuterung 5.10 kann jede K-Formel, deren Pr-Formelnwiederum aus anderen Prâ-Formeln abgeleitet werden, direkt aus diesen Prâ-Formeln abgeleitet werden. Durch Anwendung dieser beiden Erläuterungen kanndie Ableitbarkeit eines gemäss Erläuterung 6.6 gewonnenen Argumentschemas aufdie Ableitbarkeit der sechs einfachsten Fälle zurĂźckgefĂźhrt werden. Dies zeigt dasunten angefĂźhrte Beispiel. Da nach Erläuterung 2.2 jede J -Formel schrittweise ausSatzvariablen und den fĂźnf Junktoren âÂŹâ, âââ, â&â, ââ¨â, âââ zusammengesetztist, und nach Erläuterung 3.9 jedes Argumentschema aus J -Formeln gewonnenwird, kann nach diesem Verfahren auch jedes gemäss Erläuterung 6.6 gewonneneArgumentschema auf die Ableitbarkeit der sechs einfachsten Fälle zurĂźckgefĂźhrtwerden.
Beispiel: B sei ÂŹP1 â ÂŹP2 ⨠P3. Gegeben sei folgende Belegung (Zeile6 des Beispiels auf S. 166):
Zeile P1 P2 P3 ÂŹ P1 â ÂŹ P2 ⨠P3
6. F W F W F F F
Demnach ist nach Erläuterung 6.6 folgendes Argumentschema zu konstruie-ren:
ZEILE 6: ÂŹP1, P2,ÂŹP3 ` ÂŹ(ÂŹP1 â ÂŹP2 ⨠P3).
Zu beweisen ist, dass dieses ableitbar ist.
1. Nach Metasatz, FALL 3 gilt: Wenn B = âP1 â P2â, und âP1â mit W ,âP2â mit F und das Konditional mit F belegt ist, dann ist das gemässErläuterung 6.6 hieraus zu konstruierende Argumentschema âP1,ÂŹP2 `ÂŹ(P1 â P2)â ableitbar. Nach Erläuterung 5.9 ist dann auch jede andereInstanz, die durch Ersetzung von âP1â und âP2â durch andere J -Formeln
176
mit derselben Wahrheitswertbelegung gewonnen wird, ableitbar. Also auchâÂŹP1,ÂŹ(ÂŹP2 ⨠P3) ` ÂŹ(ÂŹP1 â ÂŹP2 ⨠P3)â.
2. Nach Metasatz, FALL 5 gilt: Wenn B = âP1 ⨠P2â, und âP1â sowie âP2â mitF belegt sind, dann ist âÂŹP1,ÂŹP2 ` ÂŹ(P1 ⨠P2)â ableitbar. Nach Erläu-terung 5.9 ist dann auch jede andere Instanz, die durch Ersetzung von âP1âund âP2â durch andere J -Formeln mit derselben Wahrheitswertbelegunggewonnen wird, ableitbar. Also auch âÂŹÂŹP2,ÂŹP3 ` ÂŹ(ÂŹP2 ⨠P3)â.
3. Nach Metasatz, FALL 2 gilt: Wenn B = âÂŹP1â, und âP1â mit W belegtist, dann ist âP1 ` ÂŹÂŹP1â ableitbar. Nach Erläuterung 5.9 ist dann auchjede andere Instanz, die durch Ersetzung von âP1â durch andere J -Formelnmit derselben Wahrheitswertbelegung gewonnen wird, ableitbar. Also auchâP2 ` ÂŹÂŹP2â .
4. Nach 1. ist âÂŹ(ÂŹP1 â ÂŹP2 ⨠P3)â aus âÂŹP1,ÂŹ(ÂŹP2 ⨠P3)â ableitbar,nach 2. ist âÂŹ(ÂŹP2 ⨠P3)â aus âÂŹÂŹP2,ÂŹP3â ableitbar, nach 3) ist âÂŹÂŹP2â ausâP2â ableitbar. Nach Erläuterung 5.10 ist demnach âÂŹ(ÂŹP1 â ÂŹP2 ⨠P3)âaus âÂŹP1, P2,ÂŹP3â ableitbar.
2.2 TRANSFORMATIONSSCHRITT 2
Zu beweisen ist:
VOLLSTĂNDIGKEITSSATZ 1: Wenn eine J -Formel allgemeingĂźltig ist, dann ist sieals Theorem ableitbar.
Es sei B eine allgemeingßltige Formel, d.h. gemäss Erläuterung 2.10, dassunter allen 2n mÜglichen Belegungen der Satzbuchstaben der Hauptjunktor derJ -Formel mit W belegt ist. Gemäss dem Metasatz gilt:
Erläuterung 6.8Ist eine beliebige J -Formel B allgemeingßltig, dann sind sämtliche Ar-gumentschemata der Form A1 . . . An ` B ableitbar.
Zu zeigen ist, dass unter dieser Voraussetzung B als Theorem ableitbar ist.Dies wird bewiesen, indem ein allgemeines Verfahren angegeben wird, nach demunter Voraussetzung des Metasatzes ein beliebiges Theorem ableitbar ist.
177
Erläuterung 6.9Unter Voraussetzung des Metasatzes ist eine beliebige allgemeingßltige J -Formel nach folgendem Verfahren als Theorem ableitbar:
1. FĂźhre in n Schritten mittels TE: GTD die Formeln P1 â¨ÂŹP1 . . . Pn ⨠Pn ein!
2. Fßhre in 2 ¡ n Schritten mittels AE die FormelnP1,P1 . . . Pn,Pn als Hilfsannahmen ein!
3. Wende unter Bezugnahme auf die gemäss dem Metasatz ableitbarenArgumentschemata 2n mal SE an, so dass 2n mal die Formel B ausden als Hilfsannahmen eingefßhrten Formeln abgeleitet wird!
4. Wende 2nâ1 + 2nâ2 . . . + 2nân mal â¨B an bis B als Theoremabgeleitet ist!
Nach diesem Verfahren ist ein jedes beliebige Theorem in n + 2 ¡ n + 2n +2nâ1 + 2nâ2 . . . + 2nân Schritten ableitbar.
Das Verfahren beschreibt ein allgemeines Ableitungsschema der folgendenForm:6
6Auf die nach Erläuterung 6.6 aus den einzelnen 2n Zeilen der Wahrheitswerttabellen ableitbarenArgumentschemata wird mit âZ1â, âZ2â . . . âZ2nâ verwiesen.
178
Annahme Nr. Formel Regel
(1) P1 ⨠P1 TE:GTD...
(n) Pn ⨠Pn TE:GTD
n + 1* (n + 1) P1 AEn + 2* (n + 2) ÂŹP1 AEn + 3* (n + 3) P2 AE
...n + 2 ¡ nâ 1* (n+2 ¡nâ1) Pn AEn + 2 ¡ n* (n + 2 ¡ n) ÂŹPn AE
n + 1*, n + 3*, . . . ,n + 2 ¡ nâ 1*
(n+2 ¡n+1) B SE: n+1, n+3, . . . , n+2 ¡nâ 1 Z1
...n + 2*, n + 4*, . . . ,n + 2 ¡ n*
(n+2¡n+2n) B SE: n+2, n+4, . . . , n+2¡nZ2n
n + 3*, n + 5*, . . . ,n + 2 ¡ nâ 1*
(n + 2 ¡ n +2n + 1)
B 1; n+1, n+2 ¡n+1; n+2,n + 2 ¡ n + 2n
2 + 1 â¨Bn + 3*, n + 5*, . . . ,n + 2 ¡ n*
(n + 2 ¡ n +2n + 2)
B 1; n+1, n+2 ¡n+2; n+2,n + 2 ¡ n + 2n
2 + 2 â¨B...
n + 4*, n + 6*, . . . ,n + 2 ¡ n*
(n + 2 ¡ n +2n + 2nâ1)
B 1; n+1, n+2¡n+ 2n
2 ; n+2,n + 2 ¡ n + 2n â¨B
n + 5*, . . . , n + 2 ¡nâ 1*
(n + 2 ¡ n +2n + 2nâ1 +1)
B 2; n + 3, n + 2 ¡n + 2n + 1;n+4, n+2¡n+2n+ 2nâ1
2 +1â¨B
...
n+6*, . . . , n+2¡n* (n + 2 ¡ n +2n + 2nâ1 +2nâ2)
B 2; n+3, n+2¡n+2n+ 2nâ1
2 ;n+4, n+2 ¡n+2n +2nâ1
â¨B...
(n + 2 ¡ n +2n + 2nâ1 +2nâ2 . . . +2nân)
B n; n + 2 ¡ n â 1, n + 2 ¡n+2n +2nâ1 +2nâ2 . . .+2nâ(nâ2)+1; n+2¡n, n+2¡n+2n +2nâ1 +2nâ2 . . .+2nâ(nâ2) + 2nâ(nâ1) â¨B
179
Dies ist ein Ableitungsschema fĂźr Theoreme. Auf Grund von Erläuterung 6.8gilt, dass â unter der Voraussetzung, dass das Ableitungsschema die Ableitung vonTheoremen ermĂśglicht â durch dieses Ableitungsschema auch jede allgemeingĂźl-tige J -Formel als Theorem ableitbar ist. Aber es ist noch nicht bewiesen, dassallgemeingĂźltige Formeln nach diesem Schema auch tatsächlich als Theoremeabgeleitet werden kĂśnnen. Dies bedarf noch eines Beweises.7 Dass mittels des Ab-leitungsschemas eine beliebige allgemeingĂźltige Formel abgeleitet werden kann,wird durch eine beliebige Instanz dieses Schemas bewiesen, denn es gilt:
Erläuterung 6.10Ist eine Instanz eines Ableitungsschemas eine Ableitung eines Theorems(oder Argumentschemas), dann ist jede Instanz desselben Ableitungssche-mas eine Ableitung eines Theorems (oder Argumentschemas).
BegrĂźndung: In jeder Instantiierung des Ableitungsschemas werden diesel-ben Ableitungsschritte nach demselben Schema gemäss denselben korrekten Ablei-tungsregeln vorgenommen. Kann demnach bei einer Instantiierung eine fraglicheallgemeingĂźltige Formel als Theorem â d.i. mit leerer Annahmenliste â abgelei-tet werden, dann kĂśnnen alle Instanzen nach demselben Schema als Theoremeabgeleitet werden. Und kann bei einer Instantiierung eine fragliche K-Formelallein aus den Pr-Formeln abgeleitet werden, dann kĂśnnen alle instanziiertenArgumentschemata nach demselben Schema abgeleitet werden.
Beweisendes Beispiel:
AllgemeingĂźltige J-Formel: P &Q â P
Wahrheitswerttabelle:
Zeile P Q P & Q â P
1. W W W W2. W F F W3. F W F W4. F F F W
Diese Wahrheitswerttabelle beweist, dass die J -Formel allgemeingĂźltig ist.
7Lemmon bemerkt lediglich, dass es durch ein Beispiel âklar sein sollteâ (âit should be clearfrom this exampleâ, S. 89), dass das angegebene Argumentschema in jedem Fall zur Ableitungvon Theoremen fĂźhrt. Warum die Angabe eines Beispieles nicht nur âklar machtâ, sondern auchbeweist, dass das Ableitungsschema zur Ableitung von Theoremen fĂźhrt, soll hier erläutert werden.
180
Unter Voraussetzung des Metasatzes sind gemäss den einzelnen Zeilen derWahrheitswerttabellen aus der J -Formel âP &Q â P â folgende ableitbaren Ar-gumentschemata zu konstruieren:
Ableitbare Argumentschemata:
Z 1: P,Q ` P &Q â P .
Z 2: P,ÂŹQ ` P &Q â P .
Z 3: ÂŹP,Q ` P &Q â P .
Z 4: ÂŹP,ÂŹQ ` P &Q â P .
Ableitung:
Da n im Beispiel gleich 2 ist, lässt sich gemäss Erläuterung 6.9 unter Anwen-dung dieser ableitbaren Argumentschemata eine Ableitung in 2 + 2 ¡ 2 + 22 +(22â1 + 22â2) = 13 Schritten auf folgende Weise konstruieren:
Annahme Nr. Formel Regel(1) P ⨠P TE:GTD(2) Q ⨠Q TE:GTD
3* (3) P AE4* (4) ÂŹP AE5* (5) Q AE6* (6) ÂŹQ AE3*,5* (7) P &Q â P SE: 3,5 Z13*,6* (8) P &Q â P SE: 3,6 Z24*,5* (9) P &Q â P SE: 4,5 Z34*,6* (10) P &Q â P SE: 4,6 Z45* (11) P &Q â P 1;3,7;4,9 â¨B6* (12) P &Q â P 1;3,8;4,10 â¨B
(13) P &Q â P 2;5,11;6,12 â¨B
181
2.2.1 TRANSFORMATIONSSCHRITT 3
Zu beweisen ist:
VOLLSTĂNDIGKEITSSATZ 2: Wenn ein Argumentschema korrekt ist, dann ist esauch ableitbar.
Es sei A1, A2, . . . , An ` B ein beliebiges korrektes Argumentschema. Dannist gemäss Erläuterung 3.13 das zugehĂśrige Konditional A1 &A2 . . . &An â BallgemeingĂźltig. Nach Vollständigkeitssatz 1 ist dieses folglich als Theorem ableitbar.Da jedes Argumentschema nach Erläuterung 3.10 ein zugehĂśriges Konditional be-sitzt und nach Erläuterung 3.13 dieses allgemeingĂźltig ist, wenn das Argumentsche-ma korrekt ist, und da nach dem Vollständigkeitssatz 1 jede allgemeingĂźltige Formelals Theorem ableitbar ist, wird Vollständigkeitssatz 2 fĂźr alle Argumentschematabewiesen, wenn bewiesen werden kann, dass unter der Voraussetzung, dass daszugehĂśrige Konditional eines beliebigen korrekten Argumentschemas als Theo-rem ableitbar ist, dieses Argumentschema ableitbar ist. Zu zeigen ist, dass dasArgumentschema A1, A2, . . . , An ` B ableitbar ist, unter der Voraussetzung,dass das zugehĂśrige Konditional A1 &A2 . . . &An â B als Theorem ableitbarist. Dies wird bewiesen, indem ein allgemeines Verfahren angegeben wird, nach demunter Voraussetzung des Vollständigkeitssatzes 1 ein beliebiges Argumentschemaableitbar ist.
Erläuterung 6.11Unter Voraussetzung von Vollständigkeitssatz 1 ist ein beliebiges korrektesArgumentschema nach folgendem allgemeinen Verfahren ableitbar:
1. FĂźhre mittels AE alle Annahmen A1 . . . An des Argumentsche-mas mittels n Schritten ein!
2. FĂźhre mittels &E in nâ 1 Schritten die Konjunktion aller Annah-men A1 &A2 . . . An ein!
3. FĂźhre mittels TE das dem Argumentschema zugehĂśrige Kondi-tional als Theorem ein!
4. Leite B mittels MPP ab!
182
Nach diesem Verfahren ist jedes Argumentschema mittels n+(nâ1)+1+1Schritten nach folgendem Schema ableitbar:8
Annahme Nr. Formel Regel
1 (1) A1 AE...
n (n) An AE
1,2 (n + 1) A1 &A2 1,2 &E...
1, . . . , n (n + (nâ 1)) A1 & . . . &An n, n + (n â 2)&E
(n + (nâ 1) + 1) A1 & . . . &An â B TE:ZK
1, . . . , n (n + (nâ 1) + 1 + 1) B n + (n â 1) +1, n + (n â 1)MPP
Dass nach diesem Ableitungsschema beliebige Argumentschemata abgeleitetwerden kÜnnen, beweist nach Erläuterung 6.10 eine beliebige Instanz:
Korrektes Argumentschema: P, Q ¡¡¡ P
ZugehĂśriges Konditional: P &Q â P
Dass das Argumentschema korrekt ist, beweist die Wahrheitswerttabelle (sie-he S. 179), dass es als Theorem ableitbar ist, folgt aus Vollständigkeitssatz 1 (siehe S.180).
Gemäss Erläuterung 6.11 lässt sich fĂźr das korrekte Argumentschema unterVerwendung des zugehĂśrigen Konditionals in 2+(2â1)+1+1 = 5 Schritteneine Ableitung konstruieren:
8Bei TE wird mit âZKâ auf das zugehĂśrige Konditional Bezug genommen.
183
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) P AE2 (2) Q AE1,2 (3) P &Q 1,2 &E
(4) P &Q â P TE:ZK1,2 (5) P 4,3 MPP
Zusatzbemerkung 6.2: Der hier im Anschluss an Lemmon gegebene Vollständigkeitsbeweis
des GLKJ beschreibt eine Methode, nach der aus der Wahrheitswertanalyse einer beliebigen allge-
meingĂźltigen Formel oder eines beliebigen Argumentschemas eine Ableitung konstruiert werden
kann.
Zusatzbemerkung 6.3: Aus der Korrektheit und Vollständigkeit des GLKJ folgt, dass die
Ableitbarkeit von J -Formeln und Argumentschemata im GLKJ entscheidbar ist: Denn nach der Wahr-
heitswertanalyse kann entschieden werden, ob eine J -Formel allgemeingĂźltig bzw. ein Argument-
schema korrekt ist. Ist dies der Fall, dann folgt auf Grund der Vollständigkeit des GLKJ , dass sie
ableitbar ist. Ist dies nicht der Fall, dann folgt auf Grund der Korrektheit des GLKJ , dass sie nicht
ableitbar ist.
Erläuterung 6.12Der GLKJ ist korrekt und vollständig:
|=J A gdw. `J AA1, . . . , An |=J B gdw. A1, . . . , An `J B
3 KRITERIEN LOGISCHER BEWEISE
Mit der Wahrheitswertanalyse und den Ableitungen gibt es zwei unterschiedlicheBeweisverfahren in der Aussagenlogik. Auf Grund der Korrektheit und Vollstän-digkeit des GLKJ leisten diese beiden Verfahren fßr die Bewertung der Schlßs-sigkeit von Argumenten dasselbe. Warum berßcksichtigt man ßberhaupt zwei Be-weisverfahren, wenn sie doch fßr die Bewertung der Schlßssigkeit von Argumen-ten dasselbe leisten?
Lemmon nennt drei Grßnde fßr die Verwendung von Ableitungen:9 Erstenswird die Wahrheitswertanalyse bei zunehmender Komplexität der Argumentsche-
9Lemmon (1998), S. 90f.
184
mata deutlich aufwendiger als die Ableitungen der entsprechenden komplexen Ar-gumentschemata; zweitens imitieren die Ableitungen im Unterschied zur Wahr-heitswertanalyse das gewÜhnliche Argumentieren; drittens zeigen die Ableitungen in-terne Abhängigkeiten zwischen Formeln, so dass man aus gegebenen Formeln an-dere konstruieren kann, sowie interne Abhängigkeiten zwischen Schlussregelnund logischen Gesetzen, so dass man an ihnen auch die Konsequenzen studierenkann, die die Ablehnung einer Schlussregel (z.B. der Monotonieregel MON inder nicht-monotonen Logik) oder eines logischen Gesetzes (z.B. das Gesetz vomausgeschlossenen Dritten GTD in mehrwertigen Logiken) mit sich bringt.
Die ersten beiden Grßnde sind logisch bedeutungslos: Der erste genannteVorteil der Ableitungen ist hÜchstens von praktischer Bedeutung bei komplexerenArgumentschemata, dem man aber auch mittels der Methode des gezielten Su-chens widerlegender Belegungen oder mittels Computerauswertungen begegnenkann. In Bezug auf Lemmons zweiten Grund ist nicht ersichtlich, warum er fßrund nicht gegen die Ableitungen spricht: Ein logisches Beweisverfahren soll dasBestehen oder Nichtbestehen einer formalen Eigenschaft oder Relation beweisen,ob es dabei natßrliche Strategien imitiert oder nicht, ist logisch bedeutungslos. ImZusammenhang mit den Ausfßhrungen zum Korrektheitsbeweis wurde vielmehrdarauf hingewiesen, dass bei metalogischen Beweisen die Imitation natßrlicherArgumentationen zu Problemen der Zirkularität und eines inhaltlichen Beweis-verständnisses fßhrt.
Lemmons dritter Grund nennt einen Punkt, der die Ableitungen tatsächlichin logisch relevanter Hinsicht von den Wahrheitswerttabellen unterscheidet. Beiden Wahrheitswerttabellen sind stets J -Formeln gegeben, und man ordnet ihnenW/F Tabellen zu, ein Ăbergang zu anderen Formeln findet nicht statt. In dieserHinsicht erĂśffnen Ableitungen MĂśglichkeiten, Formeln aus anderen Formeln zugenerieren, die die Wahrheitswerttabellen nicht bieten. Dies ist ein Vorteil derAbleitungen.
Andererseits besitzen die Wahrheitswerttabellen einen vergleichbaren Vorteilgegenßber den Ableitungen. Durch sie lässt sich unabhängig von der Definitionder formalen Sprache J ein System mÜglicher wahrheitsfunktionaler Beziehungenentwickeln: So lässt sich mittels der Wahrheitswerttabellen zeigen, dass es zwi-schen zwei unterschiedlichen Satzbuchstaben genau 16 mÜgliche unterschiedlichewahrheitsfunktionale Beziehungen gibt. Man gewinnt hierdurch die MÜglichkeit,die Ausdrucksfähigkeit der Sprache J zu bewerten. Auf Grund der Unterschied-lichkeit der beiden Beweisverfahren leisten beide etwas, was das andere nichtleistet.
185
Als ein weiteres Argument fßr Ableitungen kÜnnte man nennen, dass dieWahrheitswertanalyse kein rein formales logisches Beweisverfahren darstelle, son-dern eine inhaltliche Beweismethode sei. Dieses Argument ist bereits im Exkurszu LEKTION 2 entkräftet worden.
In einer anderen Hinsicht besteht hingegen ein wesentlicher Vorteil der Wahr-heitswertanalyse gegenßber den Ableitungen. Misst man die beiden Beweisver-fahren an dem in LEKTION 1 genannten Kriterium der Entscheidbarkeit, dannist die Wahrheitswertanalyse den Ableitungen eindeutig vorzuziehen, denn sieerlaubt es, im Unterschied zu den Ableitungen das Bestehen und Nichtbestehenformaler Eigenschaften und Relationen nach einem rein mechanischen Verfah-ren zu entscheiden. Ableitungen dagegen kÜnnen nur beweisen, dass eine K-Formel aus Pr-Formeln ableitbar und demzufolge das formalisierte Argumentschlßssig ist: Sie kÜnnen weder beweisen, dass Argumente nicht schlßssig sind,noch ermitteln sie detaillierte wahrheitsfunktionale Analysen komplexer Formeln.Und unabhängig von der Wahrheitswertanalyse gibt es auch kein mechanisierbaresVerfahren fßr das Konstruieren von Ableitungen.10
Erläuterung 6.13Die Wahrheitswerttabellen erfßllen im Unterschied zu Ableitungen dasKriterium der Entscheidbarkeit in vollem Umfang.
Auf diesem Hintergrund nennt Lemmon ein viertes, wichtiges Argument fĂźrdie Beweismethode der Ableitungen: In der Quantorenlogik lassen sich durch Er-weiterung des GLKJ fĂźr jedes korrekte quantorenlogische Argumentschema Ab-leitungen finden, aber es gibt in der Quantorenlogik kein den Wahrheitswerttabel-len analoges Entscheidungsverfahren. Man ist in der Quantorenlogik auf die Ab-leitungen als Beweismethode angewiesen, und kann diese durch Erweiterung desGLKJ definieren. Dieses Argument setzt voraus, dass es fĂźr die Quantorenlogikkein mechanisierbares Entscheidungsverfahren gibt (vgl. hierzu die AusfĂźhrungenin LEKTION 12).
Ein ganz anderer Grund fßr die Darstellung zweier Beweisverfahren inner-halb der Aussagenlogik ist der, dass hierdurch metalogische und philosophische Er-Ürterungen verschiedener Beweisverfahren ermÜglicht werden. Die beiden be-schriebenen Beweisverfahren stellen Prototypen unterschiedlicher Beweisverfahren dar,denen jeweils ein unterschiedliches Beweisverständnis zugrunde liegt.
10Das in Abschnitt 2 beschriebene Verfahren setzt die Wahrheitswertanalyse voraus!
186
Die Ableitungen stellen ein Verfahren dar, in dem Formeln einer Formelmen-ge in Formeln derselben Formelmenge nach bestimmten Regeln umgeformt wer-den; die Wahrheitswerttabellen dagegen stellen â zumindest in ihrer im Exkurs zuLEKTION 2 beschriebenen formalen Deutung â ein Verfahren dar, in dem Aus-drĂźcke eines Zeichensystems in AusdrĂźcke eines anderen Zeichensystems transfor-miert werden zu dem Zweck, durch die äusseren Merkmale dieses Zeichensystemsfragliche formale Eigenschaften und Relationen zu identifizieren. Die erste Stra-tegie entspricht dem natĂźrlichen Schlussfolgern oder Argumentieren, und auchdem Umformen mathematischer AusdrĂźcke zum Zwecke des LĂśsens von Glei-chungen. Die zweite Strategie ähnelt dem Beweis geometrischer Aussagen mittelsZerlegung und/oder Zusammensetzung von Figuren.11 In derartigen Beweisenwird ein fraglicher geometrischer Satz durch eine geometrische Strukturierungbewiesen, und nicht durch Ableitung aus geometrischen Axiomen.
Man kann die beiden aussagenlogischen Beweisverfahren unter RĂźckgriff aufdie AusfĂźhrungen in LEKTION 1 als unterschiedliche LĂśsungen des Problemsverstehen, dass die äusseren Eigenschaften der J -Formeln es nicht erlauben, ihreformalen Eigenschaften zu identifizieren. Die beiden Formeln âP â Qâ undâP ⨠Qâ sind formal äquivalent, aber ihr äusserer Ausdruck unterschiedlich. DieFormeln âP &Qâ und âÂŹP ⨠Qâ sind einander entgegengesetzt â sie kĂśnnennicht beide erfĂźllt sein, aber ihr äusserer Ausdruck enthält kein Merkmal, durchdas sich dieser Gegensatz identifizieren liesse. âP &Qâ impliziert formal âP âQâ, aber nicht âP â Qâ oder âP ⨠Qâ, aber es gibt kein äusseres Merkmal,anhand dessen sich formale Implikationen direkt an den J -Formeln identifizierenlassen.
Die Wahrheitswerttabellen lĂśsen dieses Problem, indem sie die J -Formeln inW/F Tabellen transformieren, durch die formale Eigenschaften wie die formaleĂquivalenz, formale Implikation oder WidersprĂźchlichkeit identifiziert werdenkĂśnnen. Die Ableitungen lĂśsen dieses Problem nicht durch Zuordnung zu ande-ren AusdrĂźcken, die den besagten Mangel nicht besitzen, sondern durch Identi-fikation von Ableitbarkeitsverhältnissen zwischen den J -Formeln, durch die sichdie genannten formalen Eigenschaften identifizieren lassen: Eine J -Formel im-pliziert eine andere, wenn die andere aus ihr ableitbar ist; die Formeln sind äquiva-lent, wenn sie auseinander ableitbar sind; und sie sind entgegengesetzt, wenn eineFK-Formel aus ihnen ableitbar ist. Die Ableitungen beheben im Unterschied zuden Wahrheitswerttabellen den Mangel der Identifikation formaler Eigenschaftendurch den äusseren Ausdruck der Formeln nicht, aber sie ermĂśglichen die Identi-fikation interner Beziehungen zwischen den Formeln.
11Vgl. hierzu Thiel (1995), S. 53 und S. 77ff.
187
Prinzipiell lässt sich ein logisches Beweisverfahren im Sinne der Transforma-tion von Ausdrßcken eines Zeichensystems in Ausdrßcke eines anderen Zeichen-systems zum Zweck der Identifikation wahrheitsfunktionaler Eigenschaften undBeziehungen daran messen, ob jeder Unterschied wahrheitsfunktionaler Eigen-schaften oder wahrheitsfunktionaler Beziehungen durch einen äusseren Unter-schied in den beweisenden Ausdrßcken identifiziert werden kann. Ist dies der Fall,dann besitzt das beweisende Zeichensystem die logische Mannigfaltigkeit, die es zurErfßllung seiner Aufgabe besitzen muss: Es sind in ihm genau so viele Unter-schiede identifizierbar, wie es unterschiedliche wahrheitsfunktionale Beziehungengibt.
Die Wahrheitswerttabellen erfĂźllen dieses Kriterium noch nicht in vollem Mas-se, denn nicht allen äquivalenten Formeln werden identische W/F Tabellen zuge-ordnet: âP â und âP &(Q ⨠Q)â sind z.B. formal äquivalent, aber ihnen werdennicht identische W/F Tabellen zugeordnet: Im einen Fall erhält man eine Tabellemit zwei, im anderen mit vier Zeilen. Auch die formal äquivalenten AusdrĂźckeâP â und âÂŹÂŹP â werden strenggenommen nicht derselben W/F Tabelle zugeordnet:Im einen Fall erhält man zwei, im andern vier Spalten. Es ist aber durch EinfĂźh-rung zusätzlicher Regeln mĂśglich, die W/F Tabellen weiter zu transformieren,so dass das genannte Kriterium der adäquaten logischen Mannigfaltigkeit in derAussagenlogik erfĂźllt werden kann.
Ziel eines derartigen Beweisverfahrens ist es, alle logisch irrelevanten Unter-schiede zu beseitigen: Es lassen sich z.B. gemäss der Definition wohlgeformter J -Formeln unendlich viele Formeln der Reihe âP,ÂŹÂŹP,ÂŹÂŹÂŹÂŹP, . . . â konstruieren,aber diese Unterschiede in der Anzahl der Negationen sind logisch bedeutungslos,denn ihnen entspricht kein Unterschied in den wahrheitsfunktionalen Beziehun-gen. Entsprechend lautet die Aufgabe eines derartigen Beweisverfahrens, solcheRegeln zu definieren, durch die diesen unendlich vielen formal äquivalenten For-meln derselbe Ausdruck zugeordnet wird.
Ableitungen erfĂźllen ein derartiges Kriterium nicht, und sie bezwecken diesauch nicht. Es sind aus einer Formel âP â gemäss DNE unendlich viele Formelnder Reihe âÂŹÂŹP,ÂŹÂŹÂŹÂŹP, . . . â ableitbar. Aus der Perspektive eines Beweisverfah-rens, das bezweckt, logisch bedeutungslose Unterschiede in den Formeln zu eli-minieren, erreichen die Ableitungen nichts. Im Gegenteil: Es werden mit den Ar-gumentschemata als Ausgangspunkt noch weitere logisch bedeutungslose Unter-schiede wie das Abtrennen von Formeln mittels eines Kommas oder das Schrei-ben von Formeln in unterschiedliche Zeilen anstelle ihrer Konjunktion einge-fĂźhrt, so dass hierfĂźr mit der Regel &E bzw. &B eigens die MĂśglichkeit der Um-formung geregelt werden muss. Dies ist jedoch â gemessen an dem Kriterium der
188
Entscheidbarkeit â kein Defizit, solange formale Eigenschaften und Beziehungendurch Ableitbarkeitsbeziehungen identifiziert werden kĂśnnen.
Erläuterung 6.14In der Aussagenlogik lässt sich ein Beweisverfahren entwickeln, durchdas sämtliche wahrheitsfunktionalen Eigenschaften und Beziehungendurch äussere Merkmale eines beweisenden Zeichensystems identifiziertwerden kÜnnen.Ableitungen kÜnnen demgegenßber nicht sämtliche wahrheitsfunktiona-len Eigenschaften und Beziehungen durch Bezugnahme auf Ableitbar-keitsbeziehungen identifizieren.
Gemeinhin wird angenommen, dass innerhalb der mehrstelligen Quantoren-logik nur noch Ableitungen als leistungsfähiges Beweisverfahren in Frage kom-men. Dieses Urteil beruht darauf, dass man fßr die mehrstellige Quantorenlo-gik keine Beweisverfahren kennt, die der hier gegebenen formalen Deutung derWahrheitswerttabellen entsprechen: Das wären solche Verfahren, in denen belie-bige quantorenlogische Formeln in endlichen Schritten Ausdrßcken eines anderenZeichensystems zugeordnet werden, durch deren äussere Merkmale die formalenEigenschaften und Relationen quantorenlogischer Formeln identifiziert werden.
Der Stoff dieser Lektion ist nicht klausurrelevant. Vor der Klausur zur Aussa-genlogik sollten Sie alle ĂBUNGEN der ersten fĂźnf Lektionen sowie die PROBE-KLAUSUR zur Aussagenlogik erfolgreich absolviert haben!
LEKTION 7
EINFĂHRUNG IN DIE QUANTORENLOGIK
Die LEKTIONEN 7-10 behandeln die Quantorenlogik 1. Stufe, LEKTION 11 dieerweiterte Quantorenlogik 1. Stufe (Quantorenlogik samt Identität), LEKTION 12betrifft die Metalogik der Quantorenlogik. Die LEKTIONEN 7-12 zusammenge-nommen vervollständigen die Aussagenlogik um die erweiterte Quantorenlogik 1.Stufe und schliessen damit die Einfßhrung in die klassische Logik ab.
LEKTION 7 fĂźhrt in die Grundlagen der modernen Quantorenlogik ein. Dererste Abschnitt zeigt, dass die Aussagenlogik nicht reichhaltig genug ist, um die for-malen Eigenschaften und Beziehungen quantifizierter Aussagen zu erfassen. Imzweiten Abschnitt wird die traditionelle Syllogismenlehre als ein System der Identifi-kation formaler Eigenschaften und Beziehungen quantifizierter Aussagen darge-stellt und ihre Grenzen aufgezeigt. Der dritte Abschnitt geht auf Voraussetzungender modernen Quantorenlogik ein, die das Thema der weiteren Lektionen ist.
1 ERWEITERUNG DER AUSSAGENLOGIK
In Erläuterung 1.10 wurde das Kriterium der Reichhaltigkeit eingefßhrt, anhanddessen eine formale Sprache gemessen werden kann. Nach Erläuterung 1.6 sinddie formalen Eigenschaften und Relationen, die die klassische Logik untersucht,wahrheitsfunktionale Eigenschaften und Relationen. Hierunter fallen insbesonde-re die logische Wahrheit, logische Falschheit und logische Folgerung. Es fragt sich,ob die formale Sprache J reichhaltig genug ist, um alle logisch wahren und allelogisch falschen Aussagen sowie alle logischen Folgerungsbeziehungen zwischenAussagen identifizieren zu kÜnnen.
Diese Frage ist zu verneinen, wie sich an einfachen Beispielen zeigt:
a Einige Käfer sind gepanzert.b Alle Käfer sind Insekten.c Einige Insekten sind gepanzert.
Geht man von einem intuitiven Begriff der logischen Folgerung aus, nach demeine Aussage B aus anderen Aussagen A1 . . . An folgt gdw. es ausgeschlossen ist,dass A1 . . . An wahr und B falsch ist, dann folgt c aus a und b. Dies ist offensicht-lich nicht in dem spezifischen Inhalt der Aussagen begrĂźndet. Denn fĂźr gleichartiggebaute Aussagen ganz anderen Inhaltes besteht dieselbe Folgerungsbeziehung:
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a Einige gerade Zahlen sind durch 4 teilbar.b Alle geraden Zahlen sind natĂźrliche Zahlen.c Einige natĂźrliche Zahlen sind durch 4 teilbar.
Entscheidend fĂźr die Folgerungsbeziehung sind nicht einzelne Begriffe (âKä-ferâ, âInsektâ, âgepanzertâ, âgerade Zahlâ, ânatĂźrliche Zahlâ, âdurch 4 teilbarâ), son-dern die Struktur der Aussagen. Ersetzt man die Begriffe durch Variablen (S,M,P),dann erhält man folgende Struktur der Aussagen:1
a Einige M sind P.b Alle M sind S.c Einige S sind P.
Durch die aussagenlogische Formalisierung werden die einzelnen Aussagena, b, c durch Satzbuchstaben âP â, âQâ, âRâ formalisiert: Diese Formalisierung bringtdie Folgerungsbeziehung nicht zum Ausdruck, da âP,Q ¡
¡¡Râ nicht korrekt und
nicht ableitbar ist. Um formale Eigenschaften und Relationen wie die logischeWahrheit und Falschheit von Aussagen oder Folgerungsbeziehungen zwischendiesen zu berĂźcksichtigen, ist die formale Sprache der Aussagenlogik um Be-standteile zu erweitern, die die innere Struktur von Aussagen wiedergeben. Zudiesen Bestandteilen mĂźssen offensichtlich konstante AusdrĂźcke fĂźr umgangs-sprachliche AusdrĂźcke wie âeinigeâ und âalleâ gehĂśren, denn diese sind in demgenannten Schema nicht variabel: Ersetzt man in c jeweils âeinigeâ durch âal-leâ, dann wĂźrde c nicht mehr aus a und b folgen. Formale AusdrĂźcke, durchdie die umgangssprachlichen AusdrĂźcke âalleâ und âeinigeâ formalisiert werden,nennt man Quantoren. Und die Logik, die die wahrheitsfunktionalen Eigenschaftenund Relationen zwischen Aussagen untersucht, die sich mittels dieser Quanto-ren formalisieren lassen, Quantorenlogik oder auch Prädikatenlogik. Einen historischbedeutsamen Vorläufer der modernen Quantorenlogik bildet die auf AristoteleszurĂźckgehende Syllogismenlehre.
2 SYLLOGISMEN
In der Syllogismenlehre wird von folgender Aussagenstruktur ausgegangen:
QB1 sind B2
âQâ steht fĂźr einen Quantor, âB1â und âB2â fĂźr Begriffe.Man unterscheidet in der Syllogismenlehre vier Quantoren, die den Bedeutun-
gen der vier umgangssprachlichen AusdrĂźcke âalleâ, âeinigeâ, âkeineâ, ânicht alleâ
1Es handelt sich um den sogenannten Syllogismus Disamis.
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entsprechen. Je nach dem, welchen Quantor man einsetzt, erhält man Aussagender vier Formen:2
A: Alle B1 sind B2
I: Einige B1 sind B2
E: Keine B1 sind B2
O: Nicht alle B1 sind B2
Aussagen der Form A,I,E,O werden interpretiert als Aussagen ßber Begriff-sumfänge. Man sagt von Begriffen, dass Gegenstände unter sie fallen, und unterscheidetden Begriffsinhalt (Intension) von dem Begriffsumfang ( Extension):
Erläuterung 7.1Der Begriffsinhalt besteht aus den Merkmalen, die den Gegenständen ge-meinsam sind, die unter den Begriff fallen. Der Begriffsumfang besteht ausden Gegenständen, die unter den Begriff fallen.
Der Inhalt des Begriffes der Primzahl besteht aus den Merkmalen, eine ganzeZahl, die grĂśsser als 1 ist, sowie nur durch 1 und sich selbst teilbar zu sein. DerUmfang des Begriffes der Primzahl besteht aus den Zahlen 2,3,5,7,11,13 . . . .
BezĂźglich des Begriffsumfanges wird in der Syllogismenlehre (anders als inder modernen Quantorenlogik) von folgender Voraussetzung ausgegangen:
Erläuterung 7.2In der Syllogismenlehre wird vorausgesetzt, dass der Begriff B1 nicht leerist.
Gemäss diesen Erläuterungen lassen sich Aussagen der Form A,I,E,O wiefolgt paraphrasieren:
A: Alle Gegenstände, die unter einen Begriff B1 fallen (und das ist mindestenseiner), fallen unter den Begriff B2.
2Die AbkĂźrzungen sind den lateinischen AusdrĂźcken âaffirmoâ und ânegoâ entnommen: Aund I sind die beiden bejahenden, E und O die beiden verneinenden Aussageformen.
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I: Einige Gegenstände, die unter den Begriff B1 fallen (und das ist mindestenseiner), fallen unter den Begriff B2.
E: Keine Gegenstände, die unter den Begriff B1 fallen (und das ist mindestenseiner), fallen unter den Begriff B2.
O: Nicht alle Gegenstände, die unter den Begriff B1 fallen (und das ist minde-stens einer), fallen unter den Begriff B2.
Die der Syllogismenlehre zugrundegelegten Formen von Aussagen sind stetsAussagen ßber die Beziehungen von Begriffsumfängen.
Die logischen Beziehungen zwischen dieser Art von Aussagen bringt unter Vor-aussetzung von Erläuterung 7.2 das logische Quadrat zum Ausdruck:
I subkonträr O?
subaltern
Al
ll
ll
ll
l
konträr E
?
subaltern
,,
,,
,,
,,
Abbildung 7.1: Logisches Quadrat in der Syllogismuslehre
Die Diagonalen verbinden Aussagen, die in kontradiktorischem Gegensatz zu-einander stehen. Dies ist der Fall genau dann, wenn aus der Wahrheit der einenAussage die Falschheit der anderen folgt und umgekehrt, wenn aus der Falsch-heit der einen Aussage die Wahrheit der anderen folgt. Zwei Aussagen stehen ineinem konträren Gegensatz zueinander genau dann, wenn nicht beide wahr, aberbeide falsch sein kĂśnnen. Zwei Aussagen stehen in einem subkonträren Gegensatzzueinander genau dann, wenn sie nicht beide falsch, aber beide wahr sein kĂśnnen.Die WĂśrter âkonträrâ bzw. âsubkonträrâ stehen im logischen Quadrat jeweils zwi-schen den konträren bzw. subkonträren Aussagen. Eine Aussage A ist gegenĂźbereiner anderen B subaltern (d.i. untergeordnet) genau dann, wenn aus der Wahrheitvon A die Wahrheit von B folgt. Die subalternen Beziehungen werden in demlogischen Quadrat durch einen Pfeil, der auf die untergeordnete Aussage zeigt,dargestellt.
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Ein Syllogismus ist eine Schlussform, die sich aus Aussagen der Form A,I,E,Ozusammensetzt; und zwar immer aus genau drei Aussagen, nämlich: Zwei Prämis-sen und einer Konklusion. In diesen drei Aussagen kommen insgesamt genau dreiBegriffe vor: der Subjektbegriff (S), der Mittelbegriff (M) und der Prädikatbegriff (P).Diese Begriffe werden durch ihre Stellung im Syllogismus identifiziert: Der Sub-jektbegriff kommt nur in der zweiten Prämisse und in der Konklusion (hier nur ander Stelle des ersten Begriffes B1), der Mittelbegriff nur in den beiden Prämissen,aber nicht in der Konklusion und der Prädikatbegriff schliesslich nur in der erstenPrämisse und in der Konklusion (hier nur an der Stelle des zweiten Begriffes B2)vor. Die erste Prämisse, die den Mittelbegriff und den Prädikatbegriff enthält,nennt man die Prämisse Maior, die zweite Prämisse, die den Mittelbegriff und denSubjektbegriff enthält, nennt man die Prämisse Minor.
Erläuterung 7.3Ein Syllogismus ist eine Schlussform, die sich aus einer Prämisse Maior,einer Prämisse Minor und einer Konklusion zusammensetzt.
Es gibt gemäss dieser Unterscheidungen aus kombinatorischen Grßnden ge-nau 256 unterschiedliche Formen von Syllogismen, die man in vier Figuren unter-teilt:
1. Figur 2. Figur 3. Figur 4. Figur
Prämisse Maior Q MP Q PM Q MP Q PM
Prämisse Minor Q SM Q SM Q MS Q MS
Konklusion Q SP Q SP Q SP Q SP
4 ¡ 4 ¡ 4 = 64 4 ¡ 4 ¡ 4 = 64 4 ¡ 4 ¡ 4 = 64 4 ¡ 4 ¡ 4 = 64
4 ¡ 64 = 256
Von diesen 256 Syllogismen sind bei weitem nicht alle schlĂźssig. FolgenderSyllogismus der 1. Figur ist z.B. unschlĂźssig:
Prämisse Maior Einige Säugetiere sind Huftiere.Prämisse Minor Alle Wale sind Säugetiere.Konklusion Einige Wale sind Huftiere.
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Die Prämissen sind in diesem Fall wahr, aber die Konklusion ist falsch. DieAufgabe fßr die Syllogismenlehre besteht darin, ein Verfahren zu definieren, dasdie gßltigen von den ungßltigen Syllogismen unterscheidet. Hierfßr sind verschiedeneVerfahren entwickelt worden. Ein schon von Aristoteles angedeutetes Verfahrenbesteht darin, die gßltigen Syllogismen im Rahmen eines Kalkßls abzuleiten. Indiesem Zusammenhang spielt der sogenannte Syllogismus Barbara eine besondereRolle, da Aristoteles alle gßltigen Syllogismen auf diesen zurßckfßhrt. Ein ande-res, nach dem Logiker John Venn (1834-1923) benanntes Verfahren besteht inder Darstellung von Syllogismen mittels Venn-Diagrammen und der Definition derGßltigkeit der Syllogismen durch äussere Eigenschaften dieser Diagramme. Aufdie Darstellung dieser Beweisverfahren wird hier verzichtet.3Es sei nur erwähnt,dass diese beiden Beweisverfahren Beispiele der beiden in LEKTION 6, Abschnitt3 unterschiedenen Arten von Beweisverfahren sind: Ableitungen innerhalb ei-ner Formelsprache mittels Kalkßlregeln und Transformation von Formeln einerFormelsprache in Ausdrßcke eines anderen Zeichensystems, durch deren äussereMerkmale fragliche logische Eigenschaften identifiziert werden kÜnnen.
Es ist auch mĂśglich, die gĂźltigen Syllogismen mittels syllogistischer Metaregelnzu beschreiben oder sie einfach dadurch von den ungĂźltigen zu unterscheiden,dass man sie in einer Liste auffĂźhrt: Siehe hierzu die Liste der gĂźltigen Syllogismen imAnhang, S. 381f.
Von den 256 Syllogismen sind insgesamt nur 24 gĂźltig. Man unterscheidetinnerhalb der gĂźltigen Syllogismen schwache und starke Modi. Schwache Modi sindsolche, in denen in der Konklusion weniger behauptet wird, als sich aus den Prä-missen folgern liesse. Es gibt zu jedem Syllogismus, dessen Konklusion ein uni-verselles Urteil erlaubt (Aussagen der Form A oder E), einen schwachen Modus,in dem die Konklusion ein partikulares Urteil (Aussagen der Form I oder O) ist.Die gĂźltigen Syllogismen wurden mittels Merknamen (z.B. âBarbaraâ) benannt:Alle Namen enthalten genau drei Vokale, wobei die Vokale âaâ, âiâ, âeâ, âoâjeweils die Aussagen A,I,E,O repräsentieren, und der erste Vokal fĂźr die Formder Prämisse Maior, der zweite fĂźr die Form der Prämisse Minor, und der drittefĂźr die Form der Konklusion steht. Insofern fĂźr die GĂźltigkeit von Syllogismenvorausgesetzt ist, dass ein bestimmter Begriff nicht leer ist, ist dies in der Liste dergĂźltigen Syllogismen explizit erwähnt.
Die Lehre der gĂźltigen Syllogismen bildete bis ins 19.Jahrhundert das Vor-bild fĂźr gĂźltige logische Schlussformen und spielt damit fĂźr die Rekonstruktionwissenschaftlicher SchlĂźsse eine wichtige Rolle, da diese oftmals explizit oder im-
3Vgl. hierzu Quine (1993), §13f.
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plizit in Anlehnung an gßltige Syllogismen dargestellt wurden. Die Liste der gßltigenSyllogismen ist ein nßtzliches Instrument fßr die Rekonstruktion von Argumentenälterer Texte.
Aufgabe der Rekonstruktion von Syllogismen ist die Zuordnung eines um-gangssprachlichen Textes zu einem Syllogismus sowie die Prßfung der Schlßs-sigkeit des Syllogismus. Fßr die Zuordnung des U-Textes zu einem Syllogismussind die Prämisse Maior, die Prämisse Minor sowie die Konklusion zu identifizie-ren. Hierbei ist jeweils zu bestimmen, von welcher der vier Formen A, I, E, Odie jeweiligen Aussagen sind. Die Schlßssigkeit kann anhand der Liste der gßltigenSyllogismen ßberprßft werden. Ist der Syllogismus schlßssig, dann ist er mit dementsprechenden Namen zu kennzeichnen.
BEISPIEL:
U-TEXT:
Nicht-flimmernde HimmelskĂśrper sind nahe HimmelskĂśrper. Plane-ten flimmern nicht. Also sind die Planeten nahe HimmelskĂśrper.
REKONSTRUKTION:
LEGENDE:
M = nicht-flimmernde HimmelskĂśrperP = nahe HimmelskĂśrperS = Planeten
SYLLOGISMUS BARBARA:
PRĂMISSE MAIOR: Alle M sind P.
PRĂMISSE MINOR: Alle S sind M.
KONKLUSION: Alle S sind P.
Diese Rekonstruktion ist wie jede Argumentrekonstruktion abhängig von In-terpretationsannahmen: Sie setzt voraus, dass die Sätze des U-Textes als Allsätze derForm A gemeint sind und dass die Planeten HimmelskÜrper sind.
Die Syllogismenlehre erlaubt nur eingeschränkte Formalisierungen und ist dermodernen Quantorenlogik in Bezug auf das Kriterium der Reichhaltigkeit unterlegen.Viele quantifizierte Aussagen und viele ihrer logischen Beziehungen werden von
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der Syllogismenlehre nicht erfasst: Insbesondere beinhaltet die Syllogismenleh-re nicht die Junktoren- bzw. Aussagenlogik. Ausserdem lässt die Syllogismenleh-re nicht zu, dass sich in einer Aussage unterschiedliche Quantoren auf die BegriffeB1 und B2 beziehen. Auch die Begriffe werden nicht strukturiert, so dass es z.B.nicht mĂśglich ist, die Aussage zu formalisieren, dass einige (Menschen) alle (Men-schen) lieben. Schliesslich ist man mit den Aussagen der Form A,I,E,O auf Aus-sagen beschränkt, in denen zwei Begriffe vorkommen, und mit den Syllogismenauf Schlussformen, die nur zwei Prämissen enthalten. Folgender Schluss ist dem-nach kein (gĂźltiger) Syllogismus: âAlle Griechen sind weise Männer. Also: AlleGriechen sind weise.â Ebensowenig werden in der Syllogismenlehre Beziehungenzwischen quantifizierten Aussagen und singulären Aussagen, die aussagen, dass einbestimmter Gegenstand unter einen Begriff fällt, berĂźcksichtigt. Der Schluss âAlleGriechen sind weise Männer. Sokrates ist ein Grieche. Also: Sokrates ist ein weiserMannâ ist kein Syllogismus. In der modernen Quantorenlogik geht man aus diesenGrĂźnden von einer Analyse quantorenlogischer Aussagen aus, welche die derSyllogismenlehre an Reichhaltigkeit Ăźbertrifft und eine jede beliebige Beziehungquantorenlogischer Aussagen inklusive junktorenlogischer und singulärer Aussa-gen zu formalisieren erlaubt.
Erläuterung 7.4Die syllogistische Formalisierung von Aussagen und Schlßssen ist nichtso reichhaltig wie die moderne Quantorenlogik.
ĂBUNG: A,E,I,O-AUSSAGEN
ĂBUNG: SYLLOGISMEN
ĂBUNG: ARGUMENTREKONSTRUKTION
3 QUANTORENLOGISCHE ANALYSE
Die moderne quantorenlogische Analyse geht vornehmlich auf Gottlob Frege(1848-1925) zurßck.4 Frege geht von der Analyse arithmetischer Ausdrßcke ausund ßberträgt diese schrittweise auf die Analyse quantorenlogischer Aussagen.
4Vgl. Frege (1962), §1-4 und Frege (1994).
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3.1 FUNKTION UND ARGUMENT
In arithmetischen AusdrĂźcken, die neben Ziffern (Zahlzeichen) nur Zeichen ma-thematischer Operationen (Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division) ent-halten, lassen sich Funktionen und Argumente unterscheiden.
2 ¡ 13 + 12 ¡ 23 + 22 ¡ 33 + 32 ¡ 43 + 4
...
In dieser Reihe ist etwas konstant und etwas variabel. Die Analyse der Aus-drĂźcke in Funktion und Argument trennt den konstanten Teil von dem variablenTeil. Die Funktion enthält den konstanten Teil sowie Variablen (Platzhalter) fĂźrdie variierenden Teile. An die Stelle der Variablen kĂśnnen die jeweiligen Argumen-te treten. Die AusdrĂźcke lassen sich analysieren in die mathematische Funktionâ2 ¡ x3 + xâ und die jeweiligen Argumente 1,2,3,4 . . . .
Eine Funktion nennt Frege auch ungesättigt, da sie mit den Variablen offeneStellen enthält. Demgegenßber nennt er den arithmetischen Ausdruck, der ent-steht, wenn man an die Stellen der Variablen der Funktion jeweils ein Argumenteinsetzt, einen gesättigten Ausdruck.
Den Funktionen werden in Abhängigkeit zu ihren Argumenten Werte zuge-ordnet. Die Werte der genannten Funktion â2¡x3+xâ fĂźr die Argumente 1, 2, 3, 4sind 3, 18, 57, 132. Dies sind die Werte, die man erhält, wenn man die jeweili-gen gesättigten AusdrĂźcke ausrechnet. Die Gesamtheit der Werte einer Funktionnennt Frege ihren Werteverlauf. Dieser lässt sich mit den Mitteln der analytischenGeometrie darstellen, indem man die Argumente als Abzisse und die zugehĂśrigenWerte als Ordinate eines Punktes darstellt.
3.2 BEGRIFFE
Erweitert man die arithmetischen AusdrĂźcke um die Zeichen â=â, â6=â, â<â, â6<â,ââ¤â, â6â¤â, â>â, â6>â, ââĽâ, â6âĽâ, dann erhält man als Werte der mit diesen AusdrĂźckengebildeten Funktionen nicht mehr Zahlen, sondern Wahrheitswerte. Der Wert derFunktion âx2 = 1â fĂźr das Argument â1 ist der Wahrheitswert W ; der Wertderselben Funktion fĂźr das Argument 0 ist der Wahrheitswert F .
Auf dieser Basis kann Frege Begriffe durch Funktionen und ihre Werte defi-nieren:
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Erläuterung 7.5Begriffe sind Funktionen, deren Werte Wahrheitswerte sind.
Gemäss dieser Erläuterung haben die beiden Begriffe âx2 = 1â und â(x +1)2 = 2 ¡ (x+1)â dieselben Begriffsumfänge, da sie dieselben Werteverläufe haben.
Frege unterscheidet Begriffe 1. Stufe und Begriffe 2. Stufe:
Erläuterung 7.6Begriffe erster Stufe sind Begriffe, deren Argumente Gegenstände sind,Begriffe 2. Stufe sind Begriffe, deren Argumente ihrerseits Begriffe sind.
Die klassische Quantorenlogik ist die Quantorenlogik 1. Stufe, die nur dieLogik quantifizierter Aussagen behandelt, deren Begriffe als Begriffe 1. Stufe ver-standen werden. Im Weiteren wird von Begriffen 2. Stufe und der Quantorenlogik2. Stufe abgesehen.
3.3 AUSSAGENANALYSE
Seine Analyse mathematischer Begriffe erweitert Frege zu einer allgemeinen Ana-lyse von Aussagen. Auch umgangssprachlich formulierte Aussagen lassen sich inFunktion und Argument analysieren:
Caesar eroberte Gallien.
Hannibal eroberte Gallien.
Napoleon eroberte Gallien....
Diese Aussagesätze lassen sich analysieren in den Funktionsausdruck âx er-oberte Gallienâ und die Namen ihrer Argumente (âCaesarâ, âHannibalâ, âNapo-leonâ, etc.). Auch in diesem Fall sind die Werte der Funktion Wahrheitswerte unddementsprechend die Funktionen Begriffe.
Durch diese Analyse ist es mĂśglich, die Definitionen der wahrheitsfunktiona-len Beziehungen aus der Aussagenlogik mit einer Analyse der internen Strukturvon Aussagen zu verbinden.
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3.4 EINSTELLIGE UND MEHRSTELLIGE FUNKTIONEN
Mathematische FunktionsausdrĂźcke kĂśnnen mehrere Variablen enthalten, z.B. âx2
+yâ. Ebenso lassen sich auch umgangssprachliche Sätze analysieren in Funkti-onsausdrĂźcke, die an mehreren Stellen Argumente enthalten kĂśnnen, und ihreArgumente. So lässt sich z.B. der Satz âCaesar eroberte Gallienâ auch in den Funk-tionsausdruck âx eroberte yâ und die beiden AusdrĂźcke âCaesarâ und âGallienâ,die jeweils Argumente der variablen Stellen bezeichnen, analysieren. In diesemFall bleibt nur noch das Verb âeroberteâ als konstanter Ausdruck erhalten.
Durch die Unterscheidung einstelliger und mehrstelliger Funktionen und die Defi-nition der Begriffe als Funktionen, deren Werte Wahrheitswerte sind, wird es imGegensatz zur Syllogismenlehre mĂśglich, unterschiedlich strukturierte Begriffe zuberĂźcksichtigen.
3.5 GRAMMATIKALISCHE, ONTOLOGISCHE, LOGISCHE DEUTUNGEN
Frege verbindet seine Auffassung von Begriffen mit grammatikalischen und onto-logischen Unterscheidungen. Er identifiziert die sprachlichen AusdrĂźcke der Be-griffe mit Prädikaten im grammatikalischen Sinne, einstellige Begriffe als Eigenschaf-ten und mehrstellige Begriffe als Relationen. Prädikate sind nach Frege ungesättigteAusdrĂźcke, die die Form von Sätzen haben (z.B. âx eroberte Gallienâ) und durchdie ausgesagt wird, dass ein Gegenstand eine bestimmte Eigenschaft hat oder zuanderen Gegenständen in einer bestimmten Relation steht.
Gemäss diesen Deutungen ist die grammatikalische Analyse von Aussagesätzenin Subjekt/Prädikat/(Objekt) ein hinreichendes Kriterium fßr die Aussagenanalysein Funktion und Argument und die ontologische Analyse in Gegenstände / Eigen-schaften / Relationen. Hiergegen spricht, dass inhaltsgleiche Aussagesätze gram-matikalisch unterschiedlich formuliert werden kÜnnen:
ANNAHME 1: âCaesar eroberte Gallienâ (Satz 1) ist inhaltsgleich mit âGallienerobert zu haben, ist etwas, das auf Caesar zutrifftâ (Satz 2).
ANNAHME 2: Was inhaltsgleich ist, handelt von demselben.
ANNAHME 3: Gemäss Satz 1 ist âx eroberte Gallienâ Prädikat, und âCaesarâ Sub-jekt; gemäss Satz 2 ist âx ist etwas, das auf Caesar zutrifftâ Prädikat, undâGallien erobert zu habenâ Subjekt.
ANNAHME 4: Gemäss der ontologischen Deutung folgt aus Annahme 3: âCae-sarâ bezeichnet einen Gegenstand, âx eroberte Gallienâ eine Eigenschaft;âGallien erobert zu habenâ bezeichnet einen Gegenstand, âx ist etwas, das
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auf Caesar zutrifftâ eine Eigenschaft: Die Gegenstände und die Eigenschaf-ten sind nicht dieselben.
FOLGERUNG: Folglich handelt gemäss der ontologischen Deutung Satz 1 und 2nicht von demselben. Dies widerspricht Annahme 1-2.
Will man an Annahme 1 und 2 festhalten, wird man die grammatikalischeAnalyse von Aussagesätzen nicht als Kriterium einer ontologischen Analyse ver-wenden.
Der grammatikalischen und ontologischen Deutung der Analyse von Aus-sagesätzen lässt sich eine logische Deutung gegenĂźberstellen. Diese betrachtet diegrammatikalische Analyse eines Aussagesatzes nicht als Kriterium der Analyse derAussagen in Funktion und Argument bzw. Begriff und Gegenstand und verbindetmit diesen Unterscheidungen keine ontologische Deutung. Sie versteht diese Un-terscheidung allein als Mittel zum Zweck quantorenlogischer Formalisierungen.Nach der logischen Deutung in dem hier gemeinten Sinn hängt die Unterschei-dung von Funktion und Argument (Begriff und Gegenstand) allein davon ab,welchen Teil einer Aussage man als variabel und welchen man als konstant auf-fasst. Man kann den Satz âCaesar eroberte Gallienâ als ein Glied unterschiedlicherReihen auffassen, in denen unterschiedliche AusdrĂźcke konstant bzw. variabelsind:
Caesar eroberteGallien
Caesar eroberte Gallien Caesar eroberteGallien
Hannibal eroberteGallien
Caesar war rĂśmischer Kai-ser
Caesar eroberteKarthago
Napoleon eroberteGallien
Caesar wurde von Brutusermordet
Caesar eroberteSpanien
......
...
x eroberte Gallien Caesar x Caesar eroberte x
Je nachdem, welchen Teil des Satzes man konstant hält und welchen man va-riieren lässt, erhält man eine unterschiedliche Analyse in Funktion und Argument.Sprachlich mag es manchmal schwierig oder umständlich sein, die Funktions-ausdrßcke als grammatikalische Prädikate zu formulieren, logisch ist dies jedochbedeutungslos.
Im Folgenden soll die Verwendung der AusdrĂźcke âGegenstandâ und âPrä-dikatâ in einem logischen (und nicht grammatikalischen oder ontologischen) Sinnverstanden werden:
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Erläuterung 7.7Prädikate sind die Funktionsausdrßcke, Gegenstände sind die Argumentevon Funktionen.
âx eroberte Gallienâ, âCaesar xâ, âCaesar eroberte xâ sind demnach Prädi-kate; Caesar, die Gallieneroberung, Gallien sind Gegenstände. Welche AusdrĂźckeeines Satzes als FunktionsausdrĂźcke und welche als AusdrĂźcke der Argumenteverstanden werden, hängt ab von der logischen Analyse des Satzes.
3.6 FORMALISIERUNG SINGULĂRER AUSSAGESĂTZE
In der Quantorenlogik tritt an die Stelle einer Formalisierung von Sätzen mit-tels Satzbuchstaben eine Formalisierung, die die Analyse von Aussagen in Funk-tion und Argument berĂźcksichtigt. FunktionsausdrĂźcke (Prädikate) sind kom-plexe AusdrĂźcke, die die Form von Aussagesätzen (im logischen Sinn) haben:Ihr formaler Ausdruck setzt sich zusammen aus einem Grossbuchstaben (z.B.âF â,âGâ,âH â,âI â,âJ â) und den Argumentstellen, die mit Gegenstandsvariablen (z.B. âxâ,âyâ,âzâ) be-zeichnet werden. An die Stelle der Variablen kĂśnnen Namenbuchstaben (z.B.âaâ, âbâ, âcâ) treten, die der formale Ausdruck der Namen, die die Argumente derFunktionen bezeichnen, sind.
Singuläre Aussagesätze nennt man Aussagesätze, die sich mittels Formeln for-malisieren lassen, die nur Prädikatbuchstaben und Namenbuchstaben enthalten.
Sing. Aussagesatz Prädikat Formalisierung
Caesar eroberte Gallien x eroberte Gallien Fa
Caesar eroberte Gallien x eroberte y Gab
Caesar eroberte Gallien Caesar x Hc
Singuläre Aussagesätze treffen die Aussage, dass ein bestimmter Gegenstandbzw. bestimmte Gegenstände unter einen bestimmten Begriff fallen.
3.7 FORMALISIERUNG QUANTIFIZIERTER SĂTZE
Quantifizierte Aussagesätze nennt man die Aussagesätze, deren Formalisierung Quan-toren enthält. In der modernen Quantorenlogik verwendet man zwei Quantoren:
â: Allquantor, lies: âalleâ.
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â: Existenzquantor, lies: âmindestens einâ.
AusdrĂźcke wie âkeinâ und ânicht alleâ kĂśnnen unter Verwendung dieser Quan-toren und des Negationszeichens formalisiert werden (âkeineâ durch âÂŹââ, ânichtalleâ durch âÂŹââ).
Quantifizierte Aussagesätze treffen Aussagen ßber Begriffsumfänge. An dieStelle der Namen in den singulären Aussagesätzen tritt in quantifizierten Sätzeneine Angabe ßber den Begriffsumfang. Während die Namen in den singulärenAussagesätzen bestimmte Gegenstände bezeichnen, von denen in den singulärenAussagesätzen ausgesagt wird, dass sie unter einen bestimmten Begriff fallen,bezeichnen die quantifizierenden Ausdrßcke nicht bestimmte Gegenstände, son-dern spezifizieren nur die Anzahl der Gegenstände, die gemäss der Aussage untereinen Begriff fallen. In der Formalisierung quantifizierter Aussagesätze wird dieVariable der Funktionsausdrßcke nicht durch einen Namenbuchstaben ersetzt,sondern die entsprechende Variable wird durch einen Quantor gebunden: Beziehtsich ein Quantor auf eine Argumentstelle, dann bilden der Quantor und die Varia-ble zusammen einen Ausdruck, der dem Funktionsausdruck vorangestellt wird.In Funktionsausdrßcken, in denen eine Variable nicht durch einen Quantor ge-bunden ist, kommt diese frei vor. In den Formeln der klassischen Quantorenlogik1. Stufe wird vorausgesetzt, dass alle Variablen gebunden sind.
Im Unterschied zur Syllogismenlehre wird in der modernen Quantorenlogiknicht davon ausgegangen, dass eine quantifizierte Aussage immer zwei Begriffeenthält. Es wird vielmehr vorausgesetzt, dass man ßber den Umfang eines Begriffesaussagen kann, inwieweit beliebige Gegenstände unter ihn fallen. QuantifizierteAussagesätze sind demnach nicht wesentlich Aussagen ßber die Beziehungen vonUmfängen unterschiedlicher Begriffe. Und im Unterschied zur Syllogismenlehrewird nicht vorausgesetzt, dass bestimmte Begriffe in quantifizierten Aussagennicht leer sind.
Quant. Aussagesatz Prädikat Formalisierung
Einige eroberten Gallien. x eroberte Gallien âxFx
Einige eroberten alles. x eroberte y âxâyGxy
Caesar zu sein, trifft aufmindestens einen zu.
Caesar x âxHx
Gemäss den Formalisierungen ist z.B. nicht vorausgesetzt, dass im Satz âEi-nige eroberten Gallienâ implizit gesagt ist, dass einige Menschen Gallien eroberten.Vielmehr lässt die Formalisierung vĂśllig offen, wer oder was Gallien eroberte.Der Satz ist z.B. auch dann wahr, wenn ein Stein Gallien erobert hat. Versteht
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man demgegenĂźber den Satz âEinige eroberten Gallienâ im Sinne von âEinigeMenschen eroberten Gallienâ, dann mĂźsste diese Spezifizierung der Gegenstände,von denen ausgesagt wird, dass sie Gallien eroberten, in der Formalisierung zumAusdruck kommen: In diesem Fall hätte man eine Aussage der Form I, die voneiner Beziehung zwischen zwei Begriffsumfängen (der Begriffe âx ist ein Menschâund âx eroberte Gallienâ) handelt. Die entsprechende Formalisierung wĂźrde indiesem Fall ââx(Fx&Gx)â lauten (siehe hierzu die AusfĂźhrungen in LEKTION
9, Abschnitt 2.1). Analog gilt auch fßr die anderen aufgefßhrten Sätze, dass ihreFormalisierung keine impliziten Spezifikationen der Gegenstände, ßber die etwasausgesagt wird, voraussetzt. Meistens ist es zwar angemessener bei der Forma-lisierung umgangssprachlicher Texte implizite Spezifikationen der Gegenstände,ßber die etwas ausgesagt wird, zu berßcksichtigen. Die klassische Quantorenlogiksetzt aber im Unterschied zur Syllogismenlehre nicht voraus, dass in jedem Fallnur Aussagen getroffen werden ßber einen spezifizierten Gegenstandsbereich unddamit Aussagen ßber die Beziehungen von Begriffsumfängen.
3.8 FORMALISIERUNG KOMPLEXER QUANTIFIZIERTER SĂTZE
Die mit singulären sowie quantifizierten Aussagesätzen gemachten Aussagen kÜn-nen wahr oder falsch sein und in wahrheitsfunktionalen Beziehungen zueinanderstehen. In der Quantorenlogik werden nicht nur wie in der Aussagenlogik wahr-heitsfunktionale Beziehungen zwischen elementaren Aussagesätzen, sondern auchzwischen singulären und quantifizierten Aussagesätze formalisiert. Einfache Bei-spiele quantorenlogischer Formalisierungen sind:
Komplexe quanti-fizierte Sätze
Standardisierung Formali-sierung
Einige erobertenGallien und Caesareroberte einiges.
Mindestens ein x erfĂźllt:eroberte_Gallien(x): undMindestens ein x erfĂźllt:Caesar_eroberte(x):
âxFx&âxGx
Wenn alle Gallieneroberten, dann er-oberte Caesar Galli-en.
wenn Alle x erfĂźllen:eroberte_Gallien(x): danneroberte_Gallien(Caesar)
âxFx â Fa
206
Auch den durch die Prädikate ausgedrĂźckten Begriffen (Aussagefunktionen)werden Wahrheitswerte zugeordnet â auch zwischen ihnen kĂśnnen wahrheits-funktionale Beziehungen bestehen, insofern ihre Variablen gebunden oder durchNamenbuchstaben ersetzt sind. Reine Aussagefunktionen (z.B. âFxâ, âFxyâ) hin-gegen kĂśnnen nicht wahr oder falsch sein, da die Zuordnung der Wahrheitswerteabhängig von der Spezifizierung der Argumente ist. Quantoren kĂśnnen sich so-wohl auf einfache als auch auf komplexe Aussagefunktionen, die im Unterschied zuden einfachen Aussagefunktionen mittels Junktoren verbunden sind, beziehen.
KomplexequantifizierteSätze
Standardisierung Formalisierung
Einige erobertenGallien und Spanien
Mindestens ein x erfĂźllt:eroberte_Gallien(x) underoberte_Spanien(x):
âx(Fx&Gx)
Alle fahren Ski oderwandern
Alle x erfßllen: fährt_Ski(x) oderwandert(x):
âx(Fx ⨠Gx)
Alle begrĂźsseneinige undverabschiedeneinige (dieselbenoder andere) odergehen nach Hause
Alle x erfĂźllen Mindestens ein yerfĂźllt Mindestens ein z erfĂźllt:begrĂźsst(x,y) undverabschiedet(x,z) odergeht_nachHause(x):
âxâyâz(Fxy &Gxz â¨Hx)
Erläuterung 7.8Die Aussagefunktion, auf die sich ein Quantor bezieht, nennt man sei-nen Wirkungsbereich. Im Falle komplexer Aussagefunktionen werden zurKennzeichnung der Wirkungsbereiche Klammern verwendet.
3.9 WERTEBEREICH
Eine Variable kann Werte annehmen.
Erläuterung 7.9Die Gesamtheit der Werte der Variablen nennt man ihren Wertebereich.
207
Der Wertebereich wird im Rahmen der modernen Quantorenlogik nicht nä-her spezifiziert: Es wird stets vorausgesetzt, dass er beliebige Werte umfasst. Insbe-sondere kann der Wertebereich eine abzählbare oder ßberabzählbare Menge mitunendlich vielen Elementen sein. Demnach ist es im Rahmen der QuantorenlogikmÜglich, mittels Formeln endlicher Länge Aussagen ßber unendlich viele Gegen-stände zu formalisieren bzw. mittels endlicher Q-Formeln Wahrheitsfunktionenzwischen unendlich vielen Aussagen auszudrßcken. Dies ist ein entscheidenderUnterschied zur Aussagenlogik, in der mit den endlichen J -Formeln stets nurWahrheitsfunktionen zwischen endlich vielen Aussagen formalisiert werden kÜn-nen.
Es wird auch nicht vorausgesetzt, dass die Werte des Wertebereiches unterirgendeinen Begriff fallen (z.B. den Begriff des Menschen oder den Begriff derZahl) bzw. irgendwelche offene Sätze5 wahr machen (z.B. âx ist ein Menschâ).Die einzige Voraussetzung, die in der klassischen Quantorenlogik gemacht wird,ist, dass der Wertebereich nicht leer ist. Dies nennt man bisweilen auch das Prinzipdes nicht-leeren Universums.
Erläuterung 7.10In der klassischen Quantorenlogik wird vorausgesetzt, dass der Wertebe-reich nicht leer ist. Es wird hingegen nicht vorausgesetzt, dass der Werte-bereich nur aus endlich vielen Werten besteht, noch wird vorausgesetzt,dass die Werte irgendeine Aussagefunktion erfßllen.
Demnach kĂśnnen die Begriffe leer sein, aber nicht der Wertebereich. Alter-native Logiken wie die free logic lassen auch leere Wertebereiche zu. Dies hat zurKonsequenz, dass einige Gesetze der klassischen Logik ihre GĂźltigkeit verlieren.
3.10 UNTERSCHIEDLICHE UND IDENTISCHE VARIABLEN
Variablen sind lediglich Platzhalter fĂźr Argumente und bezeichnen nichts. Ausdiesem Grund ist die Verwendung unterschiedlicher oder identischer Variablenbedeutungslos, solange die Variablen nicht Teil desselben Wirkungsbereiches ei-nes Quantors sind.
5Ein Satz ist offen, wenn man einen in ihm vorkommenden Namen durch eine freie Variableersetzt.
208
Formel Paraphrase Wahrheits-bedingungen
âxFx&âxGx Mindestens ein x erfĂźllt:1 Fx:1und Mindestens ein x (dasselbeoder ein anderes) erfĂźllt:2 Gx2:
ist fĂźr a, b z.B.wahr wenn:Fa&Gboder auch wenn:Fa&Ga
âxFx&âyGy Mindestens ein x erfĂźllt:1 Fx:1und Mindestens ein y (dasselbeoder ein anderes) erfĂźllt:2 Gy:2
ist fĂźr a,b z.B.wahr wenn:Fa&Gboder auch wenn:Fa&Ga
âxFx&âxGx Alle x erfĂźllen:1 Fx:1 und Alle xerfĂźllen:2 Gx2
ist fĂźr a,bwahr gdw.:Fa&Fb &Ga&Gb
âxFx&âyGy Alle x erfĂźllen:1 Fx:1 und Alle yerfĂźllen:2 Gy
ist fĂźr a,bwahr gdw.:Fa&Fb &Ga&Gb
Die ersten beiden und die letzten beiden Formeln haben dieselben Wahrheits-bedingungen.
Kommen hingegen innerhalb desselben Wirkungsbereiches dieselben Varia-blen vor, dann bezieht sich die gebundene Variable auf dieselben Werte, währenddies fßr unterschiedliche Variablen nicht vorausgesetzt ist:
Formel Paraphrase Wahrheitsbedingungen
âxFxx Alle x erfĂźllen: Fxx: ist fĂźr a,b wahr gdw.:Faa&Fbb
âxâyFxy Alle x erfĂźllen Alle y erfĂźl-len: Fxy:
ist fĂźr a,b wahr gdw.:Faa&Fab &Fbb &Fba
209
Formel Paraphrase Wahrheitsbedingungen
âx(Fx&Gx) Mindestens ein x erfĂźllt: Fxund Gx:
ist fĂźr a,b z.B. wahr wenn:Fa&Gaaber nicht wenn:Fa&Gb
âxây(Fx&Gy) Mindestens ein x erfĂźlltMindestens ein y (dassel-be oder ein anderes) erfĂźllt:Fx und Gy:
ist fĂźr a,b z.B. wahr wenn:Fa&Gaaber auch wenn:Fa&Gb
âx(Fx ⨠Gx) Alle x erfĂźllen: Fx oder Gx. ist fĂźr a,b,cz.B. wahr wenn:Fa&Fb &Fcaber auch wenn:Fa&Fb &Gc
âxây(Fxâ¨Gy) Alle x erfĂźllen Alle y erfĂźl-len: Fx oder Gy:
ist fĂźr a,b,cz.B. wahr wenn:Fa&Fb &Fcaber nicht wenn:Fa&Fb &Gc
Hier macht es fĂźr die Wahrheitsbedingungen einen relevanten Unterschied,ob gleiche oder unterschiedliche Variablen verwendet werden.
Erläuterung 7.11Die Verwendung unterschiedlicher oder identischer Variablen ist nur innerhalbdesselben Wirkungsbereiches von Bedeutung.
Mittels der Verwendung von Klammern zur Kennzeichnung von Wirkungs-bereichen erhĂśht sich die AusdrucksmĂśglichkeit der quantorenlogischen Sprache,da hierdurch unterschieden werden kann, ob ein Quantor sich auf dieselben Wertebezieht oder ob dies nicht vorausgesetzt ist.
Eine Variante gegenĂźber der klassischen Interpretation unterschiedlicher ge-bundener Variablen innerhalb desselben Wirkungsbereiches stellt die sogenannteâexklusive Deutungâ der gebundenen Variablen dar: Diese setzt voraus, dass unter-
210
schiedliche Variablen innerhalb desselben Wirkungsbereiches fĂźr unterschiedliche Wertestehen.6
GegenĂźber der exklusiven Deutung nennt man die in der klassischen Logikvorausgesetzte Deutung gebundener Variablen die âinklusive Deutungâ, da hier un-terschiedliche Variablen nicht bedeuten, dass auf unterschiedliche Werte Bezuggenommen wird. FĂźr die adäquate Interpretation der Formeln im Sinne der klas-sischen Logik ist es wichtig, stets diese Deutung vorauszusetzen.
3.11 UNTERSCHIEDLICHE UND IDENTISCHE NAMENBUCHSTABEN
FĂźr die Verwendung unterschiedlicher oder identischer Namenbuchstaben (âaâ,âbâ, âcâ etc.) gilt im Rahmen der klassischen Logik:
Erläuterung 7.12Identische Namenbuchstaben beziehen sich auf denselben Wert des Wertebe-reiches. Unterschiedliche Namenbuchstaben beziehen sich auf denselben oderauf verschiedene Werte.
In âFaaâ wird ebenso wie in âFa&Gaâ demzufolge auf denselben Wert Bezuggenommen, in âFabâ oder in âFa&Gbâ ist nicht vorausgesetzt, dass âaâ und âbâ aufverschiedene Werte Bezug nehmen.
Auch hier kann man eine alternative, exklusive Deutung voraussetzen, nach derunterschiedliche Namenbuchstaben auf verschiedene Werte Bezug nehmen. ImRahmen der klassischen Logik wird jedoch nicht von einer exklusiven, sondernvon einer inklusiven Deutung unterschiedlicher Namenbuchstaben ausgegangen,nach der unterschiedliche Namenbuchstaben auf denselben Wert Bezug nehmenkĂśnnen.
3.12 ONTISCHE UND SUBSTITUTIONELLE DEUTUNG DER QUANTIFIKA-TION
Es gibt zwei unterschiedliche Deutungen der Kategorie der Werte des Wertebe-reiches: Nach der ßblicheren Auffassung sind die Werte Gegenstände, nach eineranderen, auch oft vertretenen Auffassung7 sind die Werte Ausdrßcke.8
6Es gibt auch noch die stärkere Variante einer exklusiven Deutung gebundener Variablen, nachder das Vorkommen unterschiedlicher Variablen innerhalb einer Formel (und nicht nur innerhalb einesWirkungsbereiches) bedeutet, dass auf unterschiedliche Werte Bezug genommen wird.
7Z.B. von Russell und dem jungen Wittenstein, vgl. hierzu Kßnne (1993), S. 111ff.8Oft beschränkt man den Wertebereich auch auf Gegenstände und unterscheidet vom Werte-
bereich eine âEinsetzungsklasseâ, deren Elemente die Gegenstände des Wertebereiches benennen.
211
Diese unterschiedlichen Deutungen der Wertebereiche sind verbunden miteiner unterschiedlichen Deutung der Wahrheitsbedingungen quantifizierter For-meln: Die eine (ontische) setzt voraus, dass die Werte der Variablen Gegenstände sind,die andere (substitutionelle) geht von Ausdrßcken als Werten der Variablen aus. Dieontische und die substitutionelle Deutung bedingen unterschiedliche Explikatio-nen der Wahrheitsbedingungen quantifizierter Formeln:
Formel Ontische Deutung Substitutionelle Deutung
âxFx ist wahr gdw. es mindestenseinen Gegenstand x gibt, so dassFx.
ist wahr gdw. es mindestenseinen wahren singulären Aussage-satz der Form âFxâ gibt.
âxFx ist wahr gdw. fĂźr alle Gegenstän-de x gilt, dass sie F sind.
ist wahr gdw. alle singulären Aus-sagesätze der Form âFxâ wahrsind.
FĂźr die ontische Deutung wird durch Verweis auf Ăźberabzählbare Mengen vonGegenständen (z.B. die Menge der reellen Zahlen) und anonyme Gegenstände (z.B.ein Gegenstand, der nie identifiziert wird) argumentiert, die man per definitionemnicht mittels Namen einer bestehenden Sprache aufzählen kann. Als ArgumentfĂźr die substitutionelle Deutung wird angefĂźhrt, dass sie innerhalb der Logik aufontologische Voraussetzungen verzichten kann. Dies wird anhand quantifizierterSätze deutlich, die unter Voraussetzung einer ontischen Deutung zu einer Stel-lungnahme bezĂźglich der Annahme abstrakter oder fiktiver Gegenstände zwingen:Der Satz âEs gibt mindestens eine gerade Zahlâ (formalisiert ââx(Fx&Gx)â) istgemäss der ontischen Deutung nur dann wahr, wenn es einen Gegenstand gibt, derunter die Begriffe âist eine Zahlâ und âist geradeâ fällt. Unter dieser Voraussetzungimpliziert die Wahrheit des Satzes die Annahme, dass es abstrakte Gegenständewie Zahlen gibt: Dies zu leugnen, hiesse die Wahrheit des Satzes zu bestreiten.Analoges gilt fĂźr fiktive Gegenstände wie z.B. die GĂśtter der griechischen My-thologie: Der Satz âEs gibt GĂśtter im Olympâ kann gemäss der ontischen Quan-tifikation nur dann wahr sein, wenn fiktive Gegenstände wie Zeus und Athenaevorausgesetzt werden. Die substitutionelle Deutung quantifizierter Sätze machtdemgegenĂźber bei der Explikation der Wahrheitsbedingungen quantifizierter Sät-ze keine ontologischen Voraussetzungen: Der Satz âEs gibt mindestens eine ge-rade Zahlâ ist nach ihr wahr, wenn es mindestens einen wahren Satz der Form âxist eine Zahl und x ist geradeâ gibt; der Satz âEs gibt GĂśtter im Olympâ ist wahr,wenn es mindestens einen wahren Satz der Form âx ist ein Gott und x wohntim Olympâ gibt. Machen die AusdrĂźcke â2â bzw. âZeusâ diese Sätze wahr, dann
212
sind die existenzquantifizierten Sätze wahr, ohne dass man bei dieser Erläuterungder Wahrheitsbedingungen auf die Zahl 2 oder den Gott Zeus Bezug nehmenmuss. Die substitutionelle Deutung expliziert die Wahrheitsbedingungen quantifi-zierter Sätze in RĂźckgriff auf die Wahrheitsbedingungen von Elementarsätzen. EineVoraussetzung Ăźber die Explikation der Wahrheitsbedingungen von Elementar-sätzen muss hierbei nicht gemacht werden9, â innerhalb der Logik braucht nachdieser Auffassung keine Wahrheitstheorie vorausgesetzt werden. Die Explikationquantifizierter Sätze bleibt gemäss der substitutionellen Deutung ebenso wie dieExplikation der Wahrheitsbedingungen komplexer Aussagen in der Aussagenlogikauf der sprachlichen Ebene. Da man sich innerhalb der klassischen Logik aufdie Untersuchung wahrheitsfunktionaler Eigenschaften und Relationen komple-xer Sätze in Abhängigkeit zu den mĂśglichen Wahrheitswerten der Elementarsätzebeschränken kann, kĂśnnte nach diesem Verständnis innerhalb der klassischenLogik unter Voraussetzung einer formalen Interpretation quantorenlogischer For-meln (siehe hierzu S. 222) vollständig auf die Bezugnahme auf aussersprachlicheGegenstände verzichtet werden.
Zur Entkräftung der Argumente fĂźr die ontische Deutung kann seitens dersubstitutionellen Deutung geltend gemacht werden, dass zur Kennzeichnung desWertebereiches im Sinne der Menge der Namen aller Gegenstände nicht die Auf-zählung von Namen mit bekannter Bedeutung, sondern nur die Beschreibung derMenge von Namen aller Gegenstände einer fiktiven Sprache vorausgesetzt ist: âdieNamen aller komplexen Zahlenâ bzw. âdie Namen, die nicht identifizierte Gegen-stände benennenâ sind Beschreibungen von Klassen von Namen, deren Elementenicht mittels Angabe von Namen mit bekannter Bedeutung aufgezählt werden kĂśnnen.Ebensowenig wie die Interpretation aussagenlogischer Formeln setzt die Inter-pretation quantorenlogischer Formeln eine konkrete, gegebene Umgangssprachevoraus. Eine nicht-formale, semantische Interpretation quantorenlogischer For-meln setzt nur voraus, dass die Gegenstände beschrieben werden kĂśnnen undnumerisch verschiedene sind.10 âDie Gegenstände, die durch eine bestehende
9Es muss z.B. nicht eine korrespondenztheoretische Auffassung der Wahrheit vorausgesetztwerden, nach der der Satz â2 ist eine gerade Zahlâ wahr ist gdw. die Tatsache, dass 2 eine geradeZahl ist, besteht. Die substitutionelle Deutung ist vielmehr ebenso vereinbar mit einer kohärenz-theoretischen Auffassung der Wahrheit, nach der dieser Satz wahr ist gdw. er aus den Axiomen undDefinitionen der Arithmetik folgt.
10Diese Voraussetzung ist schwächer als die Voraussetzung, dass die Gegenstände individuierbarbzw. unterscheidbar sein mĂźssen. Dies setzt voraus, dass auf jeden einzelnen Gegenstand eineBeschreibung zutrifft, die auf andere Gegenstände nicht zutrifft. Nach dieser Auffassung giltLeibnizâ Identitätskriterium fĂźr Gegenstände: âGegenstände, die alle Eigenschaften gemeinsamhaben, sind identischâ. Ob auf Gegenstände dieselben Beschreibungen zutreffen oder nicht, istjedoch kontingent und kontingente Tatsachen sollten innerhalb der Logik nicht vorausgesetzt
213
Sprache nicht identifiziert sindâ ist eine Beschreibung, und man kĂśnnte an sieanfĂźgen: âNennen wir sie in unserer fiktiven Sprache a,b,c . . . â. Die Interpreta-tion der quantorenlogischen Formeln setzt nur die Namenbuchstaben âa,b,c . . . âvoraus: Diese sind nicht Namen bekannter Bedeutung, sondern nur im Rahmender Logik gewählte willkĂźrliche Zeichen fĂźr beliebige Werte.
Innerhalb der Logik muss man allerdings keine der beiden Deutungen quan-tifizierter Aussagen voraussetzen, und man kann neutrale Paraphrasen wie âMin-destens ein x erfĂźllt: Fxâ bzw. âAlle x erfĂźllen: Fxâ wählen, und von âWertenâ desWertebereiches reden, ohne zu spezifizieren, von welcher Art die Werte sind.
ĂBUNG: BEGRIFFE
ĂBUNG: PRĂDIKATE
ĂBUNG: WAHRHEITSBEDINGUNGEN
werden. Dass die Gegenstände beschrieben werden kĂśnnen, heisst demgegenĂźber nur, dass sieGegenstand von Aussagen sind, und dass sie numerisch verschiedene sind, heisst, dass man voneiner Anzahl von Gegenständen, die unter einen Begriff fallen, sprechen kann. Bestimmt man z.B.in der Physik den Begriff der Masse durch die Anzahl an Massenteilchen, so ist es denkbar, dassman auch die Masse in einem unendlich kleinen Raum â einem Raumpunkt â als variabel auffasst,und demnach zulässt, dass sich an einem Raumpunkt unterschiedlich viele Massenteilchen befindenkĂśnnen (vgl. fĂźr eine derartige Massendefinition Hertz (1894), S. 54). Gemäss dieser begrifflichenFestlegung ist es denkbar, dass sich zu einer bestimmten Zeit an demselben Ort viele Massenteilchenbefinden, die sich durch keine Eigenschaft unterscheiden lassen.
LEKTION 8
Q-INTERPRETATIONEN
In dieser Lektion wird die formale Sprache Q der Quantorenlogik definiert und dasVerfahren, mittels Interpretationen die Wahrheitswerte von Q-Formeln zu ermitteln,erläutert. Auf dieser Basis wird gezeigt, dass im Unterschied zur Aussagenlogik dieInterpretationen der Q-Formeln kein Entscheidungsverfahren fßr die Allgemeingßl-tigkeit der Q-Formeln liefern.
1 Q-FORMELN
Die Definition von Q ist eine Erweiterung der Definition von J (vgl. hierzuLEKTION 2).1
Erläuterung 8.1Das Alphabet von Q besteht aus folgenden Zeichen:
SATZBUCHSTABEN: âP â, âQâ, âRâ, âSâ, âT â, âU â, âP1â, âP2â, âP3â, . . . ;
LOGISCHE ZEICHEN: âÂŹâ, â&â, ââ¨â, âââ, âââ, âââ, âââ;
NAMENBUCHSTABEN: âaâ, âbâ, âcâ, âa1â, âa2â, âa3â, . . . ;
VARIABLEN: âxâ, âyâ, âzâ, âx1â, âx2â, âx3â, . . . ;
PRĂDIKATBUCHSTABEN: âF â, âGâ, âH â, âI â, âJ â, âF1â, âF2â, âF3â, . . . ;
HILFSZEICHEN: â(â, â)â.
Anstelle der hier verwendeten Quantoren âââ und âââ werden in anderen Lo-gikbĂźchern auch die Zeichen â
â§â und â
â¨â verwendet.
Die Definition der wohlgeformten Formeln von Q setzt die Definition atoma-rer Formeln voraus:
1Auf die bisweilen getroffene Unterscheidung von Quasinamen und eigentlichen Namen (âar-bitrary namesâ und âproper namesâ) wird in Erläuterung 8.1 bewusst verzichtet, da diese Unterschei-dung innerhalb der Syntax nach dem hier vorausgesetzten Verständnis bedeutungslos ist.
216
Erläuterung 8.2Atomare Formeln von Q sind Satzbuchstaben und Ausdrßcke, die sich ausgenau einem vorangestellten Prädikatbuchstaben und folgenden Namen-buchstaben zusammensetzen.
Demnach sind âQâ, âRâ, âP1â, âFaâ, âHabâ, âF1a1a2a3â atomare Formeln.âP &Qâ, âÂŹP3â, âFxâ, âGayâ, âFa â Fbâ, ââxFxâ sind hingegen keine atomarenFormeln, da sie logische Zeichen oder Variablen enthalten.
Die Definition der wohlgeformten Formeln von Q legt fest, welche Zeichen-ketten solche sind, die zur Sprache Q gehĂśren.
Erläuterung 8.3Die Menge der wohlgeformten Formeln (kurz: wff) von Q ist definiertdurch folgende Regeln:
1. Jede atomare Formel ist eine wff.
2. Jede wff, der das logische Zeichen âÂŹâ vorangeht, ist eine wff.
3. Jede wff, gefolgt von â&â, gefolgt von einer wff, das Ganze umklam-mert, ist eine wff.
4. Jede wff, gefolgt von ââ¨â, gefolgt von einer wff, das Ganze umklam-mert, ist eine wff.
5. Jede wff, gefolgt von âââ, gefolgt von einer wff, das Ganze umklam-mert, ist eine wff.
6. Jede wff, gefolgt von âââ, gefolgt von einer wff, das Ganze umklam-mert, ist eine wff.
7. Wird in einer wff ein Namenbuchstabe in all seinen Vorkommnis-sen durch eine Variable ersetzt, die in dieser wff nicht vorkommt,und diese Variable samt einem der beiden ihr vorangestelltenQuantoren âââ bzw. âââ dem resultierenden Ausdruck vorangestellt,dann erhält man eine wff.
8. wff sind nur lineare Zeichenketten, die in einer endlichen Anzahlan Schritten mittels der 1.-7. Regel gebildet werden kĂśnnen.
217
Diese Definition ist eine Erweiterung der Definition der Sprache J . An dieStelle der Anfangsklausel in der Definition der wff von J wird in der Anfangsklau-sel der Definition der wff von Q auf atomare Formeln Bezug genommen. Gemässder Definition atomarer Formeln beinhaltet dies die Satzbuchstaben der Spra-che J , aber umfasst zusätzlich auch Formeln, die sich aus einem vorangestelltenPrädikatbuchstaben und den folgenden Namenbuchstaben zusammensetzen. DieKlauseln 2-6 sind identisch mit denen der Definition der wff von J . Klausel 7ist die zweite Erweiterung der Definition der wff von J . Durch sie werden auchFormeln, die Quantoren enthalten, als wff zugelassen.
Gemäss Erläuterung 8.3 ist ââxâyFxyâ eine wff, denn:
1. Nach Regel 1 ist âFabâ eine wff.
2. Nach 1. und Regel 7 ist ââyFayâ eine wff.
3. Nach 2. und Regel 7 ist ââxâyFxyâ eine wff.
Dagegen ist ââxâxFxxâ keine wff, denn in Regel 7 wird gefordert, dass einName in all seinen Vorkomnissen durch eine Variable ersetzt wird, die ihrerseits inder wff nicht vorkommen darf. Demnach kann aus ââxFxxâ (gebildet aus âFaaâ)oder ââxFaxâ (gebildet aus âFabâ) nicht ââxâxFxxâ gebildet werden.
Zu beachten ist, dass nach Erläuterung 8.3 bei Anwendung der Regeln 3-6 stetsAussenklammern zu setzen sind. Dies ist vorausgesetzt fĂźr die Bildung von wffgemäss Regel 7. Denn nur unter Voraussetzung von Aussenklammern werdenbeim Ersetzen der Namen durch gebundene Variablen die Wirkungsbereiche derQuantoren korrekt gebildet. Dies zeigt das folgende Beispiel. Gemäss Erläuterung8.3 ist ââx(Fx ⨠Gx)â eine wff, denn:
1. Nach Regel 1 ist âFaâ eine wff.
2. Nach Regel 1 ist âGaâ eine wff.
3. Nach 1.-2. und Regel 4 ist â(Fa ⨠Ga)â eine wff.
4. Nach 3. und Regel 7 ist ââx(Fx ⨠Gx)â eine wff.
Das Setzen der Aussenklammern in 3. ist vorausgesetzt fĂźr die Bildung desquantifizierten Ausdrucks in 4.
Die Klammerregeln gemäss Erläuterung 2.3 bleiben in Kraft und mßssen nichterweitert werden, aber Klammereliminierungen gemäss diesen Regeln sind stetsnur auf Formeln anzuwenden, die nach Erläuterung 8.3 gebildet sind. Unter dieser
218
Voraussetzung seien auch Formeln, in denen Klammern eliminiert sind, wohlge-formte Formeln von Q oder kurz Q-Formeln genannt.
Die Definition von Q-Argumentschemata erhält man, indem man in der De-finition der J -Argumentschemata (Erläuterung 3.9) âJâ durch âQâ ersetzt:
Erläuterung 8.4Die Menge der Argumentschemata von Q ist definiert durch folgendeRegeln:
1. Jede wff von Q, gefolgt von â¡ ¡ ¡â, gefolgt von einer wff von Q, istein Argumentschema von Q.
2. Jede wff von Q, gefolgt von â,â, gefolgt von einem Argumentsche-ma, ist ein Argumentschema von Q.
3. Nur solche Zeichenketten sind Argumentschemata von Q, diemittels einer endlichen Anzahl an Schritten gemäss den Regeln 1.und 2. gebildet werden kÜnnen.
ĂBUNG: WOHLGEFORMTE FORMELN
ĂBUNG: WOHLGEFORMTE ARGUMENTSCHEMATA
2 Q-MODELLE
Im Gegensatz zu den J -Formeln kommen als neue Elemente in den Q-FormelnQuantoren, Namenbuchstaben, Variablen und Prädikatbuchstaben vor. Ausser-dem haben in den Q-Formeln Klammern auch die Funktion, Wirkungsbereichezu kennzeichnen. Die semantische Interpretation quantorenlogischer Formeln istbereits im Zusammenhang mit der quantorenlogischen Analyse in LEKTION 7,Abschnitt 3 implizit abgehandelt worden: Der Quantor âââ bezieht sich auf alleWerte eines Wertebereiches, der Quantor âââ auf mindestens einen. Namenbuchstabenbeziehen sich auf bestimmte Werte des Wertebereiches, Prädikatbuchstaben bildenzusammen mit den durch Namenbuchstaben oder Variablen besetzten Argument-stellen Prädikate, die Aussagefunktionen bzw. Begriffe ausdrĂźcken. In Bezug aufdie Explikation der Wahrheitsbedingungen von Q-Formeln wurde die Bedeutungder Verwendung identischer und unterschiedlicher Variablen und Namenbuchsta-
219
ben erläutert und die ontische und die substitutionelle Deutung der Wahrheitsbe-dingungen quantifizierter Formeln einander gegenßbergestellt.
Nicht erläutert wurde, inwieweit man auf dieser Basis ein den Wahrheits-werttabellen analoges Verfahren entwickeln kann, durch das auf Basis der In-terpretation der Q-Formeln die Wahrheitsbedingungen der Q-Formeln systematischzum Ausdruck gebracht werden kÜnnen. Die Wahrheitsbedingungen beliebigerQ-Formeln hängen im Unterschied zu den Wahrheitsbedingungen der J -Formelnnicht allein von der Wahrheit und Falschheit der Satzbuchstaben ab, sondernauch davon, ßber welchen Wertebereich Aussagen getroffen werden und wel-chen Werten des Wertebereiches die Namenbuchstaben und Prädikatbuchstabenzugeordnet werden. Zusätzlich zu den Belegungen der Satzbuchstaben werdendemnach Belegungen von Variablen, Namenbuchstaben und PrädikatbuchstabenbenÜtigt, um den resultierenden Wahrheitswert einer Q-Formel zu bestimmen.
Erläuterung 8.5Die Angabe einer Belegung von Satzbuchstaben, Variablen, Namenbuch-staben und Prädikatbuchstaben sei eine Q-Interpretation genannt.
Satzbuchstaben werden mit Wahrheitswerten belegt, Variablen mit einer Men-ge I von Werten. Die leere Menge ist auf Grund des Prinzips des nicht-leerenUniversums ausgeschlossen. Des Weiteren sind alle Variablen der Menge I zu-zuordnen. Man setzt hiermit voraus, dass quantifizierte Aussagen sich stets aufeinen gesamten Wertebereich beziehen. Ein Namenbuchstabe ist innerhalb einer Q-Interpretation mit einem und nur einem Wert aus I zu belegen â die leere Menge ist inInterpretationen der Namenbuchstaben der klassischen Quantorenlogik ebensowenig zugelassen wie die Zuordnung eines Namenbuchstabens zu mehreren Wer-ten. Nicht ausgeschlossen ist hingegen, dass zwei Namenbuchstaben innerhalbderselben Q-Interpretation demselben Wert zugeordnet werden, und dass einNamenbuchstabe in unterschiedlichen Interpretationen unterschiedlichen Wertenzugeordnet wird.
Prädikatbuchstaben, auf die nur eine mit einem Namenbuchstaben oder einerVariablen besetzte Stelle folgt, werden mit beliebigen Teilmengen (inklusive derleeren Menge und der Gesamtmenge) von I belegt; Prädikatbuchstaben, auf diegenau zwei mit einem Namenbuchstaben oder einer Variablen besetzte Stellenfolgen, werden mit beliebigen geordneten Paaren, deren Elemente jeweils aus Istammen, belegt; Prädikatbuchstaben, auf die n mit einem Namenbuchstabenoder einer Variablen besetzte Stellen folgen, werden mit beliebigen geordneten
220
n-Tupeln2, deren Elemente jeweils aus I stammen, belegt. Prädikatbuchstabenwerden nicht mit Begriffen belegt, da der Inhalt der Begriffe fĂźr die Berechnungder resultierenden Wahrheitswerte im Rahmen der klassischen Quantorenlogikirrelevant ist. Die resultierenden Wahrheitswerte hängen allein von den Begriffsum-fängen ab. Diese werden durch die Belegungen der Prädikatbuchstaben angegeben:fĂźr jedes Element bzw. jedes n-Tupel der Belegung eines Prädikatbuchstabenstrifft das entsprechende Prädikat zu. Diesen Standpunkt innerhalb der klassischenQuantorenlogik nennt man auch den extensionalen Standpunkt. Im Unterschied zurBelegung der Variablen und der Namenbuchstaben ist die leere Menge eine mĂśg-liche Belegung der Prädikatbuchstaben. Es sei im Folgenden kurz von einem ân-stelligen Prädikatbuchstabenâ gesprochen, wenn auf den Prädikatbuchstaben nmit Namenbuchstaben oder Variablen besetzte Stellen folgen.
Auf dieser Basis kann eine Q-Interpretation = definiert werden:
Erläuterung 8.6Eine Q-Interpretation = ist eine geordnete Abfolge von:
1. der Zuordnung einer nicht-leeren Menge von Werten zu en Varia-blen v;
2. den Zuordnungen von jeweils genau einem Wahrheitswert zu je-dem Satzbuchstaben J aus Q;
3. den Zuordnungen von jeweils genau einem Wert aus I zu jedemNamenbuchstaben t aus Q;
4. den Zuordnungen jeweils einer Menge von n-Tupeln von Wertenaus I zu jedem n-stelligen Prädikatbuchstaben Ď aus Q.
Erläuterung 8.7Eine Interpretation = einer Q-Formel ist gegeben durch eine Q-Interpretation, die neben I nur die Satzbuchstaben, Namenbuchstabenund Prädikatbuchstaben berßcksichtigt, die in der Q-Formel vorkommen.Kommen keine Prädikatbuchstaben (und folglich auch keine Namen-buchstaben) vor, kann auch auf die Angabe von I verzichtet werden.
2Tupel sind Paare (fĂźr n = 2) oder Tripel (fĂźr n = 3) oder Quadrupel (fĂźr n = 4) etc.
221
Q-Interpretationen seien stets so angeordnet, dass zunächst der Wertebe-reich I angegeben wird, anschliessend die Interpretation der Satzbuchstaben, ge-folgt von der der Namenbuchstaben, gefolgt von der der Prädikatbuchstaben. Inder Reihenfolge der Aufzählung der Satzbuchstaben, Namenbuchstaben, Prädi-katbuchstaben sei alphabetisch verfahren; ist ein Buchstabe mit (tiefgestellten)Zahlen indiziert (z.B. âa1, âa2â oder âF1â, âF2â) dann sei der Buchstabe mit demkleineren Index vor demselben Buchstaben mit dem grĂśsseren Index aufgefĂźhrt;kommt ein Buchstabe sowohl indiziert als auch nicht indiziert vor, dann ist dernicht indizierte vor den indizierten zu nennen.3 Kommt in der Q-Formel derselbePrädikatbuchstabe gefolgt von einer unterschiedlichen Anzahl von Argumentstel-len vor, dann muss derselbe Prädikatbuchstabe mehrmals interpretiert werden âderselbe Prädikatbuchstabe gefolgt von einer unterschiedlichen Anzahl an Argu-mentstellen hat einen unterschiedlichen Umfang. Dabei sei so verfahren, dass dieReihenfolge der Interpretationen dieses Prädikatbuchstabens der Reihenfolge desVorkommens dieses Prädikatbuchstabens mit unterschiedlichen Argumentstellenin der Q-Formel entspricht.4
3Diese Festlegungen dienen der Einheitlichkeit und Ăbersichtlichkeit.4Diese Festlegung geschieht zu dem Zweck, Mehrdeutigkeiten in der Q-Interpretation zu
vermeiden. Denn gemäss der Definition der wohlgeformten Formeln sind Formeln, die denselbenPrädikatbuchstaben, gefolgt von einer unterschiedlichen Anzahl von Argumentstellen enthalten,zugelassen. Demnach ist z.B. âFa & Fabâ wohlgeformt. Die Q-Interpretation
I = {c1};
=(a) = c1;
=(b) = c2;
=(F ) = {};
=(F ) = {}.
ist nur dann nicht mehrdeutig, wenn die Zuordnung der Prädikatbuchstaben durch die Reihenfolgeihrer Aufzählung in der Q-Interpretation geregelt ist. Es wäre mĂśglich, diese Mehrdeutigkeitdadurch zu vermeiden, dass man die Prädikatbuchstaben mit hochgestellten Indices fĂźr die Anzahlder Argumentstellen, die auf sie folgen, versieht. Demnach wĂźrde man âF 1a & F 2abâ anstellevon âFa & Fabâ schreiben, und dementsprechend =(F 1) und =(F 2) in der Q-InterpretationauffĂźhren. Hiervon soll aber zugunsten einer einfacheren Schreibweise der quantorenlogischenFormeln abgesehen werden. Die Anzahl der Argumentstellen ist stets an der Anzahl der auf diePrädikatbuchstaben folgenden Namenbuchstaben und Variablen abzulesen, und die Zuordnungder Q-Interpretationen der Prädikatbuchstaben zu denen der Q-Formeln ist durch die Reihenfolgeihrer Aufzählung in der Q-Interpretation eindeutig festgelegt.
222
BEISPIEL:
Q-Formel: (âxFx&Gb) &P
Q-Interpretation:
=(x) = I = {Zeus, Athene, Appollo};
=(P ) = W ;
=(b) = Appollo;
=(F ) = {Zeus, Athene};
=(G) = {Appollo}.
FĂźr den Zweck, mittels Q-Interpretationen das Bestehen und Nichtbestehenformaler Eigenschaften und Relationen zu entscheiden, mĂźssen die Werte in denQ-Interpretationen nicht mittels Zeichen bekannter Bedeutung (z.B. Bezeichnun-gen der griechischen GĂśtter Zeus, Athene, Appollo) identifiziert werden. Nacheinem Satz von LĂśwenheim und Skolem gilt5:
Erläuterung 8.8Es ist hinreichend, sich auf Q-Interpretationen mit der Mannigfaltigkeitder natßrlichen Zahlen zu beschränken.
Demnach kann auf die BerĂźcksichtigung Ăźberabzählbarer Mengen â z.B. dieMenge der komplexen Zahlen C â verzichtet werden. Auch die Bezugnahme aufGegenstände, die bei dem Ăźblichen semantischen Verständnis der Q-Interpretationenvorausgesetzt wird, ist fĂźr die Identifikation formaler Eigenschaften und Relatio-nen irrelevant. Man kann ganz analog zu der formalen Deutung der Wahrheits-werttabellen (siehe Exkurs, LEKTION 2) Q-Interpretationen âformalâ deuten.
Erläuterung 8.9Q-Interpretationen lassen sich ebenso wie die Wahrheitswerttabellenâformalâ deuten, indem man die Belegungen nicht als Zuordnungen zuGegenständen bzw. Gegenstandspaaren oder n-Tupel von Gegenständen,sondern zu Zeichen bzw. Zeichenpaaren oder n-Tupel von Zeichenversteht.
5Vgl. hierzu Ebbinghaus (1992), S. 104.
223
Es ist auch unbedeutend, in welcher Weise die Zuordnung in den Q-Interpre-tationen vorgenommen wird: Dies kann im Falle der Zuordnungen zu endlichenMengen mittels Aufzählungen geschehen. Die Elemente einer Menge kĂśnnen aberauch durch eine Funktion beschrieben werden: Die Elemente der Menge sinddann all die Elemente, die die Funktion erfĂźllen (z.B. â=(F ) = die Menge all derElemente, die die Funktion (den Begriff) âist eine gerade Zahlâ erfĂźllenâ). Auchein mathematisches Gesetz kann die Elemente einer Menge beschreiben: DieElemente der Menge sind dann all die Elemente, die durch Anwendung des ma-thematischen Gesetzes gebildet werden kĂśnnen. â=(x,y) = I = Nâ (âNâ stehtfĂźr die Menge der natĂźrlichen Zahlen) wäre demnach eine zulässige Interpretati-on der Variablen. Aber auch â=(x,y) = I = {1,2,3, . . . }â wäre zulässig, insofernman die PĂźnktchen als Teil einer Beschreibung einer Zahlenreihe versteht, die sichnach einem angebbaren Gesetz bilden lässt.
Im Weiteren wird folgende induktive Definition der Werte aus I und des Wer-tebereiches I vorausgesetzt:
Erläuterung 8.10Ein Wert aus I ist wie folgt induktiv definiert:
1. c1 ist ein Wert.
2. Wenn ci ein Wert ist, dann ci+1.
Der Wertebereich I ist wie folgt induktiv definiert:
1. {c1} ist ein Wertebereich I .
2. {c1, c2} ist ein Wertebereich I .
3. Wenn {c1, . . . ci} ein Wertebereich I ist, dann auch{c1, . . . ci, ci+1}.
Man kann die Zeichen âc1â, âc2â, âc3â etc. als Quasinamen fĂźr beliebigeGegenstände eines Universums mit unendlich vielen Gegenständen verstehen, dieman auf die Menge der natĂźrlichen Zahlen abbilden kann. Wesentlich ist hierbeiallein, dass bei dieser Interpretation unterschiedliche Elemente von I im Unter-schied zu den Namenbuchstaben von Q unterschiedliche Gegenstände bedeuten.Man kann aber auch vollständig davon absehen, âc1â, âc2â, âc3â etc. eine Be-deutung zu geben, und Q-Interpretationen einfach als Abbildungen von Zeichen
224
aus Q in andere Zeichen bzw. Zeichenmengen (gebildet aus den Elementen âc1â,âc2â, âc3â etc. sowie âWâ und âFâ) verstehen.6
Eine Q-Interpretation ist vergleichbar mit einer Belegung der Satzbuchstabenin der Konstruktion von Wahrheitswerttabellen. Relativ zu einer Q-Interpretationkann der Wahrheitswert einer Q-Formel bestimmt werden. HierfĂźr muss definiertwerden, wann relativ zu einer Q-Interpretation einer Q-Formel der Wert W zu-geordnet wird und wann der Wert F .
Erläuterung 8.11Eine Q-Interpretation =, relativ zu der einer Q-Formel FQ der Wahr-heitswert W zugeordnet wird, nennt man Q-Modell von FQ.
Erläuterung 8.12â= ist Q-Modell fĂźr FQâ = â= |=Q FQâ
Man sagt auch: â= erfĂźllt FQâ oder auch âFQ gilt bei =â.Zur Bestimmung des Wahrheitswertes einer Q-Formel relativ zu einer Q-
Interpretation ist zu bestimmen, ob eine Q-Interpretation ein Q-Modell der Q-Formel ist, denn es gilt:
Erläuterung 8.13Ist die Q-Interpretation ein Q-Modell einer Q-Formel, dann ist dieserder Wahrheitswert W zugeordnet, ist sie nicht Q-Modell der Q-Formel,dann ist ihr der Wahrheitswert F zugeordnet.
Fßr die Definition der Regeln, nach denen sich bestimmen lässt, ob eine Q-Interpretation ein Q-Modell einer Q-Formel ist, seien folgende Variablen einge-fßhrt:
6Es werden hier Buchstaben mit Zahlenindices und nicht Zahlen (bzw. Ziffern) verwendet, umin der Definition der Modellbeziehung (Erläuterung 8.14) auf Formeln Bezug nehmen zu kĂśnnen, indenen an die Stelle von Namenbuchstaben in Q-Formeln die Zeichen âc1â, âc2â, âc3â etc. treten.WĂźrde man hingegen Zahlen verwenden, dann wäre ein Zeichen wie âF11â mehrdeutig, denn eskĂśnnte sowohl durch Ersetzen von âaâ durch â1â aus âFaaâ als auch durch Ersetzen von âaâ durchâ11â aus âFaâ gebildet worden sein.
225
FQ : Metavariable fĂźr beliebige wff von Q.
J : Metavariable fĂźr Satzbuchstaben aus Q.
Ď: Metavariable fĂźr Prädikatbuchstaben aus Q.
t: Metavariable fĂźr Namenbuchstaben aus Q.
e: Metavariable fĂźr Elemente aus I .
v: Metavariable fĂźr Variablen (âx, y, . . . â) aus Q.
A,B: Metavariablen fĂźr beliebige FQ, sowie fĂźr solche Formeln, die entstehen,wenn man (einen, mehrere oder alle) Namenbuchstaben in Q-Formeln durchElemente aus I ersetzt.7
S : Metavariable fĂźr âoffene Schemataâ. Offene Schemata sind AusdrĂźcke, dieentstehen, wenn in allquantifizierten oder existenzquantifizierten FormelnA der voranstehende Allquantor bzw. Existenzquantor samt der unmit-telbar auf ihn folgenden Variablen eliminiert wird. Nach dieser Definitionkommt in offenen Schemata stets nur eine ungebundene Variable vor.
Unter A fällt z.B. âP â, âFaâ, ââx(Fx ⨠Gx)â, ââxFx ⨠Qâ, âFa ⨠Fbâ,ââxây(Fxy â Ga)â, aber auch âFc1â (gebildet z.B. aus âFaâ), âFc1 ⨠Fc2â(gebildet z.B. aus âFa ⨠Fbâ), âây(Fc1y â Ga)â (gebildet z.B. aus ââx(Fbx âGa)â).
Mit Ď(t1 . . . tm/e1 . . . en) seien atomare Formeln A gemeint, in denen einPrädikatbuchstabe Ď, m Namenbuchstaben t1 . . . tm und n Elemente e1 . . . en
aus I vorkommen, z.B. âFac1â, âFaabâ, âFc1c2aâ, âFc1c1â (m und n kĂśnnen 0sein).
Mit S ev seien die Formeln A gemeint, in denen die Variable v des offenen
Schemas S in allen ihren Vorkommnissen durch ein Element e aus I ersetzt wird.
7Es ist nicht vorausgesetzt, dass die entstehenden Formeln dieselben Q-Modelle haben! Fol-gende Q-Interpretation ist ein Q-Modell fĂźr die Q-Formel âFa & Fbâ, aber nicht fĂźr die aus ihrgebildete Formel âFc1 & Fc2â:
I = {c1, c2};
=(a) = c1;
=(b) = c1;
=(F ) = {c1}.
226
Erläuterung 8.14Eine einzelne Q-Interpretation ist Modell einer wff FQ (= |=Q FQ)gdw. unter schrittweiser, von innen nach aussen vorgehender Anwendungder folgenden Regeln 1-9 = |=Q FQ gilt:
1. = |=Q J gdwDef. =(J ) = W .
2. = |=Q Ď(t1 . . . tm/e1 . . . en) gdwDef.
=(Ď) auf =(t1) . . .=(tm) und e1 . . . en zutrifft.8
3. = |=Q ÂŹA gdwDef. = 6|=Q A.
4. = |=Q (A&B) gdwDef. = |=Q A und = |=Q B.
5. = |=Q (A ⨠B) gdwDef. = |=Q A oder = |=Q B.
6. = |=Q (A â B) gdwDef. wenn = |=Q A dann = |=Q B.
7. = |=Q (A â B) gdwDef. = |=Q A gdw. = |=Q B.
8. = |=Q âvS gdwDef. fĂźr alle e aus I gilt = |=Q S ev .
9. = |=Q âvS gdwDef. fĂźr mindestens ein e aus I gilt = |=Q S ev .
Die Regeln 2-7 beziehen sich allgemein auf Q-Modelle fĂźr Formeln A bzw.B, und nicht nur auf Q-Formeln FQ. Dies geschieht zu dem Zweck, um mittelsrekursiver Definitionen festzulegen, wann eine Q-Interpretation = ein offenesSchema S erfĂźllt, so dass die Anwendung der Regeln 8 und 9, in denen auf Elementee aus I Bezug genommen wird, auch auf rekursiven Definitionen beruht.
8=(Ď) trifft auf =(t1) . . .=(tm) und e1 . . . en zu gdw. an den Stellen vonĎ(t1 . . . tm/e1 . . . en), an denen Elemente e stehen, in =(Ď) dieselben Elemente e stehen, undan den Argumentstellen von Ď(t1 . . . tm/e1 . . . en), an denen die Namenbuchstaben t1 . . . tm
stehen, in =(Ď) die jeweiligen Interpretationen der Namenbuchstaben (= =(t1 . . .=(tm)) stehen.Sei Ď(t1 . . . tm/e1 . . . en) âFac1bc1â und=(a) = c2 und=(b) = c3, dann trifft=(Ď) auf=(a),=(b) und c1 zu gdw. =(Ď) das Quadruple (c2,c1,c3,c1) enthält.
227
BEISPIEL 1:
Q-Formel: âxFxa
Q-Interpretation:
=(x) = I = {c1, c2};
=(a) = c1;
=(F ) = {(c1,c1)}.
1. Nach Regel 2 gilt: = |=Q Fc1a.
2. Nach Regel 9 gilt: = |=Q âxFxa.
Gemäss Erläuterung 8.13 ist demnach relativ zu der genannten Q-Interpretationder Q-Formel ââxFxaâ der Wahrheitswert W zugeordnet.
BEISPIEL 2:
Q-Formel: ((âxFx&Gb) &P )
Q-Interpretation:
=(x) = I = {c1, c2, c3};
=(P ) = W ;
=(b) = c3;
=(F ) = {c1, c2};
=(G) = {c3}.
1. Nach Regel 2 gilt: = 6|=Q Fc3.
2. Nach 1. und Regel 8 gilt: = 6|=Q âxFx.
3. Nach 2. und Regel 4 gilt: = 6|=Q (âxFx&Gb).
4. Nach 3. und Regel 4 gilt: = 6|=Q ((âxFx&Gb) &P ).
Gemäss Erläuterung 8.13 ist demnach relativ zu der genannten Q-Interpretationder Q-Formel ââxFx&Gb &P â der Wahrheitswert F zugeordnet.
228
BEISPIEL 3:
Q-Formel: âxây(Fxy ⨠Gxyx)
Q-Interpretation:
=(x,y) = I = {c1,c2,c3};
=(F ) = {(c1,c1), (c2,c1), (c3,c1)};
=(G) = {}.
Diese Q-Interpretation ist Q-Modell der Q-Formel ââxây(Fxy ⨠Gxyx)â,denn
1. Nach Regel 2 gilt: = |=Q Fc1c1.
2. Nach Regel 2 gilt: = |=Q Fc2c1.
3. Nach Regel 2 gilt: = |=Q Fc3c1.
4. Nach 1. und Regel 5 gilt: = |=Q (Fc1c1 ⨠Gc1c1c1).
5. Nach 2. und Regel 5 gilt: = |=Q (Fc2c1 ⨠Gc2c1c2).
6. Nach 3. und Regel 5 gilt: = |=Q (Fc3c1 ⨠Gc3c1c3).
7. Nach 4. und Regel 9 gilt: = |=Q ây(Fc1y ⨠Gc1yc1).
8. Nach 5. und Regel 9 gilt: = |=Q ây(Fc2y ⨠Gc2yc2).
9. Nach 6. und Regel 9 gilt: = |=Q ây(Fc3y ⨠Gc3yc3).
10. Nach 7.-9. und Regel 8 gilt: = |=Q âxây(Fxy ⨠Gxyx).
Gemäss Erläuterung 8.13 ist demnach relativ zu der genannten Q-Interpretationder Q-Formel ââxây(Fxy ⨠Gxyx)â der Wahrheitswert W zuzuordnen.
Unter Voraussetzung der Definition von Q-Interpretationen und Q-Modellenkann die Definition der AllgemeingĂźltigkeit und UnerfĂźllbarkeit der J -Formeln auf dieder Q-Formeln ausgedehnt werden:
Erläuterung 8.15Eine Q-Formel ist allgemeingßltig gdwDef. jede Q-Interpretation = ein Q-Modell der Q-Formel ist.
229
Dies ist auf Grund von Erläuterung 8.13 gleichbedeutend mit:
Erläuterung 8.16Eine Q-Formel ist allgemeingßltig gdwDef. ihr relativ zu jeder Q-Interpretation der Wahrheitswert W zugeordnet ist.
Erläuterung 8.17Eine Q-Formel ist unerfßllbar gdwDef. keine Q-Interpretation ein Q-Modell der Q-Formel ist.
Dies ist auf Grund von Erläuterung 8.13 gleichbedeutend mit:
Erläuterung 8.18Eine Q-Formel ist unerfßllbar gdwDef. ihr relativ zu jeder Q-Interpretation= der Wahrheitswert F zugeordnet ist.
Unter Voraussetzung dieser Erläuterungen kÜnnen die Klassen tautologischer undkontradiktorischer Sätze sowie korrekter Q-Argumentschemata und formal schlßssigerArgumente unter Rßckgriff auf die Erläuterungen 2.12, 2.13 und 3.13, 3.15 durchBezugnahme auf Q-Formeln und Q-Argumentschemata erweitert werden.
ĂBUNG: Q-MODELLE
3 UNENTSCHEIDBARKEIT
Mit der Definition von Q-Interpretationen und Q-Modellen hat man fßr Q-For-meln analog zu den Wahrheitswerttabellen Regeln, durch die die Wahrheitswer-te von Q-Formeln relativ zu Belegungen der Formelbestandteile berechnet wer-den kÜnnen. In LEKTION 2 wurde ausgefßhrt, dass die Methode der Konstruk-tion von Wahrheitswerttabellen ein Entscheidungsverfahren fßr die Allgemein-gßltigkeit (und darßber hinaus fßr beliebige wahrheitsfunktionale Eigenschaftenund Relationen der J -Formeln) darstellt. In diesem Abschnitt wird die Fragebeantwortet, ob unter Voraussetzung von Erläuterung 8.15 die Allgemeingßltig-keit von Q-Formeln dadurch entschieden werden kann, dass alle mÜglichen Q-Interpretationen daraufhin ßberprßft werden, ob sie Q-Modelle sind.
230
Es sei zunächst gezeigt, dass die AllgemeingĂźltigkeit von Q-Formeln unterVoraussetzung einer festen, endlichen Menge I (kurz: âendliches Iâ) entscheidbarist, und sodann, dass die AllgemeingĂźltigkeit von Q-Formeln nicht entscheidbarist, wenn I auch aus unendlich vielen Elementen (kurz: âunendliches Iâ) bestehenkann.
3.1 ENTSCHEIDBARKEIT IM ENDLICHEN
Ist I endlich und fest, dann kÜnnen systematisch alle mÜglichen Q-Interpretationen,in denen I nicht variiert wird, gebildet werden, und es kann jeweils gemäss Erläu-terung 8.14 geprßft werden, ob diese Q-Modelle sind. Wie bei den Wahrheitswert-tabellen kann demnach durch reines Durchkombinieren endlicher Belegungenentschieden werden, unter welchen Interpretationen der Formel welcher Wahr-heitswert zuzuordnen ist.9
Ist i die Anzahl der Elemente von I und k die Stellenanzahl eines Prädi-katbuchstabens, so ist ik die Anzahl der mÜglichen unterschiedlichen k-Tupelund 2(ik) die Anzahl der mÜglichen unterschiedlichen Belegungen eines Prädikat-buchstabens. Sind R1, . . . , Ru die in einer vorgelegten Q-Formel vorkommendenunterschiedlichen Prädikatbuchstaben und k1, . . . , ku ihre Stellenzahlen, so ist
2(ik1+ik2+...+iku )
die Anzahl der mÜglichen Belegungen der Prädikate relativ zu I mit i Elementen.Die Anzahl der mÜglichen Belegungen eines Namenbuchstabens ist i. Seien
t1, . . . , tv die in einer vorgelegten Q-Formel vorkommenden unterschiedlichenNamenbuchstaben, dann ist
iv
die Anzahl der mĂśglichen Belegungen der Namenbuchstaben relativ zu I mit iElementen.
Die Anzahl der mÜglichen Belegungen von n in einer vorgelegten Formelvorkommenden Satzbuchstaben ist 2n. Kommen in einer vorgelegten Q-Formelu Prädikatbuchstaben, v Namenbuchstaben und n Satzbuchstaben vor, dann gibtes relativ zu einem I mit i Elementen insgesamt
2n ¡ iv ¡ 2(ik1+ik2+...+iku )
9Zum Folgenden siehe Hilbert (1968), S. 9f.
231
mÜgliche Q-Interpretationen. Da die Q-Formeln per definitionem (Erläuterung8.1) endliche Länge haben, sind auch n, v, u und k1 . . . ku endlich. Und da lautVoraussetzung auch i ein endlicher Wert ist, ist auch die Zahl der Q-Interpretationenrelativ zu einem endlichen I endlich. Man wird demnach mittels Durchkombinie-ren aller mÜglichen Q-Interpretationen mit endlichem, festen I stets entscheidenkÜnnen, ob alle mÜglichen Q-Interpretationen mit diesem endlichen, festen I Q-Modelle der vorgelegten Q-Formel sind oder nicht.
Erläuterung 8.19Unter Voraussetzung einer endlichen, festen Menge I kann durch syste-matisches Durchkombinieren aller Q-Interpretationen mit diesem endli-chen, festen I entschieden werden, ob diese Q-Modelle einer Q-Formelsind oder nicht.
BEISPIEL:
Q-Formel: Fa ⨠âxâyGxy â P ⨠âxFx
n = 1
v = 1
u = 2
k1 = 1
k2 = 2
Es sei i = 2, dann erhält man
21 ¡ 21 ¡ 2(21+22) = 28 = 256
mÜgliche Q-Interpretationen. Man kann diese systematisch konstruieren, indemman sukzessive einen Parameter in den Interpretationen variiert. Fßr jede einzel-ne Q-Interpretation ist dann gemäss Erläuterung 8.14 zu entscheiden, ob es sichum ein Q-Modell der Q-Formel handelt oder nicht. Durch dieses aufwendigeVerfahren wßrde man systematisch zu dem Ergebnis gelangen, dass nur zwei Q-Interpretationen keine Q-Modelle der Formel sind:
232
=(x,y) = I = {c1, c2};
=(P ) = F ;
=(a) = {c1};
=(F ) = {};
=(G) = {(c1, c1), (c1, c2),(c2, c1), (c2, c2)}.
=(x,y) = I = {c1, c2};
=(P ) = F ;
=(a) = {c2};
=(F ) = {};
=(G) = {(c1, c1), (c1, c2),(c2, c1), (c2, c2)}.
Erläuterung 8.20Q-Interpretationen, die nicht Q-Modelle einer vorgelegten Q-Formelsind, seien widerlegende Q-Belegungen genannt.
Anstatt sich des aufwendigen Verfahrens zu bedienen, systematisch alle mÜg-lichen Q-Interpretationen durchzugehen, kann man wie bei den widerlegendenBelegungen in der Aussagenlogik gezielt nach widerlegenden Q-Belegungen suchen, in-dem man sich die Wahrheitsbedingungen der einzelnen Formelteile vergegenwär-tigt. In dem vorliegenden Fall kommt man nach folgender Argumentation zu denbeiden widerlegenden Q-Belegungen mit =(x,y)=I = {c1,c2}:
1. Der Hauptoperator der Q-Formel âFa ⨠âxâyGxy â P ⨠âxFxâist âââ. Dieser wird mit âF â belegt gdw. das Antezedenz mit âW â und dasKonsequenz mit âF â belegt wird.
2. Das Konsequenz ist eine Disjunktion. Diese wird nur mit âF â belegt, wennbeide Disjunkte mit âF â belegt sind.
2.1 Das erste Disjunkt ist der Satzbuchstabe âP â. Er ist mit âF â zu belegen.
2.2 Das zweite Disjunkt ist die existenzquantifizierte Formel ââxFxâ. Die-se wird mit âF â belegt gdw. es kein Element aus I gibt, das das offe-ne Schema âFxâ erfĂźllt. Dies ist dann und nur dann der Fall, wenn=(F )={}.
3. Das Antezedenz ist eine Disjunktion. Diese wird mit âW â belegt gdw. einesder beiden Disjunkte oder beide mit âW â belegt sind.
3.1 Das erste Disjunkt kann unter Voraussetzung von 2.2 nicht mit âW âbelegt sein â ganz gleich wie man =(a) wählt. Folglich muss daszweite Disjunkt mit âW â belegt werden, um eine widerlegende Q-Belegung zu erhalten.
233
3.2 Das zweite Disjunkt wird durch Q-Interpretationen erfĂźllt, in denenalle Elemente aus I an der ersten Stelle des offenen Schemas âGxyâmit allen Elementen aus I an der zweiten Stelle dieses offenen Sche-mas kombiniert werden. Dies trifft auf=(G)={(c1, c1), (c1, c2), (c2, c1),(c2, c2)} und nur auf diese Interpretation des PrädikatbuchstabensâGâ zu.
4. Durch 2.1, 2.2 und 3.2 sind =(P ),=(F ),=(G) eindeutig bestimmt. Nach3a) ist es beliebig, ob man =(a)=c1 oder =(a)=c2 wählt. Man erhält dem-zufolge die zwei oben angefĂźhrten Q-Interpretationen, die relativ zu I ={c1, c2} keine Q-Modelle der Q-Formel âFa ⨠âxâyGxy â P ⨠âxFxâsind.
Erläuterung 8.21Widerlegende Q-Belegungen kĂśnnen gezielt gesucht werden, indemman aus den Wahrheitsbedingungen der Q-Formeln bzw. der Q-Argumentschemata vom Hauptjunktor bzw. â¡ ¡ ¡â ausgehend die Be-dingungen herleitet, die erfĂźllt sein mĂźssen, damit Q-InterpretationenkeineQ-Modelle der Q-Formel bzw. des Q-Argumentschemas sind.
3.2 UNENTSCHEIDBARKEIT IM UNENDLICHEN
Da ein Entscheidungsverfahren per definitionem in endlich vielen Schritten zueinem Ergebnis gelangt, kann ein Entscheidungsverfahren fßr Q-Formeln nichtdarin bestehen, unendlich viele Q-Interpretationen und unendlich viele Elementeaus I einer gegebenen Interpretation= durchzugehen. Aber es wäre denkbar, dassfolgender Satz gilt:
SATZ ?: âSind fĂźr eine beliebige Q-Formel bestimmte (endlich viele) Q-Interpreta-tionen mit endlichem I Q-Modelle, dann sind alle Q-Interpretationen Q-Modelle.â
Wenn dieser Satz gelten wßrde, dann kÜnnte man sich bezßglich der Fragedes Bestehens und Nichtbestehens der Allgemeingßltigkeit von Q-Formeln aufendlich viele Q-Interpretationen mit endlichem I beschränken und da unter dieserVoraussetzung die Allgemeingßltigkeit entscheidbar ist, wäre sie unter der Vorausset-zung des fraglichen Satzes entscheidbar.
234
Dass der âSatz ?â nicht gilt und folglich das ĂberprĂźfen, ob Q-InterpretationenQ-Modelle einer Q-Formel sind, kein Entscheidungsverfahren fĂźr die AllgemeingĂźl-tigkeit beliebiger Q-Formeln darstellt, zeigt das folgende Beispiel:10
Q-Formel:
(âxâyFxy & âxâyâz(Fxy & Fyz â Fxz)) â âxFxx.
Es sei zunächst inhaltlich dafßr argumentiert, dass es unter Voraussetzungeines endlichen I keine widerlegende Q-Belegung der Q-Formel gibt:
1. Der Hauptjunktor der Formel ist âââ. Die Formel ist demnach falsch gdw.ââxFxxâ (= Konsequenz) falsch und â(âxâyFxy & âxâyâz(Fxy & Fyzâ Fxz))â (= Antezedenz) wahr ist.
2. Das Antezedenz ist eine Konjunktion. Eine Konjunktion ist wahr gdw.beide Konjunkte wahr sind. Demzufolge muss die Q-Interpretation so ge-wählt werden, dass ââxâyFxyâ (= 1. Konjunkt) und ââxâyâz(Fxy & Fyz âFxz)â (= 2. Konjunkt) erfĂźllt werden.
3. Gemäss dem 1. Konjunkt muss es fßr ein beliebiges Element ci aus I einElement cj geben, so dass F (ci,cj).
4. Unter Voraussetzung der Falschheit des Konsequenz mĂźssen diese beidenElemente ci und cj verschieden sein.
5. FĂźr das Element cj muss es auf Grund der Wahrheit des 1. Konjunkteswiederum ein Element ck geben, so dass F (cj ,ck).
6. Auf Grund des 2. Konjunktes ist dann auch F (ci,ck) wahr und unter Voraus-setzung der Falschheit des Konsequenz ist auch ck von ci und cj verschieden.
7. Fßr ck muss es wiederum gemäss dem 1. Konjunkt ein weiteres Element ausI geben und auf Grund des 2. Konjunktes gilt dann wiederum, dass ci undcj zu diesem in der Relation F stehen, und auf Grund der Falschheit desKonsequenz muss dieses Element wiederum von ci,cj ,ck verschieden sein.
8. Das Verfahren dieser Ăberlegung lässt sich fĂźr jedes weitere Element aus Idurchspielen.
10Vgl. Hilbert (1968), S. 14.
235
9. Nimmt man nun einen endlichen Wertebereich an, dann fĂźhrt dies zu ei-nem Widerspruch.
9.1 Man mĂźsste schliesslich zu einem letzten Element cn aus I gelangen.FĂźr dieses gilt zum einen auf Grund des bisherigen Verfahrens, dassjedes andere Element zu diesem in der Relation F steht, so dassgilt F (ci,cn), F (cj ,cn), F (ck,cn)...F (cm,cn). Zum anderen musscn wiederum zu einem anderen Element in der Relation F stehen,damit das 1. Konjunkt wahr und das Konsequenz falsch ist.
9.2 Dieses andere Element muss aber bei Voraussetzung eines endlichenI bereits erwähnt worden sein. Welches Element man auch wählt,dies fßhrt unter Anwendung des 2. Konjunktes immer zu F (cn,cn).Sei z.B. dieses andere Element ci, dann folgt aus F (cn,ci) unter Hin-zunahme der bereits hergeleiteten Annahme F (ci,cn) auf Grund des2. Konjunktes F (cn,cn).
9.3 Dies widerspricht der Voraussetzung der Falschheit des Konsequenz.
Es ist also unmĂśglich, die AllgemeingĂźltigkeit der genannten Q-Formel mit-tels Durchkombinieren von Q-Interpretationen mit endlichem I zu widerlegen:Alle Q-Interpretationen mit endlichem I sind Q-Modelle der Q-Formel.
Gleichwohl ist die Formel nicht allgemeingĂźltig. Dies zeigt eine Interpretationmit unendlichem I : Es sei I der Bereich der natĂźrlichen Zahlen und es steheâFxyâ fĂźr ây ist grĂśsser als xâ, dann sind die Prämissen wahr, denn fĂźr jedenatĂźrliche Zahl gibt es eine, die grĂśsser ist (d.i. das 1. Konjunkt ist wahr), unddie Relation ist transitiv (d.i. das 2. Konjunkt ist wahr), andererseits gibt es aberkeine Zahl, die grĂśsser als sie selbst ist (d.i. das Konsequenz ist falsch). Ohne Bezugauf eine inhaltliche Interpretation und die Annahme der Wahrheit und Falschheitbestimmter mathematischer Aussagen, kann unter Verwendung der PĂźnktchenâ. . . â, durch die ein gesetzmässiges FortfĂźhren der einzelnen Reihen angedeutetwird, folgende widerlegende Q-Belegung mit unendlichem I angegeben werden:
=(x,y,z) = I = {c1, c2, c3, c4, c5, . . . };=(F ) = {(c1,c2), (c1,c3), (c1,c4), (c1,c5), . . . };
(c2,c3), (c2,c4), (c2,c5), . . . };(c3,c4), (c3,c5), . . . };
. . . }.
236
Diese Interpretation zeigt, dass die genannte Q-Formel nicht allgemeingĂźltigist. Dies kann aber auf Grund des unendlichen I nicht mittels eines Entschei-dungsverfahrens ermittelt werden. Es sind inhaltliche oder strukturelle Ăberlegun-gen, die auf gesetzmässige Konstruktionen unendlicher Reihen Bezug nehmen,die beweisen, dass es eine Q-Interpretation der genannten Formel gibt, die keinQ-Modell ist. Aber dass diese Q-Interpretation kein Q-Modell der Q-Formel ist,kann nicht mittels eines Entscheidungsverfahrens entschieden werden, da nurdie Wahrheitswerte von Q-Interpretationen mit endlichem I berechnet werdenkĂśnnen â das Resultat dieser Berechnungen ist aber in jedem Falle âW â und nichtâF â.
Erläuterung 8.22Es gibt Q-Formeln, fßr die alle Q-Interpretationen mit endlichem I Q-Modelle sind, aber fßr die es eine Q-Interpretation mit unendlichem I gibt,die kein Q-Modell der Formel ist.
Demnach:
Erläuterung 8.23Die Allgemeingßltigkeit einer beliebigen Q-Formel kann nicht anhandvon Q-Interpretationen mit endlichem I entschieden werden.
Demnach:
Erläuterung 8.24Das ĂberprĂźfen von Q-Interpretationen stellt kein EntscheidungsverfahrenfĂźr formale Eigenschaften und Relationen beliebiger Q-Formeln dar.
Hierin unterscheidet sich die Quantorenlogik von der Aussagenlogik.
ĂBUNG: WIDERLEGENDE Q-BELEGUNGEN
ĂBUNG: ALLGEMEINGĂLTIGKEIT
LEKTION 9
QUANTORENLOGISCHE FORMALISIERUNG
In dieser Lektion wird die Zuordnung von Q-Formeln zu umgangssprachlichenTexten thematisiert. Analog zur aussagenlogischen Formalisierung (vgl. LEKTI-ON 3) wird die quantorenlogische Formalisierung in die Standardisierung und dieSchematisierung unterteilt. Diese beiden Schritte werden in den ersten beiden Ab-schnitten besprochen. Abschliessend wird auf die Rekonstruktion umgangssprachlicherArgumente mit den Mitteln der Quantorenlogik eingegangen.
1 SCHEMATISIERUNG
Die quantorenlogische Schematisierung ordnet Q-Formeln einem SQ-Text zu.
Erläuterung 9.1Ein SQ-Text ist eine unanalysierte AbkĂźrzung eines elementaren Aussa-gesatzes oder eine analysierte AbkĂźrzung eines in Prädikat und Argumenteanalysierten elementaren Aussagesatzes oder eine gegliederte VerknĂźp-fung dieser AbkĂźrzungen und/oder der Formen analysierter elementarerAussagesätze mittels einer der folgenden fĂźnf BindewĂśrter: ânicht . . . â;â . . . und . . . â; â . . . oder . . . â; âwenn . . . dann . . . â; â . . . gdw . . .â sowie der AusdrĂźcke âAlle v erfĂźllenâ bzw. âMindestens ein v erfĂźlltâ.
v ist Metavariable fĂźr gebundene Variablen âxâ,âyâ,âzâ,âx1â,âx2â, . . . . Unter âFor-men analysierter elementarer Aussagesätzeâ sind die AusdrĂźcke zu verstehen, dieman erhält, wenn man Namen durch Variablen ersetzt.
Im Unterschied zur Aussagenlogik geht die Quantorenlogik von der Analyseelementarer Aussagen in Funktion und Argument aus. Dementsprechend kÜn-nen in den SQ-Texten im Unterschied zu den SJ -Texten die Abkßrzungen dieAnalyse der elementaren Aussagesätze in Prädikate und deren Argumente zumAusdruck bringen.
Erläuterung 9.2In den Abkßrzungen analysierter elementarer Aussagesätze werden dieAbkßrzungen der Prädikate vorangestellt, die Abkßrzungen ihrer Argu-mente folgen in Klammern geordnet und durch Kommata getrennt.
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Beispiele: âAbstammung(Mensch,Tier)â, âEroberung(Caesar,Gallien)â,âGrieche(Sokrates)â. Durch Indices kann man Prädikaten und/oder Argumentennähere Bestimmungen beifĂźgen: âGriecheweise(SokratesPlatonlehrer)â,âGriecheweise(Sokrates)â. Um knappere AbkĂźrzungen zu erhalten,kann man auf die Verwendung umgangssprachlicher AusdrĂźcke mit bekannterBedeutung verzichten und kleine Buchstaben âf,g,h,i,j,f1,f2,f3, . . . â zumZwecke der AbkĂźrzung von Prädikaten und âm,n,o,m1,m2,m3, . . . â als AbkĂźr-zungen ihrer Argumente verwenden. Die Inhalte der AbkĂźrzungen sind durchLegenden anzufĂźhren, z.B.:
SQ-TEXT: f(m,n).
LEGENDE:
f(_,_) = . . . stammt ab von . . .
m = der Mensch
n = das Tier
Die Argumentstellen des Prädiaktes seien in den AbkĂźrzungen durch â_âgekennzeichnet und in den umgangssprachlichen AusdrĂźcken durch â. . . â.
Aus den SQ-Texten kann man die von ihnen abgekßrzten umgangssprach-lichen (elementaren) Aussagesätze bilden, indem man aus der Abkßrzung desPrädikates das Verb samt Ergänzungen bildet, aus der Abkßrzung des ersten Ar-gumentes das grammatikalische Subjekt, und aus den Abkßrzungen der weiterenArgumente die grammatikalischen Objekte. Indices stehen fßr entsprechende Ad-verbien und Attribute.
Die Analyse der elementaren Aussagesätze darf nicht als eine vollständige Ana-lyse ihres Inhaltes missverstanden werden. Sie bleibt der Oberflächenstruktur ver-haftet. Der Inhalt des elementaren Aussagesatzes âSokrates ist ein weiser Grie-cheâ liesse sich in eine Konjunktion zweier Aussagen analysieren: âSokrates istweise und Sokrates ist ein Griecheâ: Diese Analyse wird durch zwei andere ele-mentare Aussagesätze (âSokrates ist weiseâ, âSokrates ist ein Griecheâ) ausge-drĂźckt. Die Analyse elementarer Aussagesätze in Prädikate und deren Argumentegeht von gegebenen elementaren Aussagesätzen aus und behandelt nicht die Frageder Analyse ihres Inhaltes. Es ist vielmehr Aufgabe der Standardisierung die fĂźreine logische Rekonstruktion umgangssprachlicher Texte angemessene Analysedes Inhaltes von Aussagen durch entsprechende standardisierte elementare Aus-sagesätze wiederzugeben.
Es gibt nicht immer nur eine mĂśgliche Analyse eines elementaren Aussagesat-zes in Prädikate und Argumente: âDer Mensch stammt vom Tier abâ kann z.B.
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auch in ein einstelliges Prädikat mit dem Argument âMenschâ analysiert werden(âTierabstammung (Mensch)â).
Durch die Analyse elementarer Aussagesätze in Prädikate und Argumentewerden keine ontologischen Unterscheidungen getroffen: So kann z.B. âder Menschâals Argument des Prädikates â. . . ist weiseâ behandelt werden, auch wenn mansich mit diesem Ausdruck nicht wie z.B. mit dem Ausdruck âSokratesâ auf einbestimmtes Individuum, sondern eine Gattung bezieht.
Die Tatsache, dass die SQ-Texte als Abkßrzungen umgangssprachlicher Aus-sagesätze verstanden werden, deren grammatikalische Form der Analyse in Prä-dikate und Argumente entspricht, bedeutet nicht, dass die grammatikalische Analyseein notwendiges Kriterium der Analyse in Prädikate und Argumente ist. Es be-deutet nur, dass in der Standardisierung die grammatikalische Form der logischenAnalyse entspricht.
An die Stelle der Namen in den elementaren Aussagesätzen kĂśnnen Variablentreten, so dass man Formen der in Prädikate und Argumente analysierten elementa-ren Aussagesätze erhält. Die Variablen mĂźssen durch die AusdrĂźcke âAlle v erfĂźl-lenâ bzw. âMindestens ein v erfĂźlltâ gebunden sein. Diese lassen sich eineindeutigden Quantoren zuordnen:
Bezeichnung U-sprachl. Ausdruck Q-Symbol
Allquantor Alle v erfĂźllen âvExistenzquantor Mindestens ein v erfĂźllt âv
Wie im Falle der BindewĂśrter ânicht . . . â, â. . . und . . . â, â. . . oder . . . â,âwenn . . . dann . . . â, â. . . gdw . . . â handelt es sich um einen standardisierten(genormten) Gebrauch der umgangssprachlichen AusdrĂźcke âalleâ und âminde-stens einâ. Es gibt Verwendungen dieser AusdrĂźcke in umgangssprachlichen Tex-ten, die nicht im Sinne eines Quantors interpretiert werden kĂśnnen, z.B. âDieserStab ist mindestens einen Zentimeter langâ (vgl. hierzu das Problem der Quan-tifizierung Ăźber Masseinheiten, S. 264). Vor allem aber werden in der Umgangs-sprache Quantifikationen oft ausgedrĂźckt, ohne die AusdrĂźcke âalleâ oder âmin-destens einâ zu verwenden.
Zum einen werden in der Umgangssprache alternative AusdrĂźcke verwendet:1
1Zur Verwendung des Doppelpunktes in den Standardisierungen siehe unten S. 241.
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U-Text SQ-Text
Jeder wird gern gelobt. Alle x erfĂźllen: wirdgelobtgern (x):
Einige blieben Ăźbrig. Mindestens ein x erfĂźllt: bliebenĂźbrig (x):
Jemand ging. Mindestens ein x erfĂźllt: ging (x):
Alles verändert sich. Alle x erfßllen: verändertsich (x):
Etwas wird anders. Mindestens ein x erfĂźllt: wirdanders (x):
Zum Anderen werden in der Umgangssprache AusdrĂźcke zum Zwecke derBildung quantifizierter Aussagen gebraucht, die in der standardisierten Spracheaus ânichtâ und âalleâ bzw. âmindestens einâ zusammengesetzt sind:
U-Text SQ-Text
Keiner verliert gern. Nicht Mindestens ein x erfĂźllt: verliertgern (x):bzw.Alle x erfĂźllen nicht: verliertgern (x):
Nichts bleibtunbestraft.
Nicht Mindestens ein x er-fĂźllt: bleibtunbestraft (x):bzw.Alle x erfĂźllen nicht: bleibtunbestraft(x):
Niemand arbeitetfreiwillig umsonst.
Nicht Mindestens ein x erfĂźllt:arbeitetfreiwilligumsonst
(x):bzw.Alle x erfĂźllen nicht: arbeitetfreiwilligumsonst(x):
Es gelten folgende Zuordnungen:
U-Ausdruck SQ-Ausdruck Q-Ausdruck
Kein Nicht Mindestens ein v erfĂźllt; ÂŹâv;
Alle v erfĂźllen nicht âvÂŹNicht alle Nicht Alle v erfĂźllen; ÂŹâv;
Mindestens ein v erfĂźllt nicht âvÂŹ
Eine Reihe umgangssprachlicher AusdrĂźcke zur Bildung spezifizierter quanti-fizierter Aussagen (z.B. âgenau einâ, âhĂśchstens vierâ, ânur dreiâ, âzwischen zwei und
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fĂźnfâ, âzweiâ, âdreiâ etc.) kĂśnnen nur im Rahmen der erweiterten Quantorenlogikadäquat formal behandelt werden (vgl. hierzu LEKTION 11). Andere umgangs-sprachliche AusdrĂźcke zur Bildung bestimmter quantifizierter Aussagen sind garnicht im Rahmen der klassischen Quantorenlogik formalisierbar (z.B. âendlichvieleâ, âunendlich vieleâ, âungefähr fĂźnfâ, âdie meistenâ, âdie wenigstenâ).
Schliesslich kĂśnnen quantifizierte Aussagen in der Umgangssprache auch aus-gedrĂźckt werden, ohne dass dies explizit oder eindeutig durch einen bestimmtenAusdruck geschieht.2
U-Text SQ-Text
Ein Soldat ist im Zim-mer.
Mindestens ein x erfĂźllt: Soldat (x) und im-Zimmer (x):
Ein Soldat ist gehor-sam.
Alle x erfĂźllen: wenn Soldat (x) dann ge-horsam (x):
Soldaten sind gehor-sam.
Alle x erfĂźllen: wenn Soldat (x) dann ge-horsam (x):
Menschen werden denMond besiedeln.
Mindestens ein x erfĂźllt: Mensch (x) undbesiedelnMond (x):
Der Fuchs ist einschlaues Tier.
Alle x erfĂźllen: wenn Fuchs (x) dannTierschlau (x):
In der Gliederung der SQ-Texte tritt gegenĂźber den SJ -Texten als zusätz-liches Element die Kennzeichnung der Wirkungsbereiche der AusdrĂźcke âAllev erfĂźllenâ bzw. âMindestens ein v erfĂźlltâ hinzu. Die Wirkungsbereiche dieserAusdrĂźcke seien durch einen Doppelpunkt am Anfang und am Ende des Wir-kungsbereiches gekennzeichnet, z.B.: âMindestens ein x erfĂźllt Alle y erfĂźllen:arm(x) und Untertan(x,y):â. Auch wenn sich der Wirkungsbereich nur auf eineAussagefunktion bezieht, ist dies zu kennzeichnen, z.B.: âAlle x erfĂźllen: f(x):â.In komplizierteren Fällen sind Zahlenindices zu verwenden, um geschachtelteWirkungsbereiche zu kennzeichnen, z.B.: âMindestens ein x erfĂźllt:1 Gas(x) undalle y erfĂźllen:2 wenn Metall(y) dann schwerer(x,y):2:1â. Der Ăbersicht halbersei vereinbart, dass immer dann Zahlenindices in SQ-Texten verwendet werden,wenn in diesen mehr als zwei Doppelpunkte vorkommen. Auch die durch Dop-pelpunkte eingerahmten Teile von SQ-Texten seien âzusammengefasste Teileâgenannt (siehe Erläuterung 9.4, Regel 3).
2Zur Standardisierung der umgangssprachlichen Sätze siehe auch S. 245.
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Erläuterung 9.3In SQ-Texten werden Doppelpunkte zur Kennzeichnung von Wirkungs-bereichen verwendet.
Unter Voraussetzung der Zuordnungsregeln der Quantoren und der Regelnaus LEKTION 3, Abschnitt 1 zur Schematisierung der Aussagenlogik, lassen sichQ-Formeln aus SQ-Texten nach folgender Regel eindeutig gewinnen:
Schematisierungsregel:1. 1.1 Ersetze identische AbkĂźrzungen unanalysierter elementarer
Aussagesätze in den SQ-Texten durch identische Satzbuch-staben, und unterschiedliche Abkßrzungen unanalysierterelementarer Aussagesätze in den SQ-Texten durch unter-schiedliche Satzbuchstaben!
1.2 Ersetze identische AbkĂźrzungen von Prädikaten in denSQ-Texten durch identische Prädikatbuchstaben, und un-terschiedliche AbkĂźrzungen von Prädikaten in den SQ-Texten durch unterschiedliche Prädikatbuchstaben! Ăber-nehme hierbei die Variablen an den Argumentstellen!
1.3 Ersetze identische Namen in den SQ-Texten durch identi-sche Namenbuchstaben und unterschiedliche Namen in denSQ-Texten durch unterschiedliche Namenbuchstaben!
2. Ersetze die BindewĂśrter der SQ-Texte durch die entsprechendenlogischen Junktoren; und ersetze âAlle v erfĂźllenâ durch ââvâ undâMindestens ein v erfĂźlltâ durch ââvâ!
3. Umklammere die Teile der Q-Formeln, die zusammengefasstenTeilen der SQ-Texte entsprechen, es sei denn es handelt sich ledig-lich um eine atomare Formel, eine negierte atomare Formel odereine Form einer atomaren Formel bzw. einer negierten atomarenFormel!
Es sei vereinbart, dass dem nten Element der Reihe âa, b, c, d, e, f, a1, a2, a3,. . . â der SQ-Texte das nte Element der Reihe âP,Q,R, S, T, U, P1, P2, P3, . . . âfĂźr die Satzbuchstaben der Q-Formeln zugeordnet werde (also âaâ wird âP â zuge-ordnet, âbâ wird âQâ zugeordnet etc.); dem n-ten Element der Reihe âf, g, h, i, j,
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f1, f2, f3, . . . â der SQ-Texte sei der entsprechende Grossbuchstabe âF,G, H,I, J,F1, F2, F3, . . . â der Prädikatbuchstaben der Q-Formeln zugeordnet und demnten Element der Reihe âm,n, o,m1,m2,m3, . . . â der SQ-Texte das nte Ele-ment der Reihe âa, b, c, a1, a2, a3, . . . â fĂźr die Namenbuchstaben der Q-Formeln.
BEISPIEL:
SQ-Text: Alle x erfĂźllen Mindestens ein y erfĂźllt : wenn f(x) dann f(y) und g(y,x) : oder a
Q-Formel: âx ây ( Fx â Fy & Gyx ) ⨠P
LEGENDE:
f(_) = . . . ist eine Zahl
g(_,_) = . . . ist Nachfolger von . . .
a = Die Mathematik verliert ihre GĂźltigkeit.
Auch die SQ-Texte kÜnnen wie SJ -Texte in Form von Zerlegungsbäumen(SQ-Strukturen) dargestellt werden (vgl. Abbildung 9.1).
Mind.ein y
f(x) g(y,x) a
dann
Alle x
oder
und
f(y)
Abbildung 9.1: Beispiel einer SQ-Struktur
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In der untersten Reihe werden die AbkĂźrzungen der elementaren Aussagenbzw. elementaren Aussageformen in der Reihenfolge ihres Vorkommens im SQ-Text genannt. DarĂźber werden die BindewĂśrter bzw. âAlle vâ und âMind. ein vâden jeweiligen Textteilen hierarchisch zugeordnet.
Die SQ-Texte sind strukturierte, standardisierte umgangssprachliche Paraphrasen wahr-heitsfunktional verknĂźpfter elementarer Aussagen und quantifizierter Aussagefor-men, die sich eindeutig Q-Formeln zuordnen lassen.
ĂBUNG: SCHEMATISIERUNG
2 STANDARDISIERUNG
In der quantorenlogischen Standardisierung werden gegebene U-Texte SQ-Texten zu-geordnet. Hierfßr mßssen neben der Identifikation elementarer Aussagen undihrer wahrheitsfunktionalen Beziehungen, elementare Aussagen in Prädikate undihre Argumente analysiert und Quantifikationen ßber die Gegenstände der ele-mentaren Aussagen identifiziert werden.
FĂźr die quantorenlogische Standardisierung gibt es ebenso wenig wie fĂźr dieaussagenlogische Standardisierung eindeutige Regeln. Es gilt fĂźr sie dasselbe wiefĂźr die aussagenlogische Standardisierung:
Erläuterung 9.4Die quantorenlogische Standardisierung ist abhängig von der Interpretati-on umgangssprachlicher Texte.
Die quantorenlogische Analyse ist ein Instrument, eine Interpretation deutlichzum Ausdruck zu bringen. Eine Interpretation kann den Inhalt der umgangs-sprachlichen Aussagen mehr oder weniger explizit wiedergeben. Im Folgenden seistets von Interpretationen ausgegangen, in denen der Inhalt der umgangssprach-lichen Ausdrßcke nicht weiter analysiert, sondern nur der gemeinte Gehalt unterBezugnahme auf weiter zu analysierende Begriffe quantorenlogisch formalisiertwird. Es sei ferner auf einige wesentliche Punkte, die bei der quantorenlogischenFormalisierung zu beachten sind und in dem vorangegangenen Abschnitt oder inLEKTION 7 noch keine Erwähnung fanden, eingegangen:
1. Formalisierung der A,I,E,O-Aussagen
2. Implizite Prädikate
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3. Quantorenreihenfolge
4. Wirkungsbereiche
5. Grenzen der quantorenlogischen Formalisierung
2.1 FORMALISIERUNG DER A,I,E,O-AUSSAGEN
A,I,E,O-Aussagen werden umgangssprachlich durch einen Satz formuliert, derzwei Prädikate, aber nur einen expliziten Quantorindikator enthält. Die Quantor-indikatoren entsprechen âAlle v erfĂźllenâ bzw. âMindestens ein v erfĂźlltâ bzw.deren Negationen in den SQ-Texten und den entsprechenden Quantoren in denQ-Formeln. Die Prädikate sind einstellige FunktionsausdrĂźcke, da den A,I,E,O-Aussagen nur ein Quantorindikator vorangehen kann. Dieser bezieht sich aufbeide Funktionen â der Wirkungsbereich des jeweiligen Quantors erstreckt sichdemnach Ăźber beide Aussagefunktionen. Aussagefunktionen in einem Wirkungs-bereich mĂźssen in den Q-Formeln durch einen Junktor verknĂźpft werden. WelcherJunktor jeweils der adäquate Junktor ist, ergibt sich aus dem Verständnis der Wahr-heitsbedingungen der A,I,E,O-Aussagen:3
⢠Eine Aussage der Form A (âAlle B1 sind B2â) ist wahr gdw. fĂźr alle Gegen-stände gilt: wenn sie unter den Begriff B1 fallen, dann auch unter den BegriffB2.
⢠Eine Aussage der Form I (âEinige B1 sind B2â) ist wahr gdw. fĂźr min-destens einen Gegenstand gilt: er fällt unter den Begriff B1 und unter denBegriff B2.
⢠Eine Aussage der Form E (âKeine B1 sind B2â) ist wahr gdw. fĂźr keinenGegenstand gilt: er fällt unter den Begriff B1 und unter den Begriff B2.
⢠Eine Aussage der Form O (âNicht alle B1 sind B2â) ist wahr gdw. nicht fĂźralle Gegenstände gilt: wenn sie unter den Begriff B1 fallen, dann auch unterden Begriff B2.
Es sei anstelle von B1 der Begriff F und anstelle von B2 der Begriff Gverwendet. Dann ergibt sich:
3Im Folgenden wird von der ontischen Deutung der Quantifikation Gebrauch gemacht, da dieseeingängiger ist und zu einfacheren Formulierungen fßhrt. Es wird demnach in dieser und in denweiteren LEKTIONEN der Einfachheit halber von den Werten des Wertebereiches im Sinne vonGegenständen geredet.
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Erläuterung 9.5
Syll. Aussageform SQ-Text Q-Formel
A: Alle F sind G Alle x erfĂźllen: wennf(x) dann g(x):
âx(Fx â Gx)
I: Einige F sind G Mindestens ein x er-fĂźllt: f(x) und g(x):
âx(Fx&Gx)
E: Keine F sind G Nicht Mindestens ein xerfĂźllt: f(x) und g(x):
ÂŹâx(Fx&Gx)
O: Nicht alle F sindG
Nicht Alle x erfĂźllen:wenn f(x) dann g(x):
ÂŹâx(Fx â Gx)
In der modernen Quantorenlogik wird im Unterschied zur Syllogismenlehrenicht implizit vorausgesetzt, dass der Begriff B1 bzw. F nicht leer ist. In denFormalisierungen der Aussagen A und E ist im Unterschied zu den Aussagender Form I und O nicht gesagt, ob keine, einige (mindestens ein) oder alle Ge-genstände unter den Begriff F fallen. Es ist gegebenenfalls durch eine zusätzlicheexistenzquantifizierte Formel (ââxFxâ) explizit zum Ausdruck zu bringen, dassder Begriff F nicht leer ist.
Mit der Formalisierung von A wird gesagt, dass alle die Gegenstände, die unterden Begriff F fallen, auch unter den Begriff G fallen. Fällt kein Gegenstandunter den Begriff F , dann ist diese Aussage nach dem Verständnis der modernenQuantorenlogik wahr, da das Antezedenz des Konditionals fĂźr alle Einsetzungs-instanzen falsch und damit das Konditional, ganz unabhängig davon, welche Ge-genstände âGxâ erfĂźllen, wahr wird. Fallen einige Gegenstände unter den BegriffF , dann ist ââx(Fx â Gx)â nur dann wahr4, wenn alle diese Gegenstände auchunter den Begriff G fallen. Fallen alle Gegenstände unter den Begriff F , dann istââx(Fx â Gx)â nur dann wahr, wenn alle Gegenstände auch unter den BegriffG fallen.
Mit der Formalisierung von E wird gesagt, dass kein Gegenstand unter die beidenBegriffe F und G fällt. Fällt keiner unter den Begriff F , dann ist dies wahr, ganzgleich, ob und welche Gegenstände unter den Begriff G fallen. Fällt mindestenseiner unter den Begriff F , dann ist âÂŹâx(Fx&Gx)â nur dann wahr, wenn dieseGegenstände, die unter F fallen, nicht unter G fallen. Fallen alle unter den Begriff
4Es wird hier wie im Folgenden kurz davon geredet, dass Formeln wahr oder falsch sind, wenngenauerhin gemeint ist, dass ihre Instanzen wahr oder falsch sind.
247
F , dann ist âÂŹâx(Fx&Gx)â nur dann wahr, wenn kein Gegenstand unter denBegriff G fällt.
DemgegenĂźber ist mit einer Aussage der Form I gesagt, dass mindestensein Gegenstand unter den Begriff F fällt. Wahr sind Aussagen der Form I nurdann, wenn mindestens einer der Gegenstände, die unter den Begriff F fallen,auch unter den Begriff G fällt. Auch mit Aussagen der Form O ist gesagt, dassmindestens ein Gegenstand unter den Begriff F fällt, denn fiele kein Gegenstandunter den Begriff F , dann wären Aussagen der Form O falsch, denn es folgte,dass Aussagen der Form ââx(Fx â Gx)â wahr wären. Wahr ist eine Aussageder Form O aber nur dann, wenn nicht alle die Gegenstände, die unter den BegriffF fallen, auch unter den Begriff G fallen.
Unter der Voraussetzung, dass in Aussagen der Form A und E nicht implizitgesagt wird, dass der Begriff F nicht leer ist, fallen die subalternen Beziehungen imlogischen Quadrat (vgl. S. 194) weg. Denn daraus, dass fßr alle Gegenstände gilt:wenn sie unter den Begriff F fallen, dann fallen sie auch unter den Begriff G, folgtnicht, dass es mindestens einen Gegenstand gibt, der sowohl unter F als auchunter G fällt, da Ersteres auch dann wahr ist, wenn kein Gegenstand unter denBegriff F fällt, wodurch Letzteres falsch wird. Analoges gilt fßr die Beziehungenzwischen E und O: Wenn es keinen Gegenstand gibt, der unter F fällt, dann ist Ewahr, aber O falsch.
Im logischen Quadrat fallen darßber hinaus auch die konträren und subkonträrenBeziehungen weg, wenn man nicht voraussetzt, dass der Begriff F nicht leer ist:
Iâx(Fx&Gx)
OÂŹâx(Fx â Gx)
Aâx(Fx â Gx)
ll
ll
ll
ll
EÂŹâx(Fx&Gx)
,,
,,
,,
,,
Abbildung 9.2: Logisches Quadrat in der modernen Quantorenlogik
248
2.2 IMPLIZITE PRĂDIKATE
In den seltensten Fällen wird in der Umgangssprache ausgesagt, dass Gegenständeeiner beliebigen Art unter einen Begriff fallen bzw. nicht fallen. Vielmehr wird dieArt der Gegenstände, ßber die eine Aussage getroffen wird, implizit oder expliziteingegrenzt. In Aussagen der Form A und O wird explizit durch das Antezedenzdie Art von Gegenständen eingegrenzt, ßber die dann im Konsequenz etwas aus-gesagt wird: Alle bzw. nicht alle Gegenstände, die F sind, sind auch G. In Aussagender Form I und E wird ausgesagt, dass einige bzw. keine Gegenstände, die F sind,auch G sind.
Oft wird in umgangssprachlichen Texten die Art von Gegenständen, ßber dieetwas ausgesagt wird, nicht explizit genannt, und oft sind auch die Spezifikationen,die getroffen werden, nicht hinreichend, um die gemeinten Gegenstände, ßberdie eine Aussage getroffen wird, zu kennzeichnen. Dies ist vielmehr durch denKontext der Aussage festgelegt.
BEISPIEL 1:
U-TEXT:
Alle haben die Klausur bestanden.
Versteht man diese Aussage ohne nähere Spezifikation der Gegenstände, ßberdie ausgesagt wird, dass sie die Klausur bestanden haben, dann wßrde mit derAussage z.B. auch ausgesagt, dass die Zahl 2 die Klausur bestanden hat. Dies istsicherlich nicht gemeint. Gemeint sei:
INTERPRETATATION:
Alle Kursteilnehmer des Logikkurses Bern im Sommersemester 2002 habendie Klausur bestanden.
LEGENDE:
f(_) = . . . ist ein Kursteilnehmer des Logikkurses Bern imSommersemester 2002
g(_) = . . . hat die Klausur bestanden
SQ-TEXT:
Alle x erfĂźllen: wenn f(x) dann g(x):
Q-FORMEL:
âx(Fx â Gx)
249
In dieser Formalisierung ist nicht vorausgesetzt, dass es Teilnehmer des Lo-gikkurses im Sommersemester 2002 in Bern gibt: Die Aussage ist auch dann wahr,wenn es keine Teilnehmer des besagten Logikkurses gibt.
BEISPIEL 2:
U-TEXT:
Einige waren fertig und gingen frĂźher.
INTERPRETATION:
Mindestens eine Person, die am 8.5.2002 im Raum -121 des Unitoblers anwe-send war, war fertig und ging frĂźher.
LEGENDE:
f(_) = . . . ist eine Persong(_) = . . . ist am 8.5.2002 im Raum -121 des Unitoblers
anwesendh(_) = . . . war fertigi(_) = . . . ging frĂźher
SQ-TEXT:
Mindestens ein x erfĂźllt: f(x) und g(x) und h(x) und i(x):
Q-FORMEL:
âx(Fx&Gx&Hx& Ix)
Gemäss dieser Formalisierung ist die Aussage falsch, wenn es keine Personengibt, oder wenn niemand am 8.5. im Raum -121 des Unitoblers anwesend ist.
Als Faustregel gilt:
250
Erläuterung 9.6Wird etwas ßber alle Gegenstände einer bestimmten Art ausgesagt, dannsteht im Wirkungsbereich eine materiale Implikation, in deren Anteze-denz die Prädikate stehen, die die Gegenstände, ßber die etwas ausgesagtwird, spezifizieren, und in deren Konsequenz die Prädikate stehen, die dieAussage ßber die Gegenstände treffen. Wird etwas ßber mindestens einenGegenstand einer bestimmten Art ausgesagt, dann werden die Prädikate,die den Gegenstand spezifizieren, und die, welche die Aussage treffen,konjunktiv verknßpft.
BEISPIEL 3:
U-TEXT:
Einige gaben allen die Hand.
INTERPRETATION:
Mindestens ein Mitglied des Schwimmvereins Bern im Jahre 2002 gab allenMitgliedern des Vorstandes des Schwimmvereins Bern im Jahre 2002 die Hand.
LEGENDE:
f(_) = . . . ist Mitglied des Schwimmvereins Bern im Jahre2002
g(_) = . . . ist Mitglied des Vorstandes des SchwimmvereinsBern im Jahre 2002
h(_,_) = . . . gibt die Hand . . .
SQ-TEXT:5
Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x) und Alle y erfĂźllen:2 wenn g(y)dann h(x,y):2:1
Bzw.: Mindestens ein x erfĂźllt Alle y erfĂźllen: f(x) und wenn g(y)dann h(x,y):
5Im Folgenden werden Formalisierungen, die gemäss Erläuterung 9.11 gleichbedeutend sind, alsAlternativen aufgefßhrt. Die Formalisierungen, in denen Quantoren innerhalb des Klammeraus-druckes stehen, sind meistens der umgangssprachlichen Formulierung näher. Die Formalisierun-gen, in denen die Quantoren hintereinander vor dem Klammerausdruck stehen, sind ßbersichtli-cher. Gibt es weitere naheliegende oder bedeutsame äquivalente Formalisierungen, werden auchdiese aufgefßhrt.
251
Q-FORMEL:
âx(Fx&ây(Gy â Hxy))Bzw.: âxây(Fx&(Gy â Hxy))
Nach dieser Formalisierung ist vorausgesetzt, dass implizit ausgesagt wird,dass es ein Mitglied des Schwimmvereins Bern im Jahre 2002 gibt, und dass vondiesem ausgesagt wird, dass es allen Mitgliedern des Vorstandes des Schwimmver-eins Bern im Jahre 2002 die Hand gab. Dies ist gemäss der Formalisierung auchdann der Fall, wenn es kein Mitglied des Vorstandes des Schwimmvereins Bernim Jahre 2002 gibt.
BEISPIEL 4:
U-TEXT:
Alle hintergingen alle.
INTERPRETATION:
Alle Mitglieder der Familie Riggisberg (und das sind einige) hintergingen alleMitglieder der Familie Riggisberg.
LEGENDE:
f(_) = . . . ist Mitglied der Familie Riggisbergg(_,_) = . . . hinterging . . .
SQ-TEXT:
Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x):1 und Alle x erfĂźllen:2 wennf(x) dann Alle y erfĂźllen:3 wenn f(y) dann g(x,y):3:2
Bzw. Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x):1 und Alle x erfĂźllen Alle yerfĂźllen:2 wenn f(x) dann wenn f(y) dann g(x,y):2
Bzw. Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x):1 und Alle x erfĂźllen Alle yerfĂźllen:2 wenn f(x) und f(y) dann g(x,y):2
Q-FORMEL:
âxFx&âx(Fx â ây(Fy â Gxy))Bzw.: âxFx&âxây(Fx â (Fy â Gxy))Bzw.: âxFx&âxây(Fx&Fy â Gxy)
Diese Formalisierungen bringen durch das erste Konjunkt zum Ausdruck,dass davon ausgegangen wird, dass es Mitglieder der Familie Riggisberg gibt. Von
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all diesen wird im zweiten Konjunkt ausgesagt, dass sie alle (d.i. inklusive sichselbst) hintergingen.
Erläuterung 9.7Um den gemeinten Sinn in der Standardisierung zum Ausdruck zubringen, mßssen zusätzliche Prädikate verwendet werden, durch die dieGegenstände, ßber die etwas ausgesagt wird, gekennzeichnet werden.Hierbei ist jeweils zu berßcksichtigen, ob ausgesagt ist, dass Gegenständeunter die mit den Prädikaten bezeichneten Begriffe fallen oder nicht.
Ein etwas komplizierteres Beispiel ist das folgende:
BEISPIEL 5:
U-TEXT:
Metalle reagieren mit allem, was den Strom nicht leitet, ausgenommen Edel-gasen.
INTERPRETATION:6
Alles, das ein chemisches Element und ein Metall ist, und alles, das ein che-misches Element ist und den Strom nicht leitet und kein Edelgas ist, reagiertmiteinander.
In dieser Interpretation wird zunächst explizit gemacht, von welcher Art vonGegenständen die Rede ist, und anschliessend die Aussage ßber die Beziehungdieser Gegenstände getroffen. Dies ist ein typisches Vorgehen des quantorenlogi-schen Formalisierens:
Erläuterung 9.8Bei der quantorenlogischen Formalisierung sind quantifizierte Aussagenvon aussen nach innen zu strukturieren, indem zunächst die Art der Ge-genstände gekennzeichnet wird, ßber die quantifiziert wird, und ansch-liessend die Aussagen, die ßber diese getroffen werden, wiedergegebenwerden.
6Vgl. hierzu auch das Argument auf S. 272, dessen Rekonstruktion es nÜtig macht, explizit zuerwähnen, dass chemische Elemente miteinander reagieren.
253
LEGENDE:
f(_) = . . . ist ein chemisches Elementg(_) = . . . ist ein Metallh(_) = . . . leitet den Stromi(_) = . . . ist ein Edelgasj(_,_) = . . . reagiert mit . . .
SQ-TEXT:
Alle x erfĂźllen:1 wenn f(x) und g(x) dann Alle y erfĂźllen:2wenn f(y) und nicht h(y) und nicht i(y) dann j(x,y):2:1
Bzw.: Alle x erfĂźllen Alle y erfĂźllen: wenn f(x) und g(x) dann wennf(y) und nicht h(y) und nicht i(y) dann j(x,y):
Bzw.: Alle x erfĂźllen Alle y erfĂźllen: wenn f(x) und g(x) und f(y) undnicht h(y) und nicht i(y) dann j(x,y):
Q-FORMEL:
âx(Fx&Gx â ây(Fy &ÂŹHy &ÂŹIy â Jxy))Bzw.: âxây(Fx&Gx â (Fy &ÂŹHy &ÂŹIy â Jxy))Bzw.: âxây(Fx&Gx&Fy &ÂŹHy &ÂŹIy â Jxy)
In den Formalisierungen ist darauf zu achten, dass der Hauptjunktor im Klam-merausdruck der Pfeil und nicht der Konjunktor ist, denn in der umgangssprach-lichen Formulierung ist nicht behauptet, dass alle Gegenstände chemische Ele-mente sind, noch, dass alle Metalle sind, noch, dass alle den Strom leiten, noch,dass alle Edelgase sind.
2.3 QUANTORENREIHENFOLGE
Beziehen sich zwei oder mehr Quantoren auf eine zwei- oder mehrstellige Aus-sagefunktion, dann macht es einen relevanten Unterschied, ob ein Allquantor voreinem Existenzquantor oder ein Existenzquantor vor einem Allquantor steht.
U-TEXT:
Es gibt einen passenden Deckel fĂźr jeden Topf.
INTERPRETATION 1:
Auf jeden einzelnen Topf passt (mindestens) ein Deckel.
254
LEGENDE:
f(_) = . . . ist ein Topfg(_) = . . . ist ein Deckelh(_,_) = . . . passt auf . . .
SQ-TEXT:
Alle x erfĂźllen:1 wenn f(x) dann Mindestens ein y erfĂźllt:2 g(y)und h(y,x):2:1
Bzw.: Alle x erfĂźllen Mindestens ein y erfĂźllt: wenn f(x) dann g(y)und h(y,x):
Q-FORMEL:
âx(Fx â ây(Gy &Hyx))Bzw.: âxây(Fx â Gy &Hyx)
Der Prädikatbuchstabe âGâ steht hier im Konsequenz der materialen Implika-tion, da die Aussage falsch ist, wenn es zwar TĂśpfe gibt, aber keine Deckel.
INTERPRETATION 2:
(Mindestens) ein Deckel passt auf alle TĂśpfe.
SQ-TEXT:
Mindestens ein x erfĂźllt:1 g(x) und Alle y erfĂźllen:2 wenn f(y)dann h(x,y):2:1
Bzw.: Mindestens ein x erfĂźllt Alle y erfĂźllen: g(x) und wenn f(y)dann h(x,y):
Q-FORMEL:
âx(Gx&ây(Fy â Hxy))Bzw.: âxây(Gx&(Fy â Hxy))
Der Hauptjunktor im Klammerausdruck muss hier der Konjunktor sein, dadie Aussage falsch ist, wenn es keine Deckel gibt, und falsch ist, wenn nicht aufalle TĂśpfe ein Deckel passt.
Nach Interpretation 1 gibt es fĂźr jeden von n TĂśpfen mindestens einen passen-den Deckel: Es muss hierbei nicht einen Deckel geben, der auf alle n TĂśpfe passt.Nach Interpretation 2 gibt es hingegen fĂźr n TĂśpfe mindestens einen Deckel, der aufalle n TĂśpfe passt.
255
Zu beachten ist auch die Reihenfolge der Variablen in mehrstelligen Funk-tionsausdrĂźcken: WĂźrde man in der Formalisierung von Interpretation 2 anstellevon ââxây(Gx&(Fy â Hxy))â die Q-Formel ââxây(Gx&(Fy â Hyx))âwählen, dann wĂźrde dies bedeuten, dass es mindestens einen Deckel gibt, aufden alle TĂśpfe passen. Und wĂźrde man in der Formalisierung von Interpretation1 anstelle von ââxây(Fx â Gy &Hyx)â zu ââxây(Fx â Gy &Hxy)âgelangen, dann wĂźrde dies bedeuten, dass es fĂźr jeden Topf irgendeinen Deckelgibt, auf den der jeweilige Topf passt.7
Erläuterung 9.9Die Quantorenreihenfolge ist bedeutsam, wenn unterschiedliche Quan-toren aufeinander folgen, die sich auf dieselbe (mehrstellige) Aussage-funktion beziehen.
Dagegen macht die Reihenfolge keinen relevanten Unterschied, wenn zweiAllquantoren bzw. zwei Existenzquantoren aufeinander folgen.
U-TEXT:
Jeder Klosterbruder dient jedem.
INTERPRETATION:
Jeder Klosterbruder dient jedem Klosterbruder (inklusive sich selbst).
LEGENDE:
f(_) = . . . ist ein Klosterbruderg(_,_) = . . . dient . . .
SQ-TEXT:
Alle x erfĂźllen:1 wenn f(x) dann Alle y erfĂźllen:2 wenn f(y)dann g(x,y):2:1
Bzw.: Alle x erfĂźllen Alle y erfĂźllen: wenn f(x) dann wenn f(y) danng(x,y):
Bzw.: Alle x erfĂźllen Alle y erfĂźllen: wenn f(x) und f(y) dann g(x,y):
7Dies macht jeweils einen Unterschied, wenn man die Relation des âPassensâ zwischen Deckelund Topf als asymmetrische Relation versteht, nach der Deckel auf TĂśpfe, aber nicht TĂśpfe aufDeckel passen.
256
Q-FORMEL:
âx(Fx â ây(Fy â Gxy))Bzw.: âxây(Fx â (Fy â Gxy))Bzw.: âxây(Fx&Fy â Gxy)
Die Formeln ââxây(Fx â (Fy â Gxy))â und ââyâx(Fx â (Fy âGxy))â sowie die Formeln ââxây(Fx&Fy â Gxy)â und ââyâx(Fx&Fy âGxy)â sind gleichbedeutend. Zu beachten ist, dass die Formalisierungen auf Grundder inklusiven Interpretation der Variablen aussagen, dass nicht nur alle Kloster-brĂźder allen anderen, sondern auch sich selbst dienen.
U-TEXT:
Mindestens einer besiegt irgendeinen.
INTERPRETATION:
Mindestens ein Schachspieler besiegt irgendeinen Schachspieler (sich selbstoder einen anderen).
LEGENDE:
f(_) = . . . ist ein Schachspielerg(_,_) = . . . besiegt . . .
SQ-TEXT:
Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x) und Mindestens ein y erfĂźllt:2f(y) und g(x,y):2:1
Bzw.: Mindestens ein x erfĂźllt Mindestens ein y erfĂźllt: f(x) und ,f(y) und g(x,y):
Bzw.: Mindestens ein x erfĂźllt Mindestens ein y erfĂźllt: f(x) und f(y)und g(x,y):
Q-FORMEL:
âx(Fx&ây(Fy &Gxy))Bzw.: âxây(Fx&(Fy &Gxy))Bzw.: âxây(Fx&Fy &Gxy)
Die Formeln ââxây(Fx&(Fy &Gxy))â und ââyâx(Fx&(Fy &Gxy))âsind ebenso wie die Formeln ââxây(Fx&Fy &Gxy)â und ââyâx(Fx&Fy &Gxy)â gleichbedeutend. Wiederum bringt auf Grund der inklusiven Deutung derVariablen diese Formalisierung nicht zum Ausdruck, dass mindestens ein Schach-
257
spieler irgendeinen anderen Schachspieler besiegt, vielmehr ist die Formel auchdann wahr, wenn ein Schachspieler sich selbst besiegt.
Da die Quantorenreihenfolge nicht bedeutsam ist, wenn zwei Quantoren des-selben Typs aufeinander folgen, verwendet man oft folgende verkĂźrzte Schreib-weise:
Erläuterung 9.10
âxây bzw. âyâx = âx,yâxây bzw. âyâx = âx,y
2.4 WIRKUNGSBEREICHE
Die Kennzeichnung von gemeinsamen Wirkungsbereichen ist nicht immer vonBedeutung:
BEISPIEL:
U-TEXT:
Irgendeiner liest vor und irgendeiner hĂśrt zu.
INTERPRETATION:
Mindestens eine Person liest vor und mindestens eine Person (dieselbe odereine andere) hĂśrt zu.
LEGENDE:
f(_) = . . . ist eine Persong(_) = . . . liest vorh(_) = . . . hĂśrt zu
258
SQ-TEXT:8
Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x) und g(x):1 und Mindestens ein y erfĂźllt:2 f(y)und h(y):2
Q-FORMEL:
âx(Fx&Gx) &ây(Fy &Hy)
Eine alternative Standardisierung ist:
SQ-TEXT*:Mindestens ein x erfĂźllt Mindestens ein y erfĂźllt: f(x) und g(x)und , f(y) und h(y):
Bzw.: Mindestens ein x erfĂźllt Mindestens ein y erfĂźllt: f(x) und g(x)und f(y) und h(y):
Q-FORMEL*:
âxây(Fx&Gx&(Fy &Hy))Bzw.: âxây(Fx&Gx&Fy &Hy)
Wie bereits durch die bisherigen Beispiele deutlich wurde, kÜnnen Quantorenim Wirkungsbereich eines anderen Quantors vorkommen, indem sie direkt hinterdiesem, aber noch vor dem Klammerausdruck, oder, indem sie innerhalb desKlammerausdruckes stehen. Will man Quantoren, die innerhalb eines Klammer-ausdruckes vorkommen, vor den Klammerausdruck schreiben, ist darauf zu ach-ten, dass man nicht gebundene Variablen desselben Typs vor den Klammerausdruckschreibt. Ansonsten wird die in Erläuterung 9.11 genannte Bedingung nicht erfßllt:
Erläuterung 9.11Quantoren, die innerhalb eines Klammerausdruckes, der einen Wir-kungsbereich kennzeichnet, vorkommen und die unterschiedliche Variablenbinden, kÜnnen vor den Klammerausdruck geschrieben werden.
Dies zeigt das folgende Beispiel.
8Eine alternative, gleichbedeutende Formalisierung macht nicht von unterschiedlichen Varia-blen Gebrauch:
SQ-TEXT: Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x) und g(x):1 und Mindestens ein x erfĂźllt:2 f(x) und h(x):2Q-FORMEL: âx(Fx & Gx)& âx(Fx & Hx)Diese Formalisierung ist gleichbedeutend mit der im Text genannten, da die gebundenen Varia-
blen unterschiedliche Wirkungsbereiche haben (siehe hierzu LEKTION 7, S. 208.)
259
BEISPIEL:
U-TEXT:
Einer ist grĂśsser als irgendjemand und kleiner als irgendjemand.
INTERPRETATION:
Eine Person A ist grĂśsser als irgendeine Person (sei diese A oder eine andereB) und dieselbe Person A ist kleiner als irgendeine Person (sei diese A, B oder eineandere C).
LEGENDE:
f(_) = . . . ist eine Persong(_,_) = . . . ist grĂśsser als . . .h(_,_) = . . . ist kleiner als . . .
SQ-TEXT:
Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x) und Mindestens ein y erfĂźllt:2 f(y) und g(x,y):2und Mindestens ein y erfĂźllt:3 f(y) und h(x,y):3:1
Q-FORMEL:
âx(Fx&ây(Fy &Gxy) &ây(Fy &Hxy))Eine alternative Standardisierung ist:
SQ-TEXT*:
Mindestens ein x erfĂźllt Mindestens ein y erfĂźllt Mindestens ein z erfĂźllt: f(x)und , f(y) und g(x,y), und ; f(z) und h(x,z):
Q-FORMEL*:
âxâyâz(Fx&(Fy &Gxy) & (Fz &Hxz))
In der ersten Formalisierung drĂźckt man aus, dass es nicht dieselbe Personsein muss, fĂźr die gilt, dass die Person A grĂśsser als sie und kleiner als sie ist,indem man die Variable y zwei unterschiedlichen Wirkungsbereichen zuordnet,in der zweiten Formalisierung drĂźckt man dasselbe aus, indem man zwei unter-schiedliche Variablen verwendet. Es gibt noch weitere gleichbedeutende alternati-ve Formalisierungen. Aber keine alternative Formalisierung ist die folgende:
260
SQ-TEXT?:
Mindestens ein x erfĂźllt Mindestens ein y erfĂźllt: f(x) und , f(y) und g(x,y) undh(x,y):
Q-FORMEL?:
âxây(Fx&(Fy &Gxy &Hxy))
Dies wĂźrde vielmehr zum Ausdruck bringen, dass es eine Person gibt, die so-wohl grĂśsser als auch kleiner ist als eine Person (sei es dieselbe oder eine andere).
Ob die Kennzeichnung eines Wirkungsbereiches bedeutungsvoll ist oder nicht,hängt nicht nur von der Wahl der Variablen, sondern auch vom Quantor und denJunktoren innerhalb des Wirkungsbereiches ab.
BEISPIEL:
U-TEXT:
Alles ist rot oder nicht rot.
INTERPRETATION 1:
Alle Gegenstände sind eines von beiden: rot oder nicht rot.
LEGENDE:
f(_) = . . . ist rotSQ-TEXT:
Alle x erfĂźllen: f(x) oder nicht f(x):
Q-FORMEL:
âx(Fx ⨠Fx)
INTERPRETATION 2:
Alle Gegenstände sind rot oder alle Gegenstände sind nicht rot.
261
SQ-TEXT:9
Alle x erfĂźllen:1 f(x):1 oder Alle x erfĂźllen:2 nicht f(x):2
Q-FORMEL:
âxFx ⨠âxÂŹFx
Die beiden Interpretationen und folglich die entsprechenden Formalisierun-gen unterscheiden sich: Im ersten Fall ist die Aussage wahr, wenn ein Teil allerGegenstände rot und der Rest nicht rot ist; im zweiten Fall ist die Aussage nurdann wahr, wenn entweder restlos alle Gegenstände rot oder restlos alle Gegen-stände nicht rot sind.
Ein analoger Unterschied kann nicht gemacht werden, wenn man das âoderâdurch ein âundâ ersetzt:
U-TEXT:
Alle Gegenstände sind rot und nicht rot.
INTERPRETATION:
Alle Gegenstände sind rot und (alle Gegenstände) sind nicht rot.
SQ-TEXT:
Alle x erfĂźllen:1 f(x):1 und Alle x erfĂźllen:2 nicht f(x):2
Q-FORMEL:
âxFx&âxÂŹFx
Eine alternative Formalisierung ist:
9Alternative Formalisierungen sind (vgl. hierzu die AusfĂźhrungen zur âinklusiven Interpretati-onâ der Quantoren in LEKTION 7, Abschnitt 3, S. 210):
SQ-TEXT:Alle x erfĂźllen:1 f(x):1 oder Alle y erfĂźllen:2 nicht f(y):2
Bzw.: Alle x erfĂźllen Alle y erfĂźllen: f(x) oder nicht f(y):Q-FORMEL:
âxFx ⨠âyÂŹFyBzw.: âxây(Fx ⨠Fy)
262
SQ-TEXT*:10
Alle x erfĂźllen: f(x) und nicht f(x):
Q-FORMEL*:
âx(Fx&ÂŹFx)
In beiden Fällen wäre die Aussage nur wahr, wenn alle Gegenstände sowohlrot als auch nicht rot wären.
Analoges gilt fĂźr ââx(Fx&Gx)â und ââxFx&âxGxâ einerseits: Aussagen,die sich durch diese beiden Formeln formalisieren lassen, haben unterschiedlicheWahrheitsbedingungen, denn nur in der ersten ist vorausgesetzt, dass die beidenAussagefunktionen auf dasselbe Argument zutreffen; und ââx(Fx ⨠Gx)â undââxFx ⨠âxGxâ andererseits: Aussagen, die sich durch diese beiden Formeln for-malisieren lassen, haben dieselben Wahrheitsbedingungen, denn in diesen beidenFormeln ist jeweils nicht voraussgesetzt, dass die beiden Aussagefunktionen aufdasselbe Argument zutreffen.
Erläuterung 9.12Ob die Kennzeichnung eines Wirkungsbereiches bedeutungsvoll ist, hängtvon der Wahl der Variablen, den Quantoren und den Junktoren innerhalbdes Wirkungsbereiches ab.
Auch das unterschiedliche Vorkommen atomarer Formeln innerhalb oder aus-serhalb eines Wirkungsbereiches kann bedeutsam sein:
BEISPIEL:
U-TEXT:
Wenn es einen tropischen Regenwald gibt und dieser abgeholzt wird, dannwird Greenpeace aktiv.
10Weitere alternative Formalisierungen sind:SQ-TEXT*:
Alle x erfĂźllen:1 f(x):1 und Alle y erfĂźllen:2 nicht f(y):2Bzw.: Alle x erfĂźllen Alle y erfĂźllen: f(x) und nicht f(y):Q-FORMEL:
âxFx & âyÂŹFyBzw.: âxây(Fx &ÂŹFy)
263
INTERPRETATION:
Wenn es etwas gibt, das ein tropischer Regenwald ist und abgeholzt wird, dannist es der Fall, dass Greenpeace aktiv wird.11
LEGENDE:
f(_) = . . . ist ein tropischer Regenwaldg(_) = . . . wird abgeholzta = Greenpeace wird aktiv.
SQ-TEXT:
wenn Mindestens ein x erfĂźllt: f(x) und g(x): dann a
Q-FORMEL:
âx(Fx&Gx) â P
Die Aussage dieser Formalisierung ist falsch, wenn es einen tropischen Re-genwald gibt, der abgeholzt wird, aber Greenpeace nicht aktiv wird. Das gilt nichtfĂźr die folgende Aussage:
U-TEXT:
Es gibt etwas, von dem gilt, wenn es ein tropischer Regenwald ist und abge-holzt wird, dann wird Greenpeace aktiv.
INTERPRETATION:
FĂźr mindestens einen Gegenstand gilt: Wenn er ein tropischer Regenwald istund abgeholzt wird, dann wird Greenpeace aktiv.12
SQ-TEXT:
Mindestens ein x erfĂźllt: wenn f(x) und g(x) dann a:
Q-FORMEL:
âx(Fx&Gx â P )
11Diese Aussage wird im Folgenden nicht im Sinne einer Kausalaussage interpretiert, sondernlediglich als eine Aussage, die eine Korrelation zwischen dem Abholzen eines tropischen Regenwal-des und der Aktivität von Greenpeace behauptet. Vgl. hierzu die Ausfßhrungen zu Wenn/dann-Aussagen in LEKTION 1, S. 33 und LEKTION 3, S. 70.
12Auch diese Aussage sei hier nicht als eine Kausalaussage gedeutet, sondern lediglich als eineKorrelationsaussage. In Frage steht jeweils, welche Korrelation behauptet wird.
264
In dieser Formalisierung ist âP â Teil des Wirkungsbereiches. Gemäss ihr istder U-Text wahr, wenn es etwas gibt, dass kein Tropenwald ist, der abgeholztwird (ganz gleich, ob Greenpeace aktiv wird oder nicht). Der U-Text wird erstdann falsch, wenn alle Gegenstände tropische Regenwälder sind, die abgeholztwerden, und Greenpeace nicht aktiv wird.
Der Unterschied zur Formel ââx(Fx &Gx) â P â wird anhand einer Q-Interpretation deutlich, fĂźr die der ersten Formalisierung der Wahrheitswert F ,der zweiten hingegen der Wahrheitswert W zugeordnet wird:
=(x) = I = {c1, c2};=(P ) = F;=(F ) = {c1};=(G) = {c1, c2}.
Auf Grund von c2 ist die Formel ââx(Fx&Gx â P )â wahr, aber nicht dieFormel ââx(Fx&Gx) â P â. Diese ist auf Grund von c1 und der Falschheitvon âP â falsch.
Erläuterung 9.13Es kann einen Unterschied machen, ob atomare Formeln innerhalb desWirkungsbereiches eines Quantors stehen oder nicht.
2.5 GRENZEN DER QUANTORENLOGISCHEN ANALYSE
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass eine Reihe quantifizierter Aussagen erstim Rahmen der erweiterten Quantorenlogik adäquat formal behandelt werdenkĂśnnen und dass es eine Reihe quantifizierter Aussagen gibt, die auch im Rahmender erweiterten Quantorenlogik nicht formalisierbar sind (vgl. S. 240). Dies istbegrĂźndet in der Beschränkung auf die Quantoren âââ und âââ, deren Bedeutungim Rahmen der Quantorenlogik nur noch durch den Negator verändert werdenkann. Im Folgenden sei gezeigt, dass es auch quantifizierte Aussagen gibt, dieden Quantorindikator âMindestens einâ enthalten und gleichwohl nicht durch dieQuantorenlogik formalisiert werden kĂśnnen.
BEISPIEL:
U-TEXT:
Es ist mindestens ein Grad Celsius in diesem Zimmer.
265
Dieser Satz hat die äussere Form der Sätze I: Der Quantorindikator âMin-destens einâ wird gefolgt von zwei Begriffen. Lässt er sich aber in dieser Formadäquat formalisieren? Die fragliche Formalisierung wäre:
INTERPRETATION?:
Es gibt etwas, das ist eine Celsiuseinheit und in diesem Zimmer.
LEGENDE?:
f(_) = . . . ist eine Celsiuseinheitg(_) = . . . ist in diesem Zimmer
SQ-TEXT?:
Mindestens ein x erfĂźllt: f(x) und g(x):
Q-FORMEL?:
âx(Fx&Gx)
Diese Formalisierung ist inadäquat, da es nicht sinnvoll ist, Ăźber Temperatu-reinheiten im Sinne der klassischen Quantorenlogik zu quantifizieren. Angenom-men, es sei genau ein Grad Celsius in dem Zimmer. Dann ist die umgangssprach-lich formulierte Aussage wahr. Ist aber auch die standardisierte Aussage wahr? Essei angenommen, Câ und Câ seien zwei Celsiuseinheiten. Dann fragt sich: Welcheder beiden ist in diesem Zimmer? Diese Frage ist aber nicht sinnvoll zu beantwor-ten: Die Bedeutung des Funktionsausdruckes â. . . ist in diesem Zimmerâ ist fĂźreinzelne Temperatureinheiten nicht bestimmt â es ist nicht festgelegt, was es heisst,dass eine Temperatureinheit im Unterschied zu einer anderen in einem Zimmer ist.Das Problem hierbei ist nicht, dass sich einzelne Einheiten nicht unterscheidenlassen, sondern die Annahme, dass Einheiten einzelne, individuierbare Gegenstände (z.B. Câund Câ) sind. Diese Annahme ist falsch. Man kann nicht Masseinheiten als Wertevon Variablen quantifizierter Aussagen interpretieren.
Man kann ihnen auch nicht sinnvollerweise Namen (auch nicht Quasinamenwie âCâ â und âCâ â) zuordnen. Die adäquate sprachliche Bezugnahme auf Mass-einheiten enthält vielmehr wesentlich Zahlen. Es ist nicht sinnvoll zu sagen: âCâ istin diesem Zimmer (aber nicht Câ)â; es ist hingegen sinnvoll zu sagen: âEs ist 1Grad Celsius in diesem Zimmer, aber nicht 2 Grad Celsiusâ. Im Unterschied zudieser Art von Aussagen kĂśnnen Zahlangaben, die sich auf individuierbare undprinzipiell benennbare Gegenstände beziehen, eliminiert werden: âEs ist 1 Apfelim Korb, aber es sind nicht 2 Ăpfel im Korbâ kann interpretiert werden als âEsist ein Apfel im Korb (nennen wir ihn âAâ), und alle anderen, nicht mit dem Apfel
266
A identischen Ăpfel sind nicht im Korb.â Die Wahrheit und Falschheit dieserArt von Aussagen hängt ab von logisch unabhängigen Aussagen der Form âx ist einApfelâ und âx ist im Korbâ. Gradangaben, die wesentlich Zahlangaben enthalten,lassen sich hingegen nicht als Wahrheitsfunktionen logisch unabhängiger Aussa-gen interpretieren, denn interpretiert man sie als unbestimmte Aussagen der FormâEs ist mindestens x Grad . . . â (mit âxâ als Zahlenvariable), dann folgen aus einerAussage mit einer grĂśsseren Zahl die Aussagen mit einer kleineren Zahl (z.B. ausâEs ist mindestens 2 Grad Celsius in diesem Zimmerâ folgt âEs ist mindestens 1Grad Celsius in diesem Zimmerâ); interpretiert man sie als bestimmte Aussagender Form âEs ist genau x Grad . . . â, dann stehen sie in konträrem Verhältnis (z.B.schliessen sich âEs ist genau 1 Grad Celsius in diesem Zimmerâ und âEs ist genau2 Grad Celsius in diesem Zimmerâ aus).
In Bezug auf Masseinheiten fällt man zwar quantitative Urteile (z.B. âEs istmindestens ein Grad Celsius in diesem Zimmerâ oder âEs ist genau ein Grad Celsiusin diesem Zimmerâ), aber diese Aussagen kĂśnnen nicht mittels SQ-Texten stan-dardisiert werden. Es bedarf hierfĂźr im Unterschied zu den SQ-Texten einer stan-dardisierten Sprache, in der wesentlich Zahlen vorkommen. Eine derartige Spracheist unvereinbar mit dem Prinzip der logischen Unabhängigkeit, das die klassische Logikvoraussetzt.
Erläuterung 9.14Aussagen, die Gradangaben enthalten, sind nicht mittels der klassischenQuantorenlogik zu formalisieren.
Aussagen dieser Art sind innerhalb der Wissenschaft von grosser Bedeutungund entsprechend ist die Erweiterung der Quantorenlogik, um eine Logik, dieauch Beziehungen zwischen graduellen Aussagen berßcksichtigt und nicht dasPrinzip der logischen Unabhängigkeit voraussetzt, von Bedeutung.
Erläuterung 9.15Die Quantorenlogik erfßllt das Kriterium der Reichhaltigkeit in einem hÜ-heren Grad als die Aussagenlogik, aber auch nur in einem beschränktenMasse.
ĂBUNG: FORMALISIERUNG
267
3 ARGUMENTREKONSTRUKTION
Fßr die Rekonstruktion von Argumenten mit den Mitteln der Quantorenlogikgelten mutatis mutandis die Ausfßhrungen zur Rekonstruktion von Argumentenmit den Mitteln der Aussagenlogik (LEKTION 3, Abschnitt 3). Angesichts dervielfältigen MÜglichkeiten, ein gegebenes umgangssprachlich formuliertes Argu-ment zu rekonstruieren, fragt sich, wie detailliert bei einer Argumentrekonstruk-tion vorzugehen ist.
Insoweit durch bestimmte Interpretationsabsichten nicht andere Vorgabenbestehen, gilt im Rahmen der Argumentrekonstruktion als Grundregel:
Erläuterung 9.16Umgangssprachliche Argumente sind so detailliert wie nÜtig zu rekon-struieren, um die Schlßssigkeit der Argumente zu ßberprßfen, jedoch nichtdetaillierter als nÜtig.
Ist die SchlĂźssigkeit eines Argumentes im Rahmen der Aussagenlogik zu bewei-sen, dann kann auf eine quantorenlogische Analyse verzichtet werden.
BEISPIEL 1:
U-TEXT:
Wenn ein Mensch eine Ăberlebenschance hat, dann mĂźssen alle Massnahmengetroffen werden, um ihn zu retten. Ein Mensch hat eine Ăberlebenschance. AlsomĂźssen alle Massnahmen getroffen werden, um ihn zu retten.
LEGENDE:
a = Ein Mensch hat eine Ăberlebenschance.b = Alle Massnahmen mĂźssen getroffen werden, um ihn
zu retten.
SJA-TEXT:
Wenn a dann b. a also b
J -ARGUMENTSCHEMA:
P â Q,P ¡¡¡Q
âQâ kann mittels MPP aus den Prämissen abgeleitet werden. UnnĂśtig kompli-ziert wäre demgegenĂźber folgende Formalisierung:
268
LEGENDE*:
f(_) = . . . ist ein Menschg(_) = . . . hat eine Ăberlebenschanceh(_) = . . . ist eine Massnahmei(_) = . . . muss getroffen werden
SQA-TEXT*:
wenn Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x) und g(x):1 dann Alle y erfĂźllen:2 wennh(y) dann i(y):2. Mindestens ein x erfĂźllt: f(x) und g(x): also Alle y erfĂźllen: wennh(y) dann i(y):
Q-ARGUMENTSCHEMA*:
âx(Fx&Gx) â ây(Hy â Iy), âx(Fx&Gx) ¡¡¡ây(Hy â Iy)
In der Standardisierung von Argumenten ist hierbei fĂźr die Indizierung derDoppelpunkte folgende Regel verwendet worden:
Erläuterung 9.17Indices an den Doppelpunkten in den SQ-Texten sind nur nÜtig, uminnerhalb einzelner Prämissen oder der Konklusion die Wirkungsbereiche zukennzeichnen.
Verwenden Sie auch in den Ăbungen Indices nur dann, wenn in einer Prämis-se oder in der Konklusion mehr als zwei Doppelpunkte vorkommen.
Ist die Schlßssigkeit eines Argumentes im Rahmen der einstelligen Quantoren-logik13 zu beweisen, dann ist es hinreichend, alle Prädikate als einstellige Prädikatezu formalisieren.
BEISPIEL 2:
U-TEXT:
Alles, das ihr treu ist, bleibt ihr im Gedächtnis. Einige Hunde sind ihr treu.Einige Hunde bleiben ihr im Gedächtnis.
13Unter der einstelligen Quantorenlogik sei die Quantorenlogik verstanden, die nur einstelligePrädikate berĂźcksichtigt. Anstelle von der âeinstelligen Quantorenlogikâ wird auch der Terminusâmonadische Quantorenlogikâ verwendet.
269
Dieser Text lässt sich in Form des Syllogismus Darii formalisieren. Im Fol-genden seien die entsprechenden quantorenlogischen Formalisierungen der Aus-sagen A (Prämisse Maior) und I (Prämisse Minor und Konklusion) verwendet.
LEGENDE:
f(_) = . . . ist ihr treu (M)g(_) = . . . bleibt ihr im Gedächtnis (P)h(_) = . . . ist ein Hund (S)
SQA-TEXT:
Alle x erfĂźllen: wenn f(x) dann g(x):. Mindestens ein x erfĂźllt: h(x) und f(x):also Mindestens ein x erfĂźllt: h(x) und g(x):
Q-ARGUMENTSCHEMA:
âx(Fx â Gx),âx(Hx&Fx) ¡¡¡âx(Hx&Gx)
UnnÜtig kompliziert wäre in diesem Fall eine Formalisierung, in der von fol-gender Legende ausgegangen wßrde:
LEGENDE*:
f(_,_) = . . . ist . . . treug(_,_) = . . . bleibt im Gedächtnis . . .h(_) = . . . ist ein Hund
Die Schlßssigkeit des Argumentes hängt in diesem Fall nicht von der mÜg-lichen Formalisierung zweistelliger Prädikate ab. Dies ist anders im folgendenBeispiel, das zeigt, dass mittels Syllogismen, in denen keine mehrstelligen Prädika-te vorkommen, nicht alle schlßssigen Argumente als solche formalisiert werdenkÜnnen.
BEISPIEL 3:
U-TEXT:14
Alle Kreise sind Figuren. Also: Alle, die Kreise zeichnen, zeichnen Figuren.
14Das Beispiel sowie die Formalisierung stammen aus Quine (1993), S. 165.
270
INTERPRETATION:15
FĂźr alles gilt: Wenn es ein Kreis ist, dann ist es auch eine Figur. Also: FĂźr allesgilt: Wenn es etwas zeichnet, das ein Kreis ist, dann zeichnet es etwas (dasselbeoder etwas anderes), das eine Figur ist.
LEGENDE:
f(_) = . . . ist ein Kreisg(_) = . . . ist eine Figurh(_,_) = . . . zeichnet . . .
SQA-TEXT:
Alle x erfĂźllen: wenn f(x) dann g(x): also Alle x erfĂźllen:1wenn Mindestens ein y erfĂźllt:2 f(y) und h(x,y):2 dann Min-destens ein y erfĂźllt:3 g(y) und h(x,y):3:1
Bzw.: Alle x erfĂźllen: wenn f(x) dann g(x): also Alle x erfĂźllenMindestens ein y erfĂźllt Mindestens ein z erfĂźllt: wenn f(y)und h(x,y) dann g(z) und h(x,z):
Q-ARGUMENTSCHEMA:
âx(Fx â Gx) ¡ ¡ ¡âx(ây(Fy &Hxy) â ây(Gy &Hxy))Bzw.: âx(Fx â Gx) ¡ ¡ ¡ âxâyâz(Fy &Hxy â Gz &Hxz)
15Die Konklusion wird nicht so interpretiert, dass die Figuren, die gezeichnet werden, wennKreise gezeichnet werden, diese gezeichneten Kreise sein mĂźssen. Dass jemand Figuren zeichnet,indem er Kreise zeichnet, ist zwar auf Grund der Prämisse naheliegend, insbesondere, wenn manannimmt, dass es sich um eine analytische Aussage handelt, die auf Grund der Bedeutung derAusdrĂźcke âKreisâ und âFigurâ nicht falsch sein kann. Sieht man aber von dem spezifischenZusammenhang der Bedeutung von âKreisâ und der von âFigurâ ab, und geht davon aus, dassmit einem schlĂźssigen Argument nicht die Wahrheit der Prämissen behauptet wird, dann lässt mandurchaus zu, dass es Kreise geben kann, die keine Figuren sind. Unter dieser Voraussetzung legtder Wortlaut der Konklusion die schwächere Interpretation nahe, dass die Figuren, die gezeichnetwerden, wenn Kreise gezeichnet werden, diese Kreise sein kĂśnnen, aber nicht mĂźssen. Diese schwä-chere Behauptung wird in der Formalisierung der Konklusion zum Ausdruck gebracht, indem zweiExistenzquantoren verwendet werden. Eine Formalisierung der stärkeren, intuitiv eingängigerenBehauptung, die voraussetzt, dass das, was gezeichnet wird, wenn ein Kreis gezeichnet wird,eine Figur ist, lautet ââxây(Fy & Hxy â Gy & Hxy)â. Beide Formalisierungen fĂźhren zukorrekten Q-Argumentschemata. FĂźr eine ausfĂźhrliche Diskussion unterschiedlicher Formalisie-rungsvarianten dieses klassischen Beispieles siehe Brun(2003), Kapitel 10-13. Wer sich näher mitFragen des quantorenlogischen Formalisierens beschäftigen will, dem sei dieses kenntnisreicheBuch empfohlen.
271
Dieses Argumentschema ist korrekt und ableitbar.16 WĂźrde man hingegennicht ein zweistelliges Prädikat âh(_,_)â einfĂźhren, sondern stattdessen zwei ein-stellige Prädikate â. . . zeichnen Kreiseâ (âh(_)â) und â. . . zeichnen Figurenâ(âi(_)â), dann erhielte man das nicht korrekte Argumentschema ââx(Fx â Gx)¡¡¡âx(Hx â Ix)â. In diesem Fall ist es also nĂśtig, in der Formalisierung ein
zweistelliges Prädikat einzufßhren, um die Schlßssigkeit des Argumentes nachzu-weisen.
Wie bei der Formalisierung aussagenlogischer Argumente ist es fßr eine ad-äquate quantorenlogische Formalisierung oft nÜtig, implizite Annahmen und Be-zßge explizit zu machen. In Platons Dialog Euthydemos sagt Dionysodoros zuKtesippos ßber dessen Hund:
BEISPIEL 4:
U-TEXT:
Er [Ktesipposâ Hund] ist ein Vater und er ist dein. Also ist er dein Vater.
Dass dies ein Fehlschluss ist, zeigt die Formalisierung, indem man impliziteBezĂźge explizit macht:
INTERPRETATION:
Ktesippos Hund ist ein Vater von irgendetwas und Ktesipposâ Hund ist ein Hundvon Ktesippos. Also Ktesipposâ Hund ist der Vater von Ktesippos.
LEGENDE:
m = Ktesipposâ Hundn = Ktesipposf(_,_) = . . . ist Vater von . . .g(_,_) = . . . ist Hund von . . .
SQA-TEXT:
Mindestens ein x erfĂźllt: f(m,x): und g(m,n) also f(m,n)
Q-ARGUMENTSCHEMA:
âxFax&Gab ¡¡¡ Fab
16Vgl. hierzu die Ableitung in Lemmon (1998), S. 131.
272
WIDERLEGENDE Q-BELEGUNG:
=(x) = I = {c1, c2};=(a) = c1;=(b) = c2;=(F ) = {(c1,c1)};=(G) = {(c1,c2)}.
Diese widerlegende Q-Belegung ist die einfachste. Sie nimmt keine RĂźck-sicht auf den Inhalt des Argumentes: Interpretiert man âF â mit dem zweistelligenBegriff des Vaterseins, dann macht es wenig Sinn, von demselben Gegenstandanzunehmen, es erfĂźlle beide Argumentstellen (d.i. von etwas zu sagen, es sei seineigener Vater). Es ist jedoch durch die Interpretation und entsprechend durch dieFormalisierung nicht ausgeschlossen, dass jemand sein eigener Vater sein kann.Dementsprechend ist die widerlegende Belegung hinreichend fĂźr die Beurteilungder Korrektheit. Eine âsinnvollereâ widerlegende Belegung ergibt sich erst, wennman von {c1, c2, c3} als Wertebereich von x (= =(x)) ausgeht.
In anderen Fällen ist es nÜtig, implizite Annahmen und Bezßge explizit zumachen, um die Schlßssigkeit des Argumentes zu erweisen:
BEISPIEL 5:
U-TEXT:
Metalle reagieren mit allem, was den Strom nicht leitet, ausgenommen Edel-gasen. Also: Chemische Elemente reagieren miteinander.
INTERPRETATION:
Alles, das ein chemisches Element ist und ein Metall ist und alles, das ein chemischesElement ist und den Strom nicht leitet und kein Edelgas ist, reagiert miteinander.Es gibt chemische Elemente, die Metalle sind. Es gibt chemische Elemente, die den Strom nichtleiten und keine Edelgase sind. Also: Es gibt chemische Elemente, die miteinanderreagieren.
LEGENDE:
f(_) = . . . ist ein chemisches Elementg(_) = . . . ist ein Metallh(_) = . . . leitet den Stromi(_) = . . . ist ein Edelgasj(_,_) = . . . reagiert mit . . .
273
SQA-TEXT:
Alle x erfĂźllen:1 wenn f(x) und g(x) dann Alle y erfĂźllen:2wenn f(y) und nicht h(y) und nicht i(y) dann j(x,y):2:1.Mindestens ein x erfĂźllt: f(x) und g(x):.Mindestens ein x erfĂźllt: f(x) und nicht h(x) und nicht i(x):also Mindestens ein x erfĂźllt Mindestens ein y erfĂźllt: f(x) undf(y) und j(x,y):
Bzw.: Alle x erfĂźllen Alle y erfĂźllen: wenn f(x) und g(x) dann wennf(y) und nicht h(y) und nicht i(y) dann j(x,y):.Mindestens ein x erfĂźllt: f(x) und g(x):.Mindestens ein x erfĂźllt: f(x) und nicht h(x) und nicht i(x):also Mindestens ein x erfĂźllt Mindestens ein y erfĂźllt: f(x) undf(y) und j(x,y):
Bzw.: Alle x erfĂźllen Alle y erfĂźllen: wenn f(x) und g(x) und f(y) undnicht h(y) und nicht i(y) dann j(x,y):.Mindestens ein x erfĂźllt: f(x) und g(x):.Mindestens ein x erfĂźllt: f(x) und nicht h(x) und nicht i(x):also Mindestens ein x erfĂźllt Mindestens ein y erfĂźllt: f(x) undf(y) und j(x,y):
Q-ARGUMENTSCHEMA:
âx(Fx&Gx â ây(Fy &ÂŹHy &ÂŹIy â Jxy)),âx(Fx&Gx),âx(Fx&ÂŹHx&ÂŹIx)
¡¡¡ âxây(Fx&Fy &Jxy)
Bzw.: âxây(Fx&Gx â (Fy &ÂŹHy &ÂŹIy â Jxy)),âx(Fx&Gx),âx(Fx&ÂŹHx&ÂŹIx)
¡¡¡ âxây(Fx&Fy &Jxy)
Bzw.: âxây(Fx&Gx&Fy &ÂŹHy &ÂŹIy â Jxy),âx(Fx&Gx),âx(Fx&ÂŹHx&ÂŹIx)
¡¡¡ âxây(Fx&Fy &Jxy)
274
Dieses Argument ist ableitbar (siehe LEKTION 10, S. 294). Dass hierdurchdie Schlßssigkeit des umgangssprachlichen Argumentes bewiesen wird, setzt voraus,dass der implizite Gegenstandsbereich, ßber den in der Prämisse 1 etwas ausgesagtwird, explizit gemacht wird und dass die impliziten Annahmen, es gebe chemischeElemente, die Metalle sind (Prämisse 2), und, es gebe chemische Elemente, dieden Strom nicht leiten und keine Edelgase sind (Prämisse 3), explizit gemachtwerden.17
Die SchlĂźssigkeit anderer Argumente kann auch durch weitere Analyse derAussagen auf Grund der Begrenztheit der formalen Mittel der Quantorenlogiknicht mit diesen bewiesen werden. Hierzu gehĂśren z.B.:
1. Der gegenwärtige KÜnig von Frankreich ist kahlkÜpfig. Also: Es gibt keinengegenwärtigen KÜnig von Frankreich, der nicht kahlkÜpfig ist.
2. Genau zwei Ăpfel sind im Korb. Also: Mindestens einer, aber nicht drei Ăpfelsind im Korb.
3. Es ist drei Grad Celsius in diesem Zimmer. Also: Es ist mindestens zwei GradCelsius in diesem Zimmer.
4. Es gibt unendlich viele natĂźrliche Zahlen. Also: Es gibt nicht nur endlich vielenatĂźrliche Zahlen.
5. Viele Menschen passen sich den gesellschaftlichen Erwartungen an sie an.Also: Nicht wenige Menschen passen sich den gesellschaftlichen Erwartun-gen an.
Die Schlßssigkeit von 1.) und 2.) kann, wie in LEKTION 11 gezeigt wird, erstim Rahmen der erweiterten Quantorenlogik bewiesen werden. Die Schlßssigkeitvon 3.) kann, wie aus den Ausfßhrungen von S. 264 folgt, nicht im Rahmen derklassischen Quantorenlogik bewiesen werden. 4.) und 5.) enthalten Quantoren,die nicht mit den Mitteln der erweiterten Quantorenlogik adäquat wiedergegebenwerden kÜnnen.
ĂBUNG: ARGUMENTREKONSTRUKTION
17Ohne die Prämissen 2 und 3 gäbe es folgende einfachste widerlegende Q-Belegung desentsprechenden Argumentschemas:=(x,y) = I = {c1};=(F ) = {};=(G) = {};=(H) = {};=(I) = {};=(J) = {}.
LEKTION 10
QUANTORENLOGISCHER KALKĂL
In dieser Lektion wird der Gentzen-Lemmon-Kalkßl der Aussagenlogik (GLKJ )um vier Regeln fßr die Einfßhrung und Beseitigung der Quantoren erweitert.Hierdurch erhält man den Gentzen-Lemmon-Kalkßl der Quantorenlogik (GLKQ). An-schliessend wird auf die Verwendung von Theoremen und Schlussregeln zum Zweckeder Verkßrzung von Ableitungen eingegangen und gezeigt, wie Ableitungen quan-torenlogischer Argumentschemata zum Zwecke des Beweisens der Schlßssigkeitvon Argumenten genutzt werden kÜnnen.
1 KALKĂLREGELN
Der GLKQ beinhaltet die Regeln des GLKJ , denn:
Erläuterung 10.1Die Regeln des GLKJ kÜnnen auf Q-Formeln angewendet werden,wenn die Hauptoperatoren1in Q-Formeln Junktoren sind.
In den Erläuterungen der einzelnen Kalkßlregeln sind die Metavariablen ent-sprechend als Metavariablen fßr Q-Formeln zu verstehen.
BEISPIEL:
âxFxx â âyGy, âxFxx ¡¡¡ âyGy
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âxFxx â âyGy AE2 (2) âxFxx AE
1,2 (3) âyGy 1,2 MPP
Es gilt: âxFxx â âxGx, âxFxx `Q âxGx
Dagegen ist folgende Ableitung nicht regelgerecht:
1Junktoren und Quantoren seien unter dem Begriff der Operatoren zusammengefasst. Haupt-operator ist der Operator, von dem der Wahrheitswert einer Formel unmittelbar abhängt.
276
âx(Fxx â âyGy), âxFxx ¡¡¡ âyGy
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âx(Fxx â âyGy) AE2 (2) âxFxx AE
1,2 (3) âyGy 1,2 âMPPâ ??
Diese Ableitung ist nicht regelgerecht, da der Hauptoperator der Formel ausZeile 1 nicht der Pfeil, sondern der Allquantor ist!2
Zu den Regeln des GLKJ kommen die Regeln der Allquantor-Beseitigung,der Allquantor-EinfĂźhrung, der Existenzquantor-EinfĂźhrung und der Existenz-quantor-Beseitigung hinzu.
1.1 ALLQUANTOR-BESEITIGUNG (âB)
Die Regel der Allquantor-Beseitigung (âB) erlaubt den Ăbergang von allquantifi-zierten Formeln zu ihren Instanzen:
âB: Enthält eine Ableitung eine Formel mit dem Allquantor als Haupt-operator, dann darf eine beliebige Instanz dieser Formel in eineneue Zeile aufgenommen werden, falls Restriktion 1 erfĂźllt ist.Die neue Annahmenliste ist eine Kopie der Annahmenliste derOberformel.
Annahme Nr. Formel RegelÎą (k) âvS(v)
...Îą (l) S(t) k âB
Restriktion:
1. Die Formel S(t) entsteht durch Ersetzung aller Vorkommnisseder Variablen v durch den Namenbuchstaben t in dem offenenSchema S(v).
2FĂźr eine regelgerechte Ableitung des korrekten Argumentschemas siehe S. 278.
277
S(v) ist ein offenes Schema, in dem die Variable v einmal oder mehrmalsvorkommt, S(t) ist eine Q-Formel, in der der Namenbuchstabe t einmal odermehrmals vorkommt.
Erläuterung 10.2Eine Instanz einer quantifizierten Formel ist die Formel, die man erhält,wenn man den Quantor, welcher der Hauptoperator der quantifiziertenFormel ist, beseitigt, und die durch ihn gebundene Variable in all ihrenVorkommnissen durch einen Namenbuchstaben ersetzt.
Demnach ist âFaaâ Instanz von ââxFxxâ, aber auch von ââxFaxâ, ââxFxxâoder ââxFaxâ.
Eine eingängige Kurzformulierung der Allquantor-Beiseitigung (âB) lautet:
⢠Ist eine allquantifizierte Formel ableitbar, dann auch jede ihrer Instanzen.
Dass diese Regel korrekt ist, wird plausibel, wenn man bedenkt, dass eineallquantifizierte Formel gemäss ihrer Interpretation nichts anderes besagt, als dassalle Werte des Wertebereiches das offene Schema, dem der Allquantor voran-gestellt ist, erfĂźllen. Beschränkt man den Wertebereich der Variablen auf endli-che Werte, liessen sich allquantifizierte Formeln durch endliche Konjunktionenersetzen, und die Allquantor-Beseitigung (âB) auf die Konjunktor-Beseitigung(&B) zurĂźckfĂźhren. Da dies nicht mĂśglich ist, ist âB als eine Erweiterung von&B zu verstehen: âB erlaubt es, aus einer unendlichen Konjunktion von Kon-junktionsgliedern einer bestimmten Form â zusammengefasst in einer endlichenallquantifizierten Formel â die einzelnen Glieder abzuleiten.
BEISPIELE:
âx(Fx â Gx), Fa ¡¡¡Ga
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âx(Fx â Gx) AE2 (2) Fa AE1 (3) Fa â Ga 1 âB
1,2 (4) Ga 3,2 MPP
Es gilt: âx(Fx â Gx), Fa `Q Ga
278
Bei der Anwendung der Regel âB ersetzt âxâ in ââx(Fx â Gx)â (Zeile 1) dieMetavariable âvâ, âaâ in âFa â Gaâ (Zeile 3) die Metavariable âtâ und âFx â Gxâ(aus Zeile 1) das offene Schema âS(v)â. Ersetzt man in diesem alle Vorkommnissevon âvâ durch âtâ erhält man entsprechend der Substitutionen von âvâ durch âxâund âtâ durch âaâ die Formel âFa â Gaâ, d.i. eine Instanz der allquantifiziertenFormel ââx(Fx â Gx)â.
Mittels âB lässt sich das Argumentschema von S. 275 ableiten:
âx(Fxx â âyGy), âxFxx ¡¡¡ âyGy
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âx(Fxx â âyGy) AE2 (2) âxFxx AE1 (3) Faa â âyGy 1 âB2 (4) Faa 2 âB
1,2 (5) âyGy 3,4 MPP
Es gilt: âx(Fxx â âyGy), âxFxx `Q âyGy
Bei der Anwendung von âB sind stets alle Vorkommnisse von âvâ durch âtâzu ersetzen (Restriktion 1). Dies folgt schon aus der Bezugnahme auf Instanzenallquantifizierter Formeln in der Definition von âB, insofern man die Definitionvon Instanzen quantifizierter Formeln (Erläuterung 10.2) voraussetzt. Strengge-nommen ist demnach auf Grund von Erläuterung 10.2 Restriktion 1 ĂźberflĂźssig.Sie ist hier aber aufgenommen, um sie mit den Restriktionen der anderen Regelnvergleichen zu kĂśnnen.
Restriktion 1 schliesst zum einen die Ableitung nicht-wohlgeformter Formelnaus: z.B. die Ableitung von âFxaâ aus ââxFxxâ â âFxaâ ist nicht Instanz vonââxFxxâ, da nicht alle Vorkommnisse der gebundenen Variable âxâ durch âaâ er-setzt werden. Zum anderen schliesst die Restriktion die Ableitung unkorrekterArgumentschemata aus.
Folgende Ableitung ist z.B. nicht regelgerecht:
âx(Fx â Gx) ¡¡¡ âx(Fa â Gx)
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âx(Fx â Gx) AE1 (2) âx(Fa â Gx) 1 ââBâ ??
279
Hier sind in Zeile 2 nicht alle Vorkommnisse von âxâ durch âaâ ersetzt. Die ver-bliebende Variable âxâ bleibt durch den Allquantor gebunden. Die Formel ââx(Faâ Gx)â ist nicht Instanz der Formel ââx(Fx â Gx)â, da der Allquantor nichtbeseitigt und die durch ihn gebundene Variable nicht in all ihren Vorkommnissendurch einen Namenbuchstaben ersetzt ist.
Wäre das Argumentschema ableitbar, dann wäre der GLKQ nicht korrekt,denn das Argumentschema ist nicht korrekt, was folgende widerlegende Q-Bele-gung zeigt:
=(x) = I = {c1, c2};=(a) = c1;=(F ) = {c1};=(G) = {c1}.
Gemäss Erläuterung 8.14 gilt:
1. Nach Regel 2 gilt: = |= Gc1.
2. Nach Regel 2 gilt: = 6|= Fc2.
3. Nach 1. und Regel 6 gilt: = |= Fc1 â Gc1.
4. Nach 2. und Regel 6 gilt: = |= Fc2 â Gc2.
5. Nach 3.-4. und Regel 8 gilt: = |= âx(Fx â Gx).
6. Demnach ist die Prämisse relativ zu = wahr.
7. Nach Regel 2 gilt: = |= Fa.
8. Nach Regel 2 gilt: = 6|= Gc2.
9. Nach 7.-8. und Regel 6 gilt: = 6|= Fa â Gc2.
10. Nach 9. und Regel 8 gilt: = 6|= âx(Fa â Gx).
11. Demnach ist die Konklusion relativ zu = falsch.
280
1.2 ALLQUANTOR-EINFĂHRUNG (âE)
Die Allquantor-EinfĂźhrungsregel erlaubt den Ăbergang von bestimmten Instan-zen zu den allquantifizierten Formeln dieser Instanzen:
âE: Enthält eine Ableitung eine Instanz einer allquantifizierten Formel,dann darf die allquantifizierte Formel in eine neue Zeile aufgenom-men werden, falls die Restriktionen 1 und 2 erfĂźllt sind. Die neueAnnahmenliste ist eine Kopie der Annahmenliste der Oberformel.
Annahme Nr. Formel RegelÎą (k) S(t)
...Îą (l) âvS(v) k âE
Restriktionen:
1. Die Variable v kommt nicht in S(t) vor.
2. 2.1 S(v) in âvS(v) entsteht durch Ersetzung aller Vorkommnissevon t durch v in S(t).
2.2 t kommt in keiner Formel der Zeilen Îą vor.
Restriktion 1 ist nĂśtig, um die Ableitung nicht-wohlgeformter Formeln aus-zuschliessen. Wollte man etwa aus ââxFaxâ Ăźbergehen zur Formel ââxâxFxxâ,verstĂśsst dies gegen Regel 7 der Definition wohlgeformter Formeln von Q (Er-läuterung 8.3). Restriktion 1 erzwingt die Verwendung neuer Variablen, in diesemFall z.B. ââyâxFyxâ â diese Formel ist wohlgeformt, und aus den Annahmen,auf denen die Formel ââxFaxâ beruht, ableitbar, insofern âaâ in keiner dieserAnnahmen vorkommt.
Die Allquantor-EinfĂźhrungsregel ist in gewisser Hinsicht die Umkehrung derAllquantor-Beseitigungsregel, da sie es erlaubt, von einer Instanz einer allquantifi-zierten Formel zu einer allquantifizierten Formel Ăźberzugehen. Ohne die Restrik-tion 2 wĂźrde dies freilich zu unkorrekten Ableitungen fĂźhren, denn daraus, dasseine bestimmte Instanz wahr ist, folgt nicht, dass alle Instanzen wahr sind. FolgendesArgumentschema ist nicht korrekt:
281
Fa ¡¡¡ âxFx
Widerlegende Q-Belegung:
=(x) = I = {c1, c2};=(a) = c1;=(F ) = {c1}.
Eine etwaige Ableitung mittels âE verstĂśsst gegen Restriktion 2.2:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) Fa AE1 (2) âxFx 1 ââEâ ??
Îą ist hier Zeile 1. In dieser kommt der Namenbuchstabe âaâ vor, was gegenRestriktion 2.2 verstĂśsst.
Eine regelgerechte Ableitung ist demgegenĂźber:
BEISPIEL:
âx(Fx â Gx), âx(Gx â Hx) ¡ ¡ ¡ âx(Fx â Hx)
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âx(Fx â Gx) AE2 (2) âx(Gx â Hx) AE3* (3) Fa AE1 (4) Fa â Ga 1 âB
1,3* (5) Ga 4,3 MPP2 (6) Ga â Ha 2 âB
1,2,3* (7) Ha 6,5 MPP1,2 (8) Fa â Ha 3,7 K1,2 (9) âx(Fx â Hx) 8 âE
Es gilt: âx(Fx â Gx), âx(Gx â Hx) `Q âx(Fx â Hx)
Die Allquantor-EinfĂźhrungsregel wird hier auf Zeile 8 angewendet. In dieserZeile kommt der Namenbuchstabe âaâ vor, der in Anwendung von âE durch diegebundene Variable âxâ ersetzt wird. Die Annahmenliste von Zeile 8 bezieht sich
282
auf die Zeilen 1 und 2. In diesen Zeilen kommt der Namenbuchstabe âaâ nichtvor: Demnach liegt kein Verstoss gegen Restriktion 2.2 vor.
Man hätte in der Ableitung anstelle des Namenbuchstabens âaâ auch jedenbeliebigen anderen Namenbuchstaben wählen kĂśnnen: fĂźr die Ableitbarkeit derK-Formel aus den Pr-Formeln hätte dies keinen Unterschied gemacht, da sienicht von einer Annahme abhängt, die einen bestimmten Namenbuchstaben ent-hält. Die EinfĂźhrung einer Formel mit einem bestimmten Namenbuchstaben hathier nur den Zweck, eine Ableitung im Rahmen des GLKQ durch bestimmteZwischenschritte zu ermĂśglichen.
Die Idee der Allquantor-Einfßhrungsregel lässt sich kurz so formulieren:
⢠Ist eine Instanz einer allquantifizierten Formel ableitbar, ohne dass diese Ab-leitung auf einer fßr diese Instanz spezifischen Voraussetzung beruht, dann ist auchdie allquantifizierte Formel ableitbar.
Ohne den Einschub ist diese Kurzformulierung eine Umkehrung der Kurz-form der Allquantor-Beseitigungsregel. Der Einschub stellt sicher, dass die Ablei-tung nur dann erlaubt ist, wenn man auch jede andere beliebige Instanz hätte wäh-len kĂśnnen. Unter dieser Voraussetzung wird auch die Allquantor-EinfĂźhrungsre-gel plausibel, wenn man bedenkt, dass eine allquantifizierte Formel auch so inter-pretiert werden kann, dass sie wahr ist gdw. ein beliebiger Wert, an dessen Stel-le man auch jeden anderen Wert des Wertebereiches hätte wählen kĂśnnen, dasoffene Schema, dem der Allquantor vorangestellt ist, erfĂźllt. Insofern man jedenbeliebigen Wert hätte nehmen kĂśnnen, lässt sich âE als Erweiterung von &Everstehen: Es wird gewissermassen aus unendlich vielen mĂśglichen Formeln einerbestimmten Form in einem Schritt ihre Konjunktion â ausgedrĂźckt durch eineendliche allquantifizierte Formel â abgeleitet.
Auch Restriktion 2.1 ist nĂśtig, um unkorrekte Ableitungen auszuschliessen, z.B.die folgende:
âxFxx ¡¡¡ âxâyFxy
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âxFxx AE1 (2) Faa 1 âB1 (3) âyFay 2 ââEâ ??1 (4) âxâyFxy 3 âE
283
In Zeile 3 werden hier nicht alle Vorkommnisse von âaâ in âFaaâ ersetzt:Folglich ist die Verwendung von âE regelwidrig. âFaaâ ist in der Ableitung keinebeliebige Instanz, aus der ââyFayâ abgeleitet werden kĂśnnte, denn âFaaâ beruhtauf der Formel ââxFxxâ in Zeile 1 und aus dieser wäre z.B. nicht âFabâ ableitbar.Setzte man nicht Restriktion 2.1 voraus, erhielte man unkorrekte Ableitungen, wiefolgende widerlegende Q-Belegung des Argumentschemas zeigt:
=(x,y) = I = {c1,c2};=(F ) = {(c1,c1),(c2,c2)}.
Relativ zu dieser Interpretation ist die Pr-Formel wahr und die K-Formelfalsch.
Restriktion 2.1 der Allquantor-EinfĂźhrungsregel (âE) ist in gewisser Hinsichtdie Umkehrung von Restriktion 1 der Allquantor-Beseitigungsregel (âB), nach derbeim Ăbergang der allquantifizierten Formel zu ihren Instanzen alle Vorkomm-nisse derselben Variablen durch denselben Namenbuchstaben zu ersetzen sind.DemgegenĂźber verlangt Restriktion 2.1, dass beim Ăbergang in umgekehrter Rich-tung alle Vorkommnisse desselben Namenbuchstabens durch dieselbe Variablezu ersetzen sind. Im Unterschied zu Restriktion 1 der Allquantor-Beseitigungsregel(âB) folgt die Restriktion 2.1 der Allquantor-EinfĂźhrungsregel (âE) aber nicht ausder Definition der Instanzen (Erläuterung 10.2), denn nach dieser ist âFaaâ eineInstanz von ââyFayâ.
Folgende Ableitung ist demgegenĂźber eine regelgerechte Ableitung:
BEISPIEL:
âxFxx ¡¡¡ âyFyy
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âxFxx AE1 (2) Faa 1 âB1 (3) âyFyy 2 âE
Es gilt: âxFxx `Q âyFyy.Diese Ableitung ist korrekt: Man wird keine widerlegende Q-Belegung finden,
da =(x)==(y) ist.
ĂBUNG: ABLEITUNGEN MIT âB UND âE
284
1.3 EXISTENZQUANTOR-EINFĂHRUNG (âE)
Die Existenzquantor-EinfĂźhrung lautet kurz formuliert:
⢠Ist eine Instanz einer existenzquantifizierten Formel ableitbar, dann auchdie existenzquantifizierte Formel.
Die Existenzquantor-EinfĂźhrung erlaubt den Ăbergang von einer Instanzzur existenzquantifizierten Formel, ohne dass hierbei eine Restriktion 2 von âEanaloge Restriktion nĂśtig ist. In dieser Hinsicht gleicht sie âB:
âE: Enthält eine Ableitung die Instanz einer existenzquantifizierten For-mel, dann darf diese in eine neue Zeile aufgenommen werden, fallsdie Restriktionen 1 und 2 erfĂźllt sind. Die neue Annahmenliste isteine Kopie der Annahmenliste der Oberformel.
Annahme Nr. Formel RegelÎą (k) S(t)
...Îą (l) âvS(v) k âE
Restriktionen:
1. v ist eine Variable, die in S(t) nicht vorkommt.
2. S(v) ist das Resultat der Ersetzung mindestens eines Vorkommnissesdes Namenbuchstabens t in S(t) durch v.
Dass die Existenzquantor-EinfĂźhrung âE korrekt ist, ergibt sich aus der In-terpretation existenzquantifizierter Formeln: Diese sind wahr gdw. mindestens einWert des Wertebereiches das offene Schema, dem der Existenzquantor voran-gestellt ist, erfĂźllt. Kurz: Sie sind wahr gdw. eine ihrer Instanzen wahr ist. Be-schränkt man den Wertebereich der Variablen auf endliche Werte, liessen sichexistenzquantifizierte Formeln durch endliche Disjunktionen ersetzen und dieExistenzquantor-EinfĂźhrung (âE) auf die Disjunktor-EinfĂźhrung (â¨E) zurĂźck-fĂźhren. Da dies nicht mĂśglich ist, muss âE als eine Erweiterung von â¨E ver-standen werden: âE erlaubt es, aus einer Formel A eine unendliche Disjunktion
285
von Disjunktionsglieder derselben Form â zusammengefasst in einer endlichenexistenzquantifizierten Formel â mit der Formel A als einem Disjunktionsgliedabzuleiten.
BEISPIEL:
Fa ¡¡¡ âxFx
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) Fa AE1 (2) âxFx 1 âE
Es gilt: Fa `Q âxFx
Restriktion 1 von âE schliesst wie Restriktion 1 von âE die Ableitung nicht-wohlgeformter Formel aus, z.B. die von âxâxFxx aus âxFax.
Restriktion 2 von âE ist bereits auf Grund der Definition der Instanzen (Er-läuterung 10.2) erfĂźllt: z.B. ist âFaaâ eine Instanz von ââxFaxâ und ebenso vonââxFxxâ. Es mĂźssen in diesem Fall nicht wie bei Restriktion 2.1 von âE alle Vor-kommnisse von t durch v ersetzt werden. Restriktion 2 ist hier nur aufgenommen,um sie mit den Restriktionen der anderen Regeln vergleichen zu kĂśnnen.
1.4 EXISTENZQUANTOR-BESEITIGUNG (âB)
Die Existenzquantor-Beseitigungsregel erlaubt es, Formeln, die sich aus Instanzenexistenzquantifizierter Formeln ableiten lassen, auf diese existenzquantifiziertenFormeln zurĂźckzufĂźhren:
286
âB: Enthält eine Ableitung eine existenzquantifizierte Formel und wur-de aus einer als Hilfsannahme eingefĂźhrten Instanz von ihr eineFormel C abgeleitet, dann darf C in eine neue Zeile aufgenom-men werden, falls die Restriktionen 1 und 2 erfĂźllt sind. Die neueAnnahmenliste setzt sich zusammen aus den Annahmenlisten derOberformeln, verkĂźrzt um die Zeilennummer der Hilfsannahme.
Annahme Nr. Formel RegelÎą (k) âvS(v)
...lâ (l) S(t) AE
...β, lâ (m) C
...Îą, β (n) C k,l,m âB
Restriktionen:
1. Die Formel S(t) entsteht durch Ersetzung aller Vorkommnisse vonv durch t in das offene Schema S(v).
2. t kommt
2.1 nicht in der Formel der Zeile k vor,
2.2 nicht in C vor,
2.3 nicht in Formeln der Zeilen β vor.
Restriktion 1 stellt wieder sicher, dass nicht-wohlgeformte Formeln nicht ab-leitbar sind. Ohne Restriktion 1 wäre es z.B. mÜglich, die nicht-wohlgeformte For-mel Fxa als Hilfsannahme in l einzufßhren. Unter Voraussetzung der Definitionder Instanzen (Erläuterung 10.2) ist diese Restriktion streng genommen ßberflßssig.
Ohne Restriktion 2 gilt âB nicht, denn daraus, dass aus einer bestimmten Formeleine Formel C abgeleitet werden kann, folgt nicht, dass aus irgendeiner Formelderselben Form eine Formel C abgeleitet werden kann. Restriktion 2 stellt analog
287
zu Restriktion 2 von âE sicher, dass die als Hilfsannahme eingefĂźhrte Instanz nichtmit spezifischen Voraussetzungen verbunden ist, so dass an ihrer Stelle auch jedeandere Instanz hätte gewählt werden kĂśnnen.
Eine regelgerechte Ableitung unter Verwendung von âB ist die des SyllogismusDarii in seiner quantorenlogischen Form:
âx(Fx â Gx), âx(Hx&Fx) ¡ ¡ ¡ âx(Hx&Gx)
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âx(Fx â Gx) AE2 (2) âx(Hx &Fx) AE3* (3) Ha &Fa AE1 (4) Fa â Ga 1 âB3* (5) Fa 3 &B
1,3* (6) Ga 4,5 MPP3* (7) Ha 3 &B
1,3* (8) Ha&Ga 7,6 &E1,3* (9) âx(Hx&Gx) 8 âE1,2 (10) âx(Hx&Gx) 2,3,9 âB
Es gilt: âx(Fx â Gx), âx(Hx&Fx) `Q âx(Hx&Gx)
Die Hilfsannahme âHa &Faâ aus Zeile 3, die der Anwendung von âB inZeile 10 zugrunde liegt, erfĂźllt hier die Bedingungen der Restriktion 2: Der in ihrvorkommende Namenbuchstabe âaâ kommt weder in der Formel aus Zeile 2 (d.i.der existenzquantifizierten Formel, deren Instanz die Formel aus Zeile 3 ist) vornoch in der Formel aus Zeile 9 (d.i. der Formel C) noch in den Formeln der Zei-len, auf welchen die Ableitung der Formel aus Zeile 9 zusätzlich zu der Formel ausZeile 3 beruht (d.i. der Formel aus Zeile 1). Hierdurch ist sichergestellt, dass manin der Ableitung auch ebenso gut die Formel âHb&Fbâ oder irgendeine andereFormel derselben Form, nur mit einem von âaâ verschiedenen Namenbuchstabenhätte wählen kĂśnnen â die Ableitung beruht auf keinen fĂźr den Namenbuchstabenâaâ spezifischen Annahmen.
Man hätte in der Ableitung anstelle des Namenbuchstabens âaâ auch jedenbeliebigen anderen Namenbuchstaben wählen kĂśnnen: fĂźr die Ableitbarkeit derK-Formel aus den Pr-Formeln hätte dies keinen Unterschied gemacht, da sienicht von einer Annahme abhängt, die einen bestimmten Namenbuchstaben ent-hält. Die EinfĂźhrung einer Formel mit einem bestimmten Namenbuchstaben hat
288
hier nur den Zweck, eine Ableitung im Rahmen des GLKQ durch bestimmteZwischenschritte zu ermĂśglichen.
Die Idee der Existenzquantor-Beseitigungsregel lässt sich kurz so formulie-ren:
⢠Ist eine Formel C aus einer Instanz einer existenzquantifizierten Formelableitbar, ohne dass diese Ableitung auf einer fßr diese Instanz spezifischen Voraus-setzung beruht, dann ist die Formel C direkt aus der existenzquantifiziertenFormel ableitbar.
Der Einschub stellt sicher, dass die Ableitung nur dann erlaubt ist, wenn manauch jede andere beliebige Instanz hätte wählen kĂśnnen. Unter dieser Voraus-setzung wird auch die Existenzquantor-Beseitigungsregel plausibel, wenn manbedenkt, dass eine Ableitung aus einer existenzquantifizierten Formel korrekt istgdw. die Ableitung aus einer beliebigen Instanz der existenzquantifizierten Formelkorrekt ist. Insofern man jede beliebige Instanz hätte nehmen kĂśnnen, lässt sich dieâB als Erweiterung von â¨B verstehen: Es wird quasi aus einer unendlichen Dis-junktion ein Disjunktionsglied herausgenommen, das fĂźr alle anderen Disjunkti-onsglieder steht (das sog. âtypische Disjunktâ) â kann aus diesem eine Formel Cabgeleitet werden, dann auch aus allen anderen Disjunktionsgliedern, und folglichaus der Formel, die diese unendliche Disjunktion in einem endlichen Ausdruckzusammenfasst.
Eine nicht regelgerechte Ableitung, die gegen Restriktion 2.1 verstĂśsst, ist:
âxFxa, âxFxx â P ¡¡¡ P
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âxFxa AE2 (2) âxFxx â P AE
3*? (3) Faa AE3* (4) âxFxx 3 âE
2,3* (5) P 2,4 MPP1,2 (6) P 1,3,5 ââBâ ??
Der Namenbuchstaben âaâ in der Hilfshypothese aus Zeile 3 kommt hier auchin der existenzquantifizierten Formel ââxFxaâ vor: Aus diesem Grund ist âFaaâkeine Instanz dieser Formel, auf welche die Anwendung von âE gegrĂźndet wer-den kann. âFaaâ ist keine beliebige Instanz, denn andere Instanzen, in denen an derersten Argumentstelle des Prädikatbuchstabens âF â ein anderer Namenbuchstabe
289
als âaâ steht, erfĂźllen zwar ââxFxaâ, aber nicht unbedingt ââxFxxâ und damitnicht unbedingt das Antezedenz der Formel aus Zeile 2. WĂźrde man anstatt âFaaâals Hilfshypothese âFbaâ wählen, wäre die Formel C (in diesem Fall P ) nichtableitbar. Dementsprechend gibt es widerlegende Q-Belegungen, die zeigen, dassdas Argumentschema nicht korrekt ist, z.B.:
=(x) = I = {c1,c2};=(P ) = F;=(a) = c1;=(F ) = {(c2,c1)}.
Eine nicht regelgerechte Ableitung, die gegen Restriktion 2.2 verstĂśsst, ist:
âxFx ¡¡¡ âxFx
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âxFx AE
2*? (2) Fa AE1 (3) Fa 1,2,2 ââBâ ??1 (4) âxFx 3 âE
Der Fehler liegt hier in Zeile 3 (nicht in Zeile 4!). Die als Hilfshypothesegewählte Instanz âFaâ ist in der Ableitung identisch mit der abgeleiteten FormelC : Hierdurch wird gegen Restriktion 2.2 verstossen â âaâ kommt in C vor. DieFormel âFaâ lässt sich keineswegs aus ââxFxâ ableiten, wie Zeile 3 behauptet.Will man âFaâ aus einer Instanz von ââxFxâ ableiten, dann muss man die spezi-fische Formel âFaâ annehmen, aus allen anderen Instanzen folgt hingegen nichtâFaâ (z.B. folgt aus âFbâ nur âFbâ, aber nicht âFaâ): Es kann demzufolge keinebeliebige Instanz von ââxFxâ gewählt werden, um âFaâ abzuleiten, und somit âFaânicht aus ââxFxâ abgeleitet werden. Wenn aber âFaâ nicht aus ââxFxâ aus Zeile1 abgeleitet werden kann, dann ist es auch nicht mĂśglich âE anzuwenden, dadies zu einem Verstoss gegen Restriktion 2.2 von âE fĂźhrte, denn âFaâ beruhtenicht auf ââxFxâ, sondern auf sich selbst und damit auf einer Formel, die denNamenbuchstabe âaâ enthält.
Dass das Argumentschema nicht korrekt ist, zeigt folgende widerlegende Q-Belegung:
=(x) = I = {c1,c2};=(F ) = {c1}.
Eine nicht regelgerechte Ableitung, die gegen Restriktion 2.3 verstĂśsst, ist:
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âxFx, âxGx ¡¡¡ âx(Fx&Gx)
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âxFx AE2 (2) âxGx AE
3*? (3) Fa AE4* (4) Ga AE
3*,4* (5) Fa&Ga 3,4 &E3*,4* (6) âx(Fx&Gx) 5 âE2,3* (7) âx(Fx&Gx) 2,4,6 ââBâ ??1,2 (8) âx(Fx&Gx) 1,3,7 âB
Die Anwendung von âB in Zeile 7 ist regelwidrig, da der Namenbuchstabe âaânicht nur in Zeile 4, sondern auch in Zeile 3 vorkommt, die Formel in Zeile 6 abervon beiden Annahmen abhängt. WĂźrde man âFaâ in Zeile 3 durch âFbâ ersetzen,dann wäre ââx(Fx&Gx)â in Zeile 6 und damit die Formel C nicht ableitbar:âFaâ kann demnach nicht durch eine beliebige andere Instanz ersetzt werden. DasArgumentschema ist nicht korrekt, da daraus, dass irgendein Gegenstand unter denBegriff âFâ fällt und irgendein Gegenstand (derselbe oder ein anderer) unter den BegriffâGâ fällt, nicht folgt, dass ein und derselbe Gegenstand unter die beiden Begriffe âFâund âGâ fällt. Eine widerlegende Q-Belegung ist:
=(x) = I = {c1,c2};=(F ) = {c1};=(G) = {c2}.
1.5 KORREKTHEIT UND VOLLSTĂNDIGKEIT
Auch fĂźr den GLKQ gilt:
Erläuterung 10.3Der GLKQ ist korrekt und vollständig:
|=Q A gdw. `Q AA1, . . . , An |=Q B gdw. A1, . . . , An `Q B
Unter Voraussetzung der Definition der Allgemeingßltigkeit (Erläuterung 8.15)besagt dies:
291
Erläuterung 10.4Alle Q-Interpretationen einer Q-Formel sind Q-Modelle gdw. die Q-Formel ableitbar ist.
Auf die Rekonstruktion der metalogischen Beweise der Korrektheit und Voll-ständigkeit der Prädikatenlogik wird im Folgenden verzichtet. Der Beweis derKorrektheit des GLKQ wird Ăźblicherweise induktiv gefĂźhrt, indem man zeigt,dass die Regel AE korrekt ist und dass die Anwendung jeder anderen Regel desGLKQ auf korrekte Argumentschemata stets nur zu korrekten Argumentsche-mata oder Theoremen Ăźbergeht. Da man sich bei der Korrektheit quantorenlo-gischer Argumentschemata auf unendlich viele Q-Interpretationen bezieht, dieihrerseits unendlich lang sein kĂśnnen, kann der Korrektheitsbeweis quantoren-logischer Schlussregeln nicht darin bestehen, dass man die AllgemeingĂźltigkeitihrer einfachsten Instanzen mittels des Durchkombinierens sämtlicher mĂśglicherQ-Interpretationen beweist. Der Beweis wird vielmehr gefĂźhrt, indem auf dieumgangssprachliche Explikation der Wahrheitsbedingungen quantorenlogischerFormeln Bezug genommen wird (vgl. hierzu die jeweiligen AusfĂźhrungen zu denKurzformen der Regeln âB, âE, âE, âB in den vorangegangenen Abschnitten).3
Den Beweis der Vollständigkeit eines Prädikatenkalkßls (nicht des GLKQ) hatKurt GÜdel als erster 1930 gefßhrt.4 Im Unterschied zum Vollständigkeitsbeweisdes GLKJ enthalten Vollständigkeitsbeweise des GLKQ keine Verfahren, nachdenen fßr allgemeingßltige Q-Formeln aus Q-Interpretationen Ableitungen kon-struiert werden kÜnnen. Es gibt keinen mechanischen Weg zur Konstruktion vonGLKQ-Ableitungen.
Da es fßr Q-Formeln auch kein Entscheidungsverfahren gibt, ist auch dieAbleitbarkeit von Q-Formeln nicht entscheidbar. Es gilt auf Grund der Korrektheitund Vollständigkeit des GLKQ nur: Wenn eine Q-Formel allgemeingßltig ist, dannist sie auch (in endlichen Schritten) ableitbar; und wenn sie nicht allgemeingßltigist, dann ist sie auch nicht ableitbar. Aber da es kein allgemeines Entscheidungs-verfahren fßr Q-Formeln gibt, kann man nicht mittels einer Ableitung oder einesanderen Verfahrens (z.B. Durchkombinieren von Q-Interpretatationen) fßr be-liebige Q-Formeln durch ein rein mechanisches Vorgehen in endlichen Schrittenfeststellen, dass sie nicht allgemeingßltig sind.
3Wollte man einen formalen Beweis im Sinne der AusfĂźhrungen von LEKTION 6 geben undauf Q-Interpretationen stĂźtzen, mĂźsste man den Beweis auf strukturelle Ăberlegungen zu Q-Interpretationen grĂźnden. Diese enthielten wesentlich FortsetzungspĂźnktchen.
4GÜdel (1930). Vgl. Hilbert (1938), S. 76-81 und Church (1956), §44.
292
ĂBUNG: ABLEITUNGEN MIT âB, âE, âE UND âB
2 ABLEITUNGSSTRATEGIEN
FĂźr die Ableitungen im Rahmen des GLKQ gilt wie fĂźr den GLKJ : Das Findengeeigneter Ableitungen ist eine Kunst, fĂźr die es kein mechanisches Verfahrengibt. Man kann nur einige Faustregeln fĂźr die Konstruktion von Ableitungenangeben und durch Ăbung die Fertigkeit des Ableitens erwerben.
Die Faustregeln fßr die Konstruktion von Ableitungen I und II aus LEKTION 4bleiben in Kraft und kÜnnen fßr Ableitungen im Rahmen des GLKQ ergänztwerden:
Faustregeln fßr die Konstruktion von Ableitungen III:1. Versuche zunächst, Q-Formeln unter Verwendung der Regeln des
GLKJ abzuleiten! Geht dies nicht, dann gilt:
2. Ist die abzuleitende Formel eine Instanz einer abgeleiteten allquantifi-zierten Formel, dann wende âB an!
3. Ist die abzuleitende Formel eine existenzquantifizierte Formel, undderen Instanz abgeleitet, dann wende âE an!
4. Ist die abzuleitende Formel eine allquantifizierte Formel, dann stre-be âE an! BerĂźcksichtige hierbei vor allem die folgende Strategie:
5. Sind abgeleitete allquantifizierte Formeln gegeben, dann kĂśnnen oft-mals mittels âB Instanzen abgeleitet werden, auf die dann dieRegeln des GLKJ in Zwischenschritten angewendet werden kĂśnnen,um Resultate zu erlangen, auf die âE oder âE zum Zwecke derAbleitung quantifizierter Formeln anwendbar sind!
6. Sind abgeleitete existenzquantifizierte Formeln gegeben, dann kĂśnnenoftmals Formeln aus diesen mittels âB abgeleitet werden, in-dem zunächst eine Instanz der existenzquantifizierten Formeln alsHilfsannahme eingefĂźhrt wird, aus der eine abzuleitende Formelin Zwischenschritten abgeleitet wird!
Diese Faustregeln seien an Beispielen demonstriert.
293
BEISPIEL 1:
âx(Fx â Gx), âxFx ¡¡¡ âxGx
ERLĂUTERUNG DER ABLEITUNGSSTRATEGIE: Die Pr-Formeln kĂśnnenmittels AE eingefĂźhrt werden (Regel I.1). Die K-Formel ist eine allquantifizierteFormel (Regel I.2.1). Diese lässt sich nicht direkt unter Anwendung der Regelndes GLKJ aus den Pr-Formeln ableiten (Regel III.1). Um die K-Formel abzu-leiten, ist âE anzuwenden: HierfĂźr ist eine beliebige Instanz von ihr abzuleiten(Regel I.2.2, Regel III.4). Die Pr-Formeln sind allquantifizierte Formeln, aus de-nen mittels âB Instanzen abgeleitet werden kĂśnnen, aus denen mittels MPP diegewĂźnschte Instanz zur Anwendung von âE abgeleitet werden kann (Regel I.2.3,Regel II.1, Regel III.5). Da diese nur auf den beiden Pr-Formeln beruht, die keineNamenbuchstaben enthalten, kann jede beliebige Instanz gewählt und auf dieseâE angewendet werden.
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âx(Fx â Gx) AE2 (2) âxFx AE1 (3) Fa â Ga 1 âB2 (4) Fa 2 âB
1,2 (5) Ga 3,4 MPP1,2 (6) âxGx 5 âE
Es gilt: âx(Fx â Gx), âxFx `Q âxGx
Analoge Ableitungsstrategien verfolgen die Ableitungen auf S. 281 und S. 283.
BEISPIEL 2:
âx(Fx â Gx), âxFx ¡¡¡ âxGx
ERLĂUTERUNG DER ABLEITUNGSSTRATEGIE: Die Pr-Formeln kĂśnnenmittels AE eingefĂźhrt werden (Regel I.1). Die K-Formel ist eine existenzquan-tifizierte Formel (Regel I.2.1). Sie kann nicht mittels Regeln des GLKJ aus denPr-Formeln abgeleitet werden (Regel III.1). Existenzquantifizierte Formeln kĂśn-nen mittels âE aus ihren Instanzen abgeleitet werden (Regel I.2.1, Regel III.3).
294
Eine Ableitung einer Instanz ist mittels MPP aus den Instanzen der Pr-FormelnmĂśglich (Regel I.2.2, Regel II.1). Die eine Pr-Formel ist eine allquantifizierteFormel â ihre Instanz kann mittels âB aus ihr abgeleitet werden (Regel III.2). Dieandere Pr-Formel ist eine existenzquantifizierte Formel â fĂźhrt man ihre Instanzals Hilfsannahme ein, dann kann die abzuleitende Formel ââxGxâ abgeleitet undmittels âB auf die Pr-Formeln gegrĂźndet werden (Regel III.6). Es ist hierbeiwillkĂźrlich, welche Instanz von ââxFxâ man wählt, da weder diese Formel nochdie abzuleitende Formel (ââxGxâ) noch die weitere Pr-Formel, auf der dieseAbleitung beruht (ââx(Fx â Gx)â), einen Namenbuchstaben enthält.
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âx(Fx â Gx) AE2 (2) âxFx AE3* (3) Fa AE1 (4) Fa â Ga 1 âB
1,3* (5) Ga 4,3 MPP1,3* (6) âxGx 5 âE1,2 (7) âxGx 2,3,6 âB
Es gilt: âx(Fx â Gx), âxFx `Q âxGx
BEISPIEL 3:
Ein Argumentschema aus LEKTION 9, Abschnitt 3, Beispiel 5 (siehe S. 272)lautet:
âxây(Fx&Gx&Fy &ÂŹHy &ÂŹIy â Jxy) ,âx(Fx&Gx),âx(Fx&ÂŹHx&ÂŹIx) ¡
¡¡ âxây(Fx&Fy &Jxy)
ERLĂUTERUNG DER ABLEITUNGSSTRATEGIE: Die Ableitungsstrategie istim Wesentlichen analog zu dem vorangehenden Beispiel. Es ist bei der Ablei-tung darauf zu achten, dass fĂźr die existenzquantifizierten Formeln (Zeile 2 und3) Instanzen mit unterschiedlichen Namenbuchstaben gewählt werden (Zeilen 4und 5), damit bei der Anwendung von âB in Zeile 16 nicht gegen Restriktion 2.3von âB verstossen wird. Auf die Anwendung einer Existenzquantor-EinfĂźhrung(âE) am Schluss der Ableitung (Zeilen 15 und 17) folgt jeweils die Anwendungder Existenzquantor-Beseitigung (âB), um die Ableitung von den Pr-Formeln inZeile 2 und 3 abhängig zu machen.
295
Annahme Nr. Formel Regel
1 (1) âxây(Fx&Gx&Fy &ÂŹHy &ÂŹIy â Jxy) AE
2 (2) âx(Fx&Gx) AE
3 (3) âx(Fx&ÂŹHx&ÂŹIx) AE
4* (4) Fa&Ga AE
5* (5) Fb &ÂŹHb &ÂŹIb AE
1 (6) ây(Fa&Ga&Fy &ÂŹHy &ÂŹIy â Jay) 1 âB
1 (7) Fa&Ga&Fb &ÂŹHb &ÂŹIb â Jab 6 âB
4*,5* (8) Fa&Ga&Fb &ÂŹHb&ÂŹIb 4,5 &E
1,4*,5* (9) Jab 7,8 MPP
4* (10) Fa 4 &B
5* (11) Fb &ÂŹHb 5 &B
5* (12) Fb 11 &B
4*,5* (13) Fa&Fb 10,12 &E
1,4*,5* (14) Fa&Fb &Jab 13,9 &E
1,4*,5* (15) ây(Fa&Fy &Jay) 14 âE
1,3,4* (16) ây(Fa&Fy &Jay) 3,5,15 âB
1,3,4* (17) âxây(Fx&Fy &Jxy) 16 âE
1,2,3 (18) âxây(Fx&Fy &Jxy) 2,4,17 âB
Sie finden in Lemmons Buch, S. 117-137 weitere Beispiele, in denen Ablei-tungsstrategien beschrieben werden!
Auch die Ableitungen quantorenlogischer Formeln mittels des GLKQ kĂśn-nen Sie durch Beweisbauer und BeweisprĂźfer kontrollieren: Siehe hierzu die Informa-tionen Ăźber die Homepage des Logikkurses.
ĂBUNG: ABLEITUNGSSTRATEGIEN
3 LOGISCHE GESETZE UND SCHLUSSREGELN
Die Definitionen der logischen Gesetze und Schlussregeln als Metaformeln (Er-läuterungen 5.1 und 5.6) sowie die Regel, dass aus der Ableitung einer Instanz einerMetaformel, die Ableitbarkeit aller Instanzen dieser Formel folgt (Erläuterung 5.9),gelten auch in Bezug auf den GLKQ. Im Folgenden seien einige wichtige logi-
296
sche Gesetze und Schlussregeln der Quantorenlogik anhand der Ableitung ihrereinfachsten Instanzen bewiesen. Machen Sie sich jeweils die Ableitungsstrategieklar!
3.1 LOGISCHE GESETZE
Der GLKQ enthält gegenßber dem GLKJ keine zusätzlichen Regeln, die erlau-ben, die Annahmenliste zu verkßrzen.5 Folglich beruhen auch die Ableitungenquantorenlogischer Theoreme auf der Anwendung von K und RAA.
3.1.1 GESETZ VOM NICHTLEEREN UNIVERSUM (GVUQ)
GVUQ: ` âv(A(v) ⨠A(v))
Theorem: ` âx(Fx ⨠Fx)
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1* (1) ÂŹ(Fa ⨠Fa) AE2* (2) Fa AE2* (3) Fa ⨠Fa 2 â¨E
1*,2* (4) (Fa ⨠Fa) &ÂŹ(Fa ⨠Fa) 3,1 &E1* (5) ÂŹFa 2,4 RAA1* (6) Fa ⨠Fa 5 â¨E1* (7) (Fa ⨠Fa) &ÂŹ(Fa ⨠Fa) 6,1 &E
(8) ÂŹÂŹ(Fa ⨠Fa) 1,7 RAA(9) Fa ⨠Fa 8 DNB(10) âx(Fx ⨠Fx) 9 âE
BEMERKUNG: Man kĂśnnte die Ableitung verkĂźrzen, indem man âFaâ¨ÂŹFaâals Theorem einfĂźhrt und hieraus direkt ââx(Fx ⨠Fx)â mittels âE ableitet.Indessen sei hier (und auch in den Ăbungen) zur Ableitung der Theoreme nichtvon TE Gebrauch gemacht.
5âB erlaubt es zwar, Hilfsannahmen zu eliminieren, aber nur, um hierdurch eine Ableitungauf eine existenzquantifizierte Formel anstatt auf ihre Instanz zu grĂźnden. Ihre Anwendung kannebenso wenig zu einer leeren Annahmenliste fĂźhren wie die von â¨B.
297
Die klassische Logik setzt voraus, dass das Universum nicht leer ist: Dieskommt in den Q-Interpretationen dadurch zum Ausdruck, dass die Variablennicht mit der leeren Menge belegt werden kĂśnnen, und in den Ableitungen da-durch, dass die Instanzen des GVUQ als Theoreme ableitbar sind.
Die klassische Logik lässt zwar zu, dass die Sätze, deren Wahrheit davon ab-hängt, dass atomare Formeln wahr sind, falsch sind. Aber sie impliziert, dass esdann etwas gibt, dass die atomaren Formeln nicht erfßllt.
Leiten Sie in den Ăbungen selbständig weitere Theoreme ab! Die Ableitungs-strategien gleichen dabei denen der Ableitung der analogen Theoreme in der Aus-sagenlogik!
ĂBUNG: ABLEITUNG VON THEOREMEN
3.2 SCHLUSSREGELN
3.2.1 QUANTORDEFINITIONEN
Die Quantoren und ihre Negationen lassen sich mittels des jeweils anderen Quan-tors und dem Negationszeichen definieren. Aus diesem Grund wäre es hinrei-chend, sich auf einen Quantor zu beschränken: Jedes Vorkommen des anderenQuantors kÜnnte in einen äquivalenten Ausdruck ohne diesen Quantor umfor-muliert werden.
Im Folgenden sei die Allquantordefinition abgeleitet. Die Ableitung andererQuantordefinitionen ist Teil der Ăbungsaufgaben.
Def. âââ: âvA(v) a` ÂŹâvÂŹA(v)
Argumentschema 1: âxFx ¡¡¡ ÂŹâxÂŹFx
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Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âxFx AE2* (2) âxÂŹFx AE3* (3) ÂŹFa AE1 (4) Fa 1 âB
1,3* (5) Fa&ÂŹFa 4,3 &E3* (6) ÂŹâxFx 1,5 RAA2* (7) ÂŹâxFx 2,3,6 âB
1,2* (8) âxFx &ÂŹâxFx 1,7 &E1 (9) ÂŹâxÂŹFx 2,8 RAA
Argumentschema 2: ÂŹâxÂŹFx ¡¡¡ âxFx
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) ÂŹâxÂŹFx AE2* (2) ÂŹFa AE2* (3) âxÂŹFx 2 âE
1,2* (4) âxÂŹFx&ÂŹâxÂŹFx 3,1 &E1 (5) ÂŹÂŹFa 2,4 RAA1 (6) Fa 5 DNB1 (7) âxFx 6 âE
ĂBUNG: ĂQUIVALENTE FORMALISIERUNGEN
3.2.2 KLAMMERGESETZE
Die Klammergesetze sind fßr das Verständnis der Quantorenlogik von beson-derer Bedeutung, denn die Quantorenlogik unterscheidet sich von der Aussa-genlogik dadurch, dass in ihr Klammern auch Wirkungsbereiche der Quantorenkennzeichnen. Die Klammern sind in einigen Fällen bedeutungslos und kÜnneneliminiert werden, in anderen Fällen hingegen kÜnnen sie nicht eliminiert werden.
Klammern zur Kennzeichnung eines Wirkungsbereiches sind z.B. bedeutungs-los, wenn nur der Existenzquantor vor dem Klammerausdruck steht und diesereine Disjunktion ist:
299
Aus/Einklammerung â/â¨: âv(A(v) ⨠B(v)) a` âvA(v) ⨠âvB(v)
Argumentschema 1: âx(Fx ⨠Gx) ¡ ¡ ¡ âxFx ⨠âxGx
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âx(Fx ⨠Gx) AE2* (2) Fa ⨠Ga AE3* (3) Fa AE3* (4) âxFx 3 âE3* (5) âxFx ⨠âxGx 4 â¨E6* (6) Ga AE6* (7) âxGx 6 âE6* (8) âxFx ⨠âxGx 7 â¨E2* (9) âxFx ⨠âxGx 2;3,5;6,8 â¨B1 (10) âxFx ⨠âxGx 1,2,9 âB
Argumentschema 2: âxFx ⨠âxGx ¡¡¡ âx(Fx ⨠Gx)
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âxFx ⨠âxGx AE2* (2) âxFx AE3* (3) Fa AE3* (4) Fa ⨠Ga 3 â¨E3* (5) âx(Fx ⨠Gx) 4 âE2* (6) âx(Fx ⨠Gx) 2,3,5 âB7* (7) âxGx AE8* (8) Ga AE8* (9) Fa ⨠Ga 8 â¨E8* (10) âx(Fx ⨠Gx) 9 âE7* (11) âx(Fx ⨠Gx) 7,8,10 âB1 (12) âx(Fx ⨠Gx) 1;2,6;7,11 â¨B
300
Dagegen gibt es fĂźr den Fall, dass der Existenzquantor vor dem Klammer-ausdruck steht und dieser eine Konjunktion ist, nur eine Ausklammerungs-, aberkeine Einklammerungsregel:
Ausklammerung â/&: âv(A(v) &B(v)) ` âvA(v) &âvB(v)
Argumentschema: âx(Fx&Gx) ¡ ¡ ¡ âxFx&âxGx
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âx(Fx&Gx) AE2* (2) Fa&Ga AE2* (3) Fa 2 &B2* (4) âxFx 3 âE2* (5) Ga 2 &B2* (6) âxGx 5 âE2* (7) âxFx &âxGx 4,6 &E1 (8) âxFx &âxGx 1,2,7 âB
In Bezug auf den Allquantor gelten folgende Gesetze:
Aus/Einklammerung â/&: âv(A(v) &B(v)) a` âvA(v) &âvB(v)
Einklammerung â/â¨: âvA(v) ⨠âvB(v) ` âv(A(v) ⨠B(v))
Die Ableitung der einfachsten Instanzen dieser Gesetze ist Teil der Ăbungs-aufgaben!
Zusatzbemerkung 10.1: Pränexe Normalform Weitere Klammerregeln, in denen das Sche-ma A nicht die Variable v enthält sind:
A & âvB(v) a` âv(A & B(v))âvB(v)& A a` âv(B(v)& A)A ⨠âvB(v) a` âv(A ⨠B(v))âvB(v) ⨠A a` âv(B(v) ⨠A)A & âvB(v) a` âv(A & B(v))âvB(v)& A a` âv(B(v)& A)A ⨠âvB(v) a` âv(A ⨠B(v))âvB(v) ⨠A a` âv(B(v) ⨠A)
301
Mit Hilfe dieser und weiterer Umformungsregeln gelingt es, jede beliebige Q-Formel in die
sogenannte pränexe Normalform zu bringen.6 B ist eine pränexe Normalform von A, wenn B und A
formal äquivalent sind und in B alle Quantoren unverneint vor einem Klammerausdruck stehen. Der
Wirkungsbereich aller Quantoren erstreckt sich demzufolge bis zum Ende der Formel B. Z.B. ist
die pränexe Normalform von ââx(Fx â âyGxy) ⨠P â die Formel ââxây(ÂŹFx ⨠Gxy ⨠P )â.
Fßr die Umformung muss man zunächst den Pfeil eliminieren und dann das siebte und vierte der
oben genannten Gesetze anwenden.
Die pränexe Normalform bietet den Vorteil, metalogische Fragen der Quantorenlogik auf
Fragen ßber Formeln in der pränexen Normalform beschränken zu kÜnnen.
3.2.3 SYLLOGISMEN
Syllogismen lassen sich gemäss den Ausfßhrungen in LEKTION 9 quantorenlo-gisch formalisieren. Hierbei ist jeweils darauf zu achten, ob eine implizite Annah-me darßber, dass ein bestimmter Begriff nicht leer ist, nÜtig ist.
Der Syllogismus Barbara etwa lässt sich ohne weitere Existenzannahme ableiten:
âx(Fx â Gx), âx(Hx â Fx) ` âx(Hx â Gx)
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âx(Fx â Gx) AE2 (2) âx(Hx â Fx) AE1 (3) Fa â Ga 1 âB2 (4) Ha â Fa 2 âB5* (5) Ha AE
2,5* (6) Fa 4,5 MPP1,2,5* (7) Ga 3,6 MPP
1,2 (8) Ha â Ga 5,7 K1,2 (9) âx(Hx â Gx) 8 âE
Der Syllogismus Barbari demgegenĂźber kann nur abgeleitet werden, wenn mandie implizite Annahme macht, dass der Subjektbegriff nicht leer ist:
âx(Fx â Gx), âx(Hx â Fx), âxHx ` âx(Hx&Gx)
6Zum Verfahren der Umformung in die pränexe Normalform vgl. Hilbert (1938), §8.
302
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âx(Fx â Gx) AE2 (2) âx(Hx â Fx) AE3 (3) âxHx AE4* (4) Ha AE1 (5) Fa â Ga 1 âB2 (6) Ha â Fa 2 âB
2,4* (7) Fa 6,4 MPP1,2,4* (8) Ga 5,7 MPP1,2,4* (9) Ha &Ga 4,8 &E1,2,4* (10) âx(Hx&Gx) 9 âE1,2,3 (11) âx(Hx&Gx) 3,4,10 âB
In den Ăbungen finden Sie weitere Aufgaben zur Ableitung von Syllogismen!
3.2.4 SCHLUSSREGELLISTE
Auch die Verwendung der Theoremeinfßhrungsregel TE und der Schlussregel-einfßhrungsregel SE kann auf die Quantorenlogik ausgeweitet werden. HierdurchkÜnnen Ableitungen verkßrzt werden. Fßr verkßrzte Ableitungen quantorenlo-gischer Argumentschemata kann zusätzlich zur aussagenlogischen Schlussregelliste diequantorenlogische Schlussregelliste (siehe Anhang, S. 385ff.) verwendet werden.
BEISPIEL 1:
âx(Fx â Gx), âx(Hx&Fx) ¡¡¡ âx(Hx&Gx)
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âx(Fx â Gx) AE2 (2) âx(Hx &Fx) AE
1,2 (3) âx(Hx&Gx) SE: 1,2 S. Darii
Es sei vereinbart, dass auf Syllogismen in Ableitungen mittels âS.â fĂźr âSyllo-gismusâ und des jeweiligen Namens eines Syllogismus Bezug genommen wird.
In der Liste der wichtigsten quantorenlogischen Schlussregeln finden Sie auch die denvier zusätzlichen Regeln des GLKQ entsprechenden Schlussregeln.7 Im Unter-schied zu den Regeln des GLKJ sind bei der Anwendung dieser Regeln die ge-nannten Restriktionen zu beachten.
7Zur Definition der den Kalkßlregeln entsprechenden Schlussregeln siehe Erläuterung 5.11.
303
ĂBUNG: ABLEITUNGEN MIT TE UND SE
4 ARGUMENTREKONSTRUKTION
Da auch der GLKQ korrekt und vollständig ist, kann die formale Schlßssigkeiteines Argumentes anhand der Ableitbarkeit des dem Argument zugeordnetenArgumentschemas bewiesen werden (vgl. Erläuterung 5.13). Fßr die Zwecke derArgumentrekonstruktion kann hierbei auf die Schlussregellisten zurßckgegriffenwerden, um mÜglichst kurze Ableitungen zu erhalten. Da die Korrektheit einesquantorenlogischen Argumentschemas im Unterschied zu aussagenlogischen Ar-gumentschemata nicht mittels Q-Interpretationen bewiesen werden kann, gibtes im Rahmen der Quantorenlogik im Allgemeinen fßr den Beweis der forma-len Schlßssigkeit von Argumentschemata keine Alternative zu Ableitungen. Dajedoch die formale Unschlßssigkeit von Argumenten nicht mittels Ableitungenbewiesen werden kann, bleibt man fßr den Beweis der formalen Unschlßssigkeiteines Argumentes auf widerlegende Q-Belegungen angewiesen.
BEISPIEL:
U-TEXT:
Was erwärmt wird, dehnt sich aus. Dieser Gegenstand wird erwärmt. Also:Dieser Gegenstand dehnt sich aus.
INTERPRETATION:
Fßr jeden beliebigen Gegenstand gilt: Wenn er erwärmt wird, dann dehnt ersich aus. Dieser Gegenstand wird erwärmt. Also: Dieser Gegenstand dehnt sichaus.
LEGENDE:
f(_) = . . . wird erwärmtg(_) = . . . dehnt sich ausm = dieser Gegenstand
SQA-TEXT:
Alle x erfĂźllen: wenn f(x) dann g(x):. f(m) also g(m)
Q-ARGUMENTSCHEMA:
âx(Fx â Gx), Fa ¡¡¡ Ga
304
ABLEITUNG:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âx(Fx â Gx) AE2 (2) Fa AE1 (3) Fa â Ga 1 âB
1,2 (4) Ga 3,2 MPP
ĂBUNG: ARGUMENTREKONSTRUKTION
LEKTION 11
IDENTITĂT
Diese Lektion behandelt die um das Identitätszeichen erweiterte Quantorenlogik(QI ) und schliesst damit das System der klassischen Logik ab. Es werden in dieserLektion die Schritte wiederholt, die bereits in der Aussagen- und Quantorenlogikdurchgefßhrt wurden: Es wird zunächst gezeigt, dass eine Erweiterung der klassi-schen Quantorenlogik auf Grund des Kriteriums der Reichhaltigkeit erforderlichist. Anschliessend wird die formale Sprache QI eingefßhrt und interpretiert. Be-vor auf die MÜglichkeiten und auf wichtige Anwendungen der Formalisierung vonTexten mit den Mitteln der erweiterten Quantorenlogik eingegangen wird, soll dieformale Behandlung der erweiterten Quantorenlogik durch Hinzunahme zweierRegeln fßr die Einfßhrung und Beseitigung des Identitätszeichens zum GLKQ abgeschlos-sen werden. Man erhält mit dem GLKQ+I einen korrekten und vollständigenKalkßl der erweiterten Quantorenlogik. ErÜrterungen zur Formalisierung mit denMitteln der Quantorenlogik und ihrer Anwendung zum Zwecke der Argumen-trekonstruktion bilden den Abschluss der Darstellung der klassischen, erweitertenQuantorenlogik.
1 ERWEITERUNG DER QUANTORENLOGIK
Folgende Argumente erfßllen das Kriterium, dass unter Voraussetzung der Wahr-heit der Prämissen die Konklusion unmÜglich falsch sein kann:
PRĂMISSE 1: Scott ist Engländer.
PRĂMISSE 2: Scott ist identisch mit dem Autor von Waverly.
KONKLUSION: Der Autor von Waverly ist Engländer.
PRĂMISSE 1: 2 ist die kleinste gerade Zahl.
PRĂMISSE 2: 2 ist identisch mit der einzigen geraden Primzahl.
KONKLUSION: Die einzige gerade Primzahl ist die kleinste gerade Zahl.
Gemäss einem intuitiven Begriff der Folgerung folgt die Konklusion jeweils ausden beiden Prämissen. Dies ist nicht in dem spezifischen Inhalt der Ausdrßcke
306
âScottâ, â. . . ist Engländerâ, âder Autor von Waverlyâ, â2â, â. . . ist die klein-ste gerade Zahlâ, âdie einzige gerade Primzahlâ begrĂźndet, denn die Argumentebesitzen dieselbe Form:
PRĂMISSE 1: Fa.
PRĂMISSE 2: a = b.
KONKLUSION: Fb.
Im Rahmen der Quantorenlogik kann die SchlĂźssigkeit des Argumentes abernicht bewiesen werden. Denn das Identitätszeichen kann im Rahmen von Q nurdurch einen zweistelligen Prädikatbuchstaben wiedergegeben werden, fĂźr den kei-ne besonderen Regeln gelten. Im Rahmen der klassischen Quantorenlogik kĂśnnteman die genannten Argumente nur durch âFa,Gab ¡
¡¡ Fbâ formalisieren. Dieses
Argumentschemata ist aber nicht formal schlĂźssig. Eine widerlegende Q-Belegungist:
I = {c1, c2};=(a) = c1;=(b) = c2;=(F ) = {c1};=(G) = {(c1, c2)}.
Um das Kriterium der Reichhaltigkeit in einem hÜheren Grade zu erfßllen, sodass auch die Schlßssigkeit von Argumenten, die Identitätsaussagen enthalten, be-wiesen und allgemein die formalen Eigenschaften und Relationen zwischen quan-torenlogischen Aussagen und Identitätsaussagen mit den Mitteln der klassischenLogik identifiziert werden kÜnnen, ist die klassische Quantorenlogik zu erweitern.Es ist zusätzlich zu den Junktoren und Quantoren ein konstanter Ausdruck fßrdie Identität in die formale Sprache aufzunehmen.
2 QI -FORMELN
Während in der Sprache Q nur Prädikatbuchstaben vorkommen, denen keinespezifische inhaltliche Bedeutung verliehen ist, wird mit dem Identitätszeichenein zweistelliges Prädikat in die Sprache Q mit einer festen Bedeutung eingefßhrt.
Erläuterung 11.1Das Identitätszeichen ist ein zweistelliges Prädikat mit einer festen Be-deutung.
307
Dieses Prädikat sei in der formalen Sprache QI durch â=â (lies: âist identischmitâ) dargestellt. In Anlehnung an die Mathematik sei dieses Zeichen, andersals die Ăźbrigen Prädikatbuchstaben, zwischen (und nicht vor) seine Argumente ge-schrieben, also z.B. âa = bâ anstatt â= abâ.
FĂźr die Definition der formalen Sprache QI ist lediglich das Identitätszeichenâ=â als Prädikatbuchstabe ins Alphabet aufzunehmen und die Definition atomarerFormeln der Konvention anzupassen, das Identitätszeichen zwischen seine Argu-mente zu schreiben:
Erläuterung 11.2Atomare Formeln von QI sind Satzbuchstaben und Ausdrßcke, die sichaus genau einem vorangestellten Prädikatbuchstaben und den folgendenNamenbuchstaben oder aus dem Identitätszeichen, das zwischen zweiNamenbuchstaben steht, zusammensetzen.
Demnach sind âa = aâ oder âa = bâ atomare Formeln.Die Definition der wohlgeformten quantorenlogischen Formeln (Erläuterung
8.3) sowie der wohlgeformten quantorenlogischen Argumentschemata (Erläute-rung 8.4) kÜnnen dann auf die erweiterte Quantorenlogik angewendet werden.
BEISPIEL:
((âxây x = y & a = b) ⨠P ) ist eine wff in QI , denn:
1. Nach Regel 1 ist a = b eine wff.
2. Nach 1. und Regel 7 ist ây a = y eine wff.
3. Nach 2. und Regel 7 ist âxây x = y eine wff.
4. Nach 1.,3. und Regel 3 ist (âxây x = y & a = b) eine wff.
5. Nach Regel 1 ist P eine wff.
6. Nach 4.-5. und Regel 4 ist ((âxây x = y & a = b) ⨠P ) eine wff.
Wie bei der Quantorenlogik ist zu beachten, dass Klammern zur Kennzeich-nung eines Wirkungsbereiches nur verwendet werden, wenn ein dyadischer Junk-tor im Wirkungsbereich vorkommt. In der QI -Formel ((âxây x = y & a =b) ⨠P ) erstreckt sich demnach der Wirkungsbereich der Quantoren nur aufx = y â die Formel ist nicht zu verwechseln mit der ebenfalls wohlgeformten
308
QI -Formel ((âxây (x = y & a = b)) ⨠P ), in der der Wirkungsbereich derQuantoren die Konjunktion x = y & a = b umfasst.
Auch die Klammereliminierungsregeln (Erläuterung 2.3) werden beibehalten,allerdings ist auch hier wie bei den Q-Formeln darauf zu achten, dass sie nur aufFormeln angewendet werden dßrfen, die gemässErläuterung 8.3 gebildet sind.
ĂBUNG: WOHLGEFORMTE FORMELN
3 QI -INTERPRETATIONEN
In den QI -Interpretationen erhält der zweistellige Prädikatbuchstabe â=â im Un-terschied zu den anderen Prädikatbuchstaben eine feste Interpretation.
Erläuterung 11.3In =(=) bilden stets alle Elemente aus I mit sich selbst und nur mit sichselbst ein Paar.
In Bezug auf die Reihenfolge der Q-Interpretationen sei festgelegt, dass=(=)stets am Ende aufzufĂźhren ist.
Die Formel âa = bâ ist relativ zu der folgenden QI -Interpretation wahr:
I = {c1};=(a) = c1;=(b) = c1;=(=) = {(c1,c1)}.
Relativ zu folgender QI -Interpretation ist die Formel âa = bâ hingegen falsch:
I = {c1, c2};=(a) = c1;=(b) = c2;=(=) = {(c1,c1), (c2, c2)}.
Erläuterung 11.4Unterschiedliche Namenbuchstaben kÜnnen mit denselben Elementenaus I belegt werden, aber unterschiedliche Elemente aus I kÜnnen nichtidentisch sein.
309
Folgendes ist keine QI -Interpretation, da das Identitätszeichen nicht wie an-dere Prädikatbuchstaben mit einem Paar belegt werden kann, das aus unterschied-lichen Elementen besteht:
I = {c1, c2};=(a) = c1;=(b) = c2;?=(=) = {(c1,c2)}.?
Fßr die Zuordnung der Wahrheitswerte relativ zu QI -Interpretationen ändertsich gegenßber der Quantorenlogik ohne Identität nichts Wesentliches: Die Regel,nach der zu bestimmen ist, ob eine Q-Interpretation ein Q-Modell ist (Erläuterung8.14), ist auf die QI -Formeln anzuwenden. Gleiches gilt fßr die Definitionen derAllgemeingßltigkeit und Unerfßllbarkeit (Erläuterungen 8.15-8.18).
BEISPIEL 1:
QI -FORMEL: ((âxây x = y & a = b) ⨠P )
QI -INTERPRETATION:
=(x) = I = {c1, c2};=(P ) = F ;=(a) = c1;=(b) = c1;=(=) = {(c1,c1), (c2,c2)}.
1. Nach Regel 2 gilt: = |=QIc1 = c1.
2. Nach Regel 2 gilt: = |=QIc2 = c2.
3. Nach 1. und Regel 9 gilt: = |=QIây c1 = y.
4. Nach 2. und Regel 9 gilt: = |=QIây c2 = y.
5. Nach 3.-4. und Regel 8 gilt: = |=QIâxây x = y.
6. Nach 1. und Regel 2 gilt: = |=QIa = b.
7. Nach 5.-6. und Regel 4 gilt: = |=QIâxây x = y & a = b.
8. Nach 7. und Regel 5 gilt: = |=QI(âxây x = y & a = b) ⨠P .
310
Nach Erläuterung 8.14 ist die genannte QI -Interpretation ein QI -Modell derQI -Formel â(âxây x = y & a = b) ⨠P â. Hieraus folgt, dass die Formelnicht unerfĂźllbar ist. Dass sie aber auch nicht allgemeingĂźltig ist, zeigt folgendewiderlegende QI -Belegung:
=(x) = I = {c1, c2};=(P ) = F ;=(a) = c1;=(b) = c2;=(=) = {(c1,c1), (c2,c2)}.
1. Nach Regel 2 gilt: = 6|=QIa = b.
2. Nach 1. und Regel 4 gilt: = 6|=QIâxây x = y & a = b.
3. Nach Regel 1 gilt: = 6|=QIP .
4. Nach 2.-3. undRegel 5 gilt: = 6|=QI(âxây x = y & a = b) ⨠P .
Die inhaltliche Aussage, dass alle Elemente aus I mit sich selbst und nurmit sich selbst identisch sind, kommt in den QI -Interpretationen durch die Ein-schränkung der InterpretationsmĂśglichkeit des Identitätszeichens zum Ausdruck.Diese Einschränkung hat Folgen fĂźr die Klassifizierung allgemeingĂźltiger For-meln. Denn auf Grund der Einschränkung der InterpretationsmĂśglichkeiten gibtes atomare Formeln, die allgemeingĂźltig sind, z.B. a = a. Verwendete man anstelledes Identitätszeichens einen anderen zweistelligen Prädikatbuchstaben (z.B. âF â),fĂźr dessen Interpretation keine spezifischen Einschränkungen gemacht werden,erhielte man mit âFaaâ keine allgemeingĂźltige Formel. Ferner erhalten quantifi-zierte Formeln andere Wahrheitsbedingungen, z.B. sind die Formeln ââxx = xâund ââxx = xâ allgemeingĂźltig, während ââxFxxâ und ââxFxxâ nicht allge-meingĂźltig sind. Auch komplexe Formeln wie âFa& a = b â Fbâ sind allge-meingĂźltig, während âFa &Gab â Fbâ nicht allgemeingĂźltig ist. Dies erforderteine besondere syntaktische Behandlung der Formeln mit dem Identitätszeichenin den Ableitungen, damit diese weiterhin das Kriterium der ausschliesslichenAbleitbarkeit allgemeingĂźltiger Formeln erfĂźllen.
ĂBUNG: ALLGEMEINGĂLTIGKEIT
311
4 GLKQ+I
Der GLKQ+I enthält gegenßber dem GLKQ zwei Regeln fßr die Einfßhrung undBeseitigung des Identitätszeichens.
Im Folgenden seien s und t als Metavariablen fĂźr Namenbuchstaben verwen-det.
4.1 IDENTITĂTS-EINFĂHRUNG (=E)
Die Regel =E erlaubt, Formeln der Form t = t als Theoreme einzufĂźhren:
=E: Eine Formel der Form t = t darf in jeder beliebigen Zeile mit leererAnnahmenliste eingefĂźhrt werden.
Annahme Nr. Formel Regel(k) t = t =E
Diese Regel ist auf Grund der Einschränkung von =(=) auf Paare, derenElemente stets identisch sind (vgl. Erläuterung 11.3), sowie der Voraussetzung,dass Namenbuchstaben stets nur mit einem Element zu belegen sind, korrekt.Die Identitäts-Einfßhrung (=E) sowie die Einschränkung der Interpretations-mÜglichkeit von =(=) beruhen auf dem Verständnis der Wahrheitsbedingungenvon Identitätsaussagen, nach dem jede Aussage, die aussagt, dass ein bestimmterGegenstand mit sich selbst identisch ist, wahr ist und nicht falsch sein kann.
Mittels =E kann das Identitätsaxiom bewiesen werden:
4.1.1 IDENTITĂTSAXIOM (AX.=)
Ax.=: ` âv v = v
Theorem: ` âxx = x
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel(1) a = a =E(2) âxx = x 1 âE
312
4.2 IDENTITĂTS-BESEITIGUNG (=B)
=B: Enthält eine Ableitung sowohl eine Formel t = s als auch eineFormel A(t), dann darf A(s) in eine neue Zeile aufgenommenwerden. Die Annahmenliste der neuen Zeile setzt sich zusammenaus den Annahmenlisten der beiden Oberformeln.
Annahme Nr. Formel RegelÎą (k) t = s
...β (l) A(t)
...ι, β (m) A(s) k,l =B
A(t) ist eine wff, in der t einmal oder mehrmals vorkommt, A(s) ist eine wff,die man erhält, indem man in A(t) t mindestens an einer Stelle (nicht notwendi-gerweise an allen Stellen) durch s ersetzt.
Bei der Reihenfolge der Oberformelliste in m ist darauf zu achten, dass stetszuerst die Zeilennummer der Instanz von t = s und dann die Zeilennummer derInstanz von A(t) notiert wird.
Auch die Korrektheit dieser Regel ist in =(=) begrĂźndet: Wenn t = s,dann folgt auf Grund von =(=), dass t und s in = demselben Element ausI zugeordnet werden. Wenn folglich eine Formel fĂźr =(t) gilt, dann auch fĂźr=(s). Dies beruht auf einem extensionalen Verständnis der Wahrheitsbedingungenvon Aussagen, nach dem der Wahrheitswert einer Aussage nicht verändert wird,wenn man in den Formulierungen der Aussagen AusdrĂźcke austauscht, die die-selben Gegenstände bedeuten (bzw. auf dieselben Gegenstände referieren). Diesgilt nicht fĂźr intensionale Kontexte: âĂdipus weiss, dass er Iokaste liebtâ undâĂdipus weiss, dass er seine Mutter liebtâ haben nicht dieselben Wahrheitswerte,obwohl Iokaste identisch ist mit Ădipusâ Mutter bzw. âIokasteâ und âĂdipusâMutterâ auf denselben Gegenstand referieren.
Mittels =B kann das Argumentschema aus Abschnitt 1 abgleitet werden:
Fa, a = b ¡¡¡ Fb
313
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) Fa AE2 (2) a = b AE
1,2 (3) Fb 2,1 =B
Im Folgenden seien als Beispiele fĂźr Ableitungen im GLKQ+I einige funda-mentale logische Gesetze und Schlussregeln der erweiterten Quantorenlogik bewiesen:
4.2.1 SYMMETRIE DER IDENTITĂT (SYMM.=)
Symm.=: ` âv1âv2(v1 = v2 â v2 = v1)
Theorem: ` âxây (x = y â y = x)
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1* (1) a = b AE
(2) a = a =E1* (3) b = a 1,2 =B
(4) a = b â b = a 1,3 K(5) ây(a = y â y = a) 4 âE(6) âxây(x = y â y = x) 5 âE
Die Anwendung von =B in Zeile 3 beruht auf der Instantiierung von âa = bâfĂźr t = s, âa = aâ fĂźr A(t) und âb = aâ â gewonnen durch Ersetzung von âaâdurch âbâ auf der linken Seite des Gleichheitszeichens in âa = aâ â fĂźr A(s).
4.2.2 TRANSITIVITĂT DER IDENTITĂT (TRANS. =)
Trans.=: ` âv1âv2âv3(v1 = v2 & v2 = v3 â v1 = v3)
Theorem: ` âxâyâz (x = y & y = z â x = z)
314
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1* (1) a = b & b = c AE1* (2) a = b 1 &B1* (3) b = c 1 &B1* (4) a = c 3,2 =B
(5) a = b & b = c â a = c 1,4 K(6) âz(a = b & b = z â a = z) 5 âE(7) âyâz(a = y & y = z â a = z) 6 âE(8) âxâyâz(x = y & y = z â x = z) 7 âE
Die Anwendung von =B in Zeile 4 beruht auf der Instantiierung von âa = bâ(Zeile 2) fĂźr A(t) und âb = câ (Zeile 3) fĂźr t = s, so dass man âa = câ (Zeile 4)durch Substitution von âbâ durch âcâ in âa = bâ (Zeile 2) erhält.1
4.2.3 ĂQUIVALENZ ATOMARER FORMELN MIT QUANTIFIZIERTEN SĂTZEN (AF/â)
aF/â: Ďt a` âv(v = t &Ďv)
Argumentschema 1: Fa ¡¡¡ âx(x = a&Fx)
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) Fa AE
(2) a = a =E1 (3) a = a&Fa 2,1 &E1 (4) âx(x = a&Fx) 3 âE
Argumentschema 2: âx(x = a&Fx) ¡¡¡ Fa
1Man kann hingegen nicht âa = bâ als Instanz von t = s und âb = câ als Instanz von A(t)auffassen, denn fasst man âa = bâ als Instanz von t = s auf, dann ist âaâ Instanz von t. In âb = câkommt aber âaâ nicht vor, so dass man diese Formel folglich nicht als Instanz von A(t) auffassenkann. Die Oberformelliste in Zeile 4 ist demzufolge nicht umkehrbar.
315
Ableitung:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) âx(x = a&Fx) AE2* (2) b = a&Fb AE2* (3) b = a 2 &B2* (4) Fb 2 &B2* (5) Fa 3,4 =B1 (6) Fa 1,2,5 âB
Auf Grund von aF/â lassen sich atomare Formeln umformen in existenz-quantifizierte Sätze, die Identitätsaussagen im Wirkungsbereich des Existenzquan-tors enthalten.
Die Ăbungsaufgaben enthalten Ableitungen von Instanzen weiterer Schlussre-geln.
4.3 ABLEITUNGSSTRATEGIEN
Den Faustregeln fĂźr die Konstruktion von Ableitungen sind folgende RegelnhinzuzufĂźgen:
Faustregeln fßr die Konstruktion von Ableitungen IV:1. Versuche zunächst, QI -Formeln unter Verwendung der Regeln
des GLKQ abzuleiten! Geht dies nicht, dann gilt:
2. Ist die abzuleitende Formel von der Form t = t, dann wende =Ean!
3. Sind Formeln der Form t = s und A(t) gegeben, kann manmittels =B zu Formeln der Form A(s) gelangen. Hierbei kÜnnendie Formeln A(t) und A(s) selbst Formeln sein, die das Identi-tätszeichen enthalten!
4. Sind die abzuleitenden Formeln quantifizierte Formeln, die dasIdentitätszeichen enthalten, dann bereite mittels =E und =B so-wie der Regeln des GLKJ Anwendungen von âE und âE vor!
ĂBUNG: ABLEITUNGEN MIT =E UND =B
316
4.4 SCHLUSSREGELLISTE
Die Theoremeinfßhrungsregel TE und die Schlussregeleinfßhrungsregel SE kÜn-nen auch im Rahmen der erweiterten Quantorenlogik zum Zwecke der Verkßr-zung von Ableitungen verwendet werden. Die quantorenlogische Schlussregelliste (sieheAnhang, S. 385ff.) enthält auch Identitätsgesetze und die den beiden Regeln =Eund =B entsprechenden Schlussregeln.
4.5 KORREKTHEIT UND VOLLSTĂNDIGKEIT
Erläuterung 11.5Der GLKQ+I ist korrekt und vollständig:
|=QIA gdw. `Q+I A
A1, . . . , An |=QIB gdw. A1, . . . , An `Q+I B
Unter Voraussetzung der Definition der Allgemeingßltigkeit (Erläuterung 8.15)besagt dies:
Erläuterung 11.6Alle QI -Interpretationen einer QI -Formel sind QI -Modelle gdw. die QI -Formel ableitbar ist.
FĂźhrt man in die formale Sprache QI FunktionsausdrĂźcke ein, deren Argu-mente und Werte Zahlen sind, und erweitert man die formale Sprache QI um zweiweitere Zeichen mit konstanter Bedeutung, nämlich â0â fĂźr die Zahl 0 und âsâ fĂźrden Funktionsterm âder unmittelbare Nachfolger von . . . â, dann erhält man einformales System, das gemäss GĂśdels berĂźhmten Unvollständigkeitsbeweises un-ter Voraussetzung der Widerspruchsfreiheit (und damit Korrektheit) unvollstän-dig ist.2 Gemäss GĂśdels Beweis bilden KalkĂźle der erweiterten Quantorenlogik,wie der GLKQ+I , eine Grenze fĂźr korrekte und vollständige KalkĂźle.
5 QI -FORMALISIERUNG
5.1 SCHEMATISIERUNG
Die MĂśglichkeiten der quantorenlogischen Formalisierung werden durch die er-weiterte Quantorenlogik nicht erweitert, denn es ist bereits in der Quantorenlogik
2Vgl. GĂśdel (1931).
317
ohne Identität mÜglich, Identitätsaussagen zu formalisieren. Die Identität ist nachdem Verständnis der klassischen Logik eine zweistellige Relation, und zweistelligeRelationen werden in den SQ-Texten durch zweistellige Prädikate wiedergegeben.Was sich durch die erweiterte Quantorenlogik mit der Einfßhrung eines Identi-tätszeichens ändert, ist die Einschränkung der InterpretationsmÜglichkeit fßr daszweistellige Identitätsprädikat (=(=)) und die syntaktische (formale) Behandlungvon Identitätsaussagen. Erst durch Einfßhrung eines Identitätszeichens in dieFormelsprache kÜnnen Formeln mit diesem Zeichen syntaktisch anders behandeltwerden als Formeln mit den Prädikatbuchstaben aus Q.
Erläuterung 11.7Nicht die MÜglichkeiten der Formalisierung, sondern die formale Be-handlung von Identitätsaussagen unterscheidet die erweiterte Quanto-renlogik von der Quantorenlogik ohne Identität.
Die SQI -Texte unterscheiden sich im Prinzip nicht von den SQ-Texten, dabereits in den SQ-Texten das zweistellige Prädikat â. . . ist identisch mit . . . â ver-wendet werden kann. Der Einfachheit halber sei dies in den SQI -Texten mit Hilfedes Gleichheitszeichens abgekĂźrzt und wie in den QI -Formeln zwischen seineArgumente geschrieben: â_=_â (und nicht: â=(_,_)â). Es wird hier wie in denQI -Formeln das Gleichheitszeichen gebraucht, da in diesen das Identitätszeichenals Prädikatbuchstabe mit einer festen inhaltlichen Bedeutung verwendet wird,die durch den standardisierten umgangssprachlichen Ausdruck â. . . ist identischmit . . . â zum Ausdruck kommt.3 In der Schematisierung ist dementsprechenddas Zeichen â=â in den SQI -Texten durch das Zeichen â=â in den QI -Formelnwiederzugeben. Ansonsten ändert sich an der Schematisierungsregel in der Quan-torenlogik (vgl. S. 242) nichts.
BEISPIEL:
SQI -TEXT: Mindestens ein x erfĂźllt : x = m und f(x) : oder m = nQI -FORMEL: âx ( x = a & Fx ) ⨠a = b
3Freilich sieht man von dieser Bedeutung des Identitätszeichens im Rahmen einer rein syntakti-schen Behandlung der Identität ab.
318
5.2 STANDARDISIERUNG
5.2.1 IDENTIFIKATION VON IDENTITĂTSAUSSAGEN
Auch bei der Verwendung von â_=_â (bzw. â. . . ist identisch mit . . . â) in denSQI -Texten handelt es sich um die Verwendung eines standardisierten (genorm-ten) umgangssprachlichen Ausdruckes.
Es gibt Verwendungen des Ausdruckes â. . . ist identisch mit . . . â, die nichtals Identitätsaussagen zu formalisieren sind. Z.B. âDie Lebewesen mit Nieren sindidentisch mit den Lebewesen mit Herzenâ. In diesem Fall steht â. . . ist identischmit . . . â zwischen BegriffsausdrĂźcken. Gemeint ist, dass alle die Gegenstände,die unter den Begriff âLebewesen mit Niereâ, auch unter den Begriff âLebewesenmit Herzâ fallen. Die ausgesagte Identität bezieht sich hier auf Klassen und nichtauf einen Gegenstand. Der adäquate formale Ausdruck fĂźr derartige Aussagen istââx(Fx â Gx)â. Ăhnlich verhält es sich mit missverständlich formulierten Aus-sagen wie âMeine Kopfschmerzen sind identisch mit deinen Kopfschmerzenâ(unmissverständlich ausgedrĂźckt: âMeine Kopfschmerzen sind von derselben Artwie deineâ): Gemeint ist hier, dass auf zwei Personen dasselbe zutrifft. Der ad-äquate formale Ausdruck fĂźr diese Aussage ist âFa &Fb &ÂŹ a = bâ. Die mittelsdes Identitätszeichens in der erweiterten Quantorenlogik ausgedrĂźckte Identitätbezieht sich nicht auf die Identität von Klassen oder Begriffen, sondern vonGegenständen.
Identitätsaussagen in diesem Sinne kĂśnnen in der Umgangssprache auf un-terschiedliche Weise wiedergegeben werden. Oft wird die Identität mittels desVerbs âseinâ ausgedrĂźckt. Dieses Verb kann aber auch in anderen Bedeutungenverwendet werden:
Bedeutung U-Text Legende QI -Formel
Prädikation Sokrates ist ein Philo-soph.
a: Sokrates,F: . . . ist Philosoph
Fa
Inklusion Alle Menschen sindsterblich.
F: . . . ist ein Mensch,G: . . . ist sterblich
âx(Fx â Gx)
Existenz Ich denke, also bin ich. F: . . . ist ich,G: . . . denkt
âx(Fx&Gx)¡¡¡ âxFx
Identität Berlin ist die Haupt-stadt von Deutschland.
a: Berlin,b: die Hauptstadt vonDeutschland
a = b
319
Die Verwendung des Wortes âistâ im Sinne der Identität kann von den ande-ren Verwendungen nach folgenden Kriterien unterschieden werden:
1. Wenn âistâ nicht durch âist identisch mitâ ersetzt werden kann, dann ist esnicht im Sinne der Identität gemeint.
2. Wenn die Relata von âistâ nicht ausgetauscht werden kĂśnnen, ohne dasssich der Wahrheitswert der Aussage ändert, dann ist es nicht im Sinne derIdentität gemeint.
Dies sind notwendige, aber nicht hinreichende Kriterien fĂźr die Verwendungvon âistâ im Sinne der Identität.
Des Weiteren ist zu beachten, welches die mĂśglichen AusdrĂźcke sind, zwi-schen denen âistâ im Sinne von âist identisch mitâ stehen kann:
Relata U-Text
Eigenname / Kennzeichnung Moses ist der Mann, der Israel aus Ăgyp-ten fĂźhrte.
abstrakter Name / Kennzeichnung Uranium ist das letzte entdeckte Ele-ment.
Kennzeichnung / Kennzeichnung Der Abendstern ist der Morgenstern.
Demonstrativum / Eigenname Dies ist Bertrand.
Eigenname / Eigenname Cicero ist Tully.
abstrakter Name / abstrakter Name SchĂśnheit ist Wahrheit.
Abstrakte Namen bezeichnen im Unterschied zu Eigennamen keine raumzeit-lich individuierbaren Gegenstände. Man meint mit âUraniumâ keinen Gegen-stand, der sich an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit befindet, son-dern man meint einen chemischen Stoff, der durch ganz bestimmte Eigenschaftendefiniert ist. Dieser Stoff kann sich an vielen Orten zu derselben Zeit befinden.Ein notwendiges (aber nicht hinreichendes) Kriterium fĂźr die Identifikation ab-strakter Namen ist, dass man aus ihnen keinen Plural bilden kann.
Kennzeichnungen sind Ausdrßcke, durch die Gegenstände eindeutig beschriebenwerden. Typischerweise kommt in ihnen der bestimmte Artikel vor.
Demonstrativa sind AusdrĂźcke, deren Bezugnahme auf einen bestimmten Ge-genstand nur im Kontext ihres Gebrauches festgelegt ist (z.B. âichâ, âerâ, âdiesesBuchâ, âletzte Nachtâ).
320
Allen Ausdrßcken ist gemeinsam, dass sie auf Gegenstände und nicht auf Klas-sen, Begriffe oder Aussagen Bezug nehmen.
Allgemein gilt als Regel zur Kennzeichnung von Identitätsaussagen:
Erläuterung 11.8Kann ein umgangssprachlicher Satz umformuliert werden in einen Satz,in dem der Ausdruck âist identisch mitâ durch Eigennamen, abstrakteNamen, Kennzeichnungen oder Demonstrativa flankiert wird, dann han-delt es sich um eine Identitätsaussage.
5.2.2 DEFINIT-QUANTIFIZIERTE AUSSAGEN
Unter âdefinit-quantifizierten Aussagenâ seien Aussagen verstanden, in denen dieAnzahl von Gegenständen, die unter einen Begriff fallen, spezifiziert wird: Eswird nicht einfachhin von mindestens einem oder allen Gegenständen etwas ausge-sagt, sondern von mindestens n, genau n, hĂśchstens n oder mindestens m und hĂśchstens nGegenständen. Die erweiterte Quantorenlogik ermĂśglicht es, derartig spezifiziertequantorenlogische Aussagen formal zu behandeln. In den jeweiligen Formalisie-rungen kĂśnnen mit Hilfe des Gleichheitszeichens die impliziten Annahmen Ăźberdie Verschiedenheit und Identität von Gegenständen zum Ausdruck gebrachtwerden:4
U-Text QI -Formel
Mindestens ein Gegenstand liegt imKorb./Ein oder mehr Gegenstände liegenim Korb.
âxFx
Mindestens zwei Gegenstände liegenim Korb./Zwei oder mehr Gegenstände liegenim Korb./Mehr als ein Gegenstand liegt imKorb.
âxây(Fx&Fy &ÂŹx = y)
4In der Tabelle werden einige naheliegende, aber nicht alle mÜglichen äquivalenten Umformu-lierungen genannt. Es wird z.B. darauf verzichtet, äquivalente Formeln in die Tabelle aufzunehmen,die daraus entstehen, dass man Quantoren innerhalb des Klammerausdruckes, die eine andereVariable binden als der Quantor vor dem Klammerausdruck, nach vorne vor den Klammerausdruckzieht (vgl. hierzu Erläuterung 9.11).
321
U-Text QI -Formel
Mindestens drei Gegenstände liegenim Korb./Drei oder mehr Gegenstände liegenim Korb./Mehr als zwei Gegenstände liegenim Korb.
âxâyâz(Fx&Fy &Fz &ÂŹx = y &ÂŹx = z &ÂŹ y = z)
HÜchstens ein Gegenstand liegt imKorb./Weniger als zwei Gegenstände liegenim Korb.
âxây(Fx&Fy â x = y)bzw.ÂŹâxây(Fx&Fy &ÂŹx = y)
HÜchstens zwei Gegenstände liegenim Korb./Weniger als drei Gegenstände liegenim Korb.
âxâyâz(Fx&Fy &Fz âx = y ⨠x = z ⨠y = z) bzw.ÂŹâxâyâz(Fx&Fy &Fz &ÂŹx = y &ÂŹx = z &ÂŹy = z)
Ein und nur ein Gegenstand liegt imKorb. /Genau ein Gegenstand liegt imKorb. /Mindestens ein Gegenstand undhĂśchstens ein Gegenstand liegt imKorb.
âxFx &âxây(Fx&Fy â y = x) bzw.âx(Fx&ây(Fy â y = x)) bzw.âx(Fx&ÂŹây(Fy &ÂŹ y = x))
Zwei und nur zwei Gegenständeliegen im Korb./Genau zwei Gegenstände liegen imKorb./Mindestens zwei und hÜchstens zweiGegenstände liegen im Korb.
âxây(Fx&Fy &ÂŹx = y) &âxâyâz(Fx&Fy&Fz âx = y ⨠x = z ⨠y = z) bzw.âxây(Fx&Fy &ÂŹx = y &âz(Fz â z = x ⨠z = y)) bzw.âxây(Fx&Fy &ÂŹx = y &ÂŹâz(Fz &ÂŹ z = x&ÂŹ z = y))
Ein bis zwei Gegenstände liegen imKorb./Ein oder zwei Gegenstände liegenim Korb./Mindestens einer und hÜchstens zweiGegenstände liegen im Korb.
âxFx &âxâyâz(Fx&Fy &Fz âx = y ⨠x = z ⨠y = z) bzw.âxây(Fx&Fy &âz(Fz â z = x ⨠z = y)) bzw.âxây(Fx&Fy &ÂŹâz(Fz &ÂŹ z = x&ÂŹ z = y))
322
5.2.3 KENNZEICHNUNGEN
Kennzeichnungen sind AusdrĂźcke, durch die Gegenstände eindeutig beschrieben wer-den. Typischerweise kommt in ihnen der bestimmte Artikel vor, z.B. âder gegen-wärtige KĂśnig von Frankreichâ, âder Mann, der Israel aus Ăgypten fĂźhrteâ, âdaszuletzt entdeckte Element des Periodensystemsâ. Bislang wurden die in Sätzenvorkommenden Kennzeichnungen durch Namenbuchstaben formalisiert. Dies isteine mĂśgliche und oft hinreichende Formalisierung. Manchmal ist es aber aucherforderlich, Kennzeichnungen einer genaueren Analyse zu unterziehen, um for-male Eigenschaften und Relationen zwischen Aussagen zu identifizieren (siehehierzu das Argument auf S. 325).
Die Formalisierung von Kennzeichnungen mittels Namenbuchstaben bringtdie Wahrheitsbedingungen der Sätze, in denen Kennzeichnungen vorkommen,nicht vollständig zum Ausdruck. Dies zeigt die Verwendung leerer Kennzeichnungen.Leere Kennzeichnungen sind Kennzeichnungen von Gegenständen, die nicht exi-stieren. âDer gegenwärtige KĂśnig von Frankreichâ ist eine leere Kennzeichnung;der Satz âDer gegenwärtige KĂśnig von Frankreich ist kahlkĂśpfigâ verwendet dieseleere Kennzeichnung im Kontext eines Satzes. Die Formalisierung der Kenn-zeichnungen mittels eines Namenbuchstabens wĂźrde die mit diesem Satz getrof-fene Aussage durch âf(m)â standardisieren (mit âmâ = âder gegenwärtige KĂśnigvon Frankreichâ und âf(_)â = â. . . ist kahlkĂśpfigâ) und entsprechend durch âFaâformalisieren. Ein Satz der Form âFaâ ist falsch gdw. a nicht unter den Begriff âFâfällt. Der Satz âDer gegenwärtige KĂśnig von Frankreich ist kahlkĂśpfigâ ist abernicht deshalb falsch, weil der gegenwärtige KĂśnig von Frankreich nicht kahlkĂśpfigist, sondern weil es gar keinen gegenwärtigen KĂśnig von Frankreich gibt.
Russell hat eine Analyse von Kennzeichnungen vorgeschlagen, die diesemPunkt gerecht wird.5 Er analysiert Sätze, die Kennzeichnungen enthalten, als Sät-ze, die zum einen aussagen, dass genau ein Gegenstand unter die Kennzeichnungfällt, und zum anderen eine Aussage ßber den gekennzeichneten Gegenstand tref-fen.
BEISPIEL:
U-TEXT:
Der gegenwärtige KÜnig von Frankreich ist kahlkÜpfig.
5Russell (1905).
323
INTERPRETATION:
Es gibt genau einen gegenwärtigen KÜnig von Frankreich, undder ist kahlkÜpfig.
Bzw. Es gibt mindestens einen gegenwärtigen KÜnig von Frank-reich, der kahlkÜpfig ist, und es gibt hÜchstens einen gegen-wärtigen KÜnig von Frankreich.
LEGENDE:
f(_) = . . . ist gegenwärtiger KÜnig von Frankreich.g(_) = . . . ist kahlkÜpfig.
SQI -TEXT:
Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x) und g(x):1 und Alle x erfĂźllenAlle y erfĂźllen:2 wenn f(x) und f(y) dann x = y:2
Bzw. Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x) und g(x) und Alle y erfĂźllen:2wenn f(y) dann x = y:2:1
Bzw. Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x) und g(x) und nicht Mindestensein y erfĂźllt:2 f(y) und nicht x = y:2:1
QI -FORMEL:
âx(Fx&Gx) &âxây(Fx&Fy â x = y)Bzw. âx(Fx&Gx&ây(Fy â x = y))Bzw. âx(Fx&Gx&ÂŹây(Fy &ÂŹx = y))
Diese Analyse lässt sich auch auf Identitätsaussagen anwenden, die Kenn-zeichnungen enthalten.
U-TEXT:
Der Autor von Waverly ist identisch mit Scott.
INTERPRETATION:
Es gibt genau einen Autor von Waverly, und der ist identischmit Scott.
Bzw. Es gibt mindestens einen Autor von Waverly, der identisch istmit Scott, und es gibt hĂśchstens einen Autor von Waverly.
LEGENDE:
m = Scottf(_) = . . . ist Autor von Waverly.
324
SQI -TEXT:
Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x) und x = m:1 und Alle x erfĂźllenAlle y erfĂźllen:2 wenn f(x) und f(y) dann x = y:2
Bzw. Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x) und x = m und Alle y erfĂźllen:2wenn f(y) dann x = y:2:1
Bzw. Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x) und x = m und nicht Minde-stens ein y erfĂźllt:2 f(y) und nicht x = y:2:1
QI -FORMEL:
âx(Fx&x = a) &âxây(Fx&Fy â x = y)Bzw. âx(Fx&x = a&ây(Fy â x = y))Bzw. âx(Fx&x = a&ÂŹây(Fy &ÂŹx = y))
Nach dieser Analyse wird in der Aussage, dass Scott identisch mit dem Autorvon Waverly ist, ausgesagt, dass Scott der eine Gegenstand ist, der unter denBegriff âist Autor von Waverlyâ fällt. Sätze mit Namen und Kennzeichnungen alsRelata des Identitätszeichens sagen nach dieser Auffassung nicht das Besteheneiner Relation eines Gegenstandes zu sich selbst aus, sondern sie sagen aus, dassein bestimmter (benannter) Gegenstand unter eine Kennzeichnung fällt.
ĂBUNG: FORMALISIERUNG
5.3 ARGUMENTREKONSTRUKTION
Nach Erläuterung 9.16 sind umgangssprachliche Argumente so und nur so detail-liert zu rekonstruieren wie nÜtig, um ihre Schlßssigkeit zu ßberprßfen.
Ein Beispiel fßr ein Argument, das die Verwendung des Identitätszeichens inder Formalisierung erfordert, ist das Folgende:
BEISPIEL 1:
U-TEXT:
Die Venus ist der Morgenstern. Die Venus ist der Abendstern. Der Morgen-stern leuchtet morgens. Der Abendstern leuchtet abends. Also: Die Venus leuchtetmorgens und abends.
INTERPRETATION:
Die Venus ist identisch mit dem Morgenstern. Die Venus ist identisch mitdem Abendstern. Der Morgenstern leuchtet morgens. Der Abendstern leuchtetabends. Also: Die Venus leuchtet morgens und die Venus leuchtet abends.
325
LEGENDE:
m = die Venusn = der Morgensterno = der Abendsternf(_) = . . . leuchtet morgensg(_) = . . . leuchtet abends
SQI A-TEXT:
m = n. m = o. f(n). g(o) also f(m) und g(m)
QI -ARGUMENTSCHEMA:
a = b, a = c, Fb, Gc ¡¡¡ Fa&Ga
ABLEITUNG:
Annahme Nr. Formel Regel1 (1) a = b AE2 (2) a = c AE3 (3) Fb AE4 (4) Gc AE1 (5) b = a SE: 1 Symm.Q+I
1,3 (6) Fa 5,3 =B2 (7) c = a SE: 2 Symm.Q+I
2,4 (8) Ga 7,4 =B1,2,3,4 (9) Fa&Ga 6,8 &E
Um die SchlĂźssigkeit des genannten Beispieles zu beweisen, ist es nicht nĂśtig,die Kennzeichnungen âder Morgensternâ und âder Abendsternâ einer näherenAnalyse zu unterziehen. Ein Beispiel fĂźr ein Argument, das eine Analyse der inihm vorkommenden Kennzeichnung erfordert, um seine SchlĂźssigkeit zu erwei-sen, ist das folgende:
BEISPIEL 2:
U-TEXT:
Das chemische Element mit der Ordnungszahl 92 wurde zuletzt entdeckt.Also gibt es mindestens ein zuletzt entdecktes chemisches Element, aber nichtzwei chemische Elemente mit der Ordnungszahl 92.
326
INTERPRETATION:
Es gibt genau einen Gegenstand, der ein chemisches Element ist und die Ord-nungszahl 92 hat, und dieser Gegenstand wurde zuletzt entdeckt. Also: Mindestensein Gegenstand ist ein chemisches Element und wurde zuletzt entdeckt und nichtzwei Gegenstände x und y sind chemische Elemente und haben die Ordnungszahl92.
LEGENDE:
f(_) = . . . ist ein chemisches Element.g(_) = . . . hat die Ordnungszahl 92.h(_) = . . . wurde zuletzt entdeckt.
SQI A-TEXT:6
Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x) und g(x) und h(x) und Alle y erfĂźllen:2 wenn f(y)und g(y) dann x = y:2:1 also Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x) und h(x):1 und nichtMindestens ein x erfĂźllt Mindestens ein y erfĂźllt:2 f(x) und g(x) und f(y) und g(y)und nicht x = y:2
QI -ARGUMENTSCHEMA:
âx(Fx&Gx&Hx&ây(Fy &Gy â x = y))¡¡¡ âx(Fx&Hx) &ÂŹâxây(Fx&Gx&Fy &Gy &ÂŹx = y)
ABLEITUNG:
6Auf die Auflistung alternativer Standardisierungen sei hier verzichtet.
327
Ann. Nr. Formel Regel
1 (1) âx(Fx&Gx &Hx &ây(Fy &Gy â x = y)) AE
2* (2) Fa&Ga&Ha &ây(Fy &Gy â a = y) AE
2* (3) Fa&Ga&Ha 2 &B
2* (4) Fa&Ga 3 &B
2* (5) Fa 4 &B
2* (6) Ha 3 &B
2* (7) Fa&Ha 5,6 &E
2* (8) âx(Fx&Hx) 7 âE
9* (9) Fc&Gc&Fb &Gb &ÂŹc = b AE
2* (10) ây(Fy &Gy â a = y) 2 &B
2* (11) Fb &Gb â a = b 10 âB
9* (12) Fc&Gc&Fb &Gb 9 &B
9* (13) Gb 12 &B
9* (14) Fc&Gc&Fb 12 &B
9* (15) Fb 14 &B
9* (16) Fb &Gb 15,13 &E
2*,9* (17) a = b 11,16 MPP
2* (18) Fc&Gc â a = c 10 âB
9* (19) Fc&Gc 14 &B
2*,9* (20) a = c 18,19 MPP
2*,9* (21) c = b 20,17 =B
9* (22) ÂŹc = b 9 &B
2*,9* (23) c = b &ÂŹc = b 21,22 &E
2* (24) ÂŹ(Fc&Gc&Fb &Gb &ÂŹc = b) 9,23 RAA
2* (25) âyÂŹ(Fc&Gc&Fy &Gy &ÂŹc = y) 24 âE
2* (26) ÂŹây(Fc&Gc&Fy &Gy &ÂŹc = y) SE: 25 Def. âÂŹââ
2* (27) âxÂŹây(Fx&Gx &Fy &Gy &ÂŹx = y) 26 âE
2* (28) ÂŹâxây(Fx&Gx &Fy &Gy &ÂŹx = y) SE: 27 Def. âÂŹââ
2* (29) âx(Fx&Hx) &ÂŹâxây(Fx&Gx &Fy &Gy &ÂŹx = y) 8,28 &E
1 (30) âx(Fx&Hx) &ÂŹâxây(Fx&Gx &Fy &Gy &ÂŹx = y) 1,2,29 âB
328
In Zeile 9 wird die Formel eingefĂźhrt, deren Negation in Zeile 24 abgeleitetwird. Hierbei ist es wichtig, in Zeile 9 andere Namenbuchstaben als in Zeile 2zu verwenden, um in Zeile 25 bzw. 27 âE anwenden zu kĂśnnen. Man achte dar-auf, dass man zum Zwecke der Ableitung einer negierten existenzquantifiziertenFormel (Zeilen 26 und 28) mittels âE eine allquantifizierte Formel ableiten kann,in der auf den Allquantor das Negationszeichen folgt (Zeilen 25 und 27). Mittelsder Umformungsregel Def. âÂŹââ ist dann die gewĂźnschte existenzquantifizierteFormel ableitbar.
Das folgende Argument erfordert die adäquate Formalisierung einer definitenQuantifikation:
BEISPIEL 3:
U-TEXT:
Genau einer Ăźberlebte. Also: Nicht zwei Ăźberlebten.
INTERPRETATION:
Genau ein Mensch Ăźberlebte. Also: Nicht mindestens zwei Menschen Ăźberlebten.
LEGENDE:
f(_) = . . . ist ein Mensch.g(_) = . . . Ăźberlebte.
SQI A-TEXT:7
Mindestens ein x erfĂźllt:1 f(x) und g(x) und Alle y erfĂźllen:2 wenn f(y) und g(y)dann x = y:2:1 also nicht Mindestens ein x erfĂźllt Mindestens ein y erfĂźllt:1 f(x)und f(y) und g(x) und g(y) und nicht x = y:1
QI -ARGUMENTSCHEMA:
âx(Fx&Gx&ây(Fy &Gy â x = y))¡¡¡ ÂŹâxây(Fx&Fy &Gx&Gy &ÂŹx = y)
ABLEITUNG:8
7Es wird wieder nur eine unter den mÜglichen äquivalenten Standardisierungen gewählt.8Die Ableitungsstrategie gleicht im Wesentlichen der des vorangegangenen Beispiels.
329
Ann. Nr. Formel Regel
1 (1) âx(Fx&Gx&ây(Fy &Gy â x = y)) AE
2* (2) Fa&Ga&ây(Fy &Gy â a = y) AE
3* (3) Fc&Fb &Gc &Gb &ÂŹc = b AE
2* (4) ây(Fy &Gy â a = y) 2 &B
2* (5) Fb &Gb â a = b 4 âB
3* (6) Fc&Fb &Gc &Gb 3 &B
3* (7) Gb 6 &B
3* (8) Fc&Fb &Gc 6 &B
3* (9) Fc&Fb 8 &B
3* (10) Fb 9 &B
3* (11) Fb &Gb 10,7 &E
2*,3* (12) a = b 5,11 MPP
2* (13) Fc&Gc â a = c 4 âB
3* (14) Gc 8 &B
3* (15) Fc 9 &B
3* (16) Fc&Gc 15,14 &E
2*,3* (17) a = c 13,16 MPP
2*,3* (18) c = b 17,12 =B
3* (19) ÂŹc = b 3 &B
2*,3* (20) c = b &ÂŹc = b 18,19 &E
2* (21) ÂŹ(Fc&Fb &Gc &Gb &ÂŹc = b) 3,20 RAA
2* (22) âyÂŹ(Fc&Fy &Gc &Gy &ÂŹc = y) 21 âE
2* (23) ÂŹây(Fc&Fy &Gc &Gy &ÂŹc = y) SE: 22 Def. âÂŹââ
2* (24) âxÂŹây(Fx&Fy &Gx&Gy &ÂŹx = y) 23 âE
2* (25) ÂŹâxây(Fx&Fy &Gx&Gy &ÂŹx = y) SE: 24 Def. âÂŹââ
1 (26) ÂŹâxây(Fx&Fy &Gx&Gy &ÂŹx = y) 1,2,25 âB
330
ĂBUNG: ARGUMENTREKONSTRUKTION
6 AUSBLICK: PROBLEME DER IDENTITĂT
Obwohl es fßr die Zwecke der Argumentrekonstruktion nßtzlich ist, das Iden-titätszeichen einzufßhren, handelt man sich mit der Erweiterung der Quanto-renlogik zugleich logische und philosophische Probleme ein. Es seien hier vierProbleme genannt:
PROBLEM DER FORMALISIERUNG: Seitens einer philosophischen Analyse von Iden-titätsaussagen wird in Frage gestellt, dass die Identität als eine Relation, in derGegenstände zu sich selbst stehen, zu deuten ist. Dementsprechend wirdin Frage gestellt, dass der Begriff der Identität durch einen Prädikatbuch-staben zu formalisieren ist.
PROBLEME DER SEMANTIK:
=(=): Die Festlegung, dass in =(=) stets alle Elemente aus I und nur diese einPaar bilden (vgl. Erläuterung 11.3), ist ein Bedeutungspostulat, das die kombi-natorischen InterpretationsmÜglichkeiten eines zweistelligen Prädikatbuch-stabens einschränkt. Die Voraussetzung derartiger, formal nicht zu recht-fertigender Bedeutungspostulate, durch die die Interpretation eines Prä-dikatbuchstabens gesondert geregelt wird, kann man ablehnen. Man wäredann auch nicht gezwungen, atomare Formeln der Form t = t als Formelnzu interpretieren, die im Unterschied zu allen anderen atomaren Formelnnicht bivalent sind.
=(t): Während mehrdeutige Interpretationen eines Namenbuchstabens in derklassischen Quantorenlogik ausgeschlossen sind, wird eine Interpretation,die unterschiedlichen Namenbuchstaben dieselben Elemente aus I zuord-net, zugelassen (vgl. Erläuterung 11.4). Ein konsequenter extensionaler Stand-punkt in der Interpretation fordert demgegenßber eine eineindeutige Interpre-tation der Namenbuchstaben. Noch einen Schritt weitergehend kann in Fra-ge gestellt werden, ob es sinnvoll ist, die Interpretationen der Namenbuch-staben wie die der Satzbuchstaben und Prädikatbuchstaben zu variieren.
PROBLEM DER SYNTAX (= E): Nach der Regel der Identitäts-EinfĂźhrung (= E)sind Formeln der Form t = t Axiome, d.i. Formeln, die in eine Zeile mitleerer Annahmenliste aufgenommen werden dĂźrfen, ohne als Theoremeabgeleitet worden zu sein. Formeln der Form t = t haben die Form Ď(v,v).Durch die Form der Formeln t = t lässt sich nicht rechtfertigen, warum sie
331
im Unterschied zu Formeln wie âF (a,a)â oder âG(b,b)â Axiome sind. Mankann derartige, in diesem Sinne formal nicht zu rechtfertigende Axiomeablehnen.
Das Problem der Interpretation des Gleichheitszeichens (=(=)) und das Pro-blem IdentitätseinfĂźhrungsregel (= E) stellen sich insbesondere, wenn man for-dert, dass formale Eigenschaften und Relationen nicht auf Grund von Bedeu-tungspostulaten oder willkĂźrlicher Festlegung von Axiomen, sondern durch Ei-genschaften der äusseren Form von Formeln zu identifizieren sind (vgl. hierzuLEKTION 6, Abschnitt 3). Diese Forderung ist unvereinbar mit der Verwen-dung eines Identitätszeichens, dessen Form sich nicht von der Form zweistelli-ger Prädikatbuchstaben unterscheidet. Geht man von einem Beweisverständnisim Sinne der Transformation von Formeln eines Formelsystems in ein ande-res aus, dann dĂźrfen die Formeln, durch deren äussere Merkmale formale Ei-genschaften und Relationen identifizert werden, nicht das Identitätszeichen ent-halten â man muss eine Logik ohne Identität fordern.9 Eine MĂśglichkeit, dieReichhaltigkeit der Quantorenlogik zu erhĂśhen, ohne das Identitätszeichen einzu-fĂźhren, besteht darin, quantorenlogische Formeln exklusiv zu deuten (siehe hier-zu S. 209). Mittels exklusiv gedeuteter Q-Formeln ist es z.B. mĂśglich, definit-quantifizierte Aussage zu formalisieren, ohne das Identitätszeichen einzufĂźhren:Aussagen der Form âEs gibt genau ein x, das F istâ, die nach inklusiver Deu-tung durch ââxFx&ÂŹâxây(Fx&Fy & ÂŹx = y)â formalisiert werden kĂśnnen,sind nach exklusiver Formalisierung z.B. durch ââxFx&ÂŹâxây(Fx&Fy)â zuformalisieren.
Eine LÜsung der genannten Probleme der Identität steht ebenso aus wie eineausgearbeitete Theorie der exklusiv gedeuteten Quantorenlogik ohne Identitäts-zeichen.10
9Zur Frage, ob das Identitätszeichen noch zur Logik zu zählen sei, siehe auch Quine(1973), S.72f.
10Eine einschlägige Arbeit zur Quantorenlogik mit exklusiver Deutung ist Hintikka (1956). Hin-tikka versteht die exklusive Deutung der Quantorenlogik allerdings nicht als Teil der programma-tischen Forderung, auf das Identitätszeichen vollständig zu verzichten und geht dementsprechendvon exklusiv gedeuteten Formeln mit Identitätszeichen aus. Hintikka beschränkt sich auch auf dieexklusive Deutung von Variablen.
LEKTION 12
UNENTSCHEIDBARKEIT DER QUANTORENLOGIK
Die Unentscheidbarkeit der Quantorenlogik gilt als bewiesen. Dies ist ein grund-legendes Resultat der Metalogik, denn es wird mit mathematischen Beweisme-thoden gezeigt, dass es prinzipiell unmĂśglich sei, das Kriterium der Entscheidbarkeitim Rahmen der Quantorenlogik zu erfĂźllen. Damit ist der Entwicklung logischerEntscheidungsverfahren schon auf der Ebene der klassischen Logik eine Grenzeaufgezeigt. Dieses Resultat ist fundamental fĂźr eine Beurteilung der klassischenLogik. Ziel dieser Lektion ist es, die grundlegenden Annahmen des Beweises undseine Form zu identifizieren, indem der Beweis der Unentscheidbarkeit der Quanto-renlogik in seinen GrundzĂźgen rekonstruiert wird. Die Lektion endet mit Bemer-kungen zu einer philosophischen Analyse der in direkten Unentscheidbarkeitsbe-weisen vorausgesetzten Unterscheidung der Meta- und Objektsprache.
Es gibt viele unterschiedliche Unentscheidbarkeitsbeweise der Quantorenlo-gik. Sie alle sind indirekte Beweise in dem Sinne, dass sie irgendein anderes Un-entscheidbarkeitstheorem voraussetzen. Als erster hat Alonzo Church 1936 einenindirekten Unentscheidbarkeitsbeweis der Quantorenlogik gegeben. Die Kette in-direkter Unentscheidbarkeitsbeweise muss schliesslich zu einem Unentscheidbar-keitsbeweis gelangen, der keinen weiteren Unentscheidbarkeitsbeweis voraussetzt.Der in dieser Lektion rekonstruierte Unentscheidbarkeitsbeweis ist ein von Hilbertund Bernays in ihrem klassischen Werk Grundlagen der Mathematik im Anschluss anRosser1 gefĂźhrter Unentscheidbarkeitsbeweis fĂźr ein arithmetisches Systems Z00,den sie ihrem Unentscheidbarkeitsbeweis der Quantorenlogik zugrunde legen.
1 CHURCHS INDIREKTER UNENTSCHEIDBARKEITSBEWEIS
Ein Fundamentaltheorem der modernen Metalogik besagt in seiner knappstenFassung, dass die Quantorenlogik 1. Stufe (mit oder ohne Identität) unentscheid-bar ist. Ausfßhrlicher formuliert besagt dies:
Erläuterung 12.1Es ist prinzipiell unmÜglich, fßr die formale Eigenschaft der Allgemeingßl-tigkeit einer beliebigen Q-Formel ein Entscheidungsverfahren anzuge-ben.
1Vgl. Rosser (1936).
334
Als erster hat Alonzo Church 1936 hierfßr einen Beweis angegeben.2 Aller-dings spricht er nicht von der Allgemeingßltigkeit als der zu entscheidenden Ei-genschaft, sondern von der Ableitbarkeit der Formeln innerhalb eines Kalkßls derQuantorenlogik. Er weist aber daraufhin, dass dies auf Grund der Korrektheit undVollständigkeit des Prädikatenkalkßls äquivalent ist mit der Allgemeingßltigkeitder quantorenlogischen Formeln.3
Es gibt viele unterschiedliche Beweise der Unentscheidbarkeit der Quanto-renlogik. Sie alle aber sind indirekte Beweise der allgemeinen Form:
UNENTSCHEIDBARKEITSTHEOREM: Die Eigenschaft Ď einer Formelmenge Mist nicht entscheidbar.
ANWENDUNGSTHEOREM: Wenn die Quantorenlogik entscheidbar ist, dann istdie Eigenschaft Ď der Formelmenge M entscheidbar.
FOLGERUNG: Die Quantorenlogik ist nicht entscheidbar.
Der Hauptteil der Unentscheidbarkeitsbeweise besteht darin, das hier âAn-wendungstheoremâ genannte Theorem zu beweisen, d.h. das Theorem, durchwelches das dem jeweiligen Beweis zugrunde gelegte Unentscheidbarkeitstheo-rem auf die Frage der Entscheidbarkeit der Quantorenlogik angewendet werdenkann. Die jeweiligen Beweise unterscheiden sich durch die zugrunde gelegtenUnentscheidbarkeitstheoreme. Entsprechend unterscheiden sich dann auch dieAnwendungstheoreme und ihre Beweise.
Die grundlegende Beweisidee fĂźr das Anwendungstheorem besteht in demNachweis, dass die AllgemeingĂźltigkeit bzw. Ableitbarkeit der Q-Formeln äqui-valent ist mit der Aussage, dass die Eigenschaft Ď fĂźr Formeln aus M zutrifft.Hieraus folgt dann, dass die Entscheidbarkeit der AllgemeingĂźltigkeit der quanto-renlogischen Formeln auch entscheiden kĂśnnte, ob die Eigenschaft Ď fĂźr Formelnaus M zutrifft, was zu dem Widerspruch mit einem schon bewiesenen Unent-scheidbarkeitstheorem fĂźhrt.
Church rekurriert fĂźr seinen Beweis auf die Unentscheidbarkeit eines be-stimmten logisch-arithmetischen Systems L:
2Vgl. Church (1936), S. 40f. und S. 101f.3Church weist auch darauf hin, dass auf Grund des nichtkonstruktiven Vollständigkeitsbeweises
GĂśdels die Ăbertragung seines Beweises auf die Frage der Entscheidbarkeit der AllgemeingĂźltigkeitnicht âbeyond questionâ ist (ebenda, S. 102). Hierauf wird im Folgenden nicht weiter eingegangen,da es Unentscheidbarkeitsbeweise der Quantorenlogik gibt, die nicht von GĂśdels Vollständigkeits-theorem Gebrauch machen.
335
UNENTSCHEIDBARKEITSTHEOREM: Es ist fĂźr das konsistente System L nichtentscheidbar, ob die Formeln dieses Systems in diesem System ableitbarsind.
ANWENDUNGSTHEOREM: Wenn die Ableitbarkeit von Q-Formeln entscheidbarist, dann ist auch entscheidbar, ob die Formeln des konsistenten Systems Lin diesem System ableitbar sind.
FOLGERUNG: Es ist nicht entscheidbar, ob beliebige Q-Formeln ableitbar sind.
Die Herleitung des Anwendungstheorems stellt den Hauptteil von ChurchsBeweis dar. Church fĂźhrt zunächst das System L ein. Dieses besteht aus dem en-geren FunktionenkalkĂźl (= dem PrädikatenkalkĂźl von Hilbert und Bernays) sowieeinigen Symbolen fĂźr die Zahl 1, fĂźr die Identität von Individuen (â=â) und fĂźrarithmetische Funktionen sowie einigen weiteren zusätzlichen Axiomen, u.a. eini-gen Identitätsaxiomen. Wie Church später auf Grund einer Kritik von Paul Ber-nays korrigierend hinzufĂźgt, dĂźrfen in diesen zusätzlichen Axiomen keine freienVariablen enthalten sein. Von diesem System beweist er, dass es konsistent ist. Eshandelt sich folglich um ein konsistentes System, von dem laut Prämisse 1 (Un-entscheidbarkeitstheorem) angenommen werden kann, dass es nicht entscheidbarist, ob die Formeln dieses Systems innerhalb des Systems ableitbar sind.
Daraufhin fĂźhrt Church das System LⲠein, das mit L äquivalent ist, aberkeine Symbole fĂźr arithmetische Funktionen enthält. LⲠist immer noch reich-haltiger als der PrädikatenkalkĂźl. Church zeigt, dass eine Formel S in Lâ˛, dienicht eine Formel des PrädikatenkalkĂźls ist, ableitbar ist gdw. ihre Umformungin eine Formel R des PrädikatenkalkĂźls ableitbar ist aus Axiomen U , die eineprädikatenlogische Umformulierung der Axiome T in LⲠsind. Wäre demnachU â R im PrädikatenkalkĂźl entscheidbar, dann auch die entsprechende FormelS in LⲠund damit auch L. Da aber schon bewiesen ist, dass Letzteres nicht derFall ist, kann auch Ersteres nicht der Fall sein.
Auf Grund der Vollständigkeit und Korrektheit der quantorenlogischen Kal-kßle folgt aus diesem Beweis der Unentscheidbarkeit der Ableitbarkeit die Unent-scheidbarkeit der Allgemeingßltigkeit der Quantorenlogik.
Andere Beweise argumentieren unmittelbar fĂźr die Unentscheidbarkeit derAllgemeingĂźltigkeit quantorenlogischer Formeln. Unentscheidbarkeitstheoreme, aufdie hierbei zurĂźckgegriffen wird, sind die Unentscheidbarkeit des Halting-ProblemsfĂźr Turing-Maschinen, die Unentscheidbarkeit des Postâschen Korrespondenz-
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problems sowie die Unentscheidbarkeit des allgemeinen Wortproblems fĂźr Semi-Thue-Systeme.4
Hilbert und Bernays5 argumentieren wie Church fßr die Unentscheidbarkeitder Ableitbarkeit quantorenlogischer Formeln. Im Unterschied zu Church gehensie allerdings nicht von der Unentscheidbarkeit des konsistenten Systems L aus,sondern von einem konsistenten arithmetischen System Z00 und dessen Unent-scheidbarkeit und zeigen dann analog zu Churchs Beweisgang, dass aus der An-nahme der Entscheidbarkeit der Ableitbarkeit einer Formel im Prädikatenkalkßldie Entscheidbarkeit der Ableitbarkeit einer beliebigen Formel des Systems Z00
folgt.
Ziel aller Unentscheidbarkeitsbeweise der Quantorenlogik ist jeweils, die Ent-scheidbarkeit der Quantorenlogik durch den Nachweis zu widerlegen, dass ausder Entscheidbarkeit der Allgemeingßltigkeit oder Ableitbarkeit von Q-Formelnfolgt, dass eine erwiesenermassen unentscheidbare Eigenschaft eines anderes Sy-stems entscheidbar wäre.
Alle diese Beweise setzen Unentscheidbarkeitstheoreme voraus. Auch diesekĂśnnen wiederum indirekt bewiesen werden (wie z.B. Hermesâ Beweis der Un-entscheidbarkeit des allgemeinen Wortproblems fĂźr Semi-Thue-Systeme), aberirgendwann muss die Kette indirekter Unentscheidbarkeitsbeweise bei einem di-rekten Unentscheidbarkeitsbeweis enden. Ein Beispiel hierfĂźr ist Hilberts Beweis derUnentscheidbarkeit der Ableitbarkeit einer Formel des arithmetischen SystemsZ00.
2 HILBERTS DIREKTER UNENTSCHEIDBARKEITSBEWEIS
2.1 BEWEISIDEE
Direkte metamathematische Beweise der Entscheidbarkeit oder Unentscheidbar-keit einer formalen Eigenschaft Ď (z.B. der AllgemeingĂźltigkeit oder Ableitbarkeit)eines Formalismus F bemessen die Entscheidbarkeit daran, ob es eine rekursivezahlentheoretische Funktion gibt, die allen GĂśdelzahlen der Formeln aus F inAbhängigkeit zu dem Bestehen oder Nichtbestehen der formalen EigenschaftĎ den Wert 0 bzw. 1 zuordnet. Dies setzt zum einen die Church-These und zumanderen die GĂśdelisierung des Formalismus F voraus.6
4Vgl. z.B. Boolos (1996), Kapitel 10; Schmid (1996), Kapitel 10.3; Hermes, (1978), §24.5Hilbert (1970), S. 433ff.6Zur GÜdelisierung siehe auch LEKTION 2, Abschnitt 3, Zusatzbemerkung 2.3, S. 57.
337
GĂśdelisierung: Unter einer GĂśdelisierung versteht man die injektive Ab-bildung von Formeln auf natĂźrliche Zahlen.
Durch die GĂśdelisierung wird es mĂśglich, formale Eigenschaften und Rela-tionen der Formeln anhand von arithmetischen Eigenschaften und Beziehungenihrer GĂśdelzahlen zu bemessen. Die Church-These formuliert ein Kriterium fĂźr dieEigenschaft der Entscheidbarkeit einer formalen Eigenschaft Ď eines Formalis-mus F in RĂźckgriff auf die Auswertung der GĂśdelzahlen durch eine rekursivezahlentheoretische Funktion:
Church-These: Die formale Eigenschaft Ď der Formeln des Formalis-mus F ist entscheidbar gdw. es eine rekursive zahlentheoretischeFunktion t(n) gibt, die fĂźr alle GĂśdelzahlen n der Formeln vonF diesen den Wert 0 zuordnet, wenn die Formeln die EigenschaftĎ besitzen, und den Wert 1, wenn die Formeln die Eigenschaft Ďnicht besitzen.
Eine zahlentheoretische Funktion ist eine Funktion, deren Argumente und WerteZahlen sind. Eine zahlentheoretische Funktion ist rekursiv, wenn alle ihre WertefĂźr gegebene Argumente entweder direkt angegeben oder auch durch RĂźckgriff(âRekursionâ) auf die Werte fĂźr vorhergehende Argumente (in endlichen Schrit-ten) berechnet werden kĂśnnen.7
Die Church-These ist kein bewiesenes Theorem, sondern ein anerkanntesMittel, den Begriff der Entscheidbarkeit mittels mathematischer Termini exaktzu definieren und damit Fragen der Entscheidbarkeit einer metamathematischenBeweisfßhrung zugänglich zu machen. Hierdurch hat man die MÜglichkeit, einvorgeschlagenes Entscheidungsverfahren (z.B. die Wahrheitwerttabellenmethode in derAussagenlogik) daraufhin zu prßfen, ob es sich um ein Entscheidungsverfahrenim Sinne der Church-These handelt. Hierdurch hat man aber auch die MÜglich-keit, ganz unabhängig von einem konkreten Vorschlag eines Entscheidungsverfahrens,die Frage zu untersuchen, ob bestimmte formale Eigenschaften eines Formalis-mus ßberhaupt entscheidbar sind.
Der direkte Unentscheidbarkeitsbeweis von Hilbert und Bernays bezieht sichseinerseits auf einen arithmetischen Formalismus, der selbst Zahlen und rekursive
7Auf eine exakte Erläuterung rekursiver zahlentheoretischer Funktionen muss hier verzichtetwerden, vgl. hierzu Hermes (1978).
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zahlentheoretische Funktionen enthält: Das System Z00 ist ein arithmetisches Sy-stem von endlich vielen Gleichungen, durch das sich rekursive zahlentheoretischeFunktionen berechnen lassen. Die Ausdrßcke auf beiden Seiten der Gleichungensind aus freien Individuenvariablen, dem Symbol 0, dem Strichsymbol, das fßrden jeweiligen Nachfolger einer Zahl steht, und aus Funktionszeichen gebildet.8
Ziffern (d.i. Zahlzeichen) in Z00 sind die Zeichen der Reihe â0, 0â˛, 0â˛â˛, 0â˛â˛â˛, . . . â; dieZeichen der Reihe â1, 2, 3, . . . â kommen in Z00 nicht vor. Die Ableitungsregelninnerhalb des Systems Z00 sind die Einsetzungsregel9 und das Ersetzungssche-ma10. Von diesem System gilt, dass jede rekursive einstellige zahlentheoretischeFunktion f in ihm auswertbar ist. Dies besagt, dass die die Gleichungen der Formf(x) = y repräsentierenden Z00-Formeln11 in Z00 ableitbar sind, wenn dieseGleichungen gĂźltig sind.
Den Formeln dieses Formalismus werden durch die GĂśdelisierung Zahlen zu-geordnet, die ihrerseits in dem Formalismus selbst repräsentiert werden kĂśnnen;die Entscheidbarkeit der Z00-Formeln wird an dem Bestehen einer rekursivenzahlentheoretischen Funktion t bemessen, die in dem Formalismus Z00 selbst re-präsentiert wird. Unter Voraussetzung der Entscheidbarkeit im Sinne der Church-These wĂźrde in dem arithmetischen System Z00 die die Gleichung t(n) = 0 reprä-sentierende Gleichung ableitbar sein, wenn die Formel mit der GĂśdelzahl n dieEigenschaft Ď besitzt; hat die Formel mit der GĂśdelzahl n nicht die EigenschaftĎ, wäre unter Voraussetzung der Entscheidbarkeit im Sinne der Church-These diedie Gleichung t(n) = 1 repräsentierende Gleichung ableitbar.
Hilbert und Bernays beweisen, dass die formale Eigenschaft der Ableitbarkeitfßr Formeln von Z00 unentscheidbar ist. Sie leiten ab, dass es keine in Z00 aus-wertbare rekursive zahlentheoretische Funktion gibt, die allen GÜdelzahlen derFormeln aus Z00 den Wert 0 oder 1 in Abhängigkeit zur Ableitbarkeit der Formeln
8Demnach sind z.B. â0 = 0â, âa = aâ, â0Ⲡ+0Ⲡ= 0â˛â˛â, â0Ⲡ+ a = a+0â˛â Z00-Formeln, währendâ1 = 0â˛â (wg. â1â), â0Ⲡ+ 1 â 1 + 0â˛â (wg. âââ), ââx x = xâ (wg. âââ) keine Z00-Formeln sind.
9A(v) ` A(Ď). Die Einsetzungsregel erlaubt die Einsetzung eines Termes Ď fĂźr eine freieVariable v. Ein Term Ď in Z00 ist ein Ausdruck, der sich aus dem Symbol 0, dem Strichsymbolund den Funktionszeichen sowie aus Variablen bilden lässt. Neben âĎ â wird âĎâ als Metavariable fĂźrTerme verwendet.
10Ď = Ď,A(Ď) ` A(Ď) bzw. Ď = Ď,A(Ď) ` A(Ď) .11Die Wendung âein Z00-Ausdruck repräsentiert . . . â sei wie folgt gebraucht: Ein Z00-Ausdruck
repräsentiert eine Funktion, eine Zahl oder eine Gleichung, wenn er interpretiert wird als Ausdruck dieserFunktion, Zahl oder Gleichung. Ein Z00-Ausdruck repräsentiert einen anderen Ausdruck, wenn dieInterpretation der AusdrĂźcke diesen dieselbe Bedeutung verleiht. Da Formeln AusdrĂźcke sind, giltdies auch fĂźr Formeln. Anstelle der Wendung âEin Ausdruck des Formalismus F repräsentiert . . . âkann man auch, wie z.B. Hilbert und Bernays, die Formulierung âEin Ausdruck des FormalismusF stellt . . . darâ wählen.
339
aus Z00 zuordnet. Dies beweisen sie, indem sie eine Formel aus Z00 angeben,fßr deren GÜdelzahl m es keine in Z00 auswertbare rekursive einstellige zahlen-theoretische Entscheidungsfunktion t gibt, die der GÜdelzahl m dieser Formelin Abhängigkeit zur Ableitbarkeit dieser Formel den Wert 0 oder 1 zuordnet.Diese von Hilbert und Bernays angegebene Formel mit der GÜdelzahl m ist eineselbstreferentielle Formel, die gemäss ihrer Interpretation ihre eigene Unableitbarkeitbehauptet. Die selbstreferentielle Formel wird durch eine Diagonalisierung gewon-nen (zum Begriff der Diagonalisierung und der diagonalen Funktion siehe untenS. 351). Dass der GÜdelzahl dieser Formel weder der Wert 0 noch der Wert 1zugeordnet werden kann, beweisen sie indirekt in Form einer reductio ad absurdum,indem sie zeigen, dass die Annahme, der Wert von t(m) sei 0 oder 1 jeweils zueinem Widerspruch fßhrt. Unter Voraussetzung der Church-These besagt dies, dassdie Eigenschaft der Ableitbarkeit fßr den Formalismus Z00 unentscheidbar ist.
Die Beweisfigur des direkten Unentscheidbarkeitsbeweises fßr Z00 lässt sichwie folgt zusammenfassen:
ENTSCHEIDBARKEITSANNAHME: Es wird angenommen, dass es eine rekursi-ve, zahlentheoretische Entscheidungsfunktion t gibt, die in Abhängigkeit zurAbleitbarkeit der Formeln des Formalismus Z00 fßr alle GÜdelzahlen derZ00-Formeln die Werte 0 oder 1 ergibt.
AUSWERTBARKEITSANNAHME: Es wird angenommen, dass alle rekursiven, zah-lentheoretischen Funktionen in Z00 auswertbar sind.
SELBSTREFERENTIELLE DEFINITION: Es wird unter Voraussetzung von Dia-gonalisierungen, der Definition der diagonalen Funktion s(k) und GÜdelisie-rungen eine selbstreferentielle Formel konstruiert, die gemäss den gemachtenVoraussetzungen ihre eigene Unableitbarkeit behauptet.
HILFSANNAHMEN: Als Hilfsannahmen werden nummerische Widerspruchsfreiheitsan-nahmen verwendet.
REDUCTIO AD ABSURDUM: Es wird auf Basis der genannten Annahmen undDefinitionen fĂźr die GĂśdelzahl m der genannten selbstreferentiellen For-mel gezeigt, dass aus der Annahme, der entsprechende Wert der Entschei-dungsfunktion t(m) sei 0 oder 1, ein Widerspruch zu den nummerischenWiderspruchsfreiheitsannahmen ableitbar ist.
SCHLUSSFOLGERUNG 1: Hieraus wird auf die Negation der Entscheidbarkeits-annahme geschlossen.
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CHURCH-THESE: Es wird angenommen, dass die Entscheidbarkeit der Ableitbarkeitder Z00-Formeln an der Annahme zu messen ist, dass die Entscheidungs-funktion t(n) den GÜdelzahlen der Formeln von Z00 in Abhängigkeit zuihrer Ableitbarkeit den Wert 0 oder 1 zuordnet.
SCHLUSSFOLGERUNG 2: Auf Grund der Schlussfolgerung 1 und der Church-These wird darauf geschlossen, dass es nicht fĂźr beliebige Formeln aus Z00
entscheidbar ist, ob sie in dem Formalismus Z00 ableitbar sind oder nicht.
Dieser Beweisgang soll im Einzelnen rekonstruiert werden.
2.2 REKONSTRUKTION
Der Unentscheidbarkeitsbeweis kann nicht innerhalb Z00, sondern muss in einerMetasprache gefĂźhrt werden; Hilbert und Bernays verwenden als Metasprache dieUmgangssprache. Sie fĂźhren ihren Beweis nicht formal, sondern inhaltlich.
2.2.1 METAKALKĂL MK
Um die inhaltliche Argumentation Hilberts und Bernaysâ formal zu rekonstruie-ren, seien folgende Regeln eines MetakalkĂźls MK mit der zugehĂśrigen Interpreta-tion der in ihm verwendeten MK-Formeln bzw. MK-Zeichen zugrunde gelegt:
⢠Die Formeln von MK sind âMetaformelnâ, d.h. Formeln, die gemäss ihrerInterpretation etwas Ăźber Z00 aussagen.
⢠Es werden folgende Variablen verwendet:
â eine Variable fĂźr die Formeln von Z00 (A),
â Variablen fĂźr natĂźrliche Zahlen (a,n,x,y),12
â eine Variable fĂźr rekursive einstellige zahlentheoretische Funktionen(f ),
â eine freie Variable fĂźr eine rekursive einstellige zahlentheoretischeFunktion (t).
⢠Es werden folgende Ausdrßcke mit konstanter Bedeutung verwendet:
â zwei Konstanten fĂźr GĂśdelzahlen (l,m),
â eine Konstante fĂźr eine bestimmte berechenbare, diagonale Funktion(s),
12Die Einsetzungsinstanzen dieser Variablen sind neben Zahlkonstanten freie Zahlvariablen undKennzeichnungen von Zahlen, die mittels FunktionsausdrĂźcken gebildet sind.
341
â â0â und â1â werden als Konstanten verwendet. Die Verwendung von â1âzusätzlich zu â0â˛â (= âNachfolger von 0â, d.i. 1) aus dem FormalismusZ00 ist willkĂźrlich und folgt hier dem Gebrauch von Hilbert undBernays.
â G(A) (âGâ steht fĂźr GĂśdelisierung) ist eine injektive, berechenbareFunktion in MK, die jeder Z00-FormelA ihre GĂśdelzahl n zuordnet.
â der Ausdruck âE(e, Z00)â bedeutet âe ist Entscheidungsverfahren fĂźrZ00â, wobei e eine Variable ist. ââe E(e, Z00)â bedeutet demnach,dass es ein Entscheidungsverfahren der Formeln von Z00 gibt.
⢠Variablen kÜnnen frei oder gebunden vorkommen.
⢠Es wird zugelassen, dass an die Argumentstelle von Funktionsausdrßckenwiederum Funktionsausdrßcke gesetzt werden.
⢠Terme Ď (bzw. Ď) sind Namen, Variablen, FunktionsausdrĂźcke.
⢠Alle Ausdrßcke in Z00 sind Ausdrßcke von MK (aber nicht umgekehrt) undhaben als Z00- und MK-Ausdrßcke dieselbe Bedeutung.
⢠â`Z00 Aâ ist ein einstelliges Prädikat von MK, das besagt, dass die Z00-Formel A in Z00 ableitbar ist.
⢠Zeichen in MK, die Zeichen in Z00 bezeichnen, werden durch einen hoch-gestellten Strich gekennzeichnet.
â Hierbei sei vorausgesetzt, dass alle Ziffern der Reihe â0, 0â˛, 0â˛â˛, 0â˛â˛â˛, . . . âaus MK die Zeichen derselben Gestalt in Z00 bezeichnen, wenn sieunter dem hochgestellten Strich vorkommen. Demnach bezeichnetz.B. â0â die Ziffer â0â aus Z00, die die Zahl 0 repräsentiert.
â âlâ bezeichnet die Ziffer in Z00, die die Zahl l repräsentiert, âmâ be-zeichnet die Ziffer in Z00, die die Zahl m repräsentiert.
â âtâ soll irgendein einstelliges zahlentheoretisches Funktionszeichen inZ00 bezeichnen, das die fragliche Entscheidungsfunktion t repräsen-tieren soll.
â âsâ bezeichnet ein bestimmtes einstelliges zahlentheoretisches Funkti-onszeichen in Z00, das die diagonale Funktion s repräsentiert.
â Kommen Variablen unter dem hochgestellten Strich vor, muss unter-schieden werden, ob die Variable derselben Gestalt in Z00 bezeichnet
342
wird oder ob die Einsetzungsinstanzen der Variablen bezeichnet wer-den, die zugleich Z00-Zeichen sind und in Z00 die Werte der Varia-blen repräsentieren. Dieser Unterschied sei zum Ausdruck gebracht,indem im ersten Fall zusätzlich zum hochgestellten Strich ein Punktdirekt Ăźber die Variable geschrieben wird: âaâ bezeichnet demnachdie Variable âaâ in Z00; während âaâ die Einsetzungsinstanzen derZahlvariable a bezeichnet, die zugleich Z00-Zeichen sind, also z.B.â0â, â0â˛â, â0+0â˛â, â0+aâ, âa+bâ, aber z.B. nicht â1â, âlâ, âs(0)â. Schliesslichwird es auch von Bedeutung sein, die Menge der bezeichneten Ein-setzungsinstanzen von Zahlvariablen in Z00 gegebenenfalls auf Z00-Ziffern einzuschränken. Dies wird durch den Index âz â einer Zahlva-riablen unter dem hochgestellten Strich zum Ausdruck gebracht. âkz âbezeichnet demnach nur die Zahlen repräsentierenden Z00-Ziffernâ0, 0â˛, 0â˛â˛, . . . â. âkz â bezeichnet z.B. nicht â wie k â â0Ⲡ+ 0â˛â oderâa ¡ aâ, denn es bezeichnet nicht die Repräsentanten sämtlicher mĂśg-licher Einsetzungsinstanzen der Zahlvariablen k, sondern nur die ei-
ner Teilmenge von diesen. âkz â bezeichnet auch nicht â wie k â denBuchstaben âkâ in einer Z00-Formel.
â Variablen unter dem hochgestellten Strich (und ohne hochgestelltenPunkt) werden nicht eigens gebunden. Sie kommen in der Rekon-struktion des Unentscheidbarkeitsbeweises nur in MK-Formeln derForm âvA(v,v) vor, wobei A(v,v) ein offenes Schema ist, in demdie Variable v sowohl ohne als auch mit hochgestelltem Strich vor-kommt. Formeln dieser Form sind wie Formeln der Form âvA(v)als Aussagen Ăźber die Werte der Variablen v zu interpretieren, wobeials Einsetzungsinstanzen fĂźr v nur Terme in Frage kommen, die Z00-Zeichen â im Falle von vz nur Z00-Ziffern â bezeichnen. Gemässdieser Interpretation trifft die Formel âvA(v,v) Ăźber die Werte derVariablen v die Aussage, dass sie das offene Schema A dort, wo dieVariable nicht unter dem Strich vorkommt, erfĂźllen, und es trifft Ăźberdie Werte die Aussage, dass die Repräsentanten der Werte in Z00 dasSchema A dort, wo die Variable unter dem Strich vorkommt, erfĂźllen.
⢠Der Ausdruck âA(a/kz)â bezeichnet das Resultat der Ersetzung aller Vor-kommnisse der Variable âaâ in der Z00-Formel A durch eine Ziffer aus Z00.âaâ bezeichnet hier das Zeichen âaâ in Z00, âkz â Elemente der Reihe â0, 0â˛, 0â˛â˛, . . . â.
⢠Die logischen Zeichen von MK sind die der erweiterten Prädikatenlogik:âÂŹâ, â&â, ââ¨â, âââ, âââ, âââ, âââ, â=â.
343
⢠Auf die MK-Formeln A,B,C werden folgende Schlussregeln der erweitertenPrädikatenlogik 2. Stufe mit frei vorkommenden Variablen angewendet:
AE: A ` A.
MPP: A â B, A ` B.
SMPP: A â B, A ` B bzw. A â B, B ` A.
MTT: A â B, ÂŹB ` ÂŹA.
&E: A,B ` A &B.
&B: A &B ` A bzw. A &B ` B.
RAA: Î, (A,Î ` B &ÂŹB) ` ÂŹA.
DMGâ¨: ÂŹ(A ⨠B) a` ÂŹA &ÂŹB.
âB: âvA(v) ` A(Ď).13
=B: Ď = Ď,A(Ď) ` A(Ď) bzw. Ď = Ď,A(Ď) ` A(Ď).
⢠Die letzte Regel ist zugleich eine Schlussregel von Z00. Hilbert nennt sie dieâErsetzungsregelâ. Wenn sie auf ableitbare Z00-Formeln angewendet wird,sei dies durch â=BZ00â gekennzeichnet.
⢠âB sei in MK auch auf Formeln der Form âAv(v,v) angewendet. Da dieEinsetzungsinstanzen der Variablen unter dem hochgestellten Strich Z00-Zeichen bezeichnen, ist folgende Restriktion zu beachten:
RESTRIKTION âB IN MK: Kommt die durch den Allquantor gebundeneVariable unter dem hochgestellten Strich vor, dann darf sie bei derAnwendung von âB nur durch solche Terme ersetzt werden, die unterdem hochgestellten Strich die Z00-Zeichen bezeichnen, die in Z00
den Wert des Terms repräsentieren.
Ersetzt man z.B. die durch den Allquantor gebundene Zahlvariable âyâ durchden Term â0â, ist in der entsprechenden MK-Formel âyâ durch â0â zu er-setzen, d.i. das Zeichen des Zeichens â0â in Z00, das die Zahl 0 bedeutet;ersetzt man die Variable âxâ durch âmâ, dann ist âxâ in der entsprechendenMK-Formel durch âmâ zu ersetzen, d.i. das Zeichen des Zeichens der Zahlm in Z00; ersetzt man die Variable âkâ durch âlâ, dann ist âkz â in der ent-sprechenden MK-Formel durch âlâ zu ersetzen, d.i. das Zeichen der Zifferin Z00, die die Zahl l repräsentiert.
13Restriktion: In A(v) werden alle Vorkommnisse von v durch Ď ersetzt. In MK kommt nocheine weitere Restriktion hinzu: Siehe hierzu die AusfĂźhrungen unten im Text auf S. 343.
344
⢠Als Klammerregeln gelten: Aussenklammern werden eliminiert; ââ¨â und â&âbinden stärker als âââ und âââ; bei gleich starker Bindung sind die Formelnvon links nach rechts zu verklammern. Klammern zur Kennzeichnung vonWirkungsbereichen der Quantoren werden nur verwendet, wenn in diesenlogische Junktoren vorkommen.
Die Interpretation der einzelnen Zeichen sowie die Ableitungsregeln von MKhaben den Zweck, die Argumentation von Hilbert und Bernays im Folgenden Satzfßr Satz zu rekonstruieren und in einem Ableitungsschema zusammenzufassen.Dieses Ableitungsschema steckt den Rahmen einer mÜglichen Kritik ab, indemes nicht nur die Annahmen und die aus diesen gezogenen Schlussfolgerungen desBeweises, sondern auch die dem Beweis zu Grunde liegende Syntax der Annah-men und der Schlussfolgerungen identifiziert. Es wird hierbei nicht vorausgesetzt,dass die Anwendung der Regeln der erweiterten Prädikatenlogik 2. Stufe auf dieFormeln von MK korrekt oder vollständig ist; es wird nur vorausgesetzt, dass dieArgumentation von Hilbert und Bernays sich mit diesen Mitteln adäquat rekon-struieren lässt. Ihre Argumentation setzt die Korrektheit der Schlßsse und damitder Anwendungen der ihnen zugrunde liegenden Schlussregeln voraus. Die hiergegebene Rekonstruktion ist Ausdruck einer Interpretation, die den Ansprucherhebt, exakt und adäquat zu sein, indem sie implizite Voraussetzungen explizitmacht.
2.2.2 REKONSTRUKTION DER ANNAHMEN
Alle Zitate der folgenden Rekonstruktion des Unentscheidbarkeitsbeweises vonZ00 entsprechen in ihrer Reihenfolge den AusfĂźhrungen auf S. 443f. der Grundla-gen der Mathematik II (siehe Abbildung 12.1 aus S. 345).
Hilbert und Bernays unterscheiden in ihrem umgangssprachlichen Beweis-gang nicht explizit zwischen der Verwendung von Ausdrßcken in ihrer eigentli-chen Bedeutung und ihrer Verwendung zum Zweck der Bezeichnung von Z00-Formeln, und sie legen nicht fest, wie auf Z00-Formeln Bezug genommen wird.In den Formalisierungen soll in der folgenden Rekonstruktion unter Voraussetzungder gegebenen Interpretation der MK-Zeichen der Unterschied zwischen der Be-zeichnung von Z00-Formeln und dem Treffen von Aussagen ßber diese explizitund damit der fßr die Beweisfßhrung relevante Gehalt unmissverständlich zumAusdruck gebracht werden. In den umgangssprachlichen Erläuterungen der Formali-sierung wird wie bei Hilbert und Bernays auf die Verwendung einfacher Anfßh-rungszeichen bei der Anfßhrung von Formeln und Formelbestandteilen sowieauf die explizite Kennzeichnung, ob auf Z00-Formeln oder auf MK-Formeln, diekeine Z00-Formeln sind, Bezug genommen wird, verzichtet. Die Formeln sind
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durch Kursivdruck als Formeln gekennzeichnet. Werden in den umgangssprach-lichen Erläuterungen MK-Formeln verwendet, machen die angefßhrten Formelnsowie der Kontext ihrer Verwendung jeweils deutlich, ob es sich um die Anfßh-rung von Z00-Formeln oder von MK-Formeln, die keine Z00-Formeln sind, oderum die Verwendung von MK-Formeln zum Zweck der Bezugnahme auf Z00-Formeln, welche die entsprechenden MK-Formeln repräsentieren, handelt. Eswerden demnach im Text, anders als innerhalb der MK-Formeln, Z00-Formelnnicht mittels des hochgestellten Striches bezeichnet.
Hilbert und Bernays beginnen ihren Beweis der Unentscheidbarkeit des For-malismus Z00 mit der Angabe der Entscheidungsfunktion t(n) fĂźr Z00:
Eine regelrecht auswertbare Entscheidungsfunktion fĂźr (Z00) mĂźsstesich in (Z00) durch einen Term t(n) darstellen.
Dieser Satz beruht auf der Definition der Entscheidungsfunktion t(n) fĂźreinen Formalismus F als eine âeinstellige zahlentheoretische Funktion, die mitBezug auf einen deduktiven Formalismus F und eine GĂśdelisierung fĂźr die Aus-drĂźcke von F die Eigenschaft besitzt, dass ihr Wert fĂźr eine Zahl, welche dieGĂśdelzahl einer ableitbaren Formel aus F ist, gleich 0 und fĂźr jede andere Zahlgleich 1 istâ.14 t(n) ist eine rekursive einstellige zahlentheoretische Funktion, diein Z00 auswertbar ist. n ist eine Variable fĂźr Zahlen. Gemäss der Interpretati-on der Funktion t(n) als Entscheidungsfunktion ordnet diese allen Zahlen denWert 0 oder 1 zu und sie ordnet den Wert 0 den und nur den Zahlen zu, dieGĂśdelzahlen ableitbarer Z00-Formeln sind. Diese Interpretation beruht auf derAnwendung der Church-These auf die Entscheidbarkeit der Ableitbarkeit vonZ00-Formeln (Zeile 1)15:
14Hilbert (1970), S. 432.15Es wird hiermit auf die Zeilen des Ableitungsschemas auf S. 357 Bezug genommen.
347
Church-These: Es gibt ein Entscheidungsverfahren fĂźr die Ableitbarkeitder Z00-Formeln gdw. fĂźr alle Zahlen und fĂźr alle Z00-FormelnAgilt: Der Wert von t(n) ist 0 oder 1 und der WErte von t(n) ist 0gdw. n die GĂśdelzahl einer Formel A und A ableitbar ist:
âe E(e, Z00) âânâA ((t(n) = 0 ⨠t(n) = 1) & (t(n) = 0 â n = G(A)& `Z00 A))
De facto muss fĂźr den Unentscheidbarkeitsbeweis nicht die Ăquivalenz,sondern nur die Implikation vorausgesetzt werden:
âe E(e, Z00) âânâA ((t(n) = 0 ⨠t(n) = 1) & (t(n) = 0 â n = G(A)& `Z00 A))
Die Church-These nennt ein Kriterium, anhand dessen bemessen wird, ob esein Entscheidungsverfahren gibt.
Dass die von Hilbert und Bernays angenommene Entscheidungsfunktion t(n)in Z00 auswertbar ist, beruht auf der allgemeinen Annahme der Auswertbarkeit rekur-siver zahlentheoretischer Funktionen in Z00 (Zeile 2):
Auswertbarkeitsannahme: FĂźr alle rekursiven zahlentheoretischenFunktionen f , fĂźr alle natĂźrlichen Zahlen x, fĂźr alle natĂźrlichenZahlen y gilt: f(x) = y gdw. `Z00 f(x) = y:
âfâxây(f(x) = y â`Z00 f(x) = y )
De facto wird fĂźr den Beweis nur die folgende Implikation voraus-gesetzt:
âfâxây(f(x) = y â`Z00 f(x) = y )
Die Auswertbarkeitsannahme ist eine von Hilbert und Bernays bewiesene An-nahme.16
16Vgl. Hilbert (1970), S. 428, Punkt 3.
348
Aus dieser Annahme folgen die dem Beweis zugrunde liegenden Annahmen,dass die beiden Formeln t(m) = 0 und t(m) = 1 in Z00 auswertbar sind. Hier-fĂźr mĂźssen die Allquantoren in der Auswertbarkeitsannahme mittels âB beseitigtwerden: Die gebundenen Variablen f und x sind in all ihren Vorkommnissenâ sei es unter dem horizontalen Strich oder nicht â durch t und m zu ersetzen(Zeilen 22 und 23). Da diese unter dem horizontalen Strich die Z00-Zeichenbezeichnen, die die Entscheidungsfunktion t bzw. die Zahl m repräsentieren, istdie Restriktion von âB erfĂźllt. Die gebundene Variable y ist â ebenfalls durchAnwendung von âB â durch 0 bzw. 0Ⲡin all ihren Vorkommnissen zu ersetzen(Zeilen 24 und 25). Um zur Formel t(m) = 1 â`Z00 t(m) = 0Ⲡzu gelangen,ist die Definition 0Ⲡ= 1 (Zeile 3) einzufĂźhren, so dass man mittels =B zu dergewĂźnschten Schlussfolgerung gelangt (Zeile 26).
Fßr den Beweis sind zusätzlich die Annahme der nummerischen Widerspruchs-freiheit von MK sowie die Annahme der nummerischen Widerspruchsfreiheit vonZ00 vorausgesetzt (Zeilen 4 und 5):
Numerische Widerspruchsfreiheit (MK): 0 ist nicht identisch mit 1:
ÂŹ 0 = 1
Numerische Widerspruchsfreiheit (Z00): In Z00 ist nicht ableitbar,dass 0 identisch mit seinem Nachfolger ist:
ÂŹ `Z00 0 = 0â˛
Die nummerische Widerspruchsfreiheit von Z00 ist eine von Hilbert undBernays bewiesene Annahme.17
Auch wenn an Stelle des Terms 1 durchgehend der Term 0Ⲡverwendet werdenwßrde, wären die beiden Widerspruchfreiheitsannahmen zu unterscheiden, denndie eine besagt, dass 0 nicht identisch mit 1 ist, die andere, dass Z00 nummerischwiderspruchsfrei ist. Es kÜnnte durchaus sein, dass zwar Z00 nummerisch wider-spruchsfrei ist, nicht aber MK. Beide Annahmen sind Annahmen in MK und nichtin Z00.
Hilbert und Bernays fahren fort:
17Vgl. ebenda, S. 428, Punkt 1.
349
Die rekursive Funktion st(k,p,8 ¡ 3k), worin p die GÜdelzahl der Va-riablen a sei, stellt sich in (Z00) durch einen Term s(k) dar.
Mittels der rekursiven Funktion st(k,p,8 ¡ 3k) arithmetisieren Hilbert undBernays die Anwendung der Einsetzungsregel in Z00.18 Der Wert von st ist dieGÜdelzahl der Formel, die man erhält, wenn man in einer Formel mit der GÜdel-zahl k, eine in ihr vorkommende Variable, deren GÜdelzahl die Primzahl p ist, anall ihren Vorkommnissen durch den Ausdruck mit der GÜdelzahl 8 ¡ 3k ersetzt.In 8 ¡ 3k steht die 8 gemäss der GÜdelisierung des Formalismus Z00
19 fĂźr die0, die Multiplikation mit 3 fĂźr den ersten Nachfolger von 0 und die Multiplika-tion mit 3k fĂźr den k-ten Nachfolger von 0. 8 ¡ 3k ist demnach nichts anderesals die GĂśdelzahl der Ziffer, die in Z00 die Zahl k repräsentiert. Die Funktionst(k,p,8 ¡ 3k) ordnet der GĂśdelzahl k die GĂśdelzahl der Z00-Formel zu, dieentsteht, wenn man eine Individuenvariable der Z00-Formel mit der GĂśdelzahlp an all ihren Vorkommnissen durch die Z00-Ziffer von k ersetzt. Es sei z.B. k dieGĂśdelzahl der Formel 0 + a = 0Ⲡund die Primzahl p die GĂśdelzahl der in dieserFormel einmal vorkommenden Variablen a. Dann ist der Wert von st(k,p,8 ¡ 3k)die GĂśdelzahl der Formel, die entsteht, wenn man die Variable a in 0 + a = 0â˛
durch den Z00-Ausdruck mit der GÜdelzahl 8 ¡ 3k, d.i. die Z00-Ziffer der Zahl kersetzt. In diesem Beispiel ist die Ersetzung nicht ableitbar, denn die GÜdelzahlk der Formel 0 + a = 0Ⲡist gemäss der GÜdelisierung des Formalismus Z00
10¡75¡118 ¡113¡8. Diese Zahl ergibt zu 0 addiert nicht den Nachfolger von 0 (d.i. 1):Setzt man die sie repräsentierende Z00-Ziffer an die Stelle von a, erhält man linksdes Gleichheitszeichens einen Ausdruck, der den 10 ¡75¡118 ¡113¡8ten Nachfolgervon 0 repräsentiert, während rechts des Gleichheitszeichens der erste Nachfolgervon 0 dargestellt wird. Da Z00 nummerisch widerspruchsfrei ist, ist eine derartigeGleichung nicht ableitbar. Eine entsprechende Entscheidungsfunktion t mßsstealso dem Wert der Funktion st(k,p,8 ¡ 3k) fßr k = 10 ¡ 75¡118 ¡ 113¡8 den Wert 1zuordnen.
Da es sich bei der Funktion st um die Zuordnung von GÜdelzahlen handelt,kann man die Funktion st(k,p,8 ¡ 3k) in Z00 unter der Voraussetzung, dass pdie GÜdelzahl der Variablen a sei, auch kurz durch den einstelligen zahlentheo-retischen Funktionsausdruck s(k) darstellen. Hilbert und Bernays erläutern inihrem folgenden Satz die Funktion s(k) unter Voraussetzung der Definition derFunktion st:
18Vgl. ebenda, S. 235ff. und S. 423.19Vgl. ebenda, S. 421.
350
Wenn k die Nummer eines Ausdrucks A aus (Z00) ist, so ist der Wertvon s(k) die Nummer desjenigen Ausdrucks, der ausA entsteht, indem dieVariable a, wo sie in A vorkommt, durch die Ziffer k ersetzt wird.
Es ist hierbei zu berĂźcksichtigen, dass mit âdie Ziffer kâ eine Z00-Ziffergemeint ist, denn nur diese (und nicht die Ziffern der Reihe â1,2,3, . . . â) kĂśnnenin Z00-Formeln verwendet werden. Der Wert von s(k) ist die GĂśdelzahl der Z00-Formel, die man erhält, wenn man in der Z00-Formel mit der GĂśdelzahl k dieIndividuenvariable a an all ihren Vorkommnissen durch die Z00-Ziffer ersetzt,die die GĂśdelzahl k in Z00 repräsentiert.
Die Ersetzung der Individuenvariablen a in Z00-Formeln muss auf Zifferneingeschränkt werden, da ansonsten s keine Funktion â keine eindeutige Zuordnungvon Argumenten zu Werten â wäre. Die Zuordnung von GĂśdelzahlen hängt alleinab von der Gestalt der Formeln und nicht von ihrer etwaigen Bedeutung, dieeine Interpretation ihnen verleiht: Bedeutungsgleiche Formeln unterschiedlicherGestalt haben unterschiedliche GĂśdelzahlen. WĂźrde man auch andere Repräsen-tanten von GĂśdelzahlen zulassen â z.B. Kennzeichnungen mittels Funktionsaus-drĂźcken â dann erhielte man in Abhängigkeit davon, durch welchen Repräsen-tanten einer GĂśdelzahl man den Buchstaben a ersetzt, Formeln unterschiedlicherGestalt, wenn auch gleicher Bedeutung. Da nur die Gestalt fĂźr die GĂśdelisierungder resultierenden Formel bedeutsam ist, erhielte man fĂźr unterschiedliche Sub-stituierungen der Variable a unterschiedliche Werte der Funktion s. Z00-Ziffern(d.i. â0, 0â˛, 0â˛â˛, . . .â˛) sind demgegenĂźber eineindeutig Zahlen zugeordnet, so dassdie Ersetzung des Buchstabens a durch eine Z00-Ziffer, die eine GĂśdelzahl reprä-sentiert, eindeutig ist.
Als Definition der Werte der Funktion s(k) lässt sich festhalten (Zeile 6):
Definition s(k): Fßr alle Zahlen k und alle Formeln A gilt: Wenn k dieGÜdelzahl einer FormelA ist, dann ist der Wert der Funktion s(k)gleich der GÜdelzahl der Formel, die man erhält, wenn man inA(a) alle Vorkommnisse der Variablen a durch die Z00-Ziffer, diedie Zahl k repräsentiert, ersetzt:
âkâA (k = G(A) â s(k) = G(A(a/kz )))
351
Die Definition von s(k) setzt Diagonalisierungen voraus20: Unter einer Diago-nalisierung versteht man die Ausdrßcke, die man erhält, wenn man an die Stelleeiner freien Variablen eines Ausdruckes die Ziffer seiner GÜdelzahl setzt. Wennz.B. die Zahl 1 die GÜdelzahl der Z00-Formel 0+a = 0Ⲡwäre, dann wäre 0+0Ⲡ=0Ⲡdie Diagonalisierung dieser Formel. Die Funktion s(k) ist eine sogenanntediagonale Funktion. Eine diagonale Funktion ist eine Funktion, die GÜdelzahlenvon Ausdrßcken die GÜdelzahlen der Diagonalisierungen der Ausdrßcke zuord-net. Die diagonale Funktion s ist wie die vorausgesetzte GÜdelisierung der Z00-Formeln eine rekursive Funktion und lässt sich in Z00 darstellen.
Die Voraussetzung von Diagonalisierungen und die Verwendung diagonalerFunktionen ist ein typisches Merkmal von Unentscheidbarkeits- und Unvollstän-digkeitsbeweisen. Sie werden verwendet, um selbstreferentielle Formeln zu konstru-ieren. Selbstreferentielle Formeln seien Formeln genannt, die gemäss ihren Inter-pretationen etwas ßber sich selbst aussagen. Unter Voraussetzung von GÜdelisie-rungen und der Interpretation der Funktion t als Entscheidungsfunktion ist eineFormel A, die t enthält, selbstreferentiell, wenn die Argumentstelle der Funktiont die GÜdelzahl der Formel A bezeichnet.
Hilbert und Bernays rekurrieren im Folgenden auf die diagonale Funktions(k), um eine derartige selbstreferentielle Formel zu konstruieren. HierfĂźr fĂźh-ren sie zwei Definitionen von GĂśdelzahlen ein: Die erste ordnet einer FormelA(a) (nämlich der die Formel t(s(a)) = 0Ⲡrepräsentierenden Z00-Formel) dieGĂśdelzahl l zu, die zweite ordnet der Diagonalisierung dieser Formel (d.i. der dieFormel t(s(l)) = 0Ⲡrepräsentierenden Z00-Formel) die GĂśdelzahl m zu. UnterVoraussetzung der Definition von s(k) gilt dann, dass s(l) = m. Unter dieserVoraussetzung ist die diagonalisierte Formel (d.i. die die Formel t(s(l)) = 0â˛
repräsentierende Z00-Formel) eine selbstreferentielle Formel:21
l sei die Nummer der Formel
t(s(a)) = 0â˛
20Zu den hier verwendeten Termini diagonale Funktion und Diagonalisierung vgl. Smullyan (1994),S. 50.
21FĂźr das adäquate Verständnis des Zitates muss man beachten, dass in den von Hilbert undBernays genannten Formeln t(s(a)) = 0Ⲡund t(s(l)) = 0Ⲡsowie der in Z00 ableitbaren Formels(l) = m t und s nicht die Buchstaben âtâ und âsâ bezeichnen, sondern die die Entscheidungsfunk-tion t und die diagonale Funktion s in Z00 repräsentierenden zahlentheoretischen Funktionsaus-drĂźcke, und l nicht den Buchstaben âlâ, sondern die Z00-Ziffer, die die Zahl l repräsentiert, undentsprechend m nicht den Buchstaben âmâ, sondern die Z00-Ziffer, die die Zahl m repräsentiert.a und 0Ⲡbezeichnen demgegenĂźber die gleichgestaltigen Z00-Zeichen. Dies wird durch die hiergegebenen Formalisierungen unter Voraussetzung der Erläuterung der MK-Zeichen zum Ausdruckgebracht.
352
und m die Nummer der Formel
t(s(l)) = 0â˛;
dann hat s(l) den Wert m, und die Gleichung s(l) = m ist in (Z00)ableitbar.
Zunächst werden zwei Definitionen fßr die GÜdelzahlen l und m eingefßhrt (Zei-len 7 und 8):
Definition l: l = GÜdelzahl der die Formel t(s(a)) = 0Ⲡin Z00 reprä-sentierenden Formel:
l = G(t(s(a)) = 0Ⲡ)
Definition m: m = GÜdelzahl der die Formel t(s(l)) = 0Ⲡin Z00
repräsentierenden Formel:
m = G(t(s(l)) = 0Ⲡ)
Die Definitionen sind nicht Formeln des Formalismus Z00, da die GĂśdelisie-rungsfunktion G keine zahlentheoretische Funktion ist, sondern eine Funktion,die Formeln Zahlen zuordnet.
Um die Gleichung s(l) = m aus den genannten Definitionen abzuleiten, istdie Definition von s(k) anzuwenden, indem die Definition von l bei der Sub-stitution fĂźr k und A verwendet wird. l bezeichnet eine bestimmte GĂśdelzahl, lbezeichnet dementsprechend die Ziffer in Z00, die die GĂśdelzahl l in Z00 reprä-sentiert. Man erhält durch zweimalige Anwendung von âB auf die Definition vons(k) (Zeilen 9 und 10):22
l = G(t(s(a)) = 0Ⲡ) â s(l) = G(t(s(l)) = 0Ⲡ)
Hieraus und aus der Definition von l kann man mittels MPP auf das Konse-quenz schliessen (Zeile 11):
22DaA(a/kz) das Resultat der Ersetzung aller Vorkommnisse der Variablen a inA durch die kin Z00 repräsentierende Ziffer bezeichnet, und k durch l substituiert wird, ist l, d.i. die in Z00 dieZahl l repräsentierende Ziffer, fßr a in t(s(a)) = 0Ⲡeinzusetzen.
353
s(l) = G(t(s(l)) = 0Ⲡ)
Aus dieser Formel sowie der Definition von m lässt sich mittels der Erset-zungsregel die Formel s(l) = m ableiten (Zeile 12). Der Wert von s(l) ist m,denn m wurde der Formel als GĂśdelzahl zugeordnet, der auch s(l) gemäss derDefinition von s(k) und l zugeordnet ist. Die Formel s(l) = m setzt den Werteiner rekursiven einstelligen zahlentheoretischen Funktion mit einer GĂśdelzahleiner Z00-Formel gleich. Um darauf zu schliessen, dass die entsprechende Formelauch in Z00 ableitbar ist, wie Hilbert und Bernays sagen, muss auf die Auswert-barkeitsannahme zurĂźckgegriffen werden, nach der alle rekursiven einstelligenzahlentheoretischen Funktionen in Z00 auswertbar sind. Durch Anwendungenvon âB (Zeilen 13-15) und MPP (Zeile 16) erhält man das gewĂźnschte Resultat:
`Z00 : s(l) = m
Demnach sind die die Formeln t(s(l)) = 0Ⲡund t(m) = 0Ⲡrepräsen-tierenden Z00-Formeln äquivalent und mittels = BZ00 in Z00 auseinander ab-leitbar. Da das Zeichen âmâ gemäss der Definition von m die GĂśdelzahl derdie Formel t(s(l)) = 0Ⲡrepräsentierenden Z00-Formel ist, ist die die Formelt(s(l)) = 0Ⲡrepräsentierende Z00-Formel gemäss ihrer Interpretation in MKselbstreferentiell: Sie sagt gemäss ihrer Interpretation Ăźber sich selbst aus, dass sienicht ableitbar ist. Der Rest des Beweises zeigt, dass eben dies unentscheidbar ist,indem gezeigt wird, dass sowohl die Annahme t(m) = 0 als auch t(m) = 1 unterden genannten Annahmen zu einem nummerischen Widerspruch fĂźhrt.
2.2.3 REDUCTIO AD ABSURDUM
Mit den genannten Annahmen sowie der Ableitung der Gleichung`Z00 : s(l) = msind alle Vorbereitungen getroffen, um die hypothetische Annahme, t sei eineEntscheidungsfunktion, ad absurdum zu fĂźhren. Der Rest der AusfĂźhrungen Hil-berts und Bernaysâ zum Unentscheidbarkeitsbeweis stellt die DurchfĂźhrung derreductio ad absurdum unter Voraussetzung der eingefĂźhrten Annahmen dar. Diereductio zeigt, dass fĂźr den Fall t(m) die hypothetische Annahme, t sei eine Ent-scheidungsfunktion, einen Widerspruch impliziert:
Betrachten wir nun den Wert von t(m). Nach unserer Annahme, dasst(n) eine Entscheidungsfunktion fĂźr (Z00) ist, mĂźsste dieser Wert gleich 0oder 1 sein, je nachdem die Formel mit der Nummer m, d.h. die Formel
t(s(l)) = 0â˛
354
in (Z00) ableitbar ist oder nicht. Es kann jedoch keiner der beiden Fällevorliegen.
Hilbert und Bernays rekurrieren hier auf die Interpretation von t(n) als Entschei-dungsfunktion, wie es die Church-These voraussetzt (vgl. S. 347). Die reductiofĂźhrt die Annahme des Konsequenz der Church-These ad absurdum: Demnachgeht sie aus von der Hilfsannahme (Zeile 17):
ânâA ((t(n) = 0 ⨠t(n) = 1) & (t(n) = 0 â n = G(A) & `Z00 A))
Aus dieser folgt nach zweimaliger Anwendung der Allquantorbeseitigungsre-gel und der Konjunktorbeseitigung einerseits t(m) = 0 ⨠t(m) = 1 (Zeilen 18bis 20) und andererseits t(m) = 0 â G(t(s(l)) = 0â˛) & `Z00 t(s(l)) = 0â˛
(Zeile 21). Unter dieser Voraussetzung sowie der aus der Auswertbarkeitsannah-me folgenden Formeln t(m) = 0 â`Z00 t(m) = 0 (Zeile 25) und t(m) =1 â`Z00 t(m) = 0Ⲡ(Zeile 26, vgl. die AusfĂźhrungen auf S. 347) kann schlies-slich bewiesen werden, dass t(m) weder den Wert 0 noch den Wert 1 haben kann.
Hilbert und Bernays beginnen mit dem Aufweis eines Widerspruches unterder Annahme t(m) = 0:
Nämlich, wenn t(m) den Wert 0 hätte, so mßsste einerseits, weil ja dieFunktion t(n) in (Z00) auswertbar ist, die Gleichung
t(m) = 0
in (Z00) ableitbar sein, andererseits, da t(n) eine EntscheidungsfunktionfĂźr (Z00) ist, die Formel
t(s(l)) = 0â˛
und daher auch die Formel
t(m) = 0â˛
in (Z00) ableitbar sein. Dann aber wäre die Gleichung 0 = 0Ⲡableitbar,während doch dieser Formalismus nummerisch widerspruchsfrei ist.
Aus der hypothetischen Annahme t(m) = 0 (Zeile 27) folgt auf Grundder Auswertbarkeitsannahme unter Anwendung von MPP, dass t(m) = 0 in Z00
ableitbar ist (d.i. `Z00 t(m) = 0, Zeile 28). Andererseits folgt aus der hypo-thetischen Annahme t(m) = 0 auf Grund der hypothetischen Annahme, dasst eine Entscheidungsfunktion ist, dass t(s(l)) = 0Ⲡin Z00 ableitbar ist (d.i.
355
`Z00 t(s(l)) = 0â˛, Zeilen 29 und 30). Hieraus lässt sich mittels =BZ00 als ei-ner Ableitungsregel in Z00 unter Bezugnahme auf die schon abgeleitete Formel`Z00 s(l) = m auf `Z00 t(m) = 0Ⲡschliessen (Zeile 31). Damit ist unter dengemachten Voraussetzungen aus der hypothetischen MK-Annahme t(m) = 0sowohl `Z00 t(m) = 0 als auch `Z00 t(m) = 0Ⲡableitbar. Dies fĂźhrt unterAnwendung von =BZ00 zu `Z00 0 = 0Ⲡ(Zeile 32), was der nummerischen Wi-derspruchfreiheitsannahme von Z00 widerspricht (Zeile 33), so dass man mittelsRAA auf die Negation der hypothetischen Annahme t(m) = 0 schliessen kann(Zeile 34):
ÂŹt(m) = 0
Anschliessend fĂźhren Hilbert und Bernays die alternative Annahme, dass dieEntscheidungsfunktion t der GĂśdelzahl m den Wert 1 zuordnet, hypothetischein, und leiten hieraus ebenfalls einen Widerspruch ab:
Wenn aber t(m) den Wert 1 hätte, so mßsste wegen der Auswertbarkeitvon t(n) in (Z00) die Gleichung
t(m) = 0â˛
in (Z00) ableitbar sein, und mit Hilfe von dieser auch die Formel
t(s(l)) = 0â˛;
dann aber mßsste, gemäss der Eigenschaft der Funktion t(n) als Entschei-dungsfunktion fßr (Z00), t(m) den Wert 0 haben, was der gemachten An-nahme widerstreitet.
FĂźhrt man t(m) = 1 als hypothetische Annahme ein (Zeile 35), folgt hierausauf Grund der Auswertbarkeitsannahme mittels MPP die Formel `Z00 t(m) = 0â˛
(Zeile 36). Die Anwendung von =BZ00 fßhrt unter erneuter Voraussetzung derabgeleiteten Formel `Z00 m = s(l) zur Ableitung von `Z00 t(s(l)) = 0Ⲡ(Zeile37). Hieraus und aus der hpyothetischen Annahme, dass t eine Entscheidungs-funktion ist, folgt, dass t(m) = 0 (Zeilen 38 und 39). Demnach ist aus t(m) = 1unter den vorausgesetzten Annahmen t(m) = 0 ableitbar, was zu einem num-merischen Widerspruch fßhrt (Zeile 40) und der nummerischen Widerspruch-freiheitsannahme von MK widerspricht (Zeile 41), so dass schliesslich mittelsRAA auch auf die Negation der hypothetischen Annahme t(m) = 1 geschlossenwerden kann (Zeile 42):
ÂŹt(m) = 1
356
Hilbert und Bernays beenden hiermit ihre Argumentation. Um das Beweiszielzu erreichen, d.i. den Schluss darauf, dass es fßr den Formalismus Z00 kein Ent-scheidungsverfahren gibt, ist zunächst unter erneuter Anwendung der reductio adabsurdum-Regel (RAA) darauf zu schliessen, dass die Interpretation der Funktion tals Entscheidungsfunktion zu einem Widerspruch fßhrt, da dies voraussetzt, dassdie Funktion allen Argumenten entweder den Wert 0 oder den Wert 1 zuordnet,dies aber, wie gezeigt, fßr die GÜdelzahl m nicht mÜglich ist (Zeile 43 bis 45). DieAnnahme, t sei eine Entscheidungsfunktion ist also zu negieren (Zeile 46):
ÂŹânâA ((t(n) = 0 ⨠t(n) = 1) & (n = G(A) â t(n) = 0 â`Z00 A))
Hieraus gelangt man unter Voraussetzung der Church-These unter Anwen-dung von MTT schliesslich zum Beweisziel (Zeile 47):
ÂŹâe E(e, Z00)
2.2.4 ABLEITUNGSSCHEMA
Formalisiert lautet der vollständige Beweis:
357
Annahme Zeile Formel Regel
1 (1) âe E(e, Z00) â ânâA ((t(n) = 0 ⨠t(n) = 1)&(t(n) = 0 â n = G(A)& `Z00 A))
AE
2 (2) âfâxây (f(x) = y â`Z00 f(x) = y ) AE
3 (3) 0Ⲡ= 1 AE
4 (4) ÂŹ 1 = 0 AE
5 (5)  `Z00 0 = 0ⲠAE
6 (6) âkâA (k = G(A) â s(k) = G(A(a/kz ))) AE
7 (7) l = G(t(s(a)) = 0Ⲡ) AE
8 (8) m = G(t(s(l)) = 0Ⲡ) AE
6 (9) âA (l = G(A) â s(l) = G(A(a/ l ))) 6 âB
6 (10) l = G(t(s(a)) = 0Ⲡ) â s(l) = G(t(s(l)) = 0Ⲡ) 9 âB
6,7 (11) s(l) = G(t(s(l)) = 0Ⲡ) 10,7 MPP
6,7,8 (12) s(l) = m 8,11 =B
2 (13) âxây (s(x) = y â`Z00 s(x) = y ) 2 âB
2 (14) ây (s(l) = y â`Z00 s(l) = y ) 13 âB
2 (15) s(l) = m â`Z00 s(l) = m 14 âB
2,6,7,8 (16) `Z00 s(l) = m 15,12 MPP
17* (17) ânâA ((t(n) = 0 ⨠t(n) = 1)& (t(n) = 0 ân = G(A)& `Z00 A))
AE
17* (18) âA ((t(m) = 0 ⨠t(m) = 1)& (t(m) = 0 âm = G(A)& `Z00 A))
17 âB
17* (19) t(m) = 0 ⨠t(m) = 1)& (t(m) = 0 âm = G(t(s(l)) = 0â˛)& `Z00 t(s(l)) = 0â˛)
18 âB
17* (20) t(m) = 0 ⨠t(m) = 1 19 &B
17* (21) t(m) = 0 â m = G(t(s(l)) = 0Ⲡ& `Z00 t(s(l)) = 0Ⲡ19 &B
2 (22) âxây (t(x) = y â`Z00 t(x) = y ) 2 âB
2 (23) ây (t(m) = y â `Z00 t(m) = y ) 22 âB
2 (24) t(m) = 0 â `Z00 t(m) = 0 23 âB
2 (25) t(m) = 0Ⲡâ `Z00 t(m) = 0Ⲡ23 âB
2,3 (26) t(m) = 1 â `Z00 t(m) = 0Ⲡ3,25 =B
358
Annahme Zeile Formel Regel
27* (27) t(m) = 0 AE
2,27* (28) `Z00 t(m) = 0 24,27 MPP
8,17*,27* (29) m = G(t(s(l)) = 0Ⲡ& `Z00 t(s(l)) = 0Ⲡ21,27 sMPP
8,17*,27* (30) `Z00 t(s(l)) = 0Ⲡ29 &B
2,6,7,8,17*,27* (31) `Z00 t(m) = 0Ⲡ16,30 =BZ00
2,6,7,8,17*,27* (32) `Z00 0 = 0Ⲡ28,31 =BZ00
2,5,6,7,8,17*,27* (33) `Z00 0 = 0Ⲡ& `Z00 0 = 0Ⲡ32,5 &E
2,5,6,7,8,17* (34) ÂŹt(m) = 0 27,33 RAA
35* (35) t(m) = 1 AE
2,3,35* (36) `Z00 t(m) = 0Ⲡ26,35 MPP
2,3,6,7,8,35* (37) `Z00 t(s(l)) = 0Ⲡ16,36 =BZ00
2,3,6,7,8,35* (38) m = G(t(s(l)) = 0Ⲡ& `Z00 t(s(l)) = 0Ⲡ8,37 &E
2,3,6,7,8,17*,35* (39) t(m) = 0 21,38 sMPP
2,3,6,7,8,17*,35* (40) 1 = 0 35,39=B
2,3,4,6,7,8,17*,35* (41) 1 = 0 &ÂŹ1 = 0 40,4 &E
2,3,4,6,7,8,17* (42) ÂŹt(m) = 1 35,41 RAA
2,3,4,5,6,7,8,17* (43) ÂŹt(m) = 0&ÂŹt(m) = 1 34,42 &E
2,3,4,5,6,7,8,17* (44) ÂŹ(t(m) = 0 ⨠t(m) = 1) 43 DMGâ¨
2,3,4,5,6,7,8,17* (45) (t(m) = 0 ⨠t(m) = 1)&(t(m) = 0 ⨠t(m) = 1) 20,44 &E
2,3,4,5,6,7,8 (46) ÂŹânâA ((t(n) = 0 ⨠t(n) = 1)& (t(n) = 0 ân = G(A)& `Z00 A))
17,45 RAA
1,2,3,4,5,6,7,8 (47) ÂŹâe E(e, Z00) 1,46 MTT
3 WITTGENSTEINS KRITIK DER METASPRACHE
Wer den Unentscheidbarkeitsbeweis akzeptiert, wird die Aufgabe, Entscheidungs-verfahren fßr die Arithmetik oder Prädikatenlogik auszuarbeiten, fßr mßssig hal-ten. In diesem Abschnitt soll dafßr argumentiert werden, dass diese Konsequenznicht zwingend ist. Eine naheliegende MÜglichkeit der Kritik des Unentscheidbar-keitsbeweises besteht darin, die Annahmen des Beweises in Frage zu stellen. Essind insbesondere die Church-These und die Definition von Diagonalfunktionen,die in Frage gestellt wurden.23 Diese Einwände sind jedoch nicht hinreichend,
23Die Church-These hat z.B. KalmĂĄr (1959) kritisiert, die Definition von Diagonalfunktionenz.B. Gumanski (1985).
359
um den Unentscheidbarkeitsbeweis in Frage zu stellen. Churchs These wird nurfĂźr den letzten Ableitungsschritt in Zeile 47 benĂśtigt. Verzichtet man auf diesenAbleitungsschritt, dann erhält man als Konklusion, dass es keine Funktion t inZ00 gibt, die der GĂśdelzahl eines Ausdruckes A den Wert 0 zuordnet gdw. Aableitbar ist (Zeile 46). Diese Konklusion â und nicht die Frage, ob man hierausfolgern soll, dass die Ableitbarkeit von Z00-Formeln âunentscheidbarâ ist â istder entscheidende Punkt, denn diese Konklusion schliesst die MĂśglichkeit aus, einComputerprogramm zu schreiben, dass die Frage beantwortet, ob eine beliebigeZ00-Formel ableitbar ist oder nicht. Auch Gumanskis Kritik der Diagonalfunk-tionen ist nicht hinreichend, um den Beweis von Bernays und Hilbert in Frage zustellen, denn die Diagonalfunktion s(k) erfĂźllt das Kriterium, dass ihr Wert fĂźrjedes beliebige Argument berechnet werden kann. Damit ist eine strenge Forde-rung an eine Definition von Funktionen erfĂźllt, und es ist nicht einzusehen, wasan einer Definition fehlerhaft ist, die diese Forderung erfĂźllt.
Die in diesem Abschnitt dargestellte Kritik unterscheidet sich von diesen Kri-tikmÜglichkeiten: Nicht die Annahmen des Beweises, sondern die in dem Un-entscheidbarkeitsbeweis vorausgesetzte logische Analyse der Metasprache wird inFrage gestellt. Es wird nicht beansprucht, zu zeigen, dass das dem Unentscheid-barkeitsbeweis zugrundeliegende Verständnis der Metasprache und damit die Be-weisfßhrung tatsächlich fehlerhaft ist. Es wird nur behauptet, dass die Unent-scheidbarkeitsbeweise nicht zwingend sind, da die unterschiedlichen Auffassun-gen der Metasprache daran zu messen sind, ob die Unentscheidbarkeitstheoremekorrekt sind.
Die in diesem Abschnitt präsentierte Kritik der Unentscheidbarkeitsbeweisebasiert auf Wittgensteins Kritik des Gebrauches der Metasprache im Sinne ei-ner Sprache, die wahrheitsfähige Aussagen ßber die Objektsprache macht. DieseKritik wird zunächst skizziert und anschliessend auf den rekonstruierten Unent-scheidbarkeitsbeweis angewendet.
3.1 FUNKTION UND OPERATION
Wittgensteins Kritik der Metasprache basiert auf seiner Unterscheidung von Aus-sagefunktionen und Operationen.24 Aussagefunktionen sind Funktionen, deren Argu-mente Gegenstände und deren Werte Wahrheitswerte sind. Als Aussagefunktio-nen versteht Wittgenstein nur solche Funktionen, fßr die es logisch mÜglich ist,den Argumenten beide Wahrheitswerte zuzuordnen: Sie sind die Konstituentenbivalenter Sätze, die in der Quantorenlogik ohne Identität durch logische Prädika-te formalisiert werden. Operationen besitzen gemäss Wittgensteins Terminologie
24Vgl. hierzu insbesondere Wittgenstein (1984a), Bemerkungen 4.122 â 4.128, 5.2 â 5.5151,Wittgenstein (1984b), S. 213ff.
360
Basen, auf die sie angewendet werden. Die Anwendung der Operation auf ihreBasis fßhrt zu einem Resultat, das erneut Basis der Anwendung von Operationensein kann. Operationen kÜnnen hintereinandergeschaltet sein, es kann auch dasResultat der Operation wiederum Basis derselben Operation sein. In beiden Fällensei von der iterativen Anwendung von Operationen gesprochen. Wittgensteingrenzt Funktionen von Operationen u.a. dadurch ab, dass die Werte einer Funk-tion nicht wiederum ihre Argumente sein kÜnnen, während die Resultate einerOperation wiederum die Basis der erneuten Anwendung derselben Operationsein kÜnnen.25 Die iterative AnwendungsmÜglichkeit einer einzelnen Operationist eine hinreichende, aber kein notwendige Bedingung fßr die Identifikation vonOperationen.
Der massgebliche Unterschied zwischen Aussagefunktionen und Operatio-nen besteht darin, dass der Ausdruck, der die Argumentstelle eines Ausdruckeseiner Aussagefunktion sättigt, keine hinreichende Bedingung fßr die Zuordnungder Wahrheitswerte zu den Argumenten ist, während der Anfangswert der Basiseiner Operation ein Ausdruck ist, der hinreichendes Kriterium fßr die Berechnungdes Resultates der Operation ist. Die Resultate der Operationen sind syntaktischdeterminiert, die Werte von Aussagefunktionen nicht. Es ist dieses Kriterium dersyntaktischen Bestimmtheit, das notwendige und hinreichende Bedingung fßr dieIdentifikation von Operationen ist.
Aussagefunktionen werden verwendet, um etwas zu behaupten â die Wahr-heit oder Falschheit der Aussage ist durch die Behauptung selbst nicht verbĂźrgt;iterative Anwendungen von Operationen sind dagegen Berechnungen mit einemInput als Anfangswert und einem Output als Endwert. Während in einem Satz wieâAbbigale ist ein Pferdâ der Ausdruck âAbbigaleâ kein hinreichendes Kriteriumist, um zu entscheiden, ob der Gegenstand Abbigale unter das Prädikat âx ist einPferdâ fällt, ist im Satz âP ⨠P ist allgemeingĂźltigâ der Ausdruck P ⨠Phinreichendes Kriterium, um â z.B. mittels der Konstruktion einer Wahrheits-werttabelle â zu berechnen, dass die Anwendung der Wahrheitsoperationen aufdie Wahrheitswerte der Satzbuchstaben der Formel in keinem Fall zum ResultatF gelangt. Man kann diesen Unterschied auch so formulieren: Um âAbbigale istein Pferdâ einen Wahrheitswert zuzuordnen, ist man auf die Interpretation vonâAbbigaleâ und âx ist ein Pferdâ angewiesen, während man im Falle von âP â¨ÂŹPist allgemeingĂźltigâ nur auf die Interpretation der logischen Konstanten 6 und â¨als Wahrheitsoperationen, die Wahrheitswerte als Basen und Resultate besitzen,und ihre Anwendung bei der Konstruktion einer Wahrheitstabelle angewiesen ist,durch deren resultierende Werte unter dem Hauptjunktor die allgemeingĂźltigen
25Wittgenstein (1984a), Bemerkung 5.251.
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Formeln identifiziert werden kĂśnnen. Eine Interpretation, durch die eigens fest-gelegt wird, dass P ⨠P unter das logische Prädikat âx ist allgemeingĂźltigâ fällt,bedarf es nicht. Der Begriff der AllgemeingĂźltigkeit aussagenlogischer Formelnkann durch ein bestimmtes Resultat der sukzessiven Anwendung von Wahrheits-operationen definiert werden, Prädikate im logischen Sinne nicht. Es ist allein dieAnwendung von Operationen, durch die allgemeingĂźltige Formeln von anderenunterschieden werden.
Nur Aussagen wie âAbbigale ist ein Pferdâ, die Prädikate im logischen Sinneenthalten, sind nach Wittgenstein als bivalente Aussagen zu verstehen, die sichprädikatenlogisch formalisieren lassen. Sätze wie âP ⨠P ist allgemeingĂźtltigâsind hingegen Scheinsätze, d.i. Sätze, die zwar die grammatikalische Form vonAussagesätzen haben26, tatsächlich aber keine gehaltvolle Aussage treffen, da dieSyntax der Inputformel Gegenstand der Manipulation von Operationen ist, dieeinen Ausdruck als Output erzeugen, dem allein entnommen werden kann, obdie Inputformel eine fragliche formale Eigenschaft hat. Es ist zwar kein Verstossgegen die Grammatik der Umgangssprache, diese Scheinsätze als wahr oder falschzu bezeichnen, aber gemäss Wittgensteins logischer Analyse dieser Sätze ist diesein Verstoss gegen die logische Grammatik der Scheinsätze.
Unter Voraussetzung der Unterscheidung von Funktion und Operation kanndas Verdikt imprädikativer Begriffsbildung auf Funktionen im engen Sinne Witt-gensteins eingeschränkt werden, während es ein Charakteristikum von Operatio-nen ist, dass ihr Resultat erneut Basis ihrer Anwendung sein kann. Nach diesemVerständnis ist gegen âdiagonale Funktionenâ im traditionellen Sinne nichts ein-zuwenden, solange sie â wie die Diagonalfunktion s(k) im Unentscheidbarkeits-beweis von Bernays und Hilbert â als Operationen, deren Resultate sich wider-spruchsfrei berechnen lassen, interpretiert werden kĂśnnen.
Wittgensteins Begriff der Funktionen ist ein engerer Begriff als der Ăźbliche,unter den gleichermassen das fällt, was Wittgenstein âFunktionâ und âOperati-
26Dass die grammatikalische Form von Sätzen oft eine irrefĂźhrende Richtschnur fĂźr ihre logischeAnalyse ist, ist ein Topos der logisch-philosophischen Analyse der Umgangssprache. Obwohl derAusdruck âexistierenâ grammatikalisch als Prädikat verwendet wird, wird er in der Quantorenlogikals Existenzquantor und nicht als logisches Prädikat interpretiert. In der intensionalen Logik istes ein Standardargument, dass eine quantorenlogische Formalisierung von Prädikaten wie z.B. âxsucht yâ zu inkorrekten Schlussfolgerungen fĂźhrt: Z.B. folgte aus âHans sucht ein Einhornâ, wennman den Satz analog zur Formalisierung von âHans liebt einen Menschenâ durch âx(Fax & Gx)formalisiert, âEs existiert ein Einhornâ, d.i. formalisiert âxGx. Dies sind nur zwei einfacheBeispiele fĂźr inkorrekte Formalisierungen grammatikalischer Prädikate als logische Prädikate. Vgl.zur Theorie der logischen Formalisierung Brun (2003). Sein Kapitel 7.1 bespricht die âmisleadingform thesisâ als eine massgebliche Motivation der logischen Analyse, S. 222f. bespricht das zweiteder genannten Beispiele.
362
onâ nennt: Das, was gewĂśhnlich als âzahlentheoretische Funktionâ verstandenwird, d.i. eine Funktion, deren Argumente und Werte Zahlen sind, ist nach Witt-gensteins Terminologie eine Operation, deren Basen und Resultate Zahlen sind,und keine Funktion; was gemeinhin âWahrheitsfunktionâ genannt wird, d.i. eineFunktion, deren Argumente und Werte Wahrheitswerte sind, nennt WittgensteinâWahrheitsoperationâ, deren Basen und Resultate Wahrheitswerte sind.
3.2 LĂGNERPARADOX
Bernays und Hilbert weisen unmittelbar vor ihrem Unentscheidbarkeitsbeweisauf die Analogie ihrer Beweisfßhrung mit dem Lßgnerparadox hin.27 Das Argu-ment dafßr, dass im Unterschied zum Lßgnerparadox nichts Fehlerhaftes in denmetamathematischen Beweisgängen liegt, besteht darin, dass in den metamathe-matischen Beweisen anders als im Lßgnerparadox sehr genau zwischen Objekt-und Metasprache unterschieden wird.28 Dieses Argument setzt Tarskis Unter-scheidung von Objekt- und Metasprache und die auf ihr beruhende LÜsung desLßgnerparadoxes voraus. Wittgensteins Unterscheidung von Aussagefunktionenund Operationen bedingt eine andere Analyse des Fehlers im Lßgnerparadox undfolglich eine andere LÜsung des Paradoxes. Unter Voraussetzung seiner Analyseist die Tarskische Unterscheidung von Objekt- und Metasprache keine adäquateLÜsung des Lßgnerparadoxes.
Wittgenstein interpretiert die grammatikalischen Prädikate âx ist wahrâ bzw.âx ist falschâ nicht im Sinne logischer Prädikate, sondern im Sinne von Operatio-nen. Dies bedingt eine AuflĂśsung des LĂźgnerparadoxes, die sich von der Tarskisunterscheidet. Während Tarski âx ist wahrâ bzw. âx ist falschâ als semantischePrädikate der Metasprache interpretiert, deutet Wittgenstein diese grammatika-lischen Prädikate als Wahrheitsoperationen29: Die Variable in âx ist wahrâ wirdnach diesem Verständnis nicht gesättigt durch Namen von AusdrĂźcken, sondernsie steht fĂźr die Basis einer redundanten Wahrheitsoperation. Sei âS1â der Namedes Satzes âHans schläftâ, dann fĂźhrt âS1â als Input der Operation âx ist wahrâ ineinem ersten Schritt, in dem Namen durch Sätze ersetzt werden, zu ââHans schläftâist wahrâ und in einem zweiten Schritt, in dem der Redundanz der Wahrheits-operation Rechnung getragen wird, zu âHans schläftâ. âx ist falschâ ist gemässdieser Interpretation identisch mit der Wahrheitsoperation der Negation. âS1 istfalschâ bedeutet demnach unter Voraussetzung der genannten Defintion von S1
27Vgl. Hilbert (1970), S. 433, auch GÜdel weist auf die Analogie seiner Beweisfßhrung imUnvollständigkeitsbeweis mit dem Lßgnerparadox hin GÜdel (1931), S. 175.
28Vgl. Nagel (2001), S. 89 und StegmĂźller (1959), S. 3 und S. 6.29Vgl. Wittgenstein (1984a), Tagebucheintrag vom 6.10.1914[3,4]. vgl. Bemerkung 4.063 der
Abhandlung.
363
âHans schläft nichtâ. Eine korrekte Formalisierung des Subjekt/Prädikatsatz âS1
ist falschâ mit den Mitteln der Prädikatenlogik lautete demnachÂŹFa, wobei F (x)fĂźr âx schläftâ und a fĂźr âHansâ steht.
Definiert man â wie im LĂźgnerparadox â âS1â durch âS1 ist falschâ, ver-stĂśsst man gemäss Wittgensteins Deutung gegen die Syntax von âx ist falschâals Wahrheitsoperation, denn eine Wahrheitsoperation setzt bivalente Aussage-funktionen voraus, auf deren Wahrheitswerte allein Wahrheitsoperationen ange-wendet werden kĂśnnen â S1 bezeichnet aber laut Voraussetzung keinen Satz, dereine Aussagefunktion enthält, da âx ist falschâ keine Aussagefunktion, sonderneine Wahrheitsoperation ist. Wie Tarski ist nach dieser Auffassung aus dem LĂźg-nerparadox die Konsequenz zu ziehen, dass es nicht mĂśglich ist, Wahrheit undFalschheit durch eine Aussagefunktion der Objektsprache auszudrĂźcken. Aberim Unterschied zu Tarski und der traditionellen Unterscheidung der Objekt- undMetasprache ist nach dieses Auffassung nicht die Konsequenz zu ziehen, dass âxist wahrâ bzw. âx ist falschâ Prädikate einer hĂśheren Ordnung sind. Vielmehrist die Konsequenz zu ziehen, dass die grammatikalischen Prädikate âx ist wahrâbzw. âx ist falschâ nicht als Prädikate in einem logischen Sinn zu interpretierensind, sondern als Wahrheitsoperationen, die Aussagefunktionen und damit dieBildung bivalenter Sätze voraussetzen.
3.3 UNENTSCHEIDBARKEITSBEWEIS
Wie die formale Rekonstruktion des direkten Unentscheidbarkeitsbeweis von Hil-bert und Bernays mit den Mittels des Metakalkßls MK zeigt, setzt der Unent-scheidbarkeitsbeweis eine Metasprache voraus, die interpretiert wird als Sprache,die Aussagen ßber die Objektsprache macht. Insbesondere werden in der Meta-sprache, in der der Beweis gefßhrt wird, sowohl das Ableitbarkeitsprädikat (` A)als auch die Gleichungen, die die Entscheidungsfunktion enthalten (t(n) = 0bzw. t(n) = 1) als Aussagefunktionen verwendet: Die VariablenA und n werdendurch Quantoren gebunden und die Ausdrßcke wahrheitsfunktional verknßpft.Beides ist unvereinbar mit Wittgensteins Analyse, denn er definiert sowohl Ab-leitbarkeitkeit als auch arithmetische Gleichungen ßber Operationen.
Ableitungen sind Resultate der Anwendung von Operationen, deren Basen undResultate Formeln eines bestimmten Formalismus sind. Eine Formel ist ableitbargdw. sie der Output der Anwendung von Ableitungsregeln ist. Der grammatikali-sche Satz âa = a ist ableitbarâ ist gemäss Wittgensteins Philosophie nicht adäquatals Aussagesatz in einem logischen Sinne zu interpretieren, sondern nur als Aus-druck des Resultates der Anwendung von KalkĂźlregeln. Ob eine Formel ableitbarist oder nicht, ist syntaktisch determiniert und aus diesem Grunde eine Frage derAnwendung von Operationen. Gemäss Wittgensteins Position ist die Interpreta-
364
tion von âx ist ableitbarâ als eine Aussagefunktion, die den Wahrheitswert W denableitbaren und F den nicht-ableitbaren Formeln zuordnet, ein Missverständnisder Logik der Operationen.
Die arithmetische Gleichheit ist nach Wittgensteins Verständnis keine Aus-sagefunktion, die je nach Einsetzung von Zahlen an die Argumentstellen arith-metischer Funktionen den Wahrheitswert W oder F zuordnet. Vielmehr sind diearithmetischen âFunktionenâ arithmetische Operationen und die âArgumenteâder arithmetischen Funktionen Basen, an denen AusdrĂźcke als Input der Ope-rationen gesetzt werden. Die Gleichheit arithmetischer AusdrĂźcke ist dadurchdefiniert, dass die Anwendung der arithmetischen Operation fĂźr den jeweiligenInput an den Basen links und rechts des Gleichheitszeichens zu demselben Resul-tat gelangt. Es ist nichts anderes als die Anwendung der Operationen auf einengegebenen Input nĂśtig, um dies zu berechnen. Da arithmetische Gleichungenkeine Aussagefunktionen sind und die Variablen in diesen keine Argumentstellenvon Aussagefunktionen kennzeichnen, und da Quantoren und Junktoren nur imRahmen eines Formalismus, der mit Aussagefunktionen operiert, definiert sind,ist es inadäquat, die Variablen in arithmetischen Gleichungen durch Quantorenzu binden und Junktoren in den arithmetischen Formalismus einzufĂźhren. ImGegensatz zum Formalismus der mathematischen Logik will Wittgenstein denFormalismus der Quantorenlogik ohne Identität, der logische Prädikate (d.i. Aus-drĂźcke von Aussagefunktionen), Junktoren und Quantoren enthält, grundsätzlichvon einem arithmetischen Formalismus unterschieden wissen, der aus Gleichun-gen, arithmetischen Operationszeichen und Zahlen besteht.
Gemäss der Auffassung Wittgensteins ist der Fehler im LĂźgner-Paradox â dasMissverstehen der grammatikalischen Prädikate âx ist wahrâ bzw. âx ist falschâim Sinne logischer Prädikate â Teil der Analogie zum Unentscheidbarkeitsbeweis.Der Vergleichspunkt besteht in dem vorausgesetzten Verständnis grammatikali-scher Prädikate der Metasprache im Sinne von Aussagefunktionen und nicht imSinne von AusdrĂźcken, die auf Operationen bzw. deren Resultate Bezug nehmen.
Wittgensteins Unterscheidung von Aussagefunktionen und Operationen fßhrtnicht zu einer Kritik der Annahmen des Unentscheidbarkeitsbeweises, sondern zueiner Kritik der logischen Syntax, die in der Beweisfßhrung vorausgesetzt wird.Gemäss der Position Wittgensteins ist aus der reductio ad absurdum (Zeilen 17bis 45 des Ableitungsschemas auf S. 357) analog zum Lßgnerparadox nur die Kon-sequenz zu ziehen, dass es unmÜglich ist, Ableitbarkeit im Sinne einer Aussage-funktion, die durch eine Aussagefunktion in der Objektsprache abgebildet werdensoll, zu interpretieren. Hieraus ist nicht auf die Negation der hypothetischen An-nahme, dass die Ableitbarkeit der Z00-Formeln durch eine arithmetische, rekursi-
365
ve Entscheidungsfunktion von Z00 zu interpretieren ist, zu schliessen, sondernvielmehr auf die Ablehnung der Syntax, in der diese hypothetische Annahmeformuliert ist (Zeile 17). Konsequenterweise fĂźhrt diese Position auch nicht zueiner Ablehnung der Church-These (vgl. Zeile 1), die die Annahme aus Zeile 17im Konsequenz enthält, sondern nur zur Ablehnung ihrer Interpretation im Sinneeines falsifizierbaren Allsatzes, der eine allgemeine Hypothese Ăźber das Verhältnisvon Entscheidungsverfahren und rekursiven Funktionen formuliert. Die Church-These ist vielmehr zu interpretieren als Ausdruck der MĂśglichkeit, die Definitionvon Operationen, die fĂźr einen beliebigen Input einer Formelsprache nach einerendlichen Anzahl von Schritten einen Output liefern, stets in die Sprache zah-lentheoretischer Funktionen zu Ăźbersetzen. Inwieweit dies mĂśglich ist, ist selbstwieder eine Frage der Definition von Operationen, die eine derartige Ăbersetzungleisten.
Die skizzierte Kritik des Unentscheidbarkeitsbeweises von Bernays und Hil-bert unter Voraussetzung von Wittgensteins Unterscheidung von Aussagefunktio-nen und Operationen kann nicht beanspruchen, den Unentscheidbarkeitsbeweiszu widerlegen. Sie zeigt nur eine Alternative auf, unter der die Unentscheidbar-keitsbeweise ihren Zwang verlieren. Man ist nur dann gezwungen, die Konse-quenzen der Unentscheidbarkeitsbeweise zu ziehen, wenn man den Gebrauchder Metasprache in dem Beweis akzeptiert. Was in Frage steht, ist die Analy-se der Metasprache. Fragen der adäquaten logischen Analyse und Verwendungder Metasprache kĂśnnen nicht zwingend begrĂźndet, sondern nur anhand ihrerFolgerungen bewertet werden. Wer die Syntax der Metasprache anders interpre-tiert, lässt andere Schlussfolgerungen zu. Demnach hängt die Korrektheit derunterschiedlichen Positionen von der MĂśglichkeit ab, Entscheidungsverfahren fĂźrâunentscheidbareâ Prädikate zu definieren.
Von diesem Blickwinkel aus betrachtet, ist es bemerkenswert, dass der polni-sche Philosoph und Logiker Leon Gumanski ein Entscheidungsverfahren fßr dieQuantorenlogik definiert und einen Beweis fßr die Korrektheit dieses Verfahrensgefßhrt hat.30 Bis jetzt ist es Niemandem gelungen, einen Fehler in GumanskisVerfahren zu finden. Sein Anspruch, ein Entscheidungsverfahren definiert zuhaben, ist hingegen weitgehend ignoriert oder mit dem Hinweis auf ChruchsTheorem abgelehnt worden. Gemäss der hier vorgetragenen Argumentation soll-ten ernsthafte und seriÜse Versuche, Entscheidungsverfahren fßr die Quanto-renlogik zu definieren, nicht ignoriert werden. Anstatt ßber Churchs Theoremzu debattieren, sollten die Definitionen und Beweise vorgeschlagener Entschei-
30Gumanski (1983), Gumanski (1986) und insbesondere Gumanski (2000).
366
dungsverfahren ernst genommen werden. Man muss diese widerlegen, wenn mandie Kritik an Unentscheidbarkeitstheoremen der traditionellen MetamathematikzurĂźckweisen will.
NACHWORT
In diesem Buch finden sich einige Abschnitte, die Ăźber den gewĂśhnlichen Inhalteiner EinfĂźhrung in die Logik hinausgehen. Es ist darauf geachtet worden, dassdiese Abschnitte stets gesondert sind und keinen klausurrelevanten Stoff enthal-ten. Es handelt sich um folgende Abschnitte:
Lektion 2: Exkurs: Wahrheitswerttabellen und logischer Beweis.
Lektion 6: Korrektheit und Vollständigkeit.
Lektion 8: Abchnitt 3: Unentscheidbarkeit.
Lektion 11: Ausblick: Probleme der Identität.
Lektion 12: Unentscheidbarkeit der Quantorenlogik.
Des Weiteren akzentuieren einige Zusatzbemerkungen sowie Lektion 1 die Auf-gabe der Logik, Entscheidungsverfahren fĂźr formale Eigenschaften und Rela-tionen zu definieren, und grenzen diese Aufgabe scharf von der Formalisierungumgangssprachlicher Texte ab.
Diese Zusätze sind in der Ăberzeugung des Autors begrĂźndet, dass auf derGrundlage des in diesen Abschnitten skizzierten Verständnisses logischer Beweiseim Sinne der Transformation eines Zeichensystems in ein anderes, durch dessenäusseren Merkmale formale Eigenschaften und Relationen identifiziert werdenkĂśnnen, mächtigere Entscheidungsverfahren als dies bislang im Rahmen der klas-sischen Logik mĂśglich war, definiert werden kĂśnnen, und alternative metalogischeBeweise, die weder zirkulär noch inhaltlich sind, gefĂźhrt werden kĂśnnen.
Freilich mĂźssen zusätzlich zu diesem Beweisverständnis weitere Ăberlegun-gen hinzukommen, um mächtigere Entscheidungsverfahren als die der klassi-schen Logik definieren zu kĂśnnen. Ziel dieses Buches ist es nicht, dies zu konkre-tisieren, sondern interessierten Studierenden mit der EinfĂźhrung in die klassischeLogik auch ein tieferes Verständnis zu vermitteln, das Voraussetzung fĂźr eineweitere Auseinandersetzung mit Fragen der Entscheidbarkeit der Quantorenlogiksowie der Metalogik ist. Die nicht-klausurrelevanten Abschnitte kĂśnnen Ăźbergan-gen werden, wenn man eine EinfĂźhrung in die klassische Logik geben will, ohneauf die Metalogik einzugehen.
VERZEICHNIS DER ZITIERTEN SCHRIFTEN
Angegeben sind nur Titel, auf die im Text verwiesen wird. FĂźr Literaturempfeh-lungen siehe das VORWORT, S. 6.
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LISTE DER WICHTIGSTEN AUSSAGENLOGISCHENSCHLUSSREGELN
REGELN DES GLKJ
ANNAHMENEINFĂHRUNG (AE)
A ` A
KONDITIONALISIERUNG (K) BZW. ANNAHMEBESEITIGUNG (AB)
Î, (A, Î ` B) ` A â B
MODUS PONENDO PONENS (MPP) BZW. ABTRENNUNGSREGEL (ATR)
A, A â B ` B
MODUS TOLLENDO TOLLENS (MTT) BZW. WIDERLEGUNGSREGEL (WLR)
ÂŹ B, A â B ` ÂŹ A
REDUCTIO AD ABSURDUM (RAA)
Î, (A, Î ` B &ÂŹ B) ` ÂŹ A31
DOPPELTE NEGATOREINFĂHRUNG (DNE) BZW. STABILITĂTSPRINZIP (SP)
A ` ÂŹÂŹ A
DOPPELTE NEGATORBESEITIGUNG (DNB)
ÂŹÂŹ A ` A
KONJUNKTOREINFĂHRUNG (&E)
A, B ` A & B
KONJUNKTORBESEITIGUNG (&B)
A & B ` AA & B ` B
DISJUNKTOREINFĂHRUNG (â¨E)
A ` A ⨠B
DISJUNKTORBESEITIGUNG (â¨B)
A ⨠B, Î, â, (A, Î ` C), (B, â ` C) ` C
31Folgende direkte Schlussregeln werden auch als âReductio ad absurdumâ bezeichnet:A âB, A âÂŹ B ` ÂŹ AA â B & ÂŹ B ` ÂŹ A
376
UMFORMUNGSREGELN FĂR DIE EINFĂHRUNG UND BESEITIGUNG
WEITERER JUNKTOREN
BIKONDITIONAL: (âE) UND (âB)
A â B a` (A â B) & (B â A)
SHEFFERSTRICH: (|E, |B)
A | B a`  A ⨠ BA | B a`  (A & B)
STRENGER DISJUNKTOR (âşââšE, âşââšB)
A âşââšB a` (A ⨠B) & ÂŹ (A & B)A âşââšB a` (A ⨠B) & ÂŹ (B & A)
WEITERE UMFORMUNGSREGELN
PFEIL-ELIMINATION (PE)
PEâ¨: A â B a` ÂŹ A ⨠BPE&: A â B a` ÂŹ (A & ÂŹ B)
&-DEFINITION (&DEF)
&DEF: A & B a`  ( A ⨠ B)
â¨-DEFINITION (â¨DEF)
â¨DEF: A ⨠B a` ÂŹ (ÂŹ A & ÂŹ B)
DE MORGANS GESETZE (DMG)
DMG&: ÂŹ (A & B) a` ÂŹ A â¨ÂŹ BDMGâ¨: ÂŹ (A ⨠B) a` ÂŹ A &ÂŹ B
IDEMPOTENZ (IP)
IP&: A & A a` AIPâ¨: A ⨠A a` A
KOMMUTATIVITĂT (KOM)
KOM&: A & B a` B & AKOMâ¨: A ⨠B a` B ⨠AKOMâ: A â B a` B â A
377
ASSOZIATIVITĂT (ASS)
ASS&: ((A & B) & C) a` (A & (B & C))ASSâ¨: ((A ⨠B) ⨠C) a` (A ⨠(B ⨠C))ASSâ: ((A â B) â C) a` (A â (B â C))
DISTRIBUTIVITĂT (DIS)
DIS 1: A & (B ⨠C) a` (A & B) ⨠(A & C)DIS 2: A ⨠(B & C) a` (A ⨠B) & (A ⨠C)DIS 3: (A â C) & (B â C) a` A ⨠B â CDIS 4: (A â B) & (A â C) a` A â B & CDIS 5: (A â C) ⨠(B â C) a` A & B â CDIS 6: (A â B) ⨠(A â C) a` A â B ⨠C
GESETZ DER VERTAUSCHUNG DER VORAUSSETZUNGEN (VV)
A â (B â C) a` B â (A â C)
AUS DEM GLK ABLEITBARE DIREKTE SCHLUSSREGELN
MODUS TOLLENDO PONENS (MTP) BZW. ADJUNKTIVER SYLLOGISMUS (AS)
 A, A ⨠B ` B A, B ⨠A ` B
MODUS PONENDO TOLLENS (MPT) BZW. KONJUNTIVER SYLLOGISMUS (KS)
A, ÂŹ (A & B) ` ÂŹ BA, ÂŹ (B & A) ` ÂŹ B
KLASSISCHES DILEMMA (KD)
A â B, ÂŹ A â B ` B
WIDERSPRUCHSREGEL (WID) BZW. UNABLEITBARKEITSPRINZIP (UP)
A &ÂŹA ` B
MONOTONIEREGEL (MON)
A â B ` A &C â B
ABSCHWĂCHUNGSREGEL (AR)
A ` B â A
VERSTĂRKUNGSREGEL (VR)
A â (A â B) ` A â B
378
KONTRAPOSITION (KP) BZW. GESETZ DER WENDUNG (W)
A â B ` ÂŹ B âÂŹ A
INVERSE KONTRAPOSITION (IKP) BZW. INVERSES GESETZ DER WENDUNG (IW)
ÂŹ A âÂŹ B ` B â A
KETTENSCHLUSSREGEL (KR)
A â B, B â C ` A â C
JUNKTORIMPLIKATION &/⨠(JI&/â¨)
A & B ` A ⨠BB & A ` A ⨠B
JUNKTORIMPLIKATION &/â (JI&/â)
A & B ` A â BB & A ` Aâ B
AUS GLK UND â E BZW. â B ABLEITBARE SPEZIELLE SCHLUSSREGELN
SPEZIELLER MODUS PONENDO PONENS (SMPP) BZW. SPEZIELLE ABTRENNUNGS-REGEL (SAR)
A, A â B ` BA, B â A ` B
SPEZIELLER MODUS TOLLENDO TOLLENS (SMTT) BZW. SPEZIELLE WIDERLE-GUNGSREGEL (SWR)
ÂŹ B, A â B ` ÂŹ AÂŹ B, B â A ` ÂŹ A
SPEZIELLE REDUCTIO AD ABSURDUM (SRAA)
A â (B âÂŹ B) ` ÂŹ A
SPEZIELLE KONTRAPOSITION (SKP) BZW. SPEZIELLES GESETZ DER WENDUNG
(SWG)
A â B ` ÂŹ B âÂŹ AA â B ` ÂŹ A âÂŹ B
SPEZIELLE INVERSE KONTRAPOSITION (SIKP) BZW. SPEZIELLES INVERSES GE-SETZ DER WENDUNG (SIW)
ÂŹ A âÂŹ B ` B â AÂŹ A âÂŹ B ` A â B
379
SPEZIELLE KETTENSCHLUSSREGEL (SKR)
A â B, B â C ` A â CA â B, B â C ` C â AA â B, C â B ` A â CA â B, C â B ` C â AB â A, B â C ` A â CB â A, B â C ` C â A
VERTAUSCHUNGSREGELN (VTR)
VTR&: A â B ` A & C â B & CVTRâ¨: A â B ` A ⨠C â B ⨠CVTRâ: A â B ` (A â C) â (B â C)VTRâ: A â B ` (C â A) â (C â B)VTRâ: A â B ` (A â C) â (B â C)
JUNKTORIMPLIKATION &/â (JI&/â)
A & B ` A â BB & A ` A â B
FUNDAMENTALE LOGISCHE GESETZE
GESETZ DER IDENTITĂT (GI)
` A â A
GESETZ VOM AUSGESCHLOSSENEN WIDERSPRUCH (GAW)
` ÂŹ (A & ÂŹ A)
GESETZ VOM AUSGESCHLOSSENEN DRITTEN (GTD)
` A ⨠ A
GESETZE DER DOPPELTEN NEGATION (GDN)
GDN1: ` A â ÂŹÂŹ AGDN2: ` ÂŹÂŹ A â A
LISTE DER GĂLTIGEN SYLLOGISMEN
Ist fĂźr die SchlĂźssigkeit des Syllogismus Ăźber die PRAEMISSE MAIOR und diePRAEMISSE MINOR hinaus noch vorausgesetzt, dass ein bestimmter Begriff nichtleer ist, wird dies in Form einer âEs gibt ...â Aussage explizit zum Ausdruckgebracht.
SYLLOGISMEN DER 1. FIGUR
STARKE MODI
Barbara Celarent Darii Ferio
Alle M sind P. Keine M sind P. Alle M sind P. Keine M sind P.Alle S sind M. Alle S sind M. Einige S sind M. Einige S sind M.âââââ âââââ âââââ- ââââââAlle S sind P. Keine S sind P. Einige S sind P. Nicht alle S sind P.
SCHWACHE MODI
Barbari Celaront
Alle M sind P. Keine M sind P.Alle S sind M. Alle S sind M.(Es gibt S.) (Es gibt S.)âââââ âââââEinige S sind P. Nicht alle S sind P.
382
SYLLOGISMEN DER 2. FIGUR
STARKE MODI
Cesare Camestres Festino Baroco
Keine P sind M. Alle P sind M. Keine P sind M. Alle P sind M.Alle S sind M. Keine S sind M. Einige S sind M. Nicht alle S sind M.âââââ âââââ âââââ- âââââââKeine S sind P. Keine S sind P. Nicht alle S sind P. Nicht alle S sind P.
SCHWACHE MODI
Cesaro Camestros
Keine P sind M. Alle P sind M.Alle S sind M. Keine S sind M.(Es gibt S.) (Es gibt S.)âââââ ââââ-Nicht alle S sind P. Nicht alle S sind P.
SYLLOGISMEN DER 3. FIGUR
STARKE MODI
Darapti Felapton Disamis Datisi
Alle M sind P. Keine M sind P. Einige M sind P. Alle M sind P.Alle M sind S. Alle M sind S. Alle M sind S. Einige M sind S.(Es gibt M.) (Es gibt M.)âââââ âââââ âââââ âââââ-Einige S sind P Nicht alle S sind P. Einige S sind P. Einige S sind P.
Bocardo Ferison
Nicht alle M sind P. Keine M sind P.Alle M sind S. Einige M sind S.âââââ âââââ-Nicht alle S sind P. Nicht alle S sind P.
383
SYLLOGISMEN DER 4. FIGUR
STARKE MODI
Bamalip Calemes Dimatis Fesapo
Alle P sind M. Alle P sind M. Einige P sind M. Keine P sind M.Alle M sind S. Keine M sind S. Alle M sind S. Alle M sind S.(Es gibt P.) (Es gibt M.)âââââ ââââ- âââââ- âââââEinige S sind P. Keine S sind P. Einige S sind P. Nicht alle S sind P.
Fresison
Keine P sind M.Einige M sind S.ââââ-Nicht alle S sind P.
SCHWACHE MODI
Calemos
Alle P sind M.Keine M sind S.(Es gibt S.)âââââNicht alle S sind P.
LISTE DER WICHTIGSTEN QUANTORENLOGISCHENSCHLUSSREGELN
A(v) und B(v) sind offene Schemata, in denen die Variable v vorkommt; A(t),B(t) bzw. A(s), B(s) sind Q-Formeln, in denen der Namenbuchstabe t bzw. svorkommt.
REGELN DES GLKQ
Zu den Regeln des GLKJ kommen hinzu:
ALLQUANTORBESEITIGUNG (âB)
âvA(v) ` A(t)
Restriktion:
1. v wird an allen Stellen in A(v) durch t ersetzt.
ALLQUANTOREINFĂHRUNG (âE)
A(t) ` âvA(v)
Restriktionen:
1. v kommt in A(t) nicht vor.
2. 2.1 t wird an allen Stellen in A(t) durch v ersetzt.
2.2 t kommt in keiner Formel vor, aus der A(t) abgeleitet wird.
EXISTENZQUANTOREINFĂHRUNG (âE)
A(t) ` âvA(v)
Restriktionen:
1. v kommt in A(t) nicht vor.
2. t wird an mindestens einer Stelle in A(t) durch v ersetzt.
386
EXISTENZQUANTORBESEITIGUNG (âB)
âvA(v),Î, (A(t),Î ` C) ` C
Restriktionen:
1. In A(v) werden alle Vorkommnisse von v durch t ersetzt.
2. t kommt
2.1 in âvA(v) nicht vor.
2.2 in C nicht vor.
2.3 in den Formeln Î nicht vor.
REGELN DES GLKQ+I
Zu den Regeln des GLKQ kommen hinzu:
IDENTITĂTSEINFĂHRUNG (=E)
` t = t
IDENTITĂTSBESEITIGUNG (=B)
t = s,A(t) ` A(s)
A(s) ist eine wff, in der t in A(t) mindestens an einer Stelle durch s ersetztwird.
DEFINITIONEN DER QUANTOREN
DEF. âââ
âvA(v) a` ÂŹâvÂŹA(v)
DEF. âââ
âvA(v) a` ÂŹâvÂŹA(v)
DEF. âÂŹââ
ÂŹâvA(v) a` âvÂŹA(v)
DEF. âÂŹââ
ÂŹâvA(v) a` âvÂŹA(v)
387
DUALITĂTSGESETZE
DG1: âv(A(v) â B(v)) a` ÂŹâv(A(v)&ÂŹB(v))
DG2: ÂŹâv(A(v) â B(v)) a` âv(A(v)&ÂŹB(v))
DG3: âv(A(v) â ÂŹB(v)) a` ÂŹâv(A(v)&B(v))
DG4: ÂŹâv(A(v) â ÂŹB(v)) a` âv(A(v)&B(v))
DG5: âv(ÂŹA(v) â B(v)) a` ÂŹâv(ÂŹA(v)&ÂŹB(v))
DG6: ÂŹâv(ÂŹA(v) â B(v)) a` âv(ÂŹA(v)&ÂŹB(v))
KLAMMERGESETZE
AUS/EINKLAMMERUNG â/&
âv(A(v)&B(v)) a` âvA(v)&âvB(v)
AUS/EINKLAMMERUNG â/â¨
âv(A(v) â¨B(v)) a` âvA(v) ⨠âvB(v)
EINKLAMMERUNG â/â¨
âvA(v) ⨠âvB(v) ` âv(A(v) â¨B(v))
AUSKLAMMERUNG â/â¨
âv(A(v) â¨B(v)) ` âvA(v) ⨠âvB(v)
AUSKLAMMERUNG â/&
âv(A(v)&B(v)) ` âvA(v)&âvB(v)
AUSKLAMMERUNG â/ â
âv(A(v) â B(v)) ` âvA(v) â âvB(v)
AUSKLAMMERUNG â/ â
âv(A(v) â B(v)) ` âvA(v) â âvB(v)
AUSKLAMMERUNG â/ â BZW. EINKLAMMERUNG â/â/ â
âv(A(v) â B(v)) a` âvA(v) â âvB(v)
388
AUS/EINKLAMMERUNG â/ â
âv(A(v) â B(v)) ` âvA(v) â âvB(v)
AUS DEM GLKQ ABLEITBARE SCHLUSSREGELN
MODUS PONENDO PONENS (MPPQ)
A(t1...tx),âv1...vx(A(v1...vx) â B(v1...vx)) ` B(t1...tx)
âv1...vxA(v1...vx),âv1...vx(A(v1...vx) â B(v1...vx)) ` âv1...vxB(v1...vx)
âv1...vxA(v1...vx),âv1...vx(A(v1...vx) â B(v1...vx)) ` âv1...vxB(v1...vx)
MODUS TOLLENDO TOLLENS (MTTQ)
ÂŹA(t1...tx),âv1...vx(B(v1...vx) â A(v1...vx)) ` ÂŹB(t1...tx)
ÂŹâv1...vxA(v1...vx),âv1...vx(B(v1...vx) â A(v1...vx)) ` ÂŹâv1...vxB(v1...vx)
ÂŹâv1...vxA(v1...vx),âv1...vx(B(v1...vx) â A(v1...vx)) ` ÂŹâv1...vxB(v1...vx)
AUS DEM GLKQ+I ABLEITBARE SCHLUSSREGELN
SYMMETRIEREGEL (SYMM.Q+I )
a = b a` b = a
TRANSITIVITĂTSREGEL (TRANS.Q+I )
a = b, b = c ` a = c
ĂQUIVALENZ ATOMARER FORMELN MIT QUANTIFIZIERTEN SĂTZEN (AF/â)
Ďt a` âv(v = t &Ďv)
SYLLOGISMEN
S, M , P stehen fßr den Subjekt-, Mittel- und Prädikatbegriff.
SYLLOGISMUS BARBARA
âx(Mx â Px),âx(Sx â Mx) ` âx(Sx â Px)
389
SYLLOGISMUS BARBARI
âx(Mx â Px),âx(Sx â Mx),âxSx ` âx(Sx&Px)
SYLLOGISMUS CELARENT
ÂŹâx(Mx&Px),âx(Sx â Mx) ` ÂŹâx(Sx&Px)
SYLLOGISMUS CELARONT
ÂŹâx(Mx&Px),âx(Sx â Mx),âxSx ` ÂŹâx(Sx â Px)
SYLLOGISMUS DARII
âx(Mx â Px),âx(Sx&Mx) ` âx(Sx&Px)
SYLLOGISMUS FERIO
ÂŹâx(Mx&Px),âx(Sx&Mx) ` ÂŹâx(Sx â Px)
SYLLOGISMUS CESARE
ÂŹâx(Px&Mx),âx(Sx â Mx) ` ÂŹâx(Sx&Px)
SYLLOGISMUS CESARO
ÂŹâx(Px&Mx),âx(Sx â Mx),âxSx ` ÂŹâx(Sx â Px)
SYLLOGISMUS CAMESTRES
âx(Px â Mx),ÂŹâx(Sx&Mx) ` ÂŹâx(Sx&Px)
SYLLOGISMUS CAMESTROS
âx(Px â Mx),ÂŹâx(Sx&Mx),âxSx ` ÂŹâx(Sx â Px)
SYLLOGISMUS FESTINO
ÂŹâx(Px&Mx),âx(Sx&Mx) ` ÂŹâx(Sx â Px)
SYLLOGISMUS BAROCO
âx(Px â Mx),ÂŹâx(Sx â Mx) ` ÂŹâx(Sx â Px)
SYLLOGISMUS DARAPTI
âx(Mx â Px),âx(Mx â Sx),âxMx ` âx(Sx&Px)
SYLLOGISMUS FELAPTON
ÂŹâx(Mx&Px),âx(Mx â Sx),âxMx ` ÂŹâx(Sx â Px)
SYLLOGISMUS DISAMIS
âx(Mx&Px),âx(Mx â Sx) ` âx(Sx&Px)
SYLLOGISMUS DATISI
âx(Mx â Px),âx(Mx&Sx) ` âx(Sx&Px)
390
SYLLOGISMUS BOCARDO
ÂŹâx(Mx â Px),âx(Mx â Sx) ` ÂŹâx(Sx â Px)
SYLLOGISMUS FERISON
ÂŹâx(Mx&Px),âx(Mx&Sx) ` ÂŹâx(Sx â Px)
SYLLOGISMUS BAMALIP
âx(Px â Mx),âx(Mx â Sx),âxPx ` âx(Sx&Px)
SYLLOGISMUS CALEMES
âx(Px â Mx),ÂŹâx(Mx&Sx) ` ÂŹâx(Sx&Px)
SYLLOGISMUS CALEMOS
âx(Px â Mx),ÂŹâx(Mx&Sx),âxSx ` ÂŹâx(Sx â Px)
SYLLOGISMUS DIMATIS
âx(Px&Mx),âx(Mx â Sx) ` âx(Sx&Px)
SYLLOGISMUS FESAPO
ÂŹâx(Px&Mx),âx(Mx â Sx),âxMx ` ÂŹâx(Sx â Px)
SYLLOGISMUS FRESISON
ÂŹâx(Px&Mx),âx(Mx&Sx) ` ÂŹâx(Sx â Px)
FUNDAMENTALTHEOREME DER QUANTORENLOGIK
GESETZ VON DER IDENTITĂT (GVIQ)
` âv(A(v) â A(v))Bzw.: ` âv(A(v) â A(v))
GESETZ VOM AUSGESCHLOSSENEN WIDERSPRUCH (GVWQ)
` âvÂŹ(A(v) &ÂŹA(v))
GESETZ VOM AUSGESCHLOSSENEN DRITTEN (GVDQ)
` âv(A(v) ⨠A(v))
GESETZ VOM NICHTLEEREN UNIVERSUM (GVUQ)
` âv(A(v) ⨠A(v))
391
FUNDAMENTALTHEOREME DER IDENTITĂT
IDENTITĂTSAXIOM (AX.=)
` âv v = v
SYMMETRIE DER IDENTITĂT (SYMM.=)
` âv1âv2(v1 = v2 â v2 = v1) bzw.` âv1âv2(v1 = v2 â v2 = v1)
TRANSITIVITĂT DER IDENTITĂT (TRANS.=)
` âv1âv2âv3(v1 = v2 & v2 = v3 â v1 = v3)
VERZEICHNIS DER ABKĂRZUNGEN UND SYMBOLE
ABKĂRZUNGEN
J Sprache der Junktoren- bzw. AussagenlogikQ Sprache der QuantorenlogikQI Sprache der erweiterten QuantorenlogikU-Text umgangssprachlicher TextS-Text standardisierter TextSJ-Text standardisierter, junktorenlogischer TextSJA-Text standardisierter, junktorenlogischer, argumentativer
TextSQ-Text standardisierter, quantorenlogischer TextSQA-Text standardisierter, quantorenlogischer, argumentativer
TextSQI -Text standardisierter, erweitert-quantorenlogischer TextSQIA-Text standardisierter, erweitert-quantorenlogischer, argu-
mentativer TextJ -Argumentschema junktorenlogisches ArgumentschemaQ-Argumentschema
quantorenlogisches Argumentschema
QI -Argumentschema
erweitert-quantorenlogisches Argumentschema
a,b,c,d,e,f,ai elementare Aussagesätzef,g,h,i,j,fi Prädikatem,n,o,mi NamenA,E,I,O Aussageformen der SyllogismenGLKJ Gentzen-Lemmon-Kalkßl fßr J
GLKQ Gentzen-Lemmon-KalkĂźl fĂźr Q
GLKQ+I Gentzen-Lemmon-KalkĂźl fĂźr QI
W,F Wahrheitswerte W und Fwff wohlgeformte Formelgdw genau dann, wennI Wertebereich= Interpretation
394
QI -SYMBOLE
ÂŹ Negator, lies: ânichtâ& Konjunktor, lies: âundâ⨠Disjunktor, lies: âoderââ Subjunktor, lies: âwenn . . . dannââ Ăquivalentor, lies: âgenau dann, wennâ| Shefferstrich, lies: âweder . . . nochââşââš strenger Disjunktor, lies: âentweder . . . oderâP,Q,R,S,T,U,Pi Satzbuchstabenâ Allquantor, lies: âalleââ Existenzquantor, lies: âmindestens einâx,y,z,xi VariablenF,G,H,I,J,Fi Prädikatbuchstabena,b,c,ai Namenbuchstaben= Gleichheitszeichen, lies: âist identisch mitâ
METASYMBOLE
A,B,C Metavariable fĂźr wohlgeformte FormelnÎ, â Metavariable fĂźr Mengen wohlgeformter Formelnv Metavariable fĂźr Variablen aus Q
Ď Metavariable fĂźr Prädikatbuchstaben aus Q
s,t Metavariable fĂźr Namenbuchstaben aus Q
A(v) v in A
A(t) t in A
A(t/v) Ersetzung von v durch t in A
S Metavariable fĂźr offene Schemata
¡¡¡ ergo, lies: âalsoâ
|= Folgerungsbeziehung, âA |= Bâ lies: âB folgt (seman-tisch) aus Aâ
` Ableitbarkeit, âA ` Bâ lies: âB ist aus A ableitbarâa` Bi-Ableitbarkeit, âA a` Bâ lies: âA und B sind aus-
einander ableitbarâÎą, β, Îł Annahmen-Listenk,l,m,n,o Zeilennummern
395
REGELBEZEICHNUNGEN
AE Annahmen-EinfĂźhrungMPP Modus ponendo ponensMTT Modus tollendo tollensK Konditionalisierung&E Konjunktor-EinfĂźhrung&B Konjunktor-Beseitigungâ¨E Disjunktor-EinfĂźhrungâ¨B Disjunktor-BeseitigungDNE Doppelte Negator-EinfĂźhrungDNB Doppelte Negator-BeseitigungRAA Reductio ad absurdumâE Ăquivalentor-EinfĂźhrungâB Ăquivalentor-BeseitigungâE Allquantor-EinfĂźhrungâB Allquantor-BeseitigungâE Existenzquantor-EinfĂźhrungâB Existenzquantor-Beseitigung=E Identitäts-EinfĂźhrung=B Identitäts-BeseitigungTE TheoremeinfĂźhrungSE SchlussregeleinfĂźhrung
FĂźr die AbkĂźrzungen ableitbarer Schlussregeln vgl. die Schlussregellisten (S.375ff., S. 385ff.).
INDEX
Abbildungâ injektive, 57
Ableitbarkeit, 100â Entscheidbarkeit der, 183, 291
Ableitung, 27, 98â Faustregel I, 125â Faustregel II, 126â Faustregel III, 292â Faustregel IV, 315â Hauptjunktor, 105â Klammern, 105â Strategie, 124
Adjunktion, 68
AllgemeingĂźltigkeit, 55â Entscheidbarkeit der, 236â von J -Formeln, 55â von Q-Formeln, 228
Alphabetâ von J , 39â von Q, 215
Analyseâ quantorenlogische, 198â und Zahlangaben, 266â von Aussagen, 200
Annahmeâ EinfĂźhrung, 102â Hilfsannahme, 99â Liste, 98
Antinomie, 20
Argument, 85
Argumentrekonstruktion, 31
â aussagenlogische, 85â Detailliertheit, 267â erweiterte quantorenlogische, 324â quantorenlogische, 303â syllogistische, 197â vollständige, 92
Argumentschemaâ Korrektheit der, 90â und Interpretation, 88, 89â von J , 88â von Q, 218â von QI , 307â zugehĂśriges Konditional, 89
Ausdruckâ gesättigter, 199
Aussage, 19â A,I,E,O, 192â A,I,E,O (Formalisierung), 245â Analyse, 203â bivalente, 25â definit-quantifizierte, 320â elementare, 22, 80â graduelle, 266â und Satz, 45â und Umgangssprache, 75
Aussagefunktionâ komplexe, 206
Aussageinhalt, 77
Aussagesatzâ elementarer, 67â Form des, 239â quantifizierter, 203â singulärer, 203
397
Auswertbarkeitsannahme, 347
Bedingungâ hinreichende, 54â notwendige, 54
Begriff, 200â 1.und 2.Stufe, 200â Deutungen, 201â Extension, 193â Inhalt, 193â Intension, 193â Mittel-, 195â Prädikat-, 195â Subjekt-, 195â Umfang, 193
Belegungâ von Namenbuchstaben, 219â von Prädikatbuchstaben, 219â von Satzbuchstaben, 51â von Variablen, 219â widerlegende, 91â widerlegende Q-, 232
Belegung*â von Satzbuchstaben, 60
Beweisâ aussagenlogischer, 185â formaler, 58â indirekter, 119â induktiver, 150, 155â inhaltlicher, 57â Korrektheits-, 150, 157â Kriterien, 183â logischer, 59â metalogischer, 155â semantischer, 58â syntaktischer, 58â und Ăberzeugung, 151
â und GĂźltigkeit, 152â und Wahrheitswerttabelle, 57â Vollständigkeits-, 164
Beweisbauer, 130
BeweisprĂźfer, 130
Bikonditional, 68
Bivalenzprinzip, 19, 25, 47
Church-These, 337
Definition, 54â induktive, 42â rekursive, 42
Demonstrativum, 319
Diagonalisierung, 351
Disjunktâ typisches, 288
Disjunktion, 68
Eigenschaftâ formale, 12, 14, 26, 186â formale und Beweis, 63â inhaltliche, 12â wahrheitsfunktionale, 25
Elementarsatz, 46â und Standardisierung, 82
Entscheidbarkeit, 29â der Aussagenlogik, 57â im Endlichen, 230
Entscheidungsverfahren, 28
Erweiterungâ der Aussagenlogik, 191â der Quantorenlogik, 305
Extensionalitätsprinzip, 23, 25, 51
398
Folgerungâ intuitiver Begriff, 88â logische, 25
formale Spracheâ von J , 39
Formalisierung, 15â aussagenlogische, 65â erweiterte quantorenlogische, 316â quantorenlogische, 237â Zweck der, 16
Formelâ und Kontradiktion, 56â allgemeingĂźltige, 55â allgemeingĂźltige*, 62â atomare, 216â atomare von QI , 307â FK-Formel, 118â K-Formel, 87â Metaformel, 132â Pr-Formel, 87â selbstreferentielle, 351â und Tautologie, 55â unerfĂźllbare, 55â unerfĂźllbare*, 62â von J , 44â wohlgeformte von J , 42, 44â wohlgeformte von Q, 216â wohlgeformte von QI , 307
Funktionâ diagonale, 351â einstellige, 201â Entscheidungs-, 346â mehrstellige, 201â rekursive, 337â und Argument, 199â ungesättigte, 199â Werte der, 199
â Werteverlauf der, 199â zahlentheoretische, 337
GĂśdelisierung, 337
Gegensatzâ konträr, 194â kontradiktorisch, 194â subkonträr, 194
Gegenstand, 203
GLKJ , 97â Korrektheit des, 183â Korrektheitsbeweis des, 157â Vollständigkeit des, 183â Vollständigkeitsbeweis des, 164
GLKQ+I , 311â Korrektheit des, 316â Vollständigkeit des, 316
GLKQ, 275â Korrektheit des, 290â Korrektheitsbeweis des, 291â Vollständigkeit des, 290
Goldbachsche Vermutung, 19
Hauptjunktor, 50
Hauptoperator, 275
Identitätsaussageâ Identifikation, 320
Implikation, 68â formale, 90â materiale, 90
Inklusion, 318
Instanzâ einer Q-Formel, 277
Interpretation
399
â von J , 45â von Q, 218â von QI , 308
Junktor, 41â Definitionen, 48â dyadischer, 44â extensionaler, 51â intensionaler, 51â Interpretation, 49â wahrheitsfunktionaler, 51
KalkĂźlâ des natĂźrlichen Schliessens, 97,
101â GLKJ , 97â GLKQ+I , 311â GLKQ, 275
KalkĂźlregelâ =B, 312â =E, 311â &B, 111â &E, 110â âB, 286â âE, 284â âB, 276â âE, 280â âB, 123â âE, 123â â¨B, 113â â¨E, 112â AE, 102â DNB, 120â DNE, 120â K, 107â MPP, 104â MTT, 106â RAA, 118
Kennzeichnung, 322â Formalisierung des, 322â leere, 322
Klammergesetzeâ der Quantorenlogik, 298
Klammernâ Interpretation, 50â Regeln, 44
Konjunktion, 68
Kontradiktion, 55
Korrektheitâ des KalkĂźls, 149â Beweis der, 150, 157â von Argumentschemata, 90
Logik, 16â Aufgabe der, 29â deontische, 24â der strikten Implikation, 24, 33â des Entailment, 24, 33â dialogische, 19â epistemische, 23â formale, 24â free logic, 21â fuzzy logic, 21â induktive, 34â intensionale, 23â intuitionistische, 20â Klassenlogik, 27â konstruktive, 20â mehrstufige Quantorenlogik, 27â mehrwertige, 19â Modallogik, 24â nicht-monotone, 32â philosophische, 24â Quantenlogik, 21â Relevanzlogik, 24, 32
400
â temporale, 24â Wahrscheinlichkeitslogik, 21â Zweck der, 17
Logische BeweisfĂźhrung, 16â Zweck der, 17
Logische Falschheit, 14, 25, 26â und Kontradiktion, 55
Logische Folgerung, 26
Logische Konstante, 19
Logische Notation, 14â und Wahrheitswertabelle, 63
Logische Unabhängigkeit, 22, 46â Prinzip, 22, 25, 47, 52
Logische Wahrheit, 14, 25, 26â und Tautologie, 55
Logisches Gesetz, 132â Ax.=, 311â GAW, 133â GDN, 134â GTD, 133â GVUQ, 296â Symm.=, 313â Trans.=, 313
Mehrdeutigkeitâ Ellipsen, 78â indexikalische, 79â lexikalische, 78â strukturelle, 79
Mengeâ abzählbare, 40â unendliche, 42
MetakalkĂźl MK, 340
Metalogik, 28â der Aussagenlogik, 149
Metasprache, 40
Metavariable, 102
Modell, 224
Nameâ abstrakter, 319â exklusive Deutung, 210â inklusive Deutung, 210
Negation, 68
Normalformâ pränexe, 300
Oberformelliste, 99
Objektsprache, 40
Operator, 275
Paradoxâ der formalen Implikation, 32â der materialen Implikation, 32
Prädikat, 203â implizites, 248
Prädikatenlogik, 192
Prädikation, 318
Prämisseâ Maior, 195â Minor, 195
Q-Interpretation, 219, 220â formale Deutung, 222â und Entscheidungsverfahren, 236
Q-Modell, 224
Quadratâ logisches, 194, 247
Quantifikation
401
â Grenzen der, 264â ontische, 211â substitutionelle, 211
Quantoren, 192â Definitionen der, 297â Reihenfolge der, 253, 255â und Umgangssprache, 239â Vorziehen der, 258
Quantorenlogik, 192â extensionaler Standpunkt, 220â Reichhaltigkeit der, 266
Reichhaltigkeit, 24, 29, 191â der Quantorenlogik, 266
Relationâ formale, 13, 14, 26â inhaltliche, 12
S-Text, 65
Satzâ und UnerfĂźllbarkeit, 56â bivalenter, 46â kontradiktorischer, 55â offener, 207â tautologischer, 54â und AllgemeingĂźltigkeit, 55â und Aussage, 45â von LĂśwenheim/Skolem, 222
Satzbuchstabe, 39â Interpretation, 47
Schematisierung, 31â aussagenlogische, 65â erweiterte quantorenlogische, 316â quantorenlogische, 237â Regel (Aussagenlogik), 72â Regel (Quantorenlogik), 242
SchlĂźssigkeitâ deduktive, 34â formale, 90, 147
Schlussregel, 136â Ausklammerung â/&, 300â direkte, 136â EinfĂźhrung, 145â entsprechende, 138â indirekte, 136â KD, 141â KR, 141â MPT, 140â MTP, 140â WID, 141
Schlussregellisteâ aussagenlogische, 145, 375â quantorenlogische, 302, 385â syllogistische, 381
Semantik, 26â der Aussagenlogik, 45â der Quantorenlogik, 218
Semantische Prinzipien, 24, 25
SJ-Struktur, 74
SJ-Text, 65
SJA-Texte, 86
SQ-Struktur, 243
SQ-Text, 237
Standardisierung, 31â aussagenlogische, 74â erweiterte quantorenlogische, 318â quantorenlogische, 244â und Interpretation, 77
Subjunktion, 68
Syllogismenlehre, 192â und Quantorenlogik, 197, 204
402
Syllogismus, 195â Ableitung, 301â Figuren, 195â Liste, 196â Merknamen, 196â Modi, 196
Synonyme, 79
Syntax, 26â der Aussagenlogik, 45, 97
Tautologie, 55
Theorem, 109â EinfĂźhrung, 134
U-Text, 74
Umformungsregel, 137â â¨Def, 143â aF/â, 314â Aus/Einklammerung â/â¨, 299â Def. âââ, 297â PE&, 142
Unabhängigkeitâ Prinzip und Zahlen, 266
Unendlichkeitâ aktuale Auffassung, 20â extensionale Auffassung, 20â intensionale Auffassung, 20â potentielle Auffassung, 20
Unentscheidbarkeitâ der Quantorenlogik, 333â im Unendlichen, 233
Unentscheidbarkeitsbeweisâ Ableitungsschema, 356â von Church, 333â von Hilbert, 336
UnerfĂźllbarkeit, 55
â von J -Formeln, 55â von Q-Formeln, 229
Unvollständigkeitâ der Arithmetik, 316
Variableâ exklusive Deutung, 209â freie, 204â gebundene, 204â inklusive Deutung, 210â Wirkungsbereich, 209
Venn-Diagramm, 196
Vollständigkeitâ Beweis der, 164â des KalkĂźls, 164
Wahrheitsfunktion, 47â und Umgangssprache, 69
Wahrheitswert, 46
Wahrheitswertanalyse, 53
Wahrheitswerttabelle, 51â Interpretation, 53, 62
Werte aus I , 223
Wertebereich, 206â nicht leer, 207
Wertebereich I , 223
Widerspruchsfreiheit, 163â nummerische, 348
Wirkungsbereich, 206â Bedeutung, 257, 262â und atomare Formel, 264
Zerlegungsbaum, 73, 243
Zweiwertigkeitsprinzipâ siehe Bivalenzprinzip, 19